Schaufenster KULTUR.REGION Juli/August 2014

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Nachrichten aus der Kultur.Region Niederösterreich . Juli/August 2014

schaufenster

KULTUR.REGION Im Sommer hinaus aufs Land Maria Taferl / Gildhaubenwallfahrt . Bräuche / Von Kräutern und Blumen

P.b.b. · Vertragsnummer 10Z038552S · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295

Museumsdorf Niedersulz / Familiendorf


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www.noevers.at

Tur l u k s Volk

Wir schaffen das.

WIEN NORD

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EinBlick / 3

Kommunikation braucht Fairness

FRAGEN ÜBER FRAGEN Im Museumsdorf Niedersulz steht seit Kurzem eine Statue des hl. Johannes Nepomuk. Ob man nun an die Schutzfunktion von Heiligen glaubt oder nicht, Respekt gebührt jedenfalls der Botschaft, die vom Patron für Ehre und Verschwiegenheit ausgeht: das Eintreten für Anstand und Redlichkeit!

Man müsse nur die richtigen Fragen stellen, so lautet ein manchmal überzeugendes, manchmal aber auch fragwürdiges Argument, wenn es darum geht zu erklären, warum das eine oder andere Thema aufs Tapet gebracht wird. Doch wer beurteilt schon, welche Fragen sich überhaupt stellen, ob sie sich also auf konkrete Sachverhalte und Anliegen beziehen oder bloß der Wichtigtuerei oder dem Auffallen im Wettbewerb um Aufmerksamkeit dienen. Seriosität und Redlichkeit wird also für beide als Maßstab zur Beurteilung ihrer Absichten gelten: für den Fragesteller ebenso wie für den, der zur Beantwortung aufgefordert wird. In der Forschung geht es beim Suchen und Hinterfragen meist um das Gewinnen neuer Erkenntnisse, die sich in ihren Auswirkungen hoffentlich als Nutzen für die Menschheit herausstellen. Versuchsreihen sind regelmäßig ergebnisorientiert, wenn auch manchmal das Glück oder der Zufall Regie führen. Sicherheit bei Forschungsprozessen sollen strenge und wissenschaftlich angelegte Approbationskriterien gewährleisten. Ebenso bildet qualitätsvolle und demokratisch legitimierte Arbeit die Basis für eine funktionierende Entscheidungsfindung in Verwaltung und Gerichtsbarkeit. So gesehen bleibt wahrscheinlich auch das bloße Hineinstellen von Fragen in den Raum – wie es so schön heißt – nur selten keusch und rein, denn hinter vielen Fragen verstecken sich Absichten und Motive und vielleicht sogar List oder Fallen.

Erst vor wenigen Wochen wurde im Museumsdorf Niedersulz eine neu aufgestellte Statue des hl. Johannes Nepomuk gesegnet und der Öffentlichkeit präsentiert. Der Legende nach weigerte sich der böhmische Priester und Märtyrer Nepomuk, das Beichtgeheimnis gegenüber dem böhmischen König Wenzel IV., der seine Frau der Untreue verdächtigte, zu brechen. Der König ließ ihn daraufhin foltern und von der Prager Karlsbrücke ins Wasser stürzen. 1729 heiliggesprochen, gilt Nepomuk als Schutzpatron der Müller, Flößer und Schiffsleute. Seine Hilfe wird bei Wassergefahr, Verleumdung und übler Nachrede erbeten, zudem steht er für Ehre, Verschwiegenheit und das Beichtgeheimnis. Auf blöde Fragen bekommt man blöde Antworten, heißt es im Volksmund. Doch wie so vieles im Leben gilt auch dieser Spruch nur mehr sehr bedingt. Längst schon haben Regeln und Strategien darüber, wie Kommunikation zu erfolgen habe, neue Deutungseliten befördert. So gesehen könnte dem hl. Nepomuk daher durchaus eine weitere Schutzfunktion zugesprochen werden: als Patron für all jene, die mit hinterlistigen, fiesen und blöden Fragen gequält werden. Davor mögen wir bitte wohl verschont bleiben. In diesem Sinn wünschen wir allen Leserinnen und Lesern einen erholsamen, sorgenfreien und schönen Sommer. Dorli Draxler, Edgar Niemeczek

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Top-Termine / 4

Juli/August 2014

TOP-TERMINE

PICCOLO & PICCOLINO JÄGERSTÄTTER —————————————————— Fr, 11. 7. 2014, 20.00 Uhr (Premiere) Fr, 18., Sa, 19., Fr, 25., Sa, 26.,7., So, 27. 7. 2014, jeweils 20.00 Uhr Brandlhof —————————————————— „Jägerstätter“ am Brandlhof. Nach der Uraufführung des Stücks von Felix Mitterer über den oberösterreichischen Kriegsdienstverweigerer in Haag und der Inszenierung in der Josefstadt im vergangenen Jahr, jetzt erstmals eine Produktion mit einem engagierten Amateurtheater.

—————————————————— Abschlusskonzert Piccolo Sa, 12. 7. 2014, 14.30 Uhr 3820 Oberndorf 7, Lindenhof Abschlusskonzert Piccolino Do, 10. 7. 2014, 15.00 Uhr 3910 Zwettl, Landwirtschaftliche Fachschule Edelhof ——————————————————

Karten & Reservierung Gemeindeamt Ziersdorf, Raiffeisenbank Weinviertel tickets@konzerthaus-weinviertel.at Tel. 02956 2204-16

Bühne frei für den niederösterreichischen Streichernachwuchs! Die beiden Streichercamps Piccolo (für 10–14-Jährige) und Piccolino (für 8–12-Jährige) bieten jedes Jahr im Sommer zahlreichen jungen Streichern die Gelegenheit, im Orchester gemeinsam zu musizieren. Unter der Anleitung von engagierten Referententeams werden Werke aus verschiedenen Epochen erarbeitet. In einem Abschlusskonzert präsentieren sich die jungen Musiker von ihrer besten Seite und freuen sich auf zahlreiche Besucher!

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Information Bühne Weinviertel – open air am Brandlhof 3710 Radlbrunn 24, Brandlhof www.buehneweinviertel.at

Information Tel. 02742 90666 6111 marie-luise.haschke@musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at

Im Bild: Christoph Stich als Franz Jägerstätter. Foto: Fitz Damköhler

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HERBSTFEST —————————————————— xxxx —————————————————— TEXT FEHLT!!! ————— Information xxx xxx


Inhalt / 5

Juli/August 2014

INHALT Sommer Daubelfischen

Waldviertel Goldhaubenwallfahrt &

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—————— Nachschau

9 /

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aufhOHRchen 2014

Waldviertel 125 Jahre Kamptalbahn

24 /

—————— Haus der Regionen

10 / Best of!

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Bräuche Von Kräutern und Blumen

12 /

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14 /

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Mostviertel In Lunz

20 /

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von Wiener Neustadt ——————

Auslage Bücher, CDs & feine Ware

32 /

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Museen Erster Weltkrieg

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19 /

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Alltag Über das Kopftuch

28 / Murmeln 30 /

16 / Das Saxophon 18 /

—————— Spiele

Forschung Der Schatzfund

—————— Musikschulen

Chorszene Niederösterreich Otto Kargl im Porträt

Zeit Punkt Lesen Bedrohte Wörter

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Handwerk Zistelflechten

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Auftanz

34 /

in den Museen

—————— Zeitzeugnis

36 / Niederösterreichwerdung

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Heimatmuseum Strasshof Die ersten 90 Jahre

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Museen

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38 / Die Bronzezeit Museen der Stadt Horn Hl. Kümmernis,

39 /

die Bartträgerin ——————

Museumsdorf Niedersulz

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Eduard Suess Ein Geologe erforscht

40 / Das Familiendorf 43 /

Niederösterreich ——————

Nachschau Tag der Musikschulen

45 /

—————— Kultur.Region

47 / Fortbildung

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Kultur.Region

48 / Intern

—————— Kolumne

49 / Zwischen Himmel und Erde

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50 / Die letzte Seite

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IMPRESSUM Herausgeber: Prof. Dr. Edgar Niemeczek, Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Redaktionsteam: Mag. Michaela Hahn, Mag. Katharina Heger, Mag. Marion Helmhart, Mag. Andreas Teufl, DI Claudia Lueger, Dr. Freya Martin, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Anita Winterer, Mag. Eva Zeindl, Michaela Zettl, Mag. Doris Zizala. Mitarbeiter dieser Ausgabe: Mag. Doris Buchmann Mag. Thomas Hofmann, Dr. Wolfgang Huber, Mag. Markus Kiesenhofer, Dr. Franz Oswald, Mark Perry, Dr. Helga Maria Wolf. Produktionsleitung, Marketing, Anzeigen und Beilagen: Mag. Marion Helmhart. Eigentümer/Medieninhaber: Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at, www.volkskulturnoe.at. Geschäftsführung: Dorothea Draxler, Mag. Dr. Harald Froschauer. Sekretariat: Tina Schmid, Carina Stadler. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien. Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Postamt 3112 St. Pölten. ISSN 1680-3434. Copyrights: Kultur.Region.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Artikelübernahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: Wenn nicht anders angegeben, Bildarchiv der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und Kultur und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonderer Berücksichtigung der Regionalkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise. Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion widerspiegeln. Cover: Manfred Horvath

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Sommer / 6

Daubelfischen

AM GRÜNEN BAND An den Ufern stehen Hütten mit großen Fischernetzen davor. Das sind Daubeln, eine Fischereimethode, die es nur an der March und an der Donau sowie an der Thayamündung gibt.

Daubelfischen – das Netz wird zu Wasser gelassen.

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Sommer / 7

Kurbeln, warten bis ein Fisch vorbeischwimmt, kurbeln und vor allem jede Menge Natur genießen.

Morgendunst steigt auf und gibt den Fluss frei. Ein Graureiher lässt sich auf einer Grasinsel nieder, regungslos beobachtet er das Wasser. Fischernetze schaukeln in der Brise. An den Ufern der March, der Thaya und der Donau stehen Hütten mit großen Fischernetzen davor. Sie sind gehisst wie stolze Fahnen. Das sind Daubeln, eine Fischereimethode, die es so nur an der March und an der Donau sowie an der Thayamündung gibt. Daubeln, so wird es im Duden erklärt, leitet sich aus dem Wort „tauchen“ und dem mittelhochdeutschen sowie mundartlich gebrauchten Wort „ber“ für Fischernetz her. Und genau das ist auch: Das Netz wird mittels einer Seilkonstruktion ins Wasser gelassen und nach wenigen Minuten wieder hinaufgekurbelt. Möglicherweise zappeln dann in diesem Fische. Franz Krcal aus Hohenau an der March, ein alter Herr weit über 80, ist Daubelfischer. Nahezu täglich fährt er mit dem Moped zu seiner Fischerhütte. Am Eingang in den Auwald lehnen Handwägen im Gebüsch. Hier steigt Franz Krcal vom Moped, holt sein Handwagerl und verstaut darin, was man so für einen ruhigen Tag am Fluss brauchen kann. Hinter ihm schließen sich die grünen Vorhänge. Schmale Pfade durch mannshohe Brennnesselwälder führen zu den Fischerhütten. Krcals Hütte steht dort, wo die Thaya im Begriffe ist, in die March zu münden.

„Wasser seihen“

Von Amur bis Zander

Man fühlt sich wie ein Kapitän. Die Hütte ist die Kajüte, hoch über dem Wasser führt ein Steg zum Daubelnetz. Und die Kurbel ist das Steuerrad. „Fisch, ahoi!“, so möchte man rufen, doch die Stille wird nur durch das Surren der Kurbel unterbrochen, das Netz sinkt in den Fluss. „Wasser seihen“, nennen es die Fischer, deren Hütten sich in ruf- und sichtweite entlang des Ufers säumen, wenn sich in ihren Daubelnetzen nichts einfindet.

Die Daubelhütten werden meist von Generation zu Generation weitergegeben, denn Daubelplätze sind rar. Er sei schon als Kind mit seinem Großvater zum Fischen gegangen, erzählt Franz Krcal. Da hatten sie eine Handdaubel, mit der sie in den Alt- und Seitenarmen des Flusses fischten. Die Handdaubel beruht auf demselben Prinzip, nur sind die Netze kleiner, die Bögen aus Holz, statt eines fix verankerten Krans wird eine Holzstange verwendet. Mit einem Seil wird diese Stange abgesenkt und hochgezogen, um das Netz aus dem Wasser zu ziehen.

Das Daubeln ist eine spezielle Art der Fischerei, die auf ein Dekret Maria Theresias zurückgeht und nur in Donau, Thaya und March erlaubt ist. An einem Zugseil, das über eine Rolle eines Mastes läuft, hängt ein Kreuz aus Rohren, in dem vier Bögen stecken. Die Bögen sind aus Spezialstahl. Am Ende dieser Stangen ist das quadratische Netz – etwa fünf mal fünf Meter – befestigt, das eine Maschenweite von drei bis vier Zentimetern aufweist. Diese Montage wird mittels einer Kurbel ins Wasser gelassen, bis sie auf dem Grund aufsteht bzw. das Netz aufliegt. Nach etlichen Minuten zieht man das Netz hoch und hofft, dabei einen Fisch, der gerade über dem Netz schwimmt, zu fangen. Diese Methode lässt einen schonenden Fischfang zu, denn Fische, die zu klein sind, oder Arten, die Schonzeit haben, können so unversehrt wieder ins Wasser gelassen werden.

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Zander, Wels, Karpfen, Hecht, Tolstolob und Amur werden gefischt. Viele 100 Kilogramm Fisch habe er in seinem Leben aus dem Fluss geholt, erzählt Franz Krcal, und ein über zwei Meter großer Wels war auch dabei. Die Fische sind aber nicht mehr das Wichtigste, vielmehr sind die Ruhe, die der Fluss vermittle, das Konzert der Vögel, das Licht des Morgens und die Gerüche des Abends in den Vordergrund getreten.

Flusssystem als Vernetzer Der Auwald an Thaya und March ist ein Lebensraum zwischen nass und trocken, mit Tieren wie Donaukammmolch und Rotmilan, mit den in Brachen nistendenden Wachtelkönig oder den in Tümpeln lebenden Urzeitkrebs. Flüsse und Flusssysteme haben


Sommer / 8

Schleierzarte Fischernetze und sonnendurchleuchte Gelsenschwärme.

eine Vernetzungsfunktion. Sie dienen als Wander- und Ausbreitungskorridore für Tiere und Pflanzen. Die March-Thaya-Auen sind Teil des Wanderkorridors für Hirsche und Bären zwischen Alpen und Karpaten. Das über Jahrzehnte durch den Eisernen Vorhang getrennte Europa begünstigte an seiner Systemgrenze Naturräume. Die Thaya-March-Auen sind ein faszinierender Teil des grünen Bandes. Die Au gliedert sich in harte und weiche Auen; in der harten Au wachsen die Eichen, Eschen und Ulmen, in der weiche Au Silberweiden, Pappeln und Schwarzerlen. Die March war einst auch ein Handelsweg. Die Römer benutzen um 110 n. Chr. die Wasserstraße, um Ziegel aus Carnuntum zum Bau der Castelle nach Stampfen, Stillfried und Muschau/Mušov (Mähren) zu bringen. Und ein Liechentsteiner Urbar erwähnt 1414 die Schifffahrt. Im 19. Jahrhundert fuhr auf March und Thaya ein mit Holz geheiztes Schiff namens „Luise“. Jetzt sind es Kanufahrer, die vom Wasser aus den dunkelgrünen Dschungel erforschen. Sonnenkringel irren durch den Wald. Die Mittagshitze dringt in das dichte Grün ein. Die Welt scheint unendlich weit weg zu sein. Ab und zu springt ein Fisch. Gegenüber der Daubelhütte ist eine Biberrutsche zu sehen. Biber, deren Eingang in den Bau sich unter der Wasseroberfläche befindet, um sich vor Feinden zu schützen, benutzen eine Erdrin-

Die March-Thaya-Auen im Morgenlicht.

ne, damit sie schneller ins Wasser gelangen. Auch benützen sie ihre Rutsche, wenn sie schwere Lasten tragen. Ein seltsam wilder Duft steigt auf, süßlich und stechend. Das ist Bibergeil, ein Sekret, mit dem Biber ihre Reviere markieren. Die Biber am Ufer gegenüber lassen sich selten blicken, doch umso deutlicher die Gelsengeschwader, die mit der Abenddämmerung aufsteigen. In Hohenau und den umliegenden Gemeinden wird, vor allem wenn nach einem Hochwasser die Stechmückenbrut in Tümpeln, Lacken und Altarmen ideale Bedingungen findet, zum Kampf gerufen. Dann machen sich u. a. auch freiwillige Helfer an die Arbeit, ein Bakterium zu spritzen, welches für Gelsenlarven toxisch wirkt. Bti (Bacillius thuringiensis israelensis) ist die einzig ökologisch vertretbare Methode zur Regulierung von Stechmücken und wird in vielen Ländern eingesetzt.

Länderdreieck „K nejsou komare, k nejsou ryby“, sagt Herr Krcal: Wo keine Gelsen, da keine Fische. Franz Krcal spricht – wie es vor dem Krieg in Hohenau an der March üblich war – tschechisch. Die Thaya bildet hier die Grenze zu Tschechien, nach dem Zusammenfluss von Thaya und March ist die March die Grenze zur Slowakei. Ein Länderdreieck. „Hier“, der alte Herr deutet ein Stück flussaufwärts, „war eine Holzbrücke.“ Diese

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führte in das Zwischenstromland, „und ich kann mich noch erinnern, wie wir Buben unter der Brücke schwimmen gegangen sind und die Bauern mit den Fuhrwerken hinüber fuhren und Heu holten.“ Die Holzbrücke über die Thaya wurde 1945 gesprengt. Die zweite Brücke auf Hohenauer Gebiet führt über die March. Auch diese wurde nach dem Krieg gesprengt. Jahrzehntelang gab es keine Verbindung über March und Thaya – ausgenommen der Eisenbahnbrücke bei Angern an der March. Und auch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs blieb es so, bis eine behelfsmäßige Pontonbrücke über die March eine Verbindung in die Slowakei ermöglichte. Seit knapp zehn Jahren gibt es eine einspurige Brücke, eine umgerüstete Eisenbahnbrücke. Die Brücke ist nachts für den Verkehr gesperrt. Die Nacht gehört der Natur: dem auf- und abschwellende Quaken der Frösche, dem lautlosen Flug der Nymphenfledermaus, dem Mondlicht, das sich auf dem dunklen Wasser wiegt. / Text: Mella Waldstein Fotos: Manfred Horvath


Nachschau / 9

aufhOHRchen 2014

VOLKSMUSIK FÜR ALLE Das 22. Niederösterreichische Volksmusikfestival aufhOHRchen in Sieghartskirchen.

Bei herrlichem Wetter erlebten 6.500 begeisterte Besucher vom 12. bis 15. Juni ein einzigartiges Begegnungsfest mit Musik, Tanz und guter Unterhaltung. Die Einbindung der regionalen Vereine macht die Einzigartigkeit von aufhOHRchen aus und bringt jedes Jahr neue Aspekte. Nach vier intensiven Tagen, gespickt mit vielen Höhepunkten wie der Wirtshausmusik, dem Sternmarsch der Blasmusik oder der Langen Nacht der Musik, ließen beim großen Finale „miteinander aufhOHRchen“ am Sonntagnachmittag noch einmal rund 200 Musiker Sieghartskirchen erklingen. Die verbindende Kraft der Musik, das Miteinander der Generationen und die tief verwurzelte Volkskultur in Niederösterreich zeigte sich an diesem Wochenende ganz stark. Das Volksmusikfestival aufhOHRchen ist ein beeindruckendes Zeugnis für die Vielfalt der niederösterreichischen Regionalkultur. /

Besuchten den Radio-NÖ-Frühschoppen, v.l.n.r.: Bgm. Johann Höfinger, Hermann Dikowitsch, Leiter der Kulturabteilung des Landes NÖ, Generaldirektor der NÖ Versicherungen Hubert Schultes, Dorli Draxler, Volkskultur Niederösterreich, Edgar Niemeczek, Kultur.Region Niederösterreich, Moderator Thomas Schwarzmann und Landesdirektor ORF NÖ Norbert Gollinger.

Bei miteinander aufhOHRchen, dem Sänger- und Musikantentreffen: Georg Schmidt und Iris Trefalt von den Anzbacher Tanzgeigern.

Sieghartskirch’na Tanzlmusi mit Ines Fabini, Chiara Zoccola, Melissa Löffler, Lea Wieser, Franz Friedrich, Clemens Johrendt.

Stehen „Mit allen Sinnen“ auf der Bühne: Schüler der Volks- und Musik-Volksschule Sieghartskirchen.

Musikalische Pferdegespannfahrten zur Waldkapelle bei Rappoltenkirchen.

Abendkonzert mit Frauenkompott. Bitte hier auch noch etwas mehr Bildtext.

aufhOHRchen Crew: Marion Helmhart, Magdalena Draxler, Dorli Draxler, Theresia Draxler, Claudia Lueger, Eva Zeindl, Doris Zizala, Tina Schmid, Andreas Teufl.

