Schaufenster Kultur.Region Februar 2014

Page 1

Nachrichten aus der Kultur.Region Niederösterreich . Februar 2014

schaufenster

KULTUR.REGION 365 Tage Kultur Neu in der Kultur.Region / Kreativakademien Niederösterreich

P.b.b. · Vertragsnummer 10Z038552S · Erscheinungsort: 3452 Atzenbrugg · Verlagspostamt: 3451 Michelhausen · DVR: 0933 295

Thema / 1914 . Forschung / Türkische Hochzeiten


WIEN NORD

Z T U H . C L S L A M R U E D B N Ü U D R . N S U A R D E N M E F M I F A H C S WIR lus p l l a f n U

, reizeit F , f u r e tz für B e n s t i herhe egs. l ls s Unfa Das Sic und unterw e n i e n se Folge zu Hau ziel len

eit nan r r den fi r, weltw o h v a J e inier ba i e b S z t n m z a o t g k ü das uel l p Sch ie Uhr, individ d e n m i e u t d b au s p Run s tu n g s i e L e l ib hrem p F l ex n bei I hrer Nähe. e n o i t I a nform anz in Me h r I e n b e r a te r g nd NV-Ku vers.at oe e www.n eser vic t! g e fl P n it Jetzt m a-Manageme h e und R

NEU:

Niederösterreichische Versicherung AG Neue Herrengasse 10 3100 St. Pölten www.noevers.at

Die Niederösterreichische Versicherung

Wir schaffen das.


EinBlick / 3

1914–2014

AUS DER GESCHICHTE LERNEN

Mit nationalistischen Attitüden und purem Populismus wird es nicht gelingen, ein geeintes und in jeder Hinsicht friedvolles Europa zu bauen.

Vor 100 Jahren, Anfang Februar 1914, wurde die elektrische Eisenbahnverbindung zwischen Wien und Pressburg eröffnet. Heute ist diese Bahnlinie Geschichte, als Symbol für ein einiges Europa wird an die alte „Viedenská elektriška“ aber gerne erinnert. Die späteren Ereignisse des Jahres 1914 werden heuer anlässlich des Gedenkens den Beginn und die Folgen des Ersten Weltkriegs in vielen Publikationen, Reportagen und Ausstellungen thematisiert, in Niederösterreich auf Schloss Schallaburg unter dem Titel „Jubel & Elend“. Aus der Geschichte lernen, lautet der Subtext zu all diesen Projekten. „Von der Humanität durch Nationalität zur Bestialität“, so warnte schon im 19. Jahrhundert der Dramatiker Franz Grillparzer vor jenen Entwicklungen, die im 20. Jahrhundert als Epoche großer Tragödien Realität wurden. Dennoch bedient sich auch heute da und dort billiger Populismus nationalistischer Argumente, wenn Bürger anderer Staaten oder Regionen irgendwelche negativen Eigenschaften angedichtet werden. Dabei erinnert einiges an die alte Völkertafel, die im Österreichischen Museum für Volkskunde aufbewahrt wird und die eine bebilderte Zusammenstellung europäischer Völker samt Zuschreibungen verschiedener Eigenschaften enthält: vom hochmütigen Spanier bis zum verräterischen Ungar. Auch in der Gegenwart werden Populisten nicht müde zu behaupten, welche Menschen welcher Herkunft etwa das Sozialsystem missbrauchen, Arbeitsplätze wegnehmen, als kriminell einzustufen sind oder – welche Ungeheuerlichkeit – gratis auf innergemeinschaftlichen Autobahnen fahren.

Problematisieren allein bringt aber noch keine Lösungen. Erst die solide Kenntnis von Interessen, ein fairer Ausgleich und Handschlagqualität sichern ein tragfähiges Ergebnis. So gesehen werden Kulturarbeit und Bildung zu wesentlichen Voraussetzungen dabei, den Intelligenztest gegenüber reinem Populismus zu bestehen. Vor rund 100 Jahren eröffnete Coco Chanel in Paris ihren ersten Modesalon und entwickelte als einflussreiche Designerin einen weltweit beachteten Stil speziell für Damenkleider. Ziemlich zeitgleich gründeten Josef Hoffmann, Koloman Moser und der Industrielle Fritz Wärndorfer die Wiener Werkstätte als Produktionsgemeinschaft bildender Künstler mit dem Ziel, dem Kunstgewerbe neue Qualitäten zu verleihen. Produziert wurden vor allem Möbel, Schmuck und Gebrauchsgegenstände. Wie wäre das 20. Jahrhundert wohl verlaufen, hätten nicht Nationalismus, Völkerfeindschaften und Kriege dominiert, sondern der ohnedies vorhandene Wettbewerb im Künstlerischen und Kreativen. An den Akteuren der Gegenwart – also an uns allen – liegt es, dass sich diese Geschichte nicht wiederholt, sondern ein kulturell durchflutetes und vor allem friedliches Zusammenleben möglich ist. Dorli Draxler, Edgar Niemeczek

MUSIKSCHUL management KULTUR . REGION NIEDERÖSTERREICH

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Top-Termine / 4

Saison 2014

TOP-TERMINE

MUSEUMSDORF NIEDERSULZ

aufhOHRchen 2014

—————————————————— Saisoneröffnung: Di, 15. 4. 2014 2224 Niedersulz 250 ——————————————————

—————————————————— Do, 12.–So, 15. 6. 2014 3443 Sieghartskirchen ——————————————————

Interessant, abwechslungsreich und spannend gestaltet sich das Programm 2014: Zahlreiche Veranstaltungen wie das Kinderund Spielefest (1. 6. 2014) sowie die Thementage mit dem Waschtag (21. 6. 2014), das Naturgartenfest (13. 9. 2014), der Tag der Pferdekraft (27. 9. 2014) oder „Federn schleiß’n und Striezel posch’n“ (26. 10. 2014) sind nur einige davon.

Seit mehr als 20 Jahren wandert das Niederösterreichische Volksmusikfestival aufhOHRchen durch die Regionen Niederösterreichs. Heuer gastiert das Musikfest von 12. bis 15. Juni in Sieghartskirchen, Bezirk Tulln. Vier Tage lang verschmelzen Hochkultur und Volkskultur, Traditionelles und Innovatives zu einer Einheit, die den Reiz des Festivals ausmacht. Zu den aufhOHRchen-Programmpunkten zählen Podiumsdiskussion, Tag der Jugend – Konzerte der Pflicht- und Musikschulen, Wirtshausmusik, Chöre- und Blasmusiktreffen, Pferdegespannfahrten & Kranzlstechen, Volkstanz, Abendkonzert, musikalisch gestaltete Gottesdienste sowie ein großes Finale mit buntem Sänger- und Musikantentreffen.

Die Volksschule aus Gaiselberg wird in der Saison 2014 um eine Schulausstellung ergänzt werden, die das Leben eines Dorflehrers beleuchtet. Am 18. Mai 2014, dem Internationalen Museumstag, wird eine Statue des hl. Nepomuk im Museumsdorf präsentiert und gesegnet. Die Kooperation mit „Natur im Garten“ wird 2014 weiter intensiviert: Die regionale „Natur im Garten“-Beratungsstelle für das Weinviertel wird nunmehr im Museumsdorf Niedersulz stationiert sein. Öffnungszeiten: 15. 4.–26. 10. 2014, tägl. 9.30–18.00 Uhr

TAG DER NÖ MUSIKSCHULEN —————————————————— Fr, 9. 5. 2014 Niederösterreichweit —————————————————— „Ein Land voll Musik“ heißt es am 9. Mai 2014. Denn da öffnen die 131 niederösterreichischen Musikschulen ihre Pforten und laden Jung und Alt zum Kennenlernen ein. Insgesamt werden an Niederösterreichs Musikschulen 56.000 Schüler von 2.300 Lehrern mit etwa 35.000 Wochenstunden betreut. Damit ist im Vergleich mit anderen Bundesländern die höchste Versorgungsdichte gegeben. Ob beim Instrumentenausprobieren oder einer Musicalproduktion: Von Konzerten bis zum Aktivprogramm decken die Musikschulen eine breite Palette an Veranstaltungen ab und bieten den Besuchern am „Tag der Musikschulen“ einen vielfältigen Einblick. —————

aufhOHRchen ist ein Fest für alle Generationen und bindet alle Kulturschaffenden einer Region mit ein: vom Volksschulkind über die Musikschulen, von Chören über Volkstanzgruppen bis zu Hobby- und Profimusikanten.

—————

Information

—————

Information

Musikschulmanagement Niederösterreich Tel. 02742 90666 6106 katharina.heger@musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at

Information

Museumsdorf Niedersulz Tel. 02534 333 www.museumsdorf.at

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Claudia Lueger aufhOHRchen@volkskulturnoe.at www.aufhohrchen.at


Inhalt / 5

Februar 2014

INHALT LH-Stv. Wolfgang Sobotka 365 Tage Kultur

6 /

Chorszene Niederösterreich Österreich singt

8 /

Tanzforum Niederösterreich Tanzgruppe „taktvoll“

—————— Kolumne

Zwischen Himmel und Erde

—————— Kreativakademie

9 /

Talente fördern ——————

Haus der Regionen Jahresvorschau

12 /

——————

Haus der Regionen Alpensaga

14 /

——————

Thema 1914 Kriegsliebe

16 /

——————

22 /

23 /

——————

20 /

Notenschrift ——————

——————

Thema 1914 Der Mensch hinter

41 /

der Fassade

—————— Waldviertel

Niederösterreichischer Museumstag 20 Jahre Museumstage

26 / Mühlen am Kamp

und an der Krems

——————

Weinviertel Ziegelöfen

28 /

——————

Mostviertel Handwerk

30 /

Lodenerzeugung

Kultur.Region Fortbildungen

Musikschulen Die Entwicklung der

auf der Schallaburg

24 /

——————

Industrieviertel Faschingsgilden

und andere Hauskalender

38 /

——————

Kalender Der „hinkende Bote“

18 /

Thema 1914 Jubel & Elend

——————

33 /

——————

43 /

—————— Museum

44 / Hafnerbach

——————

Theater im Museum Schäggsbia in ana dua

45 /

——————

15 Jahre Essl Museum Interview mit Agnes und

46 /

Karlheinz Essl

—————— Kultur.Region

——————

48 / Intern

Forschung

——————

in Niederösterreich

——————

36 / Türkische Hochzeiten

——————

50 / Die letzte Seite

IMPRESSUM Herausgeber: Prof. Dr. Edgar Niemeczek, Dorothea Draxler. Chefredakteurin: Mella Waldstein. Redaktionsteam: Karin Graf, MA, Mag. Michaela Hahn, Mag. Katharina Heger, Mag. Marion Helmhart, Mag. Andreas Teufl, DI Claudia Lueger, Dr. Freya Martin, Dr. Veronika Plöckinger-Walenta, Mag. Ulrike Vitovec, Mag. Anita Winterer, Mag. Eva Zeindl, Michaela Zettl, Mag. Doris Zizala. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ausgabe: Mag. Doris Buchmann, Mag. Gabriele Burian, Mag. Thomas Hofmann, Mag. Peter Fritz, Mag. Matthäus Nimmervoll, Mag. Franz Pötscher, Mag. Christian Rapp, Carina Rausch BA, Dr. Helga Maria Wolf. Produktionsleitung, Marketing, Anzeigen und Beilagen: Mag. Marion Helmhart. Eigentümer/Medieninhaber: Volkskultur Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg, Schlossplatz 1, FN 308711m, LG St. Pölten. Tel. 02275 4660, office@volkskulturnoe.at, www.volkskulturnoe.at. Geschäftsführung: Dorothea Draxler, Mag. Dr. Harald Froschauer. Sekretariat: Petra Hofstätter, Tina Schmid. Grafik/Layout: Atelier Olschinsky Grafik und Design GmbH, 1060 Wien. Druck: good friends Druck- und Werbeagentur GmbH. Verlagspostamt: 3451 Michelhausen. Versandpostamt: Postamt 3112 St. Pölten. ISSN 1680-3434. Copyrights: Kultur.Region.Niederösterreich GmbH, 3452 Atzenbrugg. Artikelübernahme nur nach Vereinbarung mit dem Herausgeber. Fotos: Wenn nicht anders angegeben, Bildarchiv der Volkskultur Niederösterreich GmbH. Ziel der Zeitung: Information und Berichterstattung über Kunst und Kultur und ihre gesellschaftlichen Bedingtheiten mit besonderer Berücksichtigung der Regionalkultur im Bundesland Niederösterreich, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, Ankündigungen und Hinweise. Alle in der Zeitschrift verwendeten Begriffe, Personen- und Funktionsbezeichnungen beziehen sich ungeachtet ihrer grammatikalischen Form selbstverständlich in gleicher Weise auf Frauen und Männer. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers und der Redaktion widerspiegeln. Coverfoto: NÖ KREATIV GmbH / photo-graphic-art.at

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Interview / 6

Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka

365 TAGE KULTUR Landeshauptmann-Stellvertreter Wolfgang Sobotka, bereits seit 2005 in der NÖ Landesregierung zuständig für das NÖ Landesarchiv, das Institut für Landeskunde, die NÖ Landesbibliothek und seit der Landtagswahl 2013 zusätzlich für Musikschulen sowie seit vielen Jahren Initiator der Kreativakademien, über musische Bildung, Kultur und Niederösterreichbewusstsein. Dorli Draxler und Edgar Niemeczek sprachen mit ihm.

