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Kolumne - Jessica Jurassica: DIE LIEBE ZUM SINNLOSEN

Manchmal vermisse ich die Zeit, als ich im Fussballstadion in der Gastronomie arbeitete. Damals verbrachte ich jeweils einfach ein paar Stunden damit, in einem bescheuerten Polohemd Würste auf Pappteller zu legen. Das war die einzige Aufgabe, die ich hatte und es war eine derart sinnlose Aufgabe, dass sie mich richtig glücklich machte. Irgendwann gab ich den Job auf, weil mich die Chefs nervten aber ich fand bald eine andere sinnlose Arbeit, nämlich Menschen dabei zu unterstützen, betrunken zu werden oder ihre Jacke an einen Kleiderbügel zu hängen, ein paar Stunden lang auf sie aufzupassen und sie am Ende des Abends wieder zurückzugeben. Tatsächlich tut mir nichts so gut, wie die reduzierte Sinnlosigkeit der Lohnarbeit und natürlich ist das Bullshit, dieses Zelebrieren des sinnentleerten Mini-Jobs, wenn man bedenkt, wie privilegiert ich bin und dass andere keine Wahl haben, ihr ganzes Leben unter miesesten Arbeitsbedingungen die sinnlosesten Jobs zu machen.

Aber ganz sinnlos ist die Arbeit im Nachtleben ja nicht, es geht schliesslich um Kultur, um Konzert- und Club- und Rauschkultur. Im besten Fall ist es ausserdem auch ein sehr sozialer Job. Einmal hat mich jemand gefragt, ob ich nicht Lust hätte, als Betreuerin in ein Ferienlager für Behinderte mitzukommen, denn ich arbeite ja schliesslich im Nightlife an einer Garderobe und wenn ich am Ende des Abends die letzten Gäste handeln und geduldig bleiben kann, dann könne ich bestimmt auch gut mit Behinderten umgehen. Dabei ist es an der Garderobe gar nicht so schwierig, die letzten Gäste zu handeln, die sind nur an der Bar wirklich anspruchsvoll, wenn sie noch ein Getränk wollen und ich aber will, dass die jetzt endlich nachhause gehen. An der Garderobe sind sie am Schluss zwar sehr langsam und verwirrt, aber sie sind dann auch immer dankbar, dass sie nun ihre Jacken, an welche sie den ganzen Abend keinen Gedanken verschwenden mussten, abholen und einfach nachhause gehen können.

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Ja, manchmal ist man im Nightlife Betreuerin aber manchmal ist man auch Vermittlerin, weil oft hat man etwas Zeit zu reden und dann wollen Gäste Dinge wissen, über den Club oder über die Stadt, wo denn noch was laufe oder wie meine Handynummer lautet. Oder einmal hat eine auf der Suche nach ihrem Jeton den Inhalt ihrer Tasche in die Hände des Boys, der sie begleitete, gelegt, unter anderem Tampons in verschiedenen Grössen. Der Boy inspizierte die Tampons verunsichert und neugierig und wollte wissen, warum es denn verschiedene Grössen gäbe. Ich klärte ihn kurz über die Anwendung von Tampons auf und er bedankte sich ganz lieb dafür, heute noch was gelernt zu haben. Das war schön. Deshalb ist es eigentlich doch ganz ok, dass ich nicht mehr im Stadion Würste auf Pappteller verteile.