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Haus der Regionen / 10

Best of

AUS ALLEN HIMMELSRICHTUNGEN Die Nachbarn kennen lernen, gemeinsam Kultur genießen und voneinander lernen: Im Haus der Regionen wird dafür seit mittlerweile zehn Jahren eine entspannte Plattform geboten.

Caladh Nua – in der Mitte Sängerin Lisa Butler – aus der Region Leinster, Irland. Foto: z. V. g.

Im Jubiläumsjahr wartet die Volkskultur Niederösterreich mit einem ganz besonderen Programm auf: Traditionelle Musik aus allen Himmelsrichtungen unseres Kontinents bringen die Gastgruppen im Oktober und November zu Gehör.

Irland, New Irish Tradition Getragen von der gemeinsamen Vision, wie traditionelle Musik heute klingen sollte, vereinten sich 2009 fünf junge Musiker aus Irland unter dem Namen Caladh Nua (dt.: sicherer Hafen). Das Ergebnis verspricht eine

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schwungvolle Bühnenperformance mit einer Mischung aus traditioneller irischer Musik und Eigenkompositionen. So verschiedenartig die Musik der Gruppe ist, so vielseitig ist auch das Instrumentarium, mit dem sie ihr Publikum in die Welt der irischen Musik entführt. Der facettenreiche Gesang von Lisa


Haus der Regionen / 11

Riccardo Tesi aus der Toskana, Italien. Foto: z. V. g.

Butler wird mit Flöten, Geige, Gitarre, Bouzouki, Banjo, Mandoline und Akkordeon begleitet. Das Repertoire stellt eine ideale Balance zwischen der Bewahrung irischer Traditionen und moderner Innovation dar. Kraftvolle Jigs und Reels (schnelle Volkstänze) wechseln einander mit getragenen Liedern und Balladen ab und bieten ein musikalisches Feuerwerk.

Italien, toskanische Rhythmen Seit 30 Jahren hält Riccardo Tesi die Stellung als einer der einfallsreichsten Interpreten auf dem Organetto, dem diatonischen Knopfakkordeon. Als Ethnomusikologe erforschte er den Liscio – den Walzer seiner Heimat Toskana –, die musikalischen Traditionen Süditaliens, des Balkans, Madagaskars, Afrikas oder Indiens ebenso wie den Jazz. All das vereint er mit seiner Banditaliana zu einer facettenreichen, fließenden und leicht tanzbaren Kunstmusik, die dennoch stark in der toskanischen Tradition verwurzelt bleibt. Gemeinsam mit Maurizio Geri (Gitarre, Gesang), Claudio Carboni (Saxophon) und Gigi Biolcati (Percussion) verzaubert er seine Zuhörer mit einer gelungenen Synthese aus Formen und Riten der toskanischen Tradition, mediterranen Klängen, Jazzimprovisationen und Eigenkompositionen. Virtuosität sowie raffinierte Rhythmen und Arrangements kennzeichnen den Stil der Gruppe, die regelmäßig bei international renommierten Festivals zu Gast ist.

Russland, große Stimmen Der berühmte Männerchor „Bolschoi Don

Trio Fado mit Sängerin Maria Carvalho, Portugal. Foto: z. V. g.

Kosaken“ ist der einzige Don-KosakenChor, der ausschließlich aus Opernsolisten besteht. In den 1980er Jahren übernahm Petja Houdjakov die Leitung des Ensembles, das – um sich von anderen Gruppen zu unterscheiden – mit „bolschoi“, also groß, bezeichnet wurde. Das Ensemble knüpft mit einerseits hohen Falsett-Stimmen und andererseits tiefen Bässen an die Tradition des kosakischen Gesangs an. Das Repertoire setzt sich aus sakralen Gesängen, Kosakenund Volksliedern zusammen. Mit Enthusiasmus und Musikgefühl haben sich die Bolschoi Don Kosaken zu einem der weltweit bekanntesten Kosakenchören entwickelt, die in namhaften Konzertsälen, Kirchen und Festivalbühnen auf der ganzen Welt ihr Publikum begeistern. Im Haus der Regionen wird ein stimmgewaltiges Solisten-Ensemble der besten Sänger auftreten.

Portugal, Klang der Sehnsucht Begibt man sich auf die Suche nach dem musikalischen Ausdruck Portugals, so findet man an erster Stelle den Fado: eine urbane und gefühlsbetonte Musik, reich an Melancholie und Sehnsucht, aber parallel dazu voller Lebensfreude und sogar Ironie. Im Jahr 2011 wurde der Fado in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen. Trio Fado, eine Gruppe, die 2002 in Berlin gegründet wurde, spielt diese Musik mit Hingabe. Die weiche Stimme von Maria Carvalho steht im Kontrast zur voluminösen, rauchigen Stimme von António de Brito. Daniel Pircher begleitet den Gesang mit der für den Fado unverzichtbaren Guitarra portuguesa. Das Cello-Spiel von

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Benjamin Walbrodt ergänzt die klassische Fado-Besetzung perfekt, um berühmte Melodien verschiedener Epochen in eigenen Arrangements zu interpretieren. Die Vielfalt der Instrumentierung und die lyrischen Anklänge der Texte bereichern die ursprüngliche Form des Fados. / Text: Anita Winterer

BEST OF HAUS DER REGIONEN

——————————————————— Do, 9. 10. 2014, 19.30 Uhr Caladh Nua Fr, 17. 10. 2014, 19.30 Uhr Riccardo Tesi & Banditalina Fr, 14. 11. 2014, 19.30 Uhr Bolschoi Don Kosaken Fr, 21. 11. 2014, 19.30 Uhr Trio Fado Tipp: Genießen Sie vor dem Konzert ein dreigängiges Menü im Restaurant Blauenstein inklusive Konzerteintritt um insgesamt EUR 34,00. Karten: Kat. I: VVK: EUR 16,00; AK: EUR 18,00 Kat. II: VVK: EUR 14,00; AK: EUR 16,00 Information und Kartenbestellung Haus der Regionen 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 ticket@volkskultureuropa.org www.volkskultureuropa.org


Bräuche / 12

Pflanzen

FRAUENPFLANZEN & SOLDATENKRAUT Pflanzen im Zentrum des Brauchgeschehens.

che vorchristliche Vorstellungen zu ersetzen suchte. So heißt es um das Jahr 1010 im „Poenetentiale“ des Burchard von Worms: „Hast du Heilkräuter unter anderen Gebeten gesammelt als dem Absingen des Glaubensbekenntnisses und des Vaterunsers? Wenn ja, so hast du zehn Tage bei Wasser und Brot zu büßen.“ Die zu weihenden Kräuter mussten in bestimmter Zahl gesammelt werden, andere Details schätzten die Kirchenoberen nicht. Etwa, dass man die Pflanzen um Mitternacht pflücken oder den Boden nicht berühren durfte. Ähnliches liest man schon in der „Naturgeschichte“, die der römische Gelehrte Plinius im 1. nachchristlichen Jahrhundert verfasste.

Hagebutte.

Wenn der Sommer seinen Höhepunkt erreicht, im sogenannten „Frauendreißiger“, zwischen Mariä Himmelfahrt und Mariä Geburt, stehen Pflanzen im Zentrum des Brauchgeschehens. Man sammelt bestimmte Blumen und Kräuter, bindet eine gewisse Anzahl zu Sträußen und lässt sie in der Kirche segnen. In jüngster Zeit findet die „Kräuterweihe“ wieder großes Interesse, die schon um die erste Jahrtausendwende bekannt war. Sie kann als klassisches Beispiel für einen „getauften Brauch“ gelten, mit dem die Kir-

Für die Sträußchen, die man am 15. August zur „Kräuterweihe“ (richtig: Segnung) in die Kirche bringt, ist in Niederösterreich die folgende Zusammenstellung weit verbreitet: Hagebutte (Heckenrose, Rosa canica). Die Rose gilt als „die“ Marienpflanze. Hagebutten enthalten Vitamin C, Provitamin A, Vitamin B1, B2, Flavonoide, Fruchtsäuren, Zucker und Gerbstoffe. Hagebuttentee gleicht Vitaminmangel aus und stärkt die natürlichen Abwehrkräfte. Johanniskraut (Hypericum perforatum): War und ist eine der beliebtesten Heilpflanzen. Inhaltsstoffe sind ätherische Öle (Hypericin), Gerbstoffe, Flavonoide. In der Antike versprach man sich davon Linderung bei Ischias und Verbrennungen. Paracelsus lobte das „Blutkraut“: „ist nicht möglich, dass eine bessere Arznei für Wunden in allen Ländern gefunden wird“. Weitere traditionelle Verwendungen sind gegen Angst und Depression, Leber-, Gallen- und Lun-

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genleiden, Asthma, Magen- und Darmbeschwerden, Prellungen, Muskelschmerzen. Die Pharmakologie hat etliche Anwendungsbereiche bestätigt, besonders den nervenberuhigenden Effekt. Kamille (Matricaria chamomilla): Schon von den alten Ägyptern verehrt, von griechischen, römischen und mittelalterlichen Heilkundigen geschätzt, zählt sie bis heute zu den „Allheilmitteln“. Die echte Kamille enthält ätherische Öle (Chamazulen, Bisabolol), Flavonoide, Cumarine. Schon der Name Matricaria weist sie als alte „Frauenpflanze“ aus, die im Wochenbett und zur Behandlung von Kleinkindern gebraucht wurde. Moderne Forschungen bestätigen die entzündungshemmende, krampflösende und wundheilende Wirkung. Pfefferminze (Mentha piperita): Zählt zu den bekanntesten Heil- und Gewürzpflanzen. Sie enthält ätherische Öle (Menthol), Gerbstoffe und Flavonoide. Hippokrates und Paracelsus schätzten ihre Wirkung, mittelalterliche Kräuterbuchautoren erwähnten den krampflösenden Effekt. Pfefferminztee wird bei Magenschmerzen und Verdauungsbeschwerden getrunken, Pfefferminzöl dient zum Inhalieren bei Verkühlungen und zum Einreiben gegen Schmerzen. Rainfarn (Chrysanthemum vulgare): Enthält ätherische Öle, Bitterstoffe, Gerbstoffe. Die hl. Hildegard empfahl einen Heiltrank oder Kuchen aus Rainfarn gegen Schnupfen. In Öl angesetzt, diente er zur Einreibung gegen Gicht und Rheuma. Im Haus aufgehängt, sollte er Gewitter abhalten. In der heutigen Pflanzenheilkunde findet der Rainfarn keine Verwendung, weil man giftige Inhaltsstoffe (Thujon) festgestellt hat.


Bräuche / 13

Tüpfel-Johanniskraut.

Echte Kamille.

Pfefferminze

Schafgarbe (Achillea millefolium): Gehört zu den ältesten Heilpflanzen. Sie enthält Bitterstoffe, Gerbstoffe, ätherische Öle und Mineralstoffe. Ihren Namen verdankt sie Achilles. Der Held aus der griechischen Sage soll damit einem verwundeten König geholfen haben. Seine Zeitgenossen nannten die Schafgarbe „Soldatenkraut“, weil sie innere und äußere Wunden heilt. Aus demselben Grund brachte man das „Zimmermannskraut“ mit dem hl. Josef (und seinen späteren Berufsgenossen) in Zusammenhang. Andererseits galt sie als „Frauenpflanze“. Wegen ihrer entzündungshemmenden, krampflösenden und stoffwechselanregenden Eigenschaften war die Achillea ein ziemlich universales Mittel. Beim Schlafengehen auf die Augen gelegt, sollte sie schöne Träume bewirken. Hildegard nannte das Kraut „Gesundmacher“. Es wird bis heute bei verschiedenen Krankheiten als Unterstützungsmittel verwendet. Wilde Möhre (Daucus carota): Als Wildgemüse soll das Doldengewächs schon in der Urzeit ein wichtiges Nahrungsmittel gewesen sein. In antiken Schriften wird es als Heilmittel und Aphrodisiakum erwähnt. In der modernen Heilkunde spielt die Wilde Möhre keine Rolle mehr.

schen Museums für Volkskunde, Leopold Schmidt, nannte. Darunter verstand er „wesentliche Teile der gesamten Volkskunst, die dem Brauch dienen, aus dem ihm tragenden Glauben hervorgingen und mit dem Aufhören der brauchmäßigen Bindung ihren Sinn verlieren“. Die kleinen Kunstwerke bestanden oft aus Pflanzen und blieben als Zeichen der Festzeit in Haus und Hof, manchmal auch länger, in der Hoffnung, dass sie Glück bringen und Böses abwehren.

Die Karwoche vor Ostern beginnt mit dem Palmsonntag, an dem Weidenzweige mit Palmkätzchen geweiht werden. In manchen Gegenden sind große Palmbuschen aus verschiedenen Pflanzen üblich, die man dann als Segen bringend und Unheil abwehrend in Haus und Hof aufsteckte. Die gleiche Funktion sollten die Birkenbäumchen erfüllen, die zuvor den Weg der Fronleichnamsprozession gesäumt hatten. Zu Christi Himmelfahrt und Pfingsten war es üblich, eine geschnitzte Statue durch das Kirchengewölbe in das Dach aufzuziehen, während sich von oben ein Blütenregen über die Gläubigen ergoss. Nach Johannes dem Täufer, dessen Geburtstag am 24. Juni im Kalender steht und zu dem man segenbringende „Sonnwendbuschen“ bindet, heißt eine ganze Reihe von Pflanzen: Johanneshand ist die frische Wurzelknolle des einheimischen Knabenkrautes. Das Echte Johanneskraut wird als Heilpflanze geschätzt. Weitere nach dem Täufer benannte Pflanzen sind die Rote Johannesbeere („Ribisel“) und der Johannesbrotbaum. /

Kräutersträuße zählen zur Brauchkunst, wie sie der langjährige Direktor des Österreichi-

Ein moderner Brauch ist der Valentinstag am 14. Februar. Der Schenkbrauch wurde 1947 von „Fleurop“ in Frankreich und Belgien eingeführt. In Deutschland setzte er sich, obwohl stark beworben, nur langsam durch. Erst 1973 konnte sich das Fachorgan der Blumenbinder über den Geschäftsverlauf am „Tag der Freundschaft“ freuen. Um ihn zu etablieren, werden Jahr für Jahr neue, blumige Ursprungslegenden erfunden. Nach einer war Valentin ein Mönch, der Vorübergehenden Blumen aus dem Klostergarten schenkte und vor der Anerkennung des Christentums Paare nach christlichem Zeremoniell traute. Deshalb zum Tod verurteilt, hinterließ er der Tochter des Kerkermeisters zum Abschied einen Blumengruß mit den Worten „Von deinem Valentin“.

schaufenster / Kultur.Region / Juli/August 2014

Text: Helga Maria Wolf Illustrationen: Magdalena Steiner


Zeit Punkt Lesen / 14

Dialekt

RETTET DAS BUSCHKAWETTL „Zeit Punkt Lesen“ bewahrt Wörter vor dem Verschwinden.

Dialekt und Modernität passen super zusammen. Foto: Sophie Moser

„Ich hob mi für mei Gschpusi aufgmascherlt und ihr a Buschkawettl kauft.“ Für jene, die bei diesem Satz anstelle von „Niederösterreichisch“ nur noch Spanisch verstehen, hier die Übersetzung ins Hochdeutsche: „Ich habe mich für meine Geliebte hübsch gemacht und ihr einen Blumenstrauß gekauft.“ Dialekte und Sprachen verändern sich ununterbrochen. Neue Wörter werden in den Sprachgebrauch aufgenommen, alte

Wörter verschwinden. Das „Smartphone“ kommt, das „Buschkawettl“ geht. Die Leseinitiative „Zeit Punkt Lesen“ will ein Bewusstsein für diesen Sprachwandel schaffen und setzt sich für bedrohte Wörter ein.

Unkonventionelle Denkanstöße

für Wörter, die in Vergessenheit geraten sind. Interessierte erhalten einen Button mit Wörtern wie ‚Boatwisch‘, ‚Pallawatsch‘ oder ‚Zwickerbussi‘ und versprechen uns im Gegenzug, das Wort einmal täglich zu verwenden“, erklärt Sophie Moser, eine Projektmitarbeiterin von „Zeit Punkt Lesen“.

„Auf Veranstaltungen in ganz Niederösterreich vergeben wir etwa Wortpatenschaften

„Wir wollen mit unkonventionellen Methoden eine Debatte in der niederösterreichi-

schaufenster / Kultur.Region / Juli/August 2014


Zeit Punkt Lesen / 15

fügt über eine innere Mehrsprachigkeit, die bewusst eingesetzt werden kann.“ Ziel von „Zeit Punkt Lesen“ ist es, jungen Menschen ein Gespür für ihre innere Mehrsprachigkeit zu vermitteln. Wer das Wechselspiel von Dialekt, Umgangssprache und Hochdeutsch beherrscht, kann Situationen zu seinen Gunsten verändern. Durch Dialekt kann man etwa Situationen auflockern oder dem Gesprächspartner näherkommen.

Warum Wörter verschwinden

schen Bevölkerung anstoßen“, so Moser. Das „Zeit Punkt Lesen“-Rätselheft mit bedrohten Wörtern ist ein besonders erfolgreicher Denkanstoß. Den Menschen wird beim Lösen des kniffeligen Rätsels plötzlich klar, wie viele Wörter aus ihrer Kindheit sie heute nicht mehr verwenden. So gelingt es „Zeit Punkt Lesen“, den stattfindenden Sprachwandel eindrucksvoll zu demonstrieren. Auch in sozialen Netzwerken kümmert sich die Leseinitiative „Zeit Punkt Lesen“ um bedrohte Wörter. So verkündete der Hase Leo, Maskottchen der Initiative, am 22. Mai auf Facebook bewusst, dass er sich am ersten richtigen Sommertag ein „Stanitzel“ und keine „Tüte“ Eis gönnt. Über einhundert Facebook-Nutzer klickten auf „Gefällt mir“.

Dialekt als Vorteil „Mir gefällt das Augenzwinkern, mit dem ‚Zeit Punkt Lesen‘ sich dem Thema Sprachwandel widmet“, meint der Sprachwissenschaftler und Dialektforscher Manfred Glauninger. „Ich halte nichts von einem Abwehrkampf gegen Veränderungen im Dialekt oder in der Sprache ganz allgemein. Den jungen Leuten den Dialekt spielerisch näherbringen – das ist der richtige Zugang.“ Dialekt ist für Glauninger vor allem eine kommunikative Ressource: „Es ist ein ungemeiner Vorteil, wenn ich mich in unterschiedlichen Situationen unterschiedlicher Formen ein und derselben Sprache bedienen kann. Wer zum Beispiel sowohl Dialekt als auch Hochdeutsch sprechen kann, ver-

Sprache verändert sich ununterbrochen. Der ursprünglichste Dialekt war einmal ganz neu. Am deutlichsten nehmen die Menschen den Sprachwandel wahr, wenn von bedrohten Wörtern die Rede ist. Doch warum verschwinden Wörter? Oft verschwinden Begriffe, weil die Dinge, die sie beschreiben, verschwinden. Ein gutes Beispiel ist das Wort „Lawua“. Es kommt vom französischen „Lavoir“ und bedeutet Waschschüssel. Gott sei Dank ist das „Lawua“ durch das Waschbecken mit Fließwasseranschluss ersetzt worden und spielt bei unserer Körperhygiene heutzutage keine zentrale Rolle mehr. Der Gegenstand „Lawua“ ist also aus unserem Alltag verschwunden – und nun wird vielleicht auch das Wort verschwinden. Es gibt aber auch Wörter und Laute aus dem dialektalen Bereich, die verschwinden, weil sie stigmatisiert werden. Viele Niederösterreicher, die nach Wien pendeln, fahren nach der Arbeit etwa „haam“ und nicht mehr „hoam“. „Das Wienerische ‚aa‘ in ‚haam‘ für heim oder ‚haaß‘ für heiß wird als feiner, städtischer und moderner empfunden und verdrängt zunehmend das niederösterreichische ‚oa‘ in ‚hoam‘ oder ‚hoaß‘“, schildert Glauninger.

„Niederösterreichisch“ gibt es nicht Wenn man es sprachwissenschaftlich ganz genau nimmt, muss man sagen: „Niederösterreichisch“ als Dialekt gibt es nicht. In Niederösterreich werden mittelbairische Dialekte gesprochen, und das mittelbairische Dialektgebiet deckt sich weder mit Bundesländergrenzen noch mit der österrei-

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chisch-deutschen Staatsgrenze. Bei den mittelbairischen Dialekten in Niederösterreich lässt sich ein starker Einfluss des Wienerischen und im Westen eine Ähnlichkeit zum oberösterreichischen Dialekt erkennen. Auch die Viertelgliederung Niederösterreichs spiegelt sich in den Dialekten wider. Man hört, ob jemand aus dem Wald-, Wein-, Most- oder Industrieviertel kommt.

