Schaufenster Kultur.Region September/Oktober 2014

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Nachrichten aus der Kultur.Region Niederösterreich . September/Oktober 2014

schaufenster

KULTUR.REGION Von Kopf bis Fuß Tracht / Kleider machen Leute . Haus der Regionen / Herbstprogramm

P.b.b. · Vertragsnummer 11Z038847M · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295

Hopfen / Die Seele des Biers


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www.noevers.at

Tur l u k s Volk

Wir schaffen das.

WIEN NORD

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EinBlick / 3

Zwei Seiten einer Medaille

DEMOKRATIE UND BILDUNG! Seit jeher strebt die Menschheit danach, ein gut funktionierendes und allseits akzeptiertes Gemeinwesen zu schaffen. Drei Fundamente tragen Wesentliches dazu bei: Bildung, Bildung und noch einmal Bildung.

Nachhaltige Kulturarbeit an 365 Tagen im Jahr, so lautet der wohl wichtigste Untertitel zur Initiative „Wir tragen Niederösterreich“. In den vergangenen Jahren profilierte sich das Bundesland Niederösterreich mehr und mehr zu einer ausgewiesenen Kulturregion. Die Entwicklung und der Ausbau dieses Profils sind gleichermaßen Zweck und Anliegen der Kultur.Region.Niederösterreich sowie ihrer Einrichtungen und Projekte im ganzen Land. Der Unternehmensname ist daher Auftrag ebenso wie Programm, nachhaltiges Wirken mit vielen Menschen für viele Menschen lautet die Devise. Der Mehrwert für jede und für jeden soll sich in mehrfacher Hinsicht einstellen: Die Bandbreite reicht von Freude und Erbauung bis zur Persönlichkeitsbildung, vom Erleben eines Gefühls von Gemeinschaft und Zusammenhalt bis zum Erwerb spezieller Kompetenzen oder von der Stärkung des Selbstbewusstseins bis zur Sicherheit im Umgang mit kulturellen Phänomenen. Gerade die vielfältigen Ausdrucksformen kulturellen Handelns erfordern als unverzichtbare Basis jene Freiheiten und Grundwerte, die eine moderne Demokratie garantiert. Eine gefestigte Demokratie verträgt auch die Diskussion über ihren jeweiligen Zustand, von bloßer Nörgelei bis zu berechtigter Kritik. Allerdings, bei allen Errungenschaften, die wir an einem demokratischen Gesellschaftssystem schätzen, ist ein Problem immer mitzudenken: Eine Demokratie kann sich auf durchaus demokratischen Wegen selbst schwächen oder sogar ganz aushebeln, und das gestützt auf solide Mehrheiten, wie Beispiele auch der jüngeren Geschichte zeigen. Umso mehr gilt es

nicht müde zu werden, Demokratie und Bildung als die beiden untrennbar zusammengehörenden Seiten ein und derselben Medaille zu verstehen. So gesehen kann auch jener Handlungsrahmen erklärt und verstanden werden, der Grundlagen und Regeln für rasche Entscheidungen ermöglicht, sogar einfordert. Gerade ein Herumeiern lässt den Ruf nach dem sprichwörtlich starken Mann laut werden, und als ein solcher drängt sich ja immer wieder wer auf. Ein guter Instinkt und selbstverständlich auch Bildung schaffen die Befähigung dazu, solchen Heilsbringerinnen und Heilsbringern nicht auf den Leim zu gehen. In diesem Zusammenhang soll auch betont werden, wie wichtig es ist, Sachverhalte differenziert beurteilen zu können. Nicht alles passt ins Schwarz-Weiß-Schema und nicht alle gehören in denselben Topf, handelt es sich nun um Vertreterinnen oder Vertreter des Lehrberufs, des Autohandels, des Handwerks, der Wissenschaft, der Medien oder der Politik. Ein gefestigtes und prosperierendes Gemeinwesen muss jedenfalls stark auf Bildung in all ihren Facetten setzen. Nicht zuletzt deshalb sind alle Projekte der Kultur.Region.Niederösterreich als Elemente eines umfassenden Bildungsprogramms zu verstehen. Dorli Draxler, Edgar Niemeczek

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Top-Termine / 4

September 2014

TOP-TERMINE PFERDEKRAFT —————————————————— Die Rolle des Pferdes in der ländlichen Arbeitswelt Sa, 27. 9. 2014, 10.00–18.00 Uhr Museumsdorf Niedersulz ——————————————————

NATURGARTENFEST —————————————————— Herbstfest für Hilfe im eigenen Land Sa, 13. 9. 2014, 10.00–18.00 Uhr Museumsdorf Niedersulz —————————————————— Natur im Garten, die Volkskultur Niederösterreich, „Hilfe im eigenen Land“ und das Museumsdorf Niedersulz laden unter dem Motto „Wir tragen Niederösterreich“ zum großen Naturgartenfest und Herbstfest für „Hilfe im eigenen Land“ ein (Patronanz: Präsidentin Sissi Pröll). Ziel der Organisation ist es, in Not geratene Menschen rasch, unbürokratisch und nachhaltig zu unterstützen. Das Fest am schönen Dorfplatz beginnt um 11.00 Uhr mit einer Andacht, zelebriert von Abt Matthäus Nimmervoll, Stift Lilienfeld. Anschließend werden in einem Festakt die Anliegen und Erfolge von „Hilfe im eigenen Land“ vorgestellt. Durch den offiziellen Teil führt TV-Journalistin Barbara Stöckl. Den ganzen Tag über werden Lose mit attraktiven Sachpreisen verkauft. Die Einnahmen daraus kommen zu 100 Prozent der Hilfe im eigenen Land – Katastrophenhilfe Österreich zugute. Unter den zahlreichen Ehrengästen stellen sich auch Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka in den Dienst der guten Sache. ————— Information www.museumsdorf.at www.hilfeimeigenenland.at

Zahlreiche Schaudarbietungen mit Norikern und Haflingern aus dem ländlichen Alltag von Damals. Für Kinder gibt es ein lustiges „Steckenpferd-Basteln“ und Pferdekutschenfahrten durch das Museumsdorf. In der Wagnerei und Schmiede des Museumsdorfes geben Vorführungen einen Überblick über die interessante und oft beschwerliche Arbeit der Handwerker in früheren Zeiten. 15.00 Uhr: Spezialführung „Der Bauer und der Pflug“. ————— Information Museumsdorf Niedersulz 2224 Niedersulz 250 Tel. 02534 333 www.museumsdorf.at

DAS GLÜCK LIEGT SO NAH —————————————————— Buchpräsentation Di, 30. 9. 2014, 18.30 Uhr Haus der Regionen ——————————————————

FRISCHE CHÖRE! —————————————————— Klangraum Krems Minoritenkirche So, 19. 10. 2014, 18.00 Uhr Minoritenplatz 4, 3500 Krems —————————————————— Konzert der Chorszene Niederösterreich, CD-Präsentation „vielstimmig 10“ Mit dabei: chapeau! (Leitung: Sigrid Pacher), Chor des BORG St. Pölten (Leitung: Erich Schwab), Chor des musischen Gymnasiums Perchtoldsdorf (Leitung: Beatrix Hawranek), Landesjugendchor Niederösterreich (Leitung: Oliver Stech/ Benedikt Blaschek), Vocation.

Die Volkskultur Niederösterreich und der Christian Brandstätter Verlag laden zur Buchpräsentation ein: Sepp Forcher „Das Glück liegt so nah. Warum wir auf Österreich stolz sein können.“

Als Intendant des Abends fungiert auch heuer wieder Chorszene-NiederösterreichKoordinator Gottfried Zawichowski. Das Publikum darf sich auf ein beeindruckendes Ton-Licht-Gesamtkunstwerk freuen.

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Information Haus der Regionen 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015

Information Chorszene Niederösterreich Tel. 02742 90666 6117 michaela.toifl@volkskulturnoe.at www.chorszenenoe.at

www.volkskulturnoe.at

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Inhalt / 5

September 2014

INHALT Thema „Von Kopf bis Fuß“ Interview mit

Industrieviertel Der Wiener Neustädter

6 /

18 /

Gexi Tostmann

—————— Wir tragen Niederösterreich

8 /

20 /

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Thema „Von Kopf bis Fuß“ Textiles Handwerk

10 / Kleider machen Leute

22 /

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12 /

24 / Weisenblasen

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Haus der Regionen Das Nibelungenlied

13 /

26 /

Haus der Regionen Herbstprogramm

14 /

28 /

15 / Das Sonntagberg-Buch

30 /

Atzenbrugg Volksmusik trifft Orgel &

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Weinviertel Kellergasse Galgenberg

17 /

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Auslage Bücher, CDs & feine Ware

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60-Jahre-Jubiläum

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NÖ Kreativakademie Begabtenakadamie

—————— Mostviertel

16 /

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Musikschulen Musikvermittlung

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am Brandlhof

—————— Brandlhof

Kremser Kamingespräche Gefühle

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Waldviertel Hopfen

Dirndlgwandsonntag

—————— Thema „Von Kopf bis Fuß“

Kanal

—————— Stadtmuseum St. Pölten

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Volkskundemuseum Wien

32 / News from the Past 34 / Ruthenische Stickereien

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aus dem Flüchtlingslager Gmünd ——————

Tag des Denkmals 2014

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36 / Maria Langegg

Langenzersdorf Museum Klassische Moderne

38 /

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Museum Stillfried

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Museumsdorf Niedersulz Die Dorfschullehrer

39 / 100 Jahre Museumsverein 40 /

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Museumsdorf Niedersulz Die Färberpflanzen &

42 /

Naturgartenfest

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Komponist Leopold Knebelsberger

45 /

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Kultur.Region

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Kultur.Region

46 / Intern

48 / Zwischen Himmel und Erde

—————— Kultur.Region

49 / Fortbildung

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50 / Die letzte Seite

IMPRESSUM Herausgeber: Prof. Dr. Edgar Niemeczek, Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Redaktionsteam: Mag. Michaela Hahn, Mag. Katharina Heger, Mag. Marion Helmhart, Markus Kiesenhofer, BA MA, Dr. Jürgen Nemec, Mag. Andreas Teufl, DI Claudia Lueger, Dr. Freya Martin, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Michaela Toifl, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Eva Zeindl, Mag. Doris Zizala. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dr. Walpurga Antl, Mag. Doris Buchmann, Dr. Wolfgang Huber, Dr. Peter Kostner, Josef Kovats, Ing. Günther Lechner, Dr. Ronald Risy, Franz Überlacker, Dr. Helga Maria Wolf. Produktionsleitung, Marketing, Anzeigen und Beilagen: Mag. Marion Helmhart. Eigentümer/Medieninhaber: Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at, www.volkskulturnoe.at. Geschäftsführung: Dorothea Draxler, Mag. Dr. Harald Froschauer. Sekretariat: Tina Schmid, Carina Stadler. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien. Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Postamt 3112 St. Pölten. ISSN 1680-3434. Copyrights: Kultur.Region.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Artikelübernahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: Wenn nicht anders angegeben, Bildarchiv der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und Kultur und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonderer Berücksichtigung der Regionalkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise. Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion widerspiegeln. Cover: atelier olschinsky

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Interview / 6

Gexi Tostmann

TRACHTENBOOM & LANDESANZUG Dr. Gesine Tostmann, Unternehmerin und Doyenne der Tracht, im Gespräch über ihren Beitrag zur Weiterentwicklung des niederösterreichischen Landesanzugs, Langlebigkeit und Qualität der Tracht.

Am 14. September wird in Niederösterreich zum sechsten Mal der Dirndlgwandsonntag gefeiert. Was hat dieser Tag bewirkt? Tostmann: Die Volkskultur Niederösterreich hat mit dem Dirndlgwandsonntag einen Erfolg gelandet. Denn in Niederösterreich wurde im Vergleich zu den westlichen Bundesländern nicht so viel Tracht getragen. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Wenn man nur einmal im Jahr Tracht trägt, ist das zu wenig! Doch ist der Dirndlgwandsonntag ein guter Anlass, die Tracht in den Mittelpunkt zu stellen. Sie haben vor zwölf Jahren den Niederösterreichanzug entwickelt, der sich größter Beliebtheit erfreut. Tostmann: In den 1950er Jahren gab es den sogenannten Mauereranzug – benannt nach Landeshauptmann Andreas Maurer – in den verschiedenen Blautönen. Er war aus einem sehr festen Stoff, der für die heutige Zeit nicht mehr passend war. Schließlich ist er in den 1980er Jahren immer weniger und weniger getragen worden. Aufbauend auf diesen Maureranzug haben wir den niederösterreichischen Landesanzug entwickelt. Ich habe schon mit einem Erfolg gerechnet, aber nicht in diesem Tempo. Da ist auch Landeshauptmann Pröll dahinter gestanden, der sich dafür eingebracht hat. Der Anzug, der in der Kurzform auch als „Niederösterreicher“ bezeichnet wird, ist sehr brauchbar – für alle Gelegenheiten und für jeden Typ.

„Die Globalisierung ist ein Grund für die Rückbesinnung auf Regionales.“

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Ist der Landesanzug in den letzten Jahren modifiziert worden? Tostmann: Modifiziert nicht, aber redu-


Interview / 7

Der Landesanzug bei Tostmann Trachten.

ziert. Es gab mehrere Modelle, doch letztendlich hat sich jenes mit dem Stehkragen durchgesetzt und als Material Cool Wool, obwohl ich persönlich das Modell mit den Aufschlägen auch sehr elegant finde. Hinzu kamen der Leibelkittel und das Seidendirndl für Damen. Für mich zeigt sich der Erfolg auch, wenn eine Tracht von selber weitergeht, wenn andere Firmen den Landesanzug in ihr Repertoire aufnehmen. Eine Tracht muss allgemein gültig und verfügbar sein. Exklusivität hat nichts mit Tracht zu tun. Sie leben in Wien und am Attersee. Welche Beziehung haben Sie zu Niederösterreich? Tostmann:Wir stellen gerade die Familienund Firmenchronik zusammen. Und siehe da: Mein Urgroßvater stammt aus Ziersdorf bei Radlbrunn! Mit Niederösterreich bin ich durch die langjährige Trachtenberatung verbunden. Das aktuelle Beispiel ist die Klosterneuburger Tracht, wo wir Abbildungen von hübschen Papageien im Stiftsarchiv gefunden haben, die sich auch in der Tracht wiederfinden. Außerdem ist unsere Firma Partner von „Wir tragen Niederösterreich“. Und wie gesagt, der niederösterreichische Landesanzug … Sind Sie mit der Tracht aufgewachsen? Tostmann: Meine Mutter hat in den Wiener Werkstätten bei Eduard WimmerWisgrill und Josef Hoffmann gelernt. In den 1950er Jahren hat sie begonnen, Trachten zu nähen. Viele haben ihr davon abgeraten und gesagt, dass in diesen Zeiten keine Tracht gefragt ist. Von ihr stammt der Satz: „Was kann das Dirndl dafür, dass es politisch missbraucht wurde.“

LH Dr. Erwin Pröll im Landesanzug und Botschafterin der Tracht Anja Kruse. Foto: Tostmann Trachten

Wie erklären Sie sich den momentanen Boom der Trachtenmode? Tostmann: Da gibt es mehrere Ursachen. Die erste ist unsere Eventgesellschaft. Als wir jung waren, hatten wir nicht so viele Feste, bei denen wir Dirndl getragen haben, da ging man lieber in verrauchte Keller, das Bierfest war nicht das Fest unserer Generation. Jetzt gibt es viele Gelegenheiten, um Tracht zu tragen – und allerorts Oktoberfeste. Die Globalisierung ist ein weiterer Grund für die Rückbesinnung auf Regionales. Dadurch hat eine neue Bewertung stattgefunden. Und es gibt etwas, das es nur hier gibt. Alles andere – Stichwort Modeketten – gibt es überall auf der Welt und schaut überall gleich aus. Der dritte Grund ist, dass die Tracht ein Kontrapunkt zur androgynen Mode ist. Da kann Frau Busen zeigen und der Mann den knackigen Hintern. Für mich ist neben Regionalität und Tradition der ökologische Aspekt ganz wichtig. Gehen wir weg von Wegwerfgesellschaft! Eine Tracht hält über Generationen und passt sich der Figur an. Man kann eine Tracht weiter machen und enger, man kann aus einer alten Schürze einen Polsterbezug machen oder Lavendelsackerl. In unser Geschäft kommen Mädchen, die das Dirndl von ihren Großmüttern bringen. Mir wäre es ja lieber, man würde am Flohmarkt alte Dirndln kaufen und nicht diese furchtbaren Plastikdirndln um 29 Euro. Die sind nicht „fair trade“ hergestellt, abgesehen davon, dass die Baumwolle mit Pestiziden durchtränkt ist. Das gilt auch ganz besonders für das billige Leder mancher Lederhosen.

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Wird Tracht in Asien produziert? Tostmann: Meine Tochter Anna sammelt diese Angebote – z. B. aus Bangladesch, welche zum Teil optisch gar nicht schlecht aussehen. Ich habe es ja nicht für möglich gehalten, dass Trachtenmode in Bangladesch gefertigt wird, denn ich dachte immer, dass der Markt dafür zu klein ist. Aber so klein ist der Markt nicht mehr. Die Schwierigkeit ist, dass viele den Unterschied zwischen Natur- und Kunstfaser gar nicht mehr kennen. Tostmann: Das ist unsere Aufgabe, dies zu vermitteln. Das wird in unserer „Bandelkramerey“ in Seewalchen – das Museum, an dem wir arbeiten – ein großes Anliegen sein, um die Arbeitsschritte von der Faser bis zum G’wand zu zeigen und nachvollziehbar zu machen. Andererseits muss auch gesagt werden, dass Baumwolle nicht automatisch „gut“ ist. Es gibt Kunstfasern, die „ökologischer“ sind als die mit Pestiziden bearbeitete Baumwolle, die unter lebensgefährlichen Rahmenbedingungen kultiviert und verarbeitet wird. Darf man in Tracht Fastfood essen? Tostmann: Auch ein Apfel ist Fastfood! / Aufgezeichnet von Mella Waldstein Fotos: atelier olschinsky


Volkskultur Niederösterreich / 8

Dirndlgwandsonntag

DIRNDLT EUCH! Unter dem Motto „Wir tragen Niederösterreich“ findet am 14. September 2014 landesweit der 6. Dirndlgwandsonntag statt.

Foto: Nikolaus Korab

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Volkskultur Niederösterreich / 9

In der Tracht zum Sonntagsausflug … Foto: Fichtinger

„Der Dirndlgwandsonntag ist bereits zu einer festen Tradition geworden und wird begeistert aufgenommen. Es zeigt uns, dass Volkskultur modern und aktuell ist und Tracht als Ausdruck von Lebensfreude und Heimatverbundenheit begeistert aufgenommen wird“, freut sich Dorli Draxler, Geschäftsführerin der Volkskultur. So versteht sich der landesweite Dirndlgwandsonntag als einer der Höhepunkte im Veranstaltungsjahr rund um „Wir tragen Niederösterreich“. Die Idee, in Tracht die Heilige Messe zu besuchen, wird seit 2009 in vielen Gemeinden des Landes mit Erfolg umgesetzt. Im Bundesland Salzburg gibt es schon seit 2005 rund um den Festtag der hl. Notburga den Dirndlgwandsonntag. Die hl. Notburga (geb. um 1265 in Rattenberg, gest. 1313 in Rottenburg) deshalb, weil sie in Abbildungen stets in Tracht dargestellt wird, sich für die Armen einsetzte und für ihre Nächstenliebe bekannt war. Sie ist eine Volksheilige des Bundeslandes Tirol und Schutzheilige der Mägde, Bauern und Dienstboten. Die Volkskultur Niederösterreich ruft landesweit dazu auf, am zweiten Sonntag im September in trachtigem Gewand die Heilige Messe zu besuchen. Egal ob Dirndl, Kalmuk, Trachtenjoppe, Wetterfleck oder auch nur das Zitat einer Tracht – das Tragen von Trachten hebt die Wertschätzung für regio-

nale Traditionen hervor. In Kooperation mit 770 Pfarren in Niederösterreich soll der landesweite Dirndlgwandsonntag rund um den Festtag der hl. Notburga zu einem fixen Termin im Veranstaltungskalender werden. Die Initiative „Wir tragen Niederösterreich“ wird auch vom Land Niederösterreich mitgetragen. So unterstützt Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll diese Aktion: „Volkskultur, also das Leben mit Bräuchen und heimischen Traditionen, ist wohl der verlässlichste Handlauf für eine mutige und moderne Gestaltung unserer Zukunft. Die Tracht gehört dazu!“ Für den Dirndlgwandsonntag ist die Zusammenarbeit mit den Diözesen Wien und St. Pölten wichtig. Diözesanbischof DDr. Klaus Küng zeigt sich begeistert von der Aktion: „Der Stellenwert der Sonntagsmesse als Mitte und Quelle des christlichen Lebens wird durch das Tragen einer schönen Tracht hervorgehoben.“ Auch Erzbischof Dr. Christoph Kardinal Schönborn trägt die Idee mit: „Der Dirndlgwandsonntag – eine wunderschöne Initiative für regionales Bewusstsein, Tradition und Würdigung des Sonntags.“ /

… und in die Kirche.

DINDLGWANDSONNTAG

——————————————————— So, 14. 9. 2014, landesweit Im Rahmen des Dirndlgwandsonntags finden in ganz Niederösterreich zahlreiche Veranstaltungen statt. Informationen hierzu finden Sie auf der Webseite www.wirtragennoe.at _ Dirndlgwandsonntag in Reinsberg Pfarrkirche und Burgarena Reinsberg, 3264 Reinsberg 9.45 Uhr: Festmesse in der Pfarrkirche Reinsberg 11.00 Uhr: ORF Radio NÖ Frühschoppen mit der Trachtenkapelle Reinsberg und der Wia z’Haus Musi. Anschließend Platzkonzert mit der Trachtenkapelle Reinsberg und volkskultureller Nachmittag in der Burgarena mit regionalen Musik- und Tanzgruppen. _ Dirndlgwandsonntag in Niedersulz Weinviertler Museumsdorf Niedersulz, 
 2224 Niedersulz 250 10.00 Uhr: Feldmesse und Frühschoppen 14.00–17.00 Uhr: Thementag „Bienen-Neujahr“ _

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Schwerpunkt / 10

Von Kopf bis Fuß

KLEIDER MACHEN LEUTE Mode bedeutet Individualität, die ein Kennzeichen städtischen Bürgertums ist. Nach dem Prinzip „Kleider machen Leute“ sagte das Gewand viel über seine Träger aus.

nungen und unterscheidet sich auf den Tafelbildern deutlich von den klassisch gewandeten Heiligen wie Johannes oder Maria.

