Schaufenster Kultur.Region 2013-Februar

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Nachrichten aus der Kultur.Region Niederösterreich . Februar 2013

schaufenster

Kultur.Region Schwerpunkt Eis Fasching / Verkehrte Welt . Unter Dampf / Erlebnis Eisenbahn

P.b.b. · Vertragsnummer 11Z038847 M · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295

Haus der Regionen / Reise durch Europa . aufhOHRchen / Schene Liada, harbe Tanz


WIEN NORD

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Editorial / 3

Kulturarbeit

daseinsvorsorge Bestehendes hinterfragen, Bewährtes weiterentwickeln, Neues initiieren.

KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH, darunter verstehen wir eine Marke, ein Programm, eine Positionierung und eine Philosophie. Diese Aussage beruht auf zwei wesentlichen Säulen: Einerseits baut die KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH auf ein Kulturmanagement, das den Anforderungen nach Effizienz und Professionalität entspricht, und andererseits bildet die KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH einen Pool an Ideen und Projekten, in dem Bestehendes hinterfragt, Bewährtes weiterentwickelt und Neues initiiert wird. Dies gilt für die landesweiten Großveranstaltungen ebenso wie für unsere zahlreichen Publikationen und unsere Bildungsangebote, ob nun beispielsweise die Kremser Kamingespräche angesprochen sind oder die Tonträger in der Reihe „vielstimmig“, die zahlreichen Wettbewerbe oder die zertifizierten Lehrgänge im Museumsmanagement und im Musikschulmanagement.

Wesentliche Basis für qualitätsvolle Kulturvermittlung ist jedenfalls eine solide Grundlagenarbeit. Der dafür notwendige Erwerb von Wissen über Begriffe und Bedeutungen im Feld der Kulturarbeit ist aber meist schwerer zu argumentieren als der Bedarf an allerhand Events und sonstigen Unterhaltungsangeboten. In dieser Hinsicht stehen wir gemeinsam mit allen Bildungseinrichtungen vor großen Herausforderungen. Denn wer hätte nicht gern auf Knopfdruck fertige Ärzte, Konstrukteure, Anwälte oder IT-Fachkräfte verfügbar, ohne für die entsprechenden Ausbildungskosten sorgen zu müssen? Zwar mag gelten, dass Bildung ein Wert an sich ist, doch sind es oft gerade publikumswirksame Highlights, die Relevanz und Notwendigkeit qualifizierter Kulturarbeit einsichtig machen. Das eine zu tun, ohne das andere zu lassen, lautet daher die Devise, also über Kompetenz sowohl im Theoretischen wie auch in der praktischen Ausführung zu verfügen.

Dieser gedankliche Überbau wäre also die Entsprechung zum institutionellen Dach namens KULTUR.REGION.NIEDERÖSTERREICH, und dieser Grundsatz sollte für jedes einzelne Projekt Geltung haben. Er führt zur Entscheidungsfindung darüber, ein Projekt überhaupt umzusetzen. Als einen Maßstab für Evaluierung im Inhaltlichen könnte man das bezeichnen, bei all der Unschärfe, die da und dort auftreten mag, oder als Orientierung dafür, ob sich ein Vorhaben als intellektuell, sinnlich, spirituell oder emphatisch bereichernd entfaltet. So gesehen gehört Kulturarbeit in modernen und entwickelten Demokratien unverzichtbar zur Daseinsvorsorge. Dorli Draxler, Edgar Niemeczek

MusikSCHUL management KULTUR . REGION NIEDERÖSTERREICH

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Top-Termine / 4

Februar 2013

TOP-TERMINE 5 JAHRE WIR TRAGEN NIEDERÖSTERREICH

Programm Festveranstaltung 5 Jahre „Wir tragen Niederösterreich“

—————————————————— Mi, 20. 2. 2013, 10.00 Uhr Auditorium Grafenegg ——————————————————

Begrüßung: Ing. Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich

Eine starke Identifikation der Bevölkerung mit dem Land Niederösterreich unterstützt das Vertrauen in die regionale Landwirtschaft, Wirtschaft und Kultur und ermöglicht damit deren Entwicklung. Nach fünf Jahren gemeinsamen Engagements in der Initiative „Wir tragen Niederösterreich“ ist es Zeit für eine Standortbestimmung, die Wertschätzung des Erreichten und für neue Perspektiven. „Wir tragen Niederösterreich“ ruht auf vier Säulen: 1. Tracht 2. Brauch und Musik 3. Handwerk 4. Kulinarik Das entscheidende Kriterium der Initiative ist der Qualitätsanspruch, und zwar nicht Qualität für Wenige sondern Qualität für Viele.

Kurzfilm: „Werte unserer Zukunft – Perspektiven aus Wissenschaft, Kultur und Medien“ Impulsreferat: Dr. Arnold Mettnitzer, Psychotherapeut und Theologe: „Wieviel Seele braucht das Land?“ Interviewrunde: Verena Hainzl, Landesleiterin der Landjugend Niederösterreich
, Dorli Draxler, Geschäftsführerin der Volkskultur Niederösterreich
, Maria Winter, Präsidentin der Niederösterreichischen Bäuerinnen
, Dipl.-HLFL-Ing. Josef Pleil, Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Dr. Stephan Pernkopf, Landesrat für Landwirtschaft, Umwelt und Landentwicklung Im Gespräch: Dr. Erwin Pröll, Landeshauptmann von Niederösterreich Musicomedy: Die Dornrosen, aus dem Programm „Volle Kanne“ Musikalische Umrahmung: Stallberg Musikanten

Die erfolgreichsten landesweiten Anliegen sind alljährlich der Dirndlgwandsonntag (2. Sonntag im September), der Trachtenball und das niederösterreichische Adventsingen auf Schloss Grafenegg.

Moderation: Birgit Perl, ORF

Mittlerweile umfasst „Wir tragen Niederösterreich“ 13 Partnerinstitutionen: Volkskultur Niederösterreich . Land Niederösterreich . EVN . NÖN . ORF NÖ . Landwirtschaftskammer Niederösterreich . Die Niederösterreichische Versicherung . Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien . Tostmann Trachten . NÖ Blasmusikverband . Niederösterreichische Dorf- und Stadterneuerung . Niederösterreichische Wirtshauskultur . So schmeckt Niederösterreich

Anmeldung unbedingt erforderlich: Landwirtschaftskammer Niederösterreich Tel. 05 0259 26000

Empfang: Mit freundlicher Unterstützung von Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll ——————

Der Babenberger-Stammbaum mit Leopold als Mittelpunkt (Detail). Bild: Stiftsarchiv Klosterneuburg

LEOPOLD Mensch – Politiker – Landespatron

—————————————————— Eröffnung: So, 23. 2. 2013 Landesmuseum Niederösterreich 3100 St. Pölten, Kulturbezirk 5 —————————————————— Vor 350 Jahren wurde der hl. Leopold durch ein Gesetz Kaiser Leopolds I. zum Landespatron von Niederösterreich erhoben. Aus diesem Anlass präsentiert das Niederösterreichische Landesmuseum in Kooperation mit dem Stift Klosterneuburg eine Ausstellung, die einen neuen Blick auf diese wichtige Persönlichkeit unserer Geschichte zu werfen versucht. Das Wenige, das direkt aus seinem Leben bekannt ist, wird dem gegenübergestellt, was die Nachwelt aus ihm gemacht hat. Seit Jahrhunderten wird das Bild des Heiligen durch Kunstwerke lebendig erhalten. Diese Tradition soll mit dem Kunstprojekt zur Ausstellung weitergeführt werden. 15 Künstler, junge wie ältere, arrivierte und weniger bekannte, wurden eingeladen, Arbeiten zu schaffen, die sich mit Leopold und der Mythenbildung um seine Person auseinandersetzen. ——————

www.wirtragennoe.at

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Information: Tel. 02742 908090 
 www.landesmuseum.net


Inhalt / 5

Februar 2013

INHALT Schwerpunkt Eis Eisschneiden & Eiskeller

6 /

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Haus der Regionen Das neue Programm

8 /

Schwerpunkt Eis Eisgarn im Waldviertel —————— Weinviertel/Waldviertel Literaturinitiativen

22 /

Weinviertel 100 Jahre Erdöl

24 /

Museen Eisenbahnmuseum

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Schwerpunkt Eis Musikschulleher im

Mostviertel Opfekompott

Mostviertel Schene Liada,

10 /

Wintereinsatz ——————

Musikschulen Klassenmusizieren

12 /

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Närrische Bräuche Fasching

14 /

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Nachruf Gerlinde Haid

17 /

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Chorszene Niederösterreich Vielstimmig

18 /

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26 /

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27 /

harbe Tanz ——————

Mostviertel Volksmusik

28 /

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Industrieviertel Gloggnitz

29 /

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Auslage Bücher, CDs & feine Ware

30 /

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Tage der Neuen Musik Netzwerke

Handwerk Deckenweberei Strmilov

20 /

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Schwerpunkt Eis Eiswein im Weinviertel

21 /

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32 /

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Schwerpunkt Eis Eiszeit in Museen

36 /

38 /

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Strasshof

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Museen Die neue Betty Bernstein

40 /

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Museen Eumig –

42 /

eine Erfolgsgeschichte ——————

Kultur.Region Fortbildung

44 /

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Schwerpunkt Eis Eisstockschießen

46 /

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Kultur.Region Intern

49 /

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50 / Die letzte Seite

34 /

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IMPRESSUM Herausgeber: Dr. Edgar Niemeczek, Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Redaktionsteam: Karin Graf, MA, Mag. Michaela Hahn, Mag. Katharina Heger, Mag. Marion Helmhart, Mag. Andreas Teufl, DI Claudia Lueger, Dr. Freya Martin, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Michaela Weiss, Mag. Anita Winterer, Mag. Eva Zeindl, Michaela Zettl, Mag. Doris Zizala. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ausgabe: Mag. Doris Buchmann, Friedrich Damköhler, Prof. Walter Deutsch, Rupert Gansterer, Mag. Thomas Hoffmann, Mag. Benjamin Steininger, Dr. Helga Maria Wolf, Mag. Gottfried Zawichowski. Produktionsleitung, Marketing, Anzeigen und Beilagen: Mag. Marion Helmhart. Eigentümer/Medieninhaber: Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at, www.volkskulturnoe.at. Geschäftsführung: Dorothea Draxler, Dr. Edgar Niemeczek. Sekretariat: Petra Hofstätter, Tina Schmid. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien. Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Postamt 3112 St. Pölten. ISSN 1680-3434. Copyrights: Kultur.Region.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Artikelübernahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: Wenn nicht anders angegeben, Bildarchiv der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und Kultur und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonderer Berücksichtigung der Regionalkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise. Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Cover: Altenmarkt-Zauchensee Tourismus, Salzburg

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Schwerpunkt Eis / 6

Arbeitswelt

rohstoff eis Von Eiskellern, Eishäusern und dem Eisschneiden. Kühlsysteme von anno dazumal.

Eisschneiden als winterliches Ereignis – wie hier im Pielachtal.

Die sachgerechte Kühlung und Konservierung von Speisen und Getränken mittels moderner Kühltechniken und -geräte ist heutzutage selbstverständlich und kein großer organisatorischer oder technischer Aufwand mehr. In Zeiten von Kühlschrank & Co. ist es kaum mehr vorstellbar, wie ungleich kompliziert und langfristig angelegt das Prozedere einer effizienten Kühlkette noch vor hundert Jahren und mehr war. Wie hat man früher gekühlt, als es noch keine Kühlschränke gab? Hat man nur frisch gegessen und ungekühlt getrunken? Wie funktionierte die Vorratswirtschaft in den heißen Sommermonaten? Von ersten Eis- oder Kühlhäusern der Menschheitsgeschichte weiß man bereits aus der mittleren Bronzezeit. Auch im antiken Rom ließ sich das reiche Patriziat im Sommer zur Kühlung der Getränke Eis aus den Bergen bringen. Prinzipiell gab es seit Beginn der Neuzeit zwei Kühlsysteme bzw. -möglichkeiten: quasi „zu oberer Erde“ in Kühlhäusern oder unter der Erde in den Eiskellern.

Das „Zwiebelschalen-Prinzip“ Die Architektur der Eishäuser beruht auf einem sehr einfachen Prinzip: Die Gebäude

Das Eis wird auf den Lastwagen des Bierverlegers J. Schnabl, Rabenstein, verladen.

wurden so konstruiert, dass die äußeren Temperaturen möglichst wenig Einfluss auf den Innenraum hatten. Die Konstruktionen wurden mit einem wärmeblockenden, also nicht „wärmeleitenden“ Material errichtet, meistens aus Holz. Die eigentliche „Kühlbox“, eine tragendende Holzkonstruktion mit zwei ineinander geschachtelten Behältern, schwebte quasi ein Meter in einem Luftraum über der Erde. Die Innen- und Zwischenräume dieses zwiebelartig geschichteten Systems wurden mit dämmenden, isolierenden Werkstoffen wie Gerberlohe, Sägespäne, Torf oder Fichten- und Tannenreisig aufgefüllt. Am Boden mussten ferner eine Art Holzrost und Rinnen vorhanden sein, um das Schmelzwasser abzuleiten. Das Dach war meistens ebenfalls eine doppelschalige Konstruktion aus Holz, die mit dicken Stroh- oder Schilfschichten bedeckt war. Um die Eishäuser herum pflanzte man überdies gerne groß und schnell wachsende, flach wurzelnde Bäume, wie beispielsweise die Rosskastanie, die für die Kühlhäuser als Schattenspender in der heißen Jahreszeit fungierten. Es ist also kein Zufall, dass man in fast jedem Brauerei-Biergarten einen riesigen

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Haken, Säge und Zangen sind die Werkzeuge der Eisschneider.

hundertjährigen Kastanienbaum findet … Eine nach Norden hin gerichtete Eingangsschleuse mit abgedichteter Tür führte über einen schmalen Gang zur eigentlichen Türöffnung des Kühlhauses. Ein gut ausgeklügeltes System verhinderte ungewollten Luftaustausch mit der Außenwelt oder direkte Sonneneinstrahlung beim Öffnen. Ein kleiner, maximal 40 Zentimeter breiter Holzschacht, der mit Schiebern verschließbar war, führte über das Dach ebenfalls in das Innere des Eishauses. Dieser „Kamin“ diente als Lüftungsschacht und wurde im Winter bei maximalen Kältetemperaturen zusammen mit den Türen geöffnet, um den Innenraum mit den kalten Außentemperaturen anzugleichen. Eiskeller funktionierten ähnlich den Eishäusern, mit dem Unterschied, dass sie unterirdisch oder zumindest teilweise unter der Erde angelegt waren. Auch hier war eine kühle, geschützte und trockene Lage primäre Voraussetzung. Die Wände der Eiskeller waren massive Ziegelmauern mit zwei bis drei Luftschichten. Der eigentliche Kühlraum wurde in Zylinder- oder zumindest Halbkugelform gebaut, um einerseits ein besseres Verhältnis von Oberfläche zum Inhalt zu


Schwerpunkt Eis / 7

schaffen, andererseits bot der runde Grundriss einen besseren Widerstand gegenüber dem seitlichen Erddruck. Auch bei den Eiskellern musste das Schmelzwasser leicht ableitbar sein – in den meisten Fällen durch einen Wasserverschluss oder so genannten „Schwanenhals“ oder durch den Untergrund selbst, der aus Kies oder Sand war. Schwitzwasser, das sich, oft durch die hohe Luftfeuchtigkeit bedingt, an den Ziegelwänden bildete, wurde durch so genannte Schweißrinnen an den gewölbten Decken aufgefangen. Ein immer wiederkehrendes Problem bei den Eiskellern war dadurch auch die Bildung von Schimmelpilzschichten, die eine Lagerung von Lebensmitteln wie Fleisch o. Ä. gesundheitsgefährdend machte.

„Mit Eis stopf’ deine Keller voll, wenn dir dein Bier gelingen soll“ Das Kühlmaterial, das Eis selbst, wurde in der Hochzeit der Kälte, an den kältesten Tagen im Winter, wenn die Eisschichten am dicksten waren, geschnitten und im Kühlhaus in Blöcken geschichtet eingelagert bzw. der eingeschmolzene Bestand ergänzt. Frisches Natureis konnte temperaturbedingt meist nur bis März „geerntet“ werden, war aber nichtsdestotrotz unverzichtbare Notwendigkeit beim Bierbrauen und bei der Lagerung. Ein Relikt davon ist nicht nur aus etymologischer Sicht das „Märzenbier“, das im März gebraut und bis zum Beginn der neuen Brausaison im Oktober ausgeschenkt wurde. Denn während der warmen Monate durfte und konnte Bier wegen der für den Gärprozess fehlenden und notwendigen Kühlmöglichkeiten nicht gebraut werden. Im „Sommerbetrieb“, ergo in den heißen und warmen Jahreszeiten, wurde auf ein strenges Reglement geachtet: Das Kühlhaus wurde zum Beispiel nur in den kühlen Morgen- oder Abendstunden betreten oder man berücksichtigte, dass die Hauptaußentür immer geschlossen war, wenn die Innentür geöffnet wurde. Herrschten in einem Eishaus oder in einem Eiskeller optimale Bedingungen, hielt das eingelagerte Eis bis in den nächsten Herbst hinein!

Schwerstarbeit Die Eisblockgewinnung oder das „Eisschlagen – brechen oder schneiden“ ging rein manuell vor sich und war Schwerstarbeit für die Arbeiter. Mit einer Art Zugsäge, die

dicker und stabiler als die herkömmlichen Holzsägen war, wurden aus den zugefrorenen Teichen, Flüssen oder Seen quaderförmige, ca. 50 Zentimeter breite und bis zu 15 Meter lange Eisstreifen herausgeschnitten. Eine der Schwierigkeiten beim Eisschneiden bestand darin, dass die Säge logischerweise nur einseitig bedient werden konnte und im harten Eis oft verbog. Oft machten die Eisschneider vor allem bei Kindern Scherze darüber, dass darum gewürfelt wurde, wer die Arbeit „unter dem Eis“ machen müsste und am anderen Ende der Säge stand … Die Eisstreifen wurden anschließend mit einer Axt in einzelne Schollen zerschlagen, die mit geschmiedeten Eishaken oder Eiszangen ans Ufer geschleift und danach herausgezogen wurden. Die schweren Eisblöcke wogen teilweise über 20 Kilogramm und wurden zum Weitertransport auf Pferdeschlitten verladen. Schwerstarbeit also für die Männer, die zum Schutz vor der Kälte und Nässe dicke Lederschürzen trugen. Die Eisgewinnung stellte für viele Gemeinden einen nicht unbedeutenden Wirtschaftszweig dar – einerseits als billige Rohstoffquelle und andererseits als sicherer Arbeitsplatz für viele landwirtschaftliche Arbeiter oder Maurer, die sich in den Wintermonaten ein willkommenes Zubrot verdienten.

Rohstoff „Eis“ Abnehmer für die Natureisblöcke waren hauptsächlich Gasthäuser, Fleischhauereien, Brauereien sowie zum Teil auch private Haushalte der wohlhabenderen Bevölkerung, die sich einen Eiskeller oder ein Eishaus leisten konnten. Aber auch bei der industriellen Erzeugung und Herstellung von Paraffin, Schokolade und Margarine oder in der Medizin, insbesondere in der Chirurgie, wurde Natureis eingesetzt. Ein großer Teil des gewonnenen Eises wurde in Österreich auch direkt zur Eisenbahn transportiert, um es ins angrenzende Deutschland zu exportieren – das bekannte „Zeller Eis“ vom Salzburger Zeller See war beispielsweise Ende des 19. Jahrhunderts Hauptlieferant für die zahlreichen Brauereibetriebe in München. Einer der größten europäischen Eisexporteure dieser Zeit war Norwegen. Doch nicht nur in Europa, vor allem in Nordamerika florierte der Eishandel – bis zur Wende des 19. Jahrhunderts lag der Verbrauch von Natureis in

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Eisernte am Zeller See: Eis als Exportware für München. Foto: z. V. g.

Amerika bei über 25 Millionen Tonnen pro Jahr. Die zunehmende Technisierung, der steigende Verbraucherbedarf, die Verschmutzung der Gewässer in Ballungszentren und auch verschärfte Hygienevorschriften im Lebensmittelbereich verdrängten letztendlich das Natureis vom Markt. Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts war das Natureis endgültig obsolet geworden. Peu à peu wurde die Natureiswirtschaft von der Kunsteiserzeugung abgelöst, die ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch Dampfmaschinen möglich geworden war. Große Eisfabriken konnten mit Kältemaschinen das ganze Jahr über und in größeren Mengen hygienisch sauberes Eis produzieren. Aber auch die Eisfabriken hatten ihr Ablaufdatum. Heute sind nur noch einige wenige Eisfabriken in Betrieb, die sich auf „eisige“ Spezialprodukte fokussiert haben, wie beispielsweise die Produktion von gleichmäßig opakem Eis für Eisskulpturen. Heutzutage sind Kühlsysteme im privaten wie auch im industriellen Bereich im Vergleich zu früher bei Weitem nicht mehr mit dem immensen Aufwand verbunden, vor allem ist man nicht mehr von der Natur und den „eisigen“ Temperaturen abhängig. Die ersten direkten Vorläufer für die heutigen Kühlschränke waren Schränke, die an der Oberseite ein kleines Extrafach für Naturoder später Kunsteis hatten. Für die moderne Kühltechnik sind heutzutage elektrisch betriebene Kühlschränke in jedem Haushalt Basisvoraussetzung und eigentlich zu einer Selbstverständlichkeit geworden. / Text: Freya Martin Fotos: Steinschalerhof


Haus der Regionen / 8

Programmübersicht

reise durch europa Musikalischen Traditionen in Europa wird auch im Frühjahr im Haus der Regionen in Krems-Stein wieder nachgespürt.