Raus aus der Schmuddelecke „In früheren Generationen hat man vielen Kindern den Dialektgebrauch ausgetrieben. Der Dialekt sei etwas für die ‚Depperten‘ und die Unterschicht“, sagt Glauninger. Auch bei „Zeit Punkt Lesen“ hält man nichts von solchen Vorurteilen. „Wir wollen den Dialekt aus der vermeintlichen Schmuddelecke holen und die innere Mehrsprachigkeit der jungen Menschen in Niederösterreich fördern“, erklärt Rafael Ecker, Geschäftsführer der NÖ Kreativ GmbH, der die Leseinitiative „Zeit Punkt Lesen“ gemeinsam mit seinem Team aufgebaut hat. Der Sprachwissenschaftler Glauninger ist ein wandelndes Beispiel dafür, dass die gängigen Klischees über Dialektsprecher überflüssig sind: „Schauen Sie mich an, ich spreche Dialekt und habe mein ganzes Leben noch keinen Trachtenjanker angehabt. Dialekt und Modernität: Das passt super zusammen.“ / Text: Markus Kiesenhofer

NIEDERÖSTERREICHISCH FÜR ANFÄNGER

——————————————————— Gewinnspiel: Wer weiß, was ein „Lamourhatscher“ ist, verrät uns die Antwort via E-Mail an office@volkskulturnoe.at (Betreff: Lamourhatscher). Name und Adresse bitte nicht vergessen. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir fünf Exemplare des heiteren Dialektlexikons „Niederösterreichisch für Anfänger“ von Peter Meissner, erschienen im Residenz Verlag.


Musikschulen / 16

Saxophon

SAXY! „Befremdet von […] Unzulänglichkeiten habe ich das Mittel zur Abhilfe darin gesucht, ein Instrument zu erschaffen, das im Charakter seiner Stimme den Streichinstrumenten nahe kommt, aber mehr Kraft und Intensität besitzt als diese.“ Adolphe Sax (1814–1894) 2011 waren es Gustav Mahler und Franz Liszt, 2012 stand im Zeichen von Claude Debussy, 2013 feierte man den 200. Geburtstag von Richard Wagner und Giuseppe Verdi. Kein Jahr, beinahe kein Monat ohne Jubiläumsfeierlichkeiten. Im Jahr 2014 feiern nicht nur die Belgier ihren Landesmann, sondern die ganze Musikwelt einen Mann, der als Erfinder des Saxophons in die Geschichte eingegangen ist. Adolphe Sax, Musiker, Instrumentenbauer und Erfinder, gilt als Vater des Saxophons.

Der Erfinder Adolphe Sax 1814 in Dinand, Belgien, geboren, fand Adolphe Sax mit seiner Familie bald seinen Lebensmittelpunkt in Brüssel, wo die Instrumentenwerkstatt des Vaters eine besondere Anziehung auf den Jungen ausübte. Adolphe wurde in musikalischen Fächern und Instrumentenbau ausgebildet und studierte später am Konservatorium in Brüssel Flöte, Klarinette, Gesang und Harmonielehre. Das große Wissen und die genaue Kenntnis der Eigenheiten der Instrumente seiner Zeit ließen Adolphe Sax rasch erkennen, dass zwischen Holz- und Blechblasinstrumenten eine klangliche Lücke herrscht. Diese zu füllen sah er als seinen Auftrag, der den Weg zur Entwicklung des Saxophons darstellen sollte. Bereits davor waren Sax und sein Vater maßgeblich an der Entwicklung der Bassklarinette beteiligt.

Familie der Holzblasinstrumente

Symbol für Coolness und Sinnbild für einen ganzen Musikstil, den Jazz. Foto: atelier olschinsky

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Die Geburtsstunde des Saxophons wird um 1840 angesetzt. Für die Verbreitung zog


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Adolphe Sax nach Paris, dem künstlerischen und politischen Zentrum seiner Zeit, wo er eine Instrumentenfabrik eröffnete. Erste Erfolge konnte das neue Instrument im Bereich der Militärmusik verzeichnen. In den klassischen Sinfonieorchestern hingegen blieb ihm der große Durchbruch verwehrt. Die Zeit ab 1900 brachte mit der Entstehung des Jazz in Amerika einen erneuten Durchbruch des Saxophons und machte es zum stilbildenden Instrument. Weniger glücklich ging es bei dessen Erfinder Adolphe Sax in Frankreich zu. Dieser bekam zwar eine Stelle als Lehrer in einer Saxophonklasse am Pariser Konservatorium, hatte aber ansonsten ums finanzielle Überleben zu kämpfen und musste mehrmals Konkurs anmelden. Im Laufe seines Lebens hat der Erfinder Adolphe Sax eine Großzahl an Instrumenten entwickelt: Saxtromba, Saxhorn, Trompetenpauke, Saxhornbourdon, Saxtuba und viele mehr. Sie alle tragen seinen Namen, gerieten jedoch bald in Vergessenheit. Für immer wird er allerdings mit seiner größten Erfindung, dem Saxophon, in Erinnerung bleiben.

Klangvielfalt und Image Wie kaum ein anderes Instrument sah sich das Saxophon seit Anbeginn Anfeindungen ausgesetzt, die kaum etwas mit der Bauweise bzw. der musikalischen Ästhetik zu tun hatten, sondern vielmehr mit Politik und Instrumentenindustrie. Trotzdem hat sich das Saxophon durchgesetzt. Darüber hinaus blieben Form, Gestalt und Klang in den rund 170 Jahren seines Bestehens nahezu unverändert. Das Saxophon findet sich heute in allen musikalischen Stilrichtungen. Von der Klassik über den Jazz bis zur Rockund Popmusik ist es als Soloinstrument oder in Bläsersätzen nicht mehr wegzudenken. Das Saxophon gilt heute als Symbol für Coolness und Sinnbild für einen ganzen Musikstil, den Jazz. Kaum ein Plakat für eine Jazzveranstaltung, das ohne die Abbildung des Instruments auskommt. In einer gewissen Art und Weise nimmt das Saxophon als Instrument einen Sonderstatus ein: durch seine Bauweise, seine Klangeigenschaften und seine Vielfalt, wie Hector Berlioz bereits 1850 feststellte: „beweglich und für rasche Passagen ebenso verwendbar wie für anmu-

Das Saxophon als fixer Bestandteil beim Jugendjazzorchester Niederösterreich, hier bei einem Konzert im Rahmen von PODIUM.JAZZ.POP.ROCK 2013.

tige Gesangsstellen, für religiöse und für träumerische Harmonieeffekte, sind die Saxophone mit großem Vorteil in jeder Art von Musik verwendbar“.

Saxophon lernen Zurzeit werden an niederösterreichischen Musikschulen mehr als 1.200 Schüler am Saxophon unterrichtet. Eine beeindruckende Zahl und enorme Entwicklung, die das Instrument in den letzten Jahren durchgemacht hat! Damit liegt das Saxophon in Schülerzahlen zum Beispiel mit großem Abstand vor dem Violoncello und knapp hinter der E-Gitarre. Warum das Saxophon so gefragt ist? Markus Holzer, Saxophonist und Leiter der Musikschule der Region Wagram, wagt einen Erklärungsversuch: „Weil man damit Sachen spielen kann, welche auf anderen Instrumenten in der Bandbreite nicht machbar sind, weil es ‚cool‘ ist und weil es ein junges, modernes Instrument ist.“ Eine andere Erklärung kommt von seinen Schülern, die eine eigene Statistik anfertigten, laut der das Saxophon und die Gitarre die „sexiest instruments to play“ sind. Auf den Geschmack gekommen? Für den Anfänger ist es nicht notwendig, vorher ein anderes Instrument – etwa Klarinette – gespielt zu haben. „Sobald die zweiten Schneidezähne da sind, ist das Lernen des Saxophons möglich. Meine jüngsten Schüler verwenden ein Schülersaxophon. Der Tonumfang entspricht dem eines ‚normalen‘ Saxophons, es ist aber etwas leichter zu halten und hat eine für Schüler angepasste,

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engere Griffweise“, erklärt Markus Holzer. Und der Nachwuchs lässt nicht auf sich warten: Das Saxophon ist in den niederösterreichischen Musikschulen aktueller denn je. Fixer Bestandteil beim Jugendjazzorchester Niederösterreich, ist das Saxophon – wenig verwunderlich – auch beim Popularmusikwettbewerb PODIUM.JAZZ.POP.ROCK nicht wegzudenken. Große Erfolge brachte der NÖ Landeswettbewerb „prima la musica“: Bei der letzten Solo-Ausschreibung im Jahr 2013 gab es nicht nur Leistungen auf höchstem Niveau, sondern auch zahlreiche Entsendungen zum Bundeswettbewerb. Rund 170 Jahre sind seit der Erfindung des Saxophons vergangen. Die Musikschulen und der musikalische Nachwuchs prägen nicht nur die neueste Geschichte des Saxophons, sondern lassen auch zuversichtlich in die Zukunft blicken … / Text: Katharina Heger

KONZERT DES JUGENDJAZZORCHESTER NIEDERÖSTERREICH

——————————————————— Mo, 7. 7. 2014, 19.00 Uhr Plenkersaal 3340 Waidhofen/Ybbs, Plenkerstraße 8a Information andreas.pranzl@musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at


Chorszene Niederösterreich / 18

Porträt Otto Kargl

KIRCHENMUSIK IST KEIN MUSEUM „Musik macht den Menschen besser.“ Aus dieser Überzeugung heraus leitet Otto Kargl die Dommusik zu St. Pölten.

„Musik muss Bewegung bedeuten.“ Seit 1992 ist Otto Kargl Domkapellmeister in St. Pölten, wo er auch am Konservatorium für Kirchenmusik Gregorianik und Chordirigieren unterrichtet. Der gebürtige Steirer hat in den 22 Jahren als Domkapellmeister einen ganzen Fächer an Ensembles aufgebaut: den Domchor, das Jugendensemble, der Kinder- und Schülerchor, die Choral- und Frauenschola, das Domorchester und die Domkantorei. Letztere hat sich unter Bedachtnahme auf Stilsicherheit, Stimmhomogenität, Präzision und Intonation in historischen Stimmungen einen Spitzenplatz in der heimischen Chorszene ersungen. Die rund zwanzig Mitglieder beschäftigen sich vorwiegend mit Musik bis 1800 sowie mit zeitgenössischer Chorliteratur.

Theologische Aussage „Kirchenmusik spricht viele Ebenen an, die vordergründigste ist die Emotion. Darüber hinaus hat sie eine soziale Komponente und stärkt den Gemeinschaftssinn, sie verlangt Wissen um Musik ab. Und sie hat eine theologische Ebene: Der Komponist macht mit seiner Musik eine theologische Aussage.“ Die setzt Otto Kargl auch mit den Bach-Kantaten, die er in die katholische Liturgie einfügt. „Die Kantaten sind musikalische Predigten“, so der Domkapellmeister, „und fordern von den Sängern einiges ab. Das Wort muss gehört werden.“ Es ist kein Ausruhen auf den satten Klängen der Klassik, vielmehr ein Ausloten der Kirchenmusik in all ihrer Facetten. Jede Gruppe der Dommusik hat ihr spezielles Repertoire,

doch der Schwerpunkt liegt in der Alten Musik. „Die Musik, die wir auf den großen Festivals zu hören bekommen, will ich zurück in die Kirche bringen“, so Otto Kargl. „Die Marienvesper von Monteverdi gehört in den sakralen Raum.“ Verdienste hat sich der Domkapellmeister auch bei der Aufarbeitung des Werkes von Johann Heinrich Schmelzer gemacht, einem Barockkomponisten aus dem Mostviertel.

Zeitgenössische Musik „In allen Formationen bringen wir zeitgenössische Musik“, so Kargl im Gespräch, „denn das Kirchenmusikrepertoire soll kein Museum sein.“ Dazu zählen Auftragskompositionen an Christian Muthspiel, Michael Radulescu oder Daniel Schlee. Junge Komponisten wie Franz Danksagmüller, Julia Purgina, Petros Moraitis und Franz Thürauer dokumentieren ein sich stets erneuerndes, lebendiges Repertoire. Kargl weiß um die Vorteile der Dommusik, die dem Marktgeschehen im Musikgeschäft nicht ausgeliefert ist – und sich nicht ausliefern lässt. „Der Musikmarkt hat eine gewisse Feistigkeit erreicht, Musik aber muss Bewegung bedeuten.“ Ob die Ensembles der St. Pöltner Dommusik schon einmal gemeinsam gesungen haben? „Nein, ich bin kein Anhänger großer Chöre, denn kleine Chöre haben mehr Möglichkeiten der Differenzierung. Einmal wird es sein“, meint er „dann aber Bruckner.“ / Text: Mella Waldstein

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Domkapellmeister Otto Kargl. Foto: F. Gleiss

KONZERTTIPPS

——————————————————— Sa, 12. 7. 2014 Carinthischer Sommer Ossiach Oratorium von Nikolaus Fheoderoff Domkantorei St. Pölten www.carinthischersommer.at So, 7. 9. 2014 Musica Sacra St. Pölten, Herzogenburg, Lilienfeld „Joshua“, Oratorium von G. F. Händel Domkantorei St. Pölten, capella nova Graz, L’Orfeo Barockorchester www.festival-musica-sacra.at


Diskussion / 19

Kopftuch

EIN STÜCK STOFF Das vor kurzem erschienene Buch „Kopftuchfrauen“ hinterfragt dieses „Stück Stoff, das aufregt“, bei ihren Trägerinnen – von der muslimischen Feministin bis zu Bürgersfrauen aus Bad Goisern.

Maria Wagner vulgo Mirli Moam liest Schaufenster.

Spricht man das Thema Kopftuch in unseren Tagen an, so fällt wohl jedem was dazu ein. Die eigene Großmutter, die das Kopftuch als Schutz gegen Wind und Wetter unterm Kinn gebunden hat, die Bäuerinnen, die, das Kopftuch im Nacken gebunden, in den Stall gehen, die moslemischen Frauen, die damit Haar und Hals und Schulter bedecken, die karitativ tätigen Damen, die sich in den österreichischen Kopftuchgruppen engagieren, und nicht zuletzt jene, die das Kopftuch als modisches Accessoire benutzten. Schon in der Bibel ist vom Schleier die Rede. „Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt.“ (1. Kor 11,5–7) Zumin-

dest für die Buchreligionen galt über die Jahrhunderte, dass Frauen in der Öffentlichkeit ihr Haar verhüllen. Orthodoxe Jüdinnen tragen auch heute ihr Haar bedeckt, Beine sind bis zu den Knöcheln, Arme bis zu den Handgelenken bedeckt. Durchaus üblich wurde es, dass verheiratete Frauen anstatt des Kopftuches eine Perücke verwenden. Auch gläubige Muslima halten sich an das Verhüllungsgebot, verbreitet ist in Europa der Hidschab, jenes Kopftuch, das das Haar, einschließlich dem Haaransatz, Hals und Schultern verbirgt. Seltener sieht man den Niqab, einen Gesichtsschleier; die Burka, als abschreckendes Beispiel für die islamische Unterdrückung der Frau in aller Munde, sieht man allerdings fast ausschließlich bei finanzkräftigen Touristinnen aus dem arabischen Raum. Bei den Katholiken spielt bis heute bei der Ordenstracht der Nonnen der Schleier eine Rolle und bei der Privataudienz beim Papst bedeckt eine Frau ihr Haar mit einer Mantilla. Aber für die Frauen war und ist es wohl weniger eine religiöse Vorschrift, vielmehr wurden gesellschaftliche Konventionen beachtet. Die Kopfbedeckung änderte sich über die Jahrhunderte hinweg, entwickelte sich weiter, orientierte sich an verschiedenen Moden, an Standes- und Kleidervorschriften. Seit dem späten 19. Jahrhundert entwickelte sich das Kopftuch in Österreich auch als Bestandteil der feiertäglichen Tracht. Schwere schwarzseidene Tafttücher werden mit aufwändigen Bindungsarten – über 40 verschiedene Varianten sind überliefert – vor allem im Alpenvorland getragen. Weiße oder farbige Kopftücher, unter dem Kinn gebunden, finden sich

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in Südkärnten und in der Steiermark. Baumwollene kleinere schwarze oder bunte Kopftücher sind in Salzburg, in der Steiermark, in Mittel- und Unterkärnten beliebt. Seit wenigen Jahrzehnten ist es in Europa üblich, dass sich Frauen in der Öffentlichkeit ohne Kopfbedeckung aufhalten. So erscheint es für Europäer heute oft unverständlich, dass Frauen, die in einer anderen Kultur sozialisiert wurden, das Kopftuch als einen selbstverständlichen Bestandteil der Kleidung betrachten, wie es bei unseren Großmüttern noch der Fall gewesen ist. Das vor kurzem erschienene Buch „Kopftuchfrauen“ hinterfragt nun dieses „Stück Stoff, das aufregt“, bei ihren Trägerinnen. Zehn Frauen, von der muslimischen Feministin über Bürgersfrauen aus Bad Goisern bis zur Provinzoberin der Schulschwestern für Österreich und Italien, stellen sich dem Interview mit der Journalistin Petra Stuiber. Einig waren sich alle in der Selbstbestimmung; jede Frau, mit und ohne Kopftuch, tritt für die Gleichberechtigung der Frauen ein. / Text: Eva Zeindl Foto: Hans Schagerl

BUCHTIPP

——————————————————— Petra Stuiber: „Kopftuchfrauen. Ein Stück Stoff, das aufregt“ Czernin Verlag, Wien 2014 ISBN: 978-3-7076-0495-5 EUR 19,90


Mostviertel / 20

Lunz am See

DIE FÄDEN IN DER HAND HALTEN Spinnen, färben, weben – Frau Gisela Buder aus Lunz erinnert sich, wie sie als Kind spinnen lernte und damit die Lunzer Spinn- und Webrunde begründete.

„Bei uns hat das Spinnen nie aufgehört.“ Gisela Buder, 90 Jahre alt, sitzt in „ihrer“ Spinn- und Webrunde. Aufgewachsen ist sie auf einem Bergbauernhof bei Lunz, wo die Großmutter am Spinnrad saß. So hat sie das Spinnen bereits als Kind gelernt. Dass in Lunz und der angrenzenden Region die Wollverarbeitung bis heute ausgeübt wird, ist ganz sicher mit ihr Verdienst. So besteht

seit vielen Jahren die von ihr gegründete Lunzer Spinnrunde. Auch der über die Landesgrenzen bekannte „Lunzer Webermarkt“ hat seine Wurzeln in dieser Tradition. Vielleicht gäbe es auch das in Fachkreisen sehr geschätzte „Handarbeitsmuseum im Lunzer Amonhaus“ ohne die von ihr geleistete Arbeit nicht.

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„Es ist mir ein sehr geliebtes Muss geworden“, erzählt Frau Buder, denn Garn zum Stricken brauchte man in ihrer Familie in großen Mengen. Gisela Buder ist mit fünf Brüdern aufgewachsen. „Zuerst habe ich das Werch – den minderwertigen Flachs – versponnen, später dann die Wolle, diese wäre fürs Lernen zu wertvoll gewesen.“ Am elterlichen Hof wurden Steinschafe gehalten. Das


Mostviertel / 21

65. NÖ ALMWANDERTAG

——————————————————— Fr, 15. 8. 2014, ab 9.00 Uhr Hamod-Weide der Weidegenossenschaft Purgstall, Lunz am See 9.00 Uhr: Musikalische Begrüßung, Musikverein Lunz am See 9.30 Uhr: Eröffnung, Kundgebung und Festansprache 10.30 Uhr: Feierliche Almmesse mit Pfarrer Mag. Johann Wurzer 11.30 Uhr: Frühschoppen und Almfest 14.30 Uhr: Offenes Singen mit Dorli Draxler, Hedi Monetti und Elisabeth Handl Gisela Buder am Spinnrad ...

geschoren Fließ wurde gereinigt und mit der Kardatsche gekämmt – das erledigte der Vater. Dann wurde die Wolle in Rucksäcke gepackt; mit der Waldbahn der Rothschilds ging es nach Lunz und weiter mit der Ybbstalbahn nach Göstling. Anschließend wurde die Wolle drei Kilometer zu Fuß zu jenem Betrieb gebracht, in dem diese zu einem feinen Wollfließ durch die Kardiermaschine gelaufen ist. Die fein gekämmte Wolle wurde dann in der Stube zu Garn gesponnen. Als vor über 50 Jahren Gisela Buder nach Lunz übersiedelte, haben sich einige Spinnerinnen zusammengefunden. „Damals waren wir noch die spinnerten Weiber.“

„Wir haben alles ausprobiert“ Der nächste Schritt war naturgemäß das Weben. Der erste Webstuhl kam aus einer Schule. Es war die Zeit, in der viele Handwebereien zugesperrt haben; so konnten die Lunzer Frauen die Webstühle günstig erwerben. Liesl Honeders Webstuhl steht z. B. in der ehemaligen Getreidekammer am Dachboden ihres Hofes. Auch das Färben haben die Lunzer Frauen in Eigenregie erlernt: „Wir haben alles ausprobiert – Blätter, Rinden, Nüsse – und geschaut, ob eine Farbe rausgeht.“ Ein Treffen von ehemaligen Schülerinnen aus dem Mostviertel, der Steiermark und Oberösterreich unter der Ägide der Handar-

... und textile Vielfalt am Lunzer Webermarkt.

beitslehrerin Gudula Schwarz brachte Austausch, Vernetzung und Ideen und 1997 die erste Ausstellung im Museum im Lunzer Amonhaus, die die Geschichte der Weberei in der Region aufgearbeitet hat. Dabei wurde ein selbstgewebtes Brautkleid aus Wolle aus den Kriegsjahren ausgestellt. „Von Wolle und Weben“ wurde ein Erfolg und daraus der traditionelle Lunzer Webermarkt im August. „Wenn ich nichts am Webstuhl habe, dann werd’ ich feind“, sagt Frau Liesl Honeder. Und die Frauen weben längst nicht nur mehr Schafwolle und Leinen, sondern Wolle vom Alpaka, Baumwolle oder Hanf. Auch mit der aufwändigen Seidenspinnerei haben sie Erfahrungen gemacht. / Text: Mella Waldstein Fotos: z. V. g.