Rot und grün

Tracht aus Gresten.

Tracht in der Gotik (um 1414).

Im Altertum trugen Männer und Frauen aller Bevölkerungsschichten ähnliche Kleidung aus unzerschnittenem Stoff. Noch um 1300 unterschieden sich Männer- und Frauenkleidung nur durch die Länge (knöchelbzw. überlang). Auch im 14. und 15. Jahrhundert bestand die vollständige Kleidung aus drei Schichten: Unterkleid (Leinenhemd), Oberkleid (Leibrock aus gröberem Leinen) und Überkleid (Umhängemantel).

Zeit die Kostümhistorikerin Silke Geppert in ihrem Buch „Mode unter dem Kreuz. Kleiderkommunikation im christlichen Kult“ beschäftigt. Sie definiert Mode als „die neue Art und Weise der Bekleidung, im Sinne von anders sein und anders wirken als das Vorhandene. Sie ist ein Phänomen, das in den Metropolen entsteht.“ Mode hat mit Individualität zu tun, die ein Kennzeichen städtischen Bürgertums ist. Nach dem Prinzip „Kleider machen Leute“ sagte das Gewand viel über seine Träger aus. So erscheint etwa Maria Magdalena besonders modisch dargestellt. Die angebliche „Sünderin“ verstößt häufig gegen die Kleiderord-

Doch schon im Mittelalter spielte bei den höheren Schichten die Mode eine wichtige Rolle, wie man auf gotischen Altarbildern gut sehen kann. Damit hat sich in jüngster

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Seit dem 12. Jahrhundert versuchten die Herrscher, durch Kleiderordnungen den Kleiderluxus (der anderen) aus verschiedenen Gründen einzudämmen. So hieß es, dass die Bürger nicht wegen der hohen Ausgaben für Kleidung verarmen und dann der Obrigkeit zur Last fallen sollten. Wichtiger war es jedoch, die sozialen Hierarchien zu fixieren. Die Kleiderordnung des damaligen Königs und späteren Kaisers Ferdinand I. (1552) gab den fünf Ständen unterschiedliche Möglichkeiten. Der untertänige Bauer und Taglöhner durfte nur Kleider aus einem unzerschnittenen Stoff billiger Sorte tragen. Dem Bauernstand wurde die sparsame Verwendung der Farben Rot und Grün gestattet. In der Barockzeit verbot Kaiser Leopold (1640–1705) den Frauen „weit ausgeschnittene Wämser und lange, nachschweifende Röcke“, ebenso Haarlocken „und insgemein alle neue Mode“. Dadurch sollte die Einfuhr modischer Stoffe zurückgedrängt und das heimische Textilgewerbe gestärkt werden. Weitgehende Freiheit brachten der Zeitgeist der Französischen Revolution sowie die Aufklärung. In dieser Zeit entstand das, was man heute gemeinhin als „Trachten“ bezeichnet. Tracht kommt von Tragen und bedeutete jede Art von Kleidung, nichts Besonderes. Der oberösterreichische Volkskundler Franz Lipp stellte fest, dass „zwischen 1780 und


Schwerpunkt / 11

Trapp-Tracht.

Erzherzog-Johann-Tracht.

Dirndlf liegen.

1830 die (…) Regional-, manchmal auch Lokaltrachten sich erst richtig entwickelten und formierten“. Es war die Zeit, in der die Reiseschriftsteller ausschwärmten, um Land und Leute kennen zu lernen (z. B. Friedrich Anton Reil 1835) und die Biedermeiermaler (z. B. Ferdinand Georg Waldmüller, 1793 bis 1865) Feste und Alltag naturalistisch darstellten. Idealistisch und ideologisch suchten die Bürger – wie bei den Bräuchen – das vermeintlich Reine, Alte, Unverdorbene, Ursprüngliche auf dem Lande. Erzherzog Johann (1782–1859), der die steirischen Trachten von seinen Kammermalern dokumentieren ließ, führte den „grauen Rock“ ein und trug ihn selbst gerne, „um ein Beispiel der Einfachheit zu geben“. Seinem Großneffen Franz Joseph (1830–1916) schenkte er zur Taufe einen Steirerhut, und als er den 16-Jährigen zur Jagd einlud, sollte dieser in steirischer Tracht kommen. Bekanntermaßen trug der Kaiser dann bei seinen Sommeraufenthalten in Bad Ischl Tracht und gab damit dem Adel und der eleganten Welt ein Vorbild. In der Zwischenkriegszeit engagierten sich die Besucher der Salzburger Festspiele (ab 1920) für das Trachtentragen.

besonders der Hollywood-Film (1956, einer der erfolgreichsten Nachkriegsheimatfilme) und das Broadway-Musical „Sound of Music“ (1959) machten das Dirndl international bekannt. Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in Bayern Trachtenvereine, die auch Volkstänze pflegten. Tirol, Salzburg und Kärnten folgten. Die ersten Heimatwerke wurden 1870 in Skandinavien gegründet, 1930 in der Schweiz. Sie sollten Traditionen und im Traditionsbereich arbeitende Gewerbe unterstützen. Sie wollten auch die Phantasie der Trachtenschneider zügeln. Denn schon um die Jahrhundertwende gab es in Wien Versandkataloge mit sogenannten National- und Typentrachten sowie Sport- und Jagdbekleidung (Hubertusmantel, Wetterfleck).

Dirndlfliegen

Sound of Dirndl Die Trapp-Familie, die in Amerika in Dirndl, Lederhose und Lodenanzug auftrat, und

1934 richtete Prof. Viktor Geramb (1884 bis 1958) in Graz als erstes in Österreich das Steirische Heimatwerk ein, im selben Jahr folgte eines in Tirol. Der Museumsdirektor nahm Kontakt mit der Textilindustrie auf, vermittelte Vorlagen aus den Sammlungsbeständen und zeichnete die so erzeugten Waren mit einem Qualitätssiegel aus. In der NS-Zeit wurden in allen Bundesländern außer Vorarlberg Einrichtungen zur sogenannten wissenschaftlichen Trachtenerneuerung geschaffen. Die Vorliebe jener Zeit zur Tracht und deren Verbot für Juden haben dem Dirndl nachhaltig geschadet.

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Inzwischen haben nicht nur traditionsbewusste Kreise die Tracht wieder entdeckt. Dirndl und Leserhose sind zur Massenware geworden. Trachtensupermärkte decken den breiten Bedarf. Man kann sogar Badeshirts im Lederhosenlook kaufen. Das Dirndl steht im Mittelpunkt mehr oder minder neuer Events, wie Neustifter Kirtag, Wiener Wiesn, Trachtenpärchenball oder Dirndlfliegen. Es findet seit 2006 – inzwischen mehrmals jährlich – in verschiedenen Orten Österreichs statt, zudem in Deutschland und Italien. Mit Dirndl bekleidete Frauen (und Männer) hüpfen dabei von einem Sprungbrett in einen See oder in ein Freibad. Eine Jury bewertet: „Je ausgefallener die Figuren im Fall, desto besser.“ Die Grazer Modedesignerin Lena Hoschek (*1981) stellt Pinup-Girls und Dirndl in den Mittelpunkt ihrer Kollektionen. Der steirische VolksRock-’n’-Roller und Hitparadenstürmer Andreas Gabalier (*1984) ist ein Musterbeispiel für Crossover, in der Musik wie in der Kleidung. Modisch gestylt tritt er in der Lederhose mit seiner Harmonika auf. / Text: Helga Maria Wolf Illustrationen: Magdalena Steiner


Haus der Regionen / 12

Kamingespräche

IM REICH DER GEFÜHLE Die Kremser Kamingespräche gehen in die 17. Runde und setzen, eröffnet von einem Vortrag am Kamin, die Segel in das Reich der Gefühle.

Foto: shutterstock

Eine Reise ins Reich der Gefühle ist Abenteuer pur: Kein Augenblick unseres Daseins, kein Hauch und Horizont unseres Menschseins ohne Emotionen, ohne Stimmungen, ohne die Bahnen des Herzens. Das Reich der Gefühle ist allgegenwärtig, und doch entzieht es sich jedem sicheren Zugriff, jeder festen Verortung. Als das Innerste meines Inneren, als unableitbarer Ausdruck meines spontanen Selbstseins, als das Siegel einzigartiger Individualität muss das Reich der Gefühle erfasst werden – sagen die einen. Als das Resultat komplexer Lernprozesse, geprägt und geformt von soziokulturellen Rahmenbedingungen und vom Zeitfluss der Geschichte, müssen Emotionen begriffen werden – sagt die moderne Emotionsforschung. Die rationalistische Denktradition des Abendlandes hat das Reich der Gefühle nicht selten mit abschätziger Miene ins Abseits gestellt. Heute hingegen weiß man: Gefühle sind ein wesentliches Moment all unserer Welt- und Selbstbegegnungen, sie bestimmen all unsere Wirklichkeitserfahrungen mit.

Gefühle – „blind“ oder „sehend“?

Emotionen zwischen Herz und Hirn

Alte Gegenüberstellungen von Innensicht und Außenperspektive, von Verstandeslicht und den vermeintlich „blinden“ Gefühlen sind brüchig und fragwürdig geworden.

Im Ringen um die Deutungshoheit menschlicher Gefühle nehmen die Naturwissenschaften, allen voran die Hirnforschung, Neurobiologie und Kognitionstheorie, eine zunehmend gewichtigere Rolle ein. Sie „entzaubern“ die Herzensangelegenheiten des Menschen und verlagern sie in das limbische System, in den Komplex von Spiegelneuronen und Hormonhaushalt. Doch lässt sich ausgerechnet das Reich der Gefühle in seiner ganzheitlichen lebensweltlichen Dimension auf neurobiologische Reizreaktionen und Prozessabläufe reduzieren? Welche Funktion haben Emotionen bei der Eingrenzung und Abgrenzung von Gruppen, Gesellschaften und Rollenbildern? Welche Bedeutung haben Gefühle bei der Mobilisierung von Massen und welche Techniken wenden Medien und politische Systeme dafür an? Diese und viele weitere Fragen bringen hochkarätige Persönlichkeiten im Haus der Regionen zur Sprache. /

„Was auf den ersten Blick als unmittelbare, spontane Gefühlsäußerung erscheint, etwa der Jubel beim Sportereignis oder die emotionale Bewegtheit durch gemeinschaftliches Musikerleben, hat, wie die moderne Emotionsforschung unterstreicht, seine Einbettung und Einrahmung in ein Set an historisch wandelbaren und kulturell vorherrschenden Gefühlsnormen. Gefühle sind also immer auch soziokulturell präfiguriert und geschichtlich-prozessual zu denken“, erläutert der Ethnologe Univ.-Prof. Dr. Timo Heimerdinger, der diese These in seinem „Vortrag am Kamin“ am 1. Oktober im Haus der Regionen in einer spannenden Reise zu so manchen Hotspots in der Geschichte menschlicher Gefühle ausbuchstabieren wird. Man denke nur an die politischen, ja nationalstaatlichen Bedeutungsbezüge des Ehrgefühls etwa im Bürgertum des 19. Jahrhunderts oder an die Hochhebung der „Innerlichkeit“ in der Romantik. Man denke an die weltumspannende Vermittlung und Verstärkung von Emotionen durch moderne Medien – die Bilder vom unsagbaren Leid bei humanitären Katastrophen sind ebenso Teil einer „Globalisierung der Gefühle“ wie die Euphorie über Sport-, Musik- oder Filmstars.

Text: Jürgen Nemec

KREMSER KAMINGESPRÄCHE

——————————————————— Mi, 1. 10. 2014, 18.00 Uhr Vortrag am Kamin – „Im Reich der Gefühle“ Mit Univ.-Prof. Dr. Timo Heimerdinger und Univ.-Prof. Dr. Konrad Köstlin Alle weiteren Termine siehe Seite 14

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Haus der Regionen / 13

Nibelungenlied

VON KÜENER RECKEN STRîTEN ... „Von den Kämpfen kühner Helden“, so heißt es in der Eingangsstrophe des Nibelungenliedes. Eberhard Kummer, Experte für Musik des Mittelalters, wird am 19. September im Haus der Regionen Auszüge aus dem Heldenepos zu Gehör bringen. Schließlich ist unsere Genetik nicht viel anders als im Mittelalter.“

Gesungenes Epos

Eberhard Kummer mit Schoßharfe und ungarischer Drehleier. Foto: z. V. g.

Das Nibelungenlied hat an die 10.000 Verse. Die Geschichte um den Drachentöter Siegfried und seinen Gegenspieler und Mörder Hagen wurde zu seiner Entstehungszeit gelesen, vorgelesen, aber vor allem auch gesungen. Eberhard Kummer braucht, wenn er alle 2379 Strophen singt, fünf Konzertabende zu je sechs Stunden. „Jede einzelne Silbe des Nibelungenliedes habe ich mindestens 10 bis 20 Mal gelesen.“ Im Haus der Regionen bringt der gebürtige Kremser Musiker und Musikhistoriker Auszüge aus dem mittelalterlichen Heldenepos zum Klang der Schoßharfe und Drehleier und ergänzt mit spannenden Einblicken aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung: „Es ist ein Panorama durch eine ferne Zeit, die aber doch auch nah ist.

Nach anfänglicher Skepsis und Desinteresse der Fachwissenschaften hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die alten Epen sich durch gesungene Interpretation in besonderer Weise erschließen. Für die gebräuchlichsten mittelalterlichen Strophenformen von Epen sind Melodien überliefert, unter ihnen der Hildebrandston, die Melodie des Jüngeren Hildebrandsliedes, die Kummer für die Nibelungenstrophe heranzieht. Die spätmittelalterliche, zweistimmige Fassung des Hildebrandliedes fand sich in der Handschrift von Rhaw aus dem Jahre 1545 und stammt nach Meinung der Wissenschaftler noch aus dem 13. Jahrhundert. Das Nibelungenlied, um 1200 entstanden, gehört im deutschsprachigen Raum zu den wichtigsten schriftlichen Überlieferungen des Mittelalters. Der Autor des mittelhochdeutschen Heldenepos ist unbekannt, stammt aber wahrscheinlich aus dem bayerischösterreichischen Kulturraum (Donauraumdichtung). Eberhard Kummer: „Auch deswegen passt das Nibelungenlied gut ins Haus der Regionen an der Donaulände, ist doch Passau der wahrscheinliche Entstehungsort dieser Dichtung, so wie Pöchlarn Rüdiger von Bechelarens Stammsitz und Mautern eine Etappe auf Kriemhilds Reise nach Ungarn.“ Eberhard Kummer begleitet sich dabei auf einer mittelalterlichen Schoßharfe. Die Harfe

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war Instrument des Hofes und der Kirche. Ein weiteres Instrument, das Eberhard Kummer spielt, ist die Drehleier, ursprünglich auch höfisch und kirchlich, später aber das Instrument der Straße und der Bauern. „Sie ist ein komplettes mittelalterliches Orchester“, so der Musiker. „Die Melodiesaiten werden durch ein Rad, das mithilfe der Kurbel gedreht wird, zum Klingen gebracht. Die Basssaiten bringen den typischen Drehleierklang (Bordunklang), und seit dem Spätmittelalter gibt es die Schnarre, die beim raschen Drehen auf die Decke des Instruments zu trommeln beginnt.“ Zum Abschluss des Abends lädt der Spielmann als Vortänzer und Vorsänger zu einer Art Reigentanz nach der Melodie des Nibelungenlieds ein und führt das Publikum zu Brot und Wein. / Text: Mella Waldstein

NIBELUNGENLIED

——————————————————— Fr, 19. 9. 2014, 19.30 Uhr Kat. I: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Kat. II: VVK: EUR 14,00; AK: EUR 16,00 Haus der Regionen 3500 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 ticket@volkskultureuropa.org


Haus der Regionen / 14

Herbst/Winter 2014/15

PROGRAMM Seit zehn Jahren steht das Haus der Regionen für erstklassige Volksmusik aus Europa und die Kremser Kamingespräche für Dialog auf hohem Niveau.

KONZERTE

—————————————————————— Fr, 19. 9. 2014, 19.30 Uhr Nibelungenlied mit Eberhard Kummer Kat. I: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Kat. II: VVK: EUR 14,00; AK: EUR 16,00 _ Do, 9. 10. 2014, 19.30 Uhr IRLAND / Leinster; Caladh Nua Traditionelle irische Musik gemischt mit Eigenkompositionen auf vielfältigstem Instrumentarium und mit einer gemeinsamen Vision, wie traditionelle Musik heute klingen soll – das ist die Gruppe Caladh Nua aus Irland. Kat. I: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Kat. II: VVK: EUR 14,00; AK: EUR 16,00 Mit dreigängigem Menü im Restaurant Blauenstein: EUR 34,00 _ Fr, 17. 10. 2014, 19.30 Uhr ITALIEN / Toskana; Riccardo Tesi & Banditaliana Seit 30 Jahren zählt Riccardo Tesi zu den einfallsreichsten Interpreten auf dem Organetto – dem diatonischen Kopfakkordeon. Gemeinsam mit Maurizio Geri (Gitarre, Gesang), Claudio Carboni (Saxophon) und Gigi Biolcati (Percussion) verzaubert er das Publikum mit einer gelungenen Synthese aus den Formen der toskanischen Tradition, mediterranen Klängen, Jazzimprovisationen und Eigenkompositionen. Kat. I: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Kat. II: VVK: EUR 14,00; AK: EUR 16,00 Mit dreigängigem Menü im Restaurant Blauenstein: EUR 34,00 _

aufhOHRchen / GLANZLICHTER

—————————————————————— Fr, 31. 10. 2014, 19.30 Uhr Klingender Pongau Aubichimusikanten, Höllbergmusi, Pongauer Geigenmusi, St. Johanner Viergesang, Toni Aichhorn. Die Sänger und Musikanten rund um Peter Windhofer präsentieren die Volksmusik ihrer Heimatregion in verschiedenen Besetzungen. Ergänzt wird der musikalische Genuss durch literarische Schmankerl von Toni Aichhorn. Kat. I: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Kat. II: VVK: EUR 14,00; AK: EUR 16,00 Mit dreigängigem Menü im Restaurant Blauenstein: EUR 34,00 _ Sa, 8. 11. 2014, 19.30 Uhr Blech ist Blech – Buchgrabler Das Repertoire der Buchgrabler setzt sich vorwiegend aus Polka Franzé, Walzer, Marsch und Tanzlied zusammen – stilistisch angelehnt an die kleinen Blechpartien, wie es sie in den 1950er Jahren noch in jedem burgenländischen Dorf gegeben hat. Mit Flügelhorn, Klarinette, Saxophon, Posaune, Helikon, Akkordeon und Schlagzeug wagen die Buchgrabler in ihrem Programm auch einen Blick zu unseren östlichen Nachbarn.

KREMSER KAMINGESPRÄCHE

—————————————————————— Mi, 1. 10. 2014, 18.00 Uhr Vortrag am Kamin – „Im Reich der Gefühle“ Referent: Univ.-Prof. Dr. Timo Heimerdinger Moderation: Univ.-Prof. Dr. Konrad Köstlin Mi, 8. 10. 2014, 18.00 Uhr Heimat und Fremde Dr. Ruth Beckermann Univ.-Prof. Dr. Heinrich Neisser Mi, 12. 11. 2014, 18.00 Uhr Wonne und Schmerz Beate Schrott Univ.-Prof. Dr. Martin Nuhr Mi, 10. 12. 2014, 18.00 Uhr Leid und Mitleid Barbara Stöckl Militärkommandant Brigadier Mag. Rudolf Striedinger Mi, 14. 1. 2015, 18.00 Uhr Liebe und Hass Renate Burtscher Andreas Radovan Patronanz: Prof. Konrad Köstlin Idee & Konzept: Dr. Edgar Niemeczek Durchführung: Dr. Jürgen Nemec Eintritt frei, Anmeldung erbeten

Kat. I: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Kat. II: VVK: EUR 14,00; AK: EUR 16,00 Mit dreigängigem Menü im Restaurant Blauenstein: EUR 34,00 _ Kombi-Karte für beide Konzerte der Reihe aufhOHRchen / Glanzlichter: Kat. I: VVK: EUR 29,00 Kat. II: VVK: EUR 25,00

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HAUS DER REGIONEN

——————————————————— 3500 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 ticket@volkskultureuropa.org www.volkskultureuropa.org


Mostviertel / 15

Sonntagberg

JEDEN TAG SONNTAGBERG „Sonntagberg – Vom Hirtentraum zum Wallfahrtsort“ heißt das neue Buch der Kultur.Region Niederösterreich. Wir bringen einen Auszug. Gnadenstuhl …

Gnadenstuhl. Foto: RANDLOS media & kultur werkstatt

Diesen Vorwurf wollte Abt Kaspar nun entkräften. Er ließ 1614 auf einer Kupfertafel ein Dreifaltigkeitsbild malen und außerhalb der Ursprungskapelle beim Zeichenstein anbringen. Auf diesem Bild erscheint Gott Vater in einem roten, weit ausgebreiteten Vespermantel. Vor der Brust hält er mit beiden Händen den Querbalken des Kreuzes, an dem die halbfigurige Erlösergestalt hängt. Darunter schwebt in Taubengestalt der Heilige Geist. Das Bild zeigt also die Dreifaltigkeit in der vertikalen Anordnung des deutschen Kreuzes. In der neuen Dreifaltigkeitsdarstellung fehlt Maria, wohl ein Entgegenkommen gegenüber den Protestanten, die ja die betonte Marienverehrung ablehnend gegenüberstanden. Ohne den Maler des Gnadenbildes wirklich zu kennen, könnte doch eine Spur nach Garsten oder in die steirische Heimat des Abtes Kaspar führen.

