L. Fritz No. 7 - Krise in der Fotografie

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Krise in der

Fotografie

No. 7 DAS
MAGAZIN DER INTERNATIONALEN PHOTOSZENE KÖLN

Die Mitwirkenden

Jörg Colberg

Jörg Colberg (*1968) ist Autor, Fotograf und Lehrer. Bereits 2002 gründete er seinen Blog „Conscientious Photography Magazine“, auf dem er bis heute Artikel über zeitgenössische Fotografie veröffentlicht. Außerdem schreibt Colberg, der seit 2000 in den USA lebt, für Fotografiezeitschriften, Kataloge und Künstler-Monografien. Colberg hat am Massachusetts College of Art and Design, am Rhode Island College of Design, an der University of Hartford und an der Neuen Schule für Fotografie Berlin unterrichtet. Ende 2020 erschienen von ihm „Photography’s Neoliberal Realism“ (MACK Books) sowie sein erstes Fotobuch „Vaterland“ (Kerber Verlag).

Jörg Colberg (*1968) is a writer, photographer, and educator who has been living in the US since 2000. In 2002, he started his blog “Conscientious Photography Magazine”. There, he publishes articles about contemporary photography. In addition, Colberg has been writing for photography magazines, catalogues, and artist monographs. Colberg has taught at the Massachusetts College of Art and Design, at the Rhode Island College of Design, at the University of Hartford und at Neue Schule für Fotografie Berlin. Most recently, at the end of 2020 his book “Photography’s Neoliberal Realism” (MACK Books) and his first photobook “Vaterland” (Kerber Verlag) were published.

Sophia Greiff

Sophia Greiff (*1982) ist Doktorandin an der Folkwang Universität der Künste und forscht zu fotojournalistischen Erzählund Darstellungsformen im Fotobuch. Von 2016 bis 2021 war sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover tätig und hat die Bände „image/con/text“ und „Images in Conflict“ mit herausgegeben. Zuvor war sie Co-Kuratorin des „Fotodoks –Festival für aktuelle Dokumentarfotografie“ sowie KruppStipendiatin im Programm „Museumskuratoren für Fotografie“.

Sophia Greiff (*1982) is a doctoral candidate at the Folkwang University of the Arts, conducting research into photojournalistic forms of narrative and representation in the photobook. From 2016 until 2020 she worked as a research assistant on the Photojournalism and Documentary Photography course at the University of Hanover and co-edited the volumes “image/con/text” and “Images in Conflict”. Prior to that she was co-curator of “Fotodoks – Festival für aktuelle Dokumentarfotografie” as well as Krupp scholarship holder in the “Museum Curators for Photography” programme.

Wilhelm Heitmeyer

Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer (*1945) war 1996 Gründer und bis 2013 Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konfliktund Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld. Seine Forschungsinteressen sind soziale Desintegrationsprozesse, Gewalt, Rechtsextremismus, Islamismus, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und ethnisch-kulturelle Konflikte. Seit 2013 arbeitet er als SeniorProfessor an der Universität Bielefeld.

Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer (*1945) was in 1996 the founder, and until 2013 the director of the Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) at the University of Bielefeld. His research interests are processes of social disintegration, violence, right-wing extremism, Islamism, group-based misanthropy and ethnic-cultural conflicts. He has been working as a senior professor at Bielefeld University since 2013.

Wolfgang Lorentz

Diplom-Wirtschaftsjurist Wolfgang Lorentz (*1961) studierte Jura in Erlangen und Köln. Seine Interessen sind Marken-, Medien- und Urheberrecht sowie Künstlernachlässe. Lorentz gibt Seminare/Workshops für rechtlich bessere Vermarktungen bildender Künstler/ Fotografen in Deutschland und Österreich. Er ist Autor des Ratgebers „Kunst hat Recht(e)“, der bereits in der zweiten Auflage erschienen ist. Auf dessen Basis hält Lorentz zudem Vorträge zu Künstlerpersönlichkeiten und zum Urheberrecht.

Qualified commercial lawyer Wolfgang Lorentz (*1961) studied Law in Erlangen and Cologne. His interests are brand, media and copyright law, as well as artists’ estates. Lorentz holds seminars/workshops on more legally effective marketing of fine artists/ photographers in Germany and Austria. He is author of the manual “Kunst hat Recht(e)”, which has now appeared in its second edition. Based on this work Lorentz additionally holds lectures on celebrity artists and copyright law.

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The Contributors

Anja Martin

Anja Martin (*1970) ist freie Journalistin, schreibt für überregionale Tages- und Wochenzeitungen sowie für Magazine Reportagen, Interviews und Porträts und gehört zum festen Autorenstamm von „FotoMagazin“. Sie lebte in Biarritz, Hamburg und München, bevor sie 2020 nach Berlin zog, wo sie dem Journalistenbüro „Freistil“ angehört. Bevor sie sich dem Texten zuwandte, hat sie eine Fotografenausbildung absolviert, später Ethnologie studiert. Neben fremden Ländern, Gesellschaft und Design findet daher schon seit zwanzig Jahren immer wieder die Fotografie den Weg in ihre Beiträge.

Anja Martin (*1970) is a freelance journalist, writing reportages, interviews, and portraits for cross-regional daily and weekly newspapers as well as for magazines, and is one of the regular authors for “FotoMagazin”. She lived in Biarritz, Hamburg, and Munich, before moving to Berlin in 2020, where she belongs to the “Freistil” Berlin journalists’ office. Prior to devoting herself to writing she completed photographer training, and later studied ethnology. Therefore, besides foreign lands, social issues, and design, photography has repeatedly found its way into her articles for more than twenty years already.

Nadja Masri

Nadja Masri (*1971) arbeitet als freie Bildredakteurin, Dozentin und Beraterin. Sehr geprägt hat sie ihre Zeit als Senior Photo Editor und Bureau Chief bei „GEO“ in der pulsierenden Metropole New York. Seit 2010 leitet die Kommunikationswissenschaftlerin (M.A.) die Klasse Bildredaktion an der Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin und bildet mit großer Leidenschaft visuelle Expertinnen und Experten aus. Sie lehrt außerdem an der FH Dortmund und am International Center of Photography (ICP) in New York. Zudem gibt sie Workshops, hält Vorträge und juriert Fotowettbewerbe.

Nadja Masri (*1971) works as a freelance picture editor, lecturer and advisor. Her time as Senior Photo Editor and Bureau Chief at “GEO” in the pulsating metropolis of New York had a shaping influence on her career. Since 2010, the communication scientist (M.A.) has led the Picture Editing class at the Ostkreuzschule für Fotografie in Berlin, where she is a passionate trainer of visual experts. In addition she holds workshops, gives talks and sits on photo contest juries.

Carmen Strzelecki

Carmen Strzelecki (*1973) ist Gestalterin und Verlegerin aus Köln. Sie entwickelt mit ihrem Grafikstudio seit vielen Jahren Kampagnen und Corporate Identities für Festivals und Kulturprojekte. 2009 wurde das Studio durch den Verlag StrzeleckiBooks erweitert, der sich den aktuellen und zeitgenössischen Themen in der Welt der Kunst und Gesellschaft widmet und sowohl mit renommierten Künstlerinnen und Künstlern arbeitet als auch junge Kulturschaffende und Autoren unterstützt. Seit der ersten Ausgabe verleiht sie „L. Fritz“ zudem sein unverwechselbares Äußeres.

Carmen Strzelecki (*1973) is a designer and publisher from Cologne. With her graphic design studio she has been developing campaigns and corporate identities for festivals and culture projects for many years. In 2009, the studio was expanded by StrzeleckiBooks, which devotes itself to the current and contemporary topics in the world of art and society, and both works with renowned artists and supports young art creatives and authors. Moreover, she has been lending “L. Fritz” its unmistakeable appearance since the first issue.

Helena Weber

Helena Weber (*1985) studierte Geschichtswissenschaften, Westslawistik und Anglistik in Köln und Krakau. Anschließend war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Theorie und Geschichte der Fotografie an der Universität zu Köln und als freiberufliche Fotoredakteurin tätig. Seit 2016 wirkte sie an mehreren kulturhistorischen Museen als kuratorische Mitarbeiterin mit und realisierte eigene fotohistorische Ausstellungen. Zuletzt arbeitete sie am Haus der Geschichte in Bonn.

Helena Weber (*1985) studied historical sciences, West Slavic studies and English studies in Cologne and Krakow. She subsequently worked as a research assistant in the Theory and History of Photography department at the University of Cologne and as a freelance photo editor. Since 2016 she has collaborated at several cultural history museums as a curatorial employee and realized her own photography history exhibitions. She most recently worked at the Haus der Geschichte in Bonn.

7 Die Mitwirkenden / The Contributors

„Fotografie verzerrt die Realität“

Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer forscht seit Jahrzehnten zu Krisen, Konflikten und Gewalt. Damian Zimmermann erklärte er den Unterschied zwischen Krisen von Typ I und II, die Rolle von Medien und kapitalgetriebener Kommunikation und warum Fotografie in ambivalenten und unsicheren Zeiten möglicherweise an ihre Grenzen stößt.

Herr Heitmeyer, Sie haben die Krisen der vergangenen 20 Jahre untersucht, die Anschläge des 11. September und das Auftreten des islamistischen Terrors auf der Weltbühne ebenso wie die Hartz-IV-Gesetze und die Ungleichheit, die sie in der Gesellschaft nach sich zogen, die Bankenkrise mit der Pleite von Lehman Brothers und was daraus folgte sowie die Flüchtlingsbewegungen nach Europa mit Auswirkungen auf das politische System in Gestalt des autoritären Nationalradikalismus der AfD, aber auch in anderen Ländern. Doch was genau zeichnet eine Krise aus?

Ich unterscheide zwischen Krisen vom Typus I und II. Die Typus-I-Krisen zeichnet aus, dass erstens die bisherigen sozialen und politischen Routinen zur Bearbeitung nicht mehr funktionieren und dass zweitens die Zustände vor dem Ereignis nicht wiederherstellbar sind für die betroffenen Teilsysteme der Gesellschaft. Um die negativen Auswirkungen für die Gesellschaft und das politische System zu begrenzen, hat die Gesellschaft verschiedene Instrumente jeweils für die betroffenen Teilsysteme zur Hand, zumal in den von Ihnen aufgezählten Krisen unterschiedliche Gruppen betroffen waren. Außerdem entstanden diese Krisen gewissermaßen zeitlich „entzerrt“, das heißt, sie folgten nacheinander in den „entsicherten Jahrzehnten“ nach der Jahrtausendwende. Das, was mich seit Langem in meinen Forschungen interessiert, ist die Frage, welche politischen Auswirkungen auf die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie entstehen und sich in „autoritären Versuchungen“ niederschlagen, bis hin zu „rechten Bedrohungsallianzen“.

Die Corona-Krise scheint sich davon aber zu unterscheiden.

Ja, in der Corona-Krise erleben wir einen dramatischen Unterschied, weil die von mir genannten Charakteristika für alle Teilsysteme außer Kraft gesetzt wurden. Deshalb bezeichne ich die Corona-Krise auch als Krise vom Typus II. Ein weiterer kennzeichnender Punkt ist, dass die Kontrollverluste überwältigend sind und so gut wie alle treffen. Bis hin zur Bundeskanzlerin, die explizit von Kontrollverlusten spricht. Es gibt graduelle Unterschiede; manche Berufsgruppen können ins Homeoffice gehen und spüren die Auswirkungen anders, aber wer im Dienstleistungssektor arbeitet und aus den unteren sozialen Schichten stammt, hat diese Möglichkeit oft nicht. Bei diesem Krisentypus II kommt verschärfend hinzu, dass die geografisch „wandernde“ Pandemie und die Virus-Mutationen – trotz Impfungen – keine klare Zeitperspektive zur Beendigung enthält, das heißt, Kontrollverluste werden latent auf Dauer gestellt. Und damit komme ich zum

nächsten Punkt: Die Corona-Krise führt uns über den Faktor Gesundheit unsere bisher „verdeckte“ Klassengesellschaft besonders deutlich vor Augen: Wir haben auf der einen Seite das hohe Risiko der Verarmung und erleben auf der anderen Seite, dass an der Börse riesige Gewinne gemacht werden. Das hat zur Folge, dass das wichtigste Kapital des demokratischen politischen Systems sukzessive verloren zu gehen scheint: das Vertrauen darin, dass unser System diesen Typus II von Krise bewältigen kann. Es findet auch eine Systemkonkurrenz statt, weil autoritäre Staaten scheinbar besser durch diese Krise kommen, was bei genauerer Betrachtung aber auch nicht immer der Fall ist. Unübersehbar ist, dass autoritäre Versuchungen in Teilen der Bevölkerung auftreten.

Das heißt, dass die Gewinner von Krisen fast immer rechte und autoritäre Strömungen und Parteien sind?

Zusammen mit Dietmar Loch habe ich 2001 das Buch „Schattenseiten der Globalisierung“ herausgegeben. Das war zur Hochzeit des Neoliberalismus, also einer entfesselten Wirtschaft, und das Buch hat damals kaum jemanden interessiert. Der autoritäre Kapitalismus, so meine These von damals, bestimmt, wo was erzeugt wird und zu welchen sozialen, ökonomischen und ökologischen Standards. Dadurch erwirtschaftet er Kontrollgewinne und auf der anderen Seite erfährt die nationalstaatliche Politik immense Kontrollverluste, was zu sozialen Desintegrationsprozessen für Teile der Gesellschaft führt, die dann den Blick auf das politische System negativ verändert haben. Meine These im Jahr 2001 war, dass diese Prozesse eine rabiate Rechtsentwicklung begünstigen würde, wie sie sich an der AfD zeigt.

Diese Desintegrationsprozesse betrafen oft Menschen in Ostdeutschland, die ohnehin Anerkennungsdefizite durch den Umbruch der Wiedervereinigung verarbeiten mussten. Die bekamen noch einmal eine negative Etikettierung. Viele fühlten sich politisch nicht wahrgenommen, und wer nicht wahrgenommen wird, ist ein Nichts. Genau daran hat der autoritäre Nationalradikalismus angesetzt –unter Ausnutzung der Flüchtlingsbewegung – und besitzt im Osten inzwischen eine stabile Wählerschaft.

Für die Corona-Krise bleibt es noch abzuwarten, wie es weitergeht, aber sehr optimistisch bin ich nicht gerade.

Die AfD scheint aber nicht von der Corona-Krise zu profitieren.

Laut aktuellen Umfragen ist das so, das stimmt, aber das ist kein Widerspruch, denn in Krisen hat immer die Exeku-

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tive einen Vorsprung: Sie ist ständig in den Medien, sie trifft Entscheidungen und Erfolge werden ihr zugerechnet –Misserfolge aber natürlich auch. Die Opposition kann sich hingegen nicht so richtig in Szene setzen. Das sieht man jetzt auch am Sondergremium von Kanzlerin und Ministerpräsidenten, das das Parlament ein Stück weit aushebelt. Ich finde, hier ist massive Kritik angemessen, weil das auch zu Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit führt. Ein weiterer Punkt ist, dass wir nicht wissen, wohin die Leute gehen, wenn sie die AfD nicht mehr wählen: Enthalten sich diese Menschen und unterstützen damit unser demokratisches System nicht mehr?

Welche Rolle spielen klassische und neue Medien? Früher hat man „Tagesthemen“ geschaut oder ist zu einer politischen Diskussion in der Volkshochschule oder ins Bürgerzentrum gegangen. Das ist eine inklusive Öffentlichkeit, ein Singular, in dieser Öffentlichkeit werden die Gegensätze, Widersprüche und Konflikte ausgetragen. Doch das ist durch die sozialen Netzwerke zerstört worden. Deshalb vertrete ich die These, dass soziale Netzwerke, die angeblich auf eine Demokratisierung hinauslaufen, in Wirklichkeit demokratiezerstörende Mechanismen enthalten. Es entstanden abgedichtete, politisch homogene, „exklusive“ Echokammern, so dass es nicht mehr um eine Auseinandersetzung geht, sondern um sich aufschaukelnde Selbstbestätigungen. Und genau diese aufschaukelnden Selbstbestätigungen braucht man in Zeiten von Krisen, um daraus Sicherheiten zu gewinnen, das heißt das Gefühl: „Auch andere denken so wie ich. Ich bin also kein Idiot.“ Diese Art der Verschiebung von Öffentlichkeit ist das, was mich interessiert. Da bin ich völlig ratlos, stehe aber wenigstens nicht alleine damit. Jürgen Habermas hat den Strukturwandel von Öffentlichkeit in den 1980er-Jahren diskutiert. Er sagte kürzlich, dass er nicht mehr wisse, wie man wieder zu einer „inklusiven“ Öffentlichkeit kommen solle. Das ist die Frage, wie man diese Öffentlichkeiten im Zaum hält, denn Facebook und Co. sind ja Geschäftsmodelle einer kapitalgetriebenen Kommunikation und die haben kein Interesse an einer demokratischen Entwicklung. Mit Moral und Warnungen über die Gefährlichkeit kommt man nicht weiter.

Welche Rolle spielt die Fotografie beim Abbilden von Krisen?

Die Fotografie ist nun einmal ein sehr konkretes Medium und bildet etwas ab, meist Objekte, die sich vor einem Hintergrund und nebeneinander deutlich abheben. Und ein gestochen scharfes Foto ist in der Regel noch immer ein Qualitätskriterium. Doch das Kennzeichen vieler Krisen ist das Verschwinden von Grenzen und von Ungewissheit der Botschaft. In einer Krise sind diese gestochen scharfen Bilder, egal aus welcher Perspektive und in welcher Komposition, also gar nicht mehr das Kennzeichen der Krise selbst.

In unserer modernen Gesellschaft gibt es zwei grundlegende Entwicklungen: einmal die Ambivalenzen, also dass wir mit Widersprüchen leben müssen. Und außerdem die Ambiguitäten, also unklare Situationen. Um in unserer Gesellschaft klarzukommen, brauchen wir entsprechende Qualifikationen, nämlich ausgeprägte Ambivalenz- und Ambiguitätstoleranzen, also: „Wie gehe ich mit diesen Widersprüchen um?“ und „Wie halte ich unklare Situationen aus?“ Diese Qualifikationen nehmen eher ab und die Suche nach Klarheit und Sicherheiten nimmt zu, was nicht selten aufs Autoritäre hinausläuft.

Der Mensch will meist klare Antworten haben: Wer ist schuld? Was ist gut? Was ist richtig?

Das ist der Punkt, dennoch schwimmen wir in Ungewissheiten. Gerade bei der Pandemie müssen wir erkennen, dass wir keine klare Zeitperspektive für das Ende haben, weil Viren mutieren und „wandern“.

Und in der Klimakrise ist die Zeitperspektive ebenfalls viel zu abstrakt. Alle wissen, dass wir etwas tun müssen, aber die Aufgaben sind so gewaltig und mögliche Ergebnisse liegen in so weiter Ferne, dass es den meisten sehr schwer fällt, dann tatsächlich etwas zu tun.

Ich bin Gott sei Dank kein Zukunftsforscher, aber wahrscheinlich wird man sich darauf einstellen müssen, dass es immer wieder neue Pandemien, außerdem Armutswanderungen enormen Ausmaßes geben wird. Und neue Arten von Kriegen, auch Kriege um Wasser. Das sorgt für Ratlosigkeit, vor allem bei der jungen Generation. Ich habe gerade erst gelesen, dass Bill Gates viele Milliarden in den Klimaschutz stecken will und gleichzeitig für Atomkraft wirbt.

Aber nochmal zu Ihrer Frage: Wenn Sie die soziologische Analyse in Fotografie umsetzen wollen, dann müssten Sie die soziologischen Begriffe wie Ambiguitäten, Ambivalenzen und das Verschwimmen von Grenzen in etwas Visuelles umsetzen.

Das ist das Problem der Fotografie: Sie stellt etwas dar. Und sobald man eine Sache differenzierter betrachten und aufzeigen möchte, hat man schnell das Gefühl, dass man die Fotografie und/oder die Betrachter überfordert, und will wieder mit einfachen Lösungen kommen. Diese einfachen Lösungen gibt es aber gerade nicht mehr.

Der Betrachter von Fotografie will Klarheit: Wenn in meinem Kopf und in der Welt sowieso schon so viel Ambivalenz und Ambiguität herumspukt, dann will ich wenigstens ein klares Bild haben. Mein – zugegeben sehr scharf formulierter – Einwurf wäre: Die Fotografie verzerrt die Realität, weil sie mit ihren scharf geschossenen und mit vielen Informationen versehenen Bildern eine Welt simuliert, die es in dieser Eindeutigkeit –mit Gewissheiten verbunden – gar nicht mehr gibt.