Seis Po’ Meia Dúzia, das Frauensextett von der Insel des ewigen Frühlings. Foto: z. V. g.

Mitreißende Tänze, getragene Melodien, berührende Jodler und Dudler sowie feurige Rhythmen – für jeden Geschmack bietet das Konzertprogramm im Haus der Regionen in Krems-Stein etwas Passendes. Im historischen Festsaal mit Blick auf die Donau betreten die Musiker die Bühne. Und dann wird auch schon losgelegt. Dabei ist das Instrumentarium meist sehr facettenreich. Oft spielen die Musiker mehrere Instrumente, die vielfältige Klänge und Spektren ergeben. Das Konzept im Haus der Regi-

onen beruht darauf, die Kultur einzelner europäischer und auch österreichischer Kleinregionen vorzustellen. Seit 2004 begibt man sich auf die Spurensuche nach musikalischen Besonderheiten aus allen Himmelsrichtungen unseres Kontinents und zeigt so Verbindendes und auch Gegensätzliches auf.

Von Böhmen … Den Beginn der Europa-Reihen macht im März das tschechische Gebiet Böhmen. Die

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Böhmerwald Dudelsackmusik wird unter der Leitung von Tomáš Spurný in die Welt der böhmischen Tanz- und Dudelsackmusik eintauchen. Der böhmische Dudelsack – auch Bock genannt – spielt dort eine wichtige Rolle in der Volksmusik und wird mit Klarinetten, Geigen und Kontrabass begleitet. Auch der Blasmusik wird in unserer nördlichen Nachbarregion große Bedeutung beigemessen. Die typische Spielweise von Wal-


Haus der Regionen / 9

HAUS DER REGIONEN

Die Böhmerwald Dudelsackmusik. Foto: z. V. g.

——————————————————— Do, 7. 3. 2013 Film: Verkaufte Heimat, Teil 3 und 4 Drehbuch: Felix Mitterer TSCHECHIEN / Böhmen

zern und Polkas wurde auch in unseren Breiten übernommen und von der Gruppe Babouci präsentiert.

gramm, das von Tanzlmusi-Besetzung über ein Bläserensemble bis zu Trio- oder DuoBesetzungen reicht.

… nach Madeira …

Modernes wird in der Reihe Connecting Tunes präsentiert, in der Musiker aus verschiedenen Ländern und Kulturen trotzdem – oder eben deshalb – miteinander musizieren. Traditionellen Wurzeln wird nachgespürt und in die heutige Zeit und Aufführungspraxis transferiert. Das Timna Brauer & Elias Meiri Ensemble machen sich auf die Suche nach Traditionen aus der jüdischen Kultur. Cristina Zurbrügg und ihre Band setzen Schwerpunkte mit österreichischem, wienerischem und schweizerischem Jodeln, Dudeln und mehr. Schließlich vereinen sich noch die steirische Band Aniada a Noar und drei friulanische Musiker zu einem klangexperimentellen Ensemble und vereinen steirische mit norditalienischen Stilen.

Im Juni führt die Regionen-Reihe in den Atlantik – zur Blumeninsel Madeira. Auch hier wird Tradition groß geschrieben. So gibt es einige Gruppen, die sich auf die Suche nach typischen Volksliedern machten und diese in modernen Interpretationen und eigenen Arrangements wiederbeleben. Zwei davon sind das Frauensextett Seis Po’ Meia Dúzia und das Ensemble MedioAtlantico. Die Vollblutmusiker bieten zwei Konzerte voller Gegensätze: einerseits getragene Gesangsmelodien und gefühlvolle Klänge, andererseits schnelle Rhythmen und feurige Tanzmusik. Auch die beiden typischen Saiteninstrumente Rajão und Viola de Arame werden in Perfektion gespielt.

… und auf die Alm Traditionell wird es bei der aufhOHRchenReihe, in der an zwei Konzertabenden die Volksmusik österreichischer Kleinregionen im Mittelpunkt steht. Den Citoller Tanzgeigern ist es ein Anliegen, die traditionelle Musik des steirischen Kleinalmgebiets rund um Übelbach zu erhalten und dem Publikum bei Festen und Konzerten mit viel Freude näher zu bringen. Die sieben Musikanten der Außerfelder Tanzlmusi aus Mitterberghütten im Pongau beherrschen eine Vielzahl an Instrumenten. In verschiedensten Formationen bieten sie ein Pro-

Workshops, Vorträge sowie die Vorführung der Teile 3 und 4 der Filmreihe „Verkaufte Heimat“, bei der wieder der Drehbuchautor Felix Mitterer mit einführenden Worten zur Verfügung stehen wird, runden das facettenreiche Veranstaltungsprogramm im Haus der Regionen ab. Von moderner World Music über Folk bis hin zu traditioneller Volksmusik aus Österreich und Europa – im Frühjahr werden wieder abwechslungsreiche und unterhaltsame Konzerte und Veranstaltungen im Haus der Regionen angeboten. / Text: Anita Winterer

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Fr, 15. 3. 2013 Böhmischer Traum Babouci Sa, 23. 3. 2013 Mit Geige und Bock Böhmerwald Dudelsackmusik Connecting Tunes Fr, 12. 4. 2013 Jiddischkeit – Tradition im Wandel Timna Brauer & Elias Meiri Ensemble Do, 16. 5. 2013 Yodel, Dudel & More Christina Zurbrügg & Band Fr, 24. 5. 2013 In Compagnia Aniada a Noar aufhOHRchen Fr, 19. 4. 2013 Gelebte Musik im Übelbachtal Citoller Tanzgeiger Fr, 26. 4. 2013 Pongauer Echo Außerfeldener Tanzlmusi PORTUGAL / Madeira Sa, 8. 6. 2013 Seis Po’ Meia Dúzia Sa, 15. 6. 2013 MedioAtlantico Information und Karten: Haus der Regionen 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 ticket@volkskultureuropa.org www.volkskultureuropa.org


Musikschulen / 10

Schwerpunkt Eis

winterhart Der Schnee hält Schüler und Lehrer im Winter auf Trab. Musikschullehrer und -lehrerinnen im Wintereinsatz.

Winterliche Fahrverhältnisse in Schwarzau im Gebirge.

Die Musikschule ist Zentrum künstlerischmusikalischer Bildung. Sie ist Ort der kulturellen Begegnung für Kinder und Jugendliche und erfüllt den Auftrag zur Breitenwirkung. Gleichermaßen legt sie die Basis für den professionellen Nachwuchs und fördert junge Talente. In ihrer Funktion als Kulturträger gestaltet die Musikschule das kulturelle Leben einer Gemeinde oder Region maßgeblich mit. Peter Röbke schreibt in „Musikschule – wozu?“: „Es ist die Vorstellung, dass eine Musikschule weit mehr ist als

eine lockere organisatorische Verbindung von Instrumentallehrern, bei denen man ebenso gut Privatstunden nehmen könnte, es ist die Vision, dass die Musikschule ein Treffpunkt für alle ist, die miteinander und voreinander musizieren wollen, eine musikalische Begegnungsstätte […].“ Der Treffpunkt, die Musikschule, kann ein eigens errichtetes Gebäude sein, wie in Leobendorf, oder ein neu saniertes, umgewidmetes Gebäude, wie die ehemalige Schnupf-

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tabakfabrik in Hainburg, die heute zum Musizieren einlädt. Anderorts ist die Musikschule in Räumlichkeiten der Volksschule oder dem Kindergarten eingelagert. Ein neues Modell, das die Initiative der flächendeckenden musikalischen Ausbildung unterstützt, ist jenes des Campus, bei dem sich Schulen, Kindergärten, Kulturhaus und Musikschule auf einem Gelände befinden. Was aber, wenn sich eine Musikschule auf mehrere Gemeinden und Standorte verteilt?


Musikschulen / 11

Tiefschnee am Semmering.

Wenn es nicht nur ein zentrales Gebäude, sondern mehrere gibt? Wenn nicht Schüler zu den Lehrern, sondern Lehrer zu den Schülern kommen? Vielfältig wie die geografischen Gegebenheiten sind auch die Musikschulen Niederösterreichs. Da ist beispielsweise der Hans Lanner Regionalmusikschulverband in Reichenau an der Rax vor andere Herausforderungen und Probleme gestellt als etwa die Musikschule der Landeshauptstadt St. Pölten.

Straßensperren & Lawinengefahr Denn in der Semmering-Rax-Region kann es im Winter schon einmal vorkommen, dass ein Schüler nicht zum Unterricht kommt, weil der Papa mit dem Schneeräumen noch nicht fertig ist. Oder dass Lehrer zu Mittag in die Musikschule kommen und am Abend ihr Auto von 20 Zentimeter Neuschnee befreien müssen. Sechs Standorte bedeuten kurze Wege für Schüler und längere für Lehrer. Genau diese Wege können im Winter oft zum Verhängnis werden, berichtet Musikschulleiter Werner Gross. So führt die Straße vom Hauptstandort Reichenau an der Rax bis Schwarzau 21 Kilometer durch das Höllental. Im Winter kommt es oft vor, dass eben jene Straße wegen Lawinengefahr gesperrt werden muss. Die Alternative: ein Umweg, der um den Schneeberg herumführt und mit 80 Kilometer Strecke eine Garantie für eine Verspätung, wenn nicht sogar einen Ausfall des Unterrichtstages bedeutet. Der Schnee hält Schüler und Lehrer im Winter auf Trab. Und so sollten Letztere neben künstlerischen und pädagogischen Fähigkeiten auch zusätzliche

Lawinensperre der Höllentalbundesstraße.

Qualifikationen vorweisen: „Unsere Kollegen müssen winterfit sein – gutes Autofahren ist Voraussetzung“, schmunzelt Leiter Werner Gross. Beweisen können sie sich stets auf ein neues Mal. So kann es vorkommen, dass die Straßen noch nicht gestreut sind und man auf einer reinen Schneefahrbahn mit Vorderradantrieb verkehrt den Berg hinauffahren muss. Vorteile sieht Werner Gross jedoch auch im Winter: „Herausforderungen wie diese gemeinsam zu bewältigen, schafft Zusammengehörigkeit. Musikschule wird viel persönlicher, das Zwischenmenschliche trägt einen anderen Stellenwert.“ Man kennt einander und nimmt Rücksicht. Nicht nur einmal wurde mit einer Straßensperre gewartet, bis der letzte Musikschullehrer die Stelle passiert hat. Oder bei der Haltestelle der Busfahrer, der weiß, dass es die letzte Möglichkeit für eine Lehrerin ist, nach Hause zu kommen.

Weite, nächtliche Einsamkeit Im Waldviertler Musikschulverband Waldhausen / Großgöttfritz / Rastenfeld / Schweiggers ist es weniger der strenge Winter, es sind die großen Distanzen, der Nebel und das Glatteis, die das Team vor Schwierigkeiten stellen. Wobei auch hier der Schnee seines dazu beiträgt, dass Ortswechsel Stress verursachen und man es mit der Pünktlichkeit nicht immer ganz genau nehmen kann. Oder selbiger Schnee zum Verhängnis wird, wenn Lehrer nach 22.00 Uhr die Schule verlassen und auf nicht mehr geräumten Schneefahrbahnen die oft weite Heimreise antreten. Für den Musikschulleiter Alexander Kastner stellen die vier Standorte vor allem eine koordi-

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Reichenau an der Rax.

natorische Herausforderung dar. Bei den Stundeneinteilungen in den ersten drei Schulwochen muss er nicht nur Schülerwünsche berücksichtigen – viele Schüler besuchen die Pflichtschule in einem anderen Ort als ihrem Wohnort, in dem sie meistens jedoch in die Musikschule gehen –, sondern auch logistische Meisterleistungen vollbringen. So ist man beispielsweise an einem Standort in der Neuen Mittelschule untergebracht, teilt sich die Räume und muss dementsprechend Rücksicht nehmen. Wie in allen Musikschulen mit mehreren Standorten gilt für Lehrer das so oft genannte Stichwort „Flexibilität“. Eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist meist nicht möglich, ein Auto somit Pflicht. Genauso wie auch die zeitliche Organisation eine gewisse Dehnbarkeit benötigt. Und schließlich, so endet Alexander Kastner seine Schilderungen, viel Idealismus und Liebe zum Beruf sowie zur Musik. / Text: Katharina Heger Fotos: Hans Lanner Regionalmusikschulverband Reichenau an der Rax

BUCHTIPP

——————————————————— Peter Röbke: Musikschule – wozu? EUR 16,50 Hrsg. Volkskultur Niederösterreich, 2004 Erhältlich auf www.musikschulmanagement.at www.amazon.at


Musikschulen / 12

Klassenmusizieren

wir sind klasse Der Musikschulunterricht kommt in die Klassenzimmer. Das fördert nicht nur die musikalische Bildung, sondern auch Zusammengehörigkeitsgefühl und Konzentrationsfähigkeit.

Stimm- und Gehörbildung stellen einen wesentlichen Teil der Bläserklasse dar.

„Ist heute eh wieder Bläserklasse?“ Eine Frage, die die Schüler der Klassenlehrerin seit Kurzem täglich stellen. Denn ihre 3b ist eine von rund 70 niederösterreichischen Schulklassen, in denen das Kooperationsprojekt mit den Musikschulen durchgeführt wird. Unter „Klassenmusizieren“ versteht man ein spezielles Unterrichtskonzept, das den schulischen Musikunterricht anhand von Instrumenten lebendig gestaltet und im Fach Musik den schulischen Bildungsauftrag erfüllt. Nicht nur im Bereich der Blasinstrumente, sondern auch mit Streichinstrumenten, Perkussionsinstrumenten oder der Stimme sind Kooperationsprojekte zwi-

schen Schulen und Musikschulen Grundlage für ein flächendeckendes Musikangebot für niederösterreichische Schüler. Ein Erfolgsmodell, das vor 15 Jahren, nach amerikanischem Vorbild, Einzug in Europa hielt und sich im Rahmen der Yamaha-Bläserklasse rasch verbreitete.

Musik unmittelbar erleben In Niederösterreich erreichen Musikschulen fast ein Drittel aller Volksschulkinder, und doch ist es ein großes Anliegen, möglichst allen Schülern musikalische Erfahrungen bieten zu können. Der Ausbildungslehrgang Klassen.Musizieren des Musikschulmanage-

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Klassen- und Musikschullehrer im Teamwork.

ment Niederösterreich richtet sich daher an alle musikalisch und an Musikpädagogik interessierte Lehrer an Regelschulen, die mit Kindern im Klassenverband aktiv und nachhaltig musizieren möchten, und bietet dabei die Unterrichtsreihen Rhythmus.Klasse, Streicher.Klasse, Sing.Klasse und Bläser. Klasse an, die in Kooperation mit dem Landesschulrat für Niederösterreich – und im Fall der Rhythmus.Klasse und Sing.Klasse mit der Pädagogischen Hochschule Niederösterreich – durchgeführt werden. Das Motto: „Teach music by music!“ Aus der österreichischen Tradition und Verwurzelung mit Blasmusik heraus ist es die


Musikschulen / 13

Schüler der Volksschule Katzelsdorf präsentierten ihr Können bei einem Konzert anlässlich „10 Jahre Klassenmusizieren in Niederösterreich“.

Atmung oder Ansatz geübt werden. Für die weiteren Einheiten ist laut Autoren der Abschlussarbeit das Einstellen eines Routinegefühls wichtig. Wiederkehrende Aufwärm- und Lockerungsübungen, Atem- und Mundstückübungen sowie das Einblasen und Einstimmen sollen zur Gewohnheit werden und eine Selbstverständlichkeit darstellen. Musiziert wird in dieser Phase noch ohne Noten. In der folgenden Arbeitsphase greifen lehrplanmäßiges Anliegen des Klassenlehrers und die instrumentalpädagogischen Arbeitsweisen des Musikschullehrers ineinander.

Musik durch Musik unterrichten Bläserklasse, die in Niederösterreich als erste Fuß fasste. Inhalt und Ziel sind Theorie in der Klasse in freudig erlebte Praxis umzusetzen und das Interesse der Schüler für Musik und das Musizieren zu wecken. Die Besonderheit: Musiziert wird von Anfang an gemeinsam im Blasorchester. Dies soll vor allem das Verantwortungsgefühl der Kinder stärken und diese darauf schulen, auf andere Rücksicht zu nehmen. In den meisten Fällen hat das Projekt auch eine Stärkung der Klassengemeinschaft durch das gemeinsame Gruppenerlebnis zur Folge. Anna Thallauer, Leiterin der Musikschule Ober-Grafendorf, und Anton Wagnes, Leiter der Musikschule Orth an der Donau, beide Bläserklassenleiter und Absolventen des Lehrgangs Bläser.Klasse, beschreiben in ihrer Abschlussarbeit im Rahmen der Leiterakademie die Vorteile und positiven Effekte, die das Kooperationsmodell Bläserklasse mit sich bringt. Schüler üben in spielerischer Weise Teamfähigkeit, eine gegenseitige Hilfe ist zu beobachten. Auch die Konzentration werde durch aktives Musizieren gestärkt und gefördert. Zu den verfolgten Zielen des Klassenmusizierens zähle das Entdecken von Schülern mit musikalischem Talent. Hierbei werden auch Schüler sozialer Schichten erschlossen, die in der Regel eher selten eine Musikschule besuchen. Zudem schule das Musizieren das aufmerksame Zuhören bei musikalischen Veranstaltungen, was das regionale Kulturleben ebenso beeinflussen wie auch das Konzertpublikum von morgen generieren könne, so Anna Thallauer und Anton Wagnes.

Eine Herausforderung stellt das Projekt Bläserklasse nicht nur für die Schüler dar, auch die Lehrer sind gefordert. In der Regel wird eine Bläserklasse mit etwa 20 Kindern von einem Klassenlehrer und einem Musikschullehrer betreut. Dabei gilt es, die Rollen und Kompetenzen genau zu verteilen. Mit der künstlerisch-instrumentalpädagogischen Kompetenz bringen Instrumentallehrer eine Ressource mit, die ein Klassenlehrer meist nicht erfüllen kann. Dieser hingegen verfügt über jene Fähigkeit, mit großen Gruppen umzugehen und diese auch differenziert zu behandeln und zu motivieren, sowie auch allgemein musikerzieherische Qualifikationen. Dies bedarf demnach einer funktionierenden Kommunikation und einer guten Teamarbeit, um die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Projekt bieten zu können.

Musik durch Musik unterrichten – dieses Konzept erfüllt nicht nur die erwarteten pädagogischen Ziele, sondern macht vor allem sichtbar, was als eigentliches Anliegen gelten kann: die Begeisterung der Kinder beim Musizieren. Zahlreiche Erfahrungsberichte, Schülerzitate und Anekdoten belegen die Freude und Motivation der Schüler, ein Instrument zu lernen und gemeinsam zu musizieren. Und so wird in immer mehr Schulen täglich gefragt: „Ist heute eh wieder Bläserklasse?“ / Text: Katharina Heger Fotos: Musikschule der Stadtgemeinde Traismauer

FORTBILDUNG

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Anna Thallauer und Anton Wagnes beschreiben den Einstieg der Bläserklasse mit einer Intensiv-Test-Phase. Sie dient dem Kennenlernen der Lehrer und der Instrumente, die von allen Kindern probiert werden können. Querflöten, Klarinetten, Altsaxophone, Trompeten, F-Hörner, Zugposaunen, Euphonien, Tuba und Schlagwerk – Ziel ist eine Orchesterbesetzung in der Klasse. Unterstützt durch stimm- und gehörbildende Maßnahmen wird der Grad der Eignung der einzelnen Schüler ermittelt und jedem ein Instrument zugeordnet. Die anschließende Vorbereitungsphase dauert mehrere Wochen, in denen grundlegende Fertigkeiten wie das Zusammenbauen der Instrumente, Haltung, Disziplin,

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Bläserklasse. Aus der Praxis für die Praxis. Regionale Fortbildung in Zusammenarbeit mit dem Musikschulmanagement Niederösterreich Sa, 16. 3. 2013 Pielachtalhalle, kleiner Festsaal 3200 Ober-Grafendorf, Raiffeisengasse 9 Referenten: MMag. Andreas Simbeni, Anna Thallauer, Anton Wagnes, Angelika Poszvek Kursgebühr: EUR 18,00 Information: Anna Thallauer Tel. 0699 11817919 musikschulleitung@ober-grafendorf.at www.musikschulmanagement.at


Bräuche / 14

Fasching

verkehrte welt Traditionell beginnt der Fasching in den Tagen nach Weihnachten. Nach der besinnlichen Zeit tanzt man beschwingt ins neue Jahr. Seit einigen Jahrzehnten bürgert sich ein zweiter Anfang ein, jener des Karnevals mit dem „Narrenwecken“ am 11. 11.

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Bräuche / 15

Prinzenpaar: Parodie auf die Herrscherempfänge.

Narrenwecken.

Fasching oder Karneval – das ist hier die Frage, und doch ist der Inhalt derselbe und nur die Form (und Dauer) verschieden. Die in Österreich und Süddeutschland geläufige Bezeichnung taucht in der Form „vaschanc“ oder „vastschang“ im 13. Jahrhundert auf. Sie soll auf das Ausschenken eines Fastentrunks in der „Vastnacht“, dem Vorabend des Fasttages Aschermittwoch, verweisen. Das Wort Karneval ist lateinischer Herkunft. Das Kirchenlatein nannte den Eintritt in die Fastenzeit „carnislevamen“ – Fleischwegnahme. Aus diesem Wortfeld entwickelte sich das italienische „carnelevare“, kürzer: „carnevale“, das sich scherzhaft als „Fleisch, lebe wohl!“ deuten ließ. In Deutschland ist der Begriff Karneval seit 1699 bezeugt. So oder so verweisen die Namen auf die christliche Herkunft der Narrenzeit. Die Ableitung von „Fasnacht“ von „vaseln“ (fruchtbar sein) ist längst nicht mehr aufrecht zu erhalten. Das Zentrum des Kirchenjahres bildet Ostern, mit einer 40-tägigen Fastenzeit bereitete sich die Christenheit auf ihr höchstes Fest vor. Die Quadragesima (40-tägige

Umzug mit närrischem Equipment.