„Ich halte die kreative Ausbildung entscheidend für das spätere beruf liche Leben!“. Fotos: Helmut Lackinger

Dorli Draxler: Vor wenigen Tagen konnten wir dich als leidenschaftlichen Dirigenten des Waidhofner Kammerorchesters erleben. Gehst du damit einer rein privaten Vorliebe nach oder bedeutet dies damit auch ein politisches Statement? Wolfgang Sobotka: Beide Positionen stehen in Verbindung und als Politiker bringt man sich ganz einfach in die Gesellschaft ein. Musikausübung begleitet mich seit meiner Kindheit. Seit 45 Jahren bin ich im Waidhofner Kammerorchester sowohl als Cellist als auch als Dirigent tätig. Unser Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll meinte, in Nieder-

österreich solle man zumindest in drei Vereinen aktiv sein. Diesen Aufruf unseres Landeshauptmanns beherzige ich gerne. Früher engagierte ich mich in noch mehr Vereinen! Heute gehöre ich dem Kammerorchester Waidhofen an, wo ich genauso Noten schlichte und mich einbringe wie jede und jeder andere auch. Weiters bin ich im Musealverein Waidhofen an der Ybbs und in der Sportunion aktiv. Edgar Niemeczek: Nach 16 Jahren in der niederösterreichischen Landesregierung und Zuständigkeiten für Finanzen, Raumordnung, Umwelt oder Gesundheit bist du nach

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

der Landtagswahl 2013 gemäß Ressortverteilung auch für die Musikschulen unseres Bundeslandes zuständig. Ist hier eine besondere Strategie herauszulesen? Hat das mit deinem speziellen Engagement für den Kreativbereich zu tun? Wolfgang Sobotka: Politisch habe ich in erster Linie immer mit Finanzen zu tun gehabt, auch seinerzeit als Stadtrat in Waidhofen an der Ybbs. Warum ich die Verantwortung für die Musikschulen übernommen habe resultiert daraus, dass der Landeshauptmann die Zusammenarbeit mit den Kreativakademien, die ich gegründet habe,


Interview / 7

und den Musikschulen intensivieren will. Die Begrifflichkeit der Kunstschule würde dann den gemeinsamen Nenner ergeben. Das finde ich nicht nur aus kulturellen, sondern vor allem aus bildungspolitischen Aspekten sinnvoll, denn wesentlich in der Entwicklung des Menschen sind eine musische und eine humanistische Ausbildung. Kognitive Fähigkeiten sind notwendig, aber auf diese konzentriert sich der Bildungskanon ohnedies. Die Frage, wie kreative Fähigkeiten entwickelt werden, ist aber nie in entsprechendem Maße zur Diskussion gestanden. Ich halte die kreative Ausbildung für entscheidend. Wer beispielsweise zwei Jahre ein Instrument gelernt hat, wird diese Fähigkeit für sein späteres berufliches Leben nützen können: in der Disziplin, der Genauigkeit, der Sensibilität. All dies sind entscheidende „skills“, die man für die eigene Persönlichkeit mitnehmen kann. Edgar Niemeczek: Hinsichtlich der musischen Erziehung werden da und dort Mängel im Ausbildungssystem geäußert. Dazu kommen Diskussionen über Zuständigkeiten und Struktur. Wie sieht der niederösterreichische Weg aus? Wolfgang Sobotka: Gewisse Ziele kann das Regelschulwerk nicht abdecken. Beispielsweise kann die Schule keinen Einzelunterricht im Hinblick auf die Aufnahme an eine Kunst-Universität anbieten. Daher sind wir im Land Niederösterreich dazu angehalten, all das, was sich im musisch-kreativen Bereich an einer universitären Ausbildung orientiert, selbst zu entwickeln. Natürlich in einer engen Verflechtung mit den Schulen. Defizite wird es allerdings immer dort geben, wo wenig angeboten wird. Dorli Draxler: Wenn wir jetzt eine Zwischenbilanz ziehen: Wie sieht diese deiner Einschätzung nach im Musikschulwesen oder ganz allgemein im Kreativbereich aus? Wolfgang Sobotka: Die Musikschulen Niederösterreichs entwickelten sich durch das Musikschulgesetz aus dem Jahr 2000 in eine hervorragende Richtung, auch aufgrund der Tatsache, dass die Gemeinden die Möglichkeit haben, erstklassige Pädagoginnen und Pädagogen zu beschäftigen. Darüber hinaus stellt es sich als gelungen heraus, dass die Verantwortung dezentral belassen wurde.

„Überall gilt: Basis für jede erfolgreiche Entwicklung ist die Eigeninitiative.“

Die Verantwortung wird dort schlagend, wo sie gesteuert wird. Das Land Niederösterreich übernimmt hierzu die Rolle als Finanzier, sorgt für die Kontrolle der Qualitätskriterien sowie für notwendige Initiativen und Perspektiven. Das Ergebnis kann sich mittlerweile sehen lassen: Wir haben eine gewichtige und breit aufgestellte Kulturszene, die regional stark verwurzelt ist. Das Blasmusikwesen erfreut sich über einen Qualitätsschub, der ohne Musikschularbeit nicht denkbar gewesen wäre. Dass viele Kinder und Jugendliche ein Instrument lernen, ist eine Qualität für die Gesellschaft an sich. Schlussendlich zeigt sich der Erfolg der Musikschulen aber auch in den vielen Wettbewerben, da ist Niederösterreich hervorragend positioniert. Darüber hinaus leisten die Musikschulen eine wesentliche kulturelle und pädagogische Arbeit für die Gemeinden bzw. die Regionen. Dorli Draxler: Dazu nachgefragt: Ist das Singen so wichtig wie das Sprechen? Wolfgang Sobotka: Das Singen ist deswegen so wichtig, da es etwas ganz anderes anrührt als das Sprechen. Dort, wo die Sprache aufhört, fängt die Musik an. Singen ist wichtig für ein ausbalanciertes Leben. Singen ist die „urmusische“ Ausbildung: Jeder Instrumentalist sollte seine Stimme, die er spielt, auch singen können. Edgar Niemeczek: Die Kultur.Region.Niederösterreich als Holdinggesellschaft vereint Bereiche wie Museen, Basiskultur, Chorwesen, Musikschulen oder Kreativakademien – wie passt das alles zusammen? Wo siehst du Gemeinsamkeiten, wo Gegensätze?

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Wolfgang Sobotka: Die Wirksamkeit all dieser Institutionen ist in den Regionen spürbar. So konnte sich eine lebendige Kultur- und Bildungsszene entwickeln, die vor Ort wächst, vor Ort greifbar und vor Ort verankert ist. Das ist der große Unterschied zu allen anderen Organisationsformen im Kulturbereich, die punktuell oder temporär wirken. Die Kultur.Region.Niederösterreich steht für Nachhaltigkeit an 365 Tagen im Jahr. Sie verändert und belebt sowohl Bewusstsein als auch Lebensumfeld. Obendrein ist sie mit anderen Kulturinstitutionen gut vernetzt und macht die Menschen auf die vielen kulturellen Schätze aufmerksam. In diesem Zusammenhang präsentiert sich das „Schaufenster Kultur.Region“ als besonders gelungenes Produkt, weil sich darin die breite Themenpalette wiederfindet. Mittlerweile ist ein Niederösterreichbewusstsein entstanden, wie es früher in diesem Ausmaß nicht vorhanden war. Man definierte sich weniger als Niederösterreicherin oder Niederösterreicher, sondern vielmals als Amstettner oder als Waldviertlerin. Anfang der 1990er Jahre sahen sich nur 16 Prozent der Bevölkerung als Niederösterreicher. Das Landesbewusstsein stieg erst maßgeblich mit dem Wachsen der kulturellen Identität. Edgar Niemeczek: Kulturarbeit kann neben der Ausbildung spezieller Kompetenzen auch allgemeineren Ziele dienen, etwa einer demokratischen Gesellschaft oder dem Frieden. Man sagt ja: Wer miteinander singt, schlägt sich nicht gegenseitig den Schädel ein. Wolfgang Sobotka: Richtig! Nicht nur die Kulturarbeit, auch der Sport ist hier zu nen-


Interview / 8

Zwischen Himmel und Erde

NEUES LERNEN „Die Kultur.Region.Niederösterreich steht für Nachhaltigkeit an 365 Tagen im Jahr.“

nen. Alles, was nicht kognitiv, sondern auch emotional und körperlich bildet, prägt den Menschen und ist unverzichtbar. Bildungsarbeit hat einen zentralen Stellenwert. Menschen, die sich damit beschäftigen, wissen das auch. Die Politik soll den Anstoß geben, dass diese Sichtweise allgemein akzeptiert wird. Dorli Draxler: Welche konkreten Initiativen willst du in den nächsten Jahren angehen? Wolfgang Sobotka: Dort, wo wir bisher erfolgreich waren, gilt es weiter aufzubauen, wie etwa beim überregionalen Ensemblemusizieren. In der Musikschullehrerausbildung wollen wir neue Wege gehen, insbesondere in Zusammenarbeit mit den Universitäten. Weiters gilt es, die Schere zwischen Schülern, die auf Wettbewerbsniveau spielen, und solchen, die es „einfach so“ tun, nicht zu sehr auseinandergehen zu lassen. Selbstverständlich möchten wir experimentieren und neue Formen der Musikpräsentation entwickeln. Nicht vergessen sollten wir aber auch auf alte Tugenden, wie Zuhören, Zeit aufwenden, Genauigkeit entwickeln oder die Feinnervigkeit ausbilden. In der Musikvermittlung wollen wir uns nicht alleine auf aktive Musiker und Sänger konzentrieren, sondern alle ansprechen. Stichwort: interessiertes, kompetentes und verstehendes Publikum. Dorli Draxler: Auch in der Musik gilt: Auf der einen Seite sind die Konsumenten, auf der anderen Seite die Produzenten. Geht auch hier eine Schere auf? Wolfgang Sobotka: Entwicklungen, die ablaufen, müssen wir zunächst einmal als Phänomen stehen lassen, dennoch: Einfache musikalische Formen haben Berechtigung und verdienen Anerkennung, ob im Freundeskreis, in der Familie, im Kindergarten oder in Schulklassen. Musik soll ja nicht nur der Präsentation wegen existieren. Man könnte – nur so als Idee – in einer Musikstunde die ganze Familie zum Musizieren einladen. Edgar Niemeczek: Ist da der Sport beispielgebend? Viele betreiben Sport, ohne an Spitzensport zu denken? Wolfgang Sobotka: Schön wär’s! Auch hier ist noch viel zu machen, sowohl im Sport als auch in der Kulturarbeit und in der Bildung. Doch überall gilt: Basis für jede erfolgreiche Entwicklung ist die Eigeninitiative. /

Erst wenn du etwas tun darfst und damit auch Verantwortung übernimmst, lernst du wirklich. Aus meiner Gymnasialzeit ist mir ein Ausspruch des Lateinprofessors in lebhafter Erinnerung geblieben: „Und bist du alt wie eine Kuh, du lernst noch immer was dazu!“ Diese öfter wiederholte Äußerung war nicht sosehr als Zeichen der Demut gemeint, sondern eher als Aufmunterung für uns gedacht. Denn wie langweilig wäre das Leben, wenn wir schon alles wüssten und nichts mehr zu lernen hätten? Zum Glück ist allein schon unser Leben so vielfältig, ja beinahe unerschöpflich, sodass wir immer wieder Überraschungen erleben. Auch Lebensschicksale können uns herausfordern, wo wir Neues dazulernen müssen. Vor etwa 100 Jahren lebte der spanisch-US-amerikanische Philosoph Jorge Augustin Nicolas Ruiz, der äußerst vielseitig begabt war. Als Weltenbummler reiste er viel und hat an vielen Orten dieser Erde gelebt. Als Schriftsteller tätig, blieb er in der Auseinandersetzung mit seinen Schülerinnen und Studenten geistig rege und aufgeschlossen. Dort fand er ausreichend „Lernstoff “ und war dankbar dafür. Von ihm stammt der Ausspruch: „Selbst der weiseste Geist hat noch etwas zu lernen“ („Even the wisest mind still has things to learn“). Um nochmals unseren Lateinprofessor zu zitieren: Einer seiner Aussprüche – in der Kürze leicht zu merken und verständlich – war: „Docendo discimus“ („Indem wir etwas lehren, lernen wir es“). Dieser Ausspruch geht auf eine Bemerkung des römischen Philosophen Seneca zurück, wo es im Original heißt: „Homines, dum docent, discunt“ („Die Menschen lernen, während sie lehren“). Ähnlichen Inhalts ist das deutsche Sprichwort „Regiment lehrt regieren“. Was so viel bedeutet: Erst wenn du etwas tun darfst und damit auch Verantwortung übernimmst, lernst du wirklich. Und vergessen wir schließlich nicht: Zum Lernen ist niemand zu alt. / Mag. Matthäus Nimmervoll ist Abt des Zisterzienserstiftes Lilienfeld

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Kreativakademien Niederösterreich / 9

Begabungen fördern

RAUM FÜR KREATIVE TALENTE Ein junges, kreatives außerschulisches Bildungsangebot – so charakterisieren sich die Kreativakademien Niederösterreich selbst. Was steckt hinter dem Angebot, das sich der kreativen und künstlerischen Förderung junger Menschen verschrieben hat?