LUNZER WEBERMARKT

——————————————————— Fr, 1.–So, 3. 8. 2014 3293 Lunz am See, Amonstraße 16 Tel. 0664 9600829 Handarbeiten des Bürgertums Handarbeitsmuseum im Amonhaus Öffnungszeiten: Mi, Sa 10.00–12.00 Uhr und gegen Vornmeldung: Tel. 07486 8081 15

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Information NÖ Alm- und Weidewirtschaftsverein Tel. 05 0259 46700 www.almwirtschaft.com Am Dienstag, den 5. August wird Hans Schagerl anlässlich des NÖ. Almwandertages das Almgebiet der Hamod-Weide in der Radioreihe aufhOHRchen vorstellen und einige Lieder des Hamod-Trios erklingen lassen.

JAKOBISINGEN

——————————————————— So, 20. 7. 2014
, ab 18.30 Uhr 3293 Lunz am See, Seestraße 28, Seebühne Eine Kooperation von wellenklaenge und der Volkskultur Niederösterreich mit dem Männerchor Göstling & d’Kiahmöcha, Ötscherland Trio, NoHau (Duo Norbert Hauer & Hans Eder), 16er Buam Rutka·Steurer aus Wien, Vogelauer Sänger aus Bayern, Moderation Hans Schagerl. Karten & Reservierung Bei allen Ö-Ticket-Vorverkaufsstellen, unter 01 96096 oder online auf www.oeticket.com und an der Abendkasse. Information Volkskultur Niederösterreich
 Tel. 0664 8208594 (Claudia Lueger) www.wellenklaenge.at


Maria Taferl / 22

Wallfahrt der Goldhauben- und Trachtengruppen

GOLD UND GNADE Die diesjährige Wallfahrt führt nach Maria Taferl. Unter der Anleitung von Obfrau Grete Hammel sind deshalb alle Mostviertler Goldhaubengruppen mit den Vorbereitungen aktiv.

Die Basilika Maria Taferl mit dem Ötscher im Hintergrund.

Das Donautal zwischen Grein und Krems gehört zu den lieblichsten Landschaften Österreichs. Auf dem mittleren Donauabschnitt erhebt sich auf einem Hügel 233 Meter über dem linken Ufer des Stroms die Wallfahrtsbasilika Maria Taferl. Vom Marienheiligtum bietet sich eine grandiose Fernsicht über das Donautal und die Hügellandschaft des Mostviertels bis zum Alpenvorland.

Eine Blütezeit erfuhr der Ort mit dem Entstehen und Wachsen der Wallfahrt nach Maria Taferl nach der Grundsteinlegung der Kirche im Jahr 1660. Im Zuge der Gegenreformation entstanden überall im Land neue Kirchenbauten und Wallfahrtsstätten, Maria Taferl entwickelte sich sehr bald zum zweitgrößten Wallfahrtsort Österreichs nach der Basilika Mariazell. Der Zustrom von Gläu-

schaufenster / Kultur.Region / Juli/August 2014

bigen war im 17. und 18. Jahrhundert so groß, dass zeitweise 25 Priester mit der Betreuung der Wallfahrer beschäftigt waren. Für die Jahrhundertfeier der Grundsteinlegung im Jahr 1760 sollen 700 Prozessionen und an die 19.000 Messen durchgeführt worden sein. Von der Beliebtheit der Wallfahrt zeugen heute noch die zahlreich erhaltenen Votivgaben in der Schatzkammer der


Maria Taferl / 23

Gnadenaltar aus getriebenem Silber und feuervergoldetem Kupfer.

Wallfahrtskirche sowie die Mirakelbücher, die die Wunder dokumentieren und deren erstes bereits 1660 entstand. Im Zuge der Aufklärung wurde Maria Taferl unter Kaiser Josef II. mit dem Wallfahrtsverbot belegt und 1784 zur Pfarrkirche erhoben – die zum Gebiet der Diözese Passau gehörige Basilika kam zur neu gegründeten Diözese St. Pölten. Erst im 20. Jahrhundert erfuhr die Wallfahrt wieder einen Aufschwung, Thronfolger Franz Ferdinand pilgerte zeit seines Lebens regelmäßig von seinem nahe gelegenen Wohnsitz Schloss Artstetten nach Maria Taferl und bedachte die Kirche mit großzügigen Spenden. Daran erinnert das Glasfenster über dem Kreuzaltar im Ost-Schiff, welches das hl. Herz Jesu mit dem Thronfolger Franz Ferdinand mit seiner Frau Sophie zeigt. Am 15. Dezember 1947 erhob Papst Pius XII. Maria Taferl zur Basilica minor mit den entsprechenden Rechten und liturgischen Bevollmächtigungen. Damit steht Maria Taferl unter dem besonderen Schutz des Papstes und in einer Reihe mit den bedeutendsten Kirchen der Welt.

Wallfahrtslegende Der Taferlberg, der früher Auberg hieß, war als südlicher Ausläufer des Waldviertels bis in das 17. Jahrhundert stark bewaldet. An einer alten dürren Eiche hing eine Holztafel mit einem Kreuz und Darstellungen von Maria und Johannes, weshalb der Platz unter der Bezeichnung „beim Taferl“ bekannt war. Neben dem Baum befand sich eine roh behauene Granitplatte, der sogenannte

„Taferlstein“. Er ist heute östlich vor der Wallfahrtskirche aufgestellt. Der Viehhirte Thomas Pachmann und der Richter Alexander Schinagl wurden durch Gebete vor der Eiche, an der ein Holzkreuz und später ein Vesperbild angebracht war, im Jahr 1633 auf wundersame Weise geheilt. Da die Wallfahrer in immer größeren Scharen kamen, wurde 1661 mit dem Bau der Kirche begonnen. Hofbaumeister Georg Gerstenbrand aus Wien entwarf den Plan, der Baumeister des Stiftes Melk, Jakob Prandtauer, entwarf im Jahre 1707 die Kirchenkuppel. Die Fresken im Inneren der Kirche stammen von dem italienischen Barockmaler Antonio Beduzzi, zwei Altarbilder sind Werke von Martin Johann Schmidt, dem „Kremser Schmidt“. Die Wallfahrer treffen um 7.45 Uhr am Parkplatz zusammen, wo der Festzug aufgestellt wird. Der Festzug führt durch den Ort zur Basilika Maria Taferl. Begleitet werden die Wallfahrer von der Brauereikapelle Wieselburg unter der Leitung von Kapellmeister Johannes Distelberger. Der Gottesdienst beginnt um 8.30 Uhr in der Basilika, zelebriert von Pfarrer P. Andreas Petith OMI. Anschließend werden die geweihten Kräutersträußchen an die Wallfahrer verteilt. Zu einer Agape im Pfarrgarten laden die Mostviertler Goldhauben- und Trachtengruppen herzlich ein. / Fotos: Pfarramt Maria Taferl

INFORMATION

——————————————————— Fr, 15. 8. 2014, ab 7.45 Uhr Wallfahrt der Mostviertler Goldhauben- und Trachtengruppen Wallfahrtsbasilika Maria Taferl 3672 Maria Taferl 7.45 Uhr: Eintreffen der Wallfahrer und Aufstellen des Festzugs 8.30 Uhr: Festgottesdienst Tel. 0664 8208594 (Claudia Lueger) claudia.lueger@volkskulturnoe.at www.volkskulturnoe.at

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TANZBODENSTURM

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Am 20. Juli 2014 treffen sich Volkstanzgruppen aus Niederösterreich, Deutschland und Tschechien beim Waldviertler Volkstanzfest, veranstaltet von der Landjugend Bezirk Ottenschlag in Kooperation mit der Volkskultur Niederösterreich, ganz unter dem Motto „Wir tragen Niederösterreich“. Eine Besonderheit werden die Darbietungen der südböhmischen Folkloregruppe „Kovářovan“ sein. Bei ihren Auftritten präsentiert sie Trachten aus der Region Kozácko (bei Tabor), die durch reiche weiße Stickereien an den Schürzen herausragen und zu den reizvollsten der tschechischen Trachten gehören. Wie in jedem Jahr beginnt das Tanzfest mit dem „Eckerischen“, dem Tanzbodensturm, danach folgen Volkstanzvorführungen und leichte Volkstänze zum Mittanzen. Kindervolkstanz, Schuhplattler, Schmankerl und die Präsentation des Kernland-Dirndls ergänzen das Programm. Desiree Lirnberger, Landesbeirätin der Landjugend Waldviertel, und Rupert Klein, Viertelssprecher der Volkskultur Niederösterreich und Präsident vom Bund der österreichischen Trachten- und Heimatverbände, moderieren dieses Fest. 33. Waldviertler Volkstanzfest So, 20. 7. 2014, 14.00 Uhr Schloss Ottenschlag Volkskultur Niederösterreich Tel. 0664 8223963 (Andreas Teufl) andreas.teufl@volkskulturnoe.at


Waldviertel / 24

125 Jahre Kamptalbahn

BUSSERLZUG Seit 125 Jahren fährt der Zug durch die Sommerfrischelandschaft zwischen Hadersdorf und Rosenburg am Kamp. Und das allen Nebenbahnstilllegungen, technischen Schwierigkeiten und Hochwasserkatastrophen zum Trotz.

Die Sommerfrische erlebte durch die Bahn ihren Aufschwung – die Eisenbahnbrücke im Mittelpunkt der Ansichtskarte.

Die Weinreben sind zum Greifen nahe. Hoch über Zöbing steht eine Aussichtswarte und weist wie ein Leuchtturm den Weg ins Kamptal. Felsen rücken näher, der Fluss einmal nah, dann wieder hinter Weidengewölk entglitten, begleitet den Zug. Dann die erste Bogenbrücke bei Stiefern am Kamp. Jahrhundertwendevillen träumen sich rückwärts. Durch das offene Fenster – ja, es ist noch möglich! – weht der Duft sonnendurchglühter Badestege. „Sommer! Frische!

Gibt es eine lustvollere Definition des Behagens der Natur. Ich sehe Grün dabei, höre Wasser rauschen, rieche Jausendüfte, die sich mit Gerüchen des Bauerngarten mischen, spüre die Berührung von Kinderhänden und Libellenflügeln“, schrieb die Autorin Eva Bakos (1929–2003) über ihre Sommerfrische im Kamegg im Kamptal. Mit der Eröffnung der Bahnstrecke von Hadersdorf über Horn nach Sigmundsher-

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berg im Jahre 1889 rückte das Kamptal näher an die Hauptstadt Wien. Das Tal mit seinen Weingärten, Burgen, den „pittoresken Felspartien“ und dem dunkelgrünen, kühlen Fluss wurde zur Sommerfrischelandschaft. Schon 1850 reichten Kamptalgemeinden Petitionen ein. Und als die FranzJosefs-Bahn durch das Waldviertel projektiert wurde, schlugen Gemeindevertreter eine Streckenführung durchs Kamptal vor. Allerdings waren die topographischen


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Bahnhof Hadersdorf am Kamp, um 1900, kolorierte Postkarte. Sammlung Karl Steinhauser

Gegebenheiten zu komplex, um diese Streckenführung in Betracht zu ziehen. Erst 1886 wurde der Österreichischen Localbahngesellschaft die Konzession zur Errichtung der Kamptalbahn erteilt. Dafür musste streckenweise das Flussufer befestigt, Felsen gesprengt und fünf Brücken über den Kamp errichtet werden. Ein Unglück bei der Errichtung der Brücke über die Taffa überschattete die Fertigstellung des Baus. Drei Arbeiter verunglückten dabei tödlich. Bevor dem Eröffnungszug am 16. Juli 1889 mit Blasmusik, Girlanden, Winken und Kaiserwetter ein großer Bahnhof bereitet wurde, testen Züge mit Schotter- und Ziegelfuhren die Belastbarkeit der Strecke.

„Greller Schrei der Maschinen“ Nicht alle hießen den Zug willkommen. Für die Postkutsche bedeutet die Eisenbahn das Ende. Sie fuhr am 15. Juli 1889 mit wehender Trauerfahne durchs Kamptal. „Es wird vielleicht nie mehr ein Posthorn im Kamptal ertönen, seine stimmungsvollen Klänge sind zum Schweigen gebracht durch den grellen Schrei der Maschine“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. Für uns tönt der „grelle Schrei“ wundersam nostalgisch, ebenso das metallische Rattern, wenn der Zug die Brücken passiert. Die Bogenbrücken, allesamt Ingenieurskunst der k. u. k. Eisenkonstruktions-Werkstätte, Schlosserei und Brückenbauanstalt J. G. Gridl in Wien, gehören zum Kultur-

landschaftsbild des Kamptals. Umso mehr, als in den 1990er Jahren ersichtlich wurde, dass sie saniert oder abgerissen werden sollten. Mit dem „Industriearchäologischen Modellprojekt Kamptalbrücken“ wurde eine Lösung gefunden. Die letzte im Originalzustand befindliche Brücke von Stiefern wurde transloziert und ist nun eine Rad- und Fußgängerbrücke bei Altenhof, drei der fünf Brücken wurden nach dem Stand der Technik und in Stahlbogenform neu gebaut, die Brücke in Rosenburg im Original belassen und an der Unterseite verstärkt. Kaum war die Sanierung abgeschlossen, kam die Hochwasserkatastrophe des Jahres 2002. Durch die Unterspülung des Gleiskörpers kam es zur Zerstörung vieler Bahnkilometer. Der Wiederaufbau begann, kaum dass der Schlamm beseitigt war. Bereits Ende 2002 rollten wieder Züge durch das Kamptal. Der durch das Hochwasser entstandene Gesamtschaden verursachte Kosten in der Höhe von 2,5 bis 3 Milliarden Euro. Trotz der Wiederaufnahme des Betriebes blieb das Hochwasser aber nicht ohne Folgen für die Kamptalbahn: Die Österreichischen Bundesbahnen stellten den Güterverkehr ein.

Samstag, 15.15 Uhr Zurück zu den Anfängen. Neben den regulären Zügen verkehrten Züge mit verbilligten Tarifen, die Ausflügler in aller Früh vom Wiener Franz-Josefs-Bahnhof zu fixen Stationen im Kamptal brachten. Schon bald

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wurde Zug, der samstags um 15.15 Uhr in Wien abfuhr, als „Busserlzug“ bezeichnet. Während er bis Hadersdorf durchfuhr, blieb er im Kamptal in jeder Station stehen. Eva Bakos schreibt in ihren Erinnerungen an die Sommerfrische: „Die Väter kamen nur für ein oder zwei Wochen und am Wochenende. Da holten wir sie vom berühmten ,Busserlzug‘ ab, dem ganze Scharen von Wiener Vätern entstiegen. Noch heute bekomme ich Herzklopfen, wenn ich so einen altmodischen Bahnhof sehe, womöglich mit einer Mini-Steinburg im Garten, und wenn ich an die Erwartung denke, die der einfahrende Zug auslöste.“ / Text: Mella Waldstein

125 JAHRE KAMPTALBAHN

——————————————————— Museen der Stadt Horn Öffnungszeiten: Di–So 10.00–17.00 Uhr 3580 Horn, Wiener Straße 4
 

 Tel. 
029 82 23721 www.hoebarthmuseum.at Eisenbahnmuseum Sigmundsherberg Öffnungszeiten: Di, Do, Sa, So und Fei 9.00–12.00 Uhr 3751 Sigmundsherberg, Museumsstraße 1 Tel. 0676 3632858 www.eisenbahnmuseum-waldviertel.at www.kamptalbahn.at


Handwerk / 26

Zistelflechten

EIN FÜLLHORN FÜR MARILLEN Zistelfelchten mit Sepp Wahlmüller.

Der Zistelmacher Sepp Wahlmüller sitzt tagsüber in der Schusterwerkstatt einer Kaserne und sorgt dafür, dass die Soldaten ihre Einsätze in einwandfreier Ausrüstung durchführen. Doch wenn er heimfährt von der Kaserne über die Donau ins Waldviertel, dann legt er sich dort nicht auf die Couch mit der TV-Fernbedienung in der Hand. Nein, dann setzt er sich ins Wohnzimmer und beginnt sein Flechthandwerk. Ja, er macht das im Wohnzimmer! Denn alle Handwerksromantiker, die sich Josefs Wahlmüllers Werkstatt jetzt als nostalgische Stube vorgestellt haben, müssen wir an dieser Stelle enttäuschen. „Meine Körbe kann ich eigentlich überall flechten. Im Garten, auf der Terrasse, im Wohnzimmer“, meint Sepp. „Es fällt nicht viel Mist an. Und recht viel Platz brauche ich auch nicht.“

Mobiles Gewerbe

Die Zistel – Pflückgeschirr für Marillen.

Hand aufs Herz: Hätten Sie’s gewusst? Hätten Sie ohne erhellendes Foto gewusst, was ein „Zistelmacher“ macht, wenn er Zisteln macht? Es ist ein „Pflückgeschirr“, das bei der Marillenernte eingesetzt wird. Zisteln sind schmale Körbe, die unten spitz zusammenlaufen. Sie können nicht stehen. Das müssen sie auch gar nicht. Denn sie sind dazu da, Marillen zu ernten. Die Zistel wird mit einem Haken an einen Ast gehängt, und wenn der Korb voll ist, lässt man ihn gefüllt

mit der schmackhaften Fuhr an einer Schnur hinunter gleiten. Durch den spitz zulaufenden Boden verhängt sich die Zistel nicht im Geäst des Obstbaumes und die Marillen gelangen gefahrlos unten an, wo sie in Kisten geschlichtet werden. Durch den konischen Verlauf der Zistel liegt auf den unteren Marillen weniger Gewicht. Dadurch wird das wertvolle und druckempfindliche Obst geschont.

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Ein sehr mobiles Gewerbe also. Und diese Mobilität hat Tradition: Früher waren die Korbflechter wandernde Gesellen. Sie zogen von Bauernhof zu Bauernhof, um dort ihre Dienste anzubieten. Hatten Bäuerin und Bauer Bedarf nach neuen Körben, weil der alte Korb, mit dem man täglich das Holz aus dem „Schupfen“ holte, schon Lücken aufwies, dann traten die Flechter auf den Plan. Ihr Werkzeug hatten sie stets dabei – und das Rohmaterial wuchs beim Bauern selbst. Denn zu alten Zeiten standen noch hinter fast jedem Bauernhof im Waldviertel einige Weiden. Rohstoffversorgung vor Ort, wie sie effizienter nicht sein kann. Im Herbst, wenn der erste Frost den Weiden ihre Blätter


Handwerk / 27

Zuvor hat Sepp Wahlmüller die Ruten in Wasser gedämpft, damit sie geschmeidig werden. Weidenruten die sternförmig auseinander laufen bilden unten das Spitze Ende der Zistel. Es muss schnell gehen, damit die Weiden nicht austrocknen.

geraubt hatte, schnitten die Korbflechter die einjährigen, bis zu eineinhalb Meter langen Weidentriebe vom Weidenkopf. Und dann machten sie daraus die Körbe für die unterschiedlichsten Einsätze. Man trug in Körben Schnittholz, Obst, die Wäsche oder Erdäpfel. Sehr gefragt war auch das „Brotsimperl“, die Backform, in der die Bauern früher selbst ihr Brot buken. Und in der Wachau verlangten die Obstbauern nach den spitzen Zisteln: bis ca. 40 Zentimeter hoch und mit rund 30 Zentimeter Durchmesser. Die Marillenkultur ist im Vergleich zum Weinbau jung. Die erste Nennung ist 1679, als sich der Hofmeister vom Wirtschaftshof des Klosters St. Peter (Salzburg) in Oberarnsdorf beim Abt für die zugesandten neuen Sorten von Pfirsichen, Nüssen und Marillenbäumen bedankte. Die ersten größeren Bestände wurden um 1900 gepflanzt. Die „Klosterneuburger“ und die „Ungarische Beste“ sind die am häufigsten anzutreffenden Sorten der Wachau. Wirtschaftliche Gründe zwangen viele Bauern, Weinkulturen aufzugeben; die Reblaus brachte viele Winzer um ihre Existenzgrundlage. An einem Liter verdienten sie in der Zwischenkriegszeit 60 Groschen, an einem Kilo Marillen einen Schilling. Rund ein Drittel der damaligen Produktion verlagerte sich zum Obstbau. Allein um Spitz standen 50.000 Obstbäume, die Hälfte davon Marillen. Das Obst wurde mit der Bahn verschickt oder mit Zillen in einer Tagreise nach Wien transportiert. Von einer Marillenhochblüte kann man in der Nachkriegszeit sprechen. In Österreich

standen, laut Landwirtschaftskammer, zwischen 1940 und 1960 rund 1.000.000 Marillenbäume. Als in den 1960er Jahren der Preis für Obst durch Importe zusehends verfiel, wandelten die Winzer die Marillenwieder in Weingärten. Gegenwärtig stehen etwa 170 Hektar Marillengärten. Seit 2003 ist die Wachauer Marille auch amtlich eine Wachauer Marille, damit ist „Wachauer Marille“ eine geschützte Ursprungsbezeichnung. Mit dem Gütesiegel „Original Wachauer Marille“ garantieren über 180 Wachauer Marillenbauern die Herkunft und Geschmacksqualität ihrer Frucht.