Fastenzeit) bedeutete einen grundlegenden Einschnitt in die Ernährungsgewohnheiten, da alle aus der Großvieh- und Geflügelhaltung gewonnenen Lebensmittel unter die kirchlichen Fastengebote fielen. Diese betrafen nicht nur Fleisch, sondern auch Fett und Eier. Mangels Konservierungsmöglichkeiten – so eine plausible These – wurden sie an den letzten Tagen davor konsumiert. Faschingssonntag, -montag und -dienstag waren ein großes Schwellenfest mit öffentlichen Gelagen. Andererseits markierte der Heringsschmaus am Aschermittwoch (zwischen dem 4. Februar und 10. März) den gemeinsam begangenen Übergang zur fastend-büßenden Gemeinschaft. Somit hängt die Dauer des Faschings vom Osterdatum (zwischen 22. März und 25. April) ab.

Narr als Symbol In der Reformationszeit deuteten katholische Theologen den Fasching als unheilvolle „verkehrte Welt“. Sie erinnerten sich an das Zweistaatenmodell des Augustinus (354–430), nach dem die Welt aus einem Teufelsstaat

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(civitas diaboli) und einem Gottesstaat (civitas dei) besteht. Der Fasching sollte den Gläubigen die Gottferne und die Notwendigkeit der Umkehr vor Augen führen. Symbolgestalt war der Narr mit der Narrenkappe und den Schellen. Die Protestanten hingegen hatten die Fastenzeit abgeschafft, da nach ihrer Ansicht weder Buße, Enthaltsamkeit noch gute Werke den Menschen vor Gott rechtfertigen, sondern allein der Glaube. Den ersten schriftlichen Beleg für ein Fest namens Fastnacht liefert der Dichter und Minnesänger Wolfram von Eschenbach um 1206 in seinem Roman „Parzifal“. Im späten Mittelalter feierte man es mit üppigem Essen und Trinken, Musik und Maskierungen, Schwert- und Reiftänzen, Heischebräuchen und Fastnachtsspielen. Im Fasching ist alles erlaubt, was sonst verboten ist, wie Geschlechterwechsel, Freizügigkeit, Protest und Parodie, Umkehrung der Herrschaftsverhältnisse, derbe Scherze. Es scheint ein Grundbedürfnis zu sein, dass Menschen von Zeit zu Zeit ihren Alltag verlassen, um symbolisch in eine andere Haut zu schlüpfen. So schrieb


Bräuche / 16

Heischebräuche blieben meist nur als Kinderbräuche erhalten.

der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud (1856–1939), in seiner Abhandlung „Totem und Tabu“: „Ein Fest ist ein gestatteter, vielmehr ein gebotener Exzess, ein feierlicher Durchbruch eines Verbotes. Nicht weil die Menschen infolge irgendeiner Vorschrift froh gestimmt sind, begehen sie Ausschreitungen, sondern der Exzess liegt im Wesen des Festes; die festliche Stimmung wird durch die Freigebung des sonst Verbotenen erzeugt.“

Die fetten Tage Seit dem Mittelalter gingen die Bewohner der europäischen Städte an den „fetten Tagen“ auf die Straße feiern. In Wien fanden vom 15. bis ins 18. Jahrhundert Maskenumzüge statt, an denen die Obrigkeit Anstoß nahm. Niemand sollte in Bauernkleidern oder sonst vermummt durch die Stadt gehen, hieß es schon 1465. In der maria-theresianischen Zeit wiederholten sich die Verbote alljährlich, bis sich das Faschingstreiben schließlich in die Ballsäle zurückzog. Im 19. Jahrhundert, als in den Vorstädten immer prächtigere Lokalitäten

gebaut wurden, entstand der berühmte Wiener Walzer. In Niederösterreich waren Heischeumzüge der Burschen mit spielhaften Auftritten charakteristisch für die „heiligen Faschingtag’“. Es gab Faschinggestalten wie das „PfinzaWeibel“, das zwischen Donnerstag vor und dem Mittwoch nach dem Faschingssonntag humorvoll schwere Arbeiten zu verhindern wusste. Örtliche Burschenschaften veranstalteten Bälle und Umzüge, der Einstand neuer Mitglieder wurde mit Ritualen und reichlich Alkohol gefeiert.

Parodie der Herrscherempfänge Inzwischen sind auch hierzulande Faschingsgilden nach rheinischem Vorbild heimisch geworden. Sie waren in Köln 1822 entstanden, wo eine Gruppe von Männern das Karnevalsfest erneuern wollte. Ein „festordnendes Komitee“ organisierte es mit einem König und einem Umzug als Parodie auf die feierlichen Herrscherempfänge. In den Vereinen spielt das „närrische Equipment“ eine

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Hofnarr im 19. Jahrhundert.

identitätsstiftende Rolle. Dazu zählen die Narrenzahl Elf (mehr als zehn, weniger als zwölf – Beginn am 11. 11., Elferrat), Narrenkappe, Orden, Rufe und Repräsentanten wie Prinzenpaar und Mädchengarde. Von Salzburg und Oberösterreich ausgehend sind auch in Österreich Faschingsgilden entstanden. Sie haben sich 1962 zum „Bund Österreichischer Faschingsgilden, Vereinigung für Fasching-, Fasnacht- und Carnevals-Brauchtum in Österreich“ (BÖF) zusammengeschlossen. Nach fast einem halben Jahrhundert sind es rund 130 Vereine. Der erste in Niederösterreich konstituierte sich 1968 in Mödling. Inzwischen besitzt das größte Bundesland auch die meisten Vereine, nämlich 35. Ihre Zahl hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten verdoppelt. Sie sind Mitglied der Volkskultur Niederösterreich. Jedes Jahr gibt es eine neue Narrenhauptstadt, 2013 ist es Hainburg. / Text: Helga Maria Wolf Illustrationen: Magdalena Steiner


Nachruf / 17

In Gedenken an Gerlinde Haid (1943–2012)

GRANDe DAME DER VOLKSMUSIK Ein Nachruf von Walter Deutsch.

einer umfassenden Tondokumentation zur „musica alpina“ machen Gerlinde Haid zu einer unvergesslichen und herausragenden Persönlichkeit innerhalb der Volksmusikforschung in Österreich.

Gerlinde Haid.

Am 29. November 2012 verstarb in Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Gerlinde Haid, welche von 1994 bis 2011 das von mir 1965 gegründete Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien leitete. Die damit verbundene „Lehrkanzel für Geschichte und Theorie der Volksmusik“ bildete für Gerlinde Haid die wissenschaftliche Basis für Lehre und Forschung, welche sie in Zusammenarbeit mit gleichen Instituten in verschiedenen europäischen Staaten zu einer beachtenswert hohen Stufe führte. Die mehrbändige Fortsetzung der „Schriften zur Volksmusik“, die thematische Vielfalt ihrer Publikationen und die Herausgabe

Gerlinde Haids forschender Anfang lag in Niederösterreich. Ihre volkskundliche Dissertation über das „Neujahrssingen in Niederösterreich“ entstand 1974. Zwei Jahre später, 1976, übernahm sie das Generalsekretariat des „Österreichischen Volksliedwerkes“. Zu dieser Funktion kam auch die Verantwortung für das „Volksliedarchiv für Wien und Niederösterreich“ hinzu, welches sie gemeinsam mit Herbert Rathner nicht nur durch archivarische und bibliothekarische Vorgaben zu einer überschaubaren großartigen Materialsammlung ausbaute, sondern es auch durch die Ergebnisse aus eigenen Feldforschungen bereicherte. Aufbau und Ausbau des „Zentralarchivs“ bildeten einen weiteren Forschungsauftrag, den es zu erfüllen galt. Von 1989 bis 1994 wirkte Gerlinde Haid als Assistentin an der Errichtung und wissenschaftlichen Festigung des „Instituts für Musikalische Volkskunde“ in Innsbruck. Hier schuf sie, auf neuen Forschungswegen schreitend, gemeinsam mit dem Institutsleiter Josef Sulz, eine eigene Publikationsreihe von weit reichender Wirkung. Zurückgekehrt nach Wien, vollendete Gerlinde Haid als „ordinaria“ an der Universität für Musik und darstellende Kunst ihren Lehr- und Forschungsauftrag, welcher aber

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durch ihren frühen Tod im akademischen Stand einer „emerita“ keine Fortsetzung finden konnte. Die österreichische Volksmusikforschung trauert um diese von vielen Freunden geliebte, bewunderte und verehrte Frau: Gerlinde Haid. / Text: Walter Deutsch Foto: Elisabeth Waltner/Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie in Wien

CHORDOPHONE

——————————————————— Walter Deutsch und Gerlinde Haid: CHORDOPHONE Musikinstrumente Teil 2 224 Seiten, Abbildungen Verlag Österreichisches Museum für Volkskunde ISBN 978-3-902381-20-0 www.volkskundemuseum.at Eines der letzten Bücher, an denen Gerlinde Haid arbeitete, ist die Darstellung der Sammlung historischer Saitenmusikinstrumente aus dem Museum für Volkskunde, Wien. Nach einleitenden Aufsätzen wird kapitelweise jedes Instrument (Zither, Hackbretter, Drehleiern, Guslen, Streich- und Zupfinstrumente) vorgestellt und die Exponate beschrieben. Historische Dokumente zur Herkunft der Instrumente (aus den Weiten der k. k. Monarchie) sorgen für abwechslungsreiche Informationen.


Chorszene / 18

Vielstimmig

NATURereignisse Die Konzertreihe „Vielstimmig“ ist eine Kooperation des Festspielhauses St. Pölten mit der Chorszene Niederösterreich.

Mit Haydn im Festspielhaus: der Chor Ad Libitum. Foto: atelier olschinsky

Lassen Sie sich von Stimmen aus verschiedenen Ländern, Epochen und Stilrichtungen verführen! So mannigfaltig wie die Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Stimme sind die Veranstaltungen in diesem Abonnement: Neben der Wucht eines bulgarischen Frauenchores, der Leidenschaft von Gospel und Jazz und prachtvollen Oratorien von Bach und Haydn ist diesmal auch ein Tanzstück von Sidi Larbi Cherkaoui dabei, das von der korsischen A-cappella-Gruppe A Filetta live begleitet wird.

Bulgarian Voices Naturereignisse können auch in geschlossenen Räumen passieren. Etwa dann, wenn die 24 Frauen der Gruppe The Bulgarian Voices – ANGELITE ihre Stimmen erheben und im Nu ganze Konzertsäle in ihren Bann ziehen. Äußerlich wirkt der A-cappellaChor wie eine grellbunte Volkstanztruppe, doch die Mischung aus aberwitzigen Rhythmen und verwegenen Akkorden, der schlicht unverblümt direkte Klang fegen

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jeden Verdacht des Folklore-Kitschs umgehend aus den Gehörgängen der Zuhörer. Unzählige TV-Produktionen und CDs (inklusive Grammy-Nominierung) lassen die Kunst der Bulgarian Voices auch jenseits der Konzertsäle lebendig werden. Übrigens: Die Frage nach Klassik, Zeitgenössischem, Volksmusik oder sonstiger Schubladisierung stellt sich bei den Bulgarian Voices nicht. Völlig selbstverständlich fließen hier Musikstile, Zeiten und Traditionen zusammen. Die Wurzeln ihres Singens gehen auf Ge-


Chorszene / 19

Stimmen von enormer Strahlkraft: The Bulgarian Voices – ANGELITE.

sangstechniken des Orients im Mittelalter zurück (oder gar noch weiter). Ganz leicht und doch mit trompetengleicher Strahlkraft schmettern die Sängerinnen ohne Anstrengung die kräftigsten Töne in den Raum – ein wahrhaft archaisches Erlebnis, sowohl bei orthodoxer Kirchenmusik als auch bei traditionellen bulgarischen Volksliedern. Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs galten die 24 Damen noch als Geheimtipp in der westlichen Kunst-Hemisphäre. Heute zählen The Bulgarian Voices – ANGELITE, international heiß begehrt, längst zur Weltelite ihrer Zunft.

alles gegossen in vielfach lautmalerische, unmittelbar verständliche Klänge im Sinne des in Rousseaus Philosophie zentralen Gedankens „Zurück zur Natur!“, den der Librettist Gottfried van Swieten nach einer englischen Vorlage propagiert und der in unserer Zeit längst eine neue Dringlichkeit angenommen hat. Unter der bewährten Leitung von Heinz Ferlesch werden der Chor Ad Libitum, das Ensemble Sonare Linz und ausgesuchte Solisten Haydns bildhafte Musiksprache ebenso neu zum Leben erwecken wie die erhebende, mitreißende Größe der „Jahreszeiten“.

Joseph Haydn: Die Jahreszeiten

Rund um Bach

„Einen so komischen Kontrapunkt und eine so besoffene Fuge habe ich noch nie geschrieben.“ Vergnügt kommentierte Joseph Haydn einst die große Szene im „Herbst“ seines Oratoriums „Die Jahreszeiten“, in der die Landleute bei einem Weinfest nicht nur zu Dudelsackklängen das Tanzbein schwingen, sondern zuletzt auch noch ein wahres Trinkgelage feiern, das an beschwipster Ausgelassenheit kaum zu überbieten ist. Aber nicht nur den Rebensaft feiert das ebenso monumentale wie volkstümliche Werk, sondern auch allerlei weitere Ereignisse im Jahreskreis: das Weichen des Winters vor dem Frühling, die Arbeit des Ackermanns, Dämmerung und Sonnenaufgang, brütende Hitze und ein schreckliches Sommergewitter, die Jagd mit schmetterndem Hörnerschall, Morgennebel, klirrende Kälte und den häuslichen Fleiß an langen Abenden –

„Die Bachen“ – ein Begriff, der lange Zeit in deutschen Landen als Synonym für Musiker an sich galt. Dabei war es einerlei, ob die diversen Stadtpfeifer, Organisten oder Komponisten tatsächlich „Bachen“ waren, also der weit verzweigten Familie Bach angehörten, oder nicht. Johann Sebastians Vorund Nachfahren waren der Tonkunst verschrieben und prägten die Musikgeschichte nachhaltig. Otto Kargl bringt neben den eindrucksvollen „Musikalischen Exequien“ von Heinrich Schütz mit der Domkantorei St. Pölten Motetten aus dem Schatz des „Altbachischen Archivs“ zu Gehör, einer Sammlung, die seinerzeit Johann Sebastians Vater begonnen hat. „Die Bachen“: große Tradition, zeitlose Musik. /

VIELSTIMMIG

——————————————————— Do, 21. 2. 2013, 19.30 Uhr, Großer Saal Bulgarian Voices The Bulgarian Voices – ANGELITE Sa, 23. 2. 2013, 19.30 Uhr, Großer Saal Joseph Haydn: Die Jahreszeiten Chor Ad Libitum, Ensemble Sonare Linz Solisten: Maria Erlacher, Sopran; Daniel Johannsen, Tenor; Josef Wagner, Bass Dirigent: Heinz Ferlesch Einführungsgespräch eine Stunde vor der Vorstellung So, 24. 2. 2013, 19.30 Uhr, Box Rund um Bach Werke von Heinrich Schütz, Johann Christian Bach, Johann Michael Bach u. a. Domkantorei St. Pölten Solisten: Pierre Pitzl, Viola da Gamba; Ludwig Lusser, Orgel Leitung: Otto Kargl Kartenbestellung und Information: Festspielhaus St. Pölten Kulturbezirk 2, 3100 St. Pölten Mo–Fr (werktags): 9.00–17.00 Uhr Tel. 02742 908080-222 karten@festspielhaus.at www.chorszenenoe.at

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Tage der Neuen Musik / 20

Krems

netzwerk neue musik Die „Tage der Neuen Musik“ und ein Netzwerk der eingebundenen Organisationen geben Komponisten aus Niederösterreich ein Podium.

ins Leben gerufen und mit Partnern in ein „Netzwerk“ umgesetzt. Einer seiner wichtigsten Intentionen dabei: der Musik von Komponisten aus Niederösterreich ein Podium zu geben. In diesem Rahmen wurde der Kompositionswettbewerb „ZEITklang“ diesmal ausdrücklich für Komponisten aus Österreich ausgeschrieben – und auf Anhieb wurden 33 Partituren eingesandt. Und aus diesem Grund waren die beiden Abendkonzerte ausschließlich Werken heimischer Komponisten gewidmet. Die Musikfabrik hat als Vernetzungsbüro vom Land Niederösterreich die Aufgabe übernommen, über die Marke „musik aktuell – neue musik in nö“ landesweit das Erklingen von Musik unserer Zeit zu fördern. Gottfried Zawichowski: „Wir machen das nun schon seit 15 Jahren und betreuen alleine in diesem Jahr nahezu 100 Veranstaltungen an fast 40 Spielstätten.“ Die „Tage der Neuen Musik“ fanden in der Donau-Universität Krems statt. Hier ist das „Zentrum für Zeitgenössische Musik“ das von Dr. Eva Maria Stöckler geleitete Institut, das nicht nur eine Reihe von postgradualen Studien anbietet, sondern auch im Bereich der Forschung tätig ist – beispielsweise beherbergt es den Vorlass von Friedrich Cerha. /

NETZWERK NEUE MUSIK

Das neugegründete Max Brand Ensemble unter der Leitung von Christoph Cech bei der Probenarbeit. Foto: Elia Zilberberg

Die „Tage der Neuen Musik“ 2012 in Krems wurden besonders lange und sorgfältig vorbereitet. Der NÖ Kultursenat hat das Thema „Neue Musik“ dank einer Initiative des Komponisten, Musikers und Leiter der Jazzabteilung der Anton-Bruckner-Universität Linz, Christoph Cech, zu seinem Arbeitsschwerpunkt erklärt. Daher waren die Veranstaltungen rund um das „Kulturgespräch“ des Kultursenates arrangiert. „Musik unserer Zeit hat es nicht immer leicht, das merkt man bereits, wenn man sie überhaupt einmal definieren möchte. Nahezu jede Diskussion zu diesem Thema verstrickt sich in die Frage, was denn überhaupt unter Neuer Musik zu verstehen sei“, so der Geschäftsführer der

Musikfabrik Niederösterreich, MMag. Gottfried Zawichowski. „Einerseits haben wir so viel aktuelle Musik in unserem Leben wie nie zuvor, anderseits versteht sich die zeitgenössische Musikszene aber nicht als Vertreterin des Populären und des Mainstream. Daher bleibt die so genannte ,klassische Moderne‘ – ein Ausdruck, der in sich schon widersprüchlich ist – sowohl in der Programmierung als auch in der Rezeption eine Randerscheinung. Wir vom Netzwerk Neue Musik in NÖ versuchen, dies zu ändern.“ Die „Tage der Neuen Musik“ wurden vor drei Jahren von Richard Graf von der INÖK (Interessengemeinschaft NÖ KomponistInnen)

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——————————————————— INÖK – Interessengemeinschaft NÖ KomponistInnen AGMÖ – Arbeitsgemeinschaft Musikerziehung Österreich – Landesgruppe NÖ Musikschulmanagement Niederösterreich Landesschulrat für Niederösterreich NÖ Kulturvernetzung Ernst Krenek Institut Donau-Universität Krems Zentrum für Zeitgenössische Musik J. M. Hauer-Konservatorium Wr. Neustadt NÖ Festival-GesmbH – Donaufestival NÖ Festival-GesmbH – Klangraum Krems Klangturm St. Pölten NÖ Kulturszene BetriebsGmbH – Festspielhaus St. Pölten Musikfabrik Niederösterreich


Schwerpunkt Eis / 21

Eiswein

alles oder nichts Eiswein ist verdichtetes Aroma. Die Eisweinernte birgt hohes Risiko und wenig Ertrag.

herrschen: Die hohen Minusgrade sind nicht nur bei der Ernte für die Leser ein Abenteuer, sondern auch immer wieder ein Hasardspiel für das Funktionieren bzw. Nichtfunktionieren der Fahrzeuge und Maschinen. Das „Zuwarten“ auf den ersten „richtigen“ Gefrierpunkt im Winter kann bis in den Februar hinein dauern – und manchmal kommt er nie, weiß der Weinrieder aus seiner drei Jahrzehnte langen Eisweinerfahrung. Zudem: Mit der Eisweinlese wird immer mitten in der Nacht begonnen, da zu dieser Zeit und bis zum Morgengrauen die Temperaturen am tiefsten sind.

Optimale -10° C Der „Friedl-Onkel“ der Familie Weinrieder ist schon über 30 Jahre bei jeder Eisweinlese mit dabei.

