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Kolumne: Jessica Jurassica

BRANDLÖCHER IM LAKEN UND BRECHTZITATE

Mein erstes Interview gab ich einer Lokaljour nalistin, die das Gefühl zu haben schien, etwas ganz Grossem auf der Spur zu sein. Sie fragte mich nach meinem Liebesleben und ob die Maske et was mit BDSM zu tun habe. Ich antwortete «Nein, ei gentlich nicht, aber vielleicht wird das ja noch was.» Damals wusste ich noch nicht, dass es mir Spass macht, Männer auf erotischer Basis zu schlagen. Weiter fragte sie mich, ob ich rauche und ich bejahte die Frage etwas verwirrt, worauf sie weiterfragte, weshalb ich denn rauchen täte. Ich fand diese Frage derart irritierend, dass ich aus der Not irgendeinen Bullshit von wegen Auflehnung gegen den herrschenden Gesundheits wahn vor mich hin stotterte. Etwas mehr als ein Jahr später fiel mir die Antwort auf diese seltsame Frage in den Schoss: Ich lag nackt im Bett und hatte mir soeben eine Zigarette gedreht. Der Boy, mit dem ich im Bett lag, küsste mein Gesicht, mei nen Hals, Oberkörper und dann die Innenseiten meiner Schenkel und zitierte zwischen seinen Küssen Brecht: Betrachtende des epischen Theaters sollten während der Aufführung rauchen, um sich nicht komplett in der Handlung zu verlieren und also um die analytische Di stanz zu dem, was auf der Bühne passiert, zu wahren. Ich halte eigentlich nicht viel von Typen, die während des Sex Brecht zitieren, aber diesen Input fand ich dann doch ganz interessant. Denn dieses Zitat wäre eine gute Vorlage gewesen für eine Antwort auf die Frage, die ich damals nicht beantworten konnte: Ich rauche, weil ich als Schreibende zwar immer Beobachtende bin, aber der Griff nach der Zigarette und das Anzünden ebenje ner, erlauben es mir, eine aktive selbstreflexive Haltung einzunehmen und mich nicht komplett im Geschehen zu verlieren. Die Distanz der Raucherin macht mich zur Akteurin und schreiben lässt es sich nur aktiv und mit einer reflexiven Distanz. Wenn ich nicht rauchen würde, würde ich heute vielleicht immer noch Peinlichkeiten in mein Tagebuch kritzeln. Und auch was den Sex betrifft, hilft das Rauchen, oder von mir aus auch eine andere Technik, wie zum Beispiel reden oder lachen, dabei, sich nicht in irgendwelchen normativen Mustern oder Ideen zu verlieren, sondern souverän zu entscheiden, was einem in diesem Moment wirklich Lust bereitet. Während der Boy mich oral befriedigte, rauchte ich also. Ich rauchte relativ langsam, liess die Selbstge drehte immer wieder ausgehen, um mich meiner Lust hinzugeben und zündete die Zigarette dann wieder an, was mich aus der Situation herausriss und mir erlaubte, diese umso bewusster und intensiver wahrzunehmen. Und so souverän, wie es die rauchende Zuschauerin im epischen Theater ist, habe ich dann auch vermieden, Brandlöcher in mein Laken zu brennen.

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