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Kreativakademien Niederösterreich / 10

Medienakademien – Fotoklassen in Baden, Horn, Melk, St. Pölten und Pöchlarn.

Kreativität – ein Begriff mit vielen Seiten. Was im Duden als „schöpferische Kraft“ beschrieben wird, ist in der Berufswelt mehr und mehr gefordert, ist zugleich fester Bestandteil im Bildungswesen und entscheidend für die Persönlichkeitsentwicklung. Die Kreativakademien Niederösterreich haben sich deshalb die Förderung kreativer Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen zum Ziel gesetzt. Seit zehn Jahren erfolgreich unterwegs, ist das außerschulische kreative Bildungsangebot der neuen NÖ KREATIV GmbH seit 1. Jänner 2014 ein weiterer Mosaikstein innerhalb der Kultur. Region.Niederösterreich.

58 Mal Kreativitätsförderung im ganzen Land „Bei uns hat Kreativität viele Gesichter“, betont der Geschäftsführer der NÖ KREATIV GmbH, Mag. Rafael Ecker. Der Musiker, Historiker und ausgebildete Pädagoge begleitet die Entwicklung der Kreativakademien von Anfang an. „Mit der Idee von Landeshauptmann-Stellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka und dem jetzigen Fachinspektor für bildnerische Erziehung Dr. Leopold Kogler, ein Angebot im Bereich der darstellenden Kunst für Jugendliche zu schaffen, wurde der Samen gestreut, aus dem die Kreativakademien gewachsen sind“, erzählt Ecker von den Anfängen. Und der Same ist augenscheinlich auf fruchtbaren Boden gefallen: Aus einem ein-

Kreativakademien haben sich an 58 Standorten in ganz Niederösterreich etabliert.

zelnen Pilotstandort, der „Malakademie“ in Waidhofen an der Ybbs im Jahr 2003, sind mittlerweile 58 Standorte in unterschiedlichen künstlerischen Feldern, verteilt über ganz Niederösterreich, entstanden: Malen, Schreiben, Neue Medien (von Film über Journalismus bis zum Fotografieren), Schmiedekunst, Musical und Schauspiel sind jene Felder, in denen renommierte Dozenten – allesamt selbst Künstler und Experten ihres Faches – ihre Schützlinge bei der Vertiefung der individuellen kreativen Talente begleiten. Über 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben die Kreativakademie bisher durchlaufen, Semester für Semester kommen rund 500 neue dazu.

Freizeitgestaltung mit Zukunftsperspektive Die Teilnehmer im Alter zwischen zwölf und 19 Jahren werden pro Semester in 30 Einheiten unterrichtet. Ob die Kurse in wöchentlichen Intervallen oder als geblockte Workshops stattfinden, hängt von der Art und Weise der Betätigung ab. Während die Malakademie für gewöhnlich Woche für Woche in zwei- bis dreistündigen Kurseinheiten stattfindet, bieten sich beispielsweise für das Drehen und Schneiden von Filmen ganztägige oder sogar mehrtägige Workshops an. Zu den vereinbarten Terminen treffen Dozenten und Teilnehmer dann zusammen, um ihr individuelles Programm umzusetzen. Die Räumlichkeiten müssen jeweils von der Standortgemeinde zur Ver-

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

fügung gestellt werden, die Dozenten werden durch Förderungen des Landes Niederösterreich finanziert. Teilnehmern bleibt damit nur ein Unkostenbeitrag von derzeit 130 Euro im Semester zu bezahlen. Eine Investition, die sich jedenfalls lohnt. „Die Kreativakademien bieten mehr als nur eine gute Gemeinschaft und Umgebung, um einem Hobby nachzugehen. Durch die Begleitung renommierter Künstlerinnen und Künstler nimmt man unglaublich viel mit, lernt dazu und kann sich auch mit anderen vergleichen. Mich hat die Zeit in der Malakademie persönlich und künstlerisch weitergebracht“, erzählt Martin Veigl, der als einer der ersten Absolventen der Malakademie heute an der Universität für darstellende Kunst studiert. Auch die erst 22-jährige Kristina Rausch, deren beruflicher Werdegang sie ins Kabinett von Außenminister Sebastian Kurz geführt hat, hat ihre Teilnahme an der Journalistenakademie in positiver Erinnerung: „Wir haben viele spannende Einblicke in die Medienwelt bekommen und ich hab selbst erstmals in die Arbeit von Journalisten hineinschnuppern können. Das sind Erfahrungen, die mir beim Einstieg in die Berufswelt wirklich hilfreich waren – und es bis heute sind.“

Fürs Leben lernen Aber auch für alle, die ihr Hobby nicht zum Beruf machen möchten, ist die kreative Förderung in der Jugend eine lohnende Frei-


Kreativakademien Niederösterreich / 11

Musicalakademie in St. Pölten.

Schritt in Richtung des flächendeckenden Ausbaus.

Jung, kreativ und außerschulisch

Bildhauer- und Schmiedeakademie in Ybssitz.

zeitbeschäftigung. „Es geht uns nicht darum, junge Picassos oder Goethes heranzubilden, sondern allen, die gerne Malen, Schreiben, Schauspielen, Fotografieren, Filmen oder Schmieden eine Möglichkeit zu geben, ihre Begabungen unter professioneller Anleitung zu vertiefen und ihr Hobby in einer Regelmäßigkeit gemeinsam mit Gleichgesinnten auszuüben“, erklärt Geschäftsführer Mag. Ecker die Intention der Kreativakademien. Ähnlich dem Konzept der Musikschulen sollen Fachpersonen die gestalterische Entwicklung der Jugendlichen zusätzlich zum Schulunterricht vorantreiben. Denn die Förderung der künstlerischen, literarischen und handwerklichen Kreativität bietet Kindern und Jugendlichen Unterstützung dabei, den heutigen Anforderungen im schulischen, beruflichen und sozialen Bereich gerecht zu werden.

Partner im Geiste – die NÖ Begabtenakademie Begabung entsteht, wenn kognitive Fähigkeiten auf Motivation und Kreativität stoßen. Nach diesem Prinzip bietet die NÖ Begabtenakademie allen Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 19 Jahren eine Vielzahl an Kursen an, deren Spektrum von naturwissenschaftlich-technischen über literarischsprachliche bis hin zu historisch-kulturellen und sozialen Themen reicht. Schüler, die Begabungen in einem Bereich aufweisen, können das umfassende Kursprogramm nutzen. Über 13.000 Anmeldungen für 1.900 Kurse in zehn Regionen Niederösterreichs – das ist die erfolgreiche Bilanz der Begabtenakademie NÖ. Im kommenden Semester stehen wiederum 210 verschiedene Talentförderkurse zur Wahl; das Angebot wird auf die Bezirke Wiener Neustadt, Tulln, Korneuburg und Horn erweitert – ein wichtiger

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Als außerschulisches Bildungsangebot haben sich die Kreativakademien in Niederösterreich einen Namen gemacht. Sie bilden für kreativ-künstlerisch interessierte Jugendliche ein zusätzliches Angebot zur renommierten musikalischen Ausbildung in den niederösterreichischen Musikschulen und runden neben den unzähligen lokalen Freizeitangeboten im Sportbereich die Angebotspalette für junge Niederösterreicher ab. Der weitere Ausbau des Angebots ist geplant, um möglichst flächendeckend verfügbar zu sein. „Kreativ zu sein ist eine Eigenschaft, die den Menschen ausmacht. Jede Förderung in die kreativen Fähigkeiten unsere Kinder und Jugendlichen macht sich vielfach bezahlt – für jeden einzelnen und für die Zukunft Niederösterreichs. Daher steht für mich fest, dass neben den Musikschulen und in enger Partnerschaft mit ihnen auch die Kreativakademien ihren fixen Platz in der niederösterreichischen Bildungslandschaft haben müssen“, ist der Initiator, LandeshauptmannStellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka, überzeugt. / Text: Carina Rausch Fotos: Kreativakademien NÖ

INFORMATION

——————————————————— Kreativakademien Niederösterreich Teilnahmealter:
12–19 Jahre Kosten: EUR 130,00/Semester (30 Stunden) www.kreativakademien-noe.at


Haus der Regionen / 12

Frühlingsvorschau

VIELFALT EUROPAS Das Programm im Haus der Regionen in Krems-Stein besticht auch in der kommenden Frühjahrssaison wieder mit attraktiven und abwechslungsreichen Veranstaltungen.

in der gleichnamigen Landschaft im Süden des griechischen Festlandes mit der Hauptstadt Athen. Zwei Konzerte, ein Vortrag, eine Filmvorführung und eine Diashow bringen den Besuchern die kulturellen und landschaftlichen Besonderheiten Griechenlands im Allgemeinen und besonders der Region Attika näher.

aufhOHRchen

Alma. Foto: Daliah Spiegel

Mit den Teilen 2 und 3 des Fernsehdramas „Die Alpensaga“ von den Drehbuchautoren Peter Turrini und Wilhelm Pevny steht zu Saisonbeginn die filmische Auseinandersetzung mit Ereignissen im Ersten Weltkrieg auf dem Programm. Die beiden Filme werden einleitend vom Regisseur Dieter Berner präsentiert (siehe Seite 14).

Griechenland / Attika In der griechischen Volksmusik spielt Rembetiko eine wichtige Rolle, das in den 1920er

Jahren entstand, als zahlreiche griechische Einwohner Kleinasiens gezwungen waren, nach Europa zu flüchten. Seine Blütezeit erlebte dieser emotionale Musikstil in den 30er bis 50er Jahren und gilt bis heute als eine der populärsten Musikformen Griechenlands. Die Gruppen Kompanía und Sterne des Südens widmen sich den traditionellen Arten der griechischen Musik und sind beim Regionenschwerpunkt Griechenland / Attika im Haus der Regionen eingeladen, diese dem Publikum zu präsentieren. Attika – die bevölkerungsreichste Region Griechenlands – liegt

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Die Reihe aufhOHRchen fokussiert die traditionelle österreichische Musik. Zwei Konzertabende stehen im April ganz im Zeichen der Volksmusik des Mühlviertels und des Südburgenlandes. Das Repertoire des Mühlviertler Quintetts und des Dumfart Trios ist abwechslungsreich: Lieder, Jodler und Tänze aus dem oberösterreichischen Alpenraum begeistern das Publikum bei Tanzabenden genauso wie im Konzertsaal. Sepp Gmasz und Gabi Rupp widmen sich hingegen den alten Liedern des südlichen Burgenlandes sowie den Dichtungen im alten Dialekt des Hianzischen. Und die Spielmusik Schönfeldinger bringt Raritäten der burgenländischen Volksmusiktraditionen zu Gehör.

Connecting Tunes Im Rahmen von Connecting Tunes werden traditionelle Volksmusik, moderne Volxmusik und World Music aus Österreich und Europa präsentiert. Das Ensemble Alma – erst im Jahr 2011 gegründet, aber bereits international erfolgreich unterwegs – besteht aus vier jungen Musikerinnen und einem Musiker, die die Leidenschaft für traditionelle Musik verbindet. Vor allem aber das


Haus der Regionen / 13

PROGRAMM

——————————————————— GRIECHENLAND / Attika Mi, 19. 3. 2014, 19.30 Uhr Diashow: Das andere Griechenland Thomas Wiltner Fr, 21. 3. 2014, 19.30 Uhr Der Sohn von Athen Sterne des Südens Do, 27. 3. 2014, 19.30 Uhr Film: Zimt & Koriander Sa, 29. 3. 2014, 16.30 Uhr Vortrag: Antike griechische Musik Stefan Hagel Sa, 29. 3. 2014, 19.30 Uhr Rembetiko – Griechischer Blues Kompanía aufhOHRchen

Didier Laloy. Foto: z. V. g.

Interesse an verschiedensten anderen Musikstilen haben sie gemeinsam, dies vereinen sie in ihrer eigenen energiegeladenen Musik. Tradition, Improvisation und Innovation verbinden sich zu einem äußerst lebendigen Neuen. Besonders die große Freude am Musizieren steht bei den Aufführungen von Alma im Vordergrund.

Paradies für Naschkatzen und hat einige bekannte Comics, wie zum Beispiel Tim & Struppi, hervorgebracht. Im Mittelpunkt des Schwerpunkts im Haus der Regionen steht Wallonien, der französischsprachige Teil im Süden Belgiens. Schaut man sich die Musik des Landes an, so steht ein Instrument klar im Vordergrund: das Akkordeon.

Ružsa Lakatos und dem Ensemble Ethno Experience ist es ein Anliegen, die traditionellen Lieder der Lovara an junge Generationen weiterzugeben. Die bekannte ungarische Roma-Sängerin greift mit ihrem charakteristischen Gesangstalent auf eine alte Liedtradition zurück und vertritt diese mit ihren Auftritten auf der ganzen Welt. Im Repertoire finden sich Balladen, Tischlieder und Tanzlieder, die ein breites emotionales Spektrum abdecken.