… auf Fassaden und Bauernkästen Um im Rahmen der kirchlichen Erneuerung in der Gegenreformation auch eine neue Wallfahrtsepoche einzuleiten, bedurfte es eines neuen Kultgegenstandes. Der Abt des Stiftes Seitenstetten, Kaspar Plautz, entschied sich, das alte Dreifaltigkeitsbild mit der Krönung Mariens durch die neue, stilistisch zeitgemäße Gnadenstuhldarstellung zu ersetzen. Denn noch immer stand der Vorwurf der Protestanten aus dem Ybbstal im Raum, auf dem Sonntagberg sei für die katholischen Pilger der Zeichenstein Ziel und Stätte ihrer Gebete. Beim Zeichenstein betete eine Hirte der seine Herde verloren hatte, so die Gründungslegende.

Schon lange vor der Weihe der neuen barocken Kirche war der Sonntagberger Gnadenstuhl das charakteristische Symbol für den Wallfahrtsort. Das Motiv des Gnadenstuhls fand weite Verbreitung. Auf unzähligen Andachtsbildern und Wallfahrtsandenken wurde die eigentümlich Trinitätsdarstellung in die Herkunftsorte der Wallfahrer getragen. Zahllose Kapellen und Marterln, Wegkreuze und Säulen, wie etwa die Dreifaltigkeitskapelle in der Marktgemeinde Wolfsbach, die Dreifaltigkeitssäulen in Etsdorf bei Grafenegg oder in Rosenau auf dem Weg zu Sonntagberg, zeigen den Gnadenstuhl. Aber

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auch auf Bauernmöbeln, Betthäuptern oder auf Fassaden der Mostviertler Bauernhöfe ist der Sonntagberger Gnadenstuhl zu sehen. Nach der Fertigstellung der barocken Wallfahrtskirche wurde neben dem Gnadenstuhl auch das vertraute Bild der zweitürmigen Anlage auf dem weithin sichtbaren Berg zu einem beliebten Bildmotiv. / Text: Franz Überlacker

INFORMATION

——————————————————— Franz Überlacker: Vom Hirtentraum zum Wallfahrtsort ISBN 978-3-901829-94-6 EUR 32, 90 Erhältlich in der Galerie der Regionen in Krems, im Buchhandel und über die Volkskultur Niederösterreich office@kulturregionnoe.at

MUSIKANTENWALLFAHRT

——————————————————— Fr, 26.–So, 28. 9. 2014 10. Grenzüberschreitende Sänger- & Musikantenwallfahrt, Mariazell Fr, 26. 9. 2014, 21.00 Uhr Musikantenstammtische Sa, 27. 9. 2014, 20.30 Uhr Tanzfest u. a. mit niederösterreichischen Gästen: Stifta Geigenmusi, Wilhelmsburger Tanzlmusi, Die Tanzgeiger, Federspiel musikantenwallfahrt.mariazell.at


Atzenbrugg / 16

Jubiläum

Orgel trifft Volksmusik

STAMMHAUS

RENDEZ VOUS

Frühschoppen, Konzerte und Ehrungen anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Marktgemeinde Atzenbrugg.

Ein besonders Konzert bietet einen Querschnitt durch Barock, Klassik und frühe Romantik – verschränkt mit Volksmusik.

Die Marktgemeinde Atzenbrugg feiert ihr 60-jähriges Jubiläum. Atzenbrugg ist der Firmensitz der Kultur.Region Niederösterreich: Was 1997 gemeinsam mit der Marktgemeinde Atzenbrugg als Volkskulturzentrum entstand, ist heute der Sitz der Holding Kultur.Region.Niederösterreich GmbH und ihren TochSchubertschloss Atzenbrugg. Foto: Erich Marschik tergesellschaften. Damals übersiedelten die beiden Gesellschaftervereine der Volkskultur Niederösterreich (vormals: NÖ Heimatpflege und NÖ Volksliedwerk) von Wien und Mödling nach Atzenbrugg und gründeten die Volkskultur Niederösterreich BetriebsGmbH, seitdem gilt der revitalisierte Seitentrakt des Schubertschlosses Atzenbrugg als Ausgangspunkt für vielfältige Impulse regionaler Kulturarbeit in ganz Niederösterreich. Zahlreiche Feste und Veranstaltungen finden im heurigen Jubiläumsjahr statt, den krönenden Höhepunkt bildet ein zweitägiges Festprogramm am 13. und 14. September 2014, dem landesweiten NÖ Dirndlgwandsonntag. /

60 JAHRE MARKTGEMEINDE ATZENBRUGG

Elisabeth Deutsch (links), Dr. Edgar Niemeczek, Initiator der CD „Orgel trifft Volksmusik“, und Ensemble Salterina. Foto: Erich Marschik

Orgel trifft Volksmusik im schönen Ambiente der Schlosskapelle Atzenbrugg: Elisabeth Deutsch an der Orgel, der Familiendreigesang Knöpfl sowie das Ensemble Salterina mit Werken, die für das Salterio (das barocke Hackbrett) komponiert wurden. Die Orgelmusik aus der Biedermeierzeit ist reich an Stücken, die auf die kleine Orgel in Atzenbrugg passen. Orgelmusik, und besonders barocke Musik, hat insofern eine Volksmusiknähe, als in Orgelmusik generell viele Klangbrechungen (Dreiklangszerlegungen) vorkommen. Die Organistin Elisabeth Deutsch: „Orgel und Volksmusik vertragen sich gut, wenn die Orgel auf ihre Rolle als Königin der Instrumente verzichtet.“ /

ORGEL TRIFFT VOLKSMUSIK

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Sa, 13. 9. 2014 15.00 Uhr: ORF NÖ Radio 4/4 mit Jazz Gitti und Andy Lee Lang, Gastauftritt der Kapelle Pustertal (Freunde der Blasmusik Heiligeneich), 20.00 Uhr: „Weltpartie“ Heinz und Franz

So, 5. 10. 2013, 16.00 Uhr Konzert und CD-Präsentation Schlosskapelle Atzenbrugg, 3452 Atzenbrugg

So, 14. 9. 2014 9.00 Uhr: Platzkonzert der Blasmusik Heiligeneich 9.30 Uhr: Jubiläumsfestmesse 10.30 Uhr: Festakt mit Verleihung der Ehrenbürgerschaft an LH Dr. Erwin Pröll, anschließend Frühschoppen mit Franz Posch und seinen Innbrügglern, Volkstanz, Schuhplattlergruppen u.v.m.

Im Rahmen der Schubertiade präsentiert die Volkskultur Niederösterreich gemeinsam mit der Marktgemeinde Atzenbrugg ein einzigartiges Konzerterlebnis. Mit Elisabeth Deutsch (Orgel), Ensemble Salterina, Familiendreigesang Knöpfl. Karten und Information Tel. 02275 5234 (Marktgemeinde Atzenbrugg) gemeinde@atzenbrugg.gv.at

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Weinviertel / 17

Kellergasse

RUNDUMADUM Die Kellergasse Galgenberg lädt am 4. Oktober zum Kellergassenfest. Sie zählt zu den schönsten Kellergassen des Weinviertels.

Die Kirchturmspitze ist das Wahrzeichen des Galgenbergs. Als die baufällige Kirche von Wildendürnbach 1972 gesprengt wurde, blieb die Turmspitze wie ein kleines Wunder so gut erhalten, dass man sich entschloss, diese am Galgenberg wieder aufzustellen. Der Name Galgenberg aber blieb, hier stand bis im Jahre 1828 ein Galgen, eher zur Abschreckung, wie die Dirnbäcker (so werden die Wildendürnbacher genannt) gerne betonen, denn es ist nicht bewiesen, dass es jemals eine Hinrichtung gab.

Tausendeinhundert Kellergassen

Gemeinschaftsleistung über Generation: Kellergasse Galgenberg bei Wildendürnbach.

Um die Kirchturmspitze ordnen sich ordentlich gekämmte Rebzeilen. Und rundumadum, auf halber Höhe eines gemütlichen Hügels, stehen weiße Würfel in der herbstlich getönten Landschaft. Das ist die Kellergasse Galgenberg von Wildendürnbach, die im vergangenen Jahr mit der erstmals vom Land Niederösterreich ausgelobten Auszeichnung „Kellergasse des Jahres“ gekürt wurde. Ausschlaggebend für die Auswahl der „Kellergasse des Jahres“ waren laut Juryvorsitzenden und Autor Alfred Komarek der „vielschichtige Dialog mit vorhandenen Gegebenheiten“ sowie „die Gemeinschaftsleistung der Menschen von Wildendürnbach über Generationen hinweg“. Der Preis dafür ist ein Fest, das am 4. Oktober gefeiert wird.

„Das vorgezogene Dach“, so der Kellergassenführer Manfred Monetti, „ist für unsere Presshäuser typisch. Darunter fanden die Zugochsen bei Sonne oder Regen Schutz. Und das Türl, das im Giebel zu sehen ist – dahinter war das Heu für die Ochsen gelagert.“ Der Kellergassenführer hat seine „Arbeitskleidung“ an, die blaue Schürze – Fiata genannt – und einen Strohhut. An die 1.100 Kellergassen gibt es im Weinviertel. Und die vom Galgenberg läuft rund um diesen sanften Hügel mit 183 Kellern. Die Presshäuser sind weiß gekalkt und die Giebel mit einfachen, grün gestrichenen Holzverblendungen geschmückt. „Wenn ein Presshaus instand gesetzt wird“, so Monetti, „muss man dem Maurer das Reibbrettl wegnehmen.“ So haben es die Weinhauer immer gemacht, den die wussten damit nicht umzugehen und haben den Verputz mit der Bürste aufgetragen. Nur noch vier Winzer pressen ihre Trauben in der Kellergasse, die fürs heutige „Weinmachen“ längst unwirtschaftlich geworden ist.

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Außerdem, und das ist auch eine Besonderheit, gibt es am Galgenberg kein Wasser. Das wurde – und wird – in Tanks herbeigeschafft. Da die Presshäuser in zwei und drei Reihen übereinander liegen, schlupfen die dazugehörenden Keller untereinander. „Da wollte niemand das Risiko eingehen, eine Wasserleitung einzulegen, denn bei einem Rohrbruch würde des Wasser in den unterhalb liegenden Keller des Nachbarn fließen“, so der Kellergassenführer. Die Kellerbesitzer wechseln einander mit den Tagen der offenen Kellertüre ab. Und wenn man oft genug die Keller am Gagenberg besucht, genießt man glasweise eine 360-GradPanorama: mit Ausblicken auf die Pollauer Berge, auf Nikolsburg/Mikulov und Schloss Jaroslavice/Joslowitz in Mähren, in die Weite des Weinviertels – und vor den Füßen laufen die hier heimischen Ziesel umher, die sich an Nüssen, Kriecherln und Weingartenpfirsichen bedienen. Der Kren, den die Winzer vor ihren Weinstöcken gepflanzt haben, bleibt uns für die Brettljause. / Text: Mella Waldstein Foto: Manfred Horvath

KELLERGASSENFEST

——————————————————— Sa, 4. 10. 2014, ab 13.00 Uhr Kellergasse Galgenberg 2164 Wildendürnbach www.galgenberg.at www.wildendürnbach.at


Industrieviertel / 18

Wiener Neustädter Kanal

AM SCHMALSPURKANAL Spurensuche am Wiener Neustädter Kanal – Geschichte und Gegenwart.

Leitha-Aquädukt über den Wiener Neustädter Kanal, historische Aufnahme um 1910. Foto: Industrieviertel Museum Wr. Neustadt

Die Geschichte des Wiener Neustädter Kanals aus der Zeit der industriellen Revolution ist nur wenigen Niederösterreichern bekannt. Der Kanal beginnt bei Pöttsching und endete in Wien. Bis heute wird der „Schmalspurkanal“ allgemein als Fehlplanung betrachtet. Neueste historische Forschungen kommen zu einem gegenteiligen Schluss. 40 Jahre lang herrschte reger Frachtverkehr zwischen Wiener Neustadt und Wien. Kohle und Holz gelangten zu den Ziegeleien, Ziegel kamen in großen Mengen nach Wien, das ohne diesen Lieferkapazitäten nie so schnell gewachsen wäre.

Run auf Rohstoffe Mitte des 18. Jahrhunderts führte die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung und ein drastisches Bevölkerungswachstum

– vor allem in den Städten – zum Run auf Rohstoffe. Und Holz war neben der Wasserkraft Energieträger Nr. 1.

städter Steinkohlegewerkschaft“ die damals als „Mineralkohle“ bezeichnete abgebaut – leider mit wenig wirtschaftlichem Erfolg.

1803 schrieb der Reiseschriftsteller Joseph August Schultes in einem seiner Wanderberichte aus dem Voralpenbereich: „Abgeholzt sind sie vom Gipfel bis zum Fuß (…) Welch’ ein Forstskandal, Berge ganz abzutreiben!“ Holz musste aus immer entfernteren Wäldern herangeschafft werden und war dementsprechend teuer. Besonders die Eisenund Stahlgewerke der Hammerherren stöhnten unter Holzkohlenknappheit und hohen Preisen. Steinkohle hatte sich als Alternative im Erzherzogtum Österreich noch nicht recht durchgesetzt. In der Gegend von Pöttsching und am Brennberg bei Ödenburg wurde bereits Ende des 18. Jahrhunderts von der „Wienerisch Neu-

Im Jahr 1794 fassten Graf von Appony, seiner apostolischen Majestät wirklicher Kämmerer, der Regierungsrat Joseph Reitter und der Großhändler Bernhard von Tschoffen den Beschluss, „den Steinkohlenbau im Großen zu treiben (…) und den Transport der Steinkohlen und anderer Handelsgegenstände durch die Herstellung eines schiffbaren Kanals zu erleichtern, dessen Fortsetzung eine ununterbrochene Wasserstraße bis in die Nähe des Adriatischen Meeres bilden würde.“ Kaiser Franz II./I., ein Förderer von Industrialisierung und Handel, war begeistert von diesem Projekt und beteiligte sich wie die anderen Gesellschafter zu 25 Prozent am Grundkapital.

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Industrieviertel / 19

„Hydraulisches Unternehmen“ Oberstleutnant Ing. Sebastian von Maillard des Genie-Corps – so hieß die Pioniertruppe der Armee – wurde zum „Direktor der hydraulischen Unternehmung“, Planer und Bauleiter bestellt. Maillard trat eine Studienreise nach England an, um sich Know-how für den Kanalbau zu holen. Besonders interessiert war man an der schmalen Bauweise der englischen Wasserstraßen, wodurch eine einfachere und kostengünstigere Errichtung erreicht wurde. Von Pöttsching bis Wien sollte der Wiener Neustädter Kanal eine Länge von 56 Kilometer und ein Gesamtgefälle von 93 Meter haben. Die Weiterführung an die Adria wurde abgeblasen – unvorstellbare technische Probleme und Unfinanzierbarkeit waren die wirklichen Gründe, die man durch verschiedene Gerüchte zu verschleiern suchte. In Guntramsdorf erfolgte 1797 der Start zum Bau des Wiener Neustädter Kanals, der von unzähligen Problemen begleitet war. Die Geologie des Wiener Beckens ließ die erste Probefüllung versickern, man konnte mit der Trasse auch keinem Talverlauf folgen, sondern stand vor der Aufgabe, Wasserläufe zu queren. Die je nach Jahreszeit stark schwankende Wassermenge der Oberflächenwässer im Wiener Becken machte die ausreichende Befüllung des Kanals zu einem der Hauptprobleme des Projektes. Allen Widerständen zum Trotz konnte der Kanal 1803 von Wiener Neustadt bis zum Wiener Hafen, auf dessen Areal sich heute die U- und S-Bahn-Station Wien-Mitte im 3. Bezirk befindet, befahren werden. Die Kanal-Bauwerke und die für die Infrastruktur erforderlichen Bauten wie Hafenanlagen, Wärterhäuschen, Verladekais, Kanalhäuser als Stützpunkte für Besatzung und Pferde sowie Lagerhäuser wurden von Sebastian Maillard geplant. Ein Kanalkahn war 22,8 Meter lang und 2,05 (später 2,30) Meter breit – ein Nachbau der englischen Narrowboats – und konnte bis zu 30 Tonnen befördern. Ein Fuhrwerk mit zwei Pferden konnte demgegenüber maximal zwei Tonnen bewegen. Es gab zunächst 50 Schleusen, mit denen 103 Höhenmeter überwunden wurden. Im heute noch wasserführenden Teil gibt es noch 40 Schleusenbauwerke in unterschiedlichem Erhaltungszustand. Die

Durch das Wiener Becken – der Wiener Neustädter Kanal bei Großmittel, Ebenfurth. Standbild aus der Video-Dokumentation

Schleuse Nr. 34 in Kottingbrunn zeigte bis Jahresbeginn ein restauriertes unteres Schleusentor. Die Mannschaft eines Schleppzuges bestand aus drei Mann, die sich in ihren Funktionen abwechselten. Der Pferdeführer – „Treidler“ genannt – führte das Pferd, welches das vom Steuermann gelenkte Boot zog, am Treideloder Treppelweg. Der lief entlang des Ostufers und unterhalb der Brücken durch. Die Fuhren mussten in beiden Richtungen gezogen werden, da die Strömung sehr gering war. Für die Strecke von Wien bis Wiener Neustadt benötigte man im Schnitt eineinhalb Tage. Bei Nacht ruhte der Kanalbetrieb. Schiffern und Pferden standen in den „Canalhäusern“ Schlafstellen zur Verfügung. Der Schifffahrtsbetrieb lief von Anfang April bis Ende Oktober, die verbleibende frostfreie Zeit wurde für Wartungs- und Reparaturarbeiten genützt. Zu dieser „Kanalabkehr'“ wurde der Kanal weitgehend trockengelegt.

Hafen Der erste Hafen beim Bahnhof Wien-Mitte wurde 1849 knappe zwei Kilometer nach Süden verlegt und an dessen Stelle 1881 der Aspangbahn-Bahnhof errichtet. Der Wiener Neustädter Hafen lag an der Ungargasse, gegenüber der Neuklosterkirche, umgeben von zahlreichen Lagerhäusern und Verlade-

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stellen. Von hier führte der Stichkanal zum Triangel, wo sich der Kanal nach Norden, nach Wien und nach Osten Richtung Pöttsching teilte. Ab 1822 war der Kanal in der Folge an mehrere Industrielle, Banker und Konsortien verpachtet. Durch die Wirren des Ersten Weltkriegs ging der letzte Betreiber de facto Pleite. Das Kanalbett war weitgehend verlandet. 1933 entfernte die Gemeinde Wien die Kanalbauten im Stadtgebiet. Ebenso übernahm das Land Niederösterreich den Kanal. In Wien erinnern Verkehrsflächen mit Namen wie „Hafengasse“, „Lagergasse“ und „Am Kanal“ an die Schifffahrtszeiten. In Niederösterreich führt ein Radweg am Kanal entlang. / Text: Helmut Herlitschka & Josef Kovats

SPURENSUCHE AM KANAL

——————————————————— 210 Jahre Wiener Neustädter Kanal Video-Dokumentation von Josef Kovats Unkostenbeitrag (inkl. Versandkosten): DVD-R (Format 16:9): EUR 23,00 BD-R (Format 16:9): EUR 26,00 Bestellung per E-Mail: kovjos@gmx.at


Waldviertel / 20

Hopfen

DIE SEELE DES BIERS Seit über 20 Jahren wird im Waldviertel wieder Hopfen angebaut. Beim Hopfenherbst erfahren die Besucher mehr über die „Seele des Biers“.