„Alles oder nichts“ ist die Maxime bei der Eisweinproduktion generell und so auch beim Weinviertler Rieder Fritz vulgo Weinrieder, den „Schaufenster Kultur.Region“ zu einem Interview über Eiswein auf seinem Weingut in Kleinhadersdorf, nahe Poysdorf, getroffen hat. Birgt eine Weinlese immer ein gewisses Risiko, da Mutter Natur und der Wettergott eben auch ein Wörtchen mitreden und ihr Quäntchen dazugeben, so ist eine Eisweinlese nochmals risikoreicher. Für den Winzer und seine Mannschaft manifestiert sich das erhöhte Risiko vor allem in den extremen Bedingungen, die bei einer Eisweinernte

Das, was Eiswein von anderen Weinen unterscheidet, ist – nomen est omen –, dass die Trauben im gefrorenen Zustand geerntet und gepresst werden. Für die Eisweinlese müssen die Temperaturen mindestens unter -7° C fallen, ideal ab -10° C. Bei diesen Minusgraden sondert sich ein Großteil des Wassers in den Trauben ab und gefriert zu winzigen Eiskristallen. Wenn man nun in diesem Zustand die Trauben presst, bleibt das Wasser respektive die Eiskristalle über bzw. in der Presse zurück. Das Resultat ist ein hochkonzentrierter Most mit intensiven Inhaltsstoffen wie Frucht, Traubenzucker, Säure und Aromen. Die fertigen Eisweine sind extrem süß und verfügen in der Regel über ein ideales und ausgewogenes Verhältnis von natürlicher

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Süße und kräftiger Säure. Nicht alle Sorten eignen sich optimal für Eisweine – bevorzugte Sorten sind dabei Müller-Thurgau, Welschriesling und vor allem Riesling. „Beim Eiswein konzentriert und potenziert sich alles – die Ernte, die Umstände, die Risken!“, so der erfahrene Winzer Fritz Rieder. Und er meint weiters passioniert: „Für mich ist Eiswein wie eine Sucht!“ Die Eisweinproduktion ist für ihn ein hochwertiges Nischen- bzw. Nebenprodukt, neben seinem umfangreichen Sortiment an exklusiven Weinviertler Weißweinen. Allerdings ist es der Eiswein, der ihm die meiste Konzentration und auch Nerven abverlangt! Der Faszination Eiswein kann sich fast keiner entziehen – geschmacklich und des „Produktionskrimis“ wegen: viel Mühe, extreme Rahmenbedingungen, hohes Risiko, kleiner Ertrag. Entsprechend begehrt und hoch dekoriert sind daher die wenigen Flaschen, wenn es zu einer Ernte kommt … / Text: Freya Martin Fotos: Weingut Weinrieder

WEINGUT WEINRIEDER

——————————————————— Fritz und Melanie Rieder Untere Ortsstraße 44 2170 Kleinhadersdorf/Poysdorf Tel. 02552 2241 www.weinrieder.at


Waldviertel / 22

Eisgarn

mehr als genug stille Viele geheimnisvolle Orte gibt es im Waldviertel. Was liegt im Winter näher, einen Ort zu besuchen, der, so scheint es, nach dem „Eis“ benannt wurde. Zusätzlich hat der Ort als „Braunschlag“ durch eine Fernsehserie besondere Bekanntheit erreicht.

Lärchenallee von Heidenreichstein nach Eisgarn. Foto: Franz Hubmann/Imagno

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Waldviertel / 23

Begeben wir uns von Heidenreichstein aus in nördliche Richtung zu den böhmischen Nachbarn, woher auch Eisgarns erste Siedler vor mehr als 800 Jahren gekommen sein mögen. Ziemlich geradlinig führt die alte Hauptstraße durch den „Räuberswald“ nach Eisgarn. Vor der Ortschaft öffnet sich der Wald zu Wiesenland mit seinen typischen „Augen“, wie die Teiche genannt werden. Was den Landstrich so attraktiv für Ruhesuchende aus der Großstadt macht, bereitet den Ortsverantwortlichen oftmals Probleme. Das gilt auch für Eisgarn, das beachtlich viel an Bevölkerung verloren hat. In den letzten 60 Jahren hat sich die Einwohnerzahl halbiert. 670 Personen haben hier ihren Hauptwohnsitz. Aber auch von diesen müssen viele pendeln und die Jugend wird in entfernten Städten ausgebildet. Eine Einsamkeit in Eisgarn und rundum in den Dörfern, die von Gästen als Wohltat empfunden wird, die Einwohner aber manchmal sorgenvoll stimmt. Besonders dann, wenn der Winter auf das Land drückt. Trotzdem, mit „Eis“ hat der Name des Ortes nichts zu tun. Er beweist vielmehr, dass Slawen im Mittelalter hier Teile des „Nordwaldes“ in landwirtschaftlich nutzbares und für Siedlungen geeignetes Land umgewandelt haben. Aus dem Slawischen stammt der Ortsname – mit „Izgorje“ ist eine ausgebrannte Stelle genannt. Die Landesfürsten, konkret der Habsburger Albrecht II., hatten oft Geldsorgen. So verpfändeten sie ihre Güter. Die Grenzgrafschaft Litschau wurde als Pfand an Johann von Klingenberg gegeben. So geschehen 1294. Und diesem Umstand verdankt Eisgarn seine Erstnennung. In der Folgezeit kam es 1330 zur Gründung des Säkularkanonikerstiftes Eisgarn. Das Kollegialstift ist eine Vereinigung von Weltpriestern. Die Probstei Eisgarn ist das kleinste Stift Österreichs. Die bereits 1393 urkundlich erwähnte Schule im Stiftsgebäude besteht noch heute und zählt zu den ältesten Volksschulen Niederösterreichs.

Jenseits von Braunschlag „Wir leiden sehr unter der Abwanderung der Jugendlichen aufgrund der miserablen Arbeitssituation. Wenn sie einmal weg sind, kommen sie nicht mehr“, so Bürgermeister Karl Mader im Gespräch. Es gibt einen Kindergarten und eine Volksschule. Lange Zeit

gab es kein Gasthaus mehr. Die Menschen arbeiten in der Landwirtschaft, in einem Tischlereibetrieb, dem Lagerhaus sowie einer Mechanikerwerkstätte. Es gibt keine Post mehr, dafür hat die Gemeinde wieder ein Gasthaus und ein Lebensmittelgeschäft ins Leben gerufen. Es gibt einen Sportverein, die Feuerwehr und einen Seniorenbund, dessen Mitglieder sich wöchentlich zum Singen und Tanzen treffen. Aktiv ist die Landjugend mit Theateraufführungen, einem Landjugendball, Traktorgeschicklichkeitsfahren und Stehschlittenrennen. Jahrzehntelang gab es diese Tradition nicht mehr. Heuer werden in der Region wieder die Stehschlittenrennen (auch Zacherl genannt) veranstaltet. Es ist ein Brett mit zwei Kufen darunter, worauf die Rennläufer stehen und sich mit einem langen Stock am Eis fortbewegen. Die Landjugend lässt diesen alten Brauch wieder aufleben. Die kulinarische Spezialität im nördlichen Waldviertel, besonders in Eisgarn, sind Mohnnudeln mit Sauerkraut. Werden die Mohnnudeln im südlicheren Waldviertel eher süß mit Apfelmus als Beilage verspeist, so werden sie hier salzig gegessen. Zur Fernsehserie „Braunschlag“ meint Bürgermeister Mader, dass es sich um eine leicht übertriebene und überspitzte Darstellung der Menschen dieser Region handelt. Ein wenig Wahrheit sei schon dabei – so Mader sinngemäß –, welche manche hier auch verleugnen, aber so ehrlich sollte man schon sein und zu ihr stehen.

Steine mit Geschichte Anziehend sind die Steinformationen, die Geschichten erzählen und die Phantasie anregen. Der „Kolomanistein“ besteht aus zwei übereinanderliegenden Granitblöcken. Wobei sich im oberen – obwohl er kein richtiger Schalenstein ist – ständig Wasser befindet. Über dieser Wanne wurde 1713 ein kapellenartiger Bildstock erbaut, in der die Statue des hl. Koloman steht. Man erzählt sich, Koloman soll am genannten Stein an seiner Pilgerfahrt Rast gehalten und seine Füße im Wasser gebadet haben. Seither soll das Wasser bei Fußleiden heilsam sein. Hier spricht man von einer typischen Rastsage. Durch ihre Anwesenheit bewirkt die heilige Person wundertätiges Wasser, wobei Wasser, das sich in Steinschalen hält, und frisch sprudelnde Quellen gleiche Heilkraft besitzen.

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Der Kolomanistein. Foto: Günther Z.

Die hartherzigen Einwohner sollen Koloman des Ortes verwiesen haben, sodass er bei diesem Stein eine Raststätte fand. Um Niederösterreichs vormaligen Landespatron Koloman, der um 1012 als Spion angesehen und hingerichtet wurde, ist es ziemlich still geworden. Obwohl Eisgarn nach der Grabstätte Kolomans in Melk der bedeutendste Gnadenort in Niederösterreich war. Die Forcierung der Heiligenverehrung ging allerdings nicht von Melk aus, vielmehr versuchte der Burggraf von Nürnberg, mütterlicherseits den Raabser Grafen entstammend, erfolgreich, dem Hausheiligen seiner Stammburg Chrögling, eben Koloman, in der neu erworbenen Grafschaft Litschau um 1200 eine Verehrungsstätte zu verschaffen. Letztendlich ist die Region um Eisgarn eine faszinierende Gegend. Die Gebäude, die Wirtshäuser, die Landschaft oder die Ortszentren schauen fast genauso aus wie früher. Was für die heimische Jugend ein Problem darstellt, zieht andere wiederum an. In der Stille und seiner Kraft, welche viele Künstler zu schätzen wissen, in seiner Ruhe und seiner frischen Luft liegen die wahren Qualitäten des Waldviertels. / Text: Andreas Teufl

EISGARN

——————————————————— Gemeindeamt 3862 Eisgarn, Stiftsplatz 9 Tel. 02863 336 www.markteisgarn.at


Weinviertel/Waldviertel / 24

Literatur

OBER UND UNTER DEM MANHARTSBERG ARTSchmidatal und B4B sind lebendige Literaturinitiativen, die Wein- und Waldviertel miteinander verbinden.

Team B4B, v. l. n. r.: Walter Kogler, Leonora Klik, Mag. Hannelore Lazarus, Charlotte Marischka, Irmgard Jirkowsky, DI Rudolf Bulant, Markus Grüner, Elisabeth Hübl, Friedrich Damköhler. Foto: B4B

Der Verein ARTSchmidatal wurde 2005 gegründet und ist eine Gruppe von Künstlern aller Kunstrichtungen. Die Mitglieder sind entweder im Schmidatal wohnhaft oder pflegen zu dieser Region eine enge Beziehung. Die Hauptziele des Vereins sind, das künstlerische Potenzial der Region zu erfassen, zu fördern und zu publizieren.

ARTSchmidatal Der Verein bietet eine Plattform für Talente der Kunstrichtungen Malerei, Fotografie, Glaskunst, Skulptur, Literatur, Schauspiel und Musik. Sie bietet in der Gemeinschaft Diskussionen, Auseinandersetzungen, sucht sich Interessenkonflikten zu stellen, Alter-

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nativen zu finden, Kritik und Beurteilung zu erkennen lernen und sich der künstlerischen Befruchtung auszusetzen. Die Mitglieder gehen gemeinsam Wege der Verwirklichung, um trotzdem selbständig zu bleiben. Der Verein ist Betreiber der „ARTS Galerie im Konzerthaus Weinviertel“, in der ganzjährlich Ausstellungen von nationalen und in-


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Sozusagen ein Bücherwurm – das Team B4B. Foto: B4B

ternationalen Künstlern der verschiedensten Kunstrichtungen stattfinden. Die Vernissagen der Ausstellungen sind zu einem gesellschaftlichen Highlight der Region geworden. Als weitere Veranstaltungsorte konnten der Heldenberg bei Klein Wetzdorf und der Brandlhof in Radlbrunn gewonnen werden. Die Literatur wird im Verein groß geschrieben, Autoren des Vereines sowie Gastautoren bieten bei zahlreichen Lesungen an verschiedenen Kulturstätten hohe Qualität. Die ARTSchmidatal Künstlervereinigung ist Partner des B4B Kulturportals – ARTSchmidatal – Verlag Berger Horn/Wien, ist Mitglied der Niederösterreichischen Volkskultur sowie der LEADER Regionen Weinviertel-Manhartsberg und Waldviertel und der NÖ Kulturvernetzung.

B4B Eine Bundesstraße, die als Namensgeber für einen Kulturverein Pate steht, ist ungewöhnlich. Die B4, die durch das Weinviertel ins Waldviertel führt, steht für B4. Das zweite B steht für Bücher und bildende Kunst. Der Gründungsgedanke des Vereins zur Vernetzung der Kulturregionen ober und unter dem Manhartsberg wurde von der Verlagsleiterin Elisabeth Hübel vom Verlag Berger Horn/Wien geboren. Mit dem ARTSchmidatal-Literaten Rudolf Bulant erfolgten erste Schritte zu einer Kooperation mit dem Verein ARTSchmidatal. Ziel des Kulturportals ist, das künstlerische Potenzial der Region zu erfassen und zu fördern. B4B wird eine Plattform für junge Künstlerinnen und Künstler aller Kunstrichtungen im Wald-

und Weinviertel aufbauen. Besonderen Wert legen die engagierten Mitglieder darauf, sich als Podium für junge Autoren zu sehen und Projekte für Kindergärten und Schulen anzubieten. Jugendliche sollen in Schreibakademien Gefallen am geschriebenen Wort finden, um selbständig an der Literatur teilhaben zu können. In Malakademien können Jugendliche wie Erwachsene ihre Fähigkeiten ausloten und ihr künstlerisches Potenzial fördern.

die Möglichkeit, ihre Schriften in verschiedenen Lokalen des Waldviertels vorzutragen. Einige dieser Lesungen werden auch von Waldviertler und Weinviertler Autoren gemeinsam gestaltet. Durch die Kooperation mit dem Verlag Berger Horn/Wien konnte auch eine Basis zu einer Veröffentlichung geschriebener Werke gefunden werden. / Text: Friedrich Damköhler

B4B & ARTSchmidatal Im Vorfeld ist es der ARTSchmidatal gelungen, nun schon einige Jahre Literatur in allen „Preislagen“ zu fördern. Waren es zu Beginn Lesungen und Buchpräsentationen der ARTSchmidatal Literaten zu diversen Veranstaltungen, so machte sich die „schreibende Szene“ des Vereines selbständig und veranstaltete eigene literarische Events. Die zu 90 Prozent aus eigenen Werken bestehenden Vorträge wurden im Laufe der Zeit immer mehr angenommen. Und so konnte man sich auch an verschiedenen Veranstaltungsorten etablieren. Die permanenten Lesungen der ARTS fanden hauptsächlich am Brandlhof Radlbrunn, im Konzerthaus Weinviertel, am Stefanshof Ziersdorf und am Heldenberg in Klein Wetzdorf statt. Mit der Gründung des Kulturportal B4B, einer Kooperation der Buchstadt Horn, der ARTSchmidatal und Verlag Berger Horn/Wien konnten neue Wege der Darbietung gefunden werden. Seit 2012 können nun die Literaten des Horner Raumes bei den Lesungen am Brandlhof Radlbrunn ihre Werke präsentieren, und die Autoren der ARTS haben

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KAFFEEHAUSLITERATUR

——————————————————— Do, 14. 2. 2013, 19.00 Uhr Friedrich Damköhler – Lyrik und Prosa Helga Maria Hornbachner – Literarische Kleinigkeiten Restaurant mund.Art 3500 Horn, Kunsthaus Horn Do, 14. 3. 2013, 19.00 Uhr Rudolf Bulant Benjamin Panholzer Café Kramerey 3730 Eggenburg, Grätzl 2 ARTSchmidatal 3710 Ziersdorf, Teichweg 2 Tel. 0664 5014862
 www.art-schmidatal.at Kulturportal B4B 3580 Horn, Wiener Str. 80 Tel. 0664 73326900 www.b4buch.at


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Frisch, saftig, mostviertlerisch

opfekompott Das Ensemble spielt mit süß-säuerlicher Note zwischen Blues und Volksmusik – erfrischend anders.

Stefan Zeuner, Michael Flieger, Erich Kirchner und Klaus Buchmann.

Der Name lässt schon erahnen, die Musik dieser Band ist fruchtig, erfrischend und sehr bekömmlich. Das Rezept klingt einfach und eignet sich bestens für Zuhörer, die gerne Selbstkomponiertes im Mostviertler Dialekt mögen – angerichtet mit etwas Blues, Rock, Country und einem Schuss Volksmusik. Das Ensemble „Opfekompott“ kreiert mit ihrem innovativen Stil eine außergewöhnliche Gaumenfreude. Erich Kirchner (Schlagzeug) und Klaus Buchmann (Bass) bilden den soliden Grundgeschmack, Michael Flieger (Gesang, Gitarre) und Stefan Zeuner (Gesang, Gitarre) sorgen mit ihren Texten und Kompositionen für süße und säuerliche Nuancen. Für die geschmackliche Vollendung zeichnen Anton Burger mit der Geige oder Josef KolarzLackenbacher mit der Klarinette verantwortlich. „Opfekompott“ ist eine Mischung aus der Musik, die Stefan Zeuner und Michael

Flieger seit ihrer Jugend beeinflusst hat. Dazu schreiben sie Texte aus Selbsterlebtem oder Überliefertem aus ihrem Umfeld in der Sprache, in der sie sich auch verständigen, nämlich im Dialekt aus dem Mostviertel in Niederösterreich. In den 1990er Jahren als Rockgruppe „KAEMHA“ regional bekannt, zwischendurch bei diversen Benefizkonzerten zu sehen, entschlossen sich die beiden, unter neuem Namen wieder eigene Kompositionen zu veröffentlichen. Mittlerweile gibt es drei CDs, eine weitere ist gerade in Produktion. 2008 entstand die CD „koid serviert“, 2010 „Frisch vom Laund“ und Ende 2012 die Weihnachtsbenefiz-CD „Waun da Winter kummt“ für „Licht ins Dunkel“. Im März wird die neueste CD, „voi gsund“, präsentiert. Der Termin wird rechtzeitig bekannt ge-

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geben. Neben den Bandmitgliedern spielen bei den Aufnahmen auch Gastmusiker wie Franz Schaufler oder Otto Lechner mit, auch bei Live-Konzerten werden meist befreundete Musiker als Gäste eingeladen. /

OPFEKOMPOTT

——————————————————— Do, 14. 3. 2013, 20.00 Uhr Gasthaus zum schwarzen Ochsen 3142 Murstetten www.blackox.at Fr, 15. 3. 2013, 20.30 Uhr DAKIG 2230 Gänserndorf www.dakig.at www.opfekompott.at


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aufhOHRchen im Festspielhaus

Volksmusik

SCHENE LIADA, HARBE TANZ

ORF RADIO NÖ FRÜHSCHOPPEN

Die Volkskultur Niederösterreich bringt alpenländische Volksmusik und das Wienerlied ins Festspielhaus St. Pölten.

Der Trachten- und Jägerfrühschoppen kommt dieses Mal aus Stephanshart bei Ardagger.

Die Neuen Wiener Concert Schrammeln. Foto: Clemens Fabry

Der Radio NÖ Frühschoppen wird aus Stephanshart übertragen. Foto: z. V. g.

Herausragende Volksmusikensembles lassen unter dem Motto „aufhOHRchen“ diesmal Tanzmusik im Großen Saal des Festspielhaus St. Pölten erklingen. Das Konzert ist ein Fixpunkt im musikalischen Veranstaltungskalender der Volkskultur Niederösterreich, der Volksmusikfreunde seit Jahren im ganzen Land begeistert. Jedes Jahr widmet sich dieses Konzert einem ganz bestimmten Thema der Volksmusik. Mit dem diesjährigen Konzert „Schene Liada, harbe Tanz’“ bringt die Volkskultur Niederösterreich die alpenländische Volksmusik und das Wienerlied ins Festspielhaus, interpretiert von den besten Musikensembles Österreichs: den Weana Tanz’ als kleine, aus Ländlermelodien gestaltete Form des Liedes und die wunderschönen Lieder der Alpen. Herausragende Volksmusikensembles gestalten das Konzert. Dazu gehören das Duo Gradinger-Koschelu, die Neuen Wiener Concert Schrammeln, die Tanzgeiger, die Goiserer Klarinettenmusi und die Hollerschnapszuzler. Eine Veranstaltung von Volkskultur Niederösterreich und Festspielhaus St. Pölten. /

Beim ORF Radio NÖ Frühschoppen am 17. Februar, der österreichweit ausgestrahlt wird, steht das Thema Tracht ganz im Mittelpunkt, organisiert von der Gemeinde Ardagger mit der Jägerschaft im Bezirk Amstetten gemeinsam mit der Volkskultur Niederösterreich. Für musikalische Stimmung sorgen die Trachtenmusikkapelle Stephanshart und eine weitere Gruppe.

Schene Liada, harbe Tanz

———————————————————————————————— Sa, 16. 3. 2013, 19.30 Uhr Festspielhaus St. Pölten, Großer Saal Information und Karten Tel. 02742 908080-222, ermäßigte Karten nur für Mitglieder der Regionalkultur.Niederösterreich unter Tel. 02275 4660 www.festspielhaus.at

Um 9.30 Uhr kann die Messfeier in der Pfarrkirche Stephanshart besucht werden, die vom Mostviertler Jägerinnenchor musikalisch umrahmt wird. Der anschließende Frühschoppen findet im Gasthaus Kremslehner statt. Ab 11.00 Uhr erfahren Sie Wissenswertes und Neues über Tracht. Die Moderation übernimmt Hannes Wolfsbauer. In lustiger Atmosphäre können traditionelle und jagdliche Schmankerl aus der Mostviertler Küche genossen werden. /

ORF RADIO NÖ FRÜHSCHOPPEN

———————————————————————————————— So, 17. 2. 2013 Landgasthof Kremslehner 3321 Stephanshart 1 Information Tel. 0664 8208594 (Claudia Lueger) www.aufhOHRchen.at

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Mostviertel / 28

Volksmusik

SELBERg’strickts Ein Volksmusikabend der besonderen Klasse mit den Innbrügglern und den Mostviertler BlechMusikanten.