Im Juni entführt das Trio Havelange in die Welt der wallonischen Musik. Angeführt von Marinette Bonnerts Akkordeon, beschwören Julien Biget und Gabriel Lenoir zwischen Folk und Alter Musik ein Lebensgefühl herauf, dem sich auch heute niemand verschließen mag. Als wahrer Virtuose auf dem Akkordeon gilt der Belgier Didier Laloy, der mit modern interpretierten volksmusikalischen Melodien mit seinem Ensemble S-Tres auftritt. /

Belgien / Wallonien

Text: Karin Graf und Anita Winterer

Sa, 5. 4. 2014, 19.30 Uhr Auf geht’s Dumfart Trio, Mühlviertler Quintett Fr, 11. 4. 2014, 19.30 Uhr Von Hianzen und Hoadbauern Spielmusik Schönfeldinger, Duo Gmasz & Rupp Mo, 5. 5. 2014, 19.00 Uhr Filme: Das Fest des Huhnes & Dunkles, rätselhaftes Österreich Frank Oladeinde CONNECTING TUNES Fr, 16. 5. 2014, 19.30 Uhr Alma Fr, 23. 5. 2014, 19.30 Uhr Ružsa Lakatos & Ethno Experience BELGIEN / Wallonien Do, 5. 6. 2014, 19.30 Uhr Musique de Wallonie Havelange Fr, 13. 6. 2014, 19.30 Uhr L’Accordéon Didier Laloy & S-Tres Information und Kartenbestellung Haus der Regionen 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 ticket@volkskultureuropa.org www.volkskultureuropa.org

Das Königreich Belgien – ein Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und Sprachen – hat einiges zu bieten: Das Land gilt als Ursprungsland der Pommes frites, ist aufgrund seiner ausgezeichneten Pralinen ein

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Haus der Regionen / 14

Alpensaga II und III

SPIEGEL DER GESELLSCHAFT Der Regisseur Dieter Berner über die „Alpensaga“, in der sich die politisch-gesellschaftlichen Brüche in einer Dorfgemeinschaft widerspiegeln.

werden, über Menschen, die das, was man Geschichte nennt, erleben – oder besser gesagt: erleiden. Wie alle großen Ideen rief auch diese eine erstaunliche Zahl von Gegnern auf den Plan. Eine Gruppe von Wiener Kommunarden würde sich jetzt an der österreichischen Bauernschaft vergreifen, fürchtete man. Aber dank des Stehvermögens des damaligen ORF-Intendanten Gerd Bacher und seines Fernsehspielchefs Gerald Szyskowitz konnten die Filme, die mehrfach abgesagt worden waren, schließlich doch gedreht werden – und zwar nicht als Serienproduktion, wie das heute aus ökonomischen Zwängen unumgänglich wäre, sondern als Einzelfilme. Jeder Film wurde als einzelnes Drama gesehen und genauso vorbereitet. Wir konnten uns künstlerisch auf die jeweilige Epoche konzentrieren. Und wir hatten Zeit, aus den Erfahrungen der Arbeit an den einzelnen Filmen zu lernen und die Erkenntnisse beim nächsten Film einzubringen. Franz Buchrieser in der „Alpensaga“.

Dorfgemeinschaft als Pars pro Toto Die Interpretation der Vergangenheit hat politische Bedeutung. Für Peter Turrini, Wilhelm Pevny und mich war es deshalb überraschend, dass der ORF ausgerechnet uns, die wir uns als Teil der 68er-Bewegung begriffen, vorschlug, eine Serie zu entwickeln, die im österreichischen Bauernmilieu spielen sollte. Jeder von uns dreien hatte sich erste Sporen in der OffTheaterszene verdient, jetzt fanden wir es spannend, aus dem Ghetto der Subkultur auszubrechen und die Möglichkeit zu haben, ein großes Publikum anzusprechen, das über das

Fernsehen erreicht werden konnte. Peter Turrini und Willi Pevny nahmen den Drehbuchauftrag mit Begeisterung an. Wir zogen in ein Haus am Stadtrand von Wien und gründeten eine Wohngemeinschaft. Arbeit und Leben sollten zusammenfließen. Die Idee war, eine Dorfgemeinschaft in den Mittelpunkt des Fernseh-Mehrteilers zu stellen und ein reiches Spektrum an Personen, Konflikten und Ereignissen aufzufächern, das den Ablauf der Historie von 1900 bis 1945 repräsentieren konnte. Eine Saga über österreichische Bauern sollte es

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Jeder Teil der „Alpensaga“ nimmt einen für diese Epoche charakteristischen historischen Widerspruch in den Fokus und entwirft daraus mit wechselnden Protagonisten die Konflikte und Schicksale der handelnden Personen. Die „Hauptfigur“ der Saga ist aber nicht eine einzelne Person, sondern die Dorfgemeinschaft als Pars pro Toto für die Gesellschaft. Das entsprach dem Credo der 68er: Das soziale Umfeld bestimmt Leben und Schicksal des Einzelnen.


Haus der Regionen / 15

Situation verschärft sich, als das Militär immer mehr Vieh und Vorräte für die Heeresversorgung beschlagnahmt. Die Reaktionen auf die erste Ausstrahlung der Filme waren durchaus kontrovers. Einerseits wurden sie von den Sprechern von Bauernbund und Kirche und ihren Medien in Grund und Boden verrissen, andererseits wurden sie zu internationalen Festivals eingeladen und mit Preisen überhäuft. Daraufhin änderte sich der Blick. Heute ist die „Alpensaga“ Kult und gehört zum Grundstock vieler DVD-Sammlungen in Wohngemeinschaften junger Menschen. / Fotos: ORF

„Liebe im Dorf“ und „Der Kaiser am Land“ sind die ersten beiden Filme der sechsteiligen „Alpensaga“.

FILMABEND

———————————————————

Die Plots der ersten drei Filme folgen diesem Konzept. In „Liebe im Dorf “ geht es den Bauern schlecht, der Großbauer Allinger (Helmut Qualtinger) möchte eine Schnapsbrennerei bauen, Jungbauer Huber (Hans Brenner) sieht hingegen die Gründung einer Zuchtviehgenossenschaft als Ausweg aus der Agrar-Krise um 1900. Im Teil zwei, „Der Kaiser am Land“, floriert dieses Schnapsunternehmen, alle Bauern arbeiten in Abhängigkeit von Allinger, die

Genossenschaftsidee wurde begraben. Hubers Bruder Josef (Franz Buchrieser) erhält Heimaturlaub nach langer Dienstzeit in der Armee. Zurück im Dorf merkt er die starken Veränderungen und die nationalistisch aufgeladene Stimmung. Seine Uniform verleiht ihm auf einmal erstaunliches Ansehen. In Teil drei, „Das große Fest“, sind die meisten Männer an der Front und die landwirtschaftliche Arbeit wird von Frauen und Kindern verrichtet. Die

Do, 6. 3. 2014, 18.00 Uhr Die Alpensaga II & III In Anwesenheit des Regisseurs Dieter Berner Haus der Regionen 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 www.volkskultureuropa.org

Freitag, 4. April 2014, 19.30 Uhr

aufhOHRchen

ACH WENN DOCH EINMAL FRIEDEN WÄR’!

FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN GROSSER SAAL Grenzlandchor Arnoldstein, Familiengesang Wolf, Steirische Blas, Florianer Tanzlgeiga, Windhager Jagdhornbläser Karten: verschiedene Kategorien, Ermäßigungen für Mitglieder Tel. 02742 908080 222 · karten@festspielhaus.at www.festspielhaus.at Eine Veranstaltung von Volkskultur Niederösterreich und Festspielhaus St. Pölten

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Thema 1914 / 16

Briefwechsel

KRIEGSLIEBE Dachböden erweisen sich oft als Schatzkammern der Alltagskultur. So fand sich, unter einer dicken Staubschicht, eine Schachtel mit Schulheften und Korrespondenz aus dem Ersten Weltkrieg. Briefe und Postkarten von und an Freundinnen, Verwandte und Verehrer geben Einblick in das Leben vor nahezu 100 Jahren.

„Sie“, Jahrgang 1900, ist eine Offizierstochter. Als Einzelkind streng erzogen, lernt sie Klavier und Violine spielen und verbringt mit ihren Eltern die Ferien in der Sommerfrische. Als schönsten Aufenthalt beschreibt sie den letzten, im Sommer 1913 an der Adria. „In jener Zeit trat auch die Berufswahl an mich

heran und ich entschloß mich, Lehrerin zu werden. Nachdem ich im Juli 1914 die Aufnahmeprüfung gemacht hatte, wurde ich Zögling der Lehrerinnenbildungsanstalt der Schwestern … Aber in die Ferien 1914 fiel der Beginn der aufregungsreichen Zeit des Weltkrieges. Als Reserveoffizier war mein

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Papa der 1., der einrücken musste. Fürchterlich war die Zeit, als wir 6 Wochen ohne jegliche Nachricht von ihm blieben und wußten, daß mein Papa an den Kämpfen in Serbien teilnahm“, schildert sie als Hausübung im dritten Jahrgang „Meine Selbstbiographie“.


Thema 1914 / 17

„Er“, ein Jugendfreund, der unweit wohnt, ist zwei Jahre älter. Ihn trifft der Ernst des Lebens mit voller Härte. Er kommt zur Infanterie, schließlich zu einer Minenwerferbatterie am Isonzo. Schwer vorstellbar, wie intensiv unter diesen Umständen die Korrespondenz ausfällt. Vergehen einige Tage, an dem sie nichts voneinander hören, kommt schon die bange Frage: Bist du krank? Bist du böse auf mich? Den Lehrplan der Klosterschule tangieren die Kriegsereignisse kaum. Nur hie und da im Schönschreibheft finden sich patriotische Verse wie „Die Donauwacht, preisgekröntes Gedicht von Karl Frank“, das so endet: „Uns kann kein Feind verderben, trotz aller Übermacht, Wir siegen oder sterben! Wir sind die Donauwacht!“ Damals, im Frühjahr 1915, ist die Hungerblockade Englands gegen Deutschland und Österreich-Ungarn in vollem Gang und sollte bis zur Unterzeichnung des Friedensvertrages andauern. Entgegen den Regeln des Völkerrechts wird auch die Einfuhr aus den neutralen Staaten verhindert. Am 7. April 1915 geben Wien und Niederösterreich die ersten Lebensmittelkarten für Brot und Mehl aus. Die Bewirtschaftung mit Lebensmittelmarken sollte erst im November 1922 enden. Im Juli 1916 schreibt eine Freundin aus Ujvidek (Novi Sad, Serbien): „Bei uns gibt’s heuer viel Obst, nur leider bekommen wir keinen Zucker und so können wir nur ganz wenig für den Winter aufbewahren. Das Besorgen der Lebensmittel geht auch hier sehr schwer. Gemüse haben wir viel, aber das Fleisch müssen wir uns halt dazu denken.“ In Niederösterreich gibt es „Zuckerzusatzkarten für Obstverwertung“. Für einen Dreipersonenhaushalt sind binnen dreieinhalb Monaten vier Kilogramm Zucker vorgesehen. Das „liebwerte Fräulein“, wie er die Briefe adressiert, und ihr „Bub“, wie sie ihn nennt, wechseln ab 1917 fast täglich Briefe. Trotz der Anrede mit Kosenamen bleiben beide beim förmlichen Sie. Das Fräulein kalligrafiert mit Schönschrift auf blassblauem, mit ihrem Vornamen bedrucktem Briefpapier. Er schickt lange Briefe auf grauem Papier und Feldpostkarten. Man erzählt einander, ob es „lustig“ war. Die Klosterschülerin übt

sich in Moralepisteln an den fernen Geliebten und sucht doch selbst die Abwechslung. Im März 1917 schreibt sie ihm: „Daß Sie sich gut unterhalten haben, das steht fest, und daß Sie sich in Triest nichts abgehen lassen, ebenfalls. Einmal nur möchte ich Sie samt ihren lieben anderen Schäfchen beobachten können. Ich kann’s mir ziemlich gut vorstellen. Wir machen’s aber hier ebenso. Jede Woche 3 mal sind wir bei einer Kollegin eingeladen. Es kommen auch 5 Leutnants und ein paar Einjährige her und wie’s da zugeht, ja das – weiß ich auch nicht. Aber fidel ist’s. … Schwefel soll’s regnen über die Schachteln im Kloster. Insbesondere eine, die weiß nichts anderes als: Liebe Kinder, ich sag Ihnen nur das eine: halten Sie Ihr Herz fest und werfen Sie sich nicht auf jede Hose, die Ihnen in den Weg kommt.“ Im April 1918 sendet er ihr „Blumen als herzlichste Grüße aus der Schwarmlinie. Mögen Sie daraus ersehen, wie ich an Sie denke, nicht bloß beim Schreiben, sondern immer. Diese Pflanzen sprechen eine beredte Sprache, zumal die hier, die sogar schon Krieg mitgemacht haben und Elend sahen. Kann das Wiedersehen mit Ihnen kaum erwarten.“ Zwei Wochen zuvor hat er ihr wohl seine Liebe gestanden, denn sie schreibt verwundert: „Woraus haben Sie geschlossen, daß ich Sie liebe? Ist es in meinem Benehmen gelegen? Daß ich Sie sehr gern habe, leugne ich nicht. Aber Liebe – ich bin mir selber noch nicht klar darüber.“ 1918 sollen Wiener Kinder, die hungern, zur Erholung nach Ungarn geschickt werden. „Sie“ wird sie begleiten. „Er“ hat inzwischen vieles Schreckliche erlebt und ist verzweifelt. Im Juli 1918 dankt er für ihren Brief, „die einzige Freude, die man hier hat. … Schön wär’s hier, wenn sie mir nicht jeden Augenblick eine schwere Granate vors Haus setzen würden. Hoffentlich trifft es einmal die Bude, dann wäre ich wenigstens von allem Leiden erlöst.“ Ihr Mitgefühl ist beschränkt: „Um Sie muss man immer in Aufregung und Sorgen sein … Sie tun mir wirklich leid … Wie können Sie nur so etwas wünschen, daß die Italiener Ihre Bude zusammenschießen und Sie von allen Leiden erlöst sind? 1. Wo bleibt der Optimismus? 2. Sie sind ein Egoist, weil Sie nur an sich denken, und nicht daran, was die anderen dazu sagen würden.“

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Im August 1918 schickt er ihr ein Billett mit überschwänglichem Text: „Mein süßer, einziger Herzensliebling! Ihr 18. Geburtstag steht bevor und mit ihm eine Stufe hinauf an Ihrer Lebenslinie … Gerade bei einem Mädel ist das 18. Wiegenfest eine bedeutungsvolle Wende. Der Schritt vom sich entwickelnden Backfisch zum vollendeten Weib“, schreibt der 20-Jährige. Und er schließt: „Nehmen Sie, mein Alles auf der Welt, nochmals die aufrichtige Zusicherung meiner tiefgehenden Liebe und Herzensfreundschaft zu Ihnen an Ihrem heutigen Tage entgegen.“ Drei Monate später ist der große Krieg zu Ende. Die k. u. k. Monarchie beklagt rund 1,943.000 Verwundete, 1,016.200 Tote und 518.000 Gefallene, an denen das Offizierskorps mit 13,5 Prozent den höchsten Anteil hatte. „Er“, nun Oberleutnant, überlebt. Im September 1920 wird Hochzeit gefeiert. / Text: Helga Maria Wolf Illustrationen: Magdalena Steiner


Volkskultur / 18

Kalender

HINKENDE BOTEN & STEIRISCHE MANDLN Zu der Geschichte von Volks- und Bauernkalendern.

