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Zwei Giganten im Kommen

Die asiatischen Giganten Indien und Indonesien sind für Wachstumsinvestoren schon lange kein Geheimtipp mehr. Der IMF prognostiziert sechs Prozent p. a. Wachstum für Indien und fünf Prozent für Indonesien bis 2028. Damit weisen die beiden Länder unter den 20 größten Volkswirtschaften das größte Wachstumspotential aus.

von Mag. Christian Sec

Indien und Indonesien sind im letzten Jahrzehnt stark gewachsen. Im Falle von Indien waren es 71 Prozent, im Falle von Indonesien 52 Prozent. Damit sind die Parallelen aber noch nicht zu Ende. In beiden Ländern dominiert der Servicesektor das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Der Anteil des Servicesegments am BIP ist in den letzten Jahrzehnten in beiden Ländern stetig gestiegen und beträgt heute zwischen 40 und 50 Prozent.

Beide Länder verfolgen eine Politik der wirtschaftlichen Öffnung. Indonesien hat 2021 das Investitionsrecht und das Arbeitsrecht liberalisiert und hunderte Wirtschaftssektoren für ausländische Eigentümerschaften geöffnet. Von den vormals 350 Sektoren mit beschränktem Zugang sind es nunmehr nur noch 46, von denen die Hälfte auf den Transportsektor fällt. Ähnliches trifft auf Indien zu. Unter der Regierung Narendra Modis seien die meisten Beschränkungen für Auslandsinvestoren gefallen, bis auf wenige Ausnahmen wie z. B. in der Rüstungsindustrie, erklärt Gabriela Tinti, Fondsmanagerin des Erste Stock Emerging Markets Global, gegenüber risControl. Insgesamt belaufen sich die Auslandsinvestitionen in beiden Staaten auf rund 1,5 Prozent des BIPs. Der Ausbau der Infrastruktur hat in beiden Staaten höchste Priorität und dient als Sprungbrett für die wirtschaftlichen Ambitionen. Seit 2014, als der charismatische Joko Widodo Präsident Indonesiens wurde, hat das Land 18 Seehäfen, 21 Flughäfen und 1.700 Kilometer Autostraßen gebaut. Das wohl ambitionierteste Projekt ist der geplante Bau einer neuen Hauptstadt, die die nachhaltigste Stadt der Welt werden und die treibende Kraft der indonesischen Wirtschaft in der Zukunft sein soll. Auch Indien investiert riesige Summen in die Infrastruktur und erhöht alljährlich um 10.000 Kilometer sein Autobahn- und Schnellstraßennetz. Und trotzdem gibt es für beide Nationen noch viel Raum zum Aufholen. Indonesiens BIP pro Kopf liegt bei 4.180 US-Dollar, das von Indien liegt gar nur bei rund 2.400 US-Dollar.

Nutzen für die globale Wirtschaft

Der führende Exportsektor Indiens sind Technologiedienstleistungen. Dabei schafft es Indien jedes Jahr, eine halbe Million neuer IT-Spezialisten auf den weltweiten Markt zu bringen, was dazu führt, dass Indien mit rund 20 Prozent Anteil am globalen IT-Service-Markt eine dominierende Rolle einnimmt. 17 Prozent der gesamten Exporte in Wert gehen auf das Konto von IT-Dienstleistungen. Mit Wachstumsraten von über zehn Prozent jährlich wird sich der globale Anteil Indiens dabei weiter vergrößern, wie die Prognosen zeigen. Indonesiens großer Wert für die globale Wirtschaft liegt in seinen Rohstoffen. Bei Kohle, Palmöl, Zinn gehört Indonesien zu den größten Exporteuren weltweit. Zugleich ist das Land mit 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr der größte Nickelabbauproduzent weltweit. Dies ist nicht unwichtig, ist doch gerade Nickel bei der weltweiten Energietransformation, z. B. bei batteriebetriebenen Fahrzeugen, ein weltweit stark nachgefragter Rohstoff. Der Anteil der Rohstoffausfuhr am Export macht rund 22 Prozent in Indonesien aus. Sowohl für Indiens

IT-Sektor als auch für den Rohstoffsektor in Indonesien gilt jedoch, dass die beiden Bereiche nur relativ wenige Jobs generieren. So zählt Indiens ITIndustrie gerade einmal fünf Millionen Beschäftigte – verschwindend gering im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Daher ist es das Ziel der beiden Regierungen, einen exportfähigen Produktionssektor aufzubauen. Der Trigger für die indonesische Regierung ist dabei das Ausfuhrverbot von ausgewählten reinen Rohstoffen, wie z. B. Nickel. Wer heute Nickel haben will, muss den Rohstoff auch in Indonesien weiterverarbeiten. Damit will Indonesien die Stufen in der Wertschöpfungskette weiter aufsteigen. Mit dieser Initiative stieg die Anzahl von Nickelverarbeitungsstätten in Indonesien seit 2014 von zwei auf mittlerweile 30. Mit solchen Maßnahmen will man Know-how im Land binden mit dem Ziel, bis 2030 Autobatterien mit einer Gesamtkapazität von 140 Gigawattstunden zu produzieren, was der gesamten globalen Leistung im Jahre