Franz Posch. Foto: z. V. g.

Einen musikalischen Leckerbissen der besonderen Art kann man bei einem Konzert mit Franz Posch und seinen Innbrügglern gemeinsam mit den „Mostviertler BlechMusikanten“ am 23. Februar im Stadtsaal Mank erleben. Unter dem Namen Mostviertler BlechMusikanten sind die Musiker Christian Dollfuß, Thomas Zimola, Robert Wagner, Bernhard Thain und Reinhard Dollfuß seit dem Jahr 2008 unterwegs. Vormals hieß die Gruppe „Albert & seine Musikanten“, mit der die Vollblutmusiker aus dem Texingtal groß geworden sind. Dabei haben sie eine große Portion Humor, aber vor allem musikalische Perfektion mitgenommen. Ohne Verstärker und vor allem mit viel Freude an der Musik erstreckt sich ihr Repertoire von Volksmusik, Weisen über klassische bis hin zu moderner Musik. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine enge musikalische Freundschaft zu Franz Posch.

Franz Posch begann schon im Alter von vier Jahren Ziehharmonika zu spielen, später erlernte er dann Trompete, Klavier, Klarinette und diverse Volksinstrumente. Der promovierte Doktor der Philosophie unterrichtete am Akademischen Gymnasium in Innsbruck, war Mitglied der „Tiroler Kirchtagsmusig“, leitete die „Dixielanders Hall“ und gründete 1991 die Gruppe „Innbrüggler“. Seit Ende der 70er Jahre ist er Gestalter von diversen Musiksendungen, seit 1988 Präsentator der beliebten Fernsehreihe „Mei liabste Weis“. Das ungemein umfangreiche Repertoire umfasst Volksweisen, Blasmusikmärsche, Inntaler Stücke und so genannte „Selberg’strickte“, wie Franz Posch unter anderem zu sagen pflegt. Anliegen der „Innbrüggler“ ist es, die Tanzlmusig so frisch und lebendig wie möglich zu spielen, es ist auch sehr viel Raum für Improvisation möglich. Die „Mostviertler BlechMusikanten“ und die „Stadtkapelle Mank“ freuen sich sehr über regen Besuch. /

VOLKSMUSIKSENDUNGEN DES ORF

——————————————————— ORF 2 Wetter-Panorama, tägl. 7.30–9.00 Uhr ORF 3 Unser Österreich Sa, 17.00 Uhr, Mo, 12.00 Uhr RADIO NIEDERÖSTERREICH aufhOHRchen, Di, 20.00–21.00 Uhr 5. 2.: Februar, die 5. Jahreszeit Gestaltung: Norbert Hauer 12. 2.: Volkskultur aus Niederösterreich Gestaltung: Dorli Draxler 19. 2.: Die Welt der Chordophone. Historische Saiteninstrumente in der Volksmusik Gestaltung: Edgar Niemeczek 26. 2.: Volksmusikalische Kostbarkeiten Gestaltung: Walter Deutsch

volksmusikabend

„vielstimmig“ – Die Chorszene Niederösterreich Do, 20.00.–20.30 Uhr

Sa, 23. 2. 2013, 20.00 Uhr

14. 2., Gestaltung: Heinz Ferlesch 28. 2., Gestaltung: Gottfried Zawichowski

——————————————————— Franz Posch und seine Innbrüggler & Mostviertler BlechMusikanten Stadtsaal Mank 3240 Mank, Schulstraße 1 Karten: VVK: EUR 15,00, AK: EUR 17,00 Kinder/Schüler/Studenten: EUR 8,00 Sparkasse NÖ Mitte West Mank Tel. 050 10025006 www.musikkapellemank.at

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G’sungen und g’spielt & für Freunde der Blasmusik Mi, Do, 20.00–21.00 Uhr Musikanten, spielt’s auf Fr, 20.00–21.00 Uhr Frühschoppen So, 11.04–12.00 Uhr Programmänderungen vorbehalten. Detailprogramme auf www.orf.at


Industrieviertel / 29

aufhOHRchen 2013

wo der berg beginnt aufhOHRchen, Niederösterreichs größtes Festival der Volksmusik, findet heuer in Gloggnitz statt. Ein Stadtporträt der Gemeinde im Schwarzatal.

Schloss Gloggnitz. Foto: z. V. g.

„Von Wien bis Gloggnitz rechts sitzen.“ So empfahl es ein „Führer auf den Semmering und seine Umgebung“ aus dem Jahr 1902. Danach sollten die Reisenden der Aussicht wegen den Platz wechseln und links sitzen. Wir aber steigen in Gloggnitz aus. Rund um die Stadt türmen sich die Berge auf. Gloggnitz ist das Tor zur Sommerfrische am Semmering. 1728 wurde ein mittelalterlicher Saumweg zur Straße ausgebaut. In Gloggnitz machten Reisende Station, hier verdienten die Fuhrwerker mit Vorspann ihr Geld. 1842 wurde die Südbahn Wien–Gloggnitz in Betrieb genommen, auf der anderen Seite des Semmerings der Abschnitt Mürzzuschlag– Triest. Die weltberühmte Bergbahn von Carl Ritter von Ghega wurde revolutionsbedingt – 1848 versuchte der Staat durch Schaffung von Infrastruktur, allzu „aufrührerische“ Ideen durch Beschäftigung zu unterbinden – schneller als geplant vorangetrieben. 1854 schon – „ganze Häuser hingen dran“ staunten die

Bergbauern und mit ihnen Peter Rosegger – schraubten sich die Züge über die gemauerten Viadukte, hoch über Gloggnitz erhellten die erleuchteten Abteile die Nacht. Auf einer Anhöhe über dem Ort liegt das Kloster Gloggnitz, als Schloss und vor allem als Hochzeitsschloss bekannt. Die Umbenennung zum Schloss Gloggnitz erfolgte nach der Säkularisierung des Benediktinerklosters. Seine urkundliche Erwähnung findet sich erstmals 1094. Vom Schloss blickt man zum Silbersberg, auf dessen südlichen Hängen sich aufgelassene Terrassen ausmachen lassen. Hier wurden bis ins 18. Jahrhundert Weingärten kultiviert. Unweit von Gloggnitz liegt auf halber Anhöhe Schloss Stuppach, das seit einigen Jahren als Mozartschloss mit Musikveranstaltungen wirbt. Im 18. Jahrhundert war es im Besitz des Franz Graf von Walsegg. Der Mann ließ für seine jung verstorbene Frau ein Requiem schreiben. Er gab es bei Wolfgang Amadeus Mozart in Auftrag. Die Zeitgeschichte ist in Gloggnitz durch zwei Bundes-

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präsidenten präsent. Der eine wurde hier geboren, der andere erwarb hier eine Villa. In ihr ist das Renner-Museum für Zeitgeschichte untergebracht. Michael Hainisch (1858–1940) wurde in Aue bei Gloggnitz geboren und war zwischen 1920 und 1928 Bundespräsident. Karl Renner (1870–1950) war als Staatskanzler maßgeblich am Entstehen der Ersten Republik beteilig und von 1945 bis 1950 Bundespräsident. In Gloggnitz war nach dem Zweiten Weltkrieg die erste russische Kommandantur untergebracht; in den 1950er Jahren waltete die erste Bürgermeisterin des Landes, Kreszenzia Hölzl, ihres Amtes. Das alltägliche Gloggnitz überrascht durch seine Betriebsamkeit. Der Aufschwung wurde ganz wesentlich durch die Neugestaltung des Hauptplatzes, des Straßenraumes und der Gehsteige in der Innenstadt verstärkt. Inzwischen siedeln sich wieder neue, attraktive Geschäfte in Gloggnitz an. Vor allem der Wochenmarkt, der durch unzählige zusätzliche Schwerpunkte immer andere Produkte der Landwirte und Produzenten der Umgebung hervorhebt, trägt dazu bei, dass die Stadt in Bewegung bleibt. Anfang Mai wird die ganze Stadt zur Bühne für das Musikfestival aufhOHRchen. /

aufhOHRchen 2013

——————————————————— Do 2. – So 5. 5. 2013
in Gloggnitz Information: Tel. 0664 8208594 (Claudia Lueger) aufhOHRchen@volkskulturnoe.at www.aufhOHRchen.at


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Auslage NIEDERÖSTERREICHISCH FÜR ANFÄNGER

—————————————————————— Peter Meissner: Kein Niederösterreicher fällt vom Himmel. Alles kann man lernen und manches sogar mit Leichtigkeit und Humor EUR 9,90 Residenz Verlag ISBN 978-3-7017-1590-9 www.residenzverlag.com Die Kunst, sich in Niederösterreich zu verständigen, ist eine hohe und will gelernt sein. Was meint der Eingeborene nur, wenn er sagt: „Des bakschierliche Bauxerl hat lauter Guckerschecken“? Oder: „Der Schurl ist mit sein Greiwe nach Gigritzpatschentschundert“? Keine Angst, dieses Buch schafft Abhilfe. Im Sinne der Völkerverständigung hat Peter Meissner ein heiteres Dialektlexikon zusammengestellt, das einem das Niederösterreichische ausdeutscht und für die richtige Anwendung auch gleich Übungsbeispiele mitliefert. Mit diesem Buch werden Sie sich im Land der vier Vierteln bewegen wie ein Kosmopolit. Eine lustige Sprachschule für alle, die hier nicht auffallen wollen, außer durch ihre guten Sprachkenntnisse. /

RUTSCHGEFAHR AM TANZBODEN

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Die Steirische Streich EUR 18,00 www.steirische-streich.at „Die Jungsteirer samma nimma, aber die Altsteirer scho gar net.“ Im Jänner 2001 haben sich die Jungsteirer als sehr erfahrene Hasen der Branche: als „Die Steirische Streich“ unterm Steirerhut neu gefunden. Überall, wo man Feste zu feiern weiß, wo man es schätzt, dass Frauen

die erste Geige spielen und Männer den Takt angeben, da spielen sie zum Tanz auf. Mit der Musik, die unverfälscht die Lebensfreude ihrer Heimat zum Ausdruck bringt. Der Klang ist wohlbekannt: zwei Geigen, eine Klarinette, die Steirische Harmonie, eine Bratsche und eine Bassgeige – unverstärkt, echt, hautnah und fetzig. /

SCHIMPFEN VON A BIS Z

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Astrid Wintersberger: Der kleine Wappler. So flucht und schimpft Österreich EUR 3,50 Residenz Verlag ISBN 978-3-7017-1599-2 www.residenzverlag.com In dem sieben mal zehn Zentimeter großen, oder besser gesagt kleinen Buch ist mehr Österreich drinnen als in mancher zwei Kilogramm schweren Chronik. Von Jugendsprache bis zu historischen Schimpfwörtern, von politisch unkorrekten bis zu schon fast vergessenen. Da wäre etwa das „Gspeiberlt“: liebevoll die Verniedlichung des Grauslichen! – auch in neuer Ausformung als „Grinzinger Pizza“ bekannt. Oder der wunderbare „Schneebrunzer“ (einer, der keine besonderen Leistungen erbringt) sowie einer, der Nutzloses verrichtet, ist ein „Eiszapfenschlichter“ oder „Blunzenstricker“. Das Wörterbuch beginnt mit einem kurzen und prägnanten „Aff“ und endet mit dem eher unbekannten „Zwirnscheißer“ (Umstandsmeier). Davor steht, das muss noch verraten werden, der „Zopfwappler“: ein Herr mit langer Haartracht. Ein ideales Mitbringsel – etwa für Freunde im benachbarten deutschsprachigen Ausland. /

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ALS UNS DIE SPRACHE VERBOTEN WURDE

—————————————————————— Franc Kukovica: Eine Kindheit in Kärnten (1938–1945) EUR 18,00 www.drava.at Wer zu Hause „Windisch“ spreche, fragt der Oberlehrer, zugleich Ortsgruppenleiter der NSDAP. Beklemmendes Schweigen, niemand in der Klasse rührt sich. Bis einer der wiederholten Aufforderung nachkommt und wortlos auf drei Mitschüler zeigt. Einer von diesen erinnert sich 60 Jahre später an seine Kindheit: an die Zurücksetzungen und Demütigungen, an seine Angst und seinen Stolz. Denn so jung er war, hatte er schon teil an Dingen, von denen niemand etwas wissen durfte … Franc Kukovica, geboren 1933 in Blasnitzen/Plasnica, Gemeinde EisenkappelVellach/Železna Kapla-Bela (Kärnten/Koroška). Nach dem Zweiten Weltkrieg Lehrerausbildung in Ljubljana. Arbeitet acht Jahre in einer Fabrik, da ihm die Ausübung seines Berufes in Kärnten verwehrt wird. Ab 1963 bis zu seiner Pensionierung Lehrer und Schulleiter an der zweisprachigen Volksschule Sittersdorf/Žitara vas. Zahlreiche minderheitenpolitische, fachliche und kulturelle Aktivitäten. /

VORBEI DE STADE ZEIT

—————————————————————— Inge Friedl: So war’s der Brauch EUR 24,99 Styria regional ISBN 978-3-7012-0119-8 www.styriabooks.at Traditionell begann der Fasching ein Tag nach Dreikönig am 7. Januar. Schon das ganze Jahr über wurde aufgeschrieben und ausgedacht, wie der Faschingsumzug gestaltet wird. In Faschingsbriefen bekam garantiert jeder sein Fett ab. Die Autorin Inge Friedl hat Bräuche und Rituale rund ums Jahr anhand vieler Gespräche und Recherchen beschrieben. Die Faschingsrenner aus Krakauebene in der Steiermark durften so lange von Haus zu Haus rennen, singen, einkehren bis zum Sieben-Uhr-


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Läuten. Da die Mesnerin Verständnis für die Burschen hatte, zögert sie das Läuten hinaus … Die Faschingszeit ist kurz, auf manchen Bauernhöfen mussten Mägde und Knechte am Aschermittwoch Messer und Gabel abgeben. Und im Lavanttal wurden die übrig gebliebenen Faschingskrapfen auf eine Schnur gefädelt und am Dachboden getrocknet. Am Ostersonntag wurden sie in die Suppe eingebrockt. /

WEGE AUS EISEN

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Peter Wegenstein: Wege aus Eisen im Weinviertel. Zur Geschichte der Eisenbahnen zwischen Manhartsberg und March EUR 19,90 Edition Winkler-Hermaden ISBN 978-3-9503378-3-9 www.edition-wh.at Vorweg: Ich bin kein Eisenbahnfreak, aber dieses Buch begeistert mich wirklich. Peter Wegenstein, der seit 1967 bei den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) im Bereich von Eisenbahnsicherungsanlagen beschäftigt ist, versteht es, in profunder Sachkenntnis und ohne Pathos die Geschichte der Bahnstrecken nachzuzeichnen. Am Beginn stehen Probefahrten der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn zwischen Floridsdorf und Deutsch Wagram am 17. November 1837. Mit Akribie entführt er die Leserschaft quer durch die Jahrhunderte, quer durch das ganze Weinviertel, er beschreibt nicht nur die wichtigen Haupt-, sondern auch alle Lokal- und Nebenbahnen. 136, meist historische Fotos von Eisenbahnen, Lokomotiven und Bahnhöfen mit exakten Beschreibungen bis hin zur Fahrtrichtung der Züge sowie Repros von Fahrkarten, Fahrplänen etc. geben ein lebendiges Zeugnis der Bahnen im Nordosten Österreichs ab. Jede Strecke bzw. jeder Streckenabschnitt (etwa Stammersdorf–Groß Schweinbarth) wird mit tagesaktuellem Datum nachgezeichnet. Am Beginn steht die Eröffnung, am Ende des Parts

leider viel zu oft das Datum der Streckenauflassung. Am Ende des Buches zeigen drei Streckenskizzen das Weinviertler Eisenbahnnetz in den Jahren 1880, 1911 und 2012. Ich möchte dieses Buch als „Weinviertler Eisenbahn-DEHIO“ bezeichnen, es überzeugt und begeistert durch Vollständigkeit, Sachlichkeit und Kompetenz; wahrlich ein Referenzwerk. Thomas Hofmann /

BEGLEITER DER LANDSCHAFT

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Walter Zach-Kiesling, Erich Broidl, Johann Rotter: Antennen zwischen Himmel und Erde EUR 29,90 Verlag Berger ISBN 978-3-85028-530-8 www.verlag-berger.at Wegkreuz, Bildstock und Bildbaum, Marterl, Lichtsäule – sie erinnern an Ereignisse, an traurige und hoffnungsvolle, sie sind errichtet zur Mahnung und zum Dank, verkünden Hoffnung und bieten Abwehr. Wie viele Flurdenkmäler es in Niederösterreich gibt, können die Autoren des Buches nur hochrechnen. Von der erfassten Anzahl des Horner Bezirkes (1.100) schätzen sie die Zahl auf 20.000 in insgesamt 21 niederösterreichischen Bezirken. Die ersten christlichen Flurdenkmäler sind in römische Meilensteine gemeißelte Kreuze. In den einführenden Kapiteln wird auf die verschiedenen „Typen“ eingegangen: der Tabernakelpfeiler, der auf einer Säule entweder einen offenen Aufsatz trägt oder einen mit Relief geschmückten geschlossen Aufsatz; die Breitpfeiler, die unter dem Begriff Marterl bekannt sind; die Figurensäulen oder der in Niederösterreich seltene „alpenländische Typ“. Der Beweggründe, einen Bildstock zu stiften, sind viele. Auch Prunksucht – so die Autoren – gehört dazu. Viele Inschriften sind verwittert oder verblasst, sodass sie nicht mehr zu rekonstruieren sind. Auch sind viele Kleindenkmäler ganz verschwunden, auch deswegen weil sie im „Niemandsland“ zwischen kunsthistorischem und volkskundlichem Interesse liegen.

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Eine kleine Stil- und Materialkunde sowie eine Erfassung der häufigsten dargestellten Heiligen und Beigaben beenden den allgemeinen Teil. 400 Flurdenkmäler sind abgebildet und sorgfältig beschrieben. Sie sind nach Jahrhunderten – vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert – kategorisiert. Das „Schaufenster Kultur.Region“ wird in einer der Frühjahrsausgaben detailliert über Flurdenkmäler berichten. /

IRISCHE ROSE

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In einer alten Wassermühle begann Nicholas Mosse 1975 zu töpfern. Mittlerweile ist Mosse Pottery die bekannteste irische Keramik und ausgewählte Serien seines Geschirrs auch in der Galerie der Regionen ein Klassiker. Seine Keramik sieht Nicholas Mosse in der Tradition der „Spongeware“, einer Keramik, deren Dekor mit einem Schwamm aufgetragen wird. Die Inspiration holt er sich von den Pflanzen und Tieren der Region rund um Kilkenny. In der Töpferei wird größter Wert auf Handarbeit gelegt, das beginnt bei der speziellen Mischung des Tons bis zur Feuerung der Brennöfen. Der Strom für den Betrieb wird in der Mühle erzeugt. Die Dekorreihen, die in Krems erhältlich sind, heißen Clematis, Red Tulip und Old Rose. Wobei Letztere das bekannteste Dekor von Mosse ist. www.nicholasmosse.com Galerie der Regionen Neue Öffnungszeiten: Di–Fr 10.00–12.00 und 15.00–18.00 Uhr Jeden 1. Sa im Monat: 10.00–12.00 und 14.00–17.00 Uhr An Konzerttagen bis 21.00 Uhr 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 15 www.volkskultureuropa.org/galerie


Südböhmen / 32

Handwerk

verwoben Im Familienbetrieb Kubák im südböhmischen Strmilov werden klassische Wolldecken erzeugt: kariert, gestreift, uni.

Der Websaal der Familie Kubák mit Webstühlen aus den 1930er Jahren.

Es riecht nach Maschinenöl, Wolle und Kaffee. In der Weberei Kubák wird vorerst einmal Kaffee getrunken. Nicht irgendeiner. Sondern einer aus der hauseigenen Rösterei. Die Rösterei liegt über der Straße, Mutter Kubák packt gerade duftende Arabica-Bohnen aus Costa Rica ab. Hügelwellen, Teiche, einsame Dörfer: Strmilov liegt in der ursprünglichen Landschaft der böhmisch-mährischen Höhe. Die Textil-

produktion hat nicht nur im Waldviertel, sondern auch im angrenzenden Südböhmen lange Tradition. Anschub dafür gab im frühen 18. Jahrhundert Graf Johann Christoph Mallenthein, der in Groß-Siegharts eine Textilfaktorei gründete und Textilarbeiter aus Schwaben, Mähren und Sachsen ansiedelte. Im Waldviertel sowie in Böhmen besserten sich Bauern und Kleinhäusler ihr Einkommen mit einem Nebenerwerb auf. Dazu gehörte die Textilverarbeitung, die im

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so genannten Verlagswesen funktionierte. Verleger besorgten Garn und kauften den Webern das fertige Produkt ab. Im häuslichen Rahmen fanden vor allem die Aufarbeitung von Flachs und Schafwolle und das Spinnen statt, während die Weberei je nach verarbeitetem Material und nach der Art des Gewebes im zünftischen Rahmen erfolgte. So gab es die Leinwandweber, Wollerzeugung- und Tuchmacher, die Strumpfmacher und die Bandweber.