Zumindest das Einzelfoto kann das nicht leisten. Die Corona-Krise hat bis heute kein richtiges Symbolbild – von den Gesichtsmasken einmal abgesehen. Der Flüchtlingskrise ging es ähnlich – bis schließlich das Foto des ertrunkenen Jungen am Strand von Bodrum erschien. Dieses Foto hat nachweislich eine riesige Welle an Solidarität ausgelöst. Da zeigte sich einmal mehr, dass ein Foto unglaublich viel auslösen und bewirken kann – wenn es einfach ist und vor allem emotional funktioniert.

Möglicherweise haben Sie Recht, die CoronaKrise ist zu komplex. Vielleicht geht es nur über Sequenzen und Serien, um die Vielschichtigkeit zu zeigen. Chefredakteure sagen dann aber vielleicht, dass eine Serie zwar die unterschiedlichen Facetten zeigt, sie damit aber die Leser verlieren, weil die Leute Klarheit haben wollen. Das wäre fatal.

Das Gleiche gilt fürs Fernsehen. Es ist ja teilweise erschreckend zu sehen, welche Bilder die Redakteure zu manchen Nachrichten und Texten assoziieren. Und das ist banal: Texte kommen gegen Bilder nun einmal nicht an. Da können sich Journalisten auf den Kopf stellen: Wenn Sie ein Bild produzieren und dem Text hinzugesellen, schlägt es ihn zu Boden.

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Wilhelm
Heitmeyer

“Photography Distorts Reality”

Prof. Dr Wilhelm Heitmeyer has been conducting research into crises, conflicts and violence for decades. Damian Zimmermann heard him explain the difference between Type I and Type II crises, the role of media and capitaldriven communication, and why photography may be reaching its limits in ambivalent and uncertain times.

Mr Heitmeyer, you have examined the crises of the past 20 years, the September 11 attacks and the emergence of Islamist terror on the world stage just as much as the Hartz IV laws and the societal inequality that came in their wake, the banking crisis with the Lehman Brothers insolvency and the consequences of that, as well as the refugee fluxes towards Europe, with effects on the political system in the shape of the authoritarian national radicalism of the AfD, but also in other countries. But what exactly characterizes a crisis?

I distinguish between crises of Type I and II. The characteristic of Type I crises is that, first, the previous social and political routines for dealing with them are no longer effective and, second, the conditions prior to the event are not restorable for the sub-systems of society affected. In order to limit the negative effects on society and the political system, society has various instruments to hand for each of the sub-systems affected, particularly as different groups were affected during the crises you enumerated. Furthermore, those crises arose with a certain amount of temporal “bias”, that is to say, they occurred successively in the decades “after the safety catch was released” at the turn of the millennium.

What has interested me for a long time during my research is the question of which political impacts come about on open society and liberal democracy and become reflected in “authoritarian temptations” through to “right-wing threat alliances”.

The coronavirus crisis seems to be different from those, though.

Yes, we are experiencing a dramatic difference in the coronavirus crisis, because the characteristics I indicated have been negated for all sub-systems. That is why I also describe the coronavirus crisis as a Type II crisis. A further characterizing point is that the losses of control are overwhelming and are affecting practically everyone. Right up to the German Chancellor, who explicitly mentions losses of control. There are shades of difference; some professional groups are able to work from home and are feeling the effects differently, but people who work in the service sector and come from the lower social classes often don’t have that option. This crisis type is exacerbated by the fact that the geographically “migrating” pandemic and the virus mutations – despite vaccinations – offer no clear temporal perspective concerning the ending, that is to say, losses of control are latently

being perpetuated. And this brings me to the next point: via the health factor, the coronavirus crisis is demonstrating our previously “concealed” class society to us with particular clarity: on the one hand, we have the high risk of impoverishment and, on the other, we are seeing gains being made on the stock exchange. The consequence of that is that the most important capital of the democratic political system seems to be gradually diminishing: the confidence that our system can handle this Type II crisis. A system rivalry is also being played out, because authoritarian states are seemingly getting through this crisis more effectively, which is not always the case, though, on closer examination. Authoritarian temptations are unmistakeably emerging in sections of the population.

That’s to say, the winners of crises are nearly always right-wing and authoritarian currents and parties?

I co-edited the book “Schattenseiten der Globalisierung” with Dietmar Loch in 2001. That was during the heyday of neoliberalism, so an unbridled economy, and the book barely garnered any interest at the time. Authoritarian capitalism, so my theory went back then, determines what is produced where and to what social, economic and ecological standards. As a result, it generates gains in control and, on the downside, nation-state politics experiences immense control losses, which leads to processes of social disintegration for parts of society, whose view of the political system then takes a negative turn. My hypothesis in 2001 was that these processes would favour the kind of raging rightwing trend demonstrated by the existence of the AfD. These disintegration processes often concerned people in Eastern Germany, who were having to deal with acceptance deficits in any case due to the upheaval of reunification. They got labelled negatively once again. Many felt politically unnoticed, and if you’re not noticed you’re a nobody. That’s exactly where the authoritarian national radicalism stuck – while exploiting the flux of refugees – and it now has a stable electorate in the east.

Concerning the coronavirus crisis, it remains to be seen how things continue, but I am not very optimistic at the moment.

But the AfD doesn’t seem to be benefiting from the coronavirus crisis

According to current surveys that’s the case, it’s true, but that’s not a contradiction because the executive always

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has a head start during crises: it is constantly in the media, it takes decisions, and successes are credited to it – failures as well though, of course. The opposition, by contrast, has no real opportunity to place itself centre stage. We are also seeing this at the moment, in the special committee of chancellor and first ministers, which is levering out the parliament to a certain extent. I think that’s a solid and appropriate point of criticism, because it is also leading to a loss of trust among the public. Another point is that we don’t know where people will go once they’re no longer voting AfD: will these people abstain and thereby stop supporting our democratic system?

What role do traditional and new media play?

In the past we’d watch “Tagesthemen” or go to a political debate at the adult education college or citizens’ centre. That is inclusive public life, a singular; antagonisms, objections and conflicts are argued out in this public arena. But that has been destroyed by the social networks. That is why I argue for the theory that social networks, which ostensibly have democratization as their aim, contain democracy-destroying mechanisms in reality. Hermetically sealed, politically homogenous, “exclusive” echo chambers are the result, meaning that it’s no longer about constructive confrontation, but escalating self-affirmations. And these escalating self-affirmations are precisely what we need in times of crisis, in order to gain certainties out of them, that’s to say, the feeling: “Others think like me too. Which means I’m not an idiot.” This type of displacement of the public arena is what interests me. It perplexes me totally, but I’m not alone in that, at least. Jürgen Habermas discussed the structural transformation in the public arena in the 1980s. He recently said he no longer knows how we’re supposed to return to an “inclusive” public arena. It’s the question of how to keep these public arenas in check, because Facebook and co. are, after all, business models of capital-driven communication and they have no interest in a democratic development. Moralizing and warning about the dangerousness won’t get us further.

What role does photography play in the depiction of crises?

Photography is just a highly specific medium, illustrating something, usually objects that stand out clearly next to one another and against a background. And a pin-sharp photo is still a quality criterion, as a rule. But the identifying feature of many crises is the vanishing of boundaries and uncertainty of message. In a crisis, therefore, these pin-sharp pictures, regardless of their perspective and composition, are no longer the identifier of the crisis itself.

There are two underlying trends in our modern society: one, the ambivalences, so the fact we have to live with contradictions. And two, the ambiguities, so unclear situations. In order to cope in our society, we need corresponding qualifications, namely marked tolerances for ambivalences and ambiguities, so: “How do I deal with these contradictions?” and “How do I endure unclear situations?” These qualifications are diminishing somewhat and the search for clarity and certainties is increasing, which not uncommonly ends in authoritarianism.

Humans usually want to hear clear answers: who is guilty? What is good? What is right?

That is the point, yet we are awash in uncertainties. Precisely with this pandemic, we need to recognize that we have no clear temporal perspective for the end of it, because viruses mutate and “migrate”.

And the temporal perspective is likewise far too abstract in the climate crisis. We all know we must do something, but the tasks are so gargantuan and potential outcomes are so far distant that most are finding it very difficult to actually do anything.

I’m not a futurologist, thank god, but we will probably have to brace ourselves for repeated new pandemics and, moreover, poverty-driven migration on an enormous scale. And new types of wars, including wars over water. This is causing perplexity, particularly among the young generation. I have only just read that Bill Gates intends to invest billions in climate protection and is simultaneously a promoter of nuclear power.

But to return to your question: If you intend to realize sociological analysis in photography, then you need to turn the sociological concepts like ambiguities, ambivalence and the blurring of boundaries into something visual.

That is photography’s problem: it depicts something. And as soon as you try to examine a matter in a more nuanced way, you quickly get the feeling you’re asking too much of photography and/or the beholder and then you’re back to easy solutions. However, there is a lack of those easy solutions at the moment.

The beholder of photography wants clarity: if there is so much ambivalence and ambiguity floating around in my head and the world anyway, then I want to have a clear picture at least. My – admittedly very stridently formulated – objection would be: Photography distorts reality, because with its clearly shot, information-packed images it simulates a world which, in this definiteness – associated with certainties –no longer even exists.

The individual photo, at least, is unable to achieve that. To this day, the coronavirus crisis has no real symbolic image – if you disregard face masks, that is. The refugee crisis experienced something similar – until finally the photo of the drowned boy on Bodrum beach was published. That photo demonstrably triggered an enormous wave of solidarity. There it became evident, once again, that a photo can trigger and accomplish an incredible amount – if it is simple and, above all, operates at the emotional level.

You may be right, the coronavirus crisis is too complex. Perhaps only sequences and series will do it, in order to portray the complexity. But possibly, chief editors will then say that, though a series is portraying the different facets, it is going to lose readers with those, because people want to have clarity. That would be fatal.

The same applies to television. It’s alarming to see what pictures editors associate with what news and words sometimes. And it’s hackneyed: words are simply powerless against pictures. Journalists can try all they like, but: if you produce a picture and join it to the text, the text is going to be KO’d.

11 Wilhelm Heitmeyer
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Paare treffen sich an der geschlossenen Deutsch-Schweizer Grenze zwischen Konstanz und Kreuzlingen während des Corona-Lockdowns im April 2020. Couples meet at the closed German-Swiss border between Konstance and Kreuzlingen during the Corona Lockdown in April 2020.

Mit Maß und Mitte

Fotos: Ingmar Björn Nolting

Text: Damian Zimmermann

25.000 Kilometer quer durch Deutschland With Measure and Middle 25,000 Kilometres Across Germany

Die gesamte Kanzlerschaft von Angela Merkel ist geprägt von einem unaufgeregten Kurs auf „Maß und Mitte“, und auch zu Beginn der Corona-Pandemie plädierte sie auf einem Neujahrsempfang am 28. Februar 2020 in Stralsund für „Maß und Mitte“ beim Umgang mit dem neuartigen Virus. Hände wolle sie keine mehr schütteln, sagte sie, aber es sollten wegen SARS-CoV-2 auch nicht alle Veranstaltungen abgesagt werden – schließlich gehöre Deutschland zu den Ländern, die die besten Voraussetzungen hätten, um mit dem Virus klarzukommen.

Dass es nicht bei diesem „Maß und Mitte“ bleiben sollte, stellte die Bevölkerung relativ schnell fest: Der erste Lockdown trat bereits drei Wochen später, am 22. März 2020, in Kraft. Die Auswirkungen galten bis dahin als unvorstellbar – zumindest in Nicht-Kriegszeiten.

Zahlreiche Fotografen nutzten den Zwangsstillstand für eigene Fotoprojekte und konzentrierten sich dabei meist auf ein, zwei Aspekte der Pandemie. Menschenleere Straßenzüge in den Großstädten, Abstandsmarkierungen, Gesichtsmasken und die private Isolation dürften die häufigsten Motive und Themen gewesen sein.

Angela Merkel’s entire chancellorship has been characterized by steering a quiet course of “measure and middle”, and also at the start of the coronavirus pandemic she issued a plea for “measure and middle” when dealing with the novel virus at a New Year’s reception in Stralsund on 28 February 2020. While she wasn’t going to be shaking any more hands, she said, it wasn’t going to be necessary to cancel all events owing to SARS-CoV-2 – after all, Germany was one of the countries with the best conditions in place for coping with the virus.

The realization that this “measure and middle” was not to endure came upon the population fairly quickly: the first lockdown entered into effect just three weeks later, on 22 March 2020. The repercussions were forecast to be unimaginable –outside times of war, at least.

Numerous photographers took advantage of the forced standstill for their own photo projects, mostly concentrating on one or two aspects of the

Weil das Krematorium in Dresden-Tollkewitz aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate in Sachsen überlastet ist, bestellt der Bestatter einen Transporter, der die Verstorbenen in ein Krematorium in Sachsen-Anhalt überführt. Because the crematorium in Dresden-Tollkewitz is overloaded due to the high mortality rate in Saxony, the mortician arranged for a van to transfer the deceased to a crematorium in Saxony-Anhalt. Die Zahnärztin Dörte Stübbe in Vlotho hat spezielle Atemschutzhauben für die Behandlung ihrer Patienten angeschafft.
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Dentist Dörte Stübbe in Vlotho has bought protective helmets to protect herself and her patients from the virus.

Die meisten Deutschen verbrachten ihren Sommerurlaub 2020 in Deutschland – beispielsweise in Zingst an der Ostsee. Viele Strände mussten wegen Überfüllung geschlossen werden.

Most Germans spent their summer vacation 2020 in Germany - for example in Zingst on the Baltic Sea. Many overcrowded beaches had to be closed.

Doch wohl niemand hat die Auswirkungen der Pandemie auf ein gesamtes Land und seine Gesellschaft so umfangreich dokumentiert wie der Leipziger Fotograf Ingmar Björn Nolting. Zu Beginn des ersten Lockdowns setzte er sich in seinen VW-Polo und reiste während dieser Zeit nahezu ununterbrochen quer durch die Republik, immer auf der Suche nach Themen und Motiven. Er fotografierte Paare, die sich wegen der Grenzschließungen nur an einem Maschendrahtzaun zwischen dem deutschen Konstanz und dem schweizerischen Kreuzlingen treffen konnten, ein Behelfskrankenhaus mit Hunderten in Folien eingeschweißten Krankenbetten in einer gigantischen Messehalle in Hannover und einen Karfreitags-Gottesdienst in einem Autokino in Düsseldorf.

Nolting recherchierte viel, las regionale Tageszeitungen und sprach mit Freunden und Verwandten, um auch auf Themen aufmerksam zu werden, die nicht ohnehin in den Medien überrepräsentiert sind, Stichwort: leere Supermarktregale. So entstand das Foto eines Zahnarztbesuches, das steril und futuristisch

pandemic. City streets devoid of people, distance markings, face masks and self-isolation were probably the most common motifs and themes.

But it is unlikely that anyone has documented the pandemic’s repercussions for an entire country and its society as comprehensively as Leipzig photographer Ingmar Björn Nolting. At the start of the first lockdown, he got into his VW Polo and travelled during that time right across the Republic, almost without pause, constantly on the search for themes and motifs. He photographed couples who, due to the border closures, were only able to meet at a wire fence between German Constance and Swiss Kreuzlingen, a temporary hospital with hundreds of shrink-wrapped beds in a gigantic trade show hall in Hanover, and a Good Friday religious service at a drive-in cinema in Düsseldorf.

Nolting conducted lots of research, read regional newspapers and spoke with friends and relatives, in order to draw attention to themes

Mehr als 20.000 Demonstranten protestierten bei der “Querdenken”-Demo in Leipzig im November 2020 gegen die Regelungen zum Infektionsschutz. Am späten Nachmittag gerät die Versammlung außer Kontrolle, es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Rechtsextremisten.

More than 20,000 demonstrators protested against infection control regulations at the “Querdenken” demonstration in Leipzig in November 2020. The gathering gets out of control during late afternoon, violent clashes between the police and right-wing extremists break out.

Ingmar Björn Nolting

wie ein Science-Fiction-Film der 1960er-Jahre wirkt. Oder er fotografierte zwei einsame Blasmusiker auf einer Wiese – wegen des Kontaktverbots durfte der Posaunenchor Essingen nicht zusammen spielen und entschied sich für eine „dezentrale“ Lösung um den Ort herum. Oder Nolting stoppte bei rumänischen Spargelstechern, die noch vor dem Einreiseverbot nach Deutschland gekommen waren.

9.000 Kilometer legte er allein während des ersten Lockdowns zurück. Mittlerweile dürfte er bei mehr als 25.000 Kilometer sein, denn das Projekt ist für den 25-Jährigen noch lange nicht abgeschlossen. Zwar wiederholten sich viele Themen und Motive mit der Zeit, gleichzeitig seien aber auch neue hinzu gekommen – wie beispielsweise die Impfungen, die Reha-Aufenthalte an der Ostsee von genesenen Covid-19-Erkrankten, Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen und der Boom der Wohnmobilindustrie.

Die besondere Ästhetik seiner ausschließlich im Querformat aufgenommenen und sehr aufgeräumten Fotografien sorgen für eine gewisse Zeitlosigkeit, Distanz und Künstlichkeit: Nolting belichtet seine

einer Wiese – wegen des Kontaktverbots durfte der Posaunenchor Essingen nicht zusammen spielen und entschied sich für eine „dezentrale“ Lösung um den Ort herum.

Two lonely brass-band musicians in a field – due to the contact ban, the Essingen Trombone Chorus was not allowed to play together and opted for a “decentralised” solution around the locality.

Mitte / center

Der Arzt Dr. Volkhard Bangert aus der Vulkaneifel ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt und besucht ein mit Covid-19 infiziertes Ehepaar in der Quarantäne.

Dr. Volkhard Bangert, a doctor from the Volcanic Eifel, has returned from retirement to visit a couple infected with Covid-19 in quarantine.

rechts / right

Weil die Kirchen geschlossen sind, wird im April 2020 ein Karfreitags-Gottesdienst in einem Autokino in Düsseldorf abgehalten. An ecumenical service on Good Friday is held at a drive-in cinema in Düsseldorf because indoor church services have been prohibited throughout the country.

that are not over-represented in the media, unlike those empty supermarket shelves. Thus arose the photo of a visit to the dentist, which looks sterile and futuristic like a 1960s science fiction film. Or he photographed two lonely brass-band musicians in a field – due to the contact ban, the Essingen Trombone Chorus was not allowed to play together and opted for a “decentralised” solution around the locality. Or he pulled over alongside Romanian asparagus cutters, who had come to Germany before the incoming travel ban took effect.

Nolting covered 9,000 kilometres during the first lockdown alone. In the meantime, he has probably clocked up more than 25,000 kilometres, since the project is still far from completed in the 25-year-old’s eyes. Though there have been many recurring themes and motifs as time goes on, he says, new ones have been added simultaneously – such as, for example, the vaccinations, the convalescent stays at the Baltic Sea by recovering Covid-19 patients, demonstrations against anti-coronavirus measures and the boom in the motorhome industry.

The particular aesthetic of his photographs, shot exclusively in landscape format and very orderly, ensures

links / left
Zwei einsame Blasmusiker spielen auf Hunderte Krankenhausbetten lagern in einem Behelfskrankenhaus in einer Halle der Hannover Messe. Hundreds of hospital beds are stored in a temporary hospital in a gigantic trade show hall in Hanover.

Fotos zwei Blenden über und scannt die Negative mit dem vollen Kontrastumfang ein, was das Absurde –oder zumindest das Surreale – dieser Zeit zusätzlich unterstreicht.

Das haben zahlreiche Magazine und Zeitungen wie „Die Zeit“ und das „Time Magazine“ erkannt. Aber auch der WDR und der SWR haben darüber berichtet und das Dortmunder Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) hat 27 Arbeiten aus seiner Serie für die eigene Sammlung angekauft und plant eine Ausstellung. Irgendwann, wenn es wieder regulär möglich ist.

Bis dahin wird Nolting aber noch weiter fotografieren – die Themen und Motive gehen ihm bislang nicht aus. Sie ändern sich allerdings. Genauso wie der Titel seiner Arbeit übrigens. „Maß und Mitte“ hatte er sie – in Anlehnung an Merkel – zunächst genannt, doch das sei nun nicht mehr passend, sagt Nolting. Jetzt, im zweiten Jahr der Pandemie, hat er sie in „About the Days Ahead“ umbenannt, also in „Über die bevorstehenden Tage“. „Mal schauen, ob das so bleibt“, fügt er hinzu. Denn was ist heute noch sicher?

a certain timelessness, distance and artificiality: Nolting uses double-aperture exposure for his photos and scans in the negatives with the full range of contrast, which additionally emphasizes the absurd – or at least the surreal – side of the present time.

This has been recognized by numerous magazines and newspapers such as “Die Zeit” and “Time Magazine”. But broadcasters WDR and SWR have also reported on it, and Dortmund’s Museum fur Kunst und Kulturgeschichte (MKK) has purchased 27 works from his series for its own collection and is planning an exhibition. One day, when the rules allow it again.