„Neuer Bauernkalender“ aus dem Sammlungsbestand des Volkskundemuseums Graz, Inv.-Nr. 12587. Foto: Ingrid Ibrahim/Universalmuseum Joanneum Graz

Am Ende das Jahres hatten die vielen Hände Spuren hinterlassen, aber er war ohne Eselsohren, niemand wäre auf die Idee gekommen, eine Seite herauszureißen – und ein Fettfleck konnte die Wut des Familienoberhaupts herbeibeschwören.

Die Volks- und Bauernkalender waren in jedem Haushalt anzutreffen und vielfach neben einem Gebetbuch das einzige Druckwerk. Die ersten Kalender in bäuerlichen Häusern sind Stabkalender, die bis über das Ende des Mittelalters genutzt wurden. Auf einem Holzstab mit achteckigem Quer-

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

schnitt sind die Tage eingeschnitten und die Feiertage jeweils mit Bildzeichen oder Sinnbilder markiert. Die ersten gedruckten Kalenderblätter aus dem deutschsprachigen Raum sind von 1500 erhalten. Ab Ende des 16. Jahrhunderts erscheint der „Nürnberger Bauernkalender“.


Volkskultur / 19

Der Mandlkalender aus der Steiermark …

Die Bauern- und Volkskalender wurden nicht nur gelesen, sondern genutzt, und das vielfach über das Jahr ihres Erscheinens. Vorerst bestehen die Kalender aus zwei Teilen: dem Kalendarium und der Praktika. Darin finden sich die Namenstage und kirchlichen Feiertage, amtliche Gebühren und das Einmaleins, die Mondphasen und Planetenkonstellationen. Daraus ließ sich ableiten, ob die Zeit gut stand für Aderlass, Holzfällen, Aussaat und andere wichtige Tätigkeiten in der Landwirtschaft. Die Wettervorhersagen, die einen wesentlichen Anreiz zum Erwerb des Kalenders boten, wurden schon im 16. Jahrhundert als abergläubische Lügen gegeißelt, hatten aber ihren festen Platz im Typus des Volkskalenders. Bis heute in allen Kalendern anzutreffen ist der freie Raum für Notizen – der aber nur selten genutzt wurde, vielleicht auch deshalb, weil man in Bücher nicht „hineinzukritzeln“ hatte.

Podium für Schulmeister und Pfarrer Mit dem Einfluss der Aufklärung wurde der Kalender ein Podium für Pfarrer, Schulmeister und Schriftsteller, die moralische Anekdoten beisteuerten. Praktische Tipps für die Hausfrau sowie Neues aus der Welt, Heiteres und Vermischtes rundeten die Kalender ab. Ab dem 19. Jahrhundert werden die Kalender um einen literarischen Teil erweitert. Es entsteht das Genre der Kalendergeschichte. Die Zahl der Kalender ist groß; jeder Stand, jeder Landkreis hatte seinen eigenen. „Der hinkende Bote“ aus Baden-Württemberg

… und „Der hinkende Bote“ aus Baden-Württemberg.

etwa blickt auf eine über 200 Jahre alte Geschichte zurück. Das namensgebende Titelblatt, der Bote mit Beinprothese, ist als Nachrichtenübermittler zu verstehen. Oft sind im Bildhintergrund Schlachten, Naturkatastrophen oder andere trotz ihrer Ferne wichtige Dinge zu sehen, und auch der halb amtlich wirkende Botenstab und das zum Teil größere Publikum, das sich um ihn schart, zeigt, dass mit ihm die große weite Welt und das Weltgeschehen in die dörfliche Enge kam. Die Dorfbevölkerung war in einem für uns unvorstellbaren Maß ortsgebunden; Informationen „von draußen“ kamen durch Kaufleute, Handwerksburschen, Hausierer – und eben den Boten. Der hinkende Bote war das letzte Glied in der Informationskette, die Nachrichten aus der ganzen Welt ins Haus des kleinen Mannes brachte. Boten waren oft Leute, die zur normalen Feldarbeit nicht tauglich waren; so erklärt sich der Widerspruch, dass ausgerechnet ein gehbehinderter Invalide weiter herumgekommen sein soll als die Gesunden, die ihn neugierig umstehen. Die Nachrichten – die Inhalte mussten bereits zur Jahresmitte des vorhergehendes Jahres druckreif vorliegen – kamen somit mit zweijähriger Verspätung zu den Lesern.

Hieroglyphen aus der Steiermark Auf eine lange Tradition blickt der „Steirische Mandlkalender“ zurück, der ab 1708 in Graz gedruckt wird. Dass dieser fast lückenlos erhalten ist, ist dem Umstand zu verdanken, dass der Kalender nach einem

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Jahr nicht ausgedient hatte, sondern in vielen Bauernhäusern Jahr um Jahr auf einen breiten Lederstreifen aufgeheftet wurde und so über mehrere Generationen erhalten blieb und im Steirischen Volkskundemuseum Graz aufbewahrt wird. Den Namen erhielt der Kalender, der auch von jenen genutzt werden konnte, die des Lesens nicht mächtig waren, durch seine Bildzeichen – den Mandln. Das Lesen der Bilder musste allerdings ab Mitte des 19. Jahrhunderts bereits erklärt werden, so kam und kommt bis zum heutigen Tag ein Begleitheft heraus, das die merkwürdigen Zeichen erklärt. In der humoristischen Zeitung „Fliegende Blätter“ (München) wird das 1847 anhand eines Dialogs so kommentiert: „Da, sehen Sie her, Herr Doktor, ist Ihnen im Leben schon so etwas vorgekommen?“ – „Das ist ein Steyrischer Bauernkalender, junger Freund. Steyer ist das einzige Land in Europa, wo sich die Hieroglyphenschrift bis auf unsere Tage erhalten hat.“ Zu den in österreichischen Haushalten anzutreffenden Kalendern gehören, neben dem Steirischen Mandlkalender, Reimmichls Volkskalender aus Tirol sowie kirchliche Druckwerke wie etwa der Michaelskalender der Steyler Missionare. Bauernkalender haben in den letzten Jahren eine Bedeutungswandlung erfahren. Sexy Jungbauern und fesche Jungbäuerinnen posieren hart an der Grenze zur Pornografie und haben dadurch allerdings erreicht, Bauern im wörtlichen Sinne attraktiver wahrzunehmen. / Text: Mella Waldstein

KALENDER

——————————————————— Michaelskalender http://www.steyler.eu Steirischer Mandlkalender www.alterbauernkalender.at Reimmichls Volkskalender www.reimmichlkalender.at


Musik / 20

Notation

ZU PAPIER BRINGEN Erste Versuche, Musik grafisch festzuhalten, gab es vermutlich bereits im 3. Jahrtausend v. Chr. Die Entwicklung der traditionellen Notation gilt mit Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ im 18. Jahrhundert als abgeschlossen.

„Das größte Verbrechen eines Musikers ist es, Noten zu spielen, statt Musik zu machen“, so der Ausspruch eines der bedeutendsten Violinisten des 20. Jahrhunderts, Isaac Stern. Die Basis für Musik mag in vielen Fällen die Notation darstellen, ihren Charakter erhält sie jedoch durch Interpretation, Ausdruck und Hingabe des Musikers. Während aber in der Folklore und in der Musik der indigenen Völker das Musizieren ohne Noten und das Spielen von tradierten Stücken, die niemals anders als durch das Vorspielen oder durch Imitation weitergegeben wurden, bezeichnend ist, spielt die Notation in der abendländischen Kunstmusik eine zentrale Rolle. So geht die Entwicklung der Notation einher mit der Geschichte der abendländischen Musikkultur, die sich der grafischen Umsetzung bedient, um Klangvorstellungen zu vermitteln und ausführbar zu machen.

Mittelalterliche Neumen

Neumen – eine mittelalterliche Notation: Alleluia-Verse aus dem St. Galler Cantatorium, geschrieben zwischen 922 und 926 n. Chr. (Detail). Stiftsbibliothek St. Gallen

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Die Notenschrift, wie wir sie heute kennen, hat es nicht immer in dieser Form gegeben. Erste Versuche, Musik grafisch festzuhalten, dürfte es Vermutungen zufolge schon im 3. Jahrtausend v. Chr. im alten Ägypten gegeben haben. Eine Notenschrift mit Buchstaben als Tonhöhen war rund ein Jahrtausend später im alten Griechenland in Form einer Grabinschrift erkenn- und deutbar. Diese Kenntnisse gerieten jedoch wieder in Vergessenheit, wodurch viele Jahrhunderte lang Musik im europäischen Raum nicht aufgeschrieben wurde: Die Musik der Min-


Musik / 21

stellungen der Komponisten ließen sich nicht mit der Standard-Notation realisieren, sodass es zu neuen Aufzeichnungsarten wie der Aktionsschrift und grafischen Notationen kam, die sowohl konkrete Angaben als auch nur Andeutungen vermitteln können. Bei der Entwicklung der Notenschrift der abendländischen Musik von einem Fortschritt zu sprechen wäre nicht richtig, reagiert doch jede Notation auf die jeweiligen Bedürfnisse und zeitlichen Verhältnisse. Unsere Notenschrift kann vielmehr als Prozess verstanden werden, der sich in ständiger Wechselwirkung mit der Komposition befindet.

Die Notenschrift in all ihren Ausformungen ist Mittel und Hilfe, Musik schriftlich festzuhalten, auszutauschen und weiterzugeben. Das Musizieren geht jedoch über das Spielen von Noten weit hinaus. Die Ausdrucksgestaltung und Interpretation, Dynamik und Phrasierung, obliegt dem Musiker, der das Werk ausgestaltet. Denn nicht erst seit Gustav Mahler gilt: „Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.“ / Text: Katharina Heger

Improvisation Autograf Johann Sebastian Bach: Sechsstimmige Fuge c-Moll aus dem Musikalischen Opfer, 1747. Staatsbibliothek Berlin

nesänger und Mönche wurde mündlich überliefert und kam ohne Noten aus. Mit den sogenannten Neumen entstand im 9. Jahrhundert in europäischen Klöstern erstmals eine Notenschrift, deren Zeichen eine Gedächtnisstütze und eine Angabe der Melodiebewegung beim gemeinsamen Singen ermöglichte. Mit der beginnenden Mehrstimmigkeit in der Musik wurden die Zeichen zunehmend konkreter. Eine zentrale Neuerung ist auf den italienischen Musiktheoretiker Guido von Arezzo zurückzuführen, der das Liniensystem einführte und somit eine exakte Art der Tonhöhen und Angabe der Tonabstände ermöglichte. Es folgten weitere Präzisierungen des aufgeschriebenen Notentextes wie die Notation von Rhythmen und später die Darstellung der Dauer mittels Form der Noten und die Einführung von Mensurzeichen, auf denen sich die Taktzeichen entwickelten. Ergänzt wurde die Notation unter anderem durch die Einführung von Tempobezeichnungen. Seit der Komposition des Zyklus „Das wohltemperierte Klavier“ von Johann Sebastian Bach im 18. Jahrhundert gilt diese – aus heutiger Sicht als traditionell bezeichnete – Art der Notation als abgeschlossen. Erweiterungen im Tonmaterial machten jedoch ab dem 20. Jahrhundert neue Schriftsysteme erforderlich. Bestimmte Klangvor-

Jeder Musikschüler, jeder, der ein Instrument spielt, weiß, dass dies speziell in der europäischen Kunstmusik in den meisten Fällen mit dem Lernen der Notenschrift verbunden ist. So steht oft ein langer Prozess des Verstehens und Umsetzens des Notentextes am Beginn einer musikalischen Laufbahn. Beinhalten sollte dieser Prozess aber genauso die verschiedenen Möglichkeiten der Interpretation und der musikalischen Darstellung. In der sogenannten klassischen Musik heute oft vernachlässigt ist die Improvisation, die meist ausschließlich mit Jazz in Zusammenhang gebracht wird, jedoch bereits in früheren Zeiten keinesfalls unüblich war. So lieferte beispielsweise im Barock das Generalbassspiel das harmonische Gerüst für die Improvisation. Im Unterricht mit Kindern hat die Improvisation nicht nur psychologische, sondern auch methodische Bedeutung: als Lernmethode für Technik, Theorie, Ausdruck, Zusammenspiel und vieles mehr. Vor allem aber gilt es, die Scheu, sich auf dem Instrument spontan und frei von Vorgaben eines Notentextes zu bewegen, zu überwinden und der Kreativität freien Lauf zu lassen. Ein großes Gebiet beim Musizieren ohne Noten und eigenständiges Lernfeld stellt auch das Auswendigspiel dar. Seinen pädagogischen Stellenwert erhält das Auswendigspiel durch das Schulen des Gedächtnisses. Besonders bei Instrumentalsolisten ist das Auswendigspielen weit verbreitet.