Südböhmen / 33

In sechster Generation „Mein Vater heißt Zdenek und ich Filip“, erklärt Kubák jun., „aber alle anderen Kubáks hießen Ferdinand.“ Und alle waren Weber. Filip Kubák, 23 Jahre, ist Weber in sechster Generation, wie er nicht ohne Stolz hinzufügt. Die Handwebstühle des Ururururgroßvaters stehen in einem als Museum eingerichteten Raum; unter anderem ein Jacquard-Webstuhl aus dem 18. Jahrhundert. Auch seine Mitschriften inklusive Webproben aus der Webereischule in Ústí nad Orlicí, dem „ostböhmischen Manchester“, sind erhalten geblieben sowie Musterbücher mit feinem Damastgewebe. Ein weiterer Ferdinand übernahm 1910 die Werkstatt. Er webte nach Vorlagen der Designer, die sich 1908 zur Künstlervereinigung Artěl zusammengeschlossen hatten und ähnlich wie die Wiener Werkstätten Kunsthandwerk auf höchstem Niveau fertigten. Die ArtělKünstler waren vor allem vom tschechischen Kubismus geprägt. Die Stoffe aus der Weberei Kubák sind heute in den Sammlungen des Museums für Kunst und Industrie in Prag zu sehen. Werbung, Shop und Tamtam ist die Sache der Kubáks nicht. Wer – und auch das eher zufällig – durch Strmilov kommt, wird hinter den altersgrauen Fassaden eher eine verlassene Manufaktur vermuten als warme, weiche Wolldecken und Plaids, Ponchos und Webstoffe. Doch die Wolldecken aus Strmilov sind in Tschechien wohlbekannt und werden an den ersten Adressen traditioneller Handwerksgeschäfte in Prag und Brünn verkauft. Und überhaupt ist man mit der Kunsthandwerksszene gut verwoben. Filip Kubák organisiert seit einigen Jahren einen Webermarkt. Er hat die Textilschule in Jihlava/Iglau besucht und ein Praktikum in der Textilwerkstatt Obermühle in Kautzen, Waldviertel, absolviert. Da folgt er einer alten Tradition, die bis vor dem Zweiten Weltkrieg in den Grenzgebieten praktiziert wurde: Der so genannte „Kindertausch“ war bei Handwerksbetrieben und auf großen Bauernhöfen üblich, um die Sprache des jeweilig anderen zu lernen und (Wirtschafts-)Kontakte zu knüpfen.

„Volkskulturelles Handwerk“ Kunsthandwerk wurde in Ländern hinter dem Eisernen Vorhang von staatlicher Seite gefördert. Einerseits schuf der Kommunis-

Filip Kubák, Weber in sechster Generation.

Gut gegen Eiszeit: Wolldecken aus Strmilov, Böhmen.

mus den „neuen Menschen“, andererseits legitimierte er sich durch Kontinuität und Herkunft „aus dem Volk“. Der 1870 gegründete Familienbetrieb Kubák wurde mit der kommunistischen Machtergreifung der staatlichen „Organisation für volkskulturelles Handwerk“ einverleibt, Ferdinand Kubák (der Großvater) wurde leitender Angestellte seines ehemaligen Betriebes. Als die Familie in den 1990er Jahren ihr Eigentum zurückbekam, waren die neueren Maschinen nicht mehr da. Es blieben die alten Webstühle, die meisten aus dem Jahre 1938, die traditionellen Mustervorlagen sowie die auf den Lochkarten umgesetzten Webvorgaben für die Jacquard-Webstühle. Kartons voller Lochkarten lagern in den Sälen der Weberei: „Das ist unser Archiv“, so Kubák in sechster Generation. Neben den Familienmitgliedern arbeiten noch zwei Frauen im Betrieb. Gewebt wird je nach Auftragslage. Die hauseigene Spinnerei verarbeitet Schafwolle. Im Wolf wird das Wollvlies auf Walzen, die mit kleinen Sägezähnen gespickt sind, gezupft, gereinigt und für den Spinnvorgang vorbereitet. Danach kommt das Garn in eine Färberei.

Lochkarten – mit ihnen werden die Kettfäden gesteuert.

den Eigenbedarf vorbereitet, sondern auch für private Handwebstühle. Das ist das Stichwort für das dritte Standbein der Familie Kubák. Neben der Weberei und der Kaffeerösterei zimmert Vater Zdenek Kubák Handwebstühle. Auch Spinnräder stellt er her. Bevor die Kettbäume in die mechanischen Webstühle gespannt werden, wird noch einmal Kaffee getrunken. Dann wird der Webstuhl vorbereitet. Die Lochkarten sind für die Steuerung zuständig, sie lenken das Aufnehmen der verschiedenfärbigen Garne. Die hölzernen Schiffchen, die hier wirklich noch wie Schiffe aussehen, werden, damit sie flinker durch den Webstuhl flitzen, mit Paraffin gewachst. Nachdem der Wollstoff vom Webstuhl genommen wurde, wird er aufgeraut, zugeschnitten und gefranst. In der Weberei Kubák stapeln sich Decken: gestreift, kariert und uni und in den fröhlichen Farben böhmisch-mährischer Volkskunst. Sie wärmen nicht nur ums Herz. / Text: Mella Waldstein Fotos: Nikolaus Korab

Handwebstühle & Spinnräder Bevor der Webvorgang beginnt, muss die Kette vorbereitet sein. Diese dafür notwendige Vorrichtung sieht etwa aus wie eine Sprossenwand, auf der die Garnspulen befestigt sind. Die Garne laufen dann – ja nach Breite des Webstuhls – über eine Walze auf den Kettbaum. Die Kette wird nicht nur für

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INFORMATION

——————————————————— Weberei Kubák CZ-378 53 Strmilov Tel. 00420 603 231106 www.tkalcovna.cz


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Schwerpunkt Eis

TREFFPUNKT EISZEIT In ganz Niederösterreich finden sich einladende Begegnungen mit der Eiszeit.

Franz Roubal: Mammutherde vor den Hainburger Bergen. Foto: A. Schumacher, Naturhistorisches Museum Wien

Der Satz „Die Eiszeit ist immer und überall!“ hat selbst in Zeiten schwindender Polkappen und schmelzender Gletscher was Wahres. Es gilt bloß, andere Perspektiven einzunehmen. „Eiszeit?“ Wie vertraut und wie fremd das Wort doch klingt! Vordergründig könnte

man die Monate März bis Oktober als „Eiszeit“ festmachen, wenn unsere italienischen Nachbarn hier ihr köstliches „gelati“ anbieten. Wer würde diese alljährlichen Eiszeiten missen wollen? Eiszeit steht auch für ein „Rien ne vas plus“ zwischen zwei Partnern/ Parteien/Staaten, wo emotionale Kälte, Schweigen und Distanz jede konstruktive

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Kommunikation im Keim ersticken; Stichwort „Kalter Krieg“ bzw. „Eiserner Vorhang“. Was das einst bedeutete, wissen viele Bewohner im Wald- und Weinviertel zu erzählen. Eiszeit „klassisch“ muss man niemanden erklären. Wenn tage- oder wochenlang die


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Quecksilbersäule tief unter 0° C ist, die Autos nicht anspringen wollen, an den Fensterscheiben bizarre Eisblumen blühen, und alle die warmen Stuben suchen. Eiszeit(en) „geologisch“; das ist eine Rückschau auf karge Lösssteppen, wo Mammuts und Wollnashörner grasten und steinzeitliche Jäger Venusstatuen fertigten. Eiszeit in Form von Löss zeigt sich im östlichen Niederösterreich in steilen Hohlwegen oder in einladend tiefen Weinkellern.

Zwischen den Eiszeiten Momentan, das ist fachlich untermauert, leben wir zwischen zwei „echten“ Eiszeiten. Noch vor 20.000/25.000 Jahren, dem Höhepunkt der letzten Eiszeit („Würm-Eiszeit“), war es weniger gemütlich. Das Klima war im Schnitt um etliche Grad kühler und die Alpen von einer zusammenhängenden Eisund Schneedecke überzogen. Die Vegetation im Vorland war nicht gerade üppig; lediglich spärliche Gräser und vereinzelte Büsche wuchsen in der damaligen Tundra des Weinviertels. Immerhin genug, um tonnenschwere, dicht behaarte Mammuts, zottelige Wollhaarnashörner und Rentiere zu nähren. Allesamt eine willkommene Beute und (Über-)Lebensgrundlage für herumziehende Jäger. Der steinzeitliche Homo sapiens zerlegte mit scharfen Silexklingen seine Beute. Er wohnte in Zelten oder hauste in Felshöhlen, wie etwa im Kremstal. Kräftige Westwinde, es müssen zeitweise heftige Sandstürme gewesen sein, nahmen aus dem vegetationsfreien Vorfeld der Gletscher feinen Staub auf. Als Löss lagerte er sich an den Hängen des Weinviertels, der Wachau sowie im unteren Kamp- und Traisental ab. Stellenweise gibt es in den gelblichen Steilwänden des Lösses braune Schichten (Horizonte). Das sind alte Bodenbildungen, Zeugen wärmerer Epochen, wo die Temperaturen in etwa so wie heute gewesen sein mögen.

Relikte der Eiszeit: Löss in Ruppersthal. Foto: Thomas Hofmann

Ausflug zur Eiszeit

1908 zufällig entdeckte. Ein wenig älter ist die zarte Venus vom Galgenberg („Fanny“) von Krems-Rehberg. Sie gilt als bisher ältestes Kunstwerk Österreichs. Beide Figuren und auch das Ruppersthaler Mammut, auf das man 1970 in den dortigen Weingärten stieß, sind im Naturhistorischen Museum in Wien im Original zu bewundern. Das NÖ Landesmuseum in St. Pölten zeigt die Rekonstruktion einer Höhle samt Skelett eines Höhlenbären, einem heute ausgestorbenen, deutlich größeren Verwandten des Braunbären. In Asparn an der Zaya ist im Freigelände des Urgeschichtemuseums ein Zelt steinzeitlicher Mammutjäger zu sehen. Im Eggenburger Krahuletz-Museum hat man die Reste des 1981 gefundenen Alberndorfer Mammut montiert. Ebenfalls sehenswert in diesem Haus: eine Reihe von Silexklingen. Ein wahres Mekka der Urgeschichte ist Stillfried an der March. Jahr für Jahr finden hoch über der March, etwa am Kranatwetberg in Grub bei Stillfried, Grabungen statt. Neben Resten von Mammut, Wildpferd, Rentier, Eisfuchs, Schneehase und Wolf fand man mehr als 600 bearbeitete Steinwerkzeuge – eindeutige Indizien einer altsteinzeitlichen Steinschlägerwerkstatt. Ein Muss für weitere Infos ist das Museum Stillfried.

Berühmte eiszeitliche Fundstellen gibt es etwa am Wachtberg in Krems, hier fand man 2005 ein 27.000 Jahre altes Grab mit zwei Kindern. Die kleinen Skelette waren vom Schulterblatt eines Mammuts bedeckt. Etwas jünger (25.000 Jahre) ist die legendäre Venus von Willendorf in der Wachau, die man

Wer seine Hand auf Löss legt und die Augen schließt, mag sich vorstellen, eiszeitliche Kälte zu spüren. Dafür empfehlen sich etwa im Bereich des Wagrams zahlreiche Hohlwege oder in Stratzing der Eiszeitwanderweg; er führt zur Fundstelle von „Fanny“. Ein anderer Tipp ist in Furth bei Göttweig

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im dortigen Zellergraben der Themenweg „Löss & Wein“. Im Rahmen der Further Kellertage (Mai) werden Führungen angeboten. Apropos Wein: Eine einzigartige Sehenswürdigkeit sind die Reliefs im Weber-Keller in Röschitz. Mehrere Generationen der Familie Gruber haben hier mit dem bloßen Taschenfeitl das Who is Who der (Welt-) Geschichte in Löss verewigt. Dass Löss (-Böden) und Wein eine ganz besondere Kombination sind, muss nicht weiter betont werden – es ist Thema einer anderen Geschichte. Auf jeden Fall ist „Eiszeit“, setzt man sie mit Löss gleich, eine empfehlenswerte Erfahrung. / Text: Thomas Hofmann

eiszeit im netz

——————————————————— Krahuletz-Museum Eggenburg www.krahuletzmuseum.at Museum Stillfried www.museumstillfried.at Urgeschichtemuseum Asparn/Zaya www.urgeschichte.at Landesmuseum Niederösterreich, St. Pölten www.landesmuseum.net Weber-Keller Röschitz www.zumgruber.at Naturhistorisches Museum Wien www.nhm-wien.ac.at


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Erdöl

gehobener, ungehobener schatz Anmerkungen zu 100 Jahren Rohstoffgeschichte im Wiener Becken.

Ölförderung als bürgerliches Ausf lugsziel. Fotografie aus einem unbekannten Bestand, der von einem OMV-Mitarbeiter angelegt wurde.

Die Geschichte beginnt mit einem Knall. Mit einer Art von Unfall, die in diesem Winkel der Erde bis dahin unbekannt war. Mit einer Gasexplosion. In Egbell, heute slowakisch Gbely, zu k. u. k. Zeiten Oberungarn, in den Niederungen der March nur wenige Kilometer oberhalb von Hohenau, war ein Gehöft in die Luft geflogen. Ausgerechnet in der Nähe der Eisenbahn. Die Behörden sind

alarmiert. Es ist dieser Unfall, ausgelöst im Jahre 1913 vom Bastler, Bauer, Eisenbahnschrankenwärter und – das ist mindestens so wichtig – Pennsylvania-Heimkehrer Ján Medlen, der die Budapester Behörden auf eine für den Gang der Geschichte folgenreiche Spur führt: auf Kohlenwasserstoffe im Untergrund des Wiener Beckens.

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Mitteleuropäische Pipeline Schon im Jahr 1911 hatte Ján Medlen auf eigene Faust im Marchgrund Erdgas gefunden. Bei der Anlage von Entwässerungsgräben auf einer sumpfigen Wiese hatte sich ein weggeworfenes Streichholz entzündet. Und weil Medlen im fernen Amerika die wundersamen neuen Rohstoffe Erdöl und Erd-


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neuartige, für das 20. Jahrhundert typische Verstrickung zweier Formen von Geschichte, die unterschiedlicher kaum sein könnten: die in Jahrmillionen zählende Geogeschichte der fossilen Rohstoffe selbst und die kurz getaktete technische Welt der Maschinen und Motoren.

K. u. k. Erdölmacht

Pferdekopfpumpwerk im Weinviertel. Foto: Franz Riegler

gas aus nächster Nähe kennengelernt hatte, wusste er, was zu tun war. An der lose vor sich hindampfenden Gasquelle konstruiert er den ersten Gasspeicher Mitteleuropas, einen mit Lehm verschmierten Bretterschacht. Genau daneben errichtet er ein Haus und leitet das Erdgas über die ebenfalls erste mitteleuropäische Pipeline hinein: zum Kochen, Heizen und Schmieden. Zwei Jahre lang geht alles gut, bis dem Erfinder seine Erfindungen um die Ohren fliegen, bis die erlebte Geschichte vor Ort Eingang findet in die offizielle Geschichtsschreibung von Staat, Wissenschaft und Ökonomie. Am 28. Oktober 1913 beginnt der Vorstand der montan-technischen Sektion des ungarischen Finanzministeriums, der Budapester Professor Hugo von Böckh, mit systematischen Bohrungen. In 163,6 Meter Tiefe stößt man zu Weihnachten 1913 auf Öl. Ein neuer Typ von Geschichte beginnt. Weder der Knall noch Medlens legendäre pennsylvanische Vorgeschichte sind auf derart exakte Weise in den Berichten vermerkt. Ähnlich wie auch die Geschichte von Ortschaften kaum je von ihrem wirklichen, sondern von ihrem urkundlichen Anfang her gezählt wird, beginnt jetzt die technisch offizielle Förderung fossiler Rohstoffe. Ganz unterschiedliche Formen von Geschichte und Geschichten sind schon in dieser Urszene der regionalen Rohstoffwirtschaft präsent: Tun und Machen vor Ort, Zufälle und paradox-produktive Unfälle, der Eingriff der Behörden und das Regiment der Technologen. Und dahinter liegt die ganz

Erst mit Verzögerung wird der Knall von Gbely zum Startschuss einer lokalen Erdölindustrie. Mit einem anderen Knall beginnt in Sarajewo zunächst der Erste Weltkrieg. Und schon zu Beginn des Krieges sind die wichtigsten k. u. k. Ölquellen in Galizien dahin. Aus dem um 1900 weltweit drittgrößten Erdölproduzenten wird eine Verlierermacht. Hektische Aufschlussbohrungen auch im niederösterreichischen Teil des Wiener Beckens, bei St. Ulrich und Raggendorf, bleiben erfolglos. Untermotorisiert geht der erste zu Wasser, zu Land und in der Luft von Erdöl getragene Weltkrieg für Habsburg verloren. Erst zu Beginn der 1930er Jahre gelingen dann internationalen Firmen wie der RohölGewinnungs AG (RAG) auch wirtschaftlich erfolgreiche Bohrungen im Raum Zistersdorf. Aber schon 1943 stellt das Revier die größten Ölquellen innerhalb des Großdeutschen Reichs. Auch mit Erdöl aus Niederösterreich fahren deutsche Panzer in den Kaukasus, es sind aber sowjetische Panzer, die die Quellen im Weinviertel 1945 besetzen. Bis zum Staatsvertrag 1955 fließt das schwarze Gold nach Osten, mit Millionen Tonnen von Erdöl aus dem Weinviertel bezahlt Nachkriegsösterreich seine Reparationen an die UdSSR. Nachfolger der Sowjetischen Mineralölverwaltung (SMV) wird mit der Unabhängigkeit die ÖMV, ausländischem Kapital bleibt der Zugriff auf die niederösterreichischen Ölquellen verwehrt. Für einige Jahrzehnte liegen jetzt geohistorische und -strategische Bruchzonen im Weinviertel übereinander. Nur wenige Kilometer vom für die Lagerstättenbildung so wichtigen 6.000 Meter tiefen Steinbergbruch, dem größten im Alpen-KarpatenBogen, verläuft der Eiserne Vorhang. In seinem Schatten beginnt eine Blütezeit für das österreichische Rohstoffwesen. Eine ganze Region wird modernisiert, von Matzen aus

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sorgt das größte Erdölfeld Mitteleuropas für regionalen und nationalen Wohlstand. Das Weinviertel hat jetzt Anteil am Lauf der Weltrohstoffgeschichte, aber auch umgekehrt. 1983 ist es etwa das globale Allzeithoch des Rohölpreises, das die millionenschwere Übertiefbohrungen im Wiener Becken veranlasst, am 31. Mai 1983 bis auf eine Weltrekordtiefe von 8.553 Metern.

Verblasste Erinnerung An den historischen Hauptorten der Förderung, wo über Jahrzehnte ganze Familien im Ölfeld aktiv waren, verblasst die Erinnerung. Pumpenböcke liefern zwar noch ein Zehntel des nationalen Verbrauchs, aber als Arbeitgeber ist das Erdöl auf dem Rückzug. Aus der Identität der Region ist das rohstoffhistorische Erbe aber nicht ohne Verlust zu löschen. Gerade die Erfahrung der Menschen, der doppelte Strukturwandel hin zu und weg von Erdöl und Erdgas, wäre über die Region hinaus, über die Generationen hinweg mit Gewinn zu teilen. / Text: Benjamin Steiniger

ROHSTOFF GESCHICHTE

——————————————————— Geschichtswerkstatt – Datenbank – Virtuelles Museum Ihre Erfahrung, Ihre Erinnerung, Ihre Geschichten sind gefragt! Haben Sie selbst Erinnerungsstücke, Fotos, Dokumente aus Ihrer Arbeit in der Erdölwirtschaft? Kennen Sie Zeitzeugen, Sammlungen, Nachlässe, Geschichten, die für uns interessant sein könnten? Nehmen Sie Kontakt zu uns auf! Science Communications Research Wien Projektleitung: Mag. Benjamin Steininger 1060 Wien, Turmburggasse 7/8 Tel. 0676 5982233 post@rohstoff-geschichte.at www.rohstoff-geschichte.at Mit freundlicher Unterstützung von: Wissenschaft – Forschung Niederösterreich, OMV AG, RAG, MA7 Wien


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Ausfahrten der „Strasshofer“ – wie hier nach Kritzendorf.

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Eisenbahnmuseum Strasshof

MEHR ALS DAMPF Das Eisenbahnmuseum erweitert ständig seine Sammlung. Im vergangenen Jahr wurden Waggonladungen an Ersatzteile für Lokomotiven gekauft. Andere Sammlungsbereiche sind Signal- und Stellwerke sowie Fahrkarten und Pläne.

120 ehrenamtlich tätige Mitglieder ...

Ursprünglich von der Deutschen Reichsbahn als Bahnknotenpunkt konzipiert, wurde Strasshof in planreduzierter Form erst nach dem Krieg von der nunmehrigen ÖBB fertiggestellt: vier Wasserkräne, eine Drehscheibe, ein Heizhaus, zwei Kohlenaufzüge. So richtig unter Volldampf kam das Heizhaus nie, schon bald wurde die für dortige Verhältnisse überdimensionierte Anlage zum Abstellen alter und schadhafter Lokomotiven und Waggons zwecks späterer Verschrottung genützt. So entwickelte sich fast zwangsläufig eine museale Situation, die aber nur durch die Bemühungen des 1. österreichischen Straßen-

... leisten jährlich bis zu 40.000 Arbeitsstunden.

bahn- und Eisenbahnklubs auf längere Zeit gesichert werden konnte, mit allen Höhen und Tiefen. Mit der Gründung des Eisenbahnmuseums in Strasshof, „Das Heizhaus“, vor fast 30 Jahren wurde es erstmalig möglich, einen großen Teil der historischen staatlichen Eisenbahnfahrzeugsammlung öffentlich zugänglich zu machen. Diese Initiative ist dem 1. österreichischen Straßenbahn und Eisenbahn Klub (1. öSEK) zu verdanken, einem gemeinnützigen Verein, der bis heute das Museum betreibt und betreut. Dafür leisten die rund 120 ehrenamtlich tätigen Mitglieder jährlich bis zu 40.000 Arbeitsstunden.