Until then, though, Nolting will continue taking photographs – he has no shortage of themes and motifs as yet. That being said, they are changing. Just like the title of his work, incidentally. “Measure and Middle” – with a nod to Merkel – was his initial name for it, but that is no longer fitting, says Nolting. Now, in the pandemic’s second year, he has renamed it “About the Days Ahead”. “Let’s see if it stays that way”, he adds. Because where’s the certainty these days?

ingmarnolting.de
Ingmar Björn Nolting
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Social Distancing auch im Bundestag während einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel im April 2020. Distance regulations also exist for the sessions of the Bundestag during a speach of Chancellor Angela Merkel.

Bilder müssen nicht immer alles beantworten

Nadja Masri leitet die „Klasse Bildredaktion“ an der Ostkreuzschule für Fotografie (OKS), einem der wenigen Orte in Deutschland, an dem diese Ausbildung angeboten wird. Damian Zimmermann sprach mit ihr über die Bedeutung und Wertschätzung von Bildredakteuren, kulturellen Unterschieden am Beispiel der USA und neuen Erzählmöglichkeiten im Bildjournalismus.

Warum wird die Arbeit des Bildredakteurs noch immer so geringgeschätzt im Vergleich zu denen der übrigen Redakteure?

Das kann man nicht so pauschalisieren. Ich habe tatsächlich immer in Redaktionen gearbeitet, in denen die Bildredaktion ein wichtiger Bestandteil des Teams war. Und wenn ich mir ansehe, wo die Absolventinnen und Absolventen der Klasse Bildredaktion landen, dann sind es auch Orte, an denen die Arbeit der Bildredakteure geschätzt wird: Von Agenturen wie Focus und Ostkreuz, über die C/O Berlin und den Deutschlandfunk Kultur bis zu den großen Medienhäusern wie „FAZ“, „Fluter Online“, der Geo-Gruppe, dem Mare-Verlag oder „Die Zeit“.

Wichtig sind: Kompetenz beim Recherchieren und Editieren, selbstsicheres Auftreten und dezidiertes Sprechen über Bilder und Bildauswahlen. So kann man sich Respekt und Wertschätzung auch erarbeiten. Aber offensichtlich ist es so, dass immer noch nicht überall, ob überregionale oder lokale Tageszeitung, klar zu sein scheint, welche große Bedeutung und Wichtigkeit Bilder haben, damit Nachrichten wahrgenommen werden und dass es Expertinnen und Experten braucht, die die visuelle Qualität einer Publikation garantieren.

Gibt es Länder, in denen Bildredakteure mehr geschätzt werden?

In den USA gibt es eine ganz andere Tradition bei den Tageszeitungen als bei uns: Festangestellte Fotografen und Bildredakteure gehören zum festen Bestandteil des Redaktionsteams. Während meiner Zeit in den USA von 2001 bis 2010 war ich überrascht und beeindruckt von den Geschichten, die manchmal über Monate von einem Text-Bild-Team erarbeitet wurden, wie zum Beispiel die 2006 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Serie „Final Salute“, die Todd Heisler damals für die „Rocky Mountain News“ in Denver gemacht hat. Ein Jahr lang begleitete er mit einem Kollegen die Arbeit des US-Majors Steve Beck der Marine Ehrengarde, der Familien über den Tod eines angehörigen Marinesoldaten während des Irak-Krieges benachrichtigte und Beerdigungen organisierte. Um in den USA zu bleiben: Picture of the Year International zeichnet bis heute nicht nur die Arbeiten von Fotografen aus,

sondern mit „Editing Awards“ auch die von Bildredakteuren. So eine Auszeichnung würde ich mir auch in Deutschland wünschen. Auf der anderen Seite sind die USA aber auch vom Zeitungssterben betroffen: Die „Rocky Mountain News“ wurden bereits 2009 eingestellt.

Rennen die Medienhäuser, Zeitungen und Zeitschriften, online wie analog, auf eine Bilder-Krise zu, weil in den Reaktionen immer mehr schlecht oder gar nicht qualifizierte Mitarbeiter über die Bildauswahl entscheiden?

Es ist interessant, dass mit der Bilderflut bei vielen Medien nicht das Bewusstsein gestiegen ist, qualitativ hochwertig zu visualisieren, damit man heraussticht und wahrgenommen wird. Meiner Meinung nach ist weniger oft mehr und der Bebilderungszwang in den Online-Medien ein Problem. In der Zeitung gibt es durchaus eine Meldung ohne Bild, online gibt es das nicht. Und wenn die Schicht der Bildredaktion beendet ist, dann suchen die Textredakteure die Fotos aus. Andersherum schreiben die Bildredakteure aber nicht die Texte ihrer Kollegen.

Hier spiegelt sich im Kleinen ein großes gesellschaftliches Manko wider. Technisch gesehen, kann heute jeder fotografieren, produzieren und veröffentlichen, doch Fotografieren, Recherchieren und Editieren sind Kompetenzen, die man nicht automatisch hat. Damit meine ich: So wie jeder meint, Bilder lesen zu können, so meinen manche Verlage, dass auch jeder Bilder auswählen könnte. So ist es aber nicht. Es wird höchste Zeit, dass unsere Gesellschaft „visually literate“, also eine visuelle Lesefähigkeit erwirbt und die Verlage die Bildersuche und Auswahl den Profis überlassen.

Aber zum Glück gibt es Publikationen, die das schon lange erkannt haben und auch entsprechend aussehen und erfolgreich sind.

Haben sich journalistische Fotografien in den letzten zwei Jahrzehnten verändert, weil sie auch beim schnellen Scrollen auf dem Smartphone „verstanden“ werden müssen?

Gute Frage. Ich denke, die journalistische Fotografie wird vielfältiger, aber vor allem deshalb, weil der Wunsch besteht, gesellschaftlich relevante Themen vielseitiger und eben nicht nur klassisch journalistisch oder reportagehaft zu erzählen. Außerdem findet seit Jahren eine Vermischung zwischen journalistischer und künstlerischer Fotografie statt, es werden also auch dokumentarische Projekte häufiger in Fotobüchern veröffentlicht und ausgestellt. Zudem bietet das Internet neue Erzählformen, so dass eine Geschichte crossmedial erzählt werden kann. Thumbnails auf der Website einer Tageszeitung oder Quadrate im Instagram-Feed müssen andere Kriterien erfüllen als ein doppelseitiges Bild in einem Magazin, aber deswegen fotografieren professionelle Fotografinnen und Fotografen meiner Wahrnehmung nach nicht anders, sondern wählen andere Bilder aus.

Was wünschst du dir von Medien im Umgang mit Fotografien – und was von den Fotografen?

Zum Teil überschneiden sich die Wünsche. Von den Medien wünsche ich mir, dass sie keine langweilige Belegoptik, die ohnehin nur etwas zeigt, was im Text geschildert wird, und keine Symbolbilder nutzen, die Stereotype manifestieren. Ich wünsche mir mehr Geschichten und weniger Einzelbilder und natürlich eine angemessene Bezahlung. Von Fotografinnen und Fotografen wünsche ich mir, dass sie überlegen, was die Geschichte hinter einer Meldung ist, worauf sie ihren inhaltlichen Schwerpunkt legen und wie sie diese Geschichte adäquat, spannend und überraschend erzählen können. Und von beiden wünsche ich mir, dass sie die Möglichkeiten ausschöpfen, die die Medien ihnen bieten. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: das Thema Obdachlosigkeit. Bekannt sind Porträts von Obdachlosen. Wenn ich das mache, müssen die Porträts einfach unglaublich stark sein, denn diesen Ansatz gab es schon so oft und man läuft Gefahr, dass die Bilder nicht wahrgenommen werden und untergehen. Neulich sah ich in der „Zeit“ das Bild einer Frau mit einem Kind vor einem Zelt, das unter einer Brücke aufgeschlagen war. Es war sofort klar, dass die an diesem unwirtlichen Ort keinen Urlaub machen. Mein zweiter Blick fiel auf die Bildunterschrift: „Leben zu zweit: Eine obdachlose Mutter und ihr siebenjähriger Sohn in Berkeley/Kalifornien.“ Das Bild stammt aus einer Reportage über „Theo: homeless at age 7“ von Gabrielle Lurie. Die

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Umsetzung ist klassisch gut, aber der inhaltliche Schwerpunkt etwas ganz Besonderes. Das Bild lässt mich innehalten, es berührt mich, die Geschichte über ein obdachloses Kind und seine alleinerziehende Mutter „im reichsten Armenhaus der Welt“ interessiert mich. Eine andere großartige konzeptionelle Serie zu dem Thema Obdachlosigkeit ist „Living Room“ der OKS-Absolventin Jana S. Nolle. Sie hat die Behausungen von Obdachlosen in San Francisco in Zusammenarbeit mit ihnen in Wohnzimmern reicher Menschen nachgebaut. Mehr über diese mehrfach ausgezeichnete Serie, die sie jetzt in Berlin fortsetzt, kann man übrigens in einem Interview mit ihr auf dem Blog der Ostkreuzschule unter oks-lab.de erfahren. Last not least möchte ich die beim Lumix Festival ausgezeichnete interaktive digitale Story „The Homeless“ von Cicilie S. Andersen und Maria Knoph Vigsnæs erwähnen. In Oslo findet jede Nacht eine Lotterie für Obdachlose statt: Zieht man eine grüne Marke, bekommt man ein Bett – zieht man eine rote, muss man die Nacht draußen verbringen. Die Fotografin Andersen und die Autorin Vigsnæs haben die Obdachlosen auf der Suche nach einem Schlafplatz auf der Straße in Oslo genauso wie die Lotterie-Gewinner begleitet. Ich denke, so wird deutlich, was für mich gut erzählte, auf unterschiedliche Weise umgesetzte Geschichten zu einem immer wiederkehrenden und gesellschaftlich relevanten Thema sind. Wird es für Fotografen und Reporter schwieriger, die Krisen unserer Zeit in Bildern einzufangen, weil sie abstrakter, unsichtbar oder zu vielschichtig und ambivalent sind –zum Beispiel die Klimakrise?

Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann. Klar ist jedoch – und das belegen Untersuchungen: Mit den immer gleichen, schon so oft gesehenen Bildern von rauchenden Schloten oder dem Eisbären auf der Scholle trifft man nicht immer das Thema und bewegt niemanden zum Umdenken. Aus diesem Grund muss man sich überlegen, wie man solche Themen anders darstellen kann. Diese Arbeiten gibt es und sie müssen einfach nur gezeigt werden wie beispielsweise Mandy Barkers Serie über Plastikmüll aus dem Meer, die mit dem Titel „The Art of Plastic Pollution“ in der „Planet or Plastic?“ Ausgabe von „National Geographic“ veröffentlicht wurde. Toll ist auch die Longform-Fotostory „Something is happening to Norway. Slowly, almost imperceptibly” – zugänglich und eindringlich macht sie auf die Folgen den Klimawandels aufmerksam. Die Story ging in Norwegen viral. Generell würde ich mir eine positivere, lösungsorientierte Berichterstattung wünschen: Mehr über die Helden des Alltags, die einen Unterschied machen, Leute, die inspirieren und Mut machen und an denen wir uns orientieren können. Ein gutes Beispiel ist der Dokumentarfilm „Tomorrow“, in dem der französische Aktivist Cyril Dion und die Schauspielerin Mélanie Laurent nach Lösungen suchen, um den Klimaschutz in den kommenden Jahren besser voranzutreiben.

Zeigen deutsche Magazine und Tageszeitungen zu selten emotionale Bilder? Oder ist es vielleicht sogar gut, dass sie das machen, weil man ihnen ansonsten vorwerfen könnte, sie würden mit Fotografien manipulieren? Es gibt Leute, die gerne genau das sehen möchten, was passiert ist, aber dadurch, dass es in der Regel durch die Nachrichtensender, die Online-Medien und die sozialen Netzwerke unmittelbar unzählige Bilder vom Ort eines Geschehens und eines Ereignisses gibt, wünsche ich mir in den gedruckten Medien vor allem einen Mehrwert und nicht nochmal das, was ich vorher schon zigmal gesehen habe. Bilder sollten nicht langweilen. Sie können auch Fragen stellen und müssen nicht immer alles beantworten. Sie sollen Kontext liefern und neugierig machen. Das Bild sollte den Betrachter auf irgendeiner Ebene ansprechen – ob emotional, inhaltlich, formal oder konzeptionell.

In deinen Bildredaktions-Klassen gibt es häufig deutlich mehr Frauen als Männer. Spiegelt das auch die Arbeitswirklichkeit in den Redaktionen wider und falls ja: Führt das zu einer einseitigen oder tendenziellen Fotoauswahl?

Dafür, dass den Beruf mehr Frauen ausüben als Männer, sind verhältnismäßig viele Männer Bildchefs, ein Phänomen, das wir auch aus anderen Bereichen kennen. Deine Frage impliziert, dass es einen männlichen und einen weiblichen Blick gibt. Den gibt es

sicherlich, ich denke aber, dass es vor allem einen professionellen Blick gibt, unabhängig vom Geschlecht.

Ich frage, weil eine Untersuchung des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Hamburg und des Datenteams vom „Spiegel“ ergeben hat, dass die Titelseiten-Fotos deutscher Magazine noch immer überwiegend von Männern fotografiert werden, obwohl es weder einen Mangel an Fotografinnen noch an Bildredakteurinnen zu geben scheint.

Ich kenne diese Studie und es gibt in der Fotografie – wie auch in der Gesellschaft insgesamt – immer noch keine Gleichberechtigung. Es bleibt viel zu tun – keine Frage. Zur Untersuchung des DJV: Die haben die Bildcredits ausgewertet. Man muss aber wissen, dass nicht alle Coverbilder beauftragt werden, manche sind „beschafft“ und bei der Suche in den Bildagenturen guckt man nach den richtigen Motiven und nicht, wer das Bild gemacht hat.

Kann ich daraus schließen, dass Männer häufiger „das richtige Motiv“ schießen? Oder dass einfach zu wenig Frauen für Bildagenturen fotografieren?

Da kann ich nur mutmaßen. Vielleicht machen Fotografen im Vergleich zu ihren Kolleginnen mehr Postproduktion und qualifizieren ihre Motive somit eher für ein Cover. Vielleicht vermarkten sich Männer auch besser als Frauen. Toll wäre es, wenn der DJV und der „Spiegel“ weitere Untersuchungen machen, um der Sache auf den Grund zu gehen und herauszufinden, warum nicht mehr Cover-Motive von Frauen sind. An einem Mangel an exzellenten Fotografinnen liegt es auf jeden Fall nicht. Wichtig ist, dass es in den letzten Jahren ein immer stärker werdendes Bewusstsein und eine größere Sensibilität für Themen rund um die soziale und kulturelle Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion und Hautfarbe gibt und dass versucht wird, hier diverser auszuwählen und zu publizieren. Dabei helfen Diskussionen, die geführt werden, Studien wie die eben genannte und Websites wie „Moin und Salam“ des Fotografen und AIWG (Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft)-Praxisfellow Julius Matuschik, der sich mit einer ausgewogeneren Berichterstattung über den Islam in Deutschland beschäftigt.

Die Klasse Bildredaktion der Ostkreuzschule

Die Ostkreuzschule für Fotografie (OKS) mit Sitz in Berlin-Weißensee ist eine von nur wenigen Institutionen in Deutschland, die Bildredakteur*innen und Bildredakteure ausbildet. Der zweisemestrige Studiengang beinhaltet insgesamt 60 Unterrichtstage. Die etwa ein Dutzend Studentinnen und Studenten erlernen die Recherche von Bildern, das Editieren von Geschichten und diskutieren über aktuelle Tendenzen und Ereignisse im Fotojournalismus, besuchen aber auch Redaktionen, Agenturen, Galerien und Verlage. Fotogeschichte ist genauso Bestandteil des Unterrichts wie das Erstellen von Fotobüchern, die redaktionelle Betreuung des OKSeigenen Blogs und die Zusammenarbeit mit den Fotostudenten der Ostkreuzschule und der Agentur Ostkreuz.

Nadja Masri leitet die Klasse seit zehn Jahren und lädt jedes Jahr zahlreiche Gastdozentinnen und Gastdozenten mit unterschiedlichen Schwerpunkten wie digitale Tools, Fotobuch, Kuratieren, Schreibwerkstatt, Medienrecht, Verschlagwortung und Digital-Storytelling ein.

„L. Fritz“ hat die Klasse des Jahres 2020/21 eingeladen, drei Doppelseiten – frei von irgendeiner Themen- oder Bildervorgabe durch die Redaktion - zu gestalten. Das Ergebnis finden Sie auf den folgenden Seiten. (dz)

ostkreuzschule.de

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Nadja Masri

Pictures Don’t Always Have to Have All the Answers

Nadja Masri is the director of the “Picture Editing Class” at the Ostkreuz School of Photography (OKS), one of the few places in Germany where this training is offered. Damian Zimmermann spoke with her about the importance and appreciation of picture editors, cultural differences by the example of the USA, climate change clichés, and new narrative possibilities in photojournalism.

Are media companies, newspapers and magazines, on-and offline alike, heading for a picture crisis because more and more poorly qualified, or not at all qualified, employees are making image selection decisions?

With the flood of images in many media, it is interesting that there is no increased awareness to produce high-quality visualizations in order to stand out and get noticed. In my opinion, less is often more and the compulsion to illustrate in the online media is a problem. It is not at all unusual to see reports without pictures in newspapers, but online they’re non-existent. And when the picture editor’s shift is over, the text editors go looking for the photos. The other way around, though, picture editors don’t write their colleagues’ texts.

A big societal flaw is reflected in microcosm here. Viewed technically, these days everybody can photograph, produce and publish, but taking photographs, researching and editing are skills you don’t have automatically. What I mean is, just as everyone thinks they can read images, some publishers think everyone’s capable of selecting images too. But that’s not true. It’s high time our society became “visually literate”, that is, acquired an ability to read pictures, and publishers left picture search and selection to the professionals. Luckily, though, there are publications that realized that long ago and have the appearance and success to match.

Have press photographs also changed in the last two decades because they need to be “understood” even while being quickly scrolled on smartphones?

Why is the work of the picture editor still so looked down on compared with that of other editors?

That can’t be so flatly formulated. I’ve actually always worked in editorial departments where the picture editors were an important part of the team. And when I look at where our picture editing graduates are ending up, they’re places where picture editors’ work is appreciated: from agencies like Focus and Ostkreuz, through c/o Berlin and Deutschlandfunk Kultur to the big media companies like “FAZ”, “Fluter Online”, the Geo Group, the Mare-Verlag or “Die Zeit”.

The important factors are competence in researching and editing, self-assured presentation and firm talking about pictures and picture selections. That’s the way to earn respect and appreciation. But evidently, whether it’s a cross-regional or local daily newspaper, it still doesn’t seem to be clear how very relevant and important pictures are to making sure that news gets noticed, and that experts are required to guarantee a publication’s visual quality.

Are there countries in which picture editors are valued more highly?

In the USA, a very different newspaper tradition prevails to the one in Germany: permanently employed photographers are a firm part of the editorial team. During my time in the USA from 2001 until 2010, I was amazed and impressed by the stories, which text and picture teams would sometimes work on for months, such as, for example, the 2006 Pulitzer prize-winning series “Final Salute”, which Todd Heisler made for the “Rocky Mountain News” in Denver. For one year, he and a colleague followed the work of Major Steve Beck of the Marine Honor Guard, which informed relatives of marines of their family member’s death in the Iraq War and organized funerals. Staying in the USA: to this day, Picture of the Year International distinguishes the works not only of photographers, but, with the “Editing Awards”, of picture editors too. I’d like to see an award like that in Germany as well. On the other hand, though, the USA is also afflicted by newspaper die-out: The “Rocky Mountain News” was already wound up in 2009.

Good question. I think press photography is becoming more diverse, though mainly because there’s a desire to narrate societally relevant subjects in a more varied and not just conventionally journalistic or reportage-like way. What’s more, there’s been a blending of press and artistic photography for years, so therefore documentary projects are also getting more frequently published in photobooks and exhibited. Additionally, the Internet offers new narrative forms, meaning that a story can be told cross-medially. Thumbnails on a newspaper’s website or squares on the Instagram feed need to meet other criteria than a twopage picture in a magazine, but the way I’m seeing it, professional photographers aren’t taking photographs any differently, but selecting other pictures.

What would you like to see media doing when they’re handling photographs – and photographers too?

Partly, there’s an overlap in what I’d like to see. I’d like to see the media not using any boring evidentiary visuals, only depicting what’s described in the text anyway, or any symbolic images that manifest stereotypes. I’d like to see more stories and fewer single images and, of course, proper payment.

I’d like to see photographers giving some thought to the story behind a report, where they’re placing their content-based focus and how they can tell this story adequately, compellingly and in a surprising way. And I’d like to see both parties fully exploiting the possibilities that the media offer them.