Hoch hinaus: Die Hopfenstaude kann pro Nacht bis zu 20 Zentimeter wachsen. Foto: Privatbrauerei Zwettl

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Waldviertel / 21

Privatbrauer Karl Schwarz (links) und Braumeister Heinz Wasner prüfen Zwettler Hopfen. Foto: Manfred Horvath/Privatbrauerei Zwettl

Der Hopfen wird die Seele des Bieres genannt. Im Fall der Zwettler Biere stammt diese Seele aus nächster Nähe der Braustätte. Denn das Waldviertel liefert dem Brauer nicht nur vorzügliches, nämlich weiches Wasser, sondern auch die Zutaten, die den Bieren Kraft und Aroma verleihen: Braugerste für das Malz und eben Hopfen. Der Hopfenanbau im Zwettler Land hat Tradition, das zeigen alte Wegbezeichnungen wie Hopfenleitn und Hopfendank. Doch erst auf eine Initiative der Privatbrauerei Zwettl wurde der zwischenzeitlich zum Erliegen gekommene Hopfenanbau wieder aufgenommen und zu neuer Blüte geführt. Hopfen ist nicht nur die Seele, sondern für den Geschmack des Biers verantwortlich. Er verleiht dem Bier das typisch herbwürzige Aroma, sorgt für die Standfestigkeit des Schaums und verbessert die Haltbarkeit des Getränks. Deshalb ist die Qualität des Hopfens nicht nur für den Wohlgeschmack des Bieres von besonderer Bedeutung. Die Kultivierung der Hopfenpflanze stellt allerdings eine herausfordernde Aufgabe dar, gedeiht doch der Hopfen nur unter speziellen Boden- und Klimabedingungen. Hopfen braucht einerseits kraftvolle Sonneneinstrahlung, andererseits aber markante Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht, denn in kühlen Nächten veratmet die Pflanze weniger Inhaltsstoffe. Genau dieses Wechselspiel zwischen heißen Hochsommertagen und frischen Nächten ist im Waldviertel gegeben. Auch die für den Hopfen unentbehrliche Grundfeuchte im Boden bietet das hügelige Waldviertel, weil sich in den kleinen Tälern der Morgennebel und

Die goldenen Kügelchen in den Hopfendolden bringen den markanten, bitterherben Geschmack ins Bier. Foto: Privatbrauerei Zwettl

damit die Feuchtigkeit länger hält. Der Hopfenanbau stellt „hohe“ Anforderungen. Das Gerüst für den sich rankenden Hopfen ist sieben Meter hoch, die Pfosten sind meist alte Telegraphenmaste. Das Waldviertel ist für den Hopfenanbau also hervorragend geeignet, weshalb die Privatbrauerei Zwettl den Hopfenanbau in der „Zwettler Biernatur“ nach Kräften fördert. Sieben Landwirte kultivieren für die Zwettler Brauer 16 Hektar Hopfengärten und versorgen damit die Brauerei fast vollständig mit dieser unverzichtbaren Zutat. Die Privatbrauerei ist damit die einzige Brauerei Österreichs, die ihren Hopfen aus der unmittelbaren Umgebung der Braustätte beziehen kann. Nicht nur das ist eine Besonderheit, auch die Hopfensorten für die Zwettler Biere sind speziell. Angebaut werden „Zwettler Perle“ und „Hallertauer Tradition“. Beide sind sehr aromatische Mittelgebirgshopfen, die in der kurzen Vegetationsperiode des Waldviertler Klimas vorzüglich gedeihen und so zum markanten Geschmack der Zwettler Biere beitragen. Hopfen ist aber nicht nur bezüglich des Klimas und der Böden recht heikel, er braucht auch viel Pflege. Verständlich wird das, wenn man sich vor Augen hält, dass die Hopfenpflanzen pro Nacht bis zu 20 Zentimeter wachsen und ihre Triebspitzen bis in Höhen von mehr als acht Metern recken können. Besucher der Ende August beginnenden Waldviertler Hopfenernte können dieses Ereignis übrigens hautnah erleben. /

schaufenster / Kultur.Region / September/Oktober 2014

HOPFENHERBST

——————————————————— Wo geerntet wird und welche Landwirte geöffnet haben, erfahren Sie unter www.zwettler.at

DAS WALDVIERTEL TANZT

——————————————————— Sa, 4. 10. 2014, 20.00 Uhr Gasthaus Klang 3903 Echsenbach, Marktplatz 6 Unter dem Motto „Wir tragen Niederösterreich“ geht am Samstag, dem 4. Oktober in Echsenbach ein Ball der besonderen Art über die Bühne. Das Tanzforum der Volkskultur Niederösterreich lädt mit den Volkstanzgruppen Großglobnitz, Großhaselbach und Süßenbach sowie der Landjugendgruppe Bezirk Allentsteig zum Tanzen in Dirndl und Trachtenanzug ein. Mit der Damenspende bekommt jede Dame zu Beginn eine Tanzkarte mit einer Liste von Tänzen. Diese kann die Dame jeweils für einen speziellen Tanzpartner reservieren. Jung und Alt kann sich an der mitreißenden Tanzmusik der Stammtischmusi Wieselburg erfreuen. Es wird auch die Möglichkeit geben, einfache Volkstänze unter fachkundiger Anleitung zu erlernen. waldviertel.tanzt EUR 8,00 Tischreservierung: Tel. 02849 8208 Information Tel. 0664 8223963 (Andreas Teufl) andreas.teufl@volkskulturnoe.at


Brandlhof / 22

Handwerk

KOPFSTÜCKE & CO „Von Kopf bis Fuß“ lautet des Thema beim Handwerksmarkt am Sonntag, den 5. Oktober am Brandlhof.

Modistin Helga Hintermeier in ihrer Kremser Werkstatt.

Wer wollte nicht behütet sein? Doch selten gehen wir behütet durchs Leben. Hüte werden allenfalls bei einer Hochzeit – da kann es ein extravagantes Modell sein – getragen, bei Hitze eignet sich ein Sonnenhut, bei Schnürlregen wird im Salzkammergut ein Filzhut aufgesetzt. Die Kremser Modistin Helga Hintermeier zeigt am Handwerksmarkt Arbeitsschritte aus dem schier unerschöpflichen Variationsreichtum der Hutmacherei. Zur Anwendung kommen die

unterschiedlichsten Materialien wie Filz, Stroh, Seide, Stoffe oder Pelz.

Vom Stumpen zum Hut Der klassische Hut besteht in der Hauptsache aus Filz. Und in der Werkstatt reihen sich in Regalen die gedrechselten Holzmodeln in verschiedenen Formen und Kopfgrößen. Der noch unbearbeitete Filz – Stumpen genannt – wird in einem Dampfkessel

schaufenster / Kultur.Region / September/Oktober 2014

erhitzt und über die Holzmodel gezogen. Dann kommt er in eine Trockenkammer und wird danach wiederum befeuchtet, gedehnt und zugeschnitten. Anschließend wird die Oberfläche behandelt und der Rand je nach Modell bearbeitet. Bügeleisen und nasser Lappen sind ständige Begleiter in einer Hutwerkstatt. Das Detail macht den Hut zum Kunstwerk: gekräuselt, gefaltet, gewellt und mit allerlei Zierrat besteckt.


Brandlhof / 23

Trachtenschneiderin Maria Schwarz. Foto: z. V. g.

Auch Elfriede Kristament aus Mautern in der Wachau arbeitet an einem Kopfstück. Sie wird an einer Wachauer Haube arbeiten. „Die Wachauer Haube ist nicht so reich bestickt wie die Linzer Goldhaube“, so Elfriede Kristament. „Ihr Merkmal ist das gezogene Brettl.“ Das ist die brettartige Vergrößerung des oberen Bodenrandes. „Brett“ und Kopfteil sind zumeist aus gelbem, brokatähnlichen Stoff oder schwarzem Samt gearbeitet und mit Klöppelspitze verziert. Außerdem wird sie alte Hauben aus ihrem Goldhauben und Trachtenmuseum mitnehmen. Dort sind 63 Hauben ausgestellt – „und zu den allermeisten gibt es auch eine Geschichte dazu“, so Elfriede Kristament, die seit zehn Jahren historische Hauben sammelt.

Mäusezähne „Lebendes Handwerk“ zeigt die Trachtenschneiderin Maria Schwarz. Sie näht Mäusezähnchen und Ajourstickerei. Dieser gezackte Abschluss bei Ärmeln und Ausschnitt ist nicht nur Verzierung, sondern festigt auch den strapazierten Rand eines Wäschestücks. Eine weitere Technik, mit der Dirndlblusen verziert werden können, ist die Ajourstickerei. Unter Ajourstickerei versteht man eine Stickerei, bei der mit einem Faden locker gewebte Stofffäden zusammengezogen werden, wodurch Durchbrüche entstehen. Mit unterschiedlichen Stichvariationen erreicht man unterschiedliche Arten von Durchbrüchen, die von Maria Schwarz vorgeführt werden. Außerdem wird sie einen Dirndlleib ausstellen an, dem man die unterschiedlichen Arbeitsschritte

Das Formen der Hüte in der Werkstatt Hintermeier.

verfolgen kann, sowie Dirndln aus dem Weinviertel.

Filzen und Walken Aus der Obermühle kommt Gewalktes und Gefilztes. Die Obermühle in Tiefenbach ist eine der letzten Handwebereien in Österreich, die noch gewerblich genutzt wird. Aus der Textilregion des Waldviertels sind nur mehr wenige Textilbetriebe übrig geblieben. Eine der wenigen Walkmühlen, die noch in Betrieb sind, ist die Obermühle. Im Hochmittelalter entstanden Walkmühlen, wo unter fließendem Wasser mit Hämmern auf das Gewebe eingeschlagen wurde. Davor wurde der gewebte Wollstoff durch Treten mit den Füßen, Drücken und Ziehen so lange bearbeitet, bis sich die Wollfasern verfilzten und die Weblöcher schlossen. Diese Art von Stoff wurde Tuch genannt. Das Wort „walken“ leitet sich aus dem althochdeutschen Wort „walchan“ für „kneten“ ab. Das englische Wort „to walk“ für „gehen“ bzw. „spazieren“ ist auf diese Art der Stoffbearbeitung – walken – zurückzuführen. Die Wolle ist die einzige Faser, die verfilzen kann. Das macht das Material strapazierfähig, windundurchlässig und durch das Ausrichten der Faser (in den Strich legen) außerdem noch wasserabweisend, wobei auch der Lanolingehalt der Wolle ausschlaggebend ist. In der Obermühle können die Produktionsschritte vom Reißwolf über die Karde (kardieren) bis hin zur Nadelfilzmaschine und Walke verfolgt werden. Am Brandlhof wird das Filzen gezeigt. Gefilzt wird mit bunten Wollfliesen, wobei durch

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Filzen in der Waldviertler Obermühle.

die Bearbeitung mit heißem Wasser und mithilfe von Seife Hauspatschen oder Handyhüllen entstehen. „Handwerkskunst von Kopf bis Fuß“ heißt der Bildband der Fotografin Magarete Jarmer mit Texten von Regine WillenigPfeifer. Sie haben Textilhandwerk aus Wien und Niederösterreich porträtiert. Beim Handwerksmarkt am Brandlhof werden sie von ihrer Arbeit berichten. / Text: Mella Waldstein Fotos: Margarete Jarmer

HANDWERKSMARKT

——————————————————— So, 5. 10. 2014, 10.00–18.00 Uhr Brandlhof, 3710 Radlbrunn Altes Handwerk, Volksmusik und Herbstspezialitäten Information Tel. 02956 81222, 0664 8208595 (Eva Zeindl) www.volkskulturnoe.at

BUCHTIPP

——————————————————— Handwerkskunst von Kopf bis Fuß Margarete Jarmer, Regine WillenigPfeifer Verlag Bibliothek der Provinz ISBN 978-3-99028-266-3 
 EUR 38,00


Brandlhof / 24

Weisenblasen

DAS WICHTIGSTE STEHT NICHT IN DEN NOTEN Gedanken zum Weisenblasen vom Volksmusikanten und Koordinator für Volksmusik und Blasmusik im ORF Tirol, Peter Kostner.

Verwendung, wenn bei Gipfelmessen, Weisenbläsertreffen, Volksmusikveranstaltungen jeglicher Art oder einfach im privaten Kreis eine „Weis“ angestimmt wird.

Gemeinsames Spüren Weisenblasen ist innerhalb der alpenländischen Volksmusik ohne Zweifel etwas vom Schwierigsten – auch wenn es so einfach klingt. So eminent viele Faktoren müssen zusammenstimmen, damit es zum Klangerlebnis und zur Emotion wird. Voraussetzung ist sicher – wie bei allem Musizieren – das Können der Musizierenden auf ihren (hoffentlich guten) Instrumenten. Aber gerade bei diesen getragenen Melodien kommt der Tongestaltung und dem Klang eine ganz besondere Bedeutung zu. Die Intonation ist ein ständiges Thema beim Musizieren, vielleicht nirgends so heikel und auffällig wie beim Weisenblasen. Weisenblasen am Brandlhof: Bei getragenen Melodien kommt der Tongestaltung und dem Klang eine ganz besondere Bedeutung zu. Foto: Helmut Lackinger

Obwohl ich als Jahrgang 1963 noch nicht zu den Methusalems gehöre, kann ich mich noch gut erinnern, wie sich bei uns früher besonders in den Maien- und Frühsommertagen vom „Sommerhüttl“ abends der Klang von zwei Flügelhörnern friedlich über das Dorf breitete. Das gehört zu den Jugenderinnerungen, der Feierabend wird nun schon lange nicht mehr mit Liedern und Weisen eingeleitet. Und doch hat das „Weisenblasen“ in den letzten Jahren im Alpenraum durch Seminare, Kurse, Veranstaltungen und sogar

Wettbewerbe einen Aufschwung genommen und erfreut sich großer Beliebtheit. Unter „Weisenblasen“ versteht man das Musizieren von Liedern, Jodlern und alpenländischen Weisen vorwiegend mit Blechblasinstrumenten, vom Duo bis zum Sextett. Bevorzugte Instrumente sind ob ihres weichen Klanges vor allem die weit mensurierten Instrumente wie Flügelhörner, Tenorhörner, Hörner und Tuben, aber auch Trompeten und Posaunen finden häufig

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Auch wenn gute Bläser zusammenkommen, kann es bald ganz „passabel“ und „anständig“ klingen – wirklich berühren kann das Musizieren nur, wenn sich die Musiker auch mit den Liedweisen oder Jodlern auseinandersetzen. Zu sehr sind diese einfachen Weisen von einem gemeinsamen Spüren abhängig, von einer einheitlichen Klangkultur, von Anfangs- und Schlussgestaltung, von gemeinsamer Agogik, im Optimalfall von einem einheitlichen Vibrato. Die Orientierung bei geblasenen Liedern sollte am Gesang erfolgen, in der Tongebung, im Tempo und in der Gestaltung. Insofern ist natürlich auch der Text der Lieder sehr wesentlich, um ein Lied entsprechend zu gestalten und nicht nur ver-


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LIEDER- & WEISENBLASEN IM BRANDLHOF

——————————————————— So, 21. 9. 2014, 14.00 Uhr Brandlhof 3710 Radlbrunn 24

Die Orientierung bei geblasenen Liedern sollte am Gesang erfolgen, in der Tongebung, im Tempo und in der Gestaltung. Foto: Helmut Lackinger

meintlichen Schönklang zu produzieren. Die Noten allein sind sicher zu wenig! Diese Musik ist nicht spektakulär und verlangt den heute gut ausgebildeten jungen Musikern technisch wenig ab. Aber gerade das Unspektakuläre wird zur Herausforde-

rung, das Einlassen auf Ruhe, Klang, Gestaltung und gemeinsames Empfinden. Die menschliche Komponente – das gemeinsame Verstehen, sich Mögen und Kennen – ist beim Weisenblasen ein nicht zu übersehender Faktor. /

Die Bezirksarbeitsgemeinschaft Hollabrunn des Niederösterreichischen Blasmusikverbands lädt gemeinsam mit dem Musikverein Radlbrunn im idyllischen Ambiente des Brandlhofs zur Präsentation von Liedern und Weisen, intoniert von Blechbläserensembles des Bezirks Hollabrunn. Bei Schlechtwetter findet die Veranstaltung im Dorfzentrum Radlbrunn statt. Eintritt frei. www.noebv.at www.facebook.com/pages/Musikverein-Radlbrunn/240621749335278

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Musikschulen / 26

Vermittlung

MUSIKALISCHE BRÜCKEN SCHLAGEN Musikvermittlung soll Neugier auf Musik erwecken, neue Hörerfahrungen ermöglichen und Bewusstsein für Musik als Kulturgut schaffen.

Das Konzert als musikalisches Erlebnis.

Auf der Bühne mimt eine geschmückte Leiter den Mast eines riesigen Segelschiffes, die Piraten – allesamt verkleidete Musiker – bereiten sich mit ihrem Kapitän auf das Ablegen des Segelschiffes vor. Der Anker wird mit Hilfe des Piratennachwuchses gelichtet. Bei jedem Zug ertönt ein Ton der Tonleiter, welche in eine Melodie übergeht, die auch später noch zu hören sein wird. Geschafft – die musikalische Reise geht los. Bei diesem Abenteuer ist der Kapitän eine Musikvermittlerin, der Piratennachwuchs

das Publikum: Kinder zwischen sechs und zehn Jahren. Musikvermittlungskonzerte wie diese sind nur ein kleiner Teil der großen Palette an Angeboten im Bereich Musikvermittlung. Ein Begriff, der zwar mittlerweile inflationär verwendet wird, dennoch aber nicht in einem einzigen Satz beschrieben und definiert werden kann. Längst gilt Musikvermittlung jedoch als fester Bestandteil unseres Konzertlebens – sei es der Einführungsvortrag vor dem Konzert, das begleitende Programmheft oder die Mode-

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ration zwischendurch, all das kann genauso Musikvermittlung genannt werden wie auch speziell für Kinder zugeschnittene Konzertformate oder ein Hörbuch. Ebenso vielfältig ist auch die Umsetzung einzelner Projekte; wie die Definition des Begriffes, gibt es auch die Methode nicht. Das Angebot reicht von Projekten für ganz junges Publikum bis hin zu Erwachsenen oder Gruppen und schließt dabei eine bunte Palette an aufbereiteten Zugängen und Konzepten ein.


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Mit dem Einbeziehen von Methoden des Marketings und der kulturellen Bildung treffen in der Musikvermittlung Gegensätze aufeinander: Einerseits sollen die Interessen des Anbieters und andererseits jene des Publikums gewahrt werden. Diese Gegensätze ergänzen und wirken im Feld der Musikvermittlung, welche dennoch pädagogische Ziele voranstellt. Neben diesen Zielen hat Musikvermittlung stets auch soziokulturelle Anliegen. Die Vernetzung von Städten, Regionen oder Bevölkerungsgruppen ist genauso Teil von Musikvermittlungsprojekten. So definieren Musikvermittler neben ihren pädagogischen Anliegen auch das Umsetzen von gesellschaftlichen Impulsen in einer Stadt und die regionale Kulturarbeit als Ziel ihrer Arbeit.

Das Gemeinsame zwischen Musik und Publikum Zentrales Thema von Kinder- und Jugendkonzerten stellen oft Instrumentenvorstellungen dar.

Vorreiter Leonard Bernstein Ursprünglich ging die Musikvermittlung vom angelsächsischen Raum aus und von der Überlegung, wie Musiker ihre Musik idealerweise positionieren können – ganz nach dem Motto: Veränderung im Musikbetrieb beginnt beim Künstler selbst. Berühmt geworden ist die von Leonard Bernstein initiierte Konzertreihe „Young People’s Concert“, wo Bernstein selbst als Moderator und somit auch als Musikvermittler in seinen Kinderkonzerten agierte. Im deutschsprachigen Raum nahm die Hochschule für Musik Detmold mit der Gründung eines Studiengangs „Musikvermittlung“ eine Vorreiterrolle ein. Der Hintergrund dafür war, im Gegensatz zu den angelsächsischen Modellen, junges Publikum zu begeistern und somit auf einen Publikumsschwund in den Konzerthäusern zu reagieren. Seit dem Wintersemester 2009 bietet auch die Anton Bruckner Privatuniversität einen Masterlehrgang im Bereich Musikvermittlung an, zu dessen Absolventen bereits einige niederösterreichische Musikschullehrer zählen.

Musikvermittler – das sind heute nicht nur Musiker auf der Bühne, sondern auch solche im Klassenzimmer, Moderatoren und Pädagogen, Lehrende an Schulen und Hochschulen und viele mehr. Musikvermittlung sucht und unterstützt stets das Gemeinsame zwischen Musik und Publikum. Sie setzt an der Schnittstelle zwischen Kunst und Bildung an und schafft mit Impulsen aus der kulturellen Bildung, dem Kulturmanagement und der Kulturpolitik Räume und persönliche Begegnungen zwischen Künstlern und Publikum.

Musik muss entdeckt werden Familienkonzerte gelten als Treffpunkt für Generationen; Kinderkonzerte greifen Themen und Methoden auf, die voll und ganz auf ihre Zielgruppen abgestimmt sind. Konzerte an Orten wie Kindergärten, Jugendzentren, Krankenhäusern, Altenheimen oder Gefängnissen sollen das Publikum dort abholen, wo es sich befindet, und von dort aus einen Zugang zur Musik schaffen. Dabei geht es nicht immer nur um Rezeption, sondern soll auch zum Mitmachen animieren – der Klang und die Musik können entdeckt und müssen nicht gelehrt werden. Workshops und Gruppenangebote sollen dazu motivieren und ermuntern. Neben moderierten und inszenierten Konzerten sowie Workshops ergänzen auch konzertpädagogische Einführungen die musikvermittlerische Arbeit.

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Musikvermittlung im Musikschulmanagement Musikvermittlung gekoppelt an eine Serviceeinrichtung für Musikschulen stellt ein neues Feld dar. Das Musikschulmanagement Niederösterreich hat also mit dem Bereich „Musikvermittlung“ ab dem Schuljahr 2014/15 nicht nur einen neuen Bereich geschaffen, sondern möchte damit vielmehr auch eine neue Richtung einschlagen. Dabei gilt es jedoch, Musikvermittlung von Musikpädagogik, wie sie an Schulen oder Musikschulen angewandt wird, abzugrenzen. Musikvermittlung konzentriert sich eher auf die Annäherung an ein Rezeptionsverhalten und weniger auf das aktive Musizieren, auch wenn dieses natürlich immer einen Bestandteil jeglicher Angebote darstellt. War Musikvermittlung bisher eher bei Orchestern oder an Konzerthäusern zu finden, so will man nun durch die Unterstützung regionaler Musikschulprojekte verstärkt an der Basis agieren. Andererseits werden speziell abgestimmte Projekte für Kinder und Jugendliche entwickelt und somit eine Brücke zu den Kulturträgern von morgen geschlagen. Neugier wecken, neue Hörerfahrungen ermöglichen, die Musik in den eigenen Händen entstehen lassen und sie somit zu einem Teil von sich selbst werden zu lassen – das alles schafft Bewusstsein für Musik als Kulturgut. Ein Kulturgut, das von versierten Musikern mit Leben erfüllt wird und sich sicherlich auch in Zukunft eines breiten und bunten Publikums erfreuen wird können. / Text: Katharina Heger & Marie-Luise Haschke

KONTAKT & INFORMATION

——————————————————— Musikschulmanagement Niederösterreich Mag. Marie-Luise Haschke MAS, MA Bereichsleitung Musikvermittlung Tel. 0664 88988312 marie-luise.haschke@musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at


Niederösterreichische Begabtenakademie / 28

Förderung

BEGEISTERT DIE BEGABTEN! Die Niederösterreichische Begabtenakademie sucht, findet und belebt die Begabungen junger Menschen.