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Historisches Eisenbahngut Nach der Schließung der Zugförderungsstelle Strasshof 1978 durch die ÖBB wurde die gesamte Anlage, in der Dampflokomotiven für ihren Einsatz vorbereitet wurden, unter Denkmalschutz gestellt. Seit damals setzt sich der 1. öSEK unermüdlich für die Erhaltung der Anlage sowie deren Adaptierung als Eisenbahnmuseum ein. 1984 konnte das Museum erstmalig für eine Saison geöffnet werden. Damals bestand die Fahrzeugsammlung aus 68 Exponaten. Bis heute bemüht sich der 1. öSEK, die Fahrzeugsammlung zu komplettieren, so können 2013 über 300 Exponate besichtigt werden. Ausge-


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Die Lok wurde 1891 in der Lokomotivenfabrik Floridsdorf gebaut. Sie ist die älteste Schnellzuglok Österreichs.

wählte Fahrzeuge werden betriebsfähig erhalten und können so auch bei Sonderfahrten und Veranstaltungen außerhalb des Museums gezeigt werden. Damit kommt der 1. öSEK einem seiner großen Anliegen nach, das Wissen und die fachgerechte Handhabe von historischem Eisenbahngut den nächsten Generationen weiterzugeben. Dazu konnten im Vorjahr, mit Hilfe einer Förderung durch das Land Niederösterreich, von den ÖBB ganze Waggonladungen an Ersatzteilen angekauft werden. Aber auch andere Sammlungsbereiche wurden in der Zwischenzeit gegründet (Signal- und Stellwerke, Fahrkarten, Fachbibliothek, Pläne etc.). Zu den Stars gehören die „372er“ und die E-Lok 1072.01. Die Dampflok wurde 1891 in der Lokomotivenfabrik Floridsdorf unter der Fabriksnummer 768 für die Südbahn gebaut. 1924 wurde die Lok an die GKB verkauft. 1973 kam die 17c 372 ins Eisenbahnmuseum Strasshof. 2005 wurde die Lok vom 1. öSEK betriebsfähig aufgearbeitet und ist heute die älteste Schnellzuglok Österreichs. Die älteste betriebsfähige Normalspur-E-Lok Österreichs ist heuer 100 Jahre alt. Die Niederösterreichische Landesbahn beschaffte die ursprünglich als EWP 1 bezeichnete Lok. 1977 erwarb eine Privatperson die Lok und stellte sie den ÖBB 1986 als Dauerleihgabe zur Verfügung. Seit 2008 kann sie nun im Eisenbahnmuseum Strasshof ausgestellt werden. Obwohl das Museum den Großteil der staatlichen Fahrzeugsammlung beherbergt, ist es dem 1. öSEK bis jetzt nicht möglich gewesen, von der Republik Österreich eine Basis-Subvention zu erhalten, um die dringend notwendigen Ausstellungshallen errichten zu

können. So steht eine Vielzahl der wertvollen Exponate ungeschützt im Freien und wartet auf Renovierung. Seit vielen Jahren machen der 1. öSEK und das Bundesdenkmalamt den Eigentümervertreter auf diesen Missstand aufmerksam, da nur mit deren finanziellen Mithilfe ein sicherer Bestand der weltweit einzigartigen Fahrzeugsammlung gesichert ist.

Salonwagen & Modellbahn Für 2013 haben die ehrenamtlichen Mitarbeiter des 1. öSEK für das Eisenbahnmuseum Strasshof wieder ein abwechslungsreiches Programm gestaltet. Für Kinder und Familien wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein „Bernsteinstraße“ das Programm der „Betty Bernstein“ neu gestaltet. So bietet die „Betty Bernstein“ im Eisenbahnmuseum Strasshof eine spannende Rätselralley rund um die alte Arbeitswelt der Dampflokführer an. An bestimmten Terminen wird zur Ergänzung der NÖ Landesausstellung eine Brotund Weinverkostung im ehemaligen Salonwagen des Bundespräsidenten angeboten. Jeden Sonn- und Feiertag finden so genannte Fahrbetriebstage statt, an denen die Modellanlagen und die Gartenbahn in Betrieb sind. Auch am Führerstand einer Diesellok kann man mitfahren. An den Dampfbetriebstagen steht für diese Führerstandsmitfahrten eine Dampflok zur Verfügung. / Text: Rupert Gansterer Fotos: Manfred Horvath

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Wohlverdiente Pause.

EISENBAHNMUSEUM STRASSHOF

——————————————————— 2231 Strasshof, Sillerstraße 123 Tel. 02287 3027-11 Öffnungszeiten: Mo, 1. 4. – So, 27. 10. 2013, Di–So und Fei 10.00–16.00 Uhr Gruppen gegen Voranmeldung So, 21. 4. 2013 Saisoneröffnungsfest „Andampfen“ So, 19. / Mo, 20. 5. 2013 E-Lok-Treffen Ausstellung mit Spezialführungen So, 2. 6. 2013 Straße trifft auf Schiene Die Oldtimer kommen! Nutzfahrzeuge und luxuriöse Limousinen aus den Jahren 1930–1960 Sa, 8. 6. 2013 Axel Zwingenberger live! Konzert mit Präsentation des Bühnenwagens Sa, 27. / So, 28. 7. 2013 Diesellok-Treffen Ausstellung mit Spezialführungen Mo, 24., Di, 25., und Mi, 26. 6. 2013 Schulaktionstage Spezialprogramm für Schulklassen: Führerstandsmitfahrten, Führung, Modellbahnbetrieb, Anmeldung erforderlich! www.eisenbahnmuseum-heizhaus.com


Österreichische Bernsteinstraße / 41

Kinder

Frech & freundlich Die neue Betty Bernstein, das überarbeitete Kindermaskottchen der Österreichischen Bernsteinstraße, wurde präsentiert.

neuen Betty Bernstein las Dr. Walpurga Antl-Weiser aus Betty Bernsteins „wahrer Geschichte“. Das Buch wird am 13. März im Naturhistorischen Museum präsentiert.

Zeitreiseführerin

„Wir möchten mit der neuen Betty Bernstein nicht mehr nur Kleinkinder ansprechen, sondern uns an die ganze Familie wenden“, erläutert Herbert Nowohradsky, Obmann des Vereins „Die Österreichische Bernsteinstraße“. Grafiker Kimmo Grabherr verpasste dem Maskottchen eine Rundumerneuerung: älter, ausdrucksstärker, frecher. Die roten Zöpfe sind geblieben, aber das bisher rund 5-jährige Kindermaskottchen ist nun fast doppelt so alt geworden. Betty Bernstein ist gewachsen, an Lebensjahren und an Erfahrung, aber sie ist immer noch neugierig. Das Maskottchen Betty trägt mittelalterliche Kleidung sowie eine Kette mit einem Zauberbernstein. Bei der Neugestaltung wurde vor allem auf die historische Korrektheit Wert gelegt. Hierfür stand Dr. Walpurga AntlWeiser, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Naturhistorischen Museum, mit Rat und Tat zur Seite. Während der Präsentation der

Nach fast zehn Jahren war es Zeit für eine grundlegende Veränderung, sowohl beim Kindermaskottchen selber als auch in der Form der Aufbereitung. Betty Bernstein fungiert als Zeitreiseführerin. Mit ihrem Zauberbernstein kann sie sich, vom Mittelalter ausgehend, worauf ihre Kleidung deutet, durch Zeit und Raum beamen. Somit kann sie als Maskottchen bei allen Ausflugzielen entlang der Bernsteinstraße fungieren. Ab diesem Jahr gibt es nur noch eine Betty Bernstein für alle Mitglieder der Österreichischen Bernsteinstraße. Dadurch kann auch auf die vielen äußeren Unterscheidungsmerkmale, die bei der alten Betty – je nach Ausflugsziele – variierten, verzichtet werden. Da jetzt über 20 Mitglieder des Vereins „Die Österreichische Bernsteinstraße“ und noch dazu über zehn Wirte, die ein Betty-Bernstein-Menü anbieten, dieselbe Betty verwenden, ist der Wiedererkennungswert gegeben und kann erhöht werden. Auf „google“ ist Betty Bernstein z. B. schon über drei Millionen Mal angeklickt worden.

Betty im Museum Fixe Betty-Bernstein-Führungen finden jeweils an Samstagen oder Sonntagen nachmittags statt. Unabhängig davon, ob gerade eine Fixführung mit Betty Bernstein stattfindet,

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kann mittels so genannter Besucherlenkung – ausgehend vom „Betty-Bernstein-Willkommensbrief “ – das Museum auf eigene Faust erkundet werden. Der Willkommensbrief gibt einen kurzen Überblick über das Museum, über seinen Inhalt, wichtige Funde, Objekte etc. Auf der Rückseite des Willkommensbriefs wird eine Art Schatzkarte bzw. Rätselrallye abgebildet sein. Darüber hinaus wird es ab diesem Jahr bei den Mitgliedern einen deutlicheren Bezug zur historischen Bernsteinstraße zu finden geben. Eine zentrale Aufgabe erhält die neue Betty Bernstein im Zuge der Niederösterreichischen Landesausstellung 2013. Dann nämlich wird das Maskottchen im Umfeld der Landesausstellungsstandorte und Partnerstandorte (Museumsdorf Niedersulz, Schloss Wolkersdorf etc.) präsent sein. / Text: Elisabeth Schiller Illustration: Kimmo Grabherr In den kommenden Ausgaben des Schaufenster Kultur.Region werden die Museen des Vereins „Die Österreichische Bernsteinstraße“ vorgestellt.

ÖSTERREICHISCHE BERNSTEINSTRASSE

——————————————————— Weinviertel Tourismus GmbH 2170 Poysdorf, Kolpingstraße 7 Tel. 2552 3515-18 www.weinviertel.at Näheres zu Betty Bernstein: www.betty-bernstein.at


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Technik

FIRMA MIT FAMILIENANSCHLUSS Aufstieg und Fall der Firma Eumig, die Projektoren, Radios und Kameras entwickelte, produzierte und weltweit verkaufte. Ehemalige Mitarbeiter haben ein Museum eingerichtet, das nicht nur die Hardware der Technik, sondern auch die Software der Unternehmenskultur zeigt.

hatte eine Röhre und wurde als „EumigBaby“ verkauft. Gesendet wurden klassische Musik, Opernübertragungen und Vorträge der Radio-Volkshochschule. Die Politik sollte in den aufgeheizten Zeiten der Zwischenkriegszeit draußen bleiben, „Neutralismus“ wurde diese Politik genannt, und so beschränkte sich die aktuelle Information, die über das Radio zu empfangen war, auf Wetterprognosen, den Wasserstand der Donau und Sportnachrichten. In den Kinos lief gerade „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ von Fritz Lang und mit Peter Lorre in der Hauptrolle. Man schrieb das Jahr 1931 und die Firma Eumig brachte den Filmprojektor P1 auf den Markt. Er kam in zwei Varianten heraus: für 9,5 und 16 Millimeter – und erregte auf der Leipziger Messe Aufsehen. Die Kameras folgten.

Volksempfänger und Wirtschaftswunderjahre Radioproduktion in der Hirschengasse, Wien, um 1930.

Es begann mit Feuerzeugen aus Patronenhülsen. Rohmaterial war in der Nachkriegszeit schwer zu bekommen, Patronen gab es genug. In einem Wiener Kellerlokal legten Karl Vockenhuber sen. und Alois Handler den Grundstein für einen Konzern. Über die Produktion von Schaltern und Sicherungen fanden die beiden Unternehmer den Weg zur Elektrotechnik. 1919 gründeten sie die „Elektrizitäts- und Metallwaren Industrie Gesellschaft m.b.H.“ – Eumig.

Das Eumig-Baby wird getauft Es ist die Zeit, in der in Österreich die RAVAG „on air“ geht: 15.000 Anmeldungen zum „Rundspruch“, berichtete die „Neue Freie Presse“ im Jahre 1924. In den 1930er Jahren gibt es bereits eine halbe Million angemeldete Teilnehmer, die den Sendungen der Radio Verkehrs AG (RAVAG) lauschen. Eumig baute Detektoren-Apparate, die Vorläufer des Röhrenradios. Das erste Radio von Eumig

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Während des Zweiten Weltkriegs war Eumig gezwungen, den „Deutschen Volksempfänger" zu erzeugen, die eigene Radio- und Kinoprojektorenerzeugung wurde eingestellt. 1939 wurde die Eumig zum Rüstungsbetrieb der deutschen Wehrmacht erklärt. Firmenmitbegründer Ing. Alois Handler argumentierte: „Wenn wir schon Rüstungsbetrieb sein müssen, dann wollen wir nur Verteidigungswaffen herstellen, aber keine Angriffswaffen und Geräte erzeugen, von denen wir für später Erfahrungen auf technischem Gebiet mitnehmen können.“ So erhielt Eumig den Auftrag für die Herstellung von Sende- und Emp-


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fangsanlagen für die Marine, Tornister-Sende- und Empfangsgeräte für das Heer, Zündgeräte für Minen sowie später Batteriemotoren für Wettersonden zugewiesen. In der Nachkriegszeit wurden, wie in vielen anderen Betrieben auch, überlebensnotwendige Produkte hergestellt. Eumig produzierte Kochplatten und Heizstrahler. Die Wirtschaftswunderjahre kamen – Eumig wuchs zu einem Konzern. 1954 zeichnete sich mit der Einführung des UKW-Empfangs eine neue Entwicklung auf dem Radiosektor ab. Auf der Skala der Radioapparate leuchteten Städtenamen auf: von Lissabon, Helsinki, und Moskau bis zum rätselhaften Beromünster – man meinte, die ganze Welt empfangen zu können. Dem tönenden Kasten wurde ein Ehrenplatz im Wohnzimmer eingeräumt. Das Erfolgsprodukt hieß „Eumigette“ und wurde eine halbe Million Mal verkauft. Eumig schloss Verträge mit Dänemark, Frankreich, Kanada, Spanien und Schweden ab, die Belegschaft war 1956 auf 1.771 Personen angewachsen.

Ein Vorzeigebetrieb Uschi Seemann, Tochter von Firmenmitinhaber Karl Vockenhuber und heute Schriftführerin des Eumig-Museumsvereins, erzählt: „Als erste Firma in Österreich hat Eumig 1956 die 40-Stunden-Woche für alle Arbeiter und Angestellten bei vollem Lohnausgleich eingeführt. Das war 19 Jahre bevor die 40-Stunden-Woche flächendeckend in Österreich eingeführt wurde.“ Weniger Arbeitszeit, mehr Freizeit. Mitarbeiter engagierten sich im werkseigenen Sportklub. Man tanzte auf dem Eumig-Ball, spielte im Eumig-Orchester bei Weihnachtsfeiern auf. Im Gegensatz zu zahlreichen aktuellen Tendenzen war man bestrebt, die Firmenangehörigen möglichst lange in der Firma zu beschäftigen, das gute Betriebsklima zu fördern und die Mitarbeiter durch Sozialleistungen an die Firma zu binden. Besonderen Wert legte die Betriebsleitung auf die Ausbildung der Lehrlinge. Um eine profunde Ausbildung zu ermöglichen, wurde den Lehrlingen, zusätzlich zur Berufsschule, theoretischer Unterricht angeboten. Für die weitere Ausbildung an höheren technischen

Familie Vockenhuber: der Vater des Mit-Firmengründers, links von ihm seine Schwiegertochter Stefanie und ihre Tochter Elfriede, rechts an seiner Schulter Karl Vockenhuber jun., dem späteren Co-Firmenleiter, mit dem ersten Detektor-Empfänger, 1925.

Lehranstalten wurden von der Firma Stipendien vergeben. 1974 wurden alle Eumig-Mitarbeiter in das Angestelltenverhältnis aufgenommen. Der Frauenanteil betrug ca. 80 Prozent, darunter viele Fließbandarbeiterinnen. Im Werk Wiener Neudorf gab es eine eigene Blinden-Abteilung, in der Bausätze zusammengesetzt wurden. Staatsbesuche zeigte man gerne den österreichischen Vorzeigebetrieb. Die Betriebsstandorte waren Wien, Micheldorf – dieses Werk übersiedelte später nach Kirchdorf in Oberösterreich – und Wiener Neudorf. 1966 wurde ein Werk in Fürstenfeld in der Steiermark eröffnet, in dem Kleinmotoren, Transformatoren und Messinstrumente gefertigt wurden. Auch in Bad Deutsch Altenburg befand sich ab 1974 ein Zweigwerk, 1976 wurde das Werk in Fohnsdorf eröffnet. In Yverdon in der Schweiz wurde 1970 die Firma Bolex übernommen. 1971 waren 4.000 Menschen beschäftigt und das 3.000.000 Eumig-Filmgerät verließ das Montageband. Zehn Jahre später, die Firma ist mittlerweile im Eigentum einer Bank, wird der Konkurs angemeldet. Die Übernahme der Produktion von amerikanischen Sofortbildkameras der Firma Polaroid entpuppte sich als nicht zukunftweisend. Weiters war die Videotechnik im Entstehen – eine Entwicklung, die man vielleicht zu spät aufgriff, und obendrein wurde das neue Werk in Fohnsdorf gebaut, das man nun nicht mehr benötigte. Der Geist von Eumig aber lebt weiter. Ehemalige Mitar-

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beiter pflegten nach dem Konkurs weiter ihre Freundschaft, die durch das gute Firmenklima entstanden war, und trafen sich über Jahre regelmäßig, was 28 Jahre später, im Jahr 2009 anlässlich des Jubiläums „90 Jahre Firma Eumig“, zur Gründung des „Förderverein Eumig-Museum“ führte. Ing. Otto Pferschy, der ehemalige Werksdirektor von Eumig, ist heute Vereinsobmann, der Verein setzt sich fast ausschließlich aus ehemaligen Firmenmitarbeitern zusammen. 30 Jahre später ist Eumig wieder in Wiener Neudorf angelangt. Die Dauerausstellung im Alten Feuerwehrhaus zeigt nicht nur die Geschichte des Radioapparates, den Erfolg der Filmprojektoren und Kameras. Vor allem die Geschichte und die sozialen Leistungen der Firma werden dokumentiert – ein Statement gegen die „Hire & fire“-Kultur von heute. / Text: Mella Waldstein Fotos: Archiv Eumig

EUMIG MACHT(E) DAS FILMEN LEICHT

——————————————————— Altes Feuerwehrhaus 2351 Wiener Neudorf, Parkstraße 6 Tel. 02236 62501-39 www.eumig.at


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Fortbildung VOLKSMUSIKEMINAR

—————————————————————— Fr, 15.–So, 17. 2. 2013

TANZLEITERAKADEMIE NÖ

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GREGORIANIK

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Gasthaus „Zum Türkensturz" 3251 Purgstall, Hochrieß 5 Musikschulleiter Johannes Distelberger und Musikschullehrer Helmut Gutleder laden zum Wieselburger Volksmusikseminar auf der Hochrieß ein. Zuhören, musizieren, lernen, Musik erleben – das sind die wesentlichen Schwerpunkte an diesen drei Tagen inmitten der idyllischen Landschaft um das Gasthaus „Zum Türkensturz“ bei Familie Distelberger. Einzelunterricht, Ensemblespiel, Verbesserung des Vortrags und der Spieltechnik, Erlernen neuer Stücke und das Erarbeiten und Finden von erster, zweiter und dritter Stimme sind die Seminarinhalte. Ein hochqualifiziertes Referententeam steht zur Verfügung. Information & Anmeldung 0650 4924761 (Helmut Gutleder) helmut.gutleder@utanet.at _

TANZLEITERSEMINAR

—————————————————————— Sa, 16. 2. 2013, 15.00 Uhr, bis So, 17. 2. 2013, 16.00 Uhr Gasthof Strohmaier 3202 Hofstetten, Hauptplatz 4 Referenten: Karl Gastecker, Franz Huber, Franz Steininger Seminargebühr: EUR 30,00 Nächtigung und Verpflegung: EUR 55,00 Das Seminar richtet sich an Leiter und Leiterinnen von Volkstanzgruppen und erfahrene Volkstänzer. Es sind zwei Arten von Teilnahme möglich: als Tanzleiter/Tanzleiterin und als Tänzer/Tänzerin. Fachvortrag: Mimik und Gestik beim (Volks-) Tanzen Information & Anmeldung Franz Huber Tel. 0664 9608876 franz.huber@volkskulturnoe.at www.volkskulturnoe.at _

Josquin Desprez: Missa de Beata Virgine. Das gregorianische Kyrie zum Fest Beata Maria. Foto: z. V. g.

Lehrgang für Volkstanzleiterinnen und Volkstanzleiter in drei Modulen. Für die Teilnahme wird das Beherrschen von Grundtänzen vorausgesetzt.