Weide pur Sepp Wahlmüller beginnt mit sechs Weideruten, die er auf ca. 120 Zentimeter Länge geschnitten hat. Zuvor hat er die Ruten in Wasser gedämpft, damit sie geschmeidig werden. Diese sechs Weidenruten bindet er am dicken Ende zu einem einzigen Strang zusammen. Später wird diese Stelle das spitze Ende der Zistel sein. Jetzt teilt er die Ruten sternförmig auseinander. Die Basisstruktur seiner Zistel ist geschaffen. Ja, und ab jetzt wird’s kompliziert. Zumindest zu kompliziert, um jeden der Schritte in einfachen Worten zu erklären: wie immer neue Weidenruten dazukommen, Verstärkungsringe eingezogen werden und zuletzt kunstvoll ein Abschlussring gebildet wird. Alles mit Weidenruten, dem einzigen Material, das hier zum Einsatz kommt. Auch der Tragegriff, die Krönung des Werkstücks, besteht aus einem Weidenrutenbogen, der von mehreren Ruten umwickelt wird. Alles muss schnell gehen, damit die Weiden nicht austrocknen und

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brüchig werden. „Drei Stunden brauch’ ich mittlerweile nur mehr für eine Zistel“, meint Josef Wahlmüller. Das ging nicht immer so ruckzuck, denn auch ein Meister Wahlmüller fiel nicht vom Himmel. Es war 1995, als Josef, damals Bezirksobmann der Landjugend Groß Gerungs, davon hörte, dass man bei der Volkskultur Niederösterreich nach einem Korbflechter suchte. Die Technik hat Sepp Wahlmüller von zwei alten Zistelflechtern aus der Wachau gelernt. Mittlerweile vermittelt er sein Können bei Kursen. Bei „Alles Marille“ (Fr, 11. und Sa, 12. Juli) in der Kremser Altstadt oder in der Klosterwerkstätte Schönbach zum Beispiel, zu deren Helfern Josef Wahlmüller von Beginn an gehört. In Bildungshäusern, aber auch im privaten Bereich, ganz nach Wunsch. „Maximal fünf Personen sollen an so einem Treffen teilnehmen“, erklärt Wahlmüller. Da bleibt er stur: „Sonst lernen die Leute ja nix!“ Des Geldes wegen mache er das alles sowieso nicht, meint der Sepp. Keine 40 Euro kostet eine fertige Zistel. Viel Geld, wenn man den 5-Euro-Plastikkübel vom Baumarkt als Konkurrenz sieht, viel zu wenig, wenn man Arbeitszeit, Material und Kunstfertigkeit mitrechnet. / Text: Mark Perry Fotos: Gregor Semrad

INFORMATION

——————————————————— Josef Wahlmüller Zistelmacher, Korbflechter Tel. 0664 125 42 45


Spiele / 28

Murmeln

REGENBOGENBUNT

Foto: shutterstock

Eine kleine Kulturgeschichte der bunten Glaskugeln.

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Kugelmühlen für Murmeln aus Marmor wurden in Salzburg und Bayern betrieben. Foto: Rudolf Schürer

Erwachsene pflegen eine nostalgische Beziehung zu ihnen. Für Kinder sind sie Schätze: die Glasmurmeln. Regenbogenbunt, bergseeglitzernd, seidenglatt. Sie werden in der Spielzeugabteilung geführt. Aber kaum jemand spielt mit ihnen. Man hat sie in Schachteln liegen. Man tauscht sie. Oder verwendet sie zur Tischdekoration.

Anmäuerln & abditschen Dabei gehören Kugelspiele ohne Zweifel zu den ältesten und variationsreichsten Spielen der Menschen. Kleine Kugeln fanden sich als Grabbeigabe in Ägypten. Man weiß, dass römische Kinder mit Marmorkugeln, glasierten Tonkugeln oder mit Nüssen gespielt haben. Einst gehörten die Murmeln zum Straßenbild. Man spielte „anmäuerln“ und „abditschen“. Die Kinder ließen die Kugeln Schuss über Bretter kullern. Es klickerte und kluckerte. Daher rühren die zahlreichen Namen – Klicker, Klucker, Schusser, Dotzer, Murmeln. Die Murmeln – der Name gibt es preis – wurden aus Marmor (marble) hergestellt und sind die friedliche Weiterentwicklung der Steinmunition. Sie wurden in Kugelmühlen produziert, wie sie etwa in Salzburg oder Bayern bestanden, und in alle Welt verschickt. Über Rotterdam und London wurden sie hauptsächlich nach Ost- und Westindien exportiert. Der Segelschifffahrt waren sie als Fracht willkommen, da sie sich durch ihr hohes Raumgewicht gut als Ballast eigneten. Noch um Mitte des letzten Jahrhunderts trieb der Almbach bei Berchtesgaden an die 40 Kugelmühlen, die Bergbau-

Anmäuerln, kullern, ditschen: mit dem Finger die Murmeln schnippen. Foto: shutterstock

ern als Zuerwerb betrieben. Dazu wurde Untersberger Marmor zu Würfeln geschlagen und mit Hilfe von Wasserkraft und Zeit rund geschliffen. Die Kugelmühle besteht aus zwei Scheiben mit kreisförmigen Rillen, wobei die obere Scheibe („Läufer“) aus Holz ist und sich mit Hilfe der Wasserkraft dreht. Die untere Scheibe („Genger“) ist aus Stein mit ebenso kreisförmigen Rillen. Die Steinrohlinge werden zwischen Genger und Läufer gelegt und mit einem einige Tage dauernden Mahlprozess kugelrund geschliffen. Was im bayerisch-salzburgischen Raum Nebenerwerb der Bergbauern war, war im Thüringer Wald jahrhundertelang ein ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor. Stein- und Tonkugeln vermochten in den Seekriegen bei der Beschießung von Segel und Takelage mehr Wirkung zeigen als Eisenkugeln. Die Glasmurmel – sie ist aufwändiger herzustellen als solche aus Ton oder Marmor – wurde Mitte des 19. Jahrhunderts in Lauscha, Thüringen, durch die Märbelschere weiterentwickelt, die das Zuschneiden der Glaskugeln wesentlich erleichterte. In mehreren Arbeitsschritten wurden auf die zylindrische, heiße Glasmasse bunte, dünne Glasstäbe eingearbeitet, wiederum in den Schmelzofen gelegt, gedreht – und so entstanden die spiralförmigen Farbschlieren im Inneren der Murmel. Glasmurmeln, die wir heute kaufen, kommen – nein, nicht aus China, vielmehr aus Mexiko, wo die weltweit größte Glasmurmelfabrik steht. / Text: Mella Waldstein

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André-Henri Dargelas (1828–1906), „Buben spielen mit Murmeln“, um 1860, Walters Art Museum.

KULLERN

——————————————————— Mind. 2 Spieler, je 1 große Murmel, beliebig viele kleine Murmeln. Von einem gekennzeichneten Standpunkt aus werfen alle Spieler je eine große Murmel in die gleiche Richtung. In der zweiten Runde müssen sie dann versuchen, diese Murmeln von der Stelle aus, an der sie gelandet sind, gegen die eines Mitspielers zu schnippen. Gelingt dies einem Spieler, darf er vom Besitzer der getroffenen Murmel eine kleine Murmel einkassieren. Die großen Murmeln bleiben auf dem Spielfeld liegen, egal ob er trifft oder nicht. Gewonnen hat derjenige, der nach mehreren Runden die meisten Treffer erzielt hat.


Forschung / 30

Goldschatz

DER SCHATZ BEIM GALGEN Wissenschaftskrimi um einen Sensationsfund aus Wiener Neustadt. Zu sehen im MAMUZ in Asparn/Zaya.

Fragmentierte Mantelschließe mit Darstellung eines Mannes in höfischer Tracht. Foto: Paul Kolp/Franz Siegmeth

Der Schatzfund von Wiener Neustadt wurde 2007 auf einem Gartengrundstück im heutigen Stadtgebiet geborgen und 2010 dem Bundesdenkmalamt vorgelegt. Der Schatz verblieb zunächst im Besitz des Finders, bis er im Jahr 2012 erfreulicherweise durch das Land Niederösterreich angekauft wurde. Im Rahmen eines unter Leitung des Bundesdenkmalamtes durchgeführten Forschungs-

projektes konnte ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichsten Fachrichtungen zwischen 2011 und 2014 die interdisziplinäre Bearbeitung des Schatzfundes durchführen. Die Ergebnisse dieses Projekts wurden bereits in der Monographie „Der Schatzfund von Wiener Neustadt“ und der Broschüre „Schatz mit Fragezeichen“ veröffentlicht.

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Der Schatzfund enthält ausschließlich Schmuck und Kleidungsbestandteile sowie sehr bruchstückhaft erhaltenes Tafelgerät, jedoch keine Münzen. Insgesamt umfasst das Ensemble 238 Fundstücke, die letztendlich zu rund 125 Objektindividuen zusammengeführt werden konnten. Das Gesamtgewicht beträgt ca. 2.200 Gramm. Die Objekte bestehen durchwegs aus Silberlegie-


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rungen und sind mit wenigen Ausnahmen an der Oberfläche vergoldet. Bei einzelnen Stücken wurden auch Schmucksteine (etwa Saphir oder Bergkristall) und Edelkoralle zur Dekoration verwendet.

Altmetall? Die Ergebnisse der Materialanalysen und der feinschmiedetechnischen Untersuchungen sprechen für eine Ansammlung von Altstücken, die letztlich zum Einschmelzen vorgesehen waren. Der Zerstörungsgrad insbesondere der Gefäße, die zum Teil regelrecht „zerlegt“ wurden, unterstreicht den „Altmetall“-Charakter des Fundkomplexes. Bestätigt wird dieses Ergebnis auch durch die Zusammensetzung des Hortes selbst, der eher „regionale“ (ost-)mitteleuropäische Stücke mit Objekten „internationaler“ gotischer Prägung vereint. Auch bezüglich der Datierung ergibt sich ein insgesamt sehr weit gesetzter Rahmen: etwa von der ersten Hälfte des 13. bis zur zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Anhand der Einordnung der jüngsten Objekte lässt sich die Verbergung am plausibelsten in der Zeit um 1400 ansetzen. Zwei Fragestellungen stellten bei der wissenschaftlichen Bearbeitung des Fundes eine besondere Herausforderung dar: einerseits die Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Fundgeschichte und andererseits die Klärung der Verbergungsursache. Hinsichtlich der ersten Frage konnten einige sehr konkrete Indizien gesammelt werden, die mit großer Wahrscheinlichkeit darauf hindeuten, dass der Schatz tatsächlich von dem angegebenen (und nur aus den Schilderungen des Finders erschließbaren) Fundort stammt: zunächst die chemische Übereinstimmung von auf den Fundstücken anhaftenden Erdresten mit Bodenproben vom Fundort; dann die Identifizierung eines heraldischen Motivs auf einem Becher des Schatzfundes als Wappenbild einer Wiener Neustädter Ratsherrenfamilie aus dem 14. Jahrhundert; schließlich auch das Gesamtbild des Fundes, der sich sehr gut in die mitteleuropäische „Schatzfund-Landschaft“ einfügt.

Warum beim Galgen? Die Klärung der Verbergungsursache war im Gegensatz dazu weitaus schwieriger und

Blick in die Ausstellungsräumlichkeiten im MAMUZ, Schloss Asparn. Foto: atelier olschinsky

letztendlich auch nicht vollständig möglich. Fasst man die einzelnen Ergebnisse zusammen, so sprechen diese am ehesten für die Deutung des Ensembles als kurzfristig niedergelegtes Depot eines Altmetallhändlers und/oder Goldschmieds (im Spätmittelalter wurden diese Tätigkeiten oft von ein und derselben Person ausgeführt). Möglicherweise sollte das „Altmetall“ der obrigkeitlichen Kontrolle beziehungsweise der Tormaut entzogen werden und wurde deshalb außerhalb der Stadtmauern deponiert. Das Vorhandensein des eindeutig aus Wiener Neustadt stammenden Bechers ist jedoch mit dieser These nur schwer in Übereinstimmung zu bringen.

mit Pogromen an der jüdischen Bevölkerung) durchaus auch komplexere Besitzgeschichten respektive Verbergungsursachen in Betracht zu ziehen sind. Letztendlich ist vermutlich auch eher ein individuelles Problem der verbergenden Person als ein „klassisches“ krisenhaftes Ereignis als Ursache für die Deponierung des Schatzes von Wiener Neustadt – der somit streng genommen gar kein Schatz im heutigen Sinn war – verantwortlich zu machen. /

Ein besonders interessanter Aspekt ist auch die Nähe des Fundortes zum Standort des mittelalterlichen Galgens, die anhand von historischen Darstellungen eindeutig belegt werden konnte. Das Vergraben des Metalldepots in Sichtweite der Richtstätte lässt sich nicht nur mit deren Funktion als Landmarke, sondern auch mit einem gewissen Schutz dieses tabuisierten Ortes gegen unliebsame Nachforschungen erklären.

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Komplexe Geschichten Das wesentlichste Ergebnis des wissenschaftlichen Aufarbeitungsprojekts ist wohl, dass neben vergleichsweise „einfachen“ Erklärungsmodellen für die Zusammenstellung beziehungsweise Verbergung von sogenannten Schätzen (etwa im Zusammenhang

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Text: Nikolaus Hofer und Matthias Pacher

SCHATZ-REICH

MAMUZ 2151 Asparn/Zaya, Schloss Asparn Öffnungszeiten: Di–So 10.00–17.00 Uhr Tel. 02577 84180 www.mamuz.at Literatur Nikolaus Hofer (Hg.): Der Schatzfund von Wiener Neustadt Verlag Ferd. Berger & Söhne Horn ISBN 978-3-85028-636-7 EUR 49,00 Nikolaus Hofer: Schatz mit Fragezeichen. Auf den Spuren des Schatzfundes von Wiener Neustadt Verlag Ferd. Berger & Söhne Horn ISBN 978-3-85028-637-4 EUR 12,00


Bücher, CDs & feine Ware / 32

AUSLAGE NAGERLSTERZ

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Heigruchzeit EUR 13,00 Erhältlich über: www.nagerlsterz.at Nagerlsterz treibt sich seit 2006 am Feldrain zwischen Volksrock und Waldblues herum, gratwandert zwischen Klischee und Kult. Die große Leidenschaft gilt jedenfalls dem Waldviertel, das eine so vortreffliche Heimstätte für kreative Menschen aller Art, jeden Alters und unterschiedlichster Herkunft darstellt. Und so sind die Lieder von Nagerlsterz vor allem eine Verneigung vor dem „kühlen, dunkelgrünen Laund“, seinen Menschen und Tieren und Pflanzen und liebgewonnenen Eigenheiten. Das erste Nagerlsterz-Album „Im Woidviertl is sche“ hat im Jahr 2008 wohl auch durch seinen „Überraschungseffekt“ viel Aufsehen erregt und fand nicht nur in der Region Waldviertel, sondern weit über deren Grenzen hinaus Anklang. /

Leander schrieb, war als Homosexueller im Zuchthaus Plötzensee inhaftiert. Von ihm stammt „Er heißt Waldemar“ (1940), ein Hit mit subversiven Unterton: „Mein Ideal auf dieser Welt / Das ist für mich der kühne Held / Der große blonde Mann. / Er kommt aus einem Märchenland / Und reicht mir seine starke Hand,
/ Die mich zerbrechen kann.
 .... Die Wirklichkeit sieht aber anders aus
 / Bitte, hören Sie mal her:
/ Er heißt Waldemar und hat schwarzes Haar,
 / Er ist weder stolz noch kühn, aber ich liebe ihn.“ Neben dem besungenen Waldemar finden sich „Kann denn Liebe Sünde sein“, „Nur nicht aus Liebe weinen“ oder „Heut’ abend lade ich mir die Liebe ein“ auf der CD. In toller Besetzung mit den Wiener Virtuosen, Julian Rachlin, bzw. Roby Lakatos als Sologeiger und Bela Koreny am Klavier und als Arrangeur. /

ERZÄHL MIR WAS

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KANN DENN LIEBE SÜNDE SEIN

—————————————————————— Timna Brauer, Bela Koreny: Ich hab’ vielleicht noch nie geliebt Deutsche Liebeslieder 1930–1950 EUR 17,50 Erhältlich über: www.lotusrecords.at Timna Brauer, Musikerin von jemenitisch bis jüdisch, von französisch bis Folk, von Musical bis multikulturell singt deutsche Liebeslieder. „Uns hat immer befremdet, dass große Künstlerinnen und Künstler dieser Zeit sich kaum öffentlich distanziert und ihre künstlerischen Mitwirkung auch im Nachhinein wenig in Frage gestellt haben“, heißt es eingangs im CD-Booklet. Damit ist Zarah Leander gemeint. Leider erfahren wir aber nichts über die Hintergründe des deutschen Schlagers im Kontext des Nationalsozialismus. Bruno Balz, der die meisten Lieder für Zarah

Folke Tegetthoff: Sagen aus Niederösterreich
 Mit Zeichnungen von Jakob Kirchmayr. Als Buch und Hörbuch erhältlich. ISBN 978-3-7022-3334-1, EUR 19,95 Hörbuch:
Lesung des Autors, mit Musik von Christian Bakanic. ISBN 978-3-7022-3335-8, EUR 14,95 www.tyroliaverlag.at Bekannte und weniger bekannte Sagen von Folke Tegetthoff neu, wild, ungehörig, poetisch und manchmal still erzählt. Entstanden sind ein zeitgemäßes, modernes Sagenbuch und ein Hörbuch, gesprochen vom Sagenerzähler und Märchendichter. /

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HINWEGGELEGT

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Ilse Krumpöck: Findelkinder Stein Verlag ISBN 978-3-901392-22-1 EUR 19,90 www.steinverlag.at Diese Waldviertler Zeitreise spielt in drei Zeitebenen. Einerseits beschäftigt sich das Buch mit den „hinweggelegten“ Kindern des 18. Jahrhunderts und basiert gleichzeitig auf der Tatsache, dass zahlreiche Säuglinge aus der Gebär- und Findelanstalt, die Joseph II. für die „schamlosen Armen“ in Wien errichten ließ, ins Waldviertel in Pflege kamen. Meist waren es ledige Dienstmägde vom Land, die gegen Putz- und Ammendienste die kostenlose und anonyme Geburt in Wien in Anspruch nahmen, aber auch Damen der Gesellschaft, die verschleiert durch das „Schwangertor“ Einlass fanden. Damit sollte dem relativ häufigen Kindsmord entgegen gewirkt werden. Die Schützlinge dieser Anstalt konnten fast nur ins Waldviertel zu Pflegefamilien vermittelt werden, weil hier das Lohnniveau im Verhältnis zu anderen Teilen der k. k. Monarchie relativ niedrig und ihr Kostgeld als Zubrot für die sozial benachteiligten Bauern äußerst willkommen war. Dennoch starben die Säuglinge „wie die Fliegen“. Diesen Schicksalen stellt die Autorin die ebenfalls weggelegten „Findelkinder“ eines modernen Pflegeheimes gegenüber, die von der Gesellschaft oft ausgesetzt werden, nur weil sie alt und unnütz geworden sind. /


Bücher, CDs & feine Ware / 33

LIADL FÜR WEIBERLEIT

—————————————————————— Brigitte Schaal: Du herziga Schatz. Liadl für Weiberleit Herausgeber: Verein oö. Volksliedwerk und Amt der oö. Landesregierung – Direktion Kultur oö. Musiksammlung/Volksliedarchiv ISBN 978-3901479-79-3, EUR 10,00 www.ooe-volksliedwerk.at Das 2012 publizierte Liederbuch, für das die Leiterin des Oberösterreichischen Volksliedarchivs verantwortlich zeichnet, unternimmt den Versuch, Lieder für Frauensinggruppen zusammenzustellen. Viele männliche Themen wie Jäger, Wildschützen, Fensterln etc. seien für Frauen nicht geeignet, so die Autorin – und dennoch sind sie in der vorgelegten Sammlung vertreten. Neben den Jäger-, Wildschützen- und Almliedern nehmen die Liebeslieder einen zentralen Platz ein. Lieder, passend zu den Jahreszeiten, Abschiedslieder und Lieder zum Bauernleben runden die Sammlung ab. Singbarkeit der Lieder hat neben der gezielten Auswahl oberste Priorität, weshalb mehrere Lieder sowohl zwei- als auch dreistimmig abgedruckt sind. Jedes einzelne Lied ist quellenmäßig genau belegt. Soweit der Text für heutige Sänger und Sängerinnen nicht mehr ganz verständlich ist, werden einzelne Worterklärungen beigegeben. Nicht bloß ein weiteres Liederbuch unter vielen anderen, sondern ein sowohl dem inhaltlichen Schwerpunkt als auch der Auswahl nach exklusives. /

BAUSTOFF LEHM

—————————————————————— Veronika Plöckinger-Walenta (Hg.): Lehmbau – Tradition und Moderne EUR 9,00 (zzg. Versandkosten) Erhältlich über: Museumsdorf Niedersulz info@museumsdorf.at

ZIEGEL-ALMANACH

—————————————————————— Christian Ferdinand Ramml: Ziegelöfen und Lehmabbaue der politischen Bezirke Mistelbach und Gänserndorf (Niederösterreich): Geschichte und Geologie – Archiv für Lagerstättenforschung, Bd. 27 Geologische Bundesanstalt Wien ISBN 978-3-85316-072-5 ISSN 0253-097X, EUR 65,00 Christian Ferdinand Ramml hat ganze Arbeit geleistet. In dem vorliegenden Band hat er in den Bezirken Mistelbach und Gänserndorf systematisch die Lehmabbaustellen und Ziegelöfen aufgespürt. Dabei ist er auf die unglaubliche Zahl von 470 Treffern gekommen. Akribisch werden Besitzerlisten, Ziegelzeichen und verbliebene Spuren vor Ort recherchiert. Ramml nennt einleitend als wichtigste Quellen die Landaufnahmen der Kaiser Joseph II. um 1780 und Franz I. um 1820, historische Grundbücher und die mittlerweile weitgehend online verfügbaren Pfarr-Matriken. Mit lokalen Heimatforschern wird Kontakt aufgenommen, alle Abbaustellen werden (oft mehrfach) persönlich aufgesucht. Der Autor entschlüsselt die Zeichen und liefert mit über 1.280 Ziegelfotos ein Nachschlagewerk von bisher nicht verfügbarer Vollständigkeit. Die im Anhang gelisteten Ziegelzeichen machen so manches Rätsel einfach lösbar. Das Verdienst der Geologischen Bundesanstalt ist es, ein Werk zu verlegen, das ein Einzelkämpfer aus Leidenschaft zusammengetragen hat, und damit eine Serie fortzusetzen, die mit der Arbeit von Helga Papp über den Bezirk Hollabrunn begonnen wurde. / (Richard Edl).