Die Angebotspalette der Niederösterreichischen Begabtenakademie umfasst Literatur, Philosophie, Kunst, Fremdsprachen, Geschichte, Gesellschaft, Natur, Technik, Logik und Mathematik. Foto: iStock

Ausgegrenzte Streber, unterforderte Klassenclowns oder eigenartige Freaks. Auch Begabte kämpfen mit Vorurteilen und sozialen Problemen im Schulalltag. „Wenn Begabung nicht erkannt und gefördert wird, dann kann sie für Kinder und Jugendliche auch zur Belastung werden“, erklärt Chris-

tina Gansberger, Projektmitarbeiterin der Niederösterreichischen Begabtenakademie. „In der Niederösterreichischen Begabtenakademie helfen wir jungen Menschen dabei, eine Begeisterung für ihre besonderen Fähigkeiten zu entwickeln.“

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Martin Peter, Projektleiter der Niederösterreichischen Begabtenakademie, ist ebenfalls davon überzeugt, dass sich die Begabung junger Menschen nicht von selbst entfaltet: „Kinder und Jugendliche brauchen für die Entwicklung ihrer Potenziale und Talente eine gezielte Förderung. Und genau diese


Niederösterreichische Begabtenakademie / 29

gezielte Förderung wollen wir in der Niederösterreichischen Begabtenakademie anbieten.“

Begabtenfreundliches Klima Die Niederösterreichische Begabtenakademie wurde 2008 gegründet – ihre beeindruckende Bilanz kann sich sehen lassen. Insgesamt sind für 2.400 angebotene Kurse rund 15.000 Anmeldungen in allen fünf Bildungsregionen des Bundeslandes eingelangt. Mehr als 7.000 Kinder haben die Niederösterreichische Begabtenakademie bisher absolviert. „Es ist uns gelungen, ein begabtenfreundliches Klima in Niederösterreich zu erzeugen“, freut sich Peter. Die Referierenden der Niederösterreichischen Begabtenakademie kommen sowohl aus dem pädagogischen als auch aus dem wissenschaftlichen Bereich. Viele der Referierenden haben mit dem renommierten ECHADiplom eine Zusatzqualifikation zur Begabtenförderung erworben. Mit einem konstanten Ausbau des Angebots will die Begabtenakademie ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben. „Unser Ziel ist es, eine möglichst flächendeckende Begabtenund Begabungsförderung in Niederösterreich zur Verfügung zu stellen“, so Peter. „Ein Schlüssel zur Erreichung dieses Ziels ist die Kommunikationsoffensive der Niederösterreichischen Begabtenakademie“, meint Gansberger. Sie ist stets und ständig mit Eltern sowie Pädagogen in Kontakt, um dafür zu sorgen, dass die Kurse der Begabtenakademie bekannt und die Begabungen von Kindern und Jugendlichen entdeckt werden.

Wenn die Begabung junger Menschen gefördert wird, dann können vorhandene Probleme mit kreativeren Denkansätzen gelöst werden. „Eine Investition in die Kreativitätsund Begabungsförderung ist also eine direkte Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft“, meint Rafael Ecker, Geschäftsführer der NÖ Kreativ GmbH, unter deren Dach sich die Niederösterreichische Begabtenakademie befindet.

Ausgetretene Pfade verlassen

——————————————————— Eignet sich ein Kind bzw. ein Jugendlicher für die Niederösterreichische Begabtenakademie? Folgender Fragebogen dient zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung. Es müssen natürlich nicht alle Kriterien zutreffen! Das Kind …

Literatur, Philosophie, Kunst, Fremdsprachen, Geschichte, Gesellschaft, Natur, Technik, Logik und Mathematik – die Angebotspalette der Niederösterreichischen Begabtenakademie ist genauso breit gefächert wie die Begabungen junger Menschen. Die Kurse richten sich an Kinder zwischen sechs und 19 Jahren.

[ ] lernt sehr schnell und es bedarf kaum einer Wiederholung von Anleitungen.

„In der Niederösterreichischen Begabtenakademie legt man Wert darauf, verschiedene Disziplinen zu kombinieren und über den Tellerrand hinauszublicken. Kreative Ansätze in allen Disziplinen sollen den jungen Menschen einen neuen Zugang zu intellektuellen Herausforderungen bieten und ihnen Anstöße geben, ausgetretene Pfade auch zu verlassen“, so Peter. „Daher lautet unser Schwerpunkt ‚Kunst trifft Wissenschaft und Technik‘. Auf dieser interdisziplinären Spielwiese können die Kinder und Jugendlichen ihre Begabung in kreativer Weise mit Leben erfüllen.“ /

[ ] zeigt in der Festigungsphase von Lernstoff rasch Langeweile.

[ ] liest sehr viel von sich aus und bevorzugt Bücher, die über seine Altersstufe deutlich hinausgehen. [ ] ist sehr neugierig und wissbegierig.

[ ] ist flexibel im Denken und besitzt daher die Fähigkeit, ein Problem aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. [ ] kann sich beim Verfolgen von Interessen lange konzentrieren. [ ] kann auch mehreren Dingen gleichzeitig Aufmerksamkeit schenken. [ ] blüht bei selbständig auszuführenden und herausfordernden Aufgaben auf.

Text: Markus Kiesenhofer

[ ] kann rechnerische bzw. mathematische Aufgaben deutlich schneller oder besser lösen als Gleichaltrige. [ ] zeigt einen für sein Alter ungewöhnlich großen Wortschatz.

Begabung heißt Kreativität Die Begabtenakademie ist Teil der Niederösterreichischen Kreativakademie. „Begabungs- und Kreativitätsförderung kann man nur gemeinsam betrachten. Schließlich geht es bei beiden Ansätzen darum, die speziellen Fähigkeiten junger Menschen zu entfalten. Begabung entsteht, wenn kognitive Fähigkeiten auf Motivation und Kreativität stoßen“, schildert Giuseppe Rizzo, Projektleiter der Niederösterreichischen Kreativakademie.

NIEDERÖSTERREICHISCHE BEGABTENAKADEMIE

INFORMATION

——————————————————— NÖ Begabtenakademie Mag. (FH) Christina Gansberger Alice Marcharth 3109 St. Pölten, Hypogasse 1 Tel. 02742 9005-16842 noe-begabtenakademie.at

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[ ] verfügt über ein hohes Spezialwissen, das außerhalb des altersentsprechenden Wissens liegt, etwa in Bereichen wie Pflanzen, Tiere, Computer, Astronomie etc. [ ] kann sich Flächen und Figuren sehr gut geistig vorstellen und mit diesen umgehen; es zeichnet etwa geometrische Figuren oder Gebäude aus verschiedenen Perspektiven.


Bücher, CDs & feine Ware / 30

AUSLAGE CATCH-POP STRING-STRONG

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FRANUI: DIE BOX

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Das Beste vom Besten vereint u. a. die Jubiläumsfanfare mit den Parforcehornensemble Windhag, das Ybbsitzer Männerquartett, die Werksmusikkapelle Tenneck, den Perstl Viergesang oder die Buchbergmusi. /

ANSTRUDELN BIS ZACHERLIN

—————————————————————— Jelena Popržan und Rina Kaçinari EUR 16,00 Erhältlich über: www.col-legno.com Mit ihrer einzigartigen Bühnenpräsenz, überraschenden Vokalvolten, komödiantischen Einlagen und ihrem – für zwei Streichinstrumente (steht für „String-Strong“) – ungewöhnlichen Groove stellen die serbische Bratschistin/Sängerin Jelena Popržan (steht für „Pop“) und die albanische Cellistin Rina Kaçinari (steht für „Catch“) aus dem Kosovo eine erfrischende Ausnahme in der österreichischen Musiklandschaft dar. Ihr Repertoire reicht von balkanischem Folk über eigenwillig arrangierte Klassik und Improvisation bis zu Kurt Weill und Bert Brecht. Das Herz ihrer Darbietungen aber stellen ihre Eigenkompositionen dar. Beide Musikerinnen können neben Engagements im Klassikbereich auf genreübergreifende Spielerfahrung zurückgreifen (Mala Junta, Uli Drechsler Cello Quartet, Nataša Mirković De Ro & Matthias Loibner, Vienna Art Orchestras, Sormeh). Die Wahlwienerinnen Jelena Popržan und Rina Kaçinari steuern einige pikante Gewürze zum österreichischen Musikschaffen, aber auch zum „Wiener Schmäh“ bei. Mit Eleganz und Selbstbewusstsein haben sie sich ihren künstlerischen Raum geschaffen, der aus Wien nicht mehr wegzudenken ist. Mit viel Respekt überbrücken Jelena Popržan und Rina Kaçinari Kulturen, Jahrhunderte und musikalische Traditionen mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen sucht. /

EUR 30,00 Erhältlich über: www.col-legno.com Die Trilogie über die Liedkunst des 19. Jahrhunderts legendär interpretiert von der Osttiroler Musikbanda und nun in eine Box gepackt: Schubertlieder / Brahms Volkslieder / Mahlerlieder. Ergänzt mit einem Text von Christian Seiler: „Manchmal klingen Franui auch wie eine Blaskapelle.
 Dann macht die Tuba von unten Druck, und oben gerät etwas in Bewegung. Die Trompeten, stampfend. Rollend, das Saxophon, quietschend, die Klarinette, und gleich bricht der Schweiß aus. Das können Franui auch.
 Aber dann Stille. Nur noch das Schweben eines Harfenakkords, vielleicht das gepflegte Plong-Plong des gezupften Kontrabasses.
 Dann wird gesungen.
 Aus voller Kehle, und was zuerst einen Moment lang ans Wirtshaus erinnert, nach der dritten Runde Bier, verdichtet sich plötzlich zu seraphinischem Schweben, zu Wohlklang aus feinstem, transparentem Stoff. Doch gerade, als man die Kapelle als schlussendlich sensibel zu durchschauen meint, bricht wieder der Lärm los, wummta, wummta, und die Blaskapelle fährt den Sensibelchen mit vollem Trara über die Krawatte.“ /

KLINGENDES ÖSTERREICH: DAS BESTE VOM BESTEN

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EUR 14,90 (zzgl. Versandkosten) Erhältlich über: orfshop@orf.at Klingendes Österreich, moderiert von Sepp Forcher, wird seit 1986 vom ORF ausgestrahlt.

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Elsbeth Wallnöfer: Märzveigerl und Suppenbrunzer Verlag Anton Pustet ISBN 978-3-7025-0749-7, EUR 24,00 www.pustet.at Hinter Austriazismen steckt immer eine Geschichte. Die Autorin hat eine Sammlung angelegt, die erkenntnisgewinnend durch Österreich führt. Anstrudeln hat nichts mit abstrudeln zu tun; Ersteres kommt aus dem weiten Feld der Heurigenkultur, wenn Musiker gegen Bezahlung am Tisch des zahlenden Besuchers spielen, Letzteres ist uns aus dem Alltag bekannt. Johann Zacherl (1914–1888) brachte aus dem Kaukasus die Blätter des Pyrethrums mit, die als wirksamer Schutz gegen Ungeziefer verwendet werden. Er schloss mit den Vorstehern der Dörfer Verträge ab, ließ die Blüten sammeln, nach Tiflis bringen und dort zu Pulver vermahlen – das Zacherlin. Die Zacherlfabrik in Wien-Döbling zeugt bis heute vom Erfolg des auch als „Persischen Pulvers“ bekannten Insektenvertilgungsmittel. Der titelgebende Suppenbrunzer ist übrigens eine Taube: Nämlich die Darstellung des Heiligen Geistes in Gestalt einer Taube, die sich vor allem in Tiroler Stuben über dem Esstisch fand. Die aufsteigenden Dämpfe der heißen Suppe kondensierte am Korpus der Taube und tropfte von dort wieder in den Suppentopf – deshalb wird der Heilige Geist „despektierlich, aber lebensnah als Suppenbrunzer“ bezeichnet. /


Bücher, CDs & feine Ware / 31

DOM DER WACHAU

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Herbert Karner und Erich Neumeister: Dom der Wachau – Eine Einordung ISBN 978-3-200-03635-2, EUR 24,90 Erhältlich im Buchhandel, auch in der Galerie der Regionen in Krems „Dom der Wachau – eine Einordnung“ lautet der Titel des Prachtbands, den die Pfarre St. Veit anlässlich ihres 1.000-jährigen Bestehens herausgebracht hat. Auf 100 Seiten werden in dem neuen Buch unter anderem die Geschichte von Bau und Ausstattung der Barockkirche sowie die Herkunft und Bedeutung der Bau- und Dekorgesteine näher beleuchtet. Hauptverantwortlich für den Text zeichnet der Kremser Kunsthistoriker Herbert Karner, die zahlreichen Bilder stammen vom Wachau-Fotografen Gregor Semrad. /

genverehrung an der Grabstätte des Landespatrons Leopold. Die Räume der unvollendeten kaiserlichen Residenz Karls VI. mit ihrer reichen Ausstattung geben beeindruckendes Zeugnis vom Stift als Ort der staatlichen Repräsentation; die Kunstsammlungen und die Bibliothek, in denen sich Werke verschiedener Provenienzen befinden, bezeugen die weit gespannten Interessen der Augustiner-Chorherren für die unterschiedlichsten Aspekte menschlichen Geistes und Schaffens. Das Stiftsweingut als traditionelles wirtschaftliches Standbein des Stiftes wird darin ebenfalls gewürdigt. Die Einheit von Spiritualität, Wissenschaft und Kunst, für die das Stift Klosterneuburg seit 900 Jahren steht, wird ergänzend zu den ausführlichen Textbeiträgen in einer großen Fülle an hervorragenden Fotografien von Janos Stekovics in Szene gesetzt. /

MIT DEM OPEL KAPITÄN AUF DEN GROSSGLOCKNER

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900 JAHRE STIFT KLOSTERNEUBURG

—————————————————————— Daniela Horvath, Michael Martinek: Vintage Alpen. Die Bilder unserer Kindheit / When we where young Metroverlag ISBN 978-3-99300-170-4, EUR 19,90 www.metroverlag.at

Wolfgang Christian Huber (Hg.): Das Stift Klosterneuburg – wo sich Himmel und Erde begegnen Verlag Janos Stekovics ISBN 3-89923-336-0, EUR 38,90 Erhältlich im Stiftshop und auf www.stift-klosterneuburg.at Die diesjährigen Feiern zum 900. Jahrestag gaben den Anlass zur Herausgabe eines Buches, das erstmals seit vielen Jahrzehnten versucht, das Stift in allen seinen Facetten darzustellen. So wird die Stiftskirche mit ihrer 900-jährigen Bau- und Ausstattungsgeschichte als sakraler Ort, aber auch als Kunstdenkmal in ihrer Gesamtheit wahrnehmbar. Ein Beitrag beleuchtet die wichtigen Aspekte des Totengedenkens und der Heili-

AUSSEER HANDDRUCK

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„Vintage Alpen“ bietet atemberaubende Einblicke in die alpine Freizeit vergangener Tage: Die privaten Zeitdokumente von Hobbyfotografen werden in dieser Form erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach dem großen Erfolg von „Vintage Vienna“ ist dies ein weiteres Projekt von Daniela Horvath und Michael Martinek, das aus einer ganz persönlichen Leidenschaft heraus entstanden ist: Auf der Suche nach den nostalgischen Alpen- und Naturaufnahmen sind sie erneut mithilfe sozialer Netzwerke auf wahre fotografische Schätze einer ganzen Generation gestoßen. Ein Leser schreibt: „Hier werden automatisch Erinnerungen wach an all die schönen Wochenendausflüge mit den Eltern oder anderen Verwandten und Freunden.“ Band und Blog sind ein entzückendes Zeugnis der Wander- und Ausflugskultur in den Alpen im Wandel der Zeiten. /

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Der Ausseer Handdruck wurde von Anna Mautner, der Frau des Heimatforschers Konrad Mautner, 1930 begründet. Tochter Anna Wolsey-Mautner: „Durch die geschmacklosen, maschinengedruckten Muster war es nicht mehr möglich, ein anständiges Niveau in der Tracht zu bewahren.“ Das änderte sich mit dem Engagement von Anna Mautner und den alten Holzmodeln, die sie aus der Südsteiermark holte. Nach der Arisierung ihres Betriebs, Vertreibung und Emigration in die USA kam Anna Mautner 1946 wieder zurück ins Salzkammergut. Neben der Handdruckerei Mautner, heute geführt von Martina Reischauer, gibt es drei weitere Handdruckereien im Ausseer Land, deren Geschichten mit der Werkstatt Mautner verwoben sind. Handbedruckte Tücher in verschiedenen Größen: EUR 42,00–92,00 Erhältlich in der Galerie der Regionen.

GALERIE DER REGIONEN

——————————————————— 3504 Krems-Stein, Donaulände 56
 Di–Fr, 10.00–12.00 u. 15.00–18.00 Uhr, jeden 1. Sa im Monat 10.00–12.00 und 14.00–17.00 Uhr, an Konzerttagen bis 21.00 Uhr


Stadtmuseum St. Pölten / 32

Archäologie

ZEITREISE Die derzeit aktuelle Sonderausstellung im Stadtmuseum St. Pölten mit dem Titel „NEWS FROM THE PAST Niederösterreich · Archäologie · Aktuell“ präsentiert die spektakulärsten und aktuellsten Funde der Archäologie in Niederösterreich.

Stadtmuseum St. Pölten: Funde, die nicht im Depot verschwinden, sondern als „News from the Past“ anschaulich präsentiert werden. Foto: P. Rauchecker

Jährlich finden in Niederösterreich mehr als 350 archäologische Maßnahmen statt, das ist rund die Hälfte aller Grabungen und Prospektionen in Österreich. Die hohe Anzahl in Niederösterreich ist durch das äußerst rege Baugeschehen, die gute Kenntnis der Denkmallandschaft, die besondere topografische sowie geopolitische Situation und durch den verbesserten amtsinternen

Kommunikationsfluss zu erklären. Hinzu kommt insbesondere für Niederösterreich die deutliche Zunahme an Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit (UVPVerfahren). Diese Grabungen finden völlig unbemerkt vom Großteil der Bevölkerung statt, die tollen Funde und Befunde verschwinden im

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Normalfall in verschiedenen Depots. Diese Situation war nun Anlass für die Idee, einen Ausstellungszyklus zu konzipieren, in dem aktuelle Funde und Ergebnisse aus den Grabungen der letzten Jahre präsentiert werden sollten. Als Location bot sich das Stadtmuseum St. Pölten an, das seit seiner Gründung in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts immer einen archäologischen Schwerpunkt


Stadtmuseum St. Pölten / 33

Auf Bildschirmen laufen Newsticker zu den einzelnen Fundorten. Foto: P. Rauchecker

besessen hat. Die Ausstellung entstand in Kooperation zwischen dem Land Niederösterreich, vertreten durch Mag. Franz Humer (Landesarchäologe und wissenschaftlicher Leiter des Archäologischen Parks Carnuntum), dem Bundesdenkmalamt, Abteilung für Archäologie, vertreten durch Mag. Dr. Martin Krenn (zuständig für Niederösterreich), und der Stadt St. Pölten, vertreten durch Mag. Dr. Ronald Risy (Stadtarchäologe). Zielsetzung der Ausstellung ist die Präsentation der Vielfältigkeit der historischen bzw. archäologischen Landschaft in Niederösterreich sowie deren Bedeutung in Europa. Gleichzeitig stellt sie eine „Leistungsschau“ der Archäologie in Niederösterreich dar.

Menschheitsgeschichte aus Niederösterreich Viele Exponate sind erstmals öffentlich zu bewundern. Selten bot eine Ausstellung so viele spannende Geschichten aus der Vergangenheit. In der ausstellungstechnischen und künstlerischen Gestaltung wurden neue, höchst faszinierende Wege beschritten, wodurch der Besuch zu einem einmaligen Erlebnis wird. Die Ausstellung „NEWS FROM THE PAST Niederösterreich · Archäologie · Aktuell“ deckt – beginnend mit Werkzeugen des Neandertalers und einzigartigen Fundgegenständen aus der Urgeschichte über sensationelle römische Grabfunde aus Schwechat und Carnuntum bis zu außergewöhnlichen mittelalterlichen und neuzeitlichen Funden aus St. Pölten, Zwettl, Tulln und Mautern – die

gesamte Menschheitsgeschichte ab. Bemerkenswerte Funde, wie millimeterkleine Artefakte aus Elfenbein, hergestellt von den ersten altsteinzeitlichen Menschen, rätselhafte Idole, tonnenschwere römische Steinplattengräber, fein gearbeitete Schmuckstücke, merkwürdige Alltagsgegenstände und vieles mehr, entführen Sie zu einer unvergesslichen Zeitreise. Erfahren Sie mehr über die längste Grabung Niederösterreichs, die rätselhafte Dame in Schwarz, den Insektenbefall in einem awarenzeitlichen Grab oder einen Topf am Bauch. Unter den vielen herausragenden Ausstellungsstücken noch hervorzuheben ist die einzig bekannte Druidenkrone Mitteleuropas, gefunden in Roseldorf.

Visuelle Ausrichtung Mit Newstickern im Bereich der ausstellungstechnischen Gestaltung wurden in bewährter Zusammenarbeit mit den No-Mad-Designern Doris Zichtl und Marcello Hrasko ebenfalls neue Wege beschritten. Der gewählte Titel ist Programm. Bewusst wurde auf das heutige Medienzeitalter mit kurzlebigen Schlagzeilen und der Dominanz von TV und Computer Bezug genommen: Als Infoblatt entstand eine Zeitung, in jedem Ausstellungsraum findet man einen Bildschirm, auf dem die Grunddaten zu den einzelnen Fundorten in einem Newsticker ablaufen. Auf die herkömmliche Objektbeschriftung wurde weitgehend verzichtet, stattdessen findet man eigens gestaltete Zeitungsartikel. Die starke visuelle Ausrichtung der Ausstellung mit Einblicken, Durchblicken etc. wird noch durch eindrucksvolle Darstellungen in Mischtechnik und Kreidezeichnungen von Marcello Hras-

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St. Pölten, Domplatz: römische Karikatur aus Bein. Stadtmuseum St. Pölten, Foto: N. Gail

St. Pölten, Domplatz: Taschensonnenuhr, datiert 1598. Stadtmuseum St. Pölten, Foto: N. Gail

ko ergänzt. Neben einen kleinen Kinosaal, wo zwei Filme über den niederösterreichischen Limes bzw. die Entdeckung der sogenannten Gladiatorenschule in Carnuntum gezeigt werden, wurden auch für Groß und Klein interaktive Stationen in die Ausstellung eingebaut. Unter anderem können die Besucher ihre archäologischen Fähigkeiten an einer virtuellen Grabungsstation erproben, die von Privatsponsoren finanziert wurde. / Text: Ronald Risy

NEWS FROM THE PAST

——————————————————— Bis 5. 4. 2015 Stadtmuseum St. Pölten 3100 St. Pölten, Prandtauerstraße 2 Öffnungszeiten: Mi–So 10.00–17.00 Uhr Tel. 02742 333-2643 www.stadtmuseum-stpoelten.at


Erster Weltkrieg / 34

Volkskundemuseum & Gmünd-Neustadt

KREUZSTICH FÜR DIE PROPAGANDA Zwei Ausstellungen beschäftigen sich mit den ruthenischen Flüchtlingen im Ersten Weltkrieg. Das Volkskundemuseum zeigt Stickarbeiten der Frauen aus dem Lager Gmünd. In Gmünd wird das Flüchtlingslager – der „Grundstein“ der Gmünder Neustadt – dokumentiert.