Gregorianik und mehrstimmige Alte Musik

Modul 1 Fr, 8. 3.–So, 10. 3. 2013 Österreichische Grundtänze – Lehrpraxis, Methodik des Tanzes – Tanzschritte, Fachausdrücke, Tanzschlüsssel, Volkstanzpflege in Geschichte und Gegenwart, kleine Musikkunde, Franzee und Schottischer, Tanzspiele/ Spieltänze

Anmeldeschluss: Fr, 1. 2. 2013

Modul 2 Fr, 12. 4.–So, 14. 4. 2013 Österreichische Tanzformen, Tanzgeschichte, Quellen der Volksmusik und des Volkstanzes, Typologie des alpenländischen Tanzes, höfische Tänze, Kinder- und Jugendtanz Modul 3 Fr, 10. 5.–So, 12. 5. 2013 Grundlagen des Schuhplattlers, Steirische und Landler, Tanzpädagogik, Tanz, Tracht und Brauch, praktische Übungen Seminargebühr je Modul: EUR 100,00 (für Mitglieder ermäßigt: EUR 60,00) Kursort wird bekanntgegeben, Unterkünfte sind von jedem Teilnehmer selbst zu bezahlen Information & Anmeldung Franz Huber, Tel. 0664 9608876 franz.huber@volkskulturnoe.at www.volkskulturnoe.at _

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2013

Fr, 15. 2.–So, 7. 2. 2013 Bildungshaus St. Hippolyt 3100 St. Pölten Information & Anmeldung Vokalakademie NÖ Franz Moser Tel. 0676 7497291, 0664 2839588 kontakt@vokalakademie.at www.vokalakademie.at _

STIMMUNGSLIEDER

—————————————————————— Ein musikalischer Streifzug von Südafrika bis Europa Sa, 23. 2. 2013 Kunsthaus Horn 3580 Horn Anmeldeschluss: Mi, 6. 2. 2013 Information & Anmeldung Tel. 02742 9005-15141 office@noe-chorverband.at _


Kultur.Region / 45

melodische neue chormusik

—————————————————————— Neue Chorliteratur zum Kennenlernen Sa, 2. 3. 2013 Musikschule Mistelbach 2130 Mistelbach, Bahnzeile 1 Anmeldeschluss: 20. 2. 2013 Information & Anmeldung Tel. 02742 9005-15141 office@noe-chorverband.at _

HILFE, EIN CHOR!

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Lucio Golino. Foto: Wr. Staatsoper/Michael Pöhn

Sa, 4. 5. 2013, 9.30–15.30 Uhr J.-G.-Albrechtsberger-Musikschule Klosterneuburg 3400 Klosterneuburg, Kardinal-Piffl-Platz 8 Referent: Lucio Golino, Musikalischer Leiter des Kinderchores der Volksoper Wien Kursbeitrag: EUR 15,00 Anmeldeschluss: So, 14. 4. 2013 Tipps und Tricks von einem erfahrenen Kinderchorleiter für Gesangslehrer, Kinderchorleiter und alle an diesem Thema interessierten Personen: Disziplin ohne zu schimpfen, Motivation, Zusammenhalt, „Handwerkliches“ zur Chorführung, Einsingen, Mehrstimmigkeit, Auftritte etc. Information & Anmeldung Tel. 02742 90666 6112 elisabeth.kriechbaumer@ musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at _

Überblick 2013

—————————————————————— Fortbildungen des Museumsmanagement Niederösterreich Lehrgang Kulturvermittlung 2-semestrig, Start: Herbst 2013 Professionalisierung der Kulturvermittlungstätigkeit im Hinblick auf Sprache und Kommunikation, Methoden, Didaktik und Konfliktmanagement. Abschluss „Zertifizierter Kulturvermittler“. Haus der Regionen in Krems-Stein _ NÖ Museumskustodenlehrgang 2-semestrig, Start: Herbst 2013 Vermittlung grundlegender Kenntnisse und Fähigkeiten für die tägliche Museumsarbeit (Konzeptarbeit, Sammelstrategie, Projektplanung und Projektentwicklung). Brandlhof in Radlbrunn _ Lehrgang Professionelle Kulturarbeit 2-semestrig, Start: Herbst 2013 Möglichkeit, Projektideen im Rahmen des Lehrgangs weiterzuentwickeln und die Durchführung professionell zu planen. Zielgruppe: Mitarbeiter in Kulturvereinen, Museen und Gemeinden Niederösterreichs. Haus der Regionen in Krems-Stein _ Grundkurs Umgang mit Objekten aus Papier, Risse kleben mit Japanpapier Eintägig im April 2013, Brandlhof in Radlbrunn _ Übungskurs Inventarisieren mit EDV-Programm IMDAS-Pro Eintägig im Juni 2013, Brandlhof in Radlbrunn _ Übungskurs Instandsetzung von beschädigten Büchern Eintägig im November 2013, Brandlhof in Radlbrunn _ Übungskurs Instandsetzung und Konservierung von Holz- und Metallobjekten Eintägig im Oktober 2013, Museumsdorf Niedersulz _ Anmeldung & Information zu allen Kursen Museumsmanagement Niederösterreich Tel. 02732 73999 museen@volkskulturnoe.at www.noemuseen.at _ schaufenster / Kultur.Region / Februar 2013

VORTRAG

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Jugend <> Film: Im Gespräch Möglichkeiten in der medienpädagogischen Arbeit mit Jugendlichen und Film Do, 14. 2. 2013, 18.00 Uhr Haus der Regionen, Festsaal 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Referentin: Katharina Kreutzer, Filmpädagogin Der bewusste Umgang mit audiovisuellen Medien gehört zu den Grundkompetenzen unserer Gesellschaft. Film berührt, beeindruckt und erreicht uns auf verschiedenen Ebenen. Gerade Jugendliche bringen vielfältige Erfahrung im Umgang mit dem Medium Film mit. Der Vortrag bietet Einblick in die filmpädagogische Arbeit des Kinos im Kesselhaus. Am Beispiel konkreter Projekte werden verschiedene Möglichkeiten aufgezeigt, wie mit Film medienpädagogisch gearbeitet werden kann. Im Blickpunkt steht dabei im Besonderen die Zielgruppe der Jugendlichen. Öffentlich zugänglicher Vortrag aus der Reihe „Weiterbildung Kulturvermittlung“ Information & Anmeldung Museumsmanagement Niederösterreich Tel. 02732 73999 museen@volkskulturnoe.at www.noemuseen.at _


Schwerpunkt Eis / 46

Sport

der stock zieht Eisstockschießen – ein historischer Volkssport aus dem Alpenraum, der heute immer öfter auch im Sommer auf einer Asphaltbahn ausgeübt wird.

Eisstockschießen auf der zugefrorenen Thaya in Drosendorf. Foto: Barbara Krobath

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Schwerpunkt Eis / 47

S. K. H. Prinzregent Luitpold beim Eisschießen am Königssee, 1890. Foto: z. V. g.

Pieter Breugel d. Ä.: Winterlandschaft mit Eisläufern und Vogelfalle (Detail), 1565, Öl auf Holz. Sammlung Dr. F. Delporte, Brüssel

Die Kälte beißt. Die Farben des Himmels sind pastell und über die Weite der Winterlandschaft schwappt das Kinderlachen. Über den gefrorenen Teich sirren die Eisstöcke. Diese Idylle eines winterlichen, ländlichen Volkssportes wird immer seltener. Einerseits werden die Winter milder, andererseits ist es auf vielen Teiche verboten, Schlittschuh zu laufen oder andere sportliche Aktivitäten auszuüben, da die Fische aus ihrer Winterruhe erwachen könnten und Gefahr besteht, dass sie an die Oberfläche schwimmen und an der Eisdecke anfrieren. Auch ist die Tradition des Eisstockschießens als gesellige Zusammenkunft in frischer kalter Luft ist in vielen Ortschaften abgekommen. Wiewohl der Eisstock als Verbandssport sehr lebendig ist. Der Eisstocksportverband ist hinter Fußball, Tennis und Alpinski der viertgrößte in Österreich. In Niederösterreich sind 234 Eisstockvereine gemeldet mit insgesamt 10.400 Mitgliedern, insgesamt sind in Österreich 1.700 Vereine im „Bund Österreichischer Eis- und Stocksportler“ (BÖE) vereint. Vom Eisstockschießen gibt uns erstmals Pieter Breugel d. Ä. Auskunft. Gleich auf zwei

Gemälden („Jäger im Schnee“ und „Winterlandschaft mit Eisläufern und Vogelfalle“, beide entstanden 1565) sind Eisstockschützen zu sehen, die sich auf einem gefrorenen Fluss tummeln. Ein weiteres Bild eines aktiven Eisschützen zeigt Erzherzog Johann auf dem Leopoldsteinersee im Jahre 1820. Mit dem Eisstockschießen hat der Kammermaler Matthäus Loder das richtige Sujet ausgewählt, um die Volksverbundenheit des Erzherzogs zu dokumentieren. Gilt doch das Eisstockschießen als Sport, der, gleich welcher Herkunft, gemeinsam ausgeübt wurde. Eine Fotografie aus dem Jahre 1890 zeigt den bayerischen Prinzregent Luitpold, der mit Bauern und Bürgerlichen den Eisstock schwingt. Aus dem Jahre 1865 gibt es einen Bericht, so Theodor Hüttenegger in der „Steirischen Skigeschichte“ (Hg. Steirischer Skiverband, 1968), der von einem Wettbewerb zwischen Tirolern und Salzburgern bei Lofer berichtet. Im Wettkampf wurde um einen Ochsen gespielt. Als Schiedsrichter wird ein Professor Cranz aus Stuttgart genannt, der allerdings die Spielregeln nicht kannte und die Hüttenwirtin befragte. Theodor Hüttenegger: „Diese einfache Frau gab eine Darstellung des

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Der ESV Zwettl, 1919. Foto: z. V. g.

Eischießens mit einer Fachkundigkeit an den Professor weiter, was bestätigt, dass das Zielen auf die Daube bereits ein fest verankerter Volkssport war.“

Spielregeln Die Regeln sind einfach. Generell gilt es, den Eisstock so nahe wie möglich an die Daube zu bringen. Die Daube wird in die Mitte eines drei mal sechs Meter großen „Zielfeldes“ platziert und bildet den Zielpunkt. Zwei Mannschaften mit vier Sportlern, bei Hobbyspielen auch mehr, treffen aufeinander. Die Eisstöcke werden von den Mitspielern der jeweiligen Mannschaften in das Zielfeld befördert, wobei eine Mannschaft immer so lange am Zug ist, bis einer ihrer Eisstöcke näher bei der Daube ist als der des Gegners. Um die Stöcke der beiden Mannschaften auseinanderzuhalten, werden sie mit Bommeln oder Bändern markiert. Jede Mannschaft hat in einer Kehre je einen Versuch pro Person. Alle Eisstöcke bleiben dort im Zielfeld stehen, wo sie zu Ruhe gekommen sind. Falls ein Eisstock die Daube trifft und diese somit verschiebt, ergibt sich ein neuer Zielort. Die taktische Möglichkeit, die Eisstöcke der


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Fleischknödel bei den Knödelturnieren und einen Schweinsbraten bei den Bratlturnieren. In manchen Orten ist es so, dass die Verlierermannschaft besonders kleine Knödel bekommt und Sieger besonders große. Von der (feucht)fröhlichen Zusammenkunft der Eisstockschützen versuchen die Eisstockvereine Abstand zu halten. „Das schadet unserem Image“, erklärt Obmann Lüdemann. Landläufig wird der Eisstock immer noch geschossen. Im Vereinssport nicht. Zu Beginn der 1990er Jahre wurde das Schießen und die Schützen aus dem Sprachschatz verbannt. Jetzt heißt es nicht mehr „einen Schuss auf den gegnerischen Stock abgeben“, sondern einen „Versuch“. „Und das, obwohl die Fußballer weiterhin Tore schießen dürfen“, so Heinz Lüdemann. Aber nicht nur der Name hat sich geändert, auch die Jahreszeit. Die Stocksportler sind vor allem im Sommer auf den Asphaltbahnen aktiv. Denn das Erhalten von Kunsteisbahnen ist im Gegensatz zur Asphaltbahn kostenintensiv und Natureisbahnen werden immer seltener.

Eisstockschießen – ein Sport mit gesellschaftlichem Mehrwert. Foto: Barbara Krobath

gegnerischen Mannschaft wegzuschießen, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen, ist erlaubt. Nachdem alle Sportler beider Mannschaften ihre Stöcke geworfen haben, ist eine Kehre beendet und die Punkte der beiden Mannschaften werden notiert. „Der Stock zieht“, so heißt es für den, der am nächsten bei der Daube steht. Gemessen wird mit einem Zollstab. Jener Eisstock, der am nächsten bei der Daube liegt, erhält drei Punkte, alle weiteren Stöcke derselben Mannschaft je zwei Punkte, bis ein gegnerischer Stock die Reihe unterbricht. Bei Hobbyspielen ist natürlich jede andere Punktevergabe möglich.

Winterspiele Bei den Olympischen Winterspielen 1936 in Garmisch-Partenkirchen wurde Eischießen als Vorführwettbewerb zugelassen. Die Zäsur des Weltkrieges machte weitere Bemühungen

zunichte. Noch einmal wurde in Innsbruck 1964 ein Vorführwettbewerb ausgetragen. „Obwohl der internationale Verband derzeit 41 Mitglieds-Nationen hat, werden nicht alle Anforderungen erfüllt, um olympisch zu sein“, so Heinz Lüdemann, der geschäftsführende Obmann des Niederösterreichischen Eisstocksportverbandes. Trotzdem heißt es – obwohl Olympia nur ein kurzer Traum war – von den Eisstockschützen, die im Meisterschaftsbetrieb spielen: „Ihr spielt’s olympisch.“ In Österreich gibt es verschiedene Arten des Eisstocksportes. Der Kärntner Stock ist schwerer, der Pinzgauer Stock mit langem Stiel wird mit anderen Regeln und auf Schnee gespielt. Abseits der Meisterschaften, die Verbände und Vereine austragen, spielt man Knödelund Bratlturniere. Hier zahlt die letztplatzierte Mannschaft der erstplatzierten ein Essen. Im Waldviertel etwa eine Portion

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Das Eis soll nicht spiegelglatt sein, damit die Schützen respektive Sportler nicht den Halt verlieren. Entweder wird das Eis auf der Kunsteisbahn mit einer Maschine geriffelt oder die Stockschützen lassen die Eisläufer über die Bahn kurven, um das Eis aufzurauen. Früher fertigten die Eisstockschützen ihre Stöcke selber an. Sie waren aus Birnen- oder Ahornholz gedrechselt und mit schmiedeeisernem Ring umschlossen. Der Stiel wurde aus Birke oder Esche angefertigt. Je weicher die Sohle ist, umso langsamer ist der Stock. Bei Turnieren kann die Laufsohle je nach Bedarf – ob weite oder enge Schüsse, also Versuche, notwendig sind – gewechselt werden. Moderne Eisstöcke für Meisterschaften sind High-Tech-Geräte aus einem Kunststoffkörper, der mit einem Edelstahlring umschlossen ist. Sie wiegen zwischen 2,8 und 3,8 Kilogramm. Der Griff ist aus Metall oder Kunststoff und ist mit einem Textil- oder Lederband umwickelt. Die Laufsohlen bestehen für Eisflächen aus Gummi, für den Sommersport aus Hartplastik, sie haben verschiedene Härtegrade und werden je nach Anforderung getauscht. / Text: Mella Waldstein


Kultur.Region / 49

Kultur.Region

INTERN Wir gratulieren

———————————————————— Ihren besonderen Geburtstag feiert unser Ehrenmitglied: Veronika Tronigger, Ulmerfeld-Hausmening, 3. Februar _ Ihren besonderen Geburtstag feiern unsere Mitglieder: Erika Grün, Stockerau, 14. Februar Christine Watkins, Maria Anzbach, 19. Februar _ Ihren runden Geburtstag feiern unsere Ehrenmitglieder: Prof. Ing. Paul Gruber (75), Wien, 2. Februar Johann Eder (70), Kleinzell, 12. Februar Johann Sperr (85), Schwarzenbach an der Pielach, 24. Februar _

NEUE MITGLIEDER

———————————————————— Wir begrüßen herzlich: Ursula Buchmann, Langenlebarn – Unterstützendes Mitglied Harald Asvanyi, Prottes – Unterstützendes Mitglied

ehrungen

—————————————————————— Zur Verleihung des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich gratulieren wir Hauptbrandinspektor Friedrich Ploiner, Kommandant des Feuerwehrunterabschnitts Grafenwörth. _ Zur Verleihung des Silbernen Komturenkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich gratulieren wir LAbg. Mag. Alfred Riedl, Bürgermeister der Marktgemeinde Grafenwörth. _ Das silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich erhielt OSR DI Ernst Kalt. Der Heimatforscher und Erwachsenenbildner setzt sich seit Jahrzehnten intensiv mit der Topografie seiner Heimatstadt Krems auseinander, widmet sich insbesondere dem Stadtbild, hat ein privates Archiv von 38.000 Fotos, Bücher verfasst und Ausstellungen gestaltet. _ Im Rahmen der Ehrenzeichenverleihung
 am 11. Dezember 2012 wurde Prof. Viktor Mayerhofer, dem lang jährigem Leiter der Musikschule St. Pölten, und Prof. Mag. Raoul Herget, Leiter der Josef-Matthias-HauerMusikschule in Wiener Neustadt, das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Niederösterreich verliehen.

Mag. Erna Krause, Wien – Förderndes Mitglied _

ERRATUM

———————————————————— In der Ausgabe Dezember/Januar 2012/13 auf Seite 31 stellen wir einen Fehler richtig. Hier muss es richtig heißen: Tanzleiter Franz Huber anstatt Franz Hofer. Sorry. _

V. l. n. r.: Mag. Michaela Hahn, Mag. Klaus Schneeberger, Prof. Mag. Raoul Herget, Prof. Viktor Mayerhofer, Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, Dr. Edgar Niemeczek, Dorli Draxler.

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Elfriede W. Kristament mit Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll. Foto: NLK

Die Gründerin des „1. Wachauer Goldhauben- und Trachtenmuseums“ in Mautern, Elfriede W. Kristament, wurde für ihren Einsatz und die Erhaltung der Volkskultur in Niederösterreich durch Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll mit der „Goldenen Medaille des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland NÖ“ ausgezeichnet. _

musikalische ehrung

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Helga Hofer (2. v. l.) in musikalischer Runde.

Beim Konzert „In 80 Takten um die Welt“ des Singkreises Matzen wurde Dir. Helga Hofer eine berührende und sehr persönliche Verabschiedung bereitet. Helga Hofer war Mitbegründerin des Singkreises Matzen, den bis 2000 ihr Gatte Dr. Anton Hofer geleitet hatte. 2000 übernahm Helga Hofer die Leitung und führte den Chor über zehn Jahre lang zu vielen musikalischen Höhepunkten. _


Die letzte Seite / 50

2nd life Das ist sichtbarer Beweis für Sparsamkeit und Erfindungsreichtum des Bundesheers. Der Truppenübungsplatz Allentsteig im Waldviertel dehnt sich auf einer Fläche von etwa 157 Quadratkilometer aus. Das bedeutet jede Menge Schranken, um das militärische Sperrgebiet zu schützen – und die Bürger vor dem Sperrgebiet. Um die Schranken auch nachts und an nebeligen Wintertagen nicht zu übersehen, sind die Sperren mit rot-weiß-rot gestrichenen Tonnen bestückt. Aus Öltonnen werden Ö-Tonnen. Sie gehören zum Bild des Waldviertels fast so wie Granitsteine. /

Landeinwärts

das zentrum der welt Ich bin das Zentrum der Welt. Pausenlos stehe ich im Mittelpunkt. Frühmorgens wird bei mir Kaffee und Kakao getrunken. Sie fragen, was daran so wichtig sein soll? Natürlich bleiben mir auch die Weltnachrichten nicht verborgen. Ich biete ihnen dazu die Grundlage, auf der sie sich ausbreiten. Danach verlassen mich einige Menschen fluchtartig, natürlich scheren sie sich nicht darum, dass alles im Chaos zurückbleibt. Plötzlich wird es still. Dann aber – ja, bei uns geht es etwas altmodisch zu, wird der Ofen eingeheizt, und plötzlich ist es warm und ich werde von all den Bröseln und Kakaobädern gereinigt – beginnt die Arbeit. Ich werde mit Büchern und Notizen überhäuft und im Nu entsteht ein ordentliches Durcheinander. Meine Geschäftspartnerin springt andauernd

auf, telefoniert, kocht Kaffee, geht zur Waschmaschine, dann wieder Blumengießen. Sanft zwinge ich sie wieder auf ihren Arbeitsplatz. Das allein kraft meiner Ausstrahlung und Würde. Aber ach, irgendwann, wenn sie wirklich konzentriert zu arbeiten beginnt, unterbricht sie abermals. Sie schafft weitere Dinge heran, die gar nicht zueinander passen; Stichwort Papier und Butter, Computer und Mehl. Szenenwechsel. Es ist Mittag. Da klappern die Teller, es wird gelacht und gekeift, gemurrt und diskutiert. Nachmittags, obwohl es genug andere Plätze gäbe, versammeln sich bei mir Physikformeln und Spanischvokabeln, Aufsätze und Bastelschnipsel. Ich habe viele Brüder und Schwestern. Manche tragen einen unmöglichen schwedischen Namen, andere

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sind schick und teuer. Diese beneide ich nicht. Bei ihnen spielt sich nichts ab. Sie sind den ganzen Tag einsam und eifersüchtig auf die hohen, dünnen, die sich Theke nennen. Andere umgeben sich mit langer Tradition und reden Dialekt; jogeln nenn’ ich das. Ich selbst bin nicht besonders schön, habe Schnitte und Altersflecken, und wackelig bin ich auch, denn meine Geschäftspartnerin kümmert sich nicht ausreichend um mich. Abends kann es lustig zugehen. Da klirren die Gläser und lautstark wird die Welt gerettet. Tatsächlich – ich habe ganz vergessen, mich vorzustellen. Aber Sie kennen mich längst. Ich heiße Küchentisch. / Mella Waldstein


Damit Visionen Wirklichkeit werden, ermöglicht Raiffeisen viele Kulturveranstaltungen durch seine regionalen und lokalen Förderungen. Denn Realisierung und Erfolg von Kulturinitiativen hängen nicht nur von Ideen, sondern auch von finanziellen Mitteln ab. Gemeinsam ist man einfach stärker. www.raiffeisen.at


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