Dietmar Grieser: Landpartie Amalthea Verlag ISBN 978-3-85002-839-4, EUR 22,95 www.amalthea.at „Wien ist der Ehebund, die Länder sind die ,Pantscherln’“, heißt es im Vorwort. Von jenen Pantscherln berichtet Dietmar Grieser vergnüglich. In den 56 Jahren, die der Autor nun in Österreich lebt, ist er viel herumgekommen – auf seine Weise: auf Landpartien, im Urlaub, zu Recherchen um über böhmische Großmütter, Onkeln aus Preßburg, Genies und Künstlerwitwen zu berichten. Gut gelaunt schreibt er von den schönsten und vergnüglichsten Erlebnissen in seiner Wahlheimat. /

KALMUCK FÜR GEDANKEN

———————————————————————————————————————————— Die Kremser Buchbinderin Anneliese Juratti, die nicht nur Hochzeitsalben, Doktorarbeiten, Großmutters Rezepte und der gleichen mehr nach profunder Handwerkskunst zu binden weiß, führt auch ein Papierfachgeschäft. Jetzt hat sie den Wachauer Stoff fürs Grobe – den braun-weißen Kalmuck – für poetische oder bedeutungsvolle Gedanken veredelt. Tagebücher, Notizbücher, Gästebücher sind mit dem traditionellen Stoff umhüllt und greifen sich angenehm an. Auch das Papier der Bücher, die in verschiedenen Formaten erhältlich sind, ist von ausgesuchter Qualität.

Im Mittelpunkt des Symposiums „Lehmbau – Tradition und Moderne“ im März 2014 stand die grenzübergreifende Vernetzung zum Thema Lehmbau sowie der Erfahrungs- und KnowHow-Transfer von tschechischen, slowakischen, österreichischen, italienischen, deutschen sowie ungarischen Fachleuten und Lehmbau-Experten. Aufgrund seiner geologischen Beschaffenheit zählt das Weinviertel – wie Ungarn und Teile Tschechiens sowie der Slowakei – zu dem Gebiet, in dem Lehm jahrhundertelang das hauptsächliche Baumaterial darstellte. Der 170seitige Tagungsband zum Lehmbausymposium enthält alle wissenschaftlichen Beiträge des Symposiums, Forschungsergebnisse und Exposés in deutscher und tschechischer Sprache sowie englische Summaries. /

LANDPARTIE

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Galerie der Regionen, 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Di–Fr, 10.00–12.00 u. 15.00–18.00 Uhr, jeden 1. Sa im Monat 10.00–12.00 und 14.00–17.00 Uhr, an Konzerttagen bis 21.00 Uhr

schaufenster / Kultur.Region / Juli/August 2014


Museen / 34

1914–1918

KRIEGE GEHÖREN INS MUSEUM Am 28. Juli 1914 wurde der Krieg ausgerufen. Abseits großer Ausstellungen zeigen viele kleine niederösterreichische Museen regionale oder thematische Schwerpunkte zum Thema. KITSCH, KARIKATUR UND PROPAGANDA

DAS ENDE DES „LANGEN JAHRHUNDERTS“

ÜBERLEBEN Das Heimatmuseum Gablitz gibt mit Objekten und Fotos aus den Beständen sowie Leihgaben der Bevölkerung einen Einblick in die Jahre des Krieges. Da gibt es Kochrezepte und Dragonerhelme, Fotografien, auf denen Kinder als Soldaten verkleidet zu sehen sind, „Gold gab ich für Eisen“Ringe oder Auszüge aus dem Lehrerprotokollbuch. Mit Alltagsgegenständen wird Leben und Überleben dargestellt.

Bündnistreue auf Untertassen. Foto: Museum Kierling

Der Erste Weltkrieg war der auch der erste
Medien- und Propagandakrieg. Man war auf keiner Seite zimperlich, 
um den jeweiligen Gegner zu desavouieren. Zudem wurde alles nur Mögliche – und Unmögliche –
für die Kriegspropaganda eingesetzt. Frauen, Freundinnen, Familien, Kinder, Soldaten und sogar der „liebe Gott“ wurden für „Kampf und Sieg“ eingespannt. Die Ausstellung im Museum Kierling zeigt mit rund 300 Exponaten eine Vielzahl der eingesetzten Propagandamittel, wobei eine Trennung der drei Kriterien „Kitsch, Karikatur und Propaganda“ aus heutiger Sicht kaum möglich ist. Besonders eifrig hatten sich auch zahlreiche Vereine und Organisationen, einschließlich des Roten Kreuzes, an der Kriegspropaganda beteiligt. Museum Kierling „Kitsch, Karikatur und Propaganda“ Bis So, 19. 10. 2014; Fr 18.00–20.00 Uhr, So 10.00–12.00 Uhr 3400 Klosterneuburg-Kierling, Hauptstraße 114 Tel. 02243 83882 www.museumkierling.com _

Schulkinder bei der Ledersammlung, Burggasse in Retz. Foto: Stadtarchiv Retz

Die kleine lokalspezifische Ausstellung wird als Intervention in die Dauerausstellung des Museums integriert, deren inhaltlichen Schwerpunkt das Retzer Bürgertum des 19. Jahrhunderts bildet. Im Sinne des Endes des „langen 19. Jahrhunderts“ durch den Ersten Weltkrieg bildet die Sonderausstellung einen Kontrast zur Darstellung der bürgerlichen Idyllen und verweist auf das Ende dieser Ära. Der Bogen der Themen umfasst die beiden Retzer Genesungsheime für Kriegsverwundete, die lokale Mangelwirtschaft, die kriegswirtschaftliche Bürokratie und die Gedenk- und Erinnerungskultur. Die Ausstellung wird mit Objekten aus der eigenen Kriegssammlung und aus dem Stadtarchiv Retz gestaltet. Museum Retz im Bürgerspital „Retz im Ersten Weltkrieg“ Bis So, 26. 10. 2014; Fr, Sa, So u. Fei 13.00–17.00 Uhr 2070 Retz, Znaimer Straße 7 Tel. 02942 2700 museumretz.at _

Heimatmuseum Gablitz „Überleben“ Geöffnet n. V. 3003 Gablitz, Ferdinand-Ebner-Gasse 6 Tel. 02231 63466 _

BERTHA VON SUTTNER UND DIE FRIEDENSBEWEGUNG Den Krieg hat sie nicht mehr erleben müssen, kurz davor ist die Publizistin und Friedensaktivistin gestorben. Das Krahuletz Museum bringt in den kommenden Gedenkjahren jeweils eine Sonderausstellung, beginnend mit Bertha von Suttner und die internationale Friedenbewegung. Die gezeigten Objekte aus dem Besitz der Nobelpreisträgerin stammen aus dem Fundus des Eggenburger Museums sowie von der aus Burgschleinitz stammenden Kammerzofe Katharina Buchinger. Krahuletz Museum „Bertha von Suttner und die Friedensbewegung“ Mo–Fr 9.00–17.00 Uhr; Sa, So u. Feiertag 10.00–17.00 Uhr 3730 Eggenburg, Krahuletz-Platz 1 Tel. 02984 3400 www.krahuletzmuseum.at _


Museen / 35

FÜR KAISER UND VATERLAND?

SCHAUPLÄTZE UND EINSATZORTE

ALLTAG AN DER HEIMATFRONT

Der Erste Weltkrieg verlangte der Bevölkerung der Monarchie alles ab. Als traditionell kaisertreue Stadt und als Rüstungszentrum war Wiener Neustadt von größter Bedeutung für den kriegführenden Staat. Für Kaiser und Vaterland ordneten große Teile der Wiener Neustädter Bevölkerung ihre persönlichen Bedürfnisse den Anforderungen eines modernen industrialisierten Krieges unter. Mit dem Andauern des Krieges und der steigenden Not erhielten jedoch die Lager der Kriegsgegner und Kritiker immer mehr Zulauf. Im Jännerstreik von 1918 fand die Friedenssehnsucht schließlich einen Ausdruck. Stadtmuseum Wiener Neustadt „Für Kaiser und Vaterland?“ Bis So, 2. 11. 2014; Mi, Fr, Sa, So, Fei 10.00–16.00 Uhr; Do 10.00–20.00 Uhr 2700 Wiener Neustadt, Petersgasse 2a Tel. 02622 373951 stadtmuseum.wiener-neustadt.at _

ZWETTL IM ERSTEN WELTKRIEG

Bildunterschrift. Foto: Privatarchiv Fam. Nikowitsch, Orth

Schwerpunktausstellung 1914. Alltag an der Heimatfront in Berndorf.

In der Museumssaison 2014 stehen die Themen Kartografie, Topografie und Mapping im speziellen Fokus der Sonderausstellung im museumORTH. Mit Originalobjekten aus der Zeit von 1914 bis 1918 wird der Frage nach den Kriegsschauplätzen und Einsatzorten von Orther Soldaten, die unter Mithilfe der Bevölkerung recherchiert und aufgezeigt wurden, nachgegangen.

Es gibt heute keine Zeitzeugen mehr, keine Menschen, die von ihren Erfahrungen im Ersten Weltkrieg berichten könnten. Und dennoch: Die Katastrophe am Beginn des vergangenen Jahrhunderts hat Spuren hinterlassen. Sie werden sichtbar in Geschichten, die über Generationen weitergegeben werden, in Bildern, Chroniken und unseren heutigen Lebensumständen. Niederösterreich lag fernab aller Fronten, dennoch war der Krieg mit all seinen dramatischen Auswirkungen überall rasch spürbar. Die Ausstellung zum Ersten Weltkrieg soll keine Glorifizierung des Krieges sein, sondern den Wahnsinn eines Krieges vor Augen führen. Aus der Geschichte sollte die Lehre gezogen werden, dass Kriege keine Probleme lösen. /

museum-ORTH „Wo kämpften unsere Väter, Großväter und Urgroßväter?“ Bis Sa, 1. 11. 2014; tägl. 9.00–18.00 Uhr, ab Oktober bis 17.00 Uhr 2304 Orth/Donau, Schlossplatz 1 Tel. 0676564 2767 o. 02212 2208 _ Bildunterschrift (einzeilig!!!) Foto:

WEG DES FRIEDENS

Welches Schicksal erwartete die jungen Männer, die als Soldaten unter anderem zum Infanterieregiment Freiherr von Hess Nr. 49 einrücken mussten und die etwa in Serbien, Galizien und am Isonzo an den Kriegshandlungen teilnahmen? Welche Auswirkungen hatte dieser Krieg auf die Bevölkerung in der Heimat? Wie ging die Bevölkerung zum Beispiel damit um, dass bald nach Kriegsbeginn Hunderte Kriegsgefangene und danach Flüchtlinge in Zwettl untergebracht und verpflegt werden mussten?

In den Kriegsgefangenenlagern der Monarchie waren 1,9 Millionen Soldaten inhaftiert. In der Ausstellung im Feuerwehrmuseum Purgstall bekommt man Einblick in das trostlose und ungewisse Lagerleben, insbesondere in die Lager des Erlauftals. Über 80.000 Kriegsgefangene und Soldaten lebten in den Lagern Wieselburg, Mühling und Purgstall. Der „Weg des Friedens“ beginnt bei der Bahnhaltestelle Schauboden und führt über den Lagerfriedhof zur Erlaufschlucht. Tafeln informieren über das Lagergeschehen. /

Stadtmuseum Zwettl „Patriotismus, Not und Elend – Zwettl im Ersten Weltkrieg“ Fr 14.00–17.00 Uhr; 
Sa, So- u. Fei
10.00–12.00 Uhr u. 14.00–17.00 Uhr; Juli, August und September:
Di, Mi, Do 14.00–17.00 Uhr 3910 Zwettl, Sparkassenplatz 4 Tel. 02822 52564 www.zwettl.gv.at _

Erlauftaler Feuerwehrmuseum „Leben hinter Stacheldraht“ Bis So, 26. 10. 2014; Sa, So u. Fei 13.00–17.00 Uhr, Gruppen n. Voranmeldung 3251 Purgstall/Erlauf, Pöchlarner Straße 56
 Tel. 07489 2914 museum.ff-purgstall.at _

krupp stadt museum BERNDORF „MANN.FRAU.KIND.VOLKSKRIEG – Alltag an der Heimatfront“ Bis So, 26. 10. 2014; Do 9.00–12.00 Uhr, Fr 16.00–20.00 Uhr, Sa, So und Fei 11.00–18.00 Uhr 2560 Berndorf, Bahnhofstraße 4 Tel. 0676 848225382 www.kruppstadtmuseum.at _

INFORMATION

——————————————————— Alle niederösterreichischen Museen, die sich mit dem Thema Erster Weltkrieg beschäftigen, finden Sie auf der Homepage des Museumsmanagement Niederösterreich unter „Gedenkjahr 1914“. www.noemuseen.at


Zeitzeugnis / 36

Niederösterreich

TRENNUNG & AUFBRUCH Der Erste Weltkrieg hat auch Niederösterreich gravierend verändert.

Als St. Pölten noch nicht Hauptstadt war, Ansicht von der Goldegger Straße, Bildpostkarte, 1916. Foto: Imagno

Weltkriegs-Gedenken, -Erinnerungen und -Betrachtungen sind Legion – man ist ihrer fast schon überdrüssig. Freilich ist kaum ein Beitrag auf Niederösterreich bezogen, sieht man von einigen wenigen Publikationen ab. Jetzt, um die Monatswende Juli/August, sind es übrigens „echte“ 100 Jahre her, dass der Krieg von 1914 – der ja erst später zum Weltkrieg ausartete – mit der österreichischungarischen Kriegserklärung an Serbien und den unmittelbar darauf folgenden gegenseitigen Kriegserklärungen der europäischen Mächte tatsächlich begann. Dieser Weltkrieg, und das ist jetzt der Punkt, hat nicht nur die österreichisch-ungarische Monarchie zerstört, sondern auch Niederösterreich gravierend verändert. Das gehört verstärkt ins Bewusstsein der Menschen gebracht, braucht daher eine Erinnerungskultur. Dies nicht um ihrer selbst willen, sondern weil die Inhalte des Erinnerns auch heute noch relevant sind. Auf Niederösterreich bezogen heißt das: Am Ende dieses bis

dahin furchtbarsten aller Kriege stand ein politisch und räumlich verändertes Land – das flächengrößte Bundesland in einem neu gebildeten Staat, der dramatisch verkleinerten demokratischen Republik Österreich. Diese Neuformung des österreichischen Kernlandes, des Erzherzogtums Österreich unter der Enns und nunmehrigen Niederösterreich, brachte wesentliche Einbußen: – den Verlust seiner Hauptstadt Wien durch dessen Bildung als eigenes Bundesland, wenngleich der Sitz der Zentralbehörden des neuen Niederösterreich für Jahrzehnte weiter in Wien verblieb; – damit den Verlust wesentlicher Einnahmequellen, die nun Wien zuflossen und so erst, was meist übersehen wird, die beachtlichen kommunalen Leistungen Wiens in der Ersten Republik ermöglichten. Die Trennung Wiens von Niederösterreich hatte im Übrigen zwei wesentliche Gründe: Es waren zum einen die übrigen Bundesländer, die auf Trennung drängten, zumal ein

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Niederösterreich mit Wien so viel Einwohner gehabt hätte wie die übrigen Bundesländer zusammen. Und zum anderen war es für Niederösterreichs Christlichsoziale unerträglich, von einem „roten“ Landeshauptmann – ein solcher war aus den ersten, noch gemeinsamen Wahlen hervorgegangen – regiert zu werden. Die politische Dialektik zwischen dem „roten“ Wien und dem „schwarzen“ Niederösterreich erwies sich künftig als wichtiges Element der österreichischen Innenpolitik, Persönlichkeiten beider Länder haben die Geschichte der Republik maßgeblich mitbeeinflusst. Die Trennung von Wien und Niederösterreich traf am 1. Januar 1922 in Kraft. Wesentlich an der Entwicklung dieses weltkriegsveränderten Niederösterreichs ist auch das Entstehen eines neuen „blau-gelben“ Landesbewusstseins. Es konnte sich – abseits von Wien – vor allem auf volkskulturellem Gebiet neu entwickeln. Die „graue Maus“ mutierte zum „bunten Vogel“ mit einem deutlicher ausgeprägten Profil. Auf die Notwendigkeit einer maß- und pietätvollen Erinnerungskultur wurde schon verwiesen. Hier ist es die Jahrhundert-Erinnerung an die furchtbaren Menschenopfer, an die ebenso dramatischen materiellen Verluste und die politischen Folgen. Eine friedvolle Erinnerungskultur – in ehemals kriegführenden europäischen Staaten längst Standard – ist auch Aufgabe und Teil der Volkskultur. Das Erinnerungsjahr 2014, soll es nachhaltig wirken, kann hierzu zweifellos neue Anstöße geben. / Text: Franz Oswald


Heimatmuseum / 37

Strasshof a. d. Nordbahn

HEIMAT OHNE SCHNÖRKSEL Der Bahnhof war die Lebensader. Daraus entwickelte sich ein Ort mit 9.000 Einwohnern, welcher seine ersten 90 Jahre feiert.

Heimatmuseum Strasshof in der ehemaligen Eisenbahnerkantine.

Strasshof ist jung: 90 Jahre. Und der Zusatz „an der Nordbahn“ verrät die Entstehungsgeschichte. Davor war hier ein im 15. Jahrhundert verödetes Dorf. In der fruchtbaren Ebene liegen Gutshöfe, einer davon trägt den klingenden Namen Siehdichfür und ist im Besitz des Schottenstiftes. Mit dem Bau der Nordbahn wird in den 1830er Jahren ein Bahnwärterhaus errichtet. Der Boom kommt mit dem Bau des Verschubbahnhofs, der 1908 in Betrieb genommen wird. An der Bahn entstehen Wohnhäuser für Angestellte und Arbeiter; in der ehemaligen Kantine, der sogenannten „Eisenbahnerkaserne“, ist das Heimatmuseum untergebracht. Neu gestaltet präsentiert es die Sonderausstellung „Die ersten 90 Jahre“. „Die Eisenbahn war der Geburtshelfer“, so drückt es der Altbürgermeister und Museumsobmann Dr. Rolf A. Neidhart aus. Mit 125 Geleisen war Strasshof der größte Verschubbahnhof des Landes. Kohle aus Nord-

mähren war der wirtschaftliche Motor. Strasshof hätte eine Gartenstadt werden sollen, nach dem Vorbild englischer Gartenstädte oder wie etwa die zur gleichen Zeit entworfene Gartenstadt Hellerau bei Dresden. Der Stadtentwicklungsplan wurde vom Notar Ludvik Odstrčil betrieben. Er war durch Einnahmen aus Schürfrechten in Mähren zu erheblichem Reichtum gekommen und kaufte die Gutsherrschaft Strasserhof. Die Verwirklichung scheiterte am Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Strasshof wuchs zu einem Konglomerat. Ein Plankenzaun, der bereits vor dem Museum beginnt und sich als Gestaltungselement im Inneren fortsetzt, leitet durch die Geschichte. Die Gestaltung hat „section a“ übernommen, ein Gestaltungsbüro, das u. a. für die organisatorische Durchführung des Österreich-Pavillons bei der Biennale in Venedig 2011 und 2013 verantwortlich zeichnete.

