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LEWIS CAPALDI «Ich dachte immer, ich werde Hochzeitsmusiker»

LEWIS CAPALDI «Ich dachte immer, ich werde Hochzeitsmusiker»

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Platinstatus und sieben Wochen an der Spitze der UK-Charts – mit seiner Single «Someone You Love» gelang dem 22-jährigen Lewis Capaldi der grosse Durchbruch. Trotzdem ist der schottische Songwriter mit beiden Beinen fest auf dem Boden geblieben – jetzt tragen ihn diese unter anderem auch ans renommierte Montreux Jazz Festival. von Nadine Wenzlick

Lewis, du hast gesagt, dass auf deinem Debütalbum vermutlich zwei Nieten sind, weil du auch nur ein Mensch bist und jeder Fehler macht. Jetzt wo die Platte erschienen ist: Weisst du schon, welche Songs das sind? (lacht) Noch nicht. Natürlich mag ich alle Songs, aber in ein paar Jahren werde ich bei ein oder zwei Stücken bestimmt wünschen, ich hätte sie nicht auf die Platte gepackt. Weisst du, wenn es um ihr Debütalbum geht, tun die Leute immer wahnsinnig stolz und sagen das wird so toll. Das ist nicht mein Ding. Ich bin lieber so realistisch, wie es nur geht.

Ist das typisch schottisch? Ich glaube schon. In Schottland sind die Menschen sehr realistisch, manchmal sogar richtig zynisch. Selbst als meine Single «Someone You Love» in England auf Platz eins der Charts ging, habe ich nicht gross gefeiert, sondern bloss alleine im Hotelzimmer zwei Bier getrunken. Ich denke immer «Wer weiss, nächstes Jahr war’s das vielleicht». Die Musikbranche ist schliesslich so verrückt und ändert sich ständig. Ich mache einfach mein Ding und gucke was passiert.

Wie bist du zur Musik gekommen? Meine Eltern fuhren mit uns früher immer in den Urlaub nach Frankreich – von Glasgow mit dem Auto, was echt verrückt ist. 2006 gab es schliesslich schon Flugzeuge! Auf der langen Fahrt hörten wir Queen, Fleetwood Mac, Elvis Presley, Genesis und The Proclaimers. Mit vier sang ich dann zum ersten Mal auf einer Bühne Karaoke. Ab da gab es für mich nur noch die Musik. Ich habe so viele Freunde, die jetzt mit dem Studium fertig sind, den Abschluss in der Tasche haben und immer noch nicht wissen, was sie machen wollen. Ich hatte Glück, dass ich es so früh erkannt haben. Ich dachte allerdings eher, dass ich Hochzeitsmusiker oder Musiklehrer werde. Wäre auch okay gewesen.

Dein Debüt trägt nun den griffigen Titel «Divinely Uninspired To A Hellish Extend» – was war so uninspirierend? Die Musikindustrie wird immer idealisiert, als sei alles total glamourös. Ich empfand es aber als sehr anstrengend und langweilig, das Album zu machen. Schon meine allererste Single «Bruises» kam ziemlich schnell auf etliche Millionen Streams.

Kein anderer Künstler ohne Plattenvertrag erreichte je schneller 25 Millionen Streams. Genau. Und bei den nächsten Singles hiess es dann ständig «Oh, es läuft nicht so gut», obwohl es für einen Newcomer immer noch gut war. Das hat mich eine zeitlang total runtergezogen. Mit dem Titel wollte ich ausdrücken, dass selbst wenn man etwas tut, das man liebt, schlechte Zeiten kommen können, in denen man höllisch uninspiriert ist oder das Gefühl hat, nicht gut genug zu sein. Davon abgesehen fand ich die Vorstellung amüsant, dass die Plattenfirma ein Album mit dem Titel vermarkten muss (lacht).

Um Selbstzweifel geht es auch in Stücken wie «Maybe» und «Hold Me While You Wait». Hast du selbst damit zu kämpfen? Je grösser alles wird, desto mehr Selbstzweifel scheine ich zu haben – weil ich denke, ich sollte nicht so viel Erfolg haben. Das ist aber keine schlechte Sache. Jeder hat doch Selbstzweifel, bei allem was wir tun. Deswegen finde ich das Thema sehr interessant. Auch darauf zielt der Albumtitel übrigens ab. Es geht darum, sich dadurch zu kämpfen. w

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