Stickerinnen im Barackenlager Gmünd. Foto: Stadtarchiv Gmünd

Irgendwo leben die Nachfahren und ahnen nicht, dass die Arbeiten ihrer Urgroßmütter im Österreichischen Museum für Volkskunde ausgestellt sind. Vielleicht leben sie in Polen oder in Kanada, in der Ukraine oder in Kasachstan, wohin 75.000 Menschen aus der Westukraine unter Stalin deportiert wurden. Vielleicht haben die Frauen, die Stickereien im Flüchtlingslager in Gmünd anfertigten, keine Nachkommen. 30.000 Menschen sind am Lagerfriedhof begraben. Es sind Stickmuster in der Technik des

Flach- und Kreuzstiches, farbenfroh und akkurat gefertigt, mit floralen Motiven oder Ornamenten. Auch aufwändige Glasperlenarbeiten stammen aus der Hand der Flüchtlingsfrauen. Die Ausstellung mit den „Arbeiten ruthenischer Flüchtlinge im Ersten Weltkrieg“ zeigt 100 Jahre nach ihrer Entstehung die Stickmuster und verknüpft damit die Umstände, unter denen sie hergestellt wurden, sowie auch das Schicksal der Flüchtlinge während des Ersten Weltkrieges und hinterfragt den Begriff der Ruthenen. In

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das Flüchtlingslager von Gmünd kamen vor allem Menschen aus dem Osten der Monarchie, aus der Bukowina, Galizien und Lodomerien. Die „Ruthenen“, wie die Ostslawen in der Monarchie genannt wurden (heute Ukraine), wurden in Güterwaggons verfrachtet, die oft tagelang an den Grenzen stehengelassen wurden. Viele von ihnen starben schon beim Transport. In den Lagern fertigten sie Strohschuhe (für die Front), Puppen, Holzarbeiten und Stickereien an.


Erster Weltkrieg / 35

Am Anfang war das Lager

Kartonkarte mit aufgeklebten Stickereimustern ruthenischer Flüchtlinge, bezeichnet „Bezirk Towmatsch“ (heutige Ukraine), aus der Ausstellung „Die Kriegshilfe“ des k. k. Innenministeriums, 1915. Foto: Christa Knott / ÖMV

Die Stickarbeiten sind nicht zum ersten Mal ausgestellt. Die Arbeiten der Flüchtlinge, die schon im ersten Kriegsjahr von der Front flüchteten bzw. ausgesiedelt wurden, waren in der Propagandaausstellung „Kriegshilfe. Kunst, Gewerbe und Industrie im Dienst der Kriegshilfe“ in Wien im Jahre 1915 zu sehen. Damit wollte das k. k. Innenministerium den reibungslosen Ablauf der Flüchtlingsströme, die nach Österreich kamen, und die Kriegsmaschinerie im Allgemeinen suggerieren. Denn die Behörden waren keineswegs auf die große Zahl der Flüchtlinge eingestellt, die anfangs nur dann ihren Status als Flüchtlinge erhielten, wenn sie aufgrund behördlicher Anweisen ausgewiesen wurden. Die anderen, die auf eigene Faust aus den Frontgebieten flüchteten, wurden als „Landstreicher“ aufgegriffen.

Eine Scheinwelt Die Stickereien wurden in Rahmen von Schulungsprogrammen angefertigt. Von der damaligen Presse wurden die Arbeiten der Kriegshilfe-Ausstellung als ein Beitrag zum Erhalt des kulturellen Erbes dargestellt. Die Nationalität der Hersteller wurde hervorgehoben, wie auch schon in anderen Ausstellungen von Hausindustrie und Handwerkskunst, um damit auch die Integration der Volksgruppen im Vielvölkerreich zu zeigen. „Die Reduktion der Lebensrealität der Flüchtlinge auf die entzückenden Dinge, die sie produzierten, entwarf eine Scheinwelt, die harmlos und niedlich wirkte“, so die Ausstellungskuratorin Kathrin Pallestrang.

Die offiziellen statistischen Angaben der k. u. k. Behörden beziffern die Flüchtlinge im Jahre 1915 mit 600.000 zuzüglich 400.000 inoffizielle Heimatlose. Sie wurden in Lagern, getrennt nach Nationalität, in den Kernländern der Monarchie untergebracht. Eines der größten war in Gmünd mit 200.000 Insassen. Die Gmünder Neustadt entstand aus dem Lagerkomplex. Die Ausstellung „Am Anfang war das Lager“ sowie Themenwege durch die Neustadt und Vorträge beschäftigen sich mit der Vergangenheit. Barackenlager Gmünd: Blick auf Kirche und Schule. Foto: Österreichische Nationalbibliothek

1921 wurde die Sammlung „ruthenischer Frauenarbeiten“ von der Liquidationsstelle für Flüchtlingslager vom Museum für Volkskunde angekauft. Der damalige Museumsdirektor Michael Haberlandt hatte die Arbeiten bereits in der „Kriegshilfe“-Ausstellung von 1915 gesehen und als „Musterkatalog der Stickerei Ostgaliziens“ bewertet.

Wer ist Ruthene? Als Ruthenen – wie eingangs erwähnt – wurden in der habsburgischen Verwaltung alle Untertanen bezeichnet, die eine ostslawische Sprache oder Dialekt sprachen. Das latinisierte „Rutheni“ leitet sich von „Rusyn“ oder „Rus“ ab. Mit der aufkeimenden Nationalitätenfrage im 19. Jahrhundert wurde unter den Intellektuellen Galiziens eine Gleichstellung gegenüber den Polen, die den Adel in Galizien stellten, diskutiert und gefordert. Sahen sich die „Jungruthenen“ als Ukrainer, sahen sich andere als Russen. Ein Konflikt mit brandaktuellem Kontext. Die „Le Monde diplomatique“ schreibt in der Ausgabe vom 12. März 2013: „In der Ukraine weigert sich insbesondere die nationalistische Partei Swoboda, die Ruthenen als solche anzuerkennen. ,Die Ruthenen sind Ukrainer‘, sagt der Swoboda-Funktionär Oleg Kuzin. ,Wer etwas anderes behauptet, wird von den Russen bezahlt, die ja keine Gelegenheit auslassen, die ukrainische Nation zu schwächen.‘“ Ruthenen sind heute in vielen Staaten – unter anderem in Kanada und in der Slowakei – als eigene Minderheit anerkannt.

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In Gmünd fand man ideale Standortbedingung für ein Flüchtlingslager dieses Ausmaßes: Gesicherte Trinkwasserversorgung, ausreichendes Holzvorkommen, erschwingliche Gründe und die Anbindung an das Bahnnetz gaben den Ausschlag für die Errichtung des 550.000 Quadratmeter großen Areals. „Wer durch das Tor trat, trat in eine ukrainische Stadt mitten im Waldviertel“, so der Autor Harald Winkler. Aus der Zeit des Flüchtlingslagers existieren noch einige Gebäude: das Wasserreservoir, das Wachgebäude gegenüber, die Lagerverwaltung (heute Geschäftslokale) sowie die Schwesternheime und das Portierhäuschen des Lagerspitals. Auch das Tor ins Flüchtlingslager ist bis heute erhalten. / Text: Mella Waldstein

INFORMATION

——————————————————— Arbeiten ruthenischer Flüchtlinge im Ersten Weltkrieg Bis So, 2. 11. 2014 Österreichisches Museum für Volkskunde 1080 Wien, Laudongasse 15–19 Tel. 01 4068905 www.volkskundemuseum.at _ Am Anfang war das Lager Bis Sa, 18. 10. 2014 Arbeiterheim Gmünd-Neustadt 3950 Gmünd, Arbeiterheimgasse 1 Tel. 02852 52506-214 Lager-Führungen: Sa, 15.00 Uhr (20. 9., 4. 10. und 18. 10. 2014) www.neustadt.gmuend.at


Tag des Denkmals / 36

Maria Langegg

ILLUSION ALS KONZEPT Am Tag des Denkmals bieten öffentliche und private Häuser ein spezielles Programm. In diesem Jahr unter dem Motto „Illusion“. Das Schaufenster Kultur.Region stellt Maria Langegg im Dunkelsteinerwald vor.

Maria Langegg – verborgener Schatz im Dunkelsteinerwald. Foto: Diözesanmuseum St. Pölten

In idyllischer Lage im Dunkelsteinerwald befinden sich einer Oase gleich die Pfarrund Wallfahrtskirche Maria Langegg sowie das anschließende ehemalige Servitenkloster. Das abgeschiedene, spät besiedelte Waldgebiet um Langegg gehörte zum Herrschaftsbereich der Salzburger Fürsterzbischöfe, die in dem um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Renaissanceformen erbauten und heute noch bestehenden Langegger Hof ihren Verwaltungssitz hatten. Einer der herrschaftlichen Verwalter, Mat-

thäus Häring, hat den Hof 1599 erworben. Es war dies die Zeit der Gegenreformation, der konfessionellen Auseinandersetzungen, als die Habsburgerkaiser Rudolf II., Ferdinand II. und Ferdinand III. trachteten, ihre Herrschaft gegenüber dem vielfach protestantischem Adel und den Ständen durchzusetzen. Dabei wurde der Katholizismus vorerst durch gezielte politische und kathechetische Maßnahmen gestärkt, in der Folge – etwa ab der Mitte des 17. Jahrhunderts – wurde auch die Volksfrömmigkeit durch

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Förderung von Gnadenorten und des Wallfahrtswesens forciert. In diesem Prozess spielten die neuen Orden eine wichtige Rolle. Die auf Empfehlung Kaiser Ferdinands III. seit 1647 auch in Maria Langegg angesiedelten Serviten förderten besonders die Marienverehrung. Doch der Reihe nach: Als die Tochter des schon genannten Hofmeisters Matthäus Häring schwer erkrankte, gelobte er im Falle der Genesung, seinem Marienbild – dem


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von Serviten-Heiligen auf den Seitenaltären hergestellt. Der ebenfalls scheinarchitektonische Hochaltar wurde später, 1789, von Andreas Rudroff geschaffen, ihm ist das von einem Strahlenkranz umgebene Gnadenbild integriert.

Wallfahrtsmuseum Maria Langegg

In Schatzkammer und Bibliothek wird die Geschichte des Wallfahrtswesens dokumentiert. Foto: Diözesanmuseum St. Pölten

heutigen Gnadenbild – eine Kapelle zu erbauen. Nach der Gesundung des Kindes im Jahr 1600 löste er das Versprechen ein und stellte das den Kopien des sogenannten Lukasbildes von Santa Maria del Popolo in Rom entsprechende Marienbild zur öffentlichen Verehrung auf. Die Verbreitung der Nachricht von der wundersamen Heilung löste bald einen Zustrom von Wallfahrern aus und die Kapelle musste mehrmals vergrößert werden. 1623 wurde ein Beneficium besetzt, 1631 eine kleine Kirche geweiht. Deren ehemaliges, heute als Ursprungskapelle bezeichnetes Presbyterium ist – östlich der Kirche etwas erhöht gelegen – erhalten. 1654 begannen die Serviten mit dem Klosterbau, der 1733 mit dem Südtrakt abgeschlossen wurde.

Pestwallfahrten In den Pestjahren des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts wurde das Pilgern zu „Maria, Heil der Kranken“ eine der bedeutendsten Pestwallfahrten des Landes; wie die Mirakelbücher berichten, erreichte sie um die Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt. Dies war 1764 Anlass zur Errichtung einer neuen Kirche, die vom Steiner Baumeister Michael Ehmann errichtet und 1773 mit der Übertragung des Gnadenbildes abgeschlossen wurde. Im Zuge der josephinischen Reformen, die mit einem Wallfahrtsverbot verbunden waren, wurde Langegg zur Pfarre mit der Kirche Mariae Geburt erhoben, die Betreuung den Serviten überlassen. Baumeister Ehmann schuf einen weithin weithin sichtbaren, nach Süden ausgerichteten spätbarocken Kirchenbau mit stattlicher

Turmfassade, der an das vierseitig um den stimmungsvollen Innenhof angeordnete ältere Klostergebäude anschließt. Über dem mittleren Kirchenportal sind die bekrönten Ordensinitialen an einer monstranzförmiger Kartusche angebracht.

Spätbarocker Illusionismus Der einheitliche, von der reichen malerischen Ausstattung bestimmte Innenraum wird von der Abfolge aus größeren, den Raum zentralisierenden, überkuppelten und schmäleren platzgewölbten, seitlich kapellenartig ausgerundeten Jochen gebildet. An die Chorapsis schließt nach Süden die Sakristei an, darüber ist die Bibliothek angeordnet. Sie wird vom Oratorium und der Schatzkammer flankiert. Prägend für die Wirkung des gesamten Innenraumes ist die im Sinne des spätbarocken Illusionismus konzipierte Ausmalung mit Scheinarchitekturen, figuralen Gewölbeszenen und ebenfalls illusionistisch gemalten, sehr plastisch wirkenden Altaraufbauten. Thematisch handelt es sich um ein marianisches Programm, das durch das Patrozinium Mariae Geburt und durch die Wallfahrt zu „Maria, Heil der Kranken“ vorgegeben war. Diese beiden Inhalte sind auch in den beiden zentralen Scheinkuppeln dargestellt. Sie werden durch Verkündigung (im Chor), Heimsuchung und Himmelfahrt (im Langhaus) erweitert. In die Gewölbezwickeln sind die vier Evangelisten bzw. die alttestamentarischen Vorgängerinnen Marias – Judith, Esther, Abigail und Jael – gemalt. Über das marianische Programm hinaus wird der spezielle Ordensbezug durch Darstellungen

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1974 verließen die Serviten Maria Langegg und übergaben Pfarre und Kloster der Diözese St. Pölten. Das Klostergebäude wurde als Haushaltungsschule und diözesanes Bildungshaus genutzt. Seit 1993 bewohnt die Gemeinschaft der Seligpreisungen das Kloster. 2008 wurde das Wallfahrtsmuseum Maria Langegg eröffnet und organisatorisch dem Diözesanmuseum St. Pölten eingegliedert. In Bereichen des ehemaligen Kloster, in der beeindruckenden Schatzkammer und der reich ausgestalteten Bibliothek wird anhand von bemerkenswerten Objekten und zahlreichen Votivgaben umfassend und anschaulich über die Geschichte des Wallfahrtswesens, über Maria Langegg und seine spezifische Wallfahrt informiert. Zwei Themenwege, wovon einer durch die reizvolle Landschaft führt, erweitern mittels Schautafeln die Ausstellung. Um den Standort weiterhin für den Wallfahrtstourismus attraktiv zu halten, wird zurzeit vom Diözesanmuseum zusammen mit der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich an einem Konzept zur sanften Belebung gearbeitet. / Text: Wolfgang Huber

TAG DES DENKMALS

——————————————————— So, 28. 9. 2014 Der Tag des Denkmals steht 2014 unter dem Motto „Illusion“. www.tagdesdenkmals.at Dem Schaufenster Kultur.Region ist der Folder „Tag des Denkmals“ beigelegt. Maria Langegg 3642 Aggsbach-Dorf, Maria Langegg 1 Tel. 02753 20741 Führungen durch Kirche und Museum am Tag des Denkmals um 12.00 Uhr und 14.00 Uhr mit Mag. Barbara Taubinger. maria-langegg.kirche.at


Langenzersdorf Museum / 38

Bildhauer

KLASSISCHE MODERNE Nach seiner Wiedereröffnung bietet das Langenzersdorf Museum einen Überblick über die österreichische Bildhauerei der klassischen Moderne.

Egon Weiner oder Fritz Wotruba. Eine Auswahl ihrer Arbeiten wird in einem eigenen Ausstellungsbereich präsentiert.

Raumansicht Siegfried Charoux. Foto: Langenzersdorf Museum, schultz+schultz

Nach seiner umfassenden Generalsanierung wurde das Langenzersdorf Museum (ehemals Hanak- und Charoux-Museum) im Mai 2014 feierlich wiedereröffnet. Am Fuße des Bisambergs gelegen, bietet das Museum anhand der Werke von Anton Hanak, Siegfried Charoux und Alois Heidel einen Überblick über die österreichische Bildhauerei der klassischen Moderne. Anton Hanak (1875–1934), der bedeutendste österreichische Bildhauer im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, lebte über 20 Jahre in Langenzersdorf. Er war Wegbegleiter und Freund von Gustav Klimt und Josef Hoffmann. In der Dauerausstellung zu Hanaks Leben und Werk werden Großplastiken, Porträts, Entwürfe und Modelle zu Denkmälern und Arbeiten im öffentlichen Raum gezeigt. Durch Hanaks zwanzigjährige Lehrtätigkeit prägte er annähernd 150 Schüler und Schülerinnen, darunter Jakob Adlhart, Franz Blum, Margarete Hanusch, Irma Rothstein, Angela Stadtherr,

Das Museum beherbergt weiters den künstlerischen Nachlass von Siegfried Charoux (1896–1967). Charoux zählt zu den wichtigsten österreichischen Bildhauern der Zwischenkriegszeit und feierte nach seiner Emigration in Großbritannien große Erfolge. Mit den Werken von Alois Heidel (1915 bis 1990), einem Vertreter der Wotruba-Schule, wird der Übergang von der Gegenständlichkeit zur absoluten Abstraktion in der Bildhauerei deutlich. Die Museumssanierung wurde durch das Land Niederösterreich (Museumsmanagement Niederösterreich) großzügig unterstützt. Die komplette Neugestaltung und Neuaufstellung der Ausstellungsbereiche ermöglicht nun einen neuen Blick auf die Künstler und deren Werk. Für die Dauerausstellung des Werks von Anton Hanak konnte Mag. Wolfgang Krug, Kustos der Landessammlungen Niederösterreich und Autor einer umfassenden Hanak-Monografie, gewonnen werden. Die Werke von Siegfried Charoux und Alois Heidel wurden von Museumsleiter Mag. Gregor-Anatol Bockstefl in Zusammenarbeit mit dem Museumsverein Langenzersdorf unter der Leitung von Obmann Dr. Helmuth Schwarzjirg neu aufgestellt.

Sonderausstellungen In Sonderausstellungen im neuerrichten Ausstellungsraum werden in den nächsten

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Jahren Weggefährten und Kollegen der im Museum vertretenen Künstler gezeigt. Ergänzt wird das Ausstellungsprogramm durch die Präsentation zeitgenössischer Kunst. Im Herbst werden zwei Ausstellungen in Kooperation mit NöART – Niederösterreich Gesellschaft für Kunst und Kultur präsentiert: „kleine monster.GROSSE TIERE“ widmet sich dem Thema „Tier“ in der zeitgenössischen österreichischen Kunst (18. September bis 19. Oktober). In der Ausstellung „Ver-rückt“ gewähren Dagmar und Manfred Chobot einen Einblick in ihre Art-brutSammlung (6. November bis 14. Dezember). Das Langenzersdorf Museum ist der ideale Ausgangspunkt für Wanderungen und Spaziergänge auf den Bisamberg sowie für einen Besuch der naheliegenden Heurigen- und Gastronomiebetriebe. / Text: Gregor-Anatol Bockstefl

LANGENZERSDORF MUSEUM

——————————————————— 2103 Langenzersdorf Obere Kirchengasse 23 Öffnungszeiten: Sa, So, Fei 14.00–18.00 Uhr und nach Vereinbarung Tel. 02244 3718 Von 18. 12. 2014 bis 16. 01. 2015 ist das Museum nur nach rechtzeitiger Voranmeldung zu besichtigen. www.lemu.at


Museum Stillfried / 39

Jubiläum

MUSEUM MIT HONORIGEN VÄTERN 100 Jahre Museumsverein Stillfried. Das Museum für Ur- und Frühgeschichte Stillfried zeigt archäologische Funde von der Altsteinzeit bis in die frühe Neuzeit.

Im Gasthaus Neckam in Stillfried fand im März 1914 die konstituierende Sitzung des Museumsvereines statt. Foto: Museumsverein Stillfried

Am 8. März 1914, wenige Monate vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, fand im Gasthaus Neckam in Stillfried die konstituierende Sitzung des Museumsvereins statt. Der Obmann des neu gegründeten Vereines war Richard Böhmker, kaufmännische Direktor der chemischen Fabrik Rüttgers in Angern. Für das Museumsgebäude hatte die Gemeinde Stillfried einen Baugrund auf dem Kirchenberg zur Verfügung gestellt. Die Spenden für den Museumsbaufonds kamen neben lokalen Spenden auch aus Brünn, Prag und Wien. Für die Errichtung eines eigenen Museumsgebäudes reichte es aber nicht.