Föhren und Rollberge Zu Beginn sieht der Besucher Fotografien einer Föhre. Sie ist – neben der Bahn – das Wahrzeichen des Marktes und stammt aus einer Aufforstung, die Kaiserin Maria Theresia zum Schutz des Marchfeldes gegen den Flugsand vor über 220 Jahren anlegen ließ. Die museale Hervorhebung eines Rodelberges mögen alpenländische Menschen vielleicht belächeln, in der Ebene nordöstlich von Wien ist er im Winter Treffpunkt der Kinder; außerdem ist diese künstliche Aufschüttung die höchste Erhebung des Marchfeldes. Und er ist nicht die einzige

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Aufschüttung. Für den Verschub entstanden zwei „Rollberge“, um die Waggons mit Hilfe von Schwerkraft und dirigiert von Stellwerken zu neuen Zügen zu koppeln. Einer davon wurde beim Bau der Hauptschule geschleift. Ein Raum ist dem Durchgangslager und den weiteren Lagern der NS-Zeit gewidmet. 20.000 Menschen wurden vom Durchgangslager (Dulag) in Strasshof zur Zwangsarbeit in Fabriken und Landwirtschaft verschickt. Ab 1940 entstand am ehemaligen Universale-Gelände das Hauptlager, sechs weitere waren über das Ortsgebiet verstreut. 6.000 Menschen fanden in Strasshof den Tod. Die Schulen, das Haus der Begegnung, die Feuerwehr und die Marchfeldmesse sind weitere Themen, die die Identität des Ortes bestimmen. Und die B8 – die Bundesstraße, an der sich Strasshof sechs Kilometer entlangzieht. / Text: Mella Waldstein Foto: Stefan Lux

HEIMATMUSEUM STRASSHOF

——————————————————— 2231 Strasshof a. d. Nordbahn Bahnhofsplatz 22 Öffnungszeiten: So u. Fei 13.00–17.00 Uhr Tel. 02287 2208 www.strasshofandernordbahn.at


Museen / 38

Bronze

GLANZZEIT „Bronze – Zeit/en“: Ausstellungen im Diözesanmuseum St. Pölten sowie in den Museen der Stadt Horn und im Krahuletz Museum Eggenburg.

Bronzezeitlicher Krug aus dem Gobelsburger Depotfund und „Schreitende“ von Josef Colz. Foto: Pressereferat der Diözese St. Pölten

Die Fähigkeit, Metalle zu schürfen und zu bearbeiten, war eine jener Entdeckungen der Menschheit, die weitreichende gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Veränderungen zur Folge hatten. Das Herstellen von Bronze ist durch die Gewinnung eines harten Metalls sowohl eine technische Innovation als auch eine ökonomische Großtat. Der im 3. Jahrtausend vor Christus im östlichen Mittelmeerraum einsetzende Bronzeguss ermöglichte die Herstellung, den Austausch und den Handel genormter Waren. Urgeschichtliche Bronzebarren – wie sie in der Ausstellung zu sehen sind – fungierten als Zahlungsmittel vor dem eigentlichen geprägten Münzgeld.

Der neue Werkstoff Mit dem neuen Werkstoff waren sowohl

Die neuen Bronzezeit-Räume in den Museen Horn. Ein ganz besonderer Fund ist die sogenannte Frauenkröte von Maissau. Foto: Wolfgang Andraschek

technische Errungenschaften als auch neue geistige und künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten verbunden, die sich in religiöskultischen Vorstellungen wie in ideellen und ästhetischen Intentionen manifestierten. Der Homo faber, übersetzt der „Verfertiger“ oder schöpferische Mensch, weiß sowohl technische und funktionell gestaltete Hilfsmittel zur Bewältigung seiner Lebensumstände als auch diese transzendierende, künstlerisch gestaltete Objekte herzustellen. In der Sonderausstellung des St. Pöltner Diözesanmuseums tritt die urgeschichtliche Periode der Bronzezeit mit anderen, zeitlich verschiedenen kulturellen Äußerungen in einen durch das gemeinsame Material – die Bronze – bedingten Dialog. Die Objektgruppen werden in drei Abschnitten präsentiert und bieten eine mehrschichtige Annähe-

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rung an das Phänomen Bronze, die von der historischen und materiellen Bedeutung zur künstlerischen Bearbeitung des Werkstoffes reichen. Aus Anlass von Baumaßnahmen auf Grundstücken der Pfarre und Gemeinde Gobelsburg wurden 2010 Grabungen und archäologische Untersuchungen durch die Archäologisch-Soziale Initiative Niederösterreich durchgeführt. Neben frühen, von der Urgeschichte bis ins Frühmittelalter reichenden Siedlungsstrukturen wurden Depots mit vorwiegend bronzezeitlicher Keramik festgestellt und deren anschaulich präsentierter Inhalt geborgen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Münzen und Medaillen der in den letzten Jahren durch das Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien neu geordneten Münzsamm-


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lung des Diözesanmuseums. Nun werden Bereiche der Sammlung unter dem Generalthema Bronze vorgestellt. Der Bezug zur Gegenwart wird durch zeitgenössische, in klassischer Gusstechnik ausgeführte Bronzeskulpturen von Josef Colz hergestellt. Sie zeichnen sich durch eine frische und konsequente Herangehensweise aus und schaffen – frühen Manifestationen des Bildnerischen ähnlich – über Jahrtausende hinweg den Anschluss an eine auf das Wesentliche konzentrierte, zeitlos wirkende Bildlichkeit. Zusammen mit der Sonderausstellung wurde die nach aktuellen konservatorischen Erfordernissen adaptierte Schatz- und Paramentenkammer des St. Pöltner Domes eröffnet. Sie ist nun als Schaudepot im Rahmen von Führungen zugänglich. Der Schwerpunkt des hier verwahrten kostbaren Bestandes liegt bei höchst qualitätsvoller barocker Paramentik und sakraler Goldschmiedekunst. /

Volksglauben

HEILIGE BARTTRÄGERIN Hl. Kümmernis, die schöne Königstochter mit Bart, wird durch Conchita Wurst wiederentdeckt.

rechnet werden. Sie sei die Tochter eines heidnischen Königs von Portugal gewesen, die sich zum Christentum bekannte und sich gegen die vom Vater erzwungene Heirat mit einem heidnischen Prinzen wehrte. Diese Auflehnung brachte sie in den Kerker, wo sie sich von Gott eine Verunstaltung ihres Gesichts erbat, damit niemand sie mehr heiraten möchte. Daraufhin wuchs ihr ein Bart. Ihr erzürnter Vater ließ die Widerspenstige in Lumpen bekleidet ans Kreuz schlagen, damit sie ihrem himmlischen Bräutigam gleiche.

Text: Wolfgang Huber

BRONZEZEIT IM MUSEUM

——————————————————— Diözesanmuseum St. Pölten Bronze – Zeit/en Bis Fr, 31. 10. 2014 Öffnungszeiten: Di–Fr 9.00–12.00 u. 14.00–17.00 Uhr, Sa 10.00–13.00 Uhr So u. Fei (Juli u. August): 10.00–13.00 Uhr 3100 St. Pölten, Domplatz 1 Tel. 02742 324 331 www.dz-museum.at Museen der Stadt Horn Bronzesammlung Öffnungszeiten: Di–So 10.00–17.00 Uhr 3580 Horn, Wiener Straße 4
 

 Tel. 
029 82 23721 www.hoebarthmuseum.at Krahuletz Museum Bronzeschmiede und Handelsherren – Bronzezeit im Wald- und Weinviertel Öffnungszeiten: Mo–Fr 9.00–17.00 Uhr, Sa, So u. Fei 10.00–17.00 Uhr 3730 Eggenburg, Krahuletz-Platz 1 Tel. 02984 3400 www.krahuletzmuseum.at

Bärtige Jungfrau

Hl. Kümmernis, Museen der Stadt Horn. Foto: Wolfgang Andraschek

Schlanke Taille, zarte Hände, makelloses Gesicht mit einem gepflegten Bart: Nein, nicht unser aller Conchita Wurst, sondern die Statue der hl. Kümmernis. In den Museen der Stadt Horn hat sie nun einen Raum für sich allein. Rundum auf den Wänden kleben Dutzende Karikaturen und Zeitungsartikel: „Die bärtige Königin“, „Es geht um die Wurst“, „Conchita darf morgen nicht wieder Wurst sein“, „Cordobart“, „Ende der Wurststrecke“ … Darüber lächelt die Heilige milde. Die Kümmernis – auch hl. Wilgefortis genannt – ist eigentlich keine Heilige, ihre Person muss dem mythologischen Volksglauben zuge-

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Die Skulptur aus der Sammlung Höbarth in Horn ist aus Keramik gefertigt, ein Ölbildnis der „bärtigen Jungfrau“ findet sich im Stadtmuseum Neunkirchen. Im steirischen Geistthal (Bezirk Voitsberg) steht eine Statue der hl. Kümmernis aus der ersten Hälfte 18. Jahrhunderts. Sie wurde im Alpenraum verehrt, ist Patronin der Frauen und hilft bei sexuellen Angelegenheiten aller Art. Der Autor, Hirte und Senner Bodo Hell hat ihr zur Ausstellungseröffnung in Horn flugs ein Lied geschrieben (Auszug): o hl. Frau Kümmernis wie schön gewandet stehst du da samt deinen güldnen Schuhen, die Hände flach ans Holz gespießt hast keine Zeit zu Ruhen den Freier, der dir (vom Vater) zugedacht den wolltest du nicht nehmen dein Kreuz ziert jetzt so manchen Ort in Österreich/Bayern/Böhmen


Museumsdorf Niedersulz / 40

Kinderprogramme

EIN DORF FÜR DIE GANZE FAMILIE (Ent-)Spannung pur für alle – ohne Alterslimit – im größten Freilichtmuseum Niederösterreichs.

Originelle Stempel aus dem Garten – Workshop im Museumsdorf.

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Museumsdorf Niedersulz / 41

BITTE FOTO IN HÖHERER AUFLÖSUNG SCHICKEN!!!

Lebender Bauernhof: Zwergschwein Patek.

Dass das Museumsdorf Niedersulz ein Ort gelebter Weinviertler Volkskultur- und -architektur ist, ist bereits hinlänglich bekannt. Dass das Museumsdorf Niedersulz – österreichweit gesehen – ein farbenprächtiges „Garten-Juwel“ der ganz besonderen Arten ist, ist ebenfalls bestens in den Köpfen verankert. Allerdings: Haben Sie sich schon einmal überlegt, was dieses gewisse „Etwas“, dieses Besondere des Museumsdorfes ist, das man zu verspüren beginnt, wenn man die Treppen im MuseumsPortal hinunter schreitet? Und „schreiten“ muss man tatsächlich – denn dafür hat der Architekt des neuen Eingangsgebäudes bewusst und fast augenzwinkernd gesorgt. Im Museumsdorf dreht man automatisch und unbewusst die innere Uhr zurück. Man „entschleunigt“ – um es mit dem Trendwort dieser Tage auszudrücken. Der Lärm des 21. Jahrhunderts bleibt ebenfalls draußen – still und ruhig ist es im Museumsdorf. Da und dort ein Vogelgezwitscher, das Meckern einer Ziege, sogar die Akustik scheint sich an die Zeit von Damals angepasst zu haben. Das Wichtigste dabei: Das Museumsdorf ist keine Kulturdestination, die sich einer bestimmten Zielgruppe besonders und primär zuordnen lassen würde. Das Museumsdorf ist einfach für jede Altersgruppe gleichermaßen interessant, wissensvermittelnd, spannend und entspannend. Klingt komisch, ist aber so: Das Museumsdorf ist für alle da!

100 Prozent autofreie Zone Einfach im Sonnenschein am Dorfplatz im Garten des Dorfwirtshauses sitzen, es sich gut gehen lassen, seine Gedanken schweifen

Großer Spielplatz im Museumsdorf.

lassen oder einfach auf einer der zahlreichen Blumenwiesen unter einem Obstbaum Platz nehmen – was will man mehr! Ein „PomaliDorf “, ideal zum Ab- und Entspannen von den „Hektik-Wirren“ der heutigen Zeit.

„Wie es früher einmal war …“ Auch wenn man „nur“ durchs Dorf schlendert, bekommt man einen Einblick ins Damals. Man sieht und bemerkt, wie beschwerlich und schwierig der Alltag gewesen sein muss im Vergleich zur heutigen technisierten Welt. Im gesamten Grünraumbereich wird Authentizität gezeigt; Informationstafeln geben einen vertiefenden Einblick in Natur- und Kulturgeschichte. Kultivierung authentischer Pflanzenraritäten und regionaltypische Flora sind hierbei selbsterklärende Schlüsselwörter. Besonders die Kinder liegen dem Museumsdorf-Verantwortlichen am Herzen: Das Programmangebot für Kinder und Jugendliche ist vielfältig, breit gestreut und altersgerecht gestaltet – vom Melken mit dem Melksimulator am Bauernhof über Butterstampfen oder Geräteraten bis hin zum Kräuterzauber. „Henne, Ziege, Schwein“, „Schiefertafel, Butterfass und Baumpresse“ oder „Wagenrad, Leisten und Blasebalg“ sind nur einige der klingenden Titel der Kinder- und Jugendprogramme des Museumsdorfes. Die Familienführungen sind nicht nur für Kindergärten, Schulen oder andere Kinderinstitutionen geeignet, sondern können auch für Kleingruppen und Ferienausflüge individuell gebucht werden.

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„Basteln mit Naturmaterialen“ Erstmals wird heuer im Museumsdorf auch ein Sommerferienprogramm geboten: Kinder ab drei Jahren können gleich an vier verschiedenen Terminen im Juli und August duftende Seifenkunststücke mit getrockneten Kräutern und Blütenblättern selbst herstellen oder Geschirrhangerl mit originellen Naturstempeln aus Halmen, Gräsern, Blättern, geschnitzten Kartoffeln und farbenfrohen Stofffarben bunt bedrucken. Der kindlichen Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt! Bei den Familienführungen – jeden 1. und 3. Sonntag im Monat um 15.00 Uhr – können Kinder „Rätsel zu den Schätzen eines Weinviertler Dorfes um 1900“ mit Betty Bernstein im Museumsdorf hautnah erleben. Handwerksvorführungen an den Wochenenden von 13 bis 17.00 Uhr in der Schmiede, der Wagnerei oder Schusterwerkstatt zeigen den Besuchern die Arbeit im Alltagsleben eines Handwerkers von anno dazumal aktiv und machen sie mit allen Sinnen erlebbar! Einige Spezialführungen im Museumsdorf sind nicht nur ausschließlich für Erwachsene gedacht. So zum Beispiel geht es am 23. August „Mit Max und Moritz durchs Museumsdorf “. Man höre und staune: Im Museumsdorf lassen sich alle sieben Schauplätze von Max und Moritzens Streiche aus Wilhelm Buschs Klassiker finden. Und am 3. August erzählt Herr Oberlehrer a. D. Friedrich Wendy in den „Schulerinnerungen“ vom Schulalltag aus einer Zeit, als es noch die einklassige Grund- und Volksschule mit einem Lehrer und über 50 Kin-


Museumsdorf Niedersulz / 42

Bildunterschrift. Foto:

dern in vier Schulstufen gab. Wie sah eigentlich der Turnunterricht in einer Weinviertler Landschule im Winter aus? Man ging einfach Rodeln oder machte eine Schneeballschlacht – solche und ähnliche Schulanekdoten werden hier liebevoll zum Besten gegeben. Oder man geht einfach in den angrenzenden Schulgarten, bei dem nach dem „Learning by doing“-Prinzip unterrichtet wurde. Auch heute noch fasziniert der nach alten Plänen angelegte Schulgarten, der – noch nicht im Gendertrend – in einen mädchen- und einen bubenspezifischen Teil aufgeteilt wurde. Am 12. Juli findet zudem von Natur im Garten der Workshop „Basteln kleiner Nützlingsquartiere“ im Museumsdorf statt. Am lebenden Bauernhof sind alte Haustierrassen wie Schweine, Schafe, Ziegen, Gänse, Hühnervögel und Kaninchen ein Highlight vor allem für die kleinsten Besucher. Gestreichelt werden kann, darf und soll. Das haptische Erleben der Haustiere steht im Vordergrund – manches Mal auch das olfaktorische … Vor allem wird gezeigt, wie die Haustiere einst im Arbeits- und Dorfalltag eingebunden waren. Die beiden Zwergschweine Pondeli und Patek haben mittlerweile „Maskottchenqualitäten“ und sind seit Jahren der Renner.

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Also: „Back to the roots! Zurück zur Langsamkeit!“ Im Museumsdorf Niedersulz gibt es genug davon … / Text: Freya Martin

MUSEUMSDORF NIEDERSULZ

——————————————————— 2224 Niedersulz 250 Öffnungszeiten: tägl. 9.30– 18.00 Uhr (letzter Einlass: 17.00 Uhr) Tel. 02534 333 www.museumsdorf.at Di, 8. 7. u. 12. 8. 2014, 10.00–17.00 Uhr Blütenduft liegt in der Luft Seifenkunstwerke mit getrockneten Kräutern & Blütenblättern aus den Museumsdorf-Gärten und -Wiesen Di, 22. 7. u. 26. 8. 2014, 10.00–17.00 Uhr Originelle Stempel aus dem Garten Gschirrhangerl bunt bedrucken mit Naturstempelmotiven aus Feld und Flur Für Kinder ab 3 Jahre! Für Kleidungsschutz ist gesorgt! Kosten: Jeweils Euro 3,00 pro Bastelstück inklusive Material, ermäßigter Eintritt ins Museumsdorf

schaufenster / Kultur.Region / Juli/August 2014

MUSEUMSSHOP

——————————————————— Bio-Fruchtaufstrich aus dem Biobeerengarten der Familie Hummel aus dem nördlichen Weinviertel EUR 6,80 Verschiedene Sorten, Z. B. Himbeere, Heidelbeere Inmitten unberührter Natur im idyllischen Ort Loosdorf liegt der Biobeerengarten Hummel. Das Weinviertel mit seinen langen Sonnentagen lässt das Bio-Beerenobst wie Himbeeren, Heidelbeeren, Goldbeeren oder die Weinviertler Kiwi zu aromatisch süßen Früchten heranreifen … Das und noch viele regionale Spezialitäten und Besonderheiten mehr im Museumsshop des Museumsdorfes Niedersulz.


Porträt / 43

Eduard Suess

DER ERDFORSCHER Lokale Forschungen, globaler Impakt: 100. Todestag des Geologen Eduard Suess.

Probleme zu lösen galt. Suess’ Antwort war, reines Karstwasser von Rax und Schneeberg nach Wien zu leiten. Die Eröffnung der „Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung“ fand am 24. Oktober 1873 statt und liefert heute noch rund 40 Prozent des Wiener Wasserbedarfs.

Eduard Carl Adolph Suess (1831–1914). Foto: Geologische Bundesanstalt Wien

„In der Regel pflegte ich mit der Bahn nach Stockerau zu fahren; von dort führte mich, meistens bei Nacht, ein holpriger Stellwagen in oft sehr fraglicher Gesellschaft nach Meissau, Laa oder einen anderen Punkte des Arbeitsfeldes. – Ich erinnere mich besonders eins Tages, an dem ich von Laa aus durch die Alluvien der Thaja gestapft war, dann im Schloss zu Stronsdorf die Frau Gräfin Hardegg zur Tafel führen mußte und ich meine Fährten auf den Parketten wahrnahm“, nachzulesen ist dies in den „Erinnerungen“ von Eduard Suess. Geboren wurde Eduard Carl Adolph Suess am 20. August 1831 in London, wo sein Vater ein Wollgeschäft führte. Kindheit und Jugend verbrachte er in Prag, 1845 übersiedelte Familie Suess nach Wien, wo fortan

Suess seinen Lebensmittelpunkt hatte und auch am 26. April 1914 verstarb. Nach Studien am Polytechnikum (= TU Wien) fand er seine erste Anstellung (1852) am Hof-Mineralien-Cabinett (= Naturhistorisches Museum), wo er bis 1862 blieb, einem wichtigen Jahr in der Vita von Suess. Zum einen veröffentlichte er das Buch „Der Boden der Stadt Wien“, zum anderen wurde er – ohne (!) promoviert zu haben – zum Professor für Geologie und damit zum Begründer des Institutes an der Universität Wien ernannt. Suess forderte: „Es muss um jeden Preis verhindert werden, dass das Grundwasser der Leichenhöfe unter unsere Vorstädte hereintrete“ – damit wurde er zur treibenden Kraft bei der Wiener Wasserfrage, die es aufgrund massiver hygienischer

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Suess, der zu Begin seiner Karriere als Paläontologe arbeitete, widmete sich vermehrt Fragen des Gebirgsbaus, der Tektonik. Und so trägt sein zweites Hauptwerk (1875) den schlichten Titel „Die Entstehung der Alpen“. Hier postuliert Suess nicht nur seitlich wirksame Kräfte für den Gebirgsbau, sondern prägt Begriffe wie Atmosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre. Einmal mehr zeigt sich die Suess’sche Arbeitsweise, die von lokalen Beobachtungen ausgeht und daraus überregionale Phänomene ableitet. Eine umfassende Kenntnis der Literatur, ein weites Netzwerk, das ihn mit den Gelehrten seiner Zeit verband, war die Grundlage zu seinem Opus Magnum, dem „Antlitz der Erde“, dessen erster Band 1883 erschien und mit dem zweiten Teil des dritten Bandes 1909 vollendet wurde. Es folgten Übersetzungen ins Englische, Französische und Italienische. Zudem war Suess einer der Langzeitpräsidenten der Akademie der Wissenschaften (1898–1911) und auch politisch von 1863 bis 1897 aktiv (Wiener Gemeinderat und später als liberaler Reichsratsabgeordneter). Im Jahr 1879 wurde er in den Niederösterreichischen Landtag gewählt, wo er unter anderem als Landesschulinspektor tätig war und sich bei der Schulreform einbrachte. / Text: Thomas Hofmann


Wir setzen jede Bühne ins rechte Licht. Als zuverlässiger Energieversorger sind wir auch dort, wo die Kultur-Events in Niederösterreich stattfinden. Infos auf www.evn.at

Die EVN ist immer für mich da.

facebook.com/evn


Nachschau / 45

Tag der Musikschulen

EIN LAND VOLL MUSIK Die niederösterreichischen Musikschulen luden zum Kennenlernen ein.