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

PRIMA LA MUSICA

——————————————————— Mi, 26. 2.–Sa, 8. 3. 2014 Landeswettbewerb 2014 Festspielhaus St. Pölten Kulturbezirk 2, 3109 St. Pölten Konservatorium für Kirchenmusik der Diözese St. Pölten, Klostergasse 10, 3100 St. Pölten Bereits zum 20. Mal wird der NÖ Landeswettbewerb prima la musica 2014 ausgetragen. Alle Wertungsspiele sind öffentlich zugänglich. Information und Kontakt Musikschulmanagement Niederösterreich Tel. 02742 90666 6110 julia.pfeiffer@musikschulmanagement.at www.musikschulmanagement.at


Chorszene Niederösterreich / 22

Österreich singt 2014

EUROPA SINGT Der Sieger des Wettbewerbs „Österreich singt“ erhält die Möglichkeit, im Rahmen der Live-Übertragung von „Europa singt“ am 9. Mai 2014 zur Eröffnung der Wiener Festwochen Österreich zu vertreten.

Singen gehört zu den schönsten Ausdrucksformen des Menschen. Text und Melodie ergeben meist eine Harmonie, mit der Lebensgefühle ausgedrückt oder Geschichten erzählt werden. Im Mai 2011 hat der ORF den größten Chor Österreichs gebildet: einen Chor, der nicht nur numerisch über sich hinausgewachsen ist, sondern auch qualitativ. Durch professionelles Coaching wurden tausende Amateursänger dazu befähigt, ein Stück musikalischer Weltliteratur gemeinsam aufzuführen: Ludwig van Beethovens „Ode an die Freude“. Eine Fortsetzung ist heuer am 9. Mai 2014 geplant: Am Europatag – 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs – wird ganz Europa miteinander singen! Jener Chor, der an diesem symbolträchtigen Ereignis am Wiener Rathausplatz Österreich vertreten darf, wird beim nationalen Wettbewerb „Österreich singt“ (5. und 6. April 2014 im Großen Saal des Mozarteums in Salzburg) ermittelt.

Stellenwert des Singens Prof. Erwin Ortner, Chorleiter und Dirigent: „Jeder junge Mensch sollte bereits im Kindergarten erleben können, wie erfüllend es ist, selber Musik zu machen. Die Erkenntnis, dass die frühe Beschäftigung mit Musik die Entwicklung des Menschen allgemein fördert, ist längst erwiesen. In der Chorszene Niederösterreich haben wir die Möglichkeit, diesen Tatbestand aufzuzeigen. Es gilt unsere Persönlichkeit einzusetzen und dafür zu kämpfen, dass der wahre Stellenwert des Singens in der Gesellschaft endlich erkannt wird. Daher unterstütze ich Projekte wie ‚Österreich singt‘, um möglichst viele Menschen

mit der Begeisterung für das Singen anzustecken.“ Für Niederösterreich sind „Junger. Chor.Niederösterreich“ und „maunakoa breitenwaida“ nominiert.

Junger.Chor.Niederösterreich Junger.Chor.Niederösterreich ist ein Projektchor der Vokalakademie Niederösterreich und setzt sich vorwiegend aus Sängern der Jugendsingwoche Großrußbach zusammen. Der Chor durfte die letzten drei Jahre das Herbstkonzert der Chorszene Niederösterreich zu unterschiedlichen Themenschwerpunkten mitgestalten. Ziel des Chores ist es, Jugendlichen eine Plattform zu schaffen, bei der sie die Möglichkeit finden, ihr Gesangstalent auf hohem Niveau zu praktizieren. Nachwuchssänger finden ein Forum, wo sie ihre Leidenschaft vertiefen können und ein Sprungbrett für ihre musikalische Weiterbildung haben. Durch ein Vorsingen werden neue Sänger für die kommende Saison gefunden. Die künstlerische Leitung obliegt Oliver Stech.

maunakoa breitenwaida. Foto: Gerald Lechner

und verstaubt“ konfrontiert. Dass dem nicht so ist, beweist der maunakoa breitenwaida. Im Repertoire stehen nicht nur Klassiker der Männerchorliteratur, sondern auch moderne Lieder aus den Charts. / Text: Michaela Zettl

maunakoa breitenwaida Die Idee, gemeinsam zu singen, entstand im Sommer 2008, als die beiden gut befreundeten Volksmusikgruppen „Flohhüpfer“ und „Junior Saitenhüpfer“ gemeinsam einen Kurs besuchten. Schon im Herbst darauf traf man sich für regelmäßige Probenarbeit. Der Name „maunakoa“ mag lustig klingen, wenn man bedenkt, dass es sich dabei um eine Handvoll junger Leute handelt und nicht etwa um einen 40 Mann starken Chor. Männerchöre werden oft mit den Vorurteilen „altmodisch

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

INFORMATION

——————————————————— maunakoa breitenwaida Tel. 0664 8966027 lukas@lukaslanger.at Junger.Chor.Niederösterreich Tel. 0676 9319018 kontakt@jugendsingwoche.at


Tanz / 23

Tanzforum Niederösterreich

TAKTVOLL Die Tanzgruppe „taktvoll“ stellt sich vor. Sie tanzt bei großen Veranstaltungen wie dem Niederösterreichischen Trachtenball und widmet sich Weitervermittlung ihres Wissens.

ten, beim Volksmusikfestival aufhOHRchen und im Museumsdorf Niedersulz. Ein besonderes Erlebnis war der Tanzauftritt im Rahmen der Eröffnung der NÖ Landesausstellung in Horn und Raabs an der Thaya im Jahr 2009. Mit besonderer Hingabe widmet sich die Tanzgruppe der Weitervermittlung ihres Wissens an interessierte Tänzerinnen und Tänzer. Als Referentinnen und Referenten des Tanzforums Niederösterreich werden in unzähligen Kursen und Seminaren Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren mit dem Tanz vertraut gemacht.

„taktvoll“ – das jüngste Kind des Tanzforums Niederösterreich. Foto: Julia Schenkermayr

Gerne laden wir besonders interessierte Tänzerinnen und Tänzer ein, bei der Tanzgruppe „taktvoll“ mitzutanzen. / Text: Franz Huber

Das Tanzforum Niederösterreich ist eine Gruppe von Fachreferentinnen und Fachreferenten für Volkstanz innerhalb der Volkskultur Niederösterreich, die den direkten Kontakt zu begeisterten Tänzerinnen und Tänzern in unserem Land pflegt. Es konzipiert ansprechende Schulungsprogramme, organisiert attraktive Tanzveranstaltungen und gestaltet die Choreografie von Tanzvorführungen, die uns durch das Jahr begleiten. Dabei werden Volkstanz-, Kinder- und Jugendtanzgruppen sowie Schuhplattlergruppen nach ihren individuellen Wünschen betreut.

Choreografie für besondere Anlässe Die Tanzgruppe des Tanzforums Niederösterreich stellt sich unter ihrem neuen

Namen „taktvoll“ vor. Der Tanz spielt eine wichtige Rolle im Leben der Mitglieder der Tanzgruppe „taktvoll“. Die ambitionierten Tänzerinnen und Tänzer haben die Tanzleiterakademie Niederösterreich erfolgreich abgeschlossen und sie sind zertifizierte Volkstanzleiterinnen und Volkstanzleiter. Da die Mitglieder aus allen Regionen Niederösterreichs kommen, spiegelt sich in der Kleidung, die Vielfalt der Niederösterreichischen Trachten wider. Das tänzerische Spektrum der Tanzgruppe reicht von klassischen Volkstänzen bis hin zu Choreografien zu besonderen Anlässen. Zum Kernrepertoire gehören die Tänze der niederösterreichischen CD-Reihen „taktvoll“ und „taktvoll vokal“. Das Tanzensemble ist regelmäßig zu Gast beim Trachtenball auf Schloss Grafenegg, im Festspielhaus St. Pöl-

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

VERANSTALTUNGSTIPP

——————————————————— 51. Niederösterreichisches Volkstanzfest So, 23. 2. 2014 Festsaal und Casineum des Congress Casino Baden Kaiser-Franz-Ring 1 2500 Baden bei Wien Tanzmusik: Grazer Tanzgeiger und Tanzlmusik Kaiserspitz Information Tel. 02252 47222 oder 0664 2628267 (Klaus Pierer) Tanzfolge auf www.volkstanzwannwo.at


Industrieviertel / 24

Fasching

PROST, PROST! Vom Fasching, von Faschingsgilden und vom närrischem Treiben in Gumpoldskirchen.

des für diesen Anlass gekürten Narrenbischofs mit Tierlauten und erotisch-zweideutigem „Messgesang“. Auch durch die Veranstaltung von lautstarken Prozessionen wurde das Volk am Fest beteiligt. In Deutschland wurde dieser „Mummenschanz“ aufgrund ausufernder Exzesse zeitweise verboten, ebenso der damit einhergehende Alkoholausschank. Blieb die Kirche bei der Darstellung gotteslästerlicher Szenen während der Feiern vor der Fastenzeit untätig, wurde jedoch ein Weiterfeiern in den Aschermittwoch hinein streng verfolgt.

Fasching in Österreich

Die Gumpoldskirchner Faschingsgilde in Gardeuniform. Foto: Franz K. Nebuda

Der Mensch trachtet nach Ausgeglichenheit. Schlägt das Pendel der Lebensuhr manchmal ein wenig zu heftig in die eine Richtung, sehnt sich des Menschen Seele nach der anderen Seite, um letztlich wieder zur Mitte zu finden. Die christlich geprägte Gesellschaft beugt sich bekannter Weise einmal im Jahr mehr oder weniger demütig einer Zeit der Entsagung von Gaumenfreuden. Doch in den Tagen vor dem Aschermittwoch, der das Tor zur vorösterlichen Fastenzeit darstellt, wird die Welt auf den Kopf gestellt und gefeiert, geschlemmt und getrunken – bevor das Fleisch vom Speiseplan verschwindet oder der Fasswein im Keller bleibt. Die norddeutsche Bezeichnung „Karneval“ leitet sich ab vom Lateinischen „carne levare“, was

mit „sich vom Fleisch befreien“ übersetzt werden kann. Die in Österreich übliche Bezeichnung „Fasching“ hat ihre Sprachwurzeln im Mittelhochdeutschen „vastschanc“, womit die Zeit des Ausschanks vor dem Fasten beschrieben wird.

Eselsmessen und Mummenschanz Im mittelalterlichen Europa wurden rund um den Epiphaniastag, dem 6. Jänner, Narrenfeste gefeiert, an denen auch Kleriker beteiligt waren. Sowohl in diesen Tagen als auch in den letzten Tagen vor Beginn der Fastenzeit wurden sogenannte „Eselsmessen“ gelesen, die Messebesucher trugen Tierkostüme und antworteten dem „Segen“

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

In Wien wurde zur Zeit der Türkenkriege ein Faschingstreiben im Freien untersagt, um das Einschleichen feindlicher Kundschafter im Schutz einer Larve zu verhindern. Im 17. Jahrhundert war das bunte Faschingstreiben auf den Straßen wieder erlaubt, es uferte aber mit den Jahren mehr und mehr aus, sogar zu Morden kam es. Maria Theresia verbot letztlich allen Ständen das Tragen von Masken im Freien, und so wurden die Feiern in überschaubare Räumlichkeiten verlegt. Die Vergnügungssucht der Bevölkerung war groß, das Ballwesen in Form von Redouten florierte. Die erste Opernredoute fand 1934 in der Staatsoper in Wien statt, der 1935 der 1. Wiener Opernball folgte. Während der Zeit des Nationalsozialismus hatte die österreichische Bevölkerung andere Sorgen, als Fasching zu feiern. Nach Kriegsende erwachte allmählich wieder die Lebenslust, da und dort fanden sich ver-


Industrieviertel / 25

Ehrenmitglied Dr. Erwin Pröll beim Narrenwecken Hainburg 2012. Foto: Franz K. Nebuda

Pachterneuerung bei der Göd’schen Buche 2012. Foto: Evelyne Dolezal

gnügte Menschen zusammen und gründeten „Faschingsgilden“, die sich 1962 zum „Bund österreichischer Faschingsgilden“ zusammenschlossen. Heute sind unter diesem Dachverband sieben Landesverbände zusammengefasst, allein der Niederösterreichische Landesverband zählt 34 Mitgliedsgesellschaften. Besonders sei hier hervorgehoben, dass alle Vereine karitativ für soziale Anliegen in ihren Heimatstädten tätig sind und einen Teil ihrer Einnahmen für soziale Zwecke weitergeben. Zu den grundsätzlichen Zielsetzungen gehören unter anderem die Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen unter den österreichischen Faschingsgilden, die Anknüpfung zu ausländischen Faschingsgesellschaften und die Pflege altösterreichischer Faschingsbräuche.

paar ist in ihre Reihen eingegliedert, die Führung aller obliegt dem Glücksbringer der Gilde, dem Kolomann. Dem guten Ruf des Gumpoldskirchner Weins verpflichtet, entbietet man seinen Gruß in Form von einigen Bouteillen Wein.