Let’s take a specific example: the topic of homelessness. Portraits of homeless people are well-known. When I take them, the portraits need to make an incredible impact, because this approach has been taken so often and we’re running the risk that the pictures will go unnoticed and sink without trace. Recently, I saw in “Die Zeit” a picture of a woman with a child outside a tent pitched beneath a bridge. It was immediately obvious that they weren’t on vacation in that inhospitable place. My second glance fell on the image caption: “Life for two: homeless mother and her seven-year old son in Berkeley/California”. The picture comes from a reportage on “Theo: homeless at age 7” by Gabrielle Lurie. The realization is conventionally good, but the content-based focus is something very special. The image gives me pause, it touches me, the story about a homeless child and his single mother, “in the world’s wealthiest poor-house”, grabs my interest.

Another great conceptual series on the topic of homelessness is “Living Room” by OKS graduate Jana S. Nolle. Working with homeless people in San Francisco, she recreated their dwellings in the living rooms of rich people. Incidentally, you can learn more about this multi-awardwinning series, which she is now continuing in Berlin, in an interview with her on the Ostkreuzschule blog at oks-lab.de.

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Last but not least, I’d like to mention the interactive story, an award-winner at the Lumix Festival, “The Homeless” by Cicilie S. Andersen and Maria Knoph Vigsnæs. A lottery takes place for homeless people in Oslo every night: if you draw a green token, you got a bed – if you draw a red one, you have to spend the night outside. Photographer Andersen and author Vigsnæs provided equal coverage of the homeless searching for a place to sleep on the Oslo streets and the lottery winners. I think it perfectly encapsulates my understanding of well-told stories, realized in a variety of ways, on a constantly recurring and societally relevant topic.

Is it getting more difficult for photographers and reporters to visually capture the crises of our times because they are more abstract, invisible or complex and ambivalent –the climate crisis, for example?

I don’t think you can put it that way. What is clear, though –and investigations back this up: With the constantly identical images of smoking chimneys or polar bears on ice floes, already seen so many times, you won’t always encapsulate the topic and move people to rethink. That’s why we need to think about how to portray topics like these in a different way. These works do exist and they just need to get seen, such as, for example, Mandy Barker’s series on plastic waste from the sea, which was published in the “Planet or Plastic?” issue of “National Geographic” under the title, “The Art of Plastic Pollution”. Also great is the long-form photo story, “Something is happening to Norway. Slowly, almost imperceptibly”– accessibly and urgently, it draws attention to the consequences of climate change. The story went viral in Norway.

Generally, I’d like to see a more positive, solution-oriented style of reporting: more about everyday heroes who make a difference. People who inspire and embolden, who can be our guides. A good example is the documentary film “Tomorrow”, in which the French activist Cyril Dion and actor Mélanie Laurent look for solutions for making greater strides in climate protection in the years to come.

Do German magazines and newspapers show emotive images too rarely? Or perhaps it’s even good that they do, because otherwise they could get accused of using photographs to manipulate?

There are people who’d like to see exactly what’s happened, but since, generally, there are countless pictures straight from the scene of a news item or event via news broadcasters, online media and social networks, I’d like to see some added value in the print media in particular, and not what I’ve already seen dozens of times before. Pictures shouldn’t bore you. They can ask questions too and don’t always have to have all the answers. They are meant to supply context and awaken curiosity. The image should speak to the beholder on some kind of level – be it emotional, in relation to content, formal or conceptual.

There are often considerably more women than men in your picture editing classes. Does that also reflect working reality in editorial teams and if so: does that lead to skewed or trend-biased photo selection?

For all that the profession is practised by more women than men, relatively many men are chief picture editors, a phenomenon we’re also familiar with from other areas. Your question implies that there is a male and a female gaze. That exists, to be sure, but I think that there is a professional gaze above all, regardless of gender.

I also ask because an investigation by the German Federation of Journalists (DJV) Hamburg and the data team from “Spiegel” has shown that the front-page photos of German magazines are still predominantly shot by men, although there appears to be no shortage of either female photographers or female picture editors.

I’m familiar with this study and in photography – as in society in general – there is still no equality. There’s still much to do – without question. On the investigation by the DJV: they analysed picture credits. You need to be aware, though, that not all front-page pictures are commissioned, some are “procured” and, when searching at picture agencies, you’re looking for the right motifs and not at who took the picture.

Can I conclude from that that men shoot “the right motif” more often? Or simply that too few women take photographs for picture agencies?

I can only speculate on that point. Perhaps male photographers do more post-production in comparison to their female colleagues and so make their motifs better suited for a front page. Perhaps men also market themselves better than women. It would be great if the DJV and “Spiegel” did more investigations, to get to the bottom of the matter and find out why more front-page motifs aren’t by women. It’s definitely not for lack of excellent female photographers. The important thing is that there has been ever-growing awareness and a greater sensitivity shown in recent years for topics to do with social and cultural origin, gender, language, religion and skin colour and that there are attempts being made to select and publish more diversely in this context. This progress is being helped along by debates, studies like the one we’ve just mentioned, and websites such as “Moin und Salam” by photographer and AIWG (Academy for Islam in Research and Society) practice fellow Julius Matuschik, who advocates for more balanced reporting on Islam in Germany.

The Picture Editing Class at the Ostkreuzschule

The Ostkreuz School of Photography (OKS), based in Berlin-Weißensee, is one of only a handful of institutions in Germany that train picture editors. The two-semester course of study comprises a total of 60 days of teaching, concentrated on one six-day week per month. The some dozen students learn how to research pictures and edit stories and discuss current trends and events in press photography, but they also visit editorial teams, agencies, galleries and publishers. Photography history is just as much part of the teaching as the making of photobooks, the editorial upkeep of the OKS’s own blog, and collaboration with the photography students of the Ostkreuzschule and the agency Ostkreuz. Nadja Masri has been director of the class for ten years, and every year invites numerous guest lecturers with different focuses such as digital tools, photobooks, curating, writing workshop, media law, hashtagging and digital storytelling. (dz) ostkreuzschule.de

Nadja Masri
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Jörg Colberg über die äußerst aktive Bürgerrechtsbewegung in Polen, das „Archiv der öffentlichen Proteste” und die Selbstermächtigung der Fotografie

Die Acht-SterneBewegung The Eight-Star Movement

Jörg Colberg writes about Poland’s very active civil-rights movement, the “Archive of Public Protests”, and self-empowerment in photography

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Foto: Grzegorz Welnicki

AAm 22. Oktober 2020 verkündete das polnische Verfassungsgericht, das die rechtsgerichtete Regierung des Landes zuvor mit regierungstreuen Richtern besetzt hatte, dass das bisherige Abtreibungsgesetz – ohnehin bereits eines der schärfsten in Europa – rechtswidrig sei. Damit wurde Abtreibung in Polen praktisch komplett verboten. Ende Januar 2021 trat das Urteil endgültig in Kraft. Bereits vier Jahre zuvor hatte es in Polen Massendemonstrationen gegen eine mögliche Verschärfung des Gesetzes gegeben, den sogenannten „Czarny Protest“ (Schwarzer Protest). Anfang Oktober 2016 waren Zehntausende Frauen und Männern für ein Recht auf Abtreibung auf die Straßen gegangen, und das polnische Parlament hatte ein paar Tage später gegen eine Verschärfung des Gesetzes gestimmt. Die Regierung hatte daraufhin daran gearbeitet, die Unabhängigkeit der Gerichte zu beenden, was zwar wiederum landesweite Proteste nach sich zog (sowie ein Verfahren der Europäischen Union gegen das Land), am Ende aber zu der radikalen Einschränkung des Abtreibungsrechts führte.

Von außen betrachtet, sind die vielen Massenproteste gegen die Maßnahmen der rechtsradikalen PiS-Partei (Recht und Gerechtigkeit) nur schwer voneinander zu unterscheiden. Die Tradition von Massenprotesten, die in den 1980er-Jahren zum Sturz des kommunistischen Regimes geführt hatte, lebt in Polen fort. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern existiert in Polen aber auch eine Protestkultur, die sich etwa von der in Deutschland unterscheidet. Angesichts einer Kundgebung in

Ultrakatholische Aktivisten protestieren gemeinsam mit rechten Organisationen in Warschau gegen die EU.

OOn 22 October 2020, Poland’s Supreme Court declared that the country’s abortion laws – already some of the most restrictive in Europe – were invalid, essentially enforcing a near-total abortion ban. Before the ruling, the country’s far-right government had packed the court with its own judges. At the end of January 2021, the ruling became law. Four years earlier, there had been mass demonstrations against a possible tightening of the law, the so-called “Czarny Protest” (Black Protest). In early October 2016, tens of thousands of women and men had taken to the streets. A few days later, the Polish parliament voted against changing the law. As a consequence, the country’s government worked towards ending the independence of the judiciary, which in turn resulted in another round of mass protests (in parallel, the European Union triggered proceedings against the country). In the end, though, through its hand-picked judiciary Poland’s government was able to push through the radical restrictions of abortion rights.

Viewed from afar, it’s difficult to tell apart the numerous mass protests from the far-right PiS (Law and Justice) party. The tradition of mass protests, which in the 1980s led to the toppling of the communist regime, is alive and well in Poland. Unlike in many other countries, however, there exists a distinct protest culture, which is very different than what can be seen in, let’s say, Germany. On the occasion of a Berlin mass gathering one year after the racist murders in Hanau, Polish activist and photographer Karolina Gembara told me that, in contrast to what she had just observed, Polish demonstrations were a lot more creative. Once you start looking more closely, it immediately becomes obvious what she had in mind. Poland’s Solidarność movement isn’t only known for its political successes, but also for a red logo that combines its name with a stylised Polish flag. Similar logos exist for the various protest movements that happened during the past five years. There is a long tradition of graphic design in Poland (which is especially

Der rote Blitz ist das Symbol der feministischen Bewegung und die acht Sterne stehen für die verschlüsselte Botschaft der Demonstranten an die Regierungspartei „fuck PiS“.

Foto: Rafał Milach Ultra catholics activists along alt right organisations protest against the EU in Warsaw. Photo: Rafał Milach Foto: Rafał Milach

pronounced in the area of posters), and many designers are politically active. When tens of thousands of people began to stage daily protests against the abortion ruling at the end of October 2020, demonstrations immediately featured their own symbols and signs. A red flash became the protests’ main symbol. The flash had already been part of the “Strajk Kobiet” (Women’s Strike) movement. In an interview, its creator, designer Ola Jasionowska, noted that the idea was to express a warning: “It says: watch out, beware, we won’t accept that women are being deprived of their basic rights”. Furthermore, protestors – most of them women, but also many men – voiced their anger very loudly: for the first time, crude language entered the slogans. A widely used motif shows five stars followed by three more: each star stands for a letter. PiS gets three stars, and “jebać” – Polish for “fuck” – gets five. If Poland’s government thought that it could push through its restrictions of abortion rights without problems during the coronavirus pandemic, yet again it underestimated its own population. There is no end in sight for the country-wide demonstrations that started at the end of October 2020. Police response has become increasingly aggressive. A large number of photographers have been documenting the protests since their very beginning – not only in Warsaw but also in many other smaller cities. Following an initiative by well-known photographer Rafał Milach, a number of them got together to set up “Archiwum Protestów Publicznych” (Archive of Public Protests; APP). They outline their mission on their website: “Documentary photography is not created in a vacuum, and photographers are not objective beings observing social events from the perspective of a laboratory experiment. The mission of the Archive is to record protest activities that have taken, and are taking, place post 2015 […]. We are not a news agency or an objective press entity – mostly because narrative objectivity is a myth used in the current discussion mainly as a measure of adherence to a certain order.” The Archive includes photographs and a number of other materials. These materials include articles but also digital versions of the newspapers that have been produced. The newspapers were designed by renowned photobook design-

Berlin zum Jahrestag der Mordserie in Hanau sagte die polnische Aktivistin und Fotografin Karolina Gembara zu mir, dass polnische Demonstrationen erheblich kreativer seien im Vergleich zu dem, was sie soeben beobachtet habe. Bei genauerer Betrachtung wird sofort klar, wovon sie spricht. Die polnische Solidarność-Bewegung ist ja nicht nur für ihre politischen Erfolge bekannt, sondern auch für ihr rotes Logo, das ihren Namen mit einer stilisierten polnischen Flagge verbindet. Ähnliche Logos und Grafiken gibt es auch für die Protestbewegungen der vergangenen fünf Jahre. Polen verfügt über eine lange Tradition von Gestaltung (gerade im Bereich von Postern), und viele Gestalterinnen und Gestalter sind auch politisch aktiv. Als Ende Oktober 2020 etliche Tausende damit begannen, täglich gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes zu demonstrieren, waren die Demonstrationen sofort grafisch klar definiert. Das Hauptsymbol der Proteste wurde ein stilisierter roter Blitz, der bereits Teil der Bewegung „Strajk Kobiet“ (Frauenstreik) gewesen war. Hinter der Grafik steht die Gestalterin Ola Jasionowska, die in einem Interview sagte, die Idee sei die einer Warnung gewesen: „Aufgepasst, wir lassen nicht zu, dass die Grundrechte von Frauen eingeschränkt werden.” Darüber hinaus ließen die Protestierenden, zumeist Frauen, aber auch viele Männer, ihrem Ärger

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Eine Demonstrantin hält ein Exemplar der APP-Zeitung in die Höhe. Foto:
A
a
of the APP
Joanna Musial
protestor holds up
copy
newspaper.
Photo: Joanna Musial The red lightning bolt is the symbol of the feminist movement and the eight stars are an encrypted protester’s message for “fuck PiS”.
Archiv der öffentlichen Proteste / Archive of Public Protests
Photo: Rafał Milach
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freien Lauf: Erstmalig wurde deftige Sprache ein Teil der Slogans. Ein weit verbreitetes Motiv zeigt fünf Sternchen, gefolgt von dreien: jeder Stern steht für einen Buchstaben. PiS bekommt drei Buchstaben, und „jebać”, die polnische Version von „fick dich”, kommt mit fünf aus. Sollte die polnische Regierung damit gerechnet haben, dass sie ihre Verschärfung des Abtreibungsrechts in Corona-Zeiten ohne Probleme durchbekommen würde, dann hat sie wieder mal nicht mit ihrer eigenen Bevölkerung gerechnet. Bereits seit Ende Oktober 2020 finden landesweite Demonstrationen statt, gegen die die Polizei zunehmend aggressiv vorgeht. Eine große Anzahl von Fotografinnen und Fotografen begleitet die Proteste bereits seit ihren Anfängen, sowohl in Warschau als auch in anderen Städten. Auf eine Initiative des bekannten Fotografen Rafał Milach, fanden sich einige von ihnen zusammen, um das „Archiwum Protestów Publicznych” (Archiv der öffentlichen Proteste; kurz APP) zu gründen. Auf ihrer Webseite schreiben sie: „Dokumentarische Fotografie entsteht nicht in einem Vakuum, und Fotografen sind keine objektiven Wesen, die soziale Veranstaltungen aus der Perspektive eines Laborexperiments objektiv beobachten. Das Ziel des Archivs ist es, Proteste festzuhalten […]. Wir sind keine Nachrichtenagentur oder objektive Presseorganisation – größtenteils, weil erzählerische Objektivität ein Mythos ist, der in gegenwärtigen Diskussionen hauptsächlich als Mittel zu Erhaltung einer gewissen Ordnung dient.” Im Archiv befinden sich nicht nur Fotos, sondern auch andere Materialien, darunter Artikel, aber auch digitale Versionen der Zeitungen, die bislang entstanden sind. Die Zeitschriften, die von der renommierten Fotobuch-Gestalterin Ania Nałęcka-Milach designt werden, beinhalten Fotos, Texte (kurze theoretische Einleitungen und Zitate von Protestteilnehmern) sowie Grafiken. Diese Grafiken kombinieren Slogans von

Proteste gegen die Entscheidung des Verfassungsgerichts zur Wiedereinführung des Abtreibungsgesetzes in Polen. Foto: Agata Kubis

Protest against the decision of the Constitutional Court to restirct the abortion law in Poland.

Agata Kubis

Als im Warschauer Nationalmuseums u.a. die Fotoarbeit der Konzeptkünstlerin Natalia LL wegen angeblicher Obszönität entfernt wurde, weil auf ihnen eine nackte Frau eine Banane isst, aßen

Foto: Rafał Milach

zahlreiche Demonstranten ebenfalls Bananen, um gegen Zensur zu protestieren.

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Photo:
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archiwumprotestow.pl

er Ania Nałęcka-Milach and include photographs, texts (short theoretical essays and quotes of protestors), and illustrations. These illustrations combine protest slogans with the movement’s red flash. Financed through crowdfunding and a small grant provided by the City of Warsaw, the newspapers are not sold at photobook fairs. Instead, they are handed out to protestors by members of APP. By construction, the newspapers can be easily taken apart to operate as protest posters themselves: for example, they can be hung in the windows of apartments or cars. Consequently, photographs of protests are re-entering later protests – a feedback loop that generates new photographs itself. In addition, the makers of APP ensure that the newspapers also make their way into cities and villages outside of Warsaw, away from the networks of the capital’s photography scene. This way, the strategy driving APP becomes clear. Its members don’t see themselves as external “objective” observers. Instead, they act as members of a civic society that voices its demand for civil rights. In parallel, APP demonstrates that an alternative to the traditional art-photography market exists, where photographers make photobooks for other photographers and for a very small number of people interested in photography: Why can’t photography publications find their way back to the very people depicted in the photographs – to then play an active civic role? If anything, changes do not occur in museums or at photobook fairs. They occur in courthouses and parliaments. These changes are being driven by a civic society whose interests, more often than not, disappear once they enter the world of photography with its abstract ideas and its pricey publications that cater to a narrow photographic elite.

Demonstrantinnen und Demonstranten mit dem roten Blitz der Bewegung. Die Zeitungen, finanziert durch Crowdfunding und einen kleinen Zuschuss der Stadt Warschau, werden aber nicht auf Fotobuchmessen verkauft, sondern von den APP-Mitgliedern auf Demonstrationen an die Protestierenden verteilt. Die Zeitungen sind so konzipiert, dass sie sich problemlos auseinandernehmen lassen, um als Protestsymbol zu fungieren und werden in Fenstern von Wohnungen und Autos gehängt. Wie in einer Rückkopplung finden somit die Fotos von Protesten ihren Weg zurück in neue Proteste – und in wiederum neue Fotos. Die Macherinnen und Macher von APP stellen auch sicher, dass die Zeitung in die Provinz gelangt, also jenseits der Netzwerke der Warschauer Fotografieszene verteilt und gelesen wird. Dadurch wird die Strategie hinter APP sehr klar: Ihre Mitglieder sehen sich eben nicht als außenstehende, „objektive” Beobachter, sondern als Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Zivilgesellschaft, die lautstark für ihre Rechte kämpft. Gleichzeitig zeigt APP auf, dass es neben dem traditionellen Fotokunst-Markt, in dem Fotografen zumeist Publikationen für andere Fotografen oder für ein kleines interessiertes Fachpublikum produzieren, ein Gegenmodell gibt: Warum sollen Fotopublikationen nicht ihren Weg wieder genau zu den Leuten finden, die in den Bildern abgebildet werden, um dann eine aktive Rolle zu spielen? Wenn überhaupt, finden Veränderungen schließlich nicht in Museen oder auf Fotobuchmessen, sondern in Gerichten und Parlamenten statt – auf Druck eben der Zivilgesellschaft, deren Interessen in der Welt der Fotografie allzu oft hinter abstrakten Überlegungen und in überteuerten Publikationen für ein elitäres Fachpublikum verschwinden.

Archiv der öffentlichen Proteste / Archive of Public Protests 33
When the photographic work of conceptual artist Natalia LL, among others, was removed from the Warsaw National Museum for alleged obscenity because they showed a naked woman eating a banana, numerous demonstrators also ate bananas to protest against censorship. Photo: Rafał Milach Am Unabhängigkeitstag marschieren zahlreiche Neofaschisten und Ultra-Katholiken durch Warschau. © Alicja Lesiak Independence Day celebrations in Warsaw have become one of the largest platforms for international far right, neofashist and ultra catholic movements. © Alicja Lesiak
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Jenseits fotografischer Grenzen

Helena Weber über das Klimawandel-Projekt

Everything is Connected

Eisbären auf schmelzenden Eisschollen, Elefanten an austrocknenden Wasserlöchern. Es sind typische Symbolbilder zum Klimawandel, die wir alle kennen und an denen wir uns womöglich schon sattgesehen haben. Die medial etablierte Bildsprache zum Thema Umwelt und Klima bedient seit Jahren ewig wiederkehrende Motive. Zu diesem Schluss kam vor wenigen Jahren auch eine Studie des Thinktanks Climate Outreach und forderte neue fotografische Perspektiven auf die klimatischen Veränderungen unseres Planeten.

Beyond Photographic Limits

Helena Weber on the Climate Change Project Everything is Connected

Polar bears on melting ice floes, elephants by dried-out watering holes. These are typical symbolic images on climate change, which we are all familiar with and may already be tired of seeing. Eternally recurring motifs have been operated by medially established visual language concerning environment and climate for years. This conclusion was already arrived at, a few years ago, by the think tank Climate Outreach, which demanded new photographic perspectives on the climatic changes that our planet is undergoing.