Das Museum in der Schule Das erste Museum entstand schließlich in den Gängen der Stillfrieder Volksschule aus den Sammlungen Richard Böhmkers und des Schuldirektors Engelbert Neuner in Stillfried. Der Verein war in der damaligen Gesellschaft gut vernetzt. Zu den frühen Mitgliedern zählten Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Forschung: der Direktor der Universitätsbibliothek Czernowitz, der

Großindustrielle Burkhard aus Wiener Neustadt, der Chef des Bankhauses Schellhammer und Schattera, Johann Wancura, Hauptmann Alfons Freiherr von Stillfried und Rathenitz, Dr. Josef Zavadil, Sektionschef des geheimen obersten Rechnunghofes, Gejza von Bukowski-Stolzenburg, der Chefgeologe der geologischen Reichsanstalt Wien, u. v. m. Die urzeitlichen und germanischen Funde gaben leider auch dem bereits ohnehin vorhandenen nationalen Gedankengut zusätzliche Nahrung, bestärkt durch zum Teil ebenfalls national eingestellte Prähistoriker. Es war daher auch nicht weiter verwunderlich, dass man nach dem Anschluss versuchte, mit nationalen Argumenten den Ausbau Stillfrieds als Museums- und Forschungsplatz voranzutreiben. 1938 wurde das erste Objekt eines Freilichtmuseums errichtet, das später Gebäude aus allen Epochen der Urgeschichte umfassen sollte. Dem urzeitlichen Freilichtmuseum sollte der gesamte Ort als volkskundliches Freilichtmuseum zur Seite gestellt werden. Außerdem waren groß angelegte archäologische Forschungen in der Wallanlage geplant. Als mit Kriegsbeginn 1939 für derartige Vorhaben das Geld ausging, schliefen diese wieder ein. Nach dem Krieg wurde 1954 von Kurt Hetzer in der Volksschule ein Schauraum als Museum eingerichtet, das nach Voranmeldung besichtigt werden konnte. Mit dem Beginn der Forschungen von Univ.-Prof. Dr. Fritz Felgenhauer (Ausgrabungen 1969 bis 1989) wurde auch das archäologische Interesse am Ort wiederbelebt.

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Von der Schule zum Museum 1974 wurden im ehemaligen Volksschulgebäude vorübergehend zwei Räume als Museum neu gestaltet. Anfang der 1990er Jahre konnte das Museum mithilfe eines vom Land Niederösterreich (Eco Plus) und der Gemeinde Angern finanzierten Projektes in der heutigen Größe ausgebaut werden. Die im Rhythmus von zwei Jahren wechselnden Sonderausstellungen, Vorträge, Veranstaltungen und Publikationen sind heute ein fixer Anteil des Vereinslebens. Das Museum für Ur- und Frühgeschichte Stillfried zeigt archäologische Funde von der Altsteinzeit bis in die frühe Neuzeit. / Text: Walpurga Antl

ZENTRUM DER URZEIT

——————————————————— Museum für Ur- und Frühgeschichte 2262 Stillfried, Hauptstraße 23
 
 Öffnungszeiten: bis Ende Oktober, Sa, So und Fei 13.30–17.30 Uhr Tel. 0676 6113979 www.museumstillfried.at _ Sa, 13. 9. 2014, 10.00–22.00 Uhr 6. Tag der Museen im March/Thaya-Raum Information: Regionalverband March-Thaya-Auen, 2273 Hohenau an der March, Rathausplatz 1 Tel. 02535 31161 www.marchthayaauen.at


Museumsdorf Niedersulz / 40

Dorfschule

DORFSCHULMEISTER & INDUSTRIEFRÄULEIN Vom „armen Dorfschulmeisterlein“ zur „Hautevolee“ des Dorfes – der Dorfschullehrer im 18. und 19. Jahrhundert.

Das Schlafzimmer eines Dorfschullehrers. Die Lehrerwohnung war in der Schule untergebracht.

Der Beginn eines geregelten Schulwesens in Österreich wird landläufig im Jahr 1774 angesetzt, als Kaiserin Maria Theresia das Schulwesen zur Staatsangelegenheit erklärte und die allgemeine Schulpflicht einführte. Bis dahin existierten in den Dörfern Pfarrschulen, da die katholische Kirche mit der Gründung einer Pfarre meist auch eine Schule einrichtete. Der Unterricht fand oft

nicht in eigens gebauten Schulhäusern, sondern in Ställen, Gasthäusern, aufgelassenen Bauernhäusern oder Werkstätten statt und beschränkte sich auf die Einprägung des Katechismus sowie Lesen und Schreiben. Der Pfarrer bestellte den Lehrer und hatte die Aufsicht über ihn und die Schule. Die Ausbildung war mangels Ausbildungsmöglich-

schaufenster / Kultur.Region / September/Oktober 2014

keiten marginal, und so konnte praktisch jeder Lehrer werden, der halbwegs lesen und schreiben konnte. Man ging einige Wochen zu einem anderen Schulmeister hospitieren und war dann selbst berechtigt zu unterrichten. Auch die Bezahlung war dürftig und bestand aus etwas Geld und Naturalien sowie der Lehrerwohnung, die im selben Gebäude wie die Klassenräume untergebracht war.


Museumsdorf Niedersulz / 41

beiten“ oder „Industrialunterricht“ an Volksschulen eingerichtet. Damit sollten die Mädchen auf ihre späteren Aufgaben als Ehefrau und Mutter vorbereitet werden. Unterrichtet wurden folglich: Strümpfe stricken, Nähen von Hemden und Bettzeug, Socken stopfen sowie das Flicken schadhafter Kleidung und Säcke. Typisch für den Handarbeitsunterricht um 1900 sind die Mustertücher mit den Buchstaben des ABC und verschiedenen Zierelementen in Kreuzstich-Technik.

Die Volksschule Gaiselberg im Museumsdorf …

Zölibat für Lehrerinnen

... und die einklassige Schulklasse.

Vom „armen Dorfschulmeisterlein“… Trotzdem hatte ein Dorflehrer früher neben dem Unterricht zahlreiche weitere Aufgaben zu erfüllen. So musste er neue Schreibfedern zuspitzen bzw. alte ausbessern, Tinte ansetzen und Schreiberdienste für die Gemeinde erledigen. Außerdem war er Organist, Chorleiter und Mesner und musste die Kirchenglocken z. B. auch bei Gewittergefahr läuten. Fallweise führte er das Gemeindegasthaus und verrichtete einfache handwerkliche Tätigkeiten. Viele Lehrer versuchten, mit Geigenspiel z. B. auf Hochzeiten ihren bescheidenen Unterhalt aufzubessern. Aus dieser Zeit stammen die Lieder, Geschichten und Witze vom „armen Dorfschulmeisterlein“, bei dem immer Geldmangel herrschte. So heißt es bei Samuel Friedrich Sauter (1766–1845), Strophe 2 und 3: „Bei einem kargen Stückchen Brot, / Umringt von Sorgen, Müh und Not, / Soll es dem Staate nützlich sein, / Das arme Dorfschulmeisterlein. // Noch eh der Hahn den Tag begrüßt, / Und alles noch der Ruh genießt, / Hängt’s schon am Morgenglöckelein, / Das arme Dorfschulmeisterlein.“ Mit dem sogenannten Reichsvolksschulgesetz von Kaiser Franz Joseph aus dem Jahre 1869 änderte sich einiges für Lehrer und

Mustertuch aus der ergänzenden Ausstellung.

Schüler: Die Schulpflicht wurde auf acht Jahre – vom 6. bis zum 14. Lebensjahr – verlängert, auch die Ausbildungsdauer an Lehrerbildungsanstalten, die erst 20 Jahre zuvor gegründet worden waren, wurde auf vier, später fünf Jahre verlängert. Der Lehrplan umfasste nicht mehr nur die Gegenstände Religion, Lesen und Schreiben, sondern auch Rechnen und geometrische Formenlehre, Sprache, Naturgeschichte und Naturlehre, Erdkunde und Geschichte, Gesang und Turnen.

… zur Oberschicht des Dorfes Ein wichtiger Teil des Unterrichts fand im genau geplanten Schulgarten statt, wo eigene Beete für Burschen und Mädchen angelegt wurden. Die Burschen beschäftigten sich vor allem mit Feld- und Industriepflanzen (verschiedene Getreidesorten, Tabak und Hanf), die Mädchen lernten den Anbau von Kräutern und Gemüse. Die Erträge (v. a. Gemüse und Obst) des Schulgartens dienten der Versorgung der Lehrerfamilie. Auch die finanzielle und soziale Stellung des Lehrers besserte sich im 19. Jahrhundert, zählte er doch mit dem Pfarrer und dem Bürgermeister zur Oberschicht eines Dorfes. Schließlich half der Lehrer auch beim Ausfüllen amtlicher Formulare. Mit dem „Reichsvolksschulgesetz“ wurde auch das obligatorische Lehrfach „Nadelar-

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Die Handarbeitslehrerinnen nannte man „Industriefräulein“, weil sich der Unterricht auf den weiblichen Fleiß (lat. „industria“) bezieht. Eine der wenigen Möglichkeiten für Frauen, überhaupt zu unterrichten, war der Eintritt in ein Kloster. Erst seit 1869 gab es auch eine Ausbildung für Lehrerinnen. Allerdings war das Gehalt niedriger als das der männlichen Kollegen – und in den meisten Kronländern der Monarchie war das Zölibat für Lehrerinnen vorgeschrieben. Die Lebensumstände eines Dorfschullehrers und sein Arbeitsumfeld sind im Museumsdorf Niedersulz in der Volksschule aus Gaiselberg mit angeschlossener Lehrerwohnung und Schulgarten sowie einer kleinen ergänzenden Ausstellung eindrücklich zu sehen. Die Ausstellung widmet sich auch dem „Industriefräulein“ und ihrem umfangreichen Lehrstoff sowie dem aus Obersulz stammenden Schulreformer und Fachbuchautor Prof. Ludwig Boyer. Sowohl die Volksschule als auch die Ausstellung wurden von den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Museumsdorfs unter der Anleitung von OSR Fritz Wendy eingerichtet. / Text: Veronika Plöckinger-Walenta

VOLKSSCHULE GAISELBERG

——————————————————— Bis So, 26. 10. 2014, 9.30–18.00 Uhr Museumsdorf Niedersulz 2224 Niedersulz 250 Tel. 02534 333 www.museumsdorf.at


Museumsdorf Niedersulz / 42

Naturfarbstoffe

„BLAU, BLAU, BLAU SIND ALLE MEINE KLEIDER …“ Textile Färbepflanzen und ihre Verwendung.

Färberkamille.

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Museumsdorf Niedersulz / 43

Naturfarbstoffe und ihre Verwendung lassen sich bereits rund 15.000 Jahre, bis in die jüngere Altsteinzeit, zurückverfolgen. Ausschließlich pflanzliche Farbstoffe wurden beim Färben von textilen Geweben aus Naturfasern verwendet und waren rares und wertvolles Handelsgut. Ab dem Mittelalter begann man in Europa ebenfalls Färberpflanzen anzubauen, wobei die Gewinnung und Verarbeitung durch Handelszünfte streng lizensiert waren. Wichtigste Färberpflanzen und Farblieferanten waren dabei der Färberwaid für Blau, der Färberkrapp für Rot und der Färberwau für Gelb. Ab dem 19. Jahrhundert wurden die pflanzlichen Farbstoffe zunehmend durch synthetische Farbstoffe, die auf Basis von Kohle und Erdöl hergestellt wurden, verdrängt, wodurch die Färberpflanzen ihre Bedeutung und Verwendungszweck verloren. Insgesamt sind an die 150 Färberpflanzenarten bekannt. Eine positive Entwicklung zeichnet sich zudem in den letzten Jahren ab: Färberpflanzen sind wieder en vogue und werden aus ökologischen Gründen und im Sinne der Nachhaltigkeit zunehmend wiederentdeckt.

Bunte Stoffe als Statussymbol und Luxusgut Bunte Stoffe in leuchtenden Farben galten über viele Jahrhunderte als Statussymbol für Adel und Klerus. Diese wurden mit teuren Farbstoffen aus fernen Ländern gefärbt, oft in Techniken, die streng geheim waren. Mineralien wie Lapislazuli und Malachit, Tiere wie Schildläuse und Purpurschnecke sowie Indigo und andere Färbedrogen waren das Rohmaterial dafür. Wer sich diese „Luxusgüter“ nicht leisten konnte, griff auf traditionelle Färbepflanzen zurück, die entweder in Kultur genommen oder in der Natur gesammelt wurden. Noch heute gebräuchliche Namen wie Färberdistel, Färberkamille, Färberwaid weisen auf ihren Nutzen hin.

Vom „Blaumachen“ und dem „blauen Montag“ Vor allem der Färberwaid (lat. „Isatis tinctoria“), ein zweijähriger Kreuzblütler, wurde seit der Antike feldmäßig angebaut. Nach Europa kam der Waid vermutlich mit den Kelten entlang der Donau. Aus ihm wurde

Färbertagetes wurde auch als Zusatzstoff beim Hühnerfutter verwendet, damit die Dotter gelber werden.

Indigo gewonnen, ein blauer Küpenfarbstoff. Küpenfarbstoffe sind nicht wasserlöslich und wurden früher in Holzbottichen, den sogenannten Küpen, unter Zugabe von Kuhmist, Urin und Pottasche vergoren. Der intensive Gestank dieser Farben verdrängte die Färber allerdings oft an den Ortsrand. Eine Reihe von komplizierten Arbeitsschritten war nötig, um aus der Pflanze blau gefärbte Textilien zu erhalten. Mit einer speziellen Technik wurden die Blätter der Grundrosetten des zweijährigen Waids gestochen. Eine Pflanze konnte dabei mehrere Male beerntet werden. Die Blätter wurden gewaschen und zum Trocknen auf Wiesen gelegt. In sogenannten Waidmühlen zerquetschte man sie zu Brei. Daraus formten Frauen kleine Ballen, die man trocknen ließ und in die Stadt brachte oder selber weiterverarbeitete. Es gab eigene Waidhändler und auch -märkte. Aus den Ballen wurde durch Zerschlagen mit dem Waidhammer auf den Böden der Waidhäuser ein Pulver gewonnen, das nach einer langwierigen Fermentation als Indigopulver in Fässern verkauft wurde. Übrigens: man vermutet, dass die Redewendung vom „Blaumachen“ bzw. dem „blauen Montag“ beim Blaufärberhandwerk ihren Ursprung findet, denn während des „Blau machens“ hatten die Färber genügend Zeit zum Nichtstun, bis sich die Färbestücke an der Luft durch Oxidation dann tatsächlich blau verfärbten. Auch das Fiata, die traditionelle Schürze der Weinviertler Hauer und Weinbauern, wird wohl früher mit Waid

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gefärbt worden sein. Fiata war früher eine gebräuchliche Bezeichnung für Vortücher, die „vor“ das eigentliche Gewand gebunden wurden und es dadurch schützten. Die Arbeitsfiata waren aus grobem Leinen- oder Hanfgewebe, Hochzeitsfiata dagegen oft auch aus Seide. Im Weinviertel wächst Wau auch heute noch an Straßenböschungen und an Wegrändern, ein Zeichen dafür, dass er hier angebaut wurde.

Rot durch Färberkrapp Rot, eine besonders wertvolle Farbe, wurde vor allem aus dem Färberkrapp oder auch Färberröte (lat. „Rubia tinctorium“), gewonnen und ist neben Indigo eine der ältesten Pflanzenfarbstoffe. Bereits in ägyptischen Pharaonengräbern lassen sich etwa Spuren des roten Farbstoffs Alizarin nachweisen. Der Farbstoff Alizarin befindet sich dabei in der inneren Wurzelrinde, das aus getrockneten, zermahlenen Wurzelstöcken gewonnen wurde. Nach einem Beizvorgang, z. B. mit Alaun, konnten Textilien in einer wässrigen Lösung damit gefärbt werden. Der mehrjährige Krapp, auch Türkischrot genannt, ist etwas frostempfindlich und bevorzugt geschützte, nährstoffreiche Plätze mit Weinbauklima. Als Zierpflanze ist sie eher unscheinbar, liegt meist darnieder und erinnert an Labkraut. Krapp bzw. Alzarinkrapplack wird und wurde zudem auch als Pigment in Künstlerfarben verwendet. Allerdings erfüllt selbst der hochwertige, dunkle Alizarinkrapplack im Hinblick auf die Lichtbeständigkeit gerade nur die Mindestanforderungen.


Museumsdorf Niedersulz / 44

Safran färbt nicht nur den Kuchen „gel“ Der gelbe Farbstoff Luteolin befindet sich in den blühenden Stängel des sogenannten Färberwaus (lat. „Reseda luteola“). Dieser wurde durch Kochen extrahiert und färbte vor allem feine Stoffe wie Seide in seifenund lichtechten Gelb- und Grüntönen. Färberwau ist zweijährig und gehört zur Familie der Resedengewächse. Auch er wird seit der Jungsteinzeit in Mitteleuropa kultiviert. Im Garten bevorzugt Färberwau einen sonnigen, nährstoffarmen Platz und sät sich gerne selber aus. Safran (lat. „Crocus sativus“) färbt nicht nur den Kuchen „gel“, sondern soll auch zum Färben von Stoffen verwendet worden sein. Beim bäuerlichen Färben wird dieser wegen seiner hohen Preise wohl eher nicht üblich gewesen sein. Safran kam mit den Kreuzfahrern aus dem Orient zu uns, vor allem in Wien und Niederösterreich baute man ihn feldmäßig an. Niederösterreichischer Safran zählte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zu den besten Sorten, in Krems galt der SimoniMarkt am 28. Oktober als Hauptmarkt für den Safranhandel. Noch heute gibt es eine eigene österreichische Sorte (lat. „Crocus austriacus“), die bis vor wenigen Jahren nur mehr verwildert auf einigen Wiesen rund um Wien zu finden war. In den letzten Jahren erlebt der Safrananbau in Niederösterreich und im Burgenland eine Renaissance, wie etwa durch den Wachauer Safran, dem „blühenden Gold an der Donau“. Die wertvollen, gelben Griffel der eigentlich giftigen Krokusart werden während der Blüte im Herbst geerntet, wobei man für ein Gramm Safran zirka 200 handgepflückte Blüten benötigt. Auch die Färberdistel (lat. „Carthamus tinctorius“) ist ein Gelbtonlieferant. Der Anbau der Färberdistel hat besonders in Österreich eine lange Tradition. Vermutlich kamen erste Samen mit arabischen Händlern aus dem Orient zu uns. Als „Österreichischer Landsafran“ bezeichnet er im 16. Jahrhundert eine Safransorte, wobei man hier wohl eher von einer Safranersatzsorte sprechen muss. Echter Safran war früher unerschwinglich teuer, die Färberdistel liefert gelbfärbende Blütenblätter in Mengen und konnte so als „Bauernsafran“ von vielen

Farbstoffe aus getrockneten Blüten: schwarze Stockrose, Ringelblume, Rosen und Kornblume (im Uhrzeigersinn).

Menschen genutzt werden. Damit färbte man verschiedene Speisen, aber auch Textilien. Je nach Färbemethode lässt sich damit ein Gelb- oder Rotton erzielen. Die Färberdistel gehört zur Familie der Asteraceae, der Korbblütler, ist einjährig, anspruchslos und schnell wachsend. Sie eignet sich ausgezeichnet als Schnitt- und Trockenblume, außer zum Färben von Textilien wird sie als Heil- und Ölpflanze (Distelöl) verwendet. / Text: Ulrike Nehiba & Freya Martin

MUSEUMSSHOP

——————————————————— Neu! Blaudrucke im Museumsdorfshop

NATURGARTENFEST

——————————————————— mit Herbstfest für HILFE IM EIGENEN LAND Sa, 13. 9. 2014, 10.00–18.00 Uhr Gemeinsam mit Natur im Garten und Hilfe im eigenen Land lädt das Museumsdorf Niedersulz zum großen Naturgartenfest mit Pflanzen- und Handwerksmarkt. Umfangreiches Rahmenprogramm mit heimischen Musikern, Chöretreffen und Volkstanz. 2224 Niedersulz 250 Tel. 02534 333 www.museumsdorf.at

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Blaudruck hat in der Volkskultur eine jahrhundertelange Tradition und ist heute wieder en vogue. Deshalb gibt es ab sofort im Shop des Museumsdorfes zahlreiche Modelle, die aus den mit Indigo gefärbten Blaudruckstoffen in alter Technik gefertigt wurden. Die Blaudruckstoffe stammen aus „Koó“ im Burgenland, einer der wenigen noch existierenden Blaudruckereien. Gefertigt und hergestellt wurden die einzelnen Modelle von der Beschäftigungsinitiative „Koryphäen – Chancen für Frauen“, einem sozialökonomischem Betrieb für Frauen, der vom Arbeitsmarktservice (AMS) unterstützt wird. / Topflappen EUR 13,00 Topfhandschuh EUR 17,00


200. Geburtstag / 45

Leopold Knebelsberger

HYMNE FÜR TIROL Am 15. September jährt sich zum 200. Mal der Geburtstag von Leopold Knebelsberger aus Klosterneuburg, Komponist des Andreas-Hofer-Liedes. Erfolg am Zarenhof Im Jahre 1832 schrieb der sächsische Advokat Julius Mosen (1803–1867) in Dresden das Gedicht „Andreas Hofer Tod“. Knebelsberger entdeckte dieses Gedicht möglicherweise in dem Buch „Auswahl deutscher Lieder“ (Leipzig 1844) und hat diesen ausdrucksstarken Text vertont. Das Lied wurde von ihm als Bass-Solo mit Chor in Noten gesetzt und immer wieder mit seiner geschulten, mächtigen Bassstimme vorgetragen.

Leopold Knebelsberger, um 1850.

Wer war dieser niederösterreichische Volksmusiker, der dieses für Tirol so bedeutende Lied geschaffen hat? Der Vater von Leopold Knebelsberger war in der Pfarrkirche von Sankt Martin in Klosterneuburg fast 60 Jahre lang Lehrer und Mesner. Er hat seinen Sohn bereits als Kind im Geigen- und Orgelspiel sowie in Gesang ausgebildet und ihm auch ermöglicht, beim damals bekannten Komponisten Konradin Kreutzer, einem Schüler Beethovens, Unterricht in Kompositionslehre und Kontrapunkt zu nehmen und beim Geigenvirtuosen Joseph Mayseder sein Violinspiel zu vervollständigen. Der junge Knebelsberger musizierte in Klosterneuburger Gaststätten, gab Musikunterricht und verdiente sich so seinen Lebensunterhalt.