Der Brauch ist per definitionem etwas, das von der Bevölkerung gebraucht wird, es hat sich somit den Lebensgewohnheiten und Bedürfnissen der Menschen anzupassen. So ist durch die überregionale Verbreitung von Faschingsbräuchen zwar eine zunehmende Vereinheitlichung der Veranstaltungsformen zu beobachten, dennoch treibt das Gewächs „Fasching“ da und dort ortsspezifische Blüten – wie auch …

Den „Weinfasching“ begeht man am Faschingssamstag. Mitglieder der Faschingsgilde tingeln bunt verkleidet von einem der zahlreichen Heurigen zum anderen, in Begleitung des Harmonikaspielers Pepi, der mit selbstgedichteten Gstanzln die Gäste unterhält. Bei dieser Gelegenheit wird den Wirtsleuten der aktuelle Faschings-Jahresorden verliehen, der jährlich neu kreiert wird. Am folgenden Sonntag zieht sich ein Faschingszug durch den Ort, phantasievoll gestaltete Faschingswägen werden von Schaulustigen bewundert, bevor sie am Rathausplatz eintreffen und von einer Prominentenjury bewertet werden.

… in Gumpoldskirchen Das Jahr der Faschingsnarren beginnt mit dem Narrenwecken am 11. 11. um genau 11.11 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt versammelt sich die Gumpoldskirchner Faschingsgilde in der jeweiligen Landesnarrenhauptstadt, die Jahr für Jahr neu gewählt wird. Alle sind fesch in Uniform gekleidet, das Weinkönigs-

In Folge beginnen die Planungen für die fünfte Jahreszeit, wie der Fasching auch genannt wird. Ein Glanzlicht sind die beiden Faschingssitzungen, die gegen Ende Jänner stattfinden. Da werden honorige Leute ausgerichtet, politische Geschehen kommentiert und sonstige Ereignisse des letzten Jahres persifliert. Für die musikalische Umrahmung sorgen ortseigene Sänger, deren Können weit über die niederösterreichischen Landesgrenzen hinaus bekannt ist.

Nasenbruch und Göd’sche Buch Am Rosenmontag begibt sich die Faschingsgilde zu einer Buche auf Gaadener Grund

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

und Boden, denn im Jahr 2001 rodelte der damalige Bürgermeister von Gumpoldskirchen, Dr. Göd, die Anninger Straße hinunter und stieß in einer scharfen Kurve mit einer Buche zusammen, wobei er sich einen Nasenbruch zuzog. Grund genug für die Faschingsgilde, dort 2003 eine Gedenktafel mit folgender Inschrift anzubringen: „Anno 2001 beim Rodlfoan an dieser starken Buch ’n Burgamasta von Gumpolds’ sei schwache Nase bruch.“ Als Pachtzins für diese Tafel wird dem Gaadener Bürgermeister nun Jahr für Jahr feierlich ein Karton Wein überreicht. Diesem Akt folgt für gewöhnlich ein feuchtfröhlicher Ausklang im Wirtshaus. Sogar die Kindergartenkinder werden in die Faschingsaktivitäten eingebunden. Am Nachmittag des Faschingdienstags ziehen sie, begleitet von der Gilde samt Kolomann und Musik, in selbstgebastelten Verkleidungen durch den Ort bis zum Rathaus, wo sie mit Faschingskrapfen verköstigt werden. Um Punkt Mitternacht wird schließlich bei Fackelschein unter Wehklagen und Getrommel vom Fasching Abschied genommen: Er wird, in einem Sarg liegend, verbrannt. Doch etwa neun Monate später werden ihn die Gumpoldskirchner fröhlich mit ihrem Faschingsruf begrüßen, wenn er aus der Asche wieder auferstehen wird: Prost, Prost! / Text: Gabi Burian


Waldviertel / 26

Mühlen

ALLE WASSERRÄDER STEHEN STILL Die Wasserkraft war der Motor für das kleinteilige Gewerbe des Waldviertels. Mühlen, Wehren und Mühlbäche prägen bis heute die Kulturlandschaft entlang der Wasserläufe.

Am Kamp: Hofmühle bei Rastenberg.

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Waldviertel / 27

Radstube Ramerstein, Kleinheinrichschlag.

Das Waldviertel, ein Mühlenviertel. Dies hat wohl bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts seine Berechtigung. Nur selten wo finden sich derart zahlreiche Anlagen wie an der Krems und am Kamp, an der Lainsitz und an der Thaya. Mit der Elektrifizierung setzte das „große Mühlensterben“ ein. An alten Wegen, neben Bächen und Flüssen, erkennt man noch Mühlbäche. Längst zugewachsen, von der Natur wieder zurückerobert. Wenig erinnert noch an die „gute alte Zeit“ der Hammerwerke, Mahl-, Öl- und Sägemühlen, welche einst mit Wasserkraft betrieben wurden. Hunderte Anlagen sorgten für die Versorgung der Menschen mit dem Nötigsten. In den Hammerschmieden werkte der vor Kraft strotzende Schmied und schuf im Schweiße seines Angesichtes Waffen für die Burgherren, später Pflugscharen für die Bauern und Werkzeuge für Handwerker. Der Müller nutzte die Wasserkraft zum Antrieb der Mühlsteine. Schwer drehten sie und mahlten das Korn. Müller und Bauer waren aufeinander angewiesen und Mühlen – mit angeschlossenen Gastwirtschaften – waren Zentrum der Kommunikation.

Ölmühlen & Lohstampfen Im Waldviertel, geprägt vom Holzreichtum, sorgten die Sägen für die Verarbeitung des Rohmaterials und schufen damit das Baumaterial zur Erweiterung und Entwicklung bestehender Anlagen. Neben diesen Mühlen schafften die Betreiber in Ölmühlen und Lohstampfen Grundmaterialien zur Weiterverarbeitung. Neben den gewerblichen Betrieben sorgten manche Bauern auch mit

Utissenbachmühle am Kamp.

„Hausmühlen“ für die Sicherung des Eigenbedarfes und mittels Wasserräder in vorgegebenen Zeiten für die Bewässerung von Wiesen. Über das harte Leben der Menschen gibt so manche Publikation Aufschluss: vom Enteisen der Räder im Winter, von der Gangbarmachung im Frühjahr, den vielfältigen Reparaturen nach Hochwässern, soweit nicht eine gänzliche Erneuerung erforderlich war, bis hin zur ständigen Betreuung der Mühlbäche, Werkskanäle, Schleusen, der Wehranlage etc. Heute zeugen nur mehr Reste von der einstigen Vielfalt und Größe der Mühlen. An den Oberläufen stehen kleinste Anlagen, welche das Überleben kaum ermöglichten. Je weiter sich das Tal öffnet und das Gewässer an Mächtigkeit zunimmt, desto größer auch die Gebäude. Nunmehr fließen die Gerinne ungenutzt ihrem Ziel entgegen, verstummt sind die wuchtigen Schläge des großen Schmiedehammers, die man weithin vernehmen konnte. Verstummt sind auch das Geklapper der Mühlen und der Gesang der Brettersägen, welche vom Arbeitsfleiß ihrer Betreiber erzählten: einst mächtige Bauwerke, nun zu Ruinen verfallen oder gänzlich abgekommen. Mühlen beflügelten aber auch die Phantasie von Künstlern. So finden sich zahlreiche Motive in der darstellenden Kunst, wobei die „Mühle am rauschenden Bach“, romantisch verklärend, eine sehr beliebte Darstellung war. Imma von Bodmershof verstand es trefflich im großen „Waldviertelroman“ („Die Rosse des Urban Roithner“) sowohl die Cha-

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

raktere als auch das Arbeiten und Wirtschaften im Waldviertel zu beschreiben: von der Schwere der Bodenbearbeitung, vom kargen Acker, vom geringen Ertrag, von den Widrigkeiten der Holzbringung und dessen Transport, aber auch vom Leben in den Mühlen und Sägen im Lande.

Brettersäge & Schauschmiede Von den zahlreichen wasserbetriebenen Anlagen stehen heute nur mehr wenige in Betrieb – natürlich mit elektrischer Energie betrieben. Das althergebrachte Handwerk der Schmiede, Müller und Säger kann nur mehr im Museum betrachtet werden. Wie z. B. die Brettersäge in Kirchbach bei Rappottenstein, die anschaulich die Arbeitsweise und den Betrieb einer Säge zeigt. Das Leben und Werken in einer Hammerschmiede wird in der Schauschmiede in Kamp bei Arbesbach dargestellt. / Text und Fotos: Friedrich Weber

HÄMMERN, MAHLEN, SÄGEN

——————————————————— Mühlen an Teilen von Kamp und Krems Das Buch ist im Eigenverlag erschienen und kostet EUR 58,00 einschließlich Verpackung und Versand. Erhältlich bei: weber@gwg-steyr.at


Weinviertel / 28

Ziegelöfen

ZEIT DER ZIEGEL Spurensuchen im Ziegelviertel unter dem Manhartsberg.

Ziegeln nutzend, avancierte er rasch zum größten Industriellen im damaligen Weinviertel. Er nannte Ziegeleien samt Ringöfen in Frättingsdorf (1870), Neubau-Kreuzstetten (1884), Stillfried (1893), Wolkersdorf (1896) und Grusbach (heute: Hrušovany) in Südmähren (1900) sein Eigen. Frättingsdorf, so berichten Chroniken, soll eine der bedeutendsten Ziegeleien der Monarchie gewesen sein.

Ringziegelofen in Neubau-Kreuzstetten.

Aufmerksame Schnellbahnfahrer der Linie S2 kennen ihn, den 34 Meter hohen, aus Ziegel gemauerten Schlot bei der Station Neubau-Kreuzstetten zwischen Wolkersdorf und Mistelbach. Die Rede ist vom letzten intakten Ringofen des Weinviertels, wo bis Ende Juli 1975 Ziegel gebrannt wurden. Daneben existierte ein zweiter Ringofen, nicht minder groß – den Schlot sprengte man 1979. Die beste Zeit der einst nahezu ungezählten Ziegelöfen im Weinviertel war damals schon lange zu Ende gegangen. Von einst mehreren hundert Ziegelöfen ist nur mehr jener in Göllersdorf der Fa. Wienerberger in Betrieb.

Zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert, der Gründerzeit, der großen Zeit der Ziegler. Fuhr man damals mit der dampfenden Bahn weiter, sah man auch bei der Station Frättingsdorf zwei rauchende Schlote großer Ringöfen. Da wie dort wurden SteingassnerZiegel gebrannt. Bei einem Besuch im Frättingsdorfer Friedhof laufen die Fäden der Familie Steingassner zusammen und werden alte Zieglergeschichten wieder lebendig. Begründer war Martin Steingassner (1838–1917), seines Zeichens „Fabriks- und Realitätenbesitzer“. Bereits als 16-Jähriger übernahm er einen Feldofen in Hörersdorf. Die Gunst der Stunde, sprich den Bedarf an

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Wenn auch heute vom eigentlichen Werk, das 1973 stillgelegt wurde, nichts mehr zu sehen ist, so zeugen an der S-Bahnstation die schön renovierten, urban anmutenden Verwaltungsgebäude im Stil der Gründerzeit von der einst großen Ära. Ein paar Schritte weiter an der Staatzer Straße (B46) trifft man auf die schon verfallenden kleinen Häuser der Ziegelarbeiter. Jenseits der Straße steht in einem Park die Steingassner-Villa. Das Bauerndorf Frättingsdorf ist einen guten Kilometer entfernt.

Von der Welt der Ziegelarbeiter … Ob hier in Frättingsdorf, in Neubau-Kreuzstetten oder anderswo, die Situation war stets ähnlich. Kontakte zu den Zieglern, die meist aus Böhmen, Mähren oder der Slowakei stammten, waren bei der bäuerlichen Bevölkerung nicht erwünscht. Die Ziegelarbeiterinnen und -arbeiter lebten in einer Parallelwelt mit eigener Infrastruktur – förmlich im Ghetto. Martin Steingassner etwa betrieb an seinen Standorten für die Ziegelarbeiter eigene Gasthäuser, die er mit in seiner Poysdorfer Brauerei gebrauten Bier versorgte. Auch Kaufhäuser, Postämter und


Weinviertel / 29

Jeder Ziegelofen hatte sein eigenes Zeichen.