Aus/From
of
„The Book
Miracles“ von/by Igor Elukov

Genau solche Persepktiven versucht das Projekt „Everything is Connected“ zu finden und zu fördern. 2020 veröffentlichte das „Slideluck Editorial“ zum dritten Mal einen weltweiten Aufruf für fotografische Arbeiten, die den Klimawandel thematisieren, mit dem Ziel, eine Reflexion über die untrennbare Verbindung zwischen menschlichem Handeln und Klimakrise anzuregen. Und damit fotografisch über die Auswirkungen der eigenen Lebensweise auf die Umwelt nachzudenken.

Die zehn ausgewählten Arbeiten internationaler Fotografinnen und Fotografen greifen wichtige Aspekte rund um das umfassende Thema des Klimawandels auf: Luftverschmutzung, Landausbeutung, Wetterkatastrophen, Zerstörung von Lebensraum für Mensch und Tier, die daraus resultierende Migration und die Beziehung zwischen Mensch und Natur. So vielfältig wie die Themen selbst sind auch die verschiedenen Blicke der Projekte. Sie bewegen sich zwischen traditionell dokumentarischen und eher interpretativen oder persönlichen Zugängen und Ästhetiken. Und obwohl alle einen engen Bezug zum abgebildeten Ort oder zum Thema aufweisen, vermitteln sie auch eine universelle Botschaft, die zeigt, wie sehr menschliches Wohl von einer gesunden Umwelt und umgekehrt sie von ihm abhängt – unabhängig davon, ob die Fotografien im Amazonas oder im Norden Russlands aufgenommen wurden.

The “Everything is Connected” project seeks to identify and promote exactly those perspectives. In 2020, for the third time, the “Sideluck Editorial” issued a global biennal call for photographic works that have climate change as their theme, with the aim of stimulating a reflection on the inseparable link between human actions and climate crisis. And hence thinking photographically about the effects of one’s own lifestyle on the environment.

The ten selected works by international photographers take up important aspects around the comprehensive topic of climate change: air pollution, land exploitation, weather disasters, destruction of habitat for human and animal, the resulting migration and the relationship between humans and nature. The projects’ different gazes are as diverse as the topics themselves. They range from traditionally documentary to rather interpretative or personal approaches and aesthetics. And although they are all closely linked to the depicted place or topic, they also convey a universal message, which reveals how much human welfare depends on a healthy environment and, conversely, the latter depends on the former – regardless of whether the photographs were taken in the Amazon or the north of Russia.

The task is no easy one, in many respects. Unlike weather disasters, which generate strong images now and then, only some

Alle Abbildungen auf dieser Doppelseite stammen aus dem Projekt „The Book of Miracles“ von Igor Elukov.

Die Aufgabe ist in vielerlei Hinsicht keine einfache. Anders als die Klimakatastrophe, die punktuell starke Bilder erzeugt, bleibt die von einer langsamen Entwicklung geprägte Klimakrise nur bedingt direkt beobachtbar. Schnell gerät die Fotografie, die das Momenthafte festhält, an ihre Grenzen und wirft die Frage auf, ob das einzelne Bild umfassend genug ist, um die Komplexität des klimatischen Wandels zu zeigen. „Je mehr Bilder Fotografinnen und Fotografen von Landzerstörung, Gewalt oder Armut machen, desto mehr gewöhnen wir uns daran, sie zu sehen“, sagt auch Maria Teresa Salvati, Gründerin und Chefredakteurin des „Slideluck Editorial“. Und ein weiteres Dilemma kommt hinzu: „Wenn [die Fotografie] versucht, eine unbequeme Wahrheit über die Umweltzerstörung zu kommunizieren und das Bild schön ist, stellt sich die Frage, ob die Botschaft nicht durch die Form kompromittiert und somit das Bild eher ästhetisch als politisch konsumiert wird.“

So geht es zum einen darum, gerade angesichts überwältigender Bilderfluten andere, neue Rezeptionswege zu finden. Und zum andern darum, Fotografien nicht auf den Kant’schen Begriff des Erhabenen zu reduzieren, nach welchem die Betrachtung eines Gegenstandes umso anziehender wird, je furchterregender er ist, vorausgesetzt, dass der Betrachtende sich in Sicherheit befindet. „Everything is Connected“ will der Frage nachspüren, ob die fotografische Ästhetik eine katalytische Bedeutung einnehmen kann, um die Aufmerksamkeit auf das betreffende Thema zu lenken, anstatt abzulenken. Und damit zu reflektieren, worin die Rolle der Fotografie im heutigen Storytelling der Klimakrise besteht und wie sie dazu beitragen kann, das Betrachten in ein nachhaltiges Handeln zu überführen und damit sozialen Wandel zu unterstützen. Denn das Potenzial der Fotografie ist in den Augen Salvatis noch längst nicht ausgeschöpft.

of the climate crisis, as it slowly unfolds, can be observed directly. The photograph, which captures the momentary, very soon reaches its limits and throws up the question of whether the individual image is comprehensive enough to portray the complexity of climate change.

“The more pictures photographers make of land destruction, violence or poverty, the more accustomed we become to seeing them”, says Maria Teresa Salvati, founder and chief editor of the “Sideluck Editorial”. And there is another dilemma added to this: “If [photography] is trying to communicate an uncomfortable truth about environmental degradation and the image is beautiful, the question arises as to whether the message is compromised by the form, and so if the image is consumed aesthetically rather than politically.”

Thus, on the one hand, and especially in the face of overwhelming floods of images, it is a matter of identifying alternative, new paths of perception. And on the other hand, not reducing photographs to Kant’s notion of the sublime, according to which contemplation of an object becomes all the more attractive the more fear-inspiring the object is,

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Everything is Connected
All images on this double page are from the project “The Book of Miracles” by Igor Elukov.

Das multidisziplinäre Projekt versteht sich entsprechend als Experiment rund um partizipatives Erzählen, das verschiedene Medien und Disziplinen zusammenbringt und damit ungewohnte Allianzen schafft, mit dem Ziel, neue und breitere Öffentlichkeiten zu erreichen und den Aktionsradius der Fotografie zu erweitern. So treffen Politik und Kunst, Stadtplanung und Wissenschaften aufeinander, um nach neuen Wegen zu suchen, den Klimawandel zu kommunizieren, und dabei alle Generationen, also auch die Jüngsten, miteinzubeziehen.

In Zusammenarbeit mit dem Kuratorenkollektiv Kublaiklan entstand dafür das Projekt „Through the Eyes of Children“, das mit der Idee des ungefilterten Blicks von Kindern arbeitet, der oftmals besonders pointiert die Mehrdeutigkeit von Bildern offenlegt. Und zugleich Kinder und Jugendliche als aktive Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Diskurs über visuelle Bildung ebenso wie über die klimatischen Veränderung ihrer zukünftigen Lebenswelt miteinbezieht.

Ein Thema, das auch der Photoszene am Herzen liegt und im „NEXT! Festival der Jungen Photoszene“ aufgegriffen wird. Die vom Kublaiklan-Kollektiv gesammelten Bildbeschreibungen der Kinder werden auf Plakatwänden im öffentlichen Raum Kölns installiert, während in Workshops die Jüngsten ebenfalls Gelegenheit bekommen, ihre Version von dem, was uns die Bilder sagen wollen, mitzuteilen.

provided that the contemplator finds himself in safety. “Everything is Connected” intends to look into the question of whether the photographic aesthetic is able to occupy a catalytic significance, in order to steer attention onto the topic concerned instead of distracting. And thereby to reflect on what photography’s role consists of in today’s storytelling of the crisis and how it can help to convert contemplation into sustainable actions and thereby support social change. For, in Salvati’s eyes, photography’s potential is still far from being exhausted.

The multidisciplinary project accordingly understands itself to be an experiment around participative narrating, as it brings together various media and disciplines and thereby forges unusual alliances, with the aim of reaching new and wider public arenas and expanding photography’s radius of action. Thus, politics and art, urban planning and sciences encounter one another, in order to seek new paths, communicate climate change, while involving all generations, including the youngest.

To that end, in partnership with the curators’ collective Kublaiklan, the “Through the Eyes of Children” project was set up, which works with the idea of children’s unfiltered gaze, which often lays bare images’ ambiguity particularly trenchantly. Simultaneously, the project gets children and young people involved in the discourse about visual education and equally about the climatic changes faced by the world they will inhabit in the future.

This is a topic that is also close to Photoszene’s heart and will be taken up in the “NEXT! Festival der Jungen Photoszene”. The children’s picture descriptions, collected by the Kublaiklan collective, will be installed on billboards in Cologne’s public space, while workshops will likewise offer the youngest the opportunity to communicate their version of what the images are trying to tell us.

Die zehn Fotografen des Projektes „Everything is Connected“ sind Sana Ahmadizadeh, Igor Elukov, Pietro Lo Casto, Mattia Marzorati, Kaveer Rai, Isadora Romero, Michele Sibiloni, Jakub Stanek, Misha Vallejo und Ami Vitale.

Zudem hat der Italiener Michele Sibiloni gerade das Buch „Nsenene“ über die Heuschreckenjagd in Uganda im schweizerischen Verlag Edition Patrick Frey veröffentlicht. Es hat 144 Seiten und kostet 52 Euro.

The ten photographers of the project “Everything is Connected” are Sana Ahmadizadeh, Igor Elukov, Pietro Lo Casto, Mattia Marzorati, Kaveer Rai, Isadora Romero, Michele Sibiloni, Jakub Stanek, Misha Vallejo and Ami Vitale.

In addition, the Italian Michele Sibiloni has just published the book “Nsenene” about the locust hunt in Uganda with Swiss publisher Edition Patrick Frey. It has 144 pages and costs 52 euros. editionpatrickfrey.com

Alle Abbildungen auf dieser Seite stammen aus dem Projekt „Nsenene“ von Michele Sibiloni. All images on this page are from the project “Nsenene” by Michele Sibiloni.
everythingisconnected.eu

Ausstellungen, Vorträge, Diskussionen und Workshops zur Frage

„Braucht der Klimawandel neue Bilder?“

Alle zehn Fotografinnen und Fotografen des Projektes „Everything is Connected“ werden im Rahmen von Photoszene United (21. bis 30. Mai 2021) in einer Open-Air-Ausstellung in den Bahnbögen an der Hüttenstraße in KölnEhrenfeld präsentiert. Die Projektion ist Teil eines umfangreichen Programms, das die Internationale Photoszene Köln an den Ausstellungsflächen von CityLeaks Urban Arts Festival realisiert. Weitere gezeigte Künstlerinnen und Künstler sind Solmaz Daryani, Monica Alcazar-Duarte, Benedikt Partenheimer und Tim Wagner, die sich alle mit dem Klimawandel beschäftigen.

Zudem wird es vier Künstlervorträge sowie eine Podiumsdiskussion am 28. Mai mit der GreenpeaceBildredakteurin Vivian Balzerkiewitz, der „Fridays for Future“-Sprecherin Pauline Bünger, der Kuratorin des „Slideluck Editorial“, Maria Teresa Salvati, und dem Fotojournalisten Tim Wagner geben.

Außerdem ist in Kooperation mit „Slideluck Editorial“ und Kublaiklan am 30. Mai 2021 der Workshop „Durch die Augen der Kinder“ speziell für Sechs- bis Zwölfjährige geplant:

Die Statements von Kindern aus Italien als Reaktion auf Bilder des Klimawandels werden ab dem 28. Mai als interaktive Plakatkampagne im öffentlichen Raum gezeigt. Die Angebote werden von „Next! Festival der Jungen Photoszene“ präsentiert. (dz)

All ten photographers of the “Everything is Connected” project will be on show in the context of Photoszene United (21 to 30 May 2021) in an open-air exhibition under the railway arches on Hüttenstraße in CologneEhrenfeld. The projection is part of a comprehensive programme initiated by Internationale Photoszene Köln in partnership with the Cityleaks Urban Arts Festival. Further artists on display are Solmaz Daryani, Monica Alcazar-Duarte, Benedikt Partenheimer and Tim Wagner, who all deal with climate change. Additionally, there will numerous artist’s talks plus a podium debate on 28 May with Greenpeace picture editor Vivian Balzerkiewitz, “Fridays for Future” spokeswoman Pauline Bünger, the curator of “Sideluck Editorial”, Maria Teresa Salvati, and press photographer Tim Wagner. Moreover, in co-operation with “Sideluck Editorial” and Kublaiklan, the workshop “Through the Eyes of Children” is scheduled specially for six to 12-year-olds on 30 May 2021: statements by children from Italy in reaction to pictures of climate change will be on show in the public space in the form of an interactive poster campaign from 28 May. These offerings are presented by “Next! The Festival of the Young Photoszene”. (dz)

HOW TO… run an art space

Wie betreibt man einen Kunstraum? Die neueste Ausgabe der RatgeberReihe „HOW TO …“ befasst sich mit den zentralen und weniger zentralen Fragen, die an den Betrieb eines nichtkommerziellen Kunstraums geknüpft sind. Was ist ein Off-Space? Warum GEMA? Wozu die KSK? Wer ist Iwan? Wie findet sich ein Ausstellungstitel? Was ist eine Vorzugsausgabe?

Und warum man immer befürchtet, dass niemand kommt, aber dann doch alle da waren –ein Ratgeber in Anführungszeichen für alle, die schon immer einen Kunstraum gründen wollten. Von A bis Z in kollektiver Autor*innenschaft geschrieben von den Art Initiatives Cologne (AIC).

photoszene.de slideluckeditorial.com everythingisconnected.eu/education/ttec/ 2021 41
Exhibitions, talks, debates and workshops on the question “Does
Need
Art Initiatives Cologne – AIC (Hrsg.) 16 x 9,5 cm 72 Seiten Broschur Deutsch 978-3-946770-73-2 7,80 EURO / CHF 9,–www.strzelecki-books.com Anzeige Einen Kunstraum betreiben von A bis Z
Climate Change
New Pictures?”

SelfFulfilling Prophecies

Der Instagram-Account „Insta Repeat“ sammelt seit drei Jahren Fotos, die selbsternannte Influencer auf Instagram posten –und die erschreckend oft nahezu identisch aussehen.

Der Initiatorin Emma Sheffer geht es dabei aber nicht um ein Bashing, sondern mehr um eine Sensibilisierung dafür, dass Individualismus nicht unbedingt belohnt wird.

Schon einmal von „Vemödalen“ gehört? Wahrscheinlich nicht. Dabei bezeichnet es ein Gefühl, das die meisten von uns kennen dürften, nämlich die Frustration darüber, dass alles schon einmal fotografiert wurde – und wahrscheinlich sogar besser. Erfunden hat das Wort vor ein paar Jahren der Amerikaner John Koenig für sein „Wörterbuch der obskuren Sorgen“. Aktiv genutzt wird dieser Begriff freilich nicht, was sehr schade ist, denn als Hashtag würde er sich auch für Emma Sheffers Projekt anbieten.

Die Künstlerin und Filmemacherin aus Alaska hat es sich 2018 zur Aufgabe gemacht, all die Instagram-Fotos von selbsternannten Influencern, die sich im Bereich Outdoor und Adventure tummeln, zu sammeln, miteinander zu vergleichen und identische Bilder wie bei einem riesigen Memory-Spiel herauszusuchen. Mit dem Unterschied, dass es selten nur zwei und sehr oft sogar Dutzende dieser „Doppelgänger“ gibt. Das ist insofern interessant, da diese Fotografien gern mit Begriffen (und Hashtags) wie „authentic“, „living free“ und „wild“ in Verbindung gebracht werden – und selbst einfach nur den gängigsten ästhetischen Regeln eines Moody-Looks folgen und die immer gleichen Motive, Orte und Kompositionen kopieren.

Sheffer unterscheidet dabei zwei Arten von Bildern. Da seien zum einen die, die an exakt demselben Ort und auf die exakt gleiche Weise aufgenommen werden. Eine bestimmte rote Hütte auf dem Hatcher Pass in Alaska zum Beispiel. Oder eine Felsspalte, über die eine Person in einem gelben Regenmantel springt. Oder Menschen, die ihre Beine über dem Abgrund des Horseshoe Bend in Arizona knipsen. Oft sei es schlichtweg der einfachste und vielleicht auch natürlichste Blick auf diesen Ort, so dass sich Betrachter an diesen Anblick gewöhnen und ihn gut nachstellen können, wofür sie wiederum mehr Likes bekommen, denn „Die Leute mögen das, was sie kennen und was allgemein anerkannt ist. Es ist eine Art sich selbsterfüllende Prophezeiung“, erklärt sich die 29-Jährige das Phänomen. Deutlich interessanter findet Sheffer, die Kunst und Film an der University of Southern California in Los Angeles studiert hat, wenn zwar an unterschiedlichen Orte, aber nach den immer gleichen Mustern fotografiert werde: die einsame Person auf einem Steg am Bergsee, das erleuchtete Zelt unter den Nordlichtern oder die Rückenansicht einer Frau vor einer Landschaft und mit einem Filzhut auf dem Kopf. Für alle diese Bilder gibt es fast nie ein Initialfoto, auf das sich alle anderen beziehen – von wenigen Ausnahmen abgesehen wie beispielsweise beim Follow-Me-To-Trend. Dabei wird eine Person von hinten fotogra-

Ever heard of “vemödalen”? Probably not. Yet it describes a feeling that most of us are likely to be familiar with, namely frustration over the fact that everything has already been photographed once – and probably even better. The word was coined a few years ago by American John Koenig for his “Dictionary of Obscure Sorrows”. This term is not in active use, though, which is a real shame, since it would make an ideal hashtag for Emma Sheffer’s project.

In 2018, the artist and film-maker from Alaska took on the task of collecting all Instagram photos by self-appointed influencers gambolling in the Outdoor and Adventure section, comparing them and picking out identical pictures, as in a giant game of Memory. With the difference that there are rarely only two, and very often even dozens, of these “doppelgangers”. This is intriguing, given that these photographs are commonly associated with concepts (and hashtags) such as “authentic”, “living free” and “wild” – and themselves just follow the most common moodylook aesthetic rules and copy the same motifs, locations and compositions over and over.

Sheffer distinguishes between two types of picture along the way. For a start, she says, there are those which are taken at exactly the same location and in exactly the same manner. A certain red hut on the Hatcher Pass in Alaska, for example. Or a rock crevice, jumped across by a person in a yellow raincoat. Or people taking a snap of their legs over the precipice of Horseshoe Bend in Arizona. Often, Sheffer reports, it is simply the easiest and perhaps also most natural vista of this location, to allow beholders to get familiarized with the view and easily reconstruct it, for which they will get more likes in turn, since “people like what is familiar and recognized. It is a kind of self-fulfilling prophecy,” runs the 29-year-old’s explanation of the phenomenon.

What is considerably more interesting, finds Sheffer, who studied art and film at the University of Southern California in Los Angeles, is when, though the location is different, the photographic patterns are always the same: the lonesome person on a jetty by the mountain lake, the illuminated tent beneath the Northern Lights or the rear view of a woman looking onto a landscape and wearing a felt hat on her head. There is almost never an initial photo for all these pictures, serving as the reference for all others – apart from a few exceptions, such as with follow-me-to-trend. Here, a person is photographed from behind, extending his or her arm to the photographer’s hand. This way, together, they explore sights or simply just isolated beaches. This pose can be traced back to the Instagram

For three years, the Instagram account “Insta Repeat” has been collecting photos which are posted on Instagram by self-appointed influencers –and which, alarmingly often, look practically identical.

Influencer-bashing is not initiator Emma Sheffer’s aim, however – she wants to raise awareness of the fact that individualism is not necessarily rewarded. Von oben links nach unten rechts/From top left to bottom right: Bettina Halas, Elias Bachmann, Hannes Stier, Luca Jaenichen, Lorenz Weisse, Alexandra Taylor, Aronsche, Johannes Hulsch, Carolin Unrath, Daniel Ernst, Jonas Funck, Marvin Kuhr, Matt Cherubino, Niklas Deschner, Pelle Faust, Thomas Luisier, Josh Kempinaire, Tom Charles, Valentin & Roman, Basti Klein & Simone Ezendam, Explore Marco, Fabio Zingg, Federico Sette, Giulio Groebert, Michiel Pieters, Leo Thomas, Lennart Pagel, Jan Kaya, Garrett King, Robin Wittwer, Patrick Guller, Jake Elko, Steven Weisbach, Thilo Axnick, Simon Prochask

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fiert, die ihren Arm zur Hand des Fotografen streckt. Gemeinsam entdecken sie so Sehenswürdigkeiten oder einfach nur einsame Strände. Diese Pose ist auf den Instagram-Account von Murad Osmann und seiner Frau Natalia Zakharova zurückzuführen, die sich damit zur erfolgreichen Marke etabliert haben. Aktuell hat Osmann etwa 3,8 Millionen Abonnenten und laut Wirtschaftsmagazin „Forbes“ war er 2017 der drittwichtigste Reise-Influencer.