58.000 Schüler werden zurzeit von 2.300 Lehrern an 131 niederösterreichischen Musikschulen unterrichtet. Sie alle prägen und gestalten das kulturelle Leben ihrer Region mit und fungieren somit als wichtige Kulturträger des Landes. Der Tag der Musikschulen zeigt die Arbeit hinter den Kulissen und soll auf die wichtige Kulturarbeit, die täglich an den niederösterreichischen Musikschulen passiert, aufmerksam machen. Ein abwechslungsreiches Programm zeigte die Vielseitigkeit der Musikschulen auf: da wurden Klassenabende veranstaltet, Instrumente vorgestellt und ausprobiert, Musicalvorstellungen abgehalten und Vermittlungsangebote präsentiert.

Orchester der Franz Schmidt Musikschule der Stadtgemeinde Perchtoldsdorf.

Musiktheaterklassen und Musikalische Früherziehung des Musikschulverbands Waidhofen/Ybbstal.

Musikschule Ottenschlag: Kinder der Elementarstufe sangen, tanzten und musizierten.

Instrumente erforschen und ausprobieren in Hainburg an der Donau.

Grenzüberschreitend: Blaskapelle der Musikschule Ořechov und Bläserklasse der Volksschule Hohenau.

Foto: NLK Pfeiffer

Davon konnte sich auch LandeshauptmannStellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka, der der Musikschule Mödling einen Besuch abstattete, ein Bild machen: „Der Tag der Musikschulen macht einmal mehr deutlich, wie vielfältig und facettenreich die Musikschulen unseres Landes sind.“ /

Kinderchor des Musikschulverbandes AllhartsbergKematen-Sonntagberg.

LH-Stv. Mag. Wolfgang Sobotka in der Beethoven Musikschule der Stadtgemeinde Mödling.

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Kultur.Region / 46

VOLKSMUSIKSENDUNGEN DES ORF Programmänderungen vorbehalten Detailprogramme: www.orf.at

ORF 2

——————————————————— Wetter-Panorama, täglich 7.15–9.00 Uhr Klingendes Österreich 15. 8., 20.15 Uhr: „Talein – Talaus“: Großarltal und Gasteinertal _

ORF 3

——————————————————— Unser Österreich Sa, 16.55 Uhr _

Saison

RADIO NIEDERÖSTERREICH

——————————————————— aufhOHRchen, Di, 20.00–21.00 Uhr Di, 1. 7.: Aus! Schluss! Ende! Gestaltung: Norbert Hauer Di, 8. 7.: Volkskultur aus Niederösterreich Gestaltung: Dorli Draxler Di, 15. 7.: Im Sommer hinaus auf’s Land Gestaltung: Edgar Niemeczek

Di, 26. 8.: Volksmusikalische Kostbarkeiten Gestaltung: Walter Deutsch „vielstimmig“ – Chorszene Niederösterreich, Do, 20.00–20.30 Uhr nächste Termine: 3. 7., 17. 7., 31. 7., 28. 8.

Di, 22. 7.: Volksmusikalische Kostbarkeiten Gestaltung: Walter Deutsch

G’sungen und g’spielt & Für Freunde der Blasmusik Mi, Do, 20.00–21.00 Uhr

Di, 29. 7.: Neues aus der Volksmusik Gestaltung: Edgar Niemeczek

Musikanten spielt’s auf Fr, 20.00–21.00 Uhr

Di, 5. 8.: Der Niederösterreichische Almwandertag Gestaltung: Hans Schagerl Di, 12. 8.: Volkskultur aus Niederösterreich Gestaltung: Dorli Draxler

2014

INTENDANZ: MARCUS STRAHL

Di, 19. 8.: Lebensraum Wald Gestaltung: Edgar Niemeczek

Frühschoppen So, 11.00–12.00 Uhr _

Wachaufestspiele Weissenkirchen

Freilichtaufführungen im historischen Teisenhoferhof (bei Schlechtwetter in der nahen Wachauhalle) Karten ab sofort über Öticket: 01/96 0 96. www.oeticket.com Ab April 2014 auch unter 02715/2268 und www.wachaufestspiele.com erhältlich.

Aus Anlass des zehnten Jubiläums führen die Wachaufestspiele 2014 „Der Hofrat Geiger“ auf. Nach dem Bühnenstück von Martin Costa wurde der Stoff 1947 mit Hans Moser, Paul Hörbiger und Maria Andergast in den Hauptrollen erstmals verfilmt. Die damals knapp 20 jährige Waltraut Haas debütierte als Tochter Mariandl. In den 70-er Jahren am Theater in der Josefstadt und 2005 bei den Wachaufestspielen spielte sie, unter der Regie von Erwin Strahl, die Mutter Marianne. Nun, zum zehnjährigen Jubiläum der Wachaufestspiele ist Waltraut Haas als die alte Wirtin Windischgruber zu sehen. Mit: Waltraut Haas, Verena Scheitz, Christian Futterknecht, Rudolf Pfister, Robert Notsch, Susanna Hohlrieder und Markus Freistätter. Regie: Marcus Strahl, Kostüm: Babsi Langbein, Bühne: Martin Gesslbauer.

30. Juli bis 31. August 2014 schaufenster / Kultur.Region / Juli/August 2014


Kultur.Region / 47

Kurse & Seminare

FORTBILDUNG Angebote zur Weiterbildung aus dem weiten Spektrum der Kultur.

VOLKSKULTUR ALS DIALOG – WIR UND DIE ANDEREN

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NÖ MUSEUMSKUSTODENLEHRGANG 2014/15

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AUSBILDUNG KINDER- UND JUGENDTANZLEITER/IN

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Start: 19.–20. 9. 2014 Brandlhof, Radlbrunn 24

Sommerakademie des Österreichischen Volksliedwerks Do, 27.–So, 30. 8. 2014 Gmunden am Traunsee „Volkskultur als Dialog“ versucht den vielfältigen Ausdrucksformen des „Wir und die Anderen“ nachzuspüren. Dabei werden geographische, kulturelle, religiöse und auf das Geschlecht bezogene Konfliktlinien in Vorträgen und Diskussionen thematisiert. Die Tagung bietet Raum, um gemeinsam über einen vernünftigen Umgang mit Grenzziehungen und ihren Markierungen nachzudenken. In Workshops werden vor allem Formen der Begegnungen und das Potenzial für kreative Schaffensprozesse aufgezeigt. Ein facettenreiches Abendprogramm mit Musik von Wien bis nach Simbabwe rundet das Angebot ab.. Anmeldung & Information Österreichisches Volksliedwerk 1010 Wien, Operngasse 6 Tel. 01 5126335 www.volksliedwerk.at _

In sechs einzeln buchbaren Modulen werden Kenntnisse und praktische Fertigkeiten für die tägliche Museumsarbeit vermittelt: von der Sammlungsdokumentation über Ausstellungsgestaltung bis zur Betriebsführung. Der Lehrgang findet im Brandlhof in Radlbrunn und im Haus der Regionen in Krems-Stein statt. Anmeldungen für die Teilnahme am gesamten Lehrgang bis 31. Juli erbeten. Buchung einzelner Module bis zwei Wochen vor dem Veranstaltungstermin. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich Tel. 02732 73999 18, fortbildung@noemuseen.at www.noemuseen.at _

KULTURVERMITTLUNG 2014/15

—————————————————————— Aus- und Weiterbildung Fr, 10.–Sa, 11. 10. 2014 Haus der Regionen, 3504 Krems-Stein Zertifizierter Basislehrgang und Seminarreihe für Personen, die im Kunst- und Kulturvermittlungsbereich tätig sind, oder sich in diesem Bereich weiterbilden und qualifizieren möchten. Sämtliche Seminarteile sind einzeln buchbar. Abendvorträge: Eintritt frei! Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich Tel. 02732 73999 18, fortbildung@noemuseen.at Anmeldungsfristen auf der Homepage beachten! www.noemuseen.at _ schaufenster / Kultur.Region / Juli/August 2014

Modul 1 Sa, 11. 10. 2014; Sa, 8. 11. 2014 Jeweils 9.00–16.00 Uhr Musikschule Wieselburg Referentinnen: Martina Gebhard, Julia Schenkermayr Kursinhalte: Kennenlernen überlieferter Tänze, Lieder und Spiele, Einführung in Tanzschlüssel und -beschreibungen, entwicklungsgerechte methodisch-didaktische Anregungen, kreativer Umgang mit Bewegung und Bewegungsformen, Vorstellen der Grundliteratur. Anmeldung & Information Kurskosten: EUR 70,00 / Mitglieder der Regionalkultur Niederösterreich: EUR 55,00 Anmeldeschluss: 26. 9. 2014 Tel. 0664 9608876 (Franz Huber) franz.huber@volkskulturnoe.at _


Kultur.Region / 48

Kultur.Region.Niederösterreich

INTERN Ein neues Buch, Reisen, Musical – die Kultur.Region ist ein weites Land.

WIR GRATULIEREN!

VON WIEN NACH MOSKAU

Ihren runden Geburtstag feiern unsere Ehrenmitglieder: Abg. z. NR a. D. Dr. Willi Fuhrmann (70), Burgauberg, 4. Juli Ing. Armin Farnleitner (60), Wiener Neustadt, 8. Juli Franz Riedl (65), Frankenfels, 11. Juli em. o. Univ.-Prof. DDr. Herbert Schambeck (80), Wien, 12. Juli Johann Gisperg (50), Teesdorf, 12. Juli Alexander Leitner (60), Furth an der Triesting, 13. Juli NR a. D. DI Franz Flicker (75), Oberrohrbach, 15. Juli Hans Hamberger (85), Spitz, 17. Juli Friedrich Brandl (65), Straß, 18. Juli Abg. z. NR a. D. Präs. Prof. Ewald Sacher (65), Krems, 3. August Bgm. Franz Seewald (65), Furth an der Triesting, 20. August HR Dr. Werner Galler (70), Wolkersdorf, 30. August

Der Wiener Ball in Moskau ist nicht nur ein gesellschaftliches Ereignis ersten Ranges, sondern einer der bedeutendsten und schönsten Ballveranstaltungen weltweit. Am 31. Mai 2014 feierten wir mit einem auserlesenen künstlerischen Programm, für das Stars der internationalen Opern- und Bühnenwelt verantwortlich zeichneten, und über 2.000 Gästen im Gostinij Dvor. Erstmals erlebten die Ballbesucher österreichische Folklore. Die Wieselburger Stammtischmusi gab Volksmusik zum Besten und drei Tanzpaare der Volkskultur Niederösterreich zeigten den begeisterten Gästen eine Potpourri österreichischer Volkstänze.

Ihren runden Geburtstag feiern unsere Mitglieder: DDr. Hans Wagner (60), Wien, 2. Juli Helmut J. Wagner (80), St. Pölten-Wagram, 19. Juli Stefan Messner (60), Wien, 21. Juli Johann Ertl (75), Großschönau, 26. Juli Prof. Gerhard Langsteiner (70), Mautern an der Donau, 19. August

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VOM HIRTENTRAUM ZUM WALLFAHRTSORT

Ihren besonderen Geburtstag feiern unsere Ehrenmitglieder: StRin a. D. Margarethe Deißenberger, Krems, 1. Juli Maria Fuchs, Frankenfels, 5. Juli Rosa Plankenbichler, Göstling an der Ybbs, 21. Juli _

NEUE MITGLIEDER

Gemeinschaften Tourismusverein Spitz, Bgm. Dr. Andreas Nunzer, Spitz Volkstanzgruppe Hernstein, Michaela Postl, Hernstein

In der bis auf den letzten Platz gefüllten Basilika am Sonntagberg präsentierte die Kultur.Region.Niederösterreich am 3. Juni 2014 den prachtvollen Text- und Bildband „Sonntagberg. Vom Hirtentraum zum Wallfahrtsort“. Im Bild v. l. n. r.: Norbert Gollinger, Landesdirektor ORF NÖ, Edgar Niemeczek, Kultur.Region Niederösterreich, Petrus Pilsinger, Abt des Stifts Seitenstetten, Autor Franz Überlacker, LH-Stellv. Wolfgang Sobotka, Dorli Draxler, Volkskultur Niederösterreich.

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Unterstützende Mitglieder: MinR Dr. Sàrolta Schredl, Wien Werner Mittermayer, MA, Randegg


Kultur.Region / 49

KUNSTSCHULREISE

Zwischen Himmel und Erde

ZEIT NEHMEN „Wir wollen von Europas Besten lernen“, erklärte Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka und begab sich von 21. bis 22. Mai 2014 auf eine Exkursion zu führenden Kunstschulen in Deutschland und den Niederlanden. Begleitet wurde Sobotka von Mag. Michaela Hahn, Geschäftsführerin des Musikschulmanagement Niederösterreich, und Mag. Rafael Ecker, dem Geschäftsführer der NÖ KREATIV GmbH. Die NÖ KREATIV GmbH ist seit Anfang des Jahres ein Teilbetrieb der Kultur.Region Niederösterreich, arbeitet seither intensiv mit dem Musikschulmanagement zusammen und kann bereits erste Erfolge vorweisen: Ab Herbst 2015 starten in ganz Niederösterreich Pilotstandorte, an denen die Leistungspalette der Kreativakademien Niederösterreich und der Musikschulen gemeinsam angeboten wird. Arbeitstitel: „Niederösterreichische Kunstschulen“. Im Bild: Rafael Ecker und LH-Stellv. Wolfgang Sobotka beim Besuch deutscher und niederländischer Kunstschulen. Foto: C. Reiter _

AB IN DEN WALD

Unsere Zeit ist so schnelllebig, dass wir nicht einmal Zeit finden, uns welche zu nehmen.

Wie oft hört man den Seufzer: Ich habe keine Zeit. Angeblich hat das der deutsche Kaiser Wilhelm I. auf dem Sterbebett im Jahre 1888 gesagt: Ich habe (jetzt) keine Zeit, müde zu sein. Andere wieder sagen: Zeit ist Geld; eine Übersetzung des englischen Sprichwortes „time is money“, das auf eine Bemerkung des griechischen Philosophen Theophrastos (gestorben 287 v. Chr.) zurückgeht. Auch der Kirchenlehrer Augustinus schreibt in seinen Lobpreisungen. („Confessiones“): „Durch die Zeit ist meine Wunde gelindert worden“ („Tempore lenitum est vulnus meum“), woraus das Sprichwort entstand: Zeit heilt alle Wunden. Auf jeden Fall ist die Zeit etwas Kostbares geworden, speziell wenn wir an die Lebenszeit denken. Wir verbringen eine zeitlang hier auf Erden und treten dann den Heimgang zu unserem Schöpfer an, der ewiges Leben für uns bereithält. Deshalb nützen wir diese Lebenszeit, die manchmal zu einem heiß umkämpften Gut geworden ist. Schon der römische Kaiser Marc Aurel rät zu gewissenhaften Umgang mit der knappen Lebenszeit: Lebe so, als müsstest du sofort Abschied vom Leben nehmen, als sei die Zeit, die dir geblieben ist, ein unerwartetes Geschenk. Zeitknappheit ist also nichts Neues. Aber vielleicht ist sie heute noch größer, weil der deutsche Publizist sagt: Unsere Zeit ist so schnelllebig, dass wir nicht einmal Zeit finden, uns welche zu nehmen.

Das Projekt „wir sind bühne.musical“ des Musikschulmanagement Niederösterreich unter der künstlerischen Leitung von Luzia Nistler findet in Kooperation mit den Musikschulen der Region Waldviertel statt. Insgesamt gibt es sieben Vorstellungen, vier in Horn und drei in Yspertal. Informationen und Spieltermine auf www.musikschulmanagement.at Im Bild v. l. n. r.: Maria Fritz (W. A. Mozart Musikschule Horn / Aschenputtel), Luzia Nistler (künstlerische Leitung), Anna Machhörndl (Musikschule Wachau / Rotkäppchen), Peter Raftl (Privatunterricht / Aschenputtels Prinz, Wolf).

Daher mein Vorschlag: Nehmen wir uns Zeit für die Zeit! Spüren wir wieder einmal, wie lang eigentlich eine Minute ist, wenn wir nichts anders tun, als zu spüren. Je bewusster wir mit unserer Zeit umgehen, desto eher schenkt sie sich uns. Denn wer sich keine Zeit nimmt, wird nie welche haben. / Abt Matthäus Nimmervoll

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Die letzte Seite / 50

2nd LIFE Diese Mühle steht auf einer Moldauinsel in Prag. Hier fahren im Viertelstundentakt die Müllwägen der Stadt vor und laden Abfall und Schutt ab. Ein Mann, er wurde vom Kapitalismus aus seinem Arbeitsplatz gekippt, fand ein neues Geschäftsfeld. Er zermahlt den Ziegelschutt

der Stadt für die Sandplätze des Tennissports. Anschließend füllt er den Ziegelsand in Säcke ab und liefert sie an Tennisclubs. Rafael Nadal, erster der Weltrangliste, wird der „Sandkönig“ (King of Clay) genannt. Ihm würde es hier bestimmt gefallen. / Foto: Ernst Spycher

Landeinwärts

UNGELÖSTE FRAGEN

Im Sommer soll doch Zeit sein, um über ungelöste Fragen nachzudenken. Nicht die der Menschheit an sich, sondern solche, sondern solche die ins Urlaubsgepäck passen. Warum findet die Wäsche zielgenau in den mitgewaschenen Bettdeckenbezug? Warum entscheiden sich nicht ein paar Handtücher

oder Unterhosen dagegen? Man kennt das: Man nimmt die Wäsche aus der Maschine – und besagter Bettdeckenbezug ist zu einem riesigen, schweren Sack geworden. Sie werden jetzt gleich sagen, dass man genau deswegen den Bezug zuknöpft, bevor er in die Waschmaschine geht. Das aber löst nicht die nächste Frage: Warum lässt die Waschmaschine Socken verschwinden? Dieses Phänomen ist so bekannt, dass man sich im niederösterreichischen Herrnbaumgarten für einen Sockenlehrpfad entschieden hat.

Unbeantwortet blieben bis jetzt auch, ob es in einer Teefabrik Kaffeepausen gibt und wieso die Türen von 24-Stunden-Tankstellen eigentlich Schlösser haben? Warum frisst man ausgerechnet einen Besen, wenn man sich ärgert? Warum nicht eine Leiter? Was fühlt ein Schmetterling im Bauch, wenn er verliebt ist? Als Kind habe ich von Schmetterlingen in Bauch noch nichts gewusst und mich in Sommernächten mit einer Frage beschäftigt: Warum glühen Glühwürmchen nicht, wenn man sie fängt?

Somit wären wir beim Thema Gehen. Noch ist nicht geklärt, woher das Hatschen kommt. Manche sind davon überzeugt – und ich gehöre zu dieser Fraktion –, dass sich Hatschen von Haddj (auch Hadsch geschrieben), der Pilgerreise nach Mekka, ableitet. Andere meinen, es könnte aus dem tschechischen Wort „chodit“, das gehen oder wandern bedeutet, entstanden sein.

Und warum finden sich Sachen, die man sucht, erst dann, wenn man sie nicht mehr sucht? In diesem Sinne – einen guten Sommer mit vielen Fragen und einen Bettbezug voller Antworten wünscht

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Mella Waldstein


Damit Visionen Wirklichkeit werden, ermöglicht Raiffeisen viele Kulturveranstaltungen durch seine regionalen und lokalen Förderungen. Denn Realisierung und Erfolg von Kulturinitiativen hängen nicht nur von Ideen, sondern auch von finanziellen Mitteln ab. Gemeinsam ist man einfach stärker. www.raiffeisen.at


U4 FEHLT!


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