2020 entspricht. Mittlerweile hat der südkoreanische Autobauer Hyundai im vergangenen Jahr begonnen, E-Autos in Indonesien zu bauen. Die Stärkung des Produktionssektors bewirkte, dass die Handelsbilanz seit 2019 einen positiven Jahressaldo aufweist. Auch Indien versucht ihrerseits die verarbeitende Industrie fördern. Die indische Regierung – unter der Führung von Premierminister Modi – greift Industrieunternehmen in 14 ausgewählten Sektoren mit umgerechnet fast 30 Milliarden Euro, darunter der Halbleiterindustrie, unter die Arme. Foxconn, der Produzent der iPhones, baut die Applehandys seit 2022 nicht mehr nur in China, sondern auch in Indien. Schon 2027 könnte die Hälfte aller iPhones in Indien produziert werden. Aber Foxconn baut nicht nur iPhones, sondern auch ein Werk für Halbleiter. In der Fertigungsstätte des Unternehmens sollen einmal 100.000 Menschen Arbeit finden. Man könnte dabei die heutige Politik Indiens auch als Übernahme des ostasiatischen Entwicklungsmodells beschreiben. Die Attraktivität für die Unternehmen kommt nicht zuletzt aufgrund der niedrigen Pro-Kopf-Einkommen, die ein Fünftel bis ein Sechstel niedriger als beim Erzfeind China liegen. Die Diversifizierung des Exports ist also schon voll im Gange. So hat sich der Subkontinent in den letzten Jahren eine gewichtige Position auf den globalen Pharma-Märkten erkämpft. Indien exportiert pharmazeutische Produkte, aber auch pharmazeutische und klinische Dienstleistungen rund um den Globus.

Geopolitischer Standpunkt

Zwei unterschiedliche Standpunkte nehmen die Staaten ein, wenn es um ihre geopolitische Haltung beim Konflikt zwischen China und den USA geht. Diese Divergenz könnte einen großen Effekt auf die ausländischen Direktinvestments und den Handel in Zukunft haben. Indonesien verfolgt dabei eine Art von neutraler Handelspolitik und will einen Ausgleich zwischen China und dem Westen finden. Der indonesische Staatsfonds, der errichtet wurde, um ausländische Investoren für Infrastrukturmaßnahmen zu gewinnen, wird dabei auch mit drei Milliarden US-Dollar von China gefördert. Die Politik Indiens geht mit China viel distanzierter um und bekennt dabei Farbe, indem es mit den USA, Australien und Japan die Quad-Staaten bildet, eine strategische Allianz, die sich dem Machtanspruch Chinas entgegenstellt. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Wirtschaft. Bereits 2020 hat Indien dutzende von chinesischen Apps verboten, darunter den chinesischen Social-Media-Dienst TikTok. Chinesische Tech-Unternehmen sind seither von ständigen Razzien und Ermittlungen betroffen. Aber die Realität ist komplexer. Was die Russland-Politik angeht, so distanziert sich Indien von den westlichen Allianzen jedoch. Denn „für Indien ist der Russland-Krieg ein Glücksfall“, so Tinti. Der Handel mit Russland bricht aufgrund des Krieges alle Rekorde. Im April importierte Indien laut dem Datenanbieter Vortexa erstmals mehr Öl aus Russland als aus den früheren Hauptlieferländern SaudiArabien und Irak zusammen, etwa 1,7 Millionen Barrel pro Tag. Gleichzeitig verschifft Indien so große Mengen an Mineralölprodukten nach Europa wie noch nie und wurde laut den Daten des Analysedienstes Kepler zu Europas führendem Lieferanten von raffinierten Kraftstoffen wie z. B. Diesel. 2022 hatte diesen Titel noch Russland inne. Experten sind überzeugt, dass in den indischen Lieferungen weiterverarbeitetes russisches Öl steckt, also russisches Öl reingewaschen wird.

Billig und teuer

Einen großen Asset sieht Tinti in der politischen Stabilität Indiens in den letzten Jahren. Wenn in Indien die Umfragen halbwegs stimmen, so sollte Modi auch bei der nächsten Wahl 2024 an der Macht bleiben können. „Die Al- leinregierung Modis seit 2014 trug zur politischen Stabilität des Landes und zum wirtschaftlichen Aufschwung bei“, so Tinti. Ein Wachstumsrisiko sieht Tinti im indischen Kastensystem. Auch die Partei Modis ist eine stark hindunationalistische Partei, die ihre Wurzeln im Kastenwesen hat. Gewalt gegen Minderheiten vor allem von Muslims werde, wie viele Bilder aus den Medien zeigen, offenbar von den Sicherheitskräften geduldet. Der indische Kapitalmarkt sei gut diversifiziert, wenn auch traditionell etwas teuer, erklärt Tinti. Das KGV des indischen Aktienindex Sensex beträgt etwa 23, während der indonesische Aktienmarkt ein KGV von nur zwölf aufweist. Der MSCI India repräsentiert 85 Prozent des indischen Kapitalmarktes und zeigt gegenüber dem MSCI Indonesien doch eine größere Tiefe. Die größten Sektoren sind der Finanzsektor mit 26,66 Prozent, gefolgt vom IT-Sektor mit über 13 Prozent, Energie mit knapp zwölf Prozent und zyklischen Konsumgütern mit elf Prozent. Industrie und Gesundheitsversorgung kommen auf rund sechs und fünf Prozent. In Indonesien ist der Aktienmarkt noch nicht so reif, was zu einem starken Übergewicht des Finanzsektors mit 58 Prozent im MSCI Indonesia führt, danach folgen Kommunikationsdienstleistungen mit zwölf Prozent und Grundnahrungsmittel mit 8,7 Prozent. Der indonesische Kapitalmarkt gelte noch als Geheimtipp und dies, obwohl die Bewertungen im Verhältnis zum Renditepotenzial zu niedrig seien, wie der Fidelity-Fondsmanager James Trafford,

Interview mit Capinside

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