Sheffer geht es aber nicht darum, den gezeigten Fotografen schlechtes Handwerk vorzuwerfen und sie bloßzustellen, wie ihr immer wieder vorgeworfen wird – schließlich seien es ja gute Fotos.

Problematisch findet sie, dass sich alle der gleichen Mechanismen bedienen und dass Instagram mit seinen Algorithmen diese Art der Ästhetik und somit Homogenität und Einfallslosigkeit fördert. Eine visuelle Grenzverschiebung könne man hier jedenfalls nicht erwarten. „Indem ich diesen Account gemacht habe, habe ich gelernt, dass Popularität Gleichförmigkeit hervorbringt, nicht Einzigartigkeit. Es ist wie in der Highschool.“

Dabei ist Sheffer durchaus bewusst, dass Menschen auch schon zu analogen Zeiten immer wieder die gleichen Bildmuster reproduziert haben – ein Blick in verschiedene Familienalben reicht aus, um identische Fotos von Feiern, Urlauben, Jubiläen und Gruppenbildern zu identifizieren, denn natürlich gibt es schlichtweg Bildrezepte, die sich etabliert haben. Das gilt bis heute. Der Unterschied ist allerdings: Früher haben wir diese Fotos gemacht, um uns an Augenblicke zu erinnern. Heute werden diese Fotos produziert, um mit ihnen zu kommunizieren und um auf eine sehr einfache Art sehr erfolgreiches Marketing zu betreiben.

„Insta Repeat“ ist nicht das einzige Projekt, in dem sich Sheffer mit Fragen nach Original, Einzigartigkeit und Erinnerung beschäftigt. Für ihre Arbeit „A Note Upon the Mystic Writing Pad“ (benannt nach Sigmund Freuds Notiz über den Wunderblock) hat sie alte Alltagsfotos ihres Vaters akribisch nachgezeichnet, ausgestellt und die Besucher aufgefordert, mit den ausgelegten Radiergummis die Bilder auszuradieren – was die meisten nur sehr zögerlich, andere hingegen mit sehr großem Enthusiasmus getan hätten.

Und 2017, also noch vor dem Start von Insta Repeat, beschäftigte sie sich in „Can Machines Copy?“ mit Fragen wie „Was macht ein Original eigentlich zu dem, was es ist?“, „Ist nicht jedes Objekt ein Original?“

account of Murad Osmann and his wife Natalia Zakharova, who have used it to establish themselves as a successful brand. Currently, Osmann has some 3.8 million followers and in 2017, according to business magazine “Forbes”, he was the third most prominent travel influencer.

However, it is not Sheffer’s aim – as she is repeatedly accused of – to criticize and show up the depicted photographers for poor handiwork; these are after all, she says, good photos.

What she finds problematic is that all of them make use of the same mechanisms and Instagram, with its algorithms, encourages this kind of aesthetic and hence homogeneity and unimaginativeness. No visual shifting of boundaries can be expected here at any rate, she says. “By making this account, I’ve learned that popularity breeds homogeneity, not uniqueness...like in high school.”

At the same time, Sheffer is well aware that people always used to reproduce the same visual patterns over and over, even in analogue times – a look into various family albums is sufficient to identify identical photos of celebrations, vacations, anniversaries and group pictures, since of course there are simply visual formulas that have taken root. That holds true to this day. The difference, though, is this: in the past, we took these photos in order to remember moments. Today, these photos are produced as a means of communication and a very simple way of doing some very successful marketing.

“Insta Repeat” is not the only project in which Sheffer deals with

Zeichnung aus Sheffers Arbeit „A Note Upon the Mystic Writing Pad“ vor und nach ihrer Zerstörung Drawing from Sheffer’s work “A Note Upon the Mystic Writing Pad” before and after its destruction Emma Sheffer: „Can Machines Copy?“, 2017 44

und „Ist eine wahrnehmbare Ungenauigkeit wahrer als eine nicht wahrnehmbare Ungenauigkeit?“ Dafür zeichnete Sheffer ein Zufallsobjekt – in diesem Fall einen Hühnerfuß – immer und immer wieder und stellte die Ergebnisse gemeinsam aus. „Worum geht es eigentlich bei Originalität? Und ist sie wichtig und falls ja: in welchem Zusammenhang?“

Fragen wie diese führten sie direkt zu ihrer Beschäftigung mit Instagram.

Und wie geht es weiter? Dass Sheffer das Bildmaterial ausgehen könnte, ist eher unwahrscheinlich. Aktuell hat sie 40.000 Influencer-Fotos auf ihrer Festplatte gespeichert und es werden regelmäßig mehr. Diese hat sie in Dutzenden Kategorien und Unterkategorien sortiert – sie reichen von „Person, mittig, alleine in der Wildnis“ über „Person auf einem Flugzeug in Island“ bis „Person, mittig, rudert in einem Kanu“. Ihr großer Traum wäre es, wenn das Projekt in ein Buch münden würde, in dem verschiedene Autoren das Thema historisch und gesellschaftlich einordnen. Der Vemödalen-Erfinder John Koenig könnte ja einer davon sein.

questions concerning originality, uniqueness and remembering. For her work, “A Note Upon the Mystic Writing Pad” (after Sigmund Freud’s note of the same name), she painstakingly copied old everyday photos owned by her father, exhibited her drawings and asked visitors to erase the pictures using the erasers provided – which most did only very hesitantly, others by contrast with enormous enthusiasm, she reports.

And in 2017, so before Insta Repeat began, in “Can Machines Copy?” she dealt with questions such as: “What makes an original an original?” “Isn’t every object an original?” and “Is a noticeable inaccuracy truer than an unnoticeable inaccuracy?” In doing so, Sheffer drew a random object – in this case a chicken’s foot – over and over again and exhibited the results together. “What is the point of originality? And is it important and if yes: in what context?” Questions like these led her straight to her project on Instagram.

And what happens next? It is somewhat unlikely that Sheffer will run out of image material. Currently, she has saved 40,000 influencer photos on her hard drive and more are regularly added. She has sorted these into dozens of categories and sub-categories – ranging from “person centered, alone in wild” via “person on top of airplane in Iceland” to “person centered, rowing in canoe.” It would be her big dream to have a book as the project’s outcome, in which various authors pin down the subject historically and socially. Who knows, vemödalen inventor John Koenig could be one of them.

45 Insta Repeat

Krise? Welche Krise? Crisis?

What Crisis?

Wer mit Rob Hornstra über die Krise in der Fotografie sprechen will, wird nicht weit kommen. „Gibt es überhaupt eine Krise?“ fragt mich der 46-Jährige gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Ich argumentiere mit dem Bedeutungsverlust des einzelnen Bildes, mit Aufmerksamkeitsökonomie, der immer größer werdenden Konkurrenz unter Fotografen und dass es niemals so leicht war, ein gutes Foto zu machen wie heute. Hornstra stimmt mir zu – und setzt gleich zum Gegenargument an: „Ich sehe unsere Zeit als Beginn der Blüte einer neuen Fotografie. Und diese neue Fotografie wird etwas anderes sein als bloß das einzelne Bild.“ Der Niederländer betrachtet die Situation deshalb von der anderen Seite und beobachtet, dass die Fotografie sogar aufblühe und sich öffne, weil sie nicht mehr an das Einzelfoto gebunden ist.

Im Vergleich mit seinen Studenten – bis zum Jahreswechsel war Hornstra Leiter der Fotografieabteilung an der Royal Academy of Arts in Den Haag – sei er selbst ein „Oldschool-Fotograf“, weil er nicht mit Bewegtbildern, Rendering und Virtual Reality arbeite. Doch jenseits dieser modernen, technischen Aspekte ist er mit seinem Vorgehen – sowohl, was die Umsetzung als auch, was die Finanzierung seiner Projekte angeht – ganz weit vorne. Bereits 2008, als noch niemand über Plattformen wie Kickstarter oder Startnext gesprochen hat, hat er sein Buch „101 Billionaires“ mittels Crowdfunding finanziert. Das sei zwar mühsam gewesen, machte ihn jedoch unabhängig von Verlagen und frei von gängigen Marktgepflogenheiten und Vertriebswegen.

Zwischen 2009 und 2014 realisierte er schließlich mit „The Sochi Project“ sein (bisheriges) Opus Magnum. Mit ihm stiegen Hornstra und sein Partner, der Autor Arnold van Bruggen, zu wichtigen Vertretern des „Slow Journalism“ auf: Gegen den Trend zu immer schnelleren und meist oberflächlichen Nachrichten werden hier Geschichten und Hintergründe sehr lange, besonders sorgsam und oft auch investigativ recherchiert und anschließend in ausführlichen und vielschichtigen Reportagen, Essays oder Büchern veröffentlicht. Und so reisten Hornstra und van Bruggen nach der Bekanntgabe der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi als Austragungsort der Olympischen Winterspiele 2014 innerhalb von fünf Jahren elf Mal für jeweils mindestens einen Monat in das Konfliktgebiet im Nordkaukasus – natürlich nach Sotschi, aber unter anderem auch nach Georgien, Abchasien, Nordossetien-Alanien, Tschetschenien, Karatschai-Tscherkessien und Dagestan.

Zur Finanzierung des Projektes und ihrer Reisen bauten sie sich eine komplett eigene Crowdfunding-Infrastruktur in Form einer Website mit angeschlossenem Shop auf. Die Unterstützer, abgestuft nach Bronze-, Silber- und Gold-Mitgliedern, wurden so zu Freunden und Weggefährten, die sich auch ideell mit dem Projekt verbunden fühlten. Sie gaben Geld und erhielten als Gegenleistung (je nach Summe) Zugriff zur Website, die jährlichen Publikationen, Prints und wurden zudem namentlich in allen Ausstellungen und Büchern genannt. 100.000 Euro sind so allein in den ersten vier Jahren zusammengekommen. Das Projekt schlossen die beiden schließlich mit einem umfang-

Nach „The Sochi Project“ arbeitet der Niederländer Rob Hornstra mit „The Europeans“ erneut an einem fotografischen Langzeitprojekt und hat sich im Kunstbereich längst eine Nische jenseits von Galerien und Verlagen aufgebaut. Damian Zimmermann über ein Modell, das Schule machen könnte – und vielleicht auch machen muss.

If you broach the subject of the crisis in photography with Rob Hornstra, you will not get far. “Is there a crisis in photography?” the 46-year-old asks me right at the start of our conversation. I bring forward the argument of the single image’s loss of significance, the attention economy, the ever-greater rivalry among photographers and that it has never been so easy to take a good photo as it is today. Hornstra agrees with me – and launches straight into the counter-argument: “I see this as the preface of a heyday of new photography. And this new photography is something different than a single image.” For this reason, the Dutchman views the situation from the other side, observing that photography is even thriving and opening up because it is no longer bound to the individual photo.

Compared with his students – until the new year, Hornstra was head of the photography department at the Royal Academy of Arts in The Hague –he is a self-described “old-school photographer” because he doesn’t work with moving images, rendering and virtual reality. Yet beyond these modern, technical aspects, he is well ahead with his method – as concerns both the realization and the funding of his projects. Back in 2008, when nobody was talking about platforms such as Kickstarter or Startnext yet, he financed his book “101 Billionaires” by means of crowdfunding. He says that while that was a lot of effort, it did, though, gain him independence from publishers and free him from established market conventions and distribution paths.

Following “The Sochi Project”, Dutchman Rob Hornstra is once again working on a long-term project with “The Europeans” and has long since built himself a niche in the art sector beyond galleries and publishers. Damian Zimmermann on a model that could – and perhaps must – catch on.

Finally, with “The Sochi Project”, he realized his (previous) magnum opus between 2009 and 2014. It raised Hornstra and his partner, the author Arnold van Bruggen, to prominent representatives of “slow journalism”: in that field, countering the trend towards ever-faster and most superficial news, stories and backgrounds are researched at great length, with particular care and often investigatively too, and subsequently published in detailed and complex reportages, essays or books. And so, eleven times within five years, following the announcement of the Black Sea city of Sochi as the venue of the 2014 Winter Olympics and for at least one month on each occasion, Hornstra and van Bruggen travelled to the conflict region of the North Caucasus – to Sochi, of course, but also to Georgia, Abkhazia, the Republic of North Ossetia-Alania, Chechnya, Karachay-Cherkessia and Dagestan, among others.

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reichen Buch ab, das als einziges in einem Verlag, nämlich beim amerikanischen Giganten Aperture, erschienen ist. Das steht nicht im Gegensatz zur Selfpublishing-Philosophie von Hornstra, sondern ist lediglich deren logische Fortführung und sinnvolle Ergänzung. Denn bei aller Leidenschaft für seine Projekte geht es ihm vor allem darum, möglichst viele Menschen zu erreichen – und das können sie mit einem so großen Verlag eben viel besser als im kleinen Eigenverlag.

„Mit einem Film hätten wir mehr Menschen auf uns aufmerksam machen können, aber wir sind nun einmal keine Filmleute, sondern ein Fotograf und ein Autor“, erklärt Hornstra, der mit seiner Familie in einem Arbeiterviertel von Utrecht lebt. Und Fotografie werde nun einmal weiterhin von einem nur sehr kleinen Kreis wahrgenommen. Diesen Kreis wollten van Bruggen und Hornstra jedoch so gut wie es ihnen möglich ist erweitern.

Dabei spricht Hornstra gerne von seiner vierstufigen Rakete. Die ersten drei Stufen seien das Buch, die Ausstellung und die Website, die vierte und entscheidende die Medien, die über sie berichten. Alle Stufen haben unterschiedliche Zielsetzungen und Radien. Mit Ausstellungen erreiche man nur wenige, meist kunst- und fotografieaffine Menschen, nicht jedoch die Leute aus der Arbeiterklasse oder andere, die mit Kunst nichts zu tun haben. Dennoch sei diese Gruppe sehr wichtig, denn sie wolle tief in das Thema einsteigen, so Hornstra: „Sie wollen lesen, sie wollen sehen und sie kommen, weil sie sich dafür interessieren.“ Wenn diese Besucher kommen, bestehe auch die Möglichkeit, dass sie das Buch kaufen. Und das Buch sei eigentlich das, was Hornstra und van Bruggen wirklich am Herzen liege, denn erst das Buch gebe ihnen die Möglichkeit, eine Geschichte ausführlich zu erzählen. Mit solchen Büchern erreiche man jedoch kaum Leute – ein Dilemma.

Deshalb sei eine gute Online-Präsentation ebenfalls sehr wichtig, die mache ein Projekt für jeden örtlich und zeitlich unbegrenzt sichtbar und ist mit ihrem Shop auch der Verkaufsraum. Außerdem hätten sie mit der Website auch die direkte Verbindung zu den Medien, die schließlich der Schlüssel und der Katalysator für alles seien. Die Medien bringen ihnen Menschen und Aufmerksamkeit – über die übliche Zielgruppe hinaus, weshalb es ihnen auch wichtiger sei, dass ein Artikel über ihr Sotschi-Projekt im Sport- statt im Kulturteil einer Tageszeitung erscheint.

Wesentlich sei allerdings, dass die Fotos den Medien gratis zur Verfügung stehen. „Die alte Idee, dass man ein Foto macht und es an ein Magazin verkauft und dafür Geld bekommt, ist überholt. Fokussiert

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Aus „The Europeans“: Juozas in seiner heruntergekommenen Wohnung. Aufgrund seiner Alkoholsucht hat er den Kontakt zu Freunden und Familie verloren und wird mit Lebensmittelpaketen versorgt.

From „The Eurpoeans“: Juozas lives alone in a small run-down apartment. Partly because of his alcohol addiction, he no longer has contact with friends and family. A volunteer from Caritas deliver a food package.

links / left

Dieser Junge hält sein Bein unter Sulfit-Wasser aus dem Matsesta-Bad. Vor ein paar Jahren wurde sein Bein durch einen Unfall verbrannt. Aus dem Buch „Sanatorium“. This boy is holding his leg under sulphite water from the Matsesta spa. A few years ago his leg was burned by an accident. From the book "Sanatorium".

rechts / right

Bücher und Poster, die Rob Hornstra und Arnold Van Bruggen im Rahmen ihres Sotschi-Projektes veröffentlicht haben. Books and posters published by Rob Hornstra and Arnold Van Bruggen as part of their Sochi project.

In order to finance their project and travels, they built themselves their very own crowdfunding infrastructure in the form of a website with associated shop. Supporters, classified according to Bronze, Silver and Gold members, thus became friends and journey companions who felt an ideational connection to the project. They gave money and, in return, received (depending on sum) access to the website, the annual publications, and prints, and were additionally mentioned by name in all exhibitions and books. The pair ultimately completed the project with an extensive book, their only one ever to come out at a publishing house, namely the American heavyweight Aperture. This does not go against Hornstra’s self-publishing philosophy, but is merely its logical continuation and meaningful complement. Therefore, for all his passion for his projects, his main concern is to reach as many people as possible, and they can do that much better with a big publisher like that than in their own small self-publishing company, he says.

“We could have made more people aware of us with a film, but we’re not film-makers, though, we’re a photographer and an author,” explains Hornstra, who lives with his family in a working-class neighbourhood of Utrecht. And photography still only gets noticed by a very small circle, he says. Van Bruggen and Hornstra, however, intend to widen this circle as far as they possibly can.

In the course of this, Hornstra likes to speak of his four-stage rocket. The first three stages, he says, are the book, the exhibition, and the website; the fourth, and crucial, one is the media that report on them. All stages have different objectives and radii. With exhibitions, a handful of people, usually the art and photographysavvy, can be reached; not, though, the working-class demographic or others who have no dealings with art. Nevertheless, this group is very important, Hornstra says, since they want in-depth access to the topic: “They want to read, they want to see and they are there because they are interested”. If these visitors come, there is also the possibility that they will buy the

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Rob Hornstra

euch also nicht auf etwas, das es nicht mehr gibt und das es nicht mehr geben wird“, lautet Hornstras provokante wie ernüchternde These. Deshalb fordert er auch ein radikales Umdenken in der Lehre. „Die Kunsthochschulen und Universitäten sollten nicht mehr unterrichten, wie man ein Foto macht. Das ist unnötiger Blödsinn. Wenn du dir das nicht selbst beibringen kannst, bist du eh zu dumm für ein Kunststudium. Der Beruf des Fotografen dreht sich längst nicht mehr darum, ein Foto aufzunehmen – es ist viel weiter gefasst.“

Für ihn und van Bruggen geht diese Rechnung seit Jahren auf. In Dutzenden Artikeln und Bildstrecken in Magazinen und Zeitungen überall auf der Welt wurde über „The Sochi Project“ berichtet und als Russland ihnen kurz vor den Winterspielen die Einreise verweigerte, hatten sie plötzlich an einem einzigen Tag 100.000 Besucher auf ihrer Website – ein russischer Blogger mit einer enormen Reichweite hatte über die beiden berichtet.

Ihr neues gemeinsames Projekt „The Europeans“ – ein Porträt des modernen, sich dramatisch verändernden Europa – haben sie 2019 begonnen und sie ziehen es wirtschaftlich und inhaltlich genauso unabhängig auf, wie sie es für „The Sochi Project“ taten – und vielleicht sogar noch ein wenig unabhängiger als zuvor, denn mittlerweile hat Hornstra auch die Zusammenarbeit mit Kunstgalerien komplett beendet und sich stattdessen einen eigenen Vertrieb auch für seine Fotos aufgebaut. Neben den üblichen Abzügen bietet er beispielsweise alle drei Monate einen sogenannten Season-Print eines besonderen Motivs an. Der kostet 158 Euro und ist auf maximal 25 Abzüge limitiert. Wurden am Ende der Laufzeit weniger Abzüge verkauft, werden auch keine mehr produziert. Das laufe so gut, dass er längst Sammler habe, die jedes Bild der Reihe quasi abonniert hätten. Außerdem hat der Utrechter eine eigene Artothek aufgebaut, in der man sich privat seine gerahmten Fotos in zwei Größen und für monatlich 9,50 Euro beziehungsweise 14,50 Euro leihen kann. Wer sich dann ein Leben ohne das Werk nicht mehr vorstellen mag, bekommt die Miete auf den Verkaufspreis angerechnet.

Dabei ist Hornstra durchaus selbstkritisch. „Der Season-Print funktioniert sehr gut, aber ich kann dir auch die ganzen Dinge aufzählen, die nicht funktioniert haben. Ich habe eine ganze Reihe von neuen Sachen angefangen, weil ich begeistert bin und überall Möglichkeiten sehe. Das heißt aber nicht, dass jeder Schritt, den ich gemacht habe, erfolgreich war. Ich liebe alles, was ich tue, aber nicht alles ist finanziell erfolgreich.“

links / left

Aus „The Europeans“: Fleischer aus der Samsonas-Fleischfabrik.