1849 heiratete Knebelsberger die Sängerin und Harfenistin Anna Hellmich aus Preßnitz in Böhmen. Von seiner nun zweiten Heimatstadt Preßnitz aus machte er viele Konzertreisen. Er bereiste mit Damengruppen, der seine Gattin und drei Töchter angehörten, in schmucken Kombinationen von tirolerischsteirischer Tracht die Nord- und Ostseeküsten, konzertierte und begeisterte in den damals berühmten Seebädern und auch am russischen Zarenhof mit österreichischer Volksmusik.

nach umfangreichen Forschungen im Jahre 1910 fest, dass Knebelsberger der Komponist des weit verbreiteten Liedes ist. 1948 hat der Tiroler Landtag beschlossen, dass das Andreas-Hofer-Lied „nach den Worten von Julius Mosen und der Weise von Leopold Knebelsberger als Tiroler Landeshymne gilt“. In Deutschland gab es nach dieser Melodie das Kampflied „Die junge Garde“ mit dem Text „Dem Morgenrot entgegen, ihr Kampfgenossen all …“, das in der ehemaligen DDR sehr beliebt war; auch in Russland wurde das Andreas-Hofer-Lied als Marsch bei Paraden häufig gespielt. In Klosterneuburg wurde an Knebelsbergers Geburtshaus eine Gedenktafel enthüllt, eine „Knebelsbergergasse“ benannt und ein Denkmal aufgestellt. Der Verfasser dieses Aufsatzes (ein Ururenkel Leopold Knebelsbergers) hat eine Dokumentation erstellt und auch persönliche Gegenstände Knebelsbergers, u. a. auch seine Geige, archiviert. / Text: Günther Lechner

Tiroler Landeshymne Leopold Knebelsberger wurde nur 55 Jahre alt und starb am 30. Oktober 1869 während einer Konzertreise in Riga an Gehirnschlag, wurde am katholischen Friedhof in Riga begraben und auf einer Gedenktafel an der dortigen Franziskuskirche verewigt.

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Da es kein Originalmanuskript des AndreasHofer-Liedes gab, war die Urheberschaft an dieser Komposition lange Zeit umstritten. Der Musikpädagoge Vinzenz Goller stellte

Do, 25. 9. 2014, 18.30 Uhr Stadtmuseum Klosterneuburg 3400 Klosterneuburg Kardinal-Piffl-Platz 8 Tel. 02243 444-299

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LEOPOLD KNEBELSBERGER GEDENKKONZERT


Kultur.Region / 46

Kultur.Region.Niederösterreich

INTERN Ehrungen, Theater am Brandlhof, Kreativfest in Niedersulz – Nachrichten aus der Kultur.Region.

WIR GRATULIEREN!

EHRUNGEN

Ihren runden Geburtstag feiern unsere Ehrenmitglieder: LAbg. a. D. Bgm. a. D. KommR Prof. Mag. August Breininger (70), Baden, 14. September Alfred Abele (70), Baden, 20. September Ferdinand Fuchsbauer (65), Mitterarnsdorf, 29. September Ing. Josef Schagerl (65), Wieselburg an der Erlauf, 8. Oktober Peter Brenner (75), Puchberg am Schneeberg, 10. Oktober Prof. Franz Niederer (85), Frankenfels, 29. Oktober Josef Stadlmann (70), Kasten bei Böheimkirchen, 30. Oktober

Das Goldene Ehrenzeichen der Regionalkultur Niederösterreich bekam Gisela Buder aus Lunz/See überreicht, die sich um die Erhaltung des textilen Handwerks verdient gemacht hat. V. l. n. r.: Bgm. Martin Ploderer, Gemeinderat Hans Mayr, Gisela Buder, Rosa Stängl (Lunzer Webermarkt), Mag. Ulrike Vitovec (Verband Regionalkultur Niederösterreich), LAbg. Anton Erber. Foto: Marktgemeinde Lunz/See _

Ihren runden Geburtstag feiern unsere Mitglieder: Ing. Erwin Krammer, MAS (60), Krems, 10. September Josef Orth (70), Unterhautzental, 2. Oktober HR i. R. Isamberth Karl (70), Neulengbach, 10. Oktober Franz Mikolasch (85), Wien, 11. Oktober Helfried Roll (70), Mauer-Öhling, 17. Oktober Walter Wurpes (70), Purkersdorf, 23. Oktober Alfred Goiser (65), St. Pölten, 30. Oktober Ihren besonderen Geburtstag feiert unsere Ehrenmitglied: Gertrud Slavik, Pottenstein, 9. September Ihren besonderen Geburtstag feiern unsere Miglieder: Elisabeth Strutzenberger, Perchtoldsdorf, 4. September Elisabeth Koziol, Wien, 15. September Maria Schrott, St. Veit an der Glan, 15. September Gerlinde Bauer, Rotenturm an der Pinka, 2. Oktober _

NEUE MITGLIEDER Unterstützendes Mitglied Gertrude Täubler, Großriedenthal Gemeinschaften Terzett Frauenton, Sylvia Brugger, Paudorf _

Verleihung des Silbernen Ehrenzeichens der Regionalkultur Niederösterreich am 13. Juli 2014 für Herta Gruber. V. l. n. r.: Bürgermeister von Schwarzenbach a. d. Pielach Ernst Kulovits, Vizebürgermeisterin Herta Gruber, Enkelin Kerstin Gruber, die von der Gemeinde geehrt wurde, weil sie beim Volksmusikwettbewerb in Kirchberg a. d. Pielach im Frühjahr auf der diatonischen Harmonika einen 2. Platz erspielt hat, und Dr. Bernhard Gamsjäger. _ Zur Disputation zum Doctor of Philosophy (PhD) in Kulturbetriebslehre und Finanzwissenschaften gratulieren wir Mag. Alfred Kellner, St. Pölten. _ Zur Verleihung des Berufstitels Ökonomierat gratulieren wir VzPräs. der Landwirtschaftskammer NÖ Theresia Meier, Mank. _ Zur Verleihung des Berufstitels Professor gratulieren wir Maria Magdalena Nödl, Zogelsdorf. _

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Kultur.Region / 47

THEATER

GOLDHAUBENWALLFAHRT IN MARIA TAFERL

„Jägerstätter“ von Felix Mitterer, gespielt von der Bühne Weinviertel am Brandlhof, wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Unter den prominenten Gästen waren u. a. Justizminister Dr. Wolfgang Brandstetter und seine Frau Christina (links), Schauspielerin Elfriede Ott (Mitte), Sissi Pröll und LH Dr. Erwin Pröll (rechts).

Rund 2.000 Besucher wohnten der Wallfahrt der 1.000 Goldhaubenfrauen, Hammerherrn, Kopftuch- und Perlhaubenträgerinnen am 15. August in Maria Taferl bei. Die diesjährige Wallfahrt war der karitativen Organisation „Hilfe im eigenen Land“ gewidmet. In unzähligen ehrenamtlichen Arbeitsstunden bereiteten die Frauen Pilgerandenken vor, die gegen Spenden an die Pilger verteilt wurden. Der kommt der „Hilfe im eigenen Land“ für in Not geratene Familien im Mostviertel zugute. V. l. n. r.: Sissi Pröll, Präsidentin „Hilfe im eigenen Land“, LH Dr. Erwin Pröll, Grete Hammel, Obfrau der Mostviertler Goldhauben, Dr. Edgar Niemeczek, Kultur.Region Niederösterreich, und Dorli Draxler, Volkskultur Niederösterreich.

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KREATIVAKADEMIE

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„ERLEBNIS ÖSTERREICH“ MIT MUSEUMSDORF NIEDERSULZ

Das Kreativfest im Museumsdorf Niedersulz war eine beeindruckende Leistungsschau der Niederösterreichischen Kreativakademie. Die Veranstaltung fand anlässlich des zehnten Geburtstages der Niederösterreichischen Kreativakademie statt. V. l. n. r.: LH-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka, Initiator der Niederösterreichischen Kreativakademie, Valerie Anna Gruber, Absolventin der Niederösterreichischen Schauspielakademie und Co-Moderatorin des Kreativfestes Niedersulz, Katharina Stemberger, Schauspielerin und Moderatorin des Kreativfestes, Dorli Draxler, Geschäftsführerin Volkskultur Niederösterreich, Dr. Leopold Kogler, Konsulent der Niederösterreichischen Kreativakademie und künstlerischer Leiter der Niederösterreichischen Malakademie, Mag. Rafael Ecker, Geschäftsführer NÖ KREATIV GmbH, und Giuseppe Rizzo, Projektleiter Niederösterreichische Kreativakademie. Foto: NLK J. Burchhart _

GEWINNER DES PREISRÄTSELS Der „Lamourhatscher“ ist ein langsamer, etwas fader Tanz, zu dem man eng umschlungen tanzt – zwecks Anbahnung. Auch Stehblues genannt. (Definitionen aus diversen Einsendungen.) Unter den vielen richtigen Antworten haben wir folgende Gewinner gezogen: Andrea Gaida, Wilfersdorf; Sonja Bernard, St. Leonhard am Hornerwald; Ingeborg Wolf, St. Pölten; Anton Artner, Ober-Grafendorf; Hannes Weilguni, St. Georgen am Steinfelde.

„Alte Höfe, neues Leben – das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz“ – so der Titel der Sendung aus der Reihe „Erlebnis Österreich“, in der das Museumsdorf im Mittelpunkt steht. Am 23. Juni 2014 wurde im Museumsdorf die Erstpräsentation dieser ORF Landesstudio Niederösterreich-Produktion gezeigt. Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka sowie ORF-Landesdirektor Prof. Norbert Gollinger, Dr. Edgar Niemeczek, Geschäftsführer der Kultur.Region.Niederösterreich, und Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Wissenschaftliche Leiterin des Museumsdorf Niedersulz, begrüßten die zahlreich erschienenen Premierengäste wie unter anderem Dr. Gerhard Schütt, Bezirkshauptmann Mistelbach, Herbert Nowohradsky, 2. Landtagspräsident a. D. und Obmann des Vereins Freunde des Museumsdorfs, und Dorothea Draxler, Geschäftsführerin der Volkskultur Niederösterreich. _

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Kultur.Region / 48

Zwischen Himmel und Erde

Sendereihen & Sendetermine

DEM PARADIES GANZ NAH

KULTUR.REGION IM ORF

Was gleichsam als Geschenk vor den Füßen und vor den Augen liegt, wird vielleicht gesehen, aber nicht bewusst wahrgenommen. Zwischen Himmel und Erde ist es bei uns in diesen Tagen besonders schön. Und ich meine nicht nur die Sonnentage oder die Erinnerung an die Urlaubszeit. Ich denke vor allem an das intensive Grün des Grases, die duftende Farbe des Waldes, das wachsende Korn der Felder, auch an den Regen, die reifenden Früchte und – natürlich auch – an ihren Genuss. Das alles zu sehen und konkret wahrzunehmen, bedeutet Lebensgewinn. Menschen versäumen heute viel, weil sie besetzt mit eigenen oder fremden Gedanken, mit Fragen und Problemen, die sie gerade beschäftigen, durch ihr Leben gehen. Alles Andere, manchmal auch die Anderen, registrieren sie dabei nicht wirklich. Was gleichsam als Geschenk vor den Füßen und vor den Augen liegt, wird vielleicht gesehen, aber nicht bewusst wahrgenommen. Ich denke, die kleine Übung ist nicht schlecht: Zumindest einmal in der Woche eine Stunde lang an nichts anderes denken und wahrnehmen als das, was man gerade mit den eigenen Sinnesorganen sieht, riecht und hört. Die Wiese mit ihren tausenden unterschiedlichen Blumen und Düften, wenn Sie gerade in der Natur sind. Den Asphalt mit seinen lästigen Löchern oder auch die verführerischen Auslagen, wenn sie in der Stadt unterwegs sind. Die Menschen, die an Ihnen vorbeigehen und erstaunt innehalten, wenn sie mit einem freundlichen „Grüß Gott“ gegrüßt werden. Die kleinen, wenige Zentimeter großen jungen Fichten neben den majestätischen, über 100 Jahre alten Bäumen, wenn Sie gerade im Wald spazieren und die natürliche Aufforstung beobachten. Dabei wird wohl auch deutlich: Paradies ist unser Leben noch keines. Aber mir jedenfalls geht es so: Manchmal, da fühle ich mich dem Paradies ganz nah. Und dann bin ich dankbar, dass ich das alles nicht übersehe, das Gras, das Korn, den Wald, die Menschen, die Sonne, den Regen, die Früchte. Dass ich die kleinen Wunder unseres Lebens wahrnehmen und mich darüber freuen kann. / Superintendent Paul Weiland

RADIO NIEDERÖSTERREICH aufhOHRchen, Di, 20.00–21.00 Uhr 2. 9.: Volkskultur aus Niederösterreich mit Hans Schagerl 9. 9.: Volkskultur aus Niederösterreich mit Dorli Draxler 16. 9.: Im Reich der Gefühle mit Edgar Niemeczek 23. 9.: Volksmusikalische Kostbarkeiten“ mit Walter Deutsch 30. 9.: Neues aus der Volksmusik“mit Edgar Niemeczek 7. 10.: Jubel und Elend, Freud und Leid mit Nobert Hauer 14. 10.: Volkskultur aus Niederösterreich mit Dorli Draxler 21. 10.: Herbstausflüge mit Edgar Niemeczek 28. 10.: Volksmusikalische Kostbarkeiten mit Walter Deutsch vielstimmig – die Chorszene Niederösterreich Do, 20.00–20.30 Uhr: 11. 9., 25. 9., 9. 10., 23. 10. Kremser Kamingespräch Mi, 15. 10., 21.00 Uhr G’sungen und g’spielt & Für Freunde der Blasmusik Mi, Do, 20.00–21.00 Uhr Musikanten spielt’s auf Fr, 20.00–21.00 Uhr Frühschoppen So, 11.00–12.00 Uhr _

ORF 2 Wetter-Panorama, täglich 7.15–9.00 Uhr Mei liabste Weis, Sa, 13. 9., 20.15 Uhr aus Schloss Stauff in Frankenmarkt _

ORF 3 Unser Österreich, Sa, 16.55 Uhr _ Programmänderungen vorbehalten Detailprogramme: www.orf.at


Kultur.Region / 49

FORTBILDUNG MUSEUMSARBEIT – EINE EINFÜHRUNG

GRUNDLAGEN DER KULTURVERMITTLUNG

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Fr, 19.–Sa, 20. 9. 2014 Brandlhof, 3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24

Fr, 10.–Sa, 11. 10. 2014 Haus der Regionen, 3504 Krems-Stein, Donaulände 56

Referentin: Mag. Evelyn Kaindl-Ranzinger Historische Museologie und Definition, Sammlung, Verwaltung, Konzepte und Leitbild, Projektentwicklung, „Das Museum und ich“. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich www.noemuseen.at/fortbildung _

INSTANDSETZEN VON BESCHÄDIGTEN BÜCHERN

—————————————————————— Fr, 26. 9. 2014 Brandlhof, 3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24 Referentin: MMag. Ilse Mühlbacher Weiterer Termin aufgrund des großen Erfolgs! Im Kurs werden einfache Buchrückenreparaturen nach konservatorischen Gesichtspunkten durchgeführt. Teilnehmer können drei kleine Bücher mit beschädigten Rücken als Arbeitsgrundlage mitbringen und bearbeiten. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich www.noemuseen.at/fortbildung _

OBERFLÄCHENBEHANDLUNG VON HOLZ UND METALL

—————————————————————— Sa, 4. 10. 2014 Brandlhof, 3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24 Referent: Peter Huber Reparaturen bzw. Instandsetzungen von alten Holz- und Metallobjekten. Eigene Herstellung von Beizen, Wachsen und Wachsmischungen, Ölfarben, Kaseinfarben, Schellackpolituren. Entfernen von alten Farb- und Lackschichten. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich www.noemuseen.at/fortbildung _

Referentin: Helga Steinacher Basiswissen und Methoden der Kulturvermittlung, um selbständig Führungen, Workshops, Vorträge und Präsentationen in Museen, Ausstellungen und bei Veranstaltungen durchzuführen. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich fortbildung@noemuseen.at www.noemuseen.at/fortbildung _

INVENTARISIERUNG VON MUSEUMSBESTÄNDEN

—————————————————————— Fr, 17.–Sa, 18. 10. 2014 Brandlhof, 3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24 Referenten: Dr. Andrea Euler, Mag. Rocco Leuzzi Methoden der Inventarisierung und der fachkundigen Aufnahme von Objekten, Ordnungssysteme, EDV-Inventarisierung, Inventarfotografie von Objekten. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich www.noemuseen.at/fortbildung _

KLEBER, KLEISTER, LEIME

—————————————————————— Sa, 25. 10. 2014 Brandlhof, 3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24 Referent: Peter Huber Reparaturen bzw. Instandsetzungen von alten Holzobjekten. Vergleich von alten und modernen Klebern, Kleistern und Leimen und deren Einsatz. Ansetzen von historischen Leimen und Kleistern sowie der Umgang mit ihnen. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich www.noemuseen.at/fortbildung _

schaufenster / Kultur.Region / September/Oktober 2014

GANZ IN DER MUSIK. ELEMENTARE MUSIKKUNDE – GANZHEITLICH, NACHHALTIG, ERFAHREN, WISSEN

—————————————————————— Sa, 11. 10. 2014, 9.30–17.00 Uhr Musikschule Melk-Loosdorf, 3382 Loosdorf, Otto-Glöckel-Straße 4–6 Referentin: Verena Unterguggenberger In der Fortbildung wird der Frage nachgegangen, wie sich ein Mensch dahingehend entwickeln kann, gehörte Rhythmen aufzuschreiben bzw. selbst kreativ damit umzugehen, d. h. zu komponieren. Außerdem wird ein Weg zum Verstehen unseres Tonsystems erarbeitet. Das Kennenlernen der Relativen Solmisation und die praktische Anwendung im Unterricht steht im Mittelpunkt. Auch widmet sich die Fortbildung einem ganzheitlichen Zugang zum FünfLinien-System. Anmeldung & Information Musikschulmanagement Niederösterreich Mag. Elisabeth Kriechbaumer elisabeth.kriechbaumer@musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at

NEUE BÜROSTANDORTE

——————————————————— Museumsmanagement Niederösterreich 3100 St. Pölten Neue Herrengasse 10/3 Tel. 02742 90666 6116 Fax. 02742 90666 6119 office@noemuseen.at www.noemuseen.at _ Musikschulmanagement Niederösterreich 3100 St. Pölten Hypogasse 1 Tel. 02742 9006 16990 office@musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at


Die letzte Seite / 50

2nd LIFE Die Europalette ist weltweit ein begehrtes Bauelement. Während der Architekturtage Niederösterreich wurde z. B. in Horn ein Möbelbaukurs mit Paletten angeboten. In der wunderschönen Stadt Almaty im Süden von Kasachstan sehen wir sie als Gartenzaun. Dabei wurden zwei Paletten zusammengeschraubt und weiß gestrichen. /

Landeinwärts

SAMMELSURIUM

„Zerstreute Dinge“, beantwortet der Philosoph Manfred Sommer die Frage, was denn die Definition von Sammeln sei. Zerstreut, so Sommer weiter, kann aber nur sein, „was einerseits vieles ist und was andererseits einen Raum zur Verfügung hat, in welchem es weit genug auseinander sein kann und durch den es sich derart zu bewegen vermag, dass es nachher nahe beieinander ist“ (aus: „Sammeln: Ein philosophischer Versuch“, 1999). Da liegen sie nun ganz nahe beieinander, die Ziegeln in den Ziegelmuseen, die Motorräder der Sammlung Ehn in Sigmundsher-

berg, die Wagerln und Schlitten im Museum für Arbeits- und Zughunde (Schönbach, Waldviertel), die Sammlung der besten ersten Sätze aus Büchern, zusammengetragen von meinem Freund Jan Tabor, die Kondomsammlung im Keller eines Erotikfachgeschäftes (Adresse auf Anfrage), die Krücken der Geheilten in den Votivkammern, die Sammlung für Plansprachen (Esperanto ist nur die bekannteste) in Wien und die sprichwörtlichen Briefmarken. Es gibt nichts, was man nicht sammeln kann. In der Renaissance, mit ihrem Wissenshunger nach Neuem und Unentdecktem, erreicht die Sammelleidenschaft ihren ersten Höhepunkt. In dieser Epoche, so Philosoph Reinhard Brandt, „mündet die Materialsammlung in ein Meer, das keine Orientierung mehr bietet. Alle Welt sammelt und wird gesammelt, und von der Renaissance bis zur Gegenwart lässt diese überbordende Fülle des Sammelns nicht nach.“

schaufenster / Kultur.Region / September/Oktober 2014

Auch ich trage mein Scherflein dazu bei. Ich sammle Wörter. Zwei aktuelle Favoriten darf ich Ihnen präsentieren. Ersterer stammt aus Tschechien, aus meiner Nachbarortschaft Podhrady/Freistein. Dort ist, durch die noch aus kommunistischen Zeiten stammende gnadenlose lautschriftliche Übertragung von Anglizismen, der „Tenis Kurt“ zu Hause. So steht’s am Zaun des „tennis court“ von Podhrady. Aus England wurde mir der „Schmuckeremit“ („garden hermit“) zugetragen. Die Schmuckeremiten des 18. und 19. Jahrhunderts bewohnten als Angestellte der Schlossbesitzer die weitläufigen englischen Landschaftsparks. Sie lebten malerisch verwildert in eigens errichteten Eremitagen, um Parkbesucher mit ihrem Anblick zu erfreuen. Und uns erfreut das schmucke Wort bis heute. Mella Waldstein


Damit Visionen Wirklichkeit werden, ermöglicht Raiffeisen viele Kulturveranstaltungen durch seine regionalen und lokalen Förderungen. Denn Realisierung und Erfolg von Kulturinitiativen hängen nicht nur von Ideen, sondern auch von finanziellen Mitteln ab. Gemeinsam ist man einfach stärker. www.raiffeisen.at



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