From “The Europeans”: Butchers from the Samsonas meat factory.

rechts / right

Aus „The Europeans“: Birut ė unter einem Porträt ihres jüngeren Ichs. Als Mädchen zog sie mit ihrem älteren Bruder in die Stadt. Gemeinsam bauten sie das Holzhaus, in dem sie heute noch lebt.

From “The Europeans”: Birut ė under a portrait of her younger self. She moved to the city with her elder brother as a girl. Together, they built the wooden house she still lives in.

robhornstra.com

theeuropeans.fm

thesochiproject.org

book. And the book is what really matters to Hornstra and van Bruggen, he says, because only the book gives them the opportunity to tell a story in detail. Books like those, though, don’t gain a wide readership – a dilemma.

That is why, in Hornstra’s view, a good online presentation is likewise very important: it makes a project visible to all, with no restrictions on time and place, and is also the sales area with its shop. Moreover, the website gives them their direct connection to the media, which are the key and the catalyst for everything, after all. Media bring them people and attention, says Hornstra – beyond the customary target group, which is why it is also more important to them to get an article about their Sochi project published in a newspaper’s sport section than on the culture pages.

The essential thing, though, is that the photos are available to the media free of charge. “The old idea that you could take a photo and sell it to a magazine and get money for it is outdated. So don’t focus on something that’s not there anymore and has gone for good,” is Hornstra’s at once provoking and sobering assertion. That is why he also calls for a radical rethink in teaching. “Art academies and universities should not teach students how to shoot a photograph. That’s utterly bullshit. If you can’t learn it yourself then you are too stupid to study at a university for the arts anyway. The profession of a photographer is not about shooting an image – it is much broader.”

This approach has been paying off for him and van Bruggen for years. “The Sochi Project” has been reported on in dozens of articles and photo spreads in magazines and newspapers across the world, and when Russia refused them entry shortly before the Winter Olympics, they suddenly had 100,000 visitors on their website in a single day – a Russian blogger with enormous reach had reported on the two of them.

They began their new joint project “The Europeans” – a portrait of modern, but dramatically changing Europe – in 2019 and, economically and

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Und oft sei das Risiko nur bedingt einschätzbar. Als Beispiel deutet er hinter sich. Kürzlich habe er erfahren, dass das Haus nebenan abgerissen werden soll und deshalb vorübergehend frei werde. In diesem Haus hat aber lange Zeit sein alkohol- und drogenabhängiger Nachbar Kid gelebt, der mit 42 Jahren gestorben ist und dem Hornstra 2017 mit dem Buch „Man Next Door“ ein fotografisches Denkmal gesetzt hat. Sofort sei ihm die Idee gekommen, das Haus zu mieten, um darin im Juni eine Ausstellung von „Man Next Door“ mit verschiedenen Veranstaltungen zu organisieren –eine Art letzter Tribut an Kids Wohnort.

„Ich habe das Gefühl, dass Fotografen und Künstler all diese Möglichkeiten ignorieren. Sicher, ich muss jetzt Geld für die Miete des Hauses und für die Ausstellung investieren. Viele Fotografen werden sich denken: ‚Wie werde ich all dieses Geld wieder einspielen?‘ Aber ich bin mir sicher: Wenn die Besucher von der Ausstellung begeistert sind, werden sie Abzüge und das Buch oder andere Publikationen kaufen. Vielleicht kann ich sogar ein Bed & Breakfast nach dem Motto ‚Schlafen in Kids Zuhause‘ einrichten und ein Abendessen veranstalten. All diese Gelegenheiten geben mir Energie."

Doch warum sticht der Niederländer mit all dem, was er tut, so aus der riesigen Masse der Fotografen und Künstler hervor? Hornstra zuckt mit den Schultern. „Ganz ehrlich: Ich verstehe es nicht. Es gibt so viele Möglichkeiten ständig und überall um uns herum.“ Doch wenn es darum gehe, die eigene Arbeit zu präsentieren, seien Kreative oft nicht kreativ genug und trauten sich nicht, die alten, festgetretenen Pfade zu verlassen. Zudem finde er es enttäuschend und frustrierend, dass Fotografen allgemein so schnell arbeiten. „Ich wünsche mir, dass mehr Fotografen große Projekte angehen, mit Abstand auf Dinge schauen und wirklich lange an ihnen arbeiten. Manche machen das natürlich, aber es scheint so, dass heute jeder, der etwas macht, bereits einen Monat später mit einem Buch oder sonst etwas Weltruhm erlangen will.“

substantially, they are starting it up every bit as independently as they did for “The Sochi Project”– and perhaps even a bit more independently than before, since Hornstra has now also completely terminated his partnership with art galleries and instead built up his own distribution channel for his photos too. For example, besides the customary prints, he offers a socalled season print of a particular motif every three months. This print costs 158 Euro and is limited to 25 prints maximum. If fewer prints have been sold on expiry of the three-month period, no further ones are produced. Hornstra says this is so successful that he’s long had collectors effectively subscribing to every image in the series. What is more, the Utrecht-based photographer has built up his own picture-lending library, in which his framed photos can be privately rented in two sizes for 9.50, respectively 14.50 Euro per month. Those who then find they cannot imagine life without these photos can get the rent offset against the selling price.

At the same time, Hornstra is not without self-criticism. “The season print does work. But I can tell the things that don’t work. I have started a whole range of new things because I am excited and see opportunities everywhere. But that does not mean that every step I did was successful. Well, I love all of these things but they are not all financially successful”.

And often, he says, it’s not easy to assess the risk. As an example, he points behind him. Recently, he heard that the house next door was due for demolition, and was therefore going to be temporarily unoccupied. For a long time, though, this house was home to his alcohol and drug-dependent neighbour Kid, who died aged 42 and to whom Hornstra set up a photographic monument with the book “Man Next Door” in 2017. He immediately had the idea, he says, to rent the house so that he could organize an exhibition of “Man Next Door” in it with various events in June – a kind of final tribute to Kid’s place of residence.

“I have the feeling that photographers and artists are ignoring all these opportunities. Sure, I have to invest money for renting the house and doing the exhibition and many will think, ‘How will I earn this money back?’ But I am sure that when people are excited about this exhibition they will buy prints and the book or other publications. Maybe I can make a bed and breakfast ‘Sleeping in the Home of Kid’ and have a dinner. These opportunities make me energetic.”

But what makes the Dutchman, with everything that he does, stand out from the enormous crowd of photographers and artists? Hornstra shrugs.

“Honestly: I don’t get it. There are so many opportunities all over the world and all around us.” But, he says, when it comes to presenting their own work, creatives often aren’t creative enough and aren’t brave enough to leave the old, well-trodden paths. In addition, he’s disappointed and frustrated that photographers in general work so fast. “I wish there were more photographers shooting big projects, zooming out on things and then really working on it for a long time like a few of course do, but it seems that everybody wants to do something and one month later they want to be world-famous by publishing a book or something like that.”

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Rob Hornstra

Fast alle Fotos werden mit Smartphones gemacht. Die Zahl der Kamerakäufe sinkt stetig. Selbst die legendäre Photokina gibt nach 70 Jahren auf. Liegt die Branche am Boden?

Ein Überblick von An overview by Anja

Camera in Conflict

Almost all photos are being taken using smartphones. The number of camera purchases is falling continuously. Even the legendary Photokina has given up after 70 years. Has the industry been floored?

Wollte

früher jemand als engagierter Fotograf gelten, sagte er: „Ich habe immer meine Kamera dabei – egal, wo ich hingehe.“ Und das klang nach Passion und Schlepperei. Heute haben wir alle immer und überall unsere Kameras dabei, einfach weil wir unser Handy mit uns tragen – in der Hosen- oder Jackentasche, um den Hals baumelnd, aber meist sogar schon in der Hand. Nur noch hinhalten und drauftippen. Fertig ist das Foto. Den Rest erledigen Apps. Dass die Einführung des ersten iPhone 2007 nicht nur unsere Kommunikation komplett verändern, sondern auch die Kamerabranche, diese riesige Industrie, in die Knie zwingen würde, konnten nur besonders Weitsichtige ahnen. Doch das schwer Vorstellbare ist passiert: 2017 wurden in Deutschland nur noch ein Viertel so viele Digitalkameras verkauft wie zehn Jahre zuvor, als das Smartphone seinen Siegeszug antrat. Denn die Handykameras wurden stets besser und stehen heute für viele Nutzer in direkter Konkurrenz zur originären Kamera. Sie holen den „Fotoapparat“ nicht mehr aus der Schublade und würden erst recht nicht mehr darüber nachdenken, in einen neuen zu investieren. Bereits 2017 wurden 85 Prozent aller Fotos weltweit mit dem Smartphone gemacht, weitere fünf Prozent mit dem Tablet. Erste Unternehmen ziehen Konsequenzen: Ende letzten Jahres verkaufte Olympus seine Kamerasparte, Nikon verkündete gerade, keine Kameras mehr in Japan zu produzieren.

„Das Smartphone hat die Branche auf den Kopf gestellt“, sagt Christian Müller-Rieker, der Geschäftsführer des Photoindustrie-Verbands (PIV). Mit Kameras zu fotografieren „wird immer mehr Special Interest“. Laut den neuesten Marktzahlen, die der PIV zusammen mit der Gesellschaft für Konsumforschung (GdK) herausgegeben hat, wurden letztes Jahr in Deutschland zwar 22,5 Millionen Smartphones, aber nur noch 1,57 Millionen digitale Kameras verkauft. Vier Jahre zuvor waren es noch 2,89 Millionen. Doch was genau hat sich im Markt verändert? Klar ist die Sache bei den Kompaktkameras, denn sie wurden schon immer vor allem wegen ihrer Handlichkeit gekauft. Und fürs schnelle Bild. Gegen eine Kamerafunktion im Handy, das ohnehin jeder dabei hat, sind sie absolut chancenlos. Man könnte noch so viele schlaue Köpfe an neue Entwicklungen setzen, es wäre vergeblich. 750.000 Stück wurden 2020 in Deutschland noch verkauft. 2016 waren es mehr als doppelt so viele. Ansonsten leiden besonders die digitalen Spiegelreflexkameras (DSLR), deren Absatz allein von 2019 auf 2020 um 40 Prozent

Inthe old days, if you wanted to be regarded as a committed photographer, you said, “I’ve always got my camera with me – no matter where I go.” And that sounded like passion and schlepping. These days, we all have our cameras on us any place, any time, simply because we carry our cellphones with us – in trouser or jacket pocket, dangling around our necks, or mostly even right in our hand. Just hold up and tap. There’s your photo. The rest is done by apps.

Only the particularly far-sighted could have had any idea that the introduction of the first iPhone in 2007 would not only completely change the way we communicate, but also force the camera sector, that vast industry, to its knees. Yet the almost inconceivable happened: in 2017, only one quarter as many digital cameras were sold in Germany as ten years before, when the smartphone set off on its triumphal march. For the cellphone cameras got better and better and, today, they directly rival the genuine camera for many users. They leave the “film camera” in the drawer, and investing in a new one would be the last thing on their minds. Already, in 2017, 85 percent of all photos globally were taken using the smartphone, a further five percent using the tablet. Companies are starting to take appropriate steps: Olympus sold its camera division late last year, while Nikon just announced that it will no longer produce cameras in Japan.

“The smartphone has wreaked havoc on the industry,” says Christian Müller-Rieker, the managing director of the Photoindustre-Verband (PIV). Taking photographs with cameras “is getting more and more special interest.” According to the latest market figures, which the PIV has published in conjunction with Growth from Knowledge (GfK), whereas 22.5 million smartphones were sold, only 1.57 million digital cameras were purchased in Germany last year. That figure stood at 2.89 million four years previously.

But what exactly has changed in the market? The matter is clear for the compact cameras, because they were always mainly bought because of their handiness. And for the quick picture. Against a camera function in the smartphone, which everyone has on them anyway, they are totally out of chances. Many brilliant minds could be put to work on new developments, but it would be in vain. 750,000 pieces were sold in Germany in 2020. The quantity was double that in 2016. Other than that, digital single-lens reflex

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Gesamtmarkt Digitalkameras

inkl. Action-Cams Camcorder

Menge in Mio

2,66

&

2,29

.

2,11

1,57

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Grafiken/Graphics: © GfK/PIV Fotound Imaging-Markt Deutschland 2020
2016 2017 2018 2019 2020

zurückging. Doch „in Stückzahlen sieht es schlimmer aus als in den Umsatzzahlen“, so Müller-Rieker. Der Umsatz minimierte sich nämlich nur um 30 Prozent, weil DSLRKameras teurer wurden bzw. teurere Modell gekauft werden. Weniger desaströs sieht es ohnehin bei den spiegellosen Systemkameras aus. Sie büßten nur 5,6 Prozent ihres Umsatzes ein, weil sie den neuen Bedürfnissen mehr entgegenkommen, Wert auf Video legen, leichter sind. Auch wenn der Markt generell schrumpft, ist das Phänomen paradox, denn gleichzeitig wächst das Interesse am Bild. Und immer häufiger ersetzt oder begleitet das Foto das geschriebene Wort in der Kommunikation. Grund dafür ist der Fokus auf Social Media. Dadurch hat sich die Funktion verändert. Oft geht es ums schnelle Bild, das auch sofort hochgeladen wird. Oft handelt es sich um Selfies. Und oft sind sie Minuten später schon wieder vergessen. „Man muss zeigen, dass es noch eine andere Art von Fotografie gibt, die über das hinausgeht, was ein Handy leisten kann“, sagt Müller-Rieker, weil das eine Strategie für die Fotoindustrie sein könnte. Doch was ist der qualitative Unterschied? Die neuen Handys machen ja Bilder, die besser nicht aussehen könnten. Und das, ohne dass fotografisches Grundwissen über Blende, Tiefenschärfe oder Kontraste nötig wäre. Weil ein Smartphone nie die optische Leistung eines hochwertigen Objektivs erreichen kann und bautechnisch eingeschränkt ist, setzt es mehr auf digitale Leistung und künstliche Intelligenz. Das Ergebnis: ein perfektes Bild. Doch vielleicht ist es nicht das, was Generationen von Fotografen suchten. Wirkt das Ergebnis nicht allzu austauschbar? Das kann nur der Konsument entscheiden. Sicher ist, dass die Industrie die Menschen abholen muss. Und das versucht sie auch. Beispiel Leica: Der Kamerahersteller bietet im Headquarter in Wetzlar Fotoworkshops an, in denen Interessierte die Grundlagen der Fotografie anhand ihres Handys lernen können. „Smartphones erlauben es jedem, ein Fotograf zu sein, kreative Aufnahmen zu gestalten und diese schnell und unkompliziert mit der Community zu teilen“, lobt Falk Friedrich, der Geschäftsführer von Leica Deutschland. Und er hat auch eine Hoffnung: „Sie sind der Einstieg in die Welt der Fotografie und legen den Grundstein für die fotografische Leidenschaft.“

Heißt: Irgendwann wollen sie dann doch eine Leica. Und das ist zumindest denkbar und keine üble Strategie.

cameras (DSLR) are suffering particularly; their sales alone fell by 40 percent from 2019 to 2020. But “it looks worse in piece numbers than it does in sales figures,” according to MüllerRieker. Namely, sales decreased by only 30 percent, because DSLR cameras have become more expensive or more specifically, dearer models are being purchased. Things are looking less disastrous for mirrorless system cameras, in any case. They lost only 5.6. percent of their sales, because they more readily accommodate the new requirements, place value on video, and are lighter.

Even though the market is generally shrinking, the phenomenon is paradoxical, since interest in the image is growing at the same time. And the photo is replacing or accompanying the written word in communication ever more frequently. The reason for this is the focus on social media.

The function has changed as a result. Often it is the fast image, instantly uploaded. Often it is selfies. And often, they are forgotten again, minutes later. “We need to show that there’s another kind of photography, which goes beyond what a smartphone can do,” says Müller-Rieker, because that could be a strategy for the photo industry. But what is the qualitative difference? After all, the new cellphones take pictures whose appearance could not be better. And they look good without any basic photographic knowledge about aperture, depth of focus or contrasts. Because a smartphone can never achieve the optical performance of a high-quality lens and is structurally limited, it relies more on digital performance and artificial intelligence. The result: a perfect image. Yet perhaps that is not what generations of photographers were looking for. Does not the outcome seem excessively interchangeable? Only the consumer can decide that.

The certainty is that the industry needs to pick up on what people want. And that is what it is trying to do. Leica, for example: the camera maker offers photography workshops its headquarters in Wetzlar, in which prospective photographers can learn the basics with the aid of their cellphones. “Smartphones enable everybody to be a photographer, to design creative shots and share these with the community fast and with no fuss,” extols Falk Friedrich, managing director of Leica Deutschland. And he also has a hope: “They are an entry point to the world of photography and lay the foundation of a photographic passion.” Which means to say: One day, they will buy a Leica. And that is at least conceivable and not a bad strategy. Others, too, have noticed that they will only get further if they play along and serve the market: nobody is resting

2016 2017 2018 2019 2020 55 Camera in Conflict
Gesamtmarkt Digitale Kompaktkameras exkl. Action-Cams Menge in Mio. 1,63 1,45 1,18 1,05 0,75

Auch andere haben gemerkt, dass sie nur weiterkommen, wenn sie mitspielen und den Markt bedienen: Keiner ruht sich mehr auf Spiegelreflex aus, alle setzen auf Systemkameras. Gerade hat Canon mit der EOS M50 Mark II wieder ein neues Modell einer Vlogger-Kamera auf den Markt gebracht, die alles rund um Videos und Onlinestellen leichter macht. Und könnte die Pandemie nicht auch eine Chance sein? Wie steht es mit den vielen Onlinemeetings? So hat Panasonic eine Software für Lumix S-, GH- und G-Serien-Modelle entwickelt, die dann als besonders hochwertige Webcams eingesetzt werden können. Wenn man sich fast nur noch online trifft und auch online verhandelt und sich online bewirbt, will man da nicht im besten Licht erscheinen?

Ansonsten hat die Pandemie die Branche allerdings ordentlich gebeutelt. Fotofachhändler mussten ihre Ladengeschäfte lange schließen. Viele Kunden wollten in der unsicheren Zeit nicht in eine neue Kamera investieren. Urlaubsreisen und Events fielen aus, so dass auch die konkreten Gründe für ein neues Modell wegfielen. Natürlich konnte die Photokina im Herbst 2020 nicht stattfinden, doch dann wurde sie nicht nur verschoben, sondern ganz ausgesetzt. 70 Jahre lang war sie unangefochten, jetzt sollte sie nie mehr Aussteller und Besucher empfangen. Die Messeleitung begründet in ihrer Pressemitteilung das Aus mit den zweistelligen Rückgängen schon vor der Pandemie und zuletzt einem Minus um die 50 Prozent. „Jede Messe ist vor allem ein Spiegelbild der Märkte“, sagt auch Christoph Werner, Mitglied der Geschäftsführung der Koelnmesse und zuletzt auch Geschäftsbereichsleiter für die Photokina. „Die neue Fotografie konzentriert sich auf wenige Player im Mobilsegment.“ Damit sei die Schwungmasse für eine Weltleitmesse nicht mehr vorhanden gewesen, so Werner. Denn selbst wenn man diese Unternehmen hätte gewinnen können: „Die Vielfalt, die früher Hunderte Anbieter aus dem klassischen Markt bieten konnten, das Erlebnis Messe, die Show und den Glanz, den wir alle viele Jahre hindurch kannten, hätten wir mit einigen wenigen Anbietern aus dem Mobilsegment kaum liefern können“, findet Werner. Doch das Ende der Photokina muss nicht bedeuten, dass die Fotowirtschaft keinen Raum mehr in Messehallen findet. Schon gehen Nachfolger an den Start, die weiterhin an die wirtschaftliche Kraft des Bildes glauben und sich bereits in den letzten Jahren formierten, denn die Photokina schwächelte schon länger und versuchte sich in Veränderungen, die dann nicht fruchteten. So wird die Messe Hamburg in diesem Jahr die Photo-

on their laurels with single-lens reflex these days, everyone is banking on system cameras. With the EO5 M50 Mark II, Canon has just brought onto the market another new model of vlogger camera that makes everything about videos and putting online easier. And could the pandemic not also be an opportunity? What’s the situation with the many online meetings? For example, Panasonic has developed software for Lumix S- , GH- and G-series models that allows them to be used as particularly high-quality webcams. When we are only ever meeting online now and also negotiating online and promoting ourselves online, do we not want to appear in our best light for the occasion?

Apart from that, though, the pandemic has given the industry a proper battering. Specialist photography dealers have had to close their stores for a long while. Many customers have been reluctant to invest in a new camera in these uncertain times. Vacations and events have been cancelled, with the result that the specific grounds for a new model fell away. Naturally, Photokina was unable to take place in autumn 2020, but after that it was not only postponed, but abandoned entirely. It went unchallenged for 70 years, and now it was to welcome exhibitors and visitors no more. In its press release, the trade show management justified the demise with double-digit declines even before the pandemic, and most recently a loss of some 50 percent. “Every trade show is mainly a mirror image of the markets,” comments also Christoph Werner, management board member of Koelnmesse and most recently managing director for Photokina. “The new photography is concentrated on a handful of players in the mobile segment.” Therefore, Werner says, the momentum no longer existed for a flagship global trade show. For, even if it had been possible to win these companies: “The diversity that used to be contributed by hundreds of providers from the traditional market, the trade fair experience, the show and the glamour we all knew for years, would hardly have been deliverable with a small handful of providers from the mobile segment,” Werner opines.

Yet the end of Photokina does not have to mean there is no more room for the photo business in trade show halls. There are already successors on the starting blocks, which continue to believe in the economic power of the image and already took shape in recent years, for Photokina had been faltering for some time and trying out changes that subsequently bore no fruit.

Gesamtmarkt Smartphones Menge in Mio. 2016 2017 2018 2019 2020 23,2 23,0 23,0 22,1 22,5 56
Grafiken/Graphics: © GfK/PIV Fotound Imaging-Markt Deutschland 2020

pia launchen. Trotz des ähnlichen Namens will man es natürlich anders machen als die Photokina, keine Frage, denn warum sollte sich irgendwer an einer Messe orientieren, die aufgeben musste? „Messeformate müssen sich den neuen Märkten anpassen“, sagt Bernd Aufderheide, Geschäftsführer der Hamburg Messe und Congress. Es soll mehr Festivalcharakter, mehr Leichtigkeit, mehr Workshops, mehr Öffnung nach draußen geben, hinein in die Stadt. Dafür wurde sogar eine Kooperation mit dem parallel stattfindenden Reeperbahnfestival eingegangen. Man möchte sich als „Plattform fürs Imaging, in seiner größten Breite“ verstanden wissen und selbstredend alle beteiligen, auch die Handybranche. Doch ist das ein guter Moment? „In der Krise muss man ja auch die Chance sehen. Es wird immer die Notwendigkeit geben, seine Produkte an die Zielgruppen zu bringen, und das eben auch im direkten Austausch mit den Zielgruppen“, so Aufderheide.

In Berlin geht man einen anderen Weg: Das schon existierende Fotofestival Berlin Photo Week kooperiert seit diesem Jahr mit der Messegesellschaft und der Internationalen Funkausstellung IFA. Sie wird direkt vor der großen Consumermesse stattfinden, wenn auch nicht auf dem Messegelände, sondern in einer Eventlocation am Rande von Kreuzberg, direkt an der Spree. Dafür fanden sie Partner wie Leica und Panasonic. Der PR-Chef von Panasonic Deutschland, Michael Langbehn, sagt zur Strategie: „Erlebnismessen und Fotofestivals ermöglichen den für uns so wichtigen direkten Kontakt zu den Fotointeressierten und sind deshalb ein wichtiger Bestandteil unserer Kommunikationsaktivitäten.“

Hinter der Krise der Fotoindustrie steht ja die große Frage: Wird die Kamera aussterben, wie vor ihr andere technische Geräte, über die die Zeit hinweggegangen ist? Etwa die Kassette? Die Minidisc? Noch scheint ein Mehrwert gegenüber dem Smartphone gegeben und die Hersteller kümmern sich inzwischen aktiv darum, Youtuber, Vlogger und Co. mit Entwicklungen zu begeistern. Außerdem flacht die Negativkurve seit wenigen Monaten ab. Doch ob das eine Trendwende vorzeichnet oder 2021 ganz einfach kaum schlechter werden kann als das Pandemiejahr 2020, bleibt abzuwarten. Offen geht die Branche mit ihrem langjährigen Misserfolg allerdings nicht um. Nur sehr wenige Hersteller waren bereit, unsere Fragen zur Krise der Fotoindustrie zu beantworten.

For example, Messe Hamburg is going to launch Photopia this year. Despite the similar name, the intention is of course, without question, to do things differently than Photokina, since why should anyone base themselves on a trade show that had to give up? “Trade show formats must adapt to the new markets,” says Bernd Aufderheide, managing director of Hamburg Messe und Congress. He wants to see more festival character, more levity, more workshops, more opening outwards, into the city. A partnership with the Reeperbahnfestival, which takes place in parallel, has even been entered into to that end. The trade show would like to see itself understood as a “platform for imaging, in its broadest spectrum” and, self-evidently, get everyone involved, including the cellphone industry. But is this a good moment? “You also need to see the opportunity during a crisis. There will always be a need to bring one’s products to the target groups, and to do that precisely in direct dialogue with the target groups,” Aufderheide states.

They are going down a different route in Berlin: from this year, the already existing photography festival Berlin Photo Week is co-operating with the trade show company and the IFA. It will take place directly before the latter big consumer trade show, albeit not on the trade show complex but at an event location on the outskirts of Kreuzberg, right by the Spree. They have found partners such as Leica and Panasonic for it. The PR boss of Panasonic Deutschland, Michael Langbehn, says on the strategy: “Photo festivals and themed trade shows mediate the direct contact to photo enthusiasts that’s so important to us, and are therefore a crucial component of our communication activities.”

The photo industry crisis brings up the big question, after all: is the camera going to go extinct, as other technology devices did before it in time’s passage? The cassette, for instance? The minidisc? An added value compared with the smartphone still seems to be present and manufacturers are now getting busy with enthusing YouTubers, vloggers and the like with developments. Moreover, the negative curve has been flattening for a few months. But whether that means a turnaround is shaping up, or 2021 simply cannot get much worse than pandemic year 2020, remains to be seen. Mind you, the industry is not dealing openly with its longstanding non-success. Only a very few manufacturers were willing to answer our questions on the crisis in the photo industry.

Gesamtmarkt SofortbildKameras Menge in Tsd. 2016 2017 2018 2019 2020 235 410 460 500 425 57
Camera in Conflict

Improduktiven Krisenmodus

Fotobücher eignen sich oft besser als Bildstrecken in Magazinen oder online, um die Komplexität von Krisen deutlich zu machen. Sophia Greiff hat sich einige Publikationen der vergangenen Jahre näher angeschaut.

„We cannot understand nor you explain“, heißt es in einem Gedicht von Lady Margaret Sackville, mit welchem das Buch „Hyenas of the Battlefield“ von Lisa Barnard eingeleitet wird. Das Gedicht beschreibt die Unvereinbarkeit der Erfahrungswelten von Kriegsrückkehrern des Ersten Weltkriegs und ihren daheimgebliebenen Frauen, lässt sich jedoch auch auf das grundsätzliche Dilemma der Vermittlung von Krisen, Konflikten und Ausnahmezuständen übertragen: Wie lässt sich von etwas erzählen, das unsagbar ist? Wie das Unsichtbare darstellen? Wie verstehen, was die eigene Vorstellungskraft übersteigt?

Die Fotografie galt lange als geeignetes Medium, um sich dieser Transferleistung zumindest anzunähern – um Gewalt und Leid zu dokumentieren, Missstände aufzudecken und unter Umständen auch als politisches Mittel und als Katalysator gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Neben den großen Zeitungen, Magazinen und Illustrierten, in denen unter anderem die sozialdokumentarischen Reportagen zur Zeit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre erschienen, etablierte sich das Fotobuch als eigenständige Präsentationsform, die eine umfangreichere, subjektivere und häufig explizitere Auseinandersetzung mit Krisen- und Konfliktsituationen ermöglichte. Insbesondere der Vietnam-Krieg brachte zahlreiche Publikationen hervor, die mitunter schockierende, unzensierte Fotografien zeigten und die Kombination von Bild und Text gezielt im Sinne der jeweiligen Argumentation einsetzten.

Das erwähnte Buch „Hyenas of the Battlefield. Machines in the Garden“ (GOST

“We cannot understand nor you explain” runs a line in a poem by Lady Margaret Sackville, with which the book “Hyenas of the Battlefield” by Lisa Barnard is introduced. The poem describes the irreconcilability of the empirical worlds of World War One returnees and of their wives who stayed at home, but it can also be transposed to the general dilemma of conveying crises, conflicts and states of emergency: how to tell the story of something unsayable? How to depict something invisible? How to understand something that exceeds our own imaginative power?

Photography was long held to be a suitable medium for at least approximating this feat of transfer – for documenting violence and suffering, laying bare grievances and even, in some circumstances, bringing about societal changes as a political means and catalyst. Alongside the major newspapers, magazines and illustrated periodicals that published documentary reportages on the 1930s global economic crisis, among other subjects, the photobook established itself as an autonomous form of presentation that enabled a more comprehensive, more subjective and, frequently, more explicit examination of situations of crisis and conflict. The Vietnam War, in particular, spawned numerous publications, some of which featured shocking, uncensored photographs and deployed the combination of image and text purposefully in the spirit of the argument at hand.

In contrast, the aforementioned book “Hyenas of the Battlefield. Machines in the Garden” (GOST Books, London, 2014, 192 pages, approx. 42 Euro) by Lisa Barnard pursues a different strategy, which may be simultaneously described as symptomatic for current photobook production. It embodies a search for forms of narrative and representation that go

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InProductive Crisis Mode

Photobooks are often more suitable for making the complexity of crises clear than picture-spreads in magazines or online.

Sophia Greiff has taken a closer look at some publications of past years.

Books, London, 2014, 192 Seiten, ca. 42 Euro) von Lisa Barnard verfolgt dagegen eine andere Strategie, welche sich zugleich als symptomatisch für die aktuelle Fotobuchproduktion bezeichnen ließe. Es steht für eine Suche nach Erzähl- und Darstellungsformen, die über die fotojournalistische Zeugenschaft – und bisweilen auch über das Medium Fotografie – hinausgehen und dabei die narrativen und künstlerischen Möglichkeiten des Fotobuchs ausschöpfen, um die Erfahrungen unserer Zeit zu vermitteln. Barnard setzt sich mit einem Krieg auseinander, der abstrakt geworden ist und sich zunehmend durch räumliche, visuelle und emotionale Distanz auszeichnet. Ein Krieg, in dem Virtual-Reality-Spiele sowohl in der Soldatenausbildung als auch zur Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen zum Einsatz kommen; in dem Drohnen-Piloten die Raketen über Pakistan von einer Militärbasis bei Las Vegas abfeuern und anschließend in ihren amerikanischen Familienalltag zurückkehren; ein Krieg, dessen blutige Konsequenzen weder in den Massenmedien noch auf den militärischen Verkaufsveranstaltungen sichtbar werden. Die Autorin nähert sich der Thematik aus verschiedenen Perspektiven und versammelt in ihrem Buch Landschafts- und Architekturaufnahmen, Screenshots, VideoStandbilder und Collagen, um die Entfremdung und Künstlichkeit dieser verborgenen Kriegsmaschinerie zu veranschaulichen.

Der spanische Fotograf Carlos Spottorno reizt das Gestaltungspotenzial des Fotobuchs noch weiter aus, wenn er sich den wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Krisen der Gegenwart widmet. Während sich „The Pigs“ (Editorial RM, Ciudad de Mexico, 2013, 112 Seiten, 10 Euro) auf die Schuldenkrise in

beyond journalistic testimony and, occasionally, even beyond the medium of photography – and, in doing so, exhaust the photobook’s narrative and artistic possibilities in order to convey the experiences of our time. Barnard examines warfare that has become abstract and is increasingly characterized by spatial, visual and emotional distance. Warfare in which virtual reality games are used both in soldier training and for the treatment of post-traumatic stress disorder; in which drone pilots fire off rockets over Pakistan from a military base near Las Vegas and then go home to their everyday American family life; warfare whose bloody consequences go unseen either in the mass media or at military sales events. The author approaches the subject matter from a variety of perspectives, collating in her book landscape and architecture shots, screenshots, video stills and collages, in order to illustrate the cold indifference and artificiality of this clandestine war machinery.

Spanish photographer Carlos Spottorno pushes the photobook’s design potential even further when he turns to the economic and socio-political crises of the present day. While “The Pigs” (Editorial RM, Ciudad de Mexico, 2013, 112 pages, 10  Euro) concentrated on the debt crisis in Southern Europe and appeared in the layout of business magazine “The Economist”, the style of “Wealth Management” (RM Verlag, Barcelona & Phree, Madrid, 2015, 64 pages, 21 Euro) recalls a private bank’s promotional brochure and casts a satirical eye on tax havens and the life of the super-rich. Its outward form, familiar from other contexts

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Fotobücher / Photobooks

Südeuropa konzentrierte und im Layout des Wirtschaftsmagazins „The Economist“ erschien, erinnert „Wealth Management“ (RM Verlag, Barcelona & Phree, Madrid, 2015, 64 Seiten, 21 Euro) in seiner Machart an die Werbebroschüre einer Privatbank und richtet einen satirischen Blick auf Steuerparadiese und das Leben der Superreichen. Die aus anderen Zusammenhängen vertraute und mit bestimmten Bedeutungen, (Bild-)Sprachen und Stereotypen assoziierte Erscheinungsform wird so gezielt eingesetzt, um die inhaltliche Aussage zu untermauern oder zu überspitzen. Auch in seiner jüngsten, in Zusammenarbeit mit dem Autor Guillermo Abril entstandenen Publikation macht sich Spottorno eine mediale Verschiebung zunutze: „Der Riss“ (avantverlag, Berlin, 2017, 178 Seiten, 32 Euro) basiert auf einer mehrjährigen fotojournalistischen Reportage über die europäische Flüchtlingskrise, wurde jedoch in das Format einer Graphic Novel übersetzt. Die Fotografien wurden abstrahiert und die verschiedenen Reisen und Begegnungen zu einer kohärenten Erzählung verwoben. Als Protagonisten führen die beiden Autoren durch die Geschichte und streben so einen persönlichen, kurzweiligen Zugang zu einem komplexen Sachverhalt an. Zeitkritische Themen sichtbar zu machen und in den öffentlichen Diskurs zu bringen, ist ein Anliegen, das auch Mandy Barker mit ihren Büchern „Altered Ocean“ (Overlapse, London, 2019, 144 Seiten, 30 Pfund) und „Beyond Drifting“ (Overlapse, London, 2017, 104 Seiten, 40 Euro) verfolgt. Um auf die Verschmutzung der Weltmeere aufmerksam zu machen, verbindet sie in ihren Serien wissenschaftliche Informationen mit ästhetischen Inszenierungen. Ihre Fotografien von weltweit im Meer – oder in verendeten Tieren – gefundenem Plastikmüll setzt sie digital zu kunstvollen Arrangements zusammen, die im tiefschwarzen Ozean zu treiben scheinen. Sie erfindet eigene Plankton-Kreationen aus Mikroplastik, ergänzt diese durch Skizzenbücher, historische und aktuelle Forschungen der Meeresbiologie – und macht in dieser Anhäufung und Verdichtung die Dramatik einer Entwicklung (be-)greifbar, die bereits unter der Oberfläche brodelt.

and associated with certain meanings, (pictorial) languages and stereotypes, is deployed specifically in order to underpin or hyperbolize the contents’ statement. In his latest publication too, created in partnership with the author Guillermo Abril, Spottorno takes advantage of a media shift: “Der Riss” (avant-verlag, Berlin, 2017, 178 pages, 32 Euro) is based on a multiyear photo journalistic reportage on the European refugee crisis, but was translated into graphic novel format. The photographs were abstracted and the various journeys and encounters interwoven to form a coherent narrative. Taking the role of protagonists, the two authors guide readers through the story and thus strive for a personal, entertaining approach to a complex set of circumstances.

The visualization of themes critical of our time and their introduction into public discourse is a concern also pursued by Mandy Barker with her books “Altered Ocean” (Overlapse, London, 2019, 144 pages, 30 pounds) and “Beyond Drifting” (Overlapse, London, 2017, 104 pages, 40 Euro). In her series, in order to draw attention to the pollution of the world’s seas, she combines scientific information with aesthetic stagings. She digitally composes her photographs of plastic waste found globally in the sea – or in perished animals – to form elaborate arrangements that appear to drift in the deep-black ocean. She invents her own plankton creations out of microplastic, complementing these with sketchbooks and historical and present-day ocean biology research – and, in this accumulation and consolidation, she makes the drama of a development already seething beneath the surface graspable in more than one sense.

Another invisible menace, currently also demanding comprehension, intervention and, accordingly, appropriate visualization, is the Covid-19 pandemic. Besides reportage on looking after intensive-care patients, portraits of exhausted health workers, typological searches for traces in cityscapes or documentary approaches to a new normality in the private milieu, it is the infographics and illustrations of the coronavirus, in particular, that are characterizing the current media discourse and the universal pictorial language. For her book “Drop Dead Gorgeous” (Eighteen Publications, Watertown MA, 2020, 100 pages, 35 US

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Eine unsichtbare Bedrohung, die gegenwärtig nach Verständnis, Vermittlung und entsprechend nach einer angemessenen Visualisierung verlangt, stellt auch die Covid-19-Pandemie dar. Neben Reportagen über die Betreuung von Intensivpatienten, Porträts von erschöpftem Pflegepersonal, typologischen Spurensuchen im Stadtbild oder dokumentarischen Annäherungen an eine neue Normalität im privaten Umfeld, sind es insbesondere die Infografiken und Illustrationen des Coronavirus, die den aktuellen medialen Diskurs und die universelle Bildsprache prägen. Chantal Zakari hat für ihr, im Februar 2021 in einer zweiten Auflage erschienenes Buch „Drop Dead Gorgeous“ (Eighteen Publications, Watertown MA, 2020, 100 Seiten, 35 US-Dollar) zahlreiche dieser Veranschaulichungen zusammengetragen und sequenziert sie zu einer eindringlichen und zunehmend bedrohlichen Erzählung über die Invasion und die Bekämpfung des Virus. Die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierenden – dabei jedoch äußerst farbintensiven, dramatischen und emotionalen – Illustrationen werden in ihrer Zusammenstellung zu einer Metapher für diffuse Ängste, Unsicherheiten und soziale Unruhen und zugleich zu einem Zeitdokument unserer gegenwärtigen Lebensrealität.

Über die dokumentarische, realitätsgetreue Abbildung von Krisen und Konflikten hinaus, finden die Autoren und Autorinnen der hier aufgeführten Bücher vielfältige Wege, um die Kluft zwischen Erfahrung und Vermittlung produktiv zu machen: Sie versammeln unterschiedliche Darstellungsformen, sie verdichten und übertreiben, sie konstruieren und erfinden Geschichten – und ermöglichen dadurch eine kritische Auseinandersetzung mit Erfahrungen und Entwicklungen, die zwar abstrakt und häufig unsichtbar, allerdings durchaus real sind.

Weitere Buchempfehlungen Recommended further reading

dollars), published in its second edition in February 2021, Chantal Zakari compiled a sequence of numerous of these illustrations to form a haunting and increasingly menacing narrative on the invasion and combating of the virus. As compiled by her, the illustrations, based on scientific findings – and yet extremely vividly coloured, dramatic and emotional – become a metaphor for vague fears, uncertainties and social unrest, and simultaneously a contemporary document of our present life reality. Beyond the documentary, true-to-reality portrayal of crises and conflicts, the authors of the books listed here find a diversity of ways to make the chasm between experience and mediation productive: they gather different forms of representation, they condense and exaggerate, they construct and invent stories – and thereby enable a critical examination of experiences and developments which, though abstract and frequently invisible, are most definitely real.

Ludovic Balland: „American Readers at Home“ (Scheidegger & Spiess, Zürich, 2018, 548 Seiten/pages, 58 Euro)

Michael Danner: „Migration as Avant-Garde“ (Kettler, Dortmund, 2018, 120 Seiten/pages, 45 Euro)

Gabriele Galimberti / Paolo Woods: „The Heavens: Annual Report“ (Dewi Lewis Publishing, Stockport, 2015, 218 Seiten/pages, 54 Euro)

Dirk Gieselmann / Armin Smailovic: „Atlas der Angst“ (Eichborn Verlag, Frankfurt a.M., 2017, 524 Seiten/pages, 14 Euro)

Andres Gonzalez: „American Origami“ (Fw:Books, Amsterdam, 2019, 384 Seiten/pages, 72 Euro)

Richard Mosse: „The Castle“ (MACK, London, 2018, 232 Seiten/pages, 65 Euro)

Anastasia Samoylova: „FloodZone“ (Steidl, Göttingen, 2019, 136 Seiten/pages, 38 Euro)

Antoinette de Jong / Robert Knoth: „Tree and Soil“ (Hartmann, Stuttgart, 2020, 112 Seiten/pages, 45 Euro)

Xu Yong: „Negatives“ (Kettler u.a., Dortmund, 2015, 80 Seiten/pages, 20 Euro)

Mathieu Asselin: „Monsanto®: A Photographic Investigation“ (Kettler, Dortmund, 2017, 156 Seiten/pages, 55 Euro)

61 Fotobücher / Photobooks

„Das beste Fotolabor der Welt“

Ausgezeichnet von den Chefredakteuren 26 internationaler Fotografie-Magazine

TIPA-Awards-Gewinner 2013, 2017 und 2020

Mr. NYC Subway

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