Abseits der bäuerlichen Dorfgemeinschaft – Arbeiterhäuser in Frättingsdorf.

vieles mehr entstanden vor Ort, um Versorgung und Unabhängigkeit der meist kinderreichen Zieglerfamilien zu gewährleisten. Im Grunde war die soziale Situation der Ziegelarbeiter im Weinviertel – sei es in den beschriebenen Ziegeleien Steingassners oder an anderen Standorten mit großen Ringöfen wie in Laa an der Thaya, in Stronsdorf etc. – ähnlich trist wie im Süden Wiens, wo Heinrich Drasche (1811–1880) seine großen Werke besaß. Doch abseits der großen Ziegeleien gab es im Weinviertel noch beinahe ungezählte kleinere Lehmabbaue und Ziegelöfen. Vielfach sind sie heute für das ungeübte Auge nicht zu erkennen, da oder dort eine Böschung, ein kleines Wäldchen mit den Resten eines alten Feldofens, ein Fußballplatz oder eine Deponie – so sehen die einstigen Ziegeleien im Weinviertel heute aus.

… zur Arbeit des Ziegelforschens Ziegelforscher begnügen sich nicht bloß mit dem Sammeln alter Ziegel, die aufgrund der vielfältigen Ziegelzeichen erste Hinweise auf die einstigen Besitzer geben. Sie studieren alte Katastermappen, suchen Einträge wie „Z. O.“ für Ziegelofen, oder „Z. S.“ für Ziegelschlag, studieren alte Taufmatriken, wo sich Berufsbezeichnungen wie „Ziegelbrenner“ oder Adressen wie am „Ziegelofen des Hr. Grün“ (in Spannberg) finden und rekonstruieren so im Land der Bauern die Welt der Ziegelarbeiter. In den letzten Jahren waren Helga Papp (1994–2001) und Christian Ferdinand

Ramml (2008–2013) im Weinviertel in Sachen Ziegel(ofen)forschung aktiv. Papp konnte im Bezirk Hollabrunn für den Zeitraum von 1780 bis 1980 nicht weniger als 148 ehemalige Ziegelöfen belegen. Ramml erkundete für die Bezirke Mistelbach und Gänserndorf mehr als dreimal so viele Lehmabbaue bzw. Ziegeleien. Die Ergebnisse sind in den Bänden 24 und 27 der Reihe „Archiv für Lagerstättenforschung“ im Verlag der Geologischen Bundesanstalt veröffentlicht. Freilich handelte es sich nicht nur um oben beschriebene großindustrielle Anlagen, vielfach waren es kleinere Feldöfen, die nur temporär in Betrieb waren, um lokale Bedürfnisse zu decken. So wurden etwa alleine in der Marktgemeinde Auersthal 15 (!) Ziegelöfen evident. Viele der Ziegelöfen waren herrschaftlich, also im Besitz adeliger Grundbesitzer, oder standen als Gemeindeziegelofen unter Obhut der jeweiligen Bürgermeister. Zieht man in Betracht, dass jeder Ziegelofenbesitzer sein eigenes Ziegelzeichen hatte, Besitzer zum Teil mehrmals wechselten, eventuell auch mehrere Model (= Formen für Ziegel) in Verwendung waren, so sind – so die Erkenntnis Rammls – für die Bezirke Mistelbach und Gänserndorf bis zu 2.000 verschiedene Ziegelzeichen anzunehmen. Bleibt die Frage nach dem Ziegelrohstoff. Im Weinviertel, vielfach auch als Lössland bezeichnet, eignet sich nicht nur der weit verbreitete ockerfarbene Löss (= eiszeitlicher Staub), sondern auch so gut wie alle darunter liegenden Gesteine, sofern sie feinkörnig sind, zum Ziegelbrennen. Letztere, im frischen Zustand meist blaugraue,

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Verwaltungsgebäude Steingassner, Frättingsdorf.

schluffig-sandige Tone bzw. Tonmergel, sind Meeres-, stellenweise Fluss- oder Ablagerungen des einstigen Pannonsees. Dank dieser – aus Sicht der Ziegler – äußerst günstigen Situation, wo man an fast jeder Stelle die lehmig verwitterten Schichten abgraben kann, um am besten gleich vor Ort einen Ziegelofen zu errichten, darf das Lössland mit seinen feinkörnigen aquatischen Sedimenten im Untergrund auch als „Ziegelviertel“ bezeichnet werden. / Text und Fotos: Thomas Hofmann

ZIEGELMUSEEN & SAMMLUNGEN

——————————————————— Erzherzog-Fertinant-Keller Hauptplatz, 2041 Wullersdorf Tel. 02951 8581 Öffnungszeiten: Mai–Oktober, jeden ersten So im Monat 14.00–17.00 Uhr, oder ganzjährig nach tel. Vereinbarung _ Wullersdorfer Ziegelmuseum Ziegel im Weinviertel, Kleinebersdorf Ziegelmuseum Eggenburg Ziegelsammlung Jetzelsdorf Ziegelstadel Ziersdorf (Neueröffnung) Heimatmuseum Ernst Wurth, Guntramsdorf Adressen & Informationen www.noemuseen.at


Mostviertel / 30

Handwerk

IM LODENLANDL Im Mostviertel wird Loden – von der Schurwolle bis zum fertigen Mantel – in einem Familienbetrieb erzeugt.

Das Ehepaar Landl prüft Wollflies für die Füllung von Decken und Matratzen.

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Mostviertel / 31

Bevor die Lodenprodukte ihren Besitzer wechseln …

… muss gefärbt, kadiert …

Das Geschäft ist eine Institution. Es ist weltberühmt im Mostviertel. Hier hängen auf langen Kleiderstangen dicht an dicht Lodenmäntel und Dirndln, Forsthosen und Havellock, Gamaschen und Trachtentücher. Nicht alles wird im Familienbetrieb erzeugt, aber alles, was rund um Tracht-, Jagd- und Forstausstattung gewünscht wird, lässt sich hier finden.

nicht mit der Waschmaschine, sondern in einer Waschglocke“. Denn Wolle verträgt wohl Hitze, aber keine Bewegung. Durch die Reibung verfilzen sich die Schuppen der Wollfaser. Das ist ein Vorgang, der bei der Lodenerzeugung genutzt wird, allerdings ist es bis dahin noch ein weiter Weg.

„Loden Landl“ an der Straße zwischen Opponitz und Hollenstein an der Ybbs ist ein Familienbetrieb. Während Frau Landl den Laden managt (und daneben die Großmutter in der Küche werkt), ist Karl Landl für die Lodenerzeugung zuständig. Und Landl jun. wird den Betrieb weiterführen und ist beim Vater „in Lehre“.

Die angelieferte Wolle wird von Karl Landl geprüft. Er weiß schon beim Hineingreifen, wie hoch der Lanolinanteil der Wolle ist. Lanolin wird in den Hauttalgdrüsen des Schafes gebildet und schafft einen wachsartigen Schutzüberzug auf der Wollfaser, der die Wolle wasserabstoßend macht und so gegen Witterungseinflüsse abschirmt. 20 bis 30 Prozent Lanolinanteil ist gewünscht, so behält die Wolle ihre wasserabweisenden Eigenschaften und fühlt sich dennoch weich und eben wollig an. Die Qualität der Wolle, und da kommt der Lodenerzeuger ins Schwärmen, ist, dass sie bis zu 33 Prozent Feuchtigkeit in sich aufnehmen kann, ohne sich nass anzufühlen. Das macht den Loden für Arbeiten bei Wind und Wetter perfekt. So hat sich Karl Landl, neben der Erzeugung von Trachten und insbesondere des Lodens für die Eisenstraßentracht, auf den Bedarf für Forstarbeiter und Jäger spezialisiert.

Das Haus war einst eine Schmiede und eines der zahlreichen hämmernden Herzen in der Eisenwurzen-Region. Dann wurde hier Leinen hergestellt, der Besitzer ging mit seinem tragbaren Webstuhl auf die Stör und webte „ab Hof “ die gewünschten Stoffe. In den 1930er Jahren sattelte die Familie Landl auf Schafwolle um. „Schafe sind für unsere Gegend einfach besser geeignet als der Flachsanbau“, erklärt der Chef. Die Wolle kommt von den Schafen der näheren und weiteren Umgebung. „Manche Bauern liefern zwei Kilo, manche 100“, so Karl Landl. Bevor die Wolle verarbeitet wird, wird sie am Hof sortiert. Die Haxelwolle ist von minderer Qualität, die Rückenschurwolle ist die beste Wolle und wird am Hof gewaschen, „doch

Wollankauf

Färben Die Wolle wird im Haus gefärbt. Das ist eine Arbeit für die warme Jahreszeit. Die Wolle

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

… gesponnen und gewalkt werden.

wird zwischen zwei Siebeinsätzen fixiert, das Wasser mit den Farbpigmenten auf 100 °C erhitzt und mit einer Umlaufpumpe durch die Wolle gespült. „Das darf man mit einem Pullover nicht machen“, warnt Karl Landl, „denn dann kommt er als Puppenpullover wieder aus der Waschmaschine.“ Wenn die Wollfaser aber regungslos liegt, können sich die Wollschuppen – „Stellen Sie sich diese wie einen Palmenstamm vor“ – nicht ineinander verfilzen. Die gefärbte und getrocknete Wolle kommt anschließend in den Wolf, der Wollflocken ausspuckt.

Kadieren Der nächste Schritt nimmt einen großen Teil der Arbeitshalle in Beschlag. Um die Wollfasern für das Spinnen vorzubereiten, werden sie auf der „Krempel-Maschine“ zu einem Flies ausgerichtet und dabei die Verunreinigungen mechanisch herausgekämmt. Das passiert auf Rollen, die Tambour, Arbeiter und Wender heißen. All die Heurückstände aus dem Kleid des Schafes werden herausgelöst. Wenn Karl Landl diese dreiteilige Kardiermaschine anwirft, hört man das ohrenbetäubende Klopfen und Rattern des Industriezeitalters, präzise geführt von Zahnrädern und mit Schmieröl in Schuss gehalten. Die Kännchen mit dem Maschinenöl stehen überall griffbereit. Das Flies wird in Streifen geteilt, das ist dann das Vorgarn, mit dem die Spinnmaschine die Arbeit übernimmt.


Mostviertel / 32

Nachbearbeitung des Lodens: Je nach Bedarf wird daraus ein glatter Loden oder ein Strichloden.

Spinnen „Hier patrouilliere ich auf und ab“, so Herr Landl und umrundet die gut zwölf Meter lange Spinnmaschine, die aus einer ehemaligen Spinnerei in Bad Vöslau angekauft wurde. Sie war noch um ein gutes Stück länger, „aber so hätte sie nicht in unsere Halle gepasst. Der Rest der Spinnmaschine ist mein Ersatzteillager.“ Und das ist gut zu gebrauchen, denn die unzähligen Spinndüsen mit ihren feinmechanischen Teilen bewegen sich in Windeseile – es scheint, als riesle der Faden herab wie feiner Regen. Reißt einer dieser Fäden, wird er händisch „angedreht“. Deswegen geht der Lodenerzeuger beständig um seine Spinnmaschine, während er nebenbei das fertige Garn auf jene Rollen umspult, die dann für die Vorbereitung des Webstuhls benötigt werden. Das Umspulen ist gleichzeitig eine Qualitätskontrolle – Fadenstärke, Verunreinigung etc. – und es ist die einzige elektronische Maschine in der Produktionskette. Um einen Stoff – vom Schaf bis zur Lodenwalke – zu erzeugen, braucht es ein halbes Jahr. Denn Karl Landl muss genau überlegen, welche Farbe, welche Stärke, welche Länge er produziert, um auf Angebot und Nachfrage zu reagieren und seinen Maschinenpark so zu nutzen, dass nirgendwo ein Stau oder ein Leerlauf entsteht.

Weben Noch ist der Stoff nicht gewebt. Die Garne werden für Einrichtung des Webstuhls auf

den Kettbaum umgespult. Bei Loden Landl wird auf 2,20 Meter Breite gewebt. Dazu benötigt es 2.000 Kettfäden. Die Greifwebstühle sind im Gegensatz zum klassischen „Schiffchen“ doppelt so schnell, da von beiden Seiten je ein Greifer mit den Schussfäden durch die Kette schießt. In der Mitte wird dann der Faden übernommen, also „gegriffen“, und auf die andere Seite gebracht. Anschließend wird der Stoff auf einem Leuchtpult kontrolliert. Etwaige Schadstellen werden seitlich mit einem Faden markiert.

Walke Der Stoff kommt nun in die Lodenwalke und wird auf eine Trommel geschoppt. Dann wird der Deckel geschlossen. Hitze (70 °C), Wasser, Bewegung „und ein Löfferl Schmierseife“ lassen den Stoff zu Loden werden. Das ist derselbe Vorgang wie Filzen, allerdings mit jenem Unterschied, dass Filz aus einem Wollflies geformt wird und Loden aus einem gewebten Stoff gewalkt wird. Der Stoff ist nun auf die Breite von 1,20 Meter verdichtet und kommt in die Trockenkammer. Um einen Strichloden zu bekommen – er eignet sich vor allem für Außenbekleidung –, wird der Stoff aufgeraut und anschließend mit einer Kratzwalze „in den Strich gelegt“. Dann ist es die Aufgabe des Schneiders, diesen Stoff richtig zu verarbeiten, denn um einen optimalen Wasserschutz zu bekommen, soll der Strich nach unten verlaufen. Will man einen glatten Loden,

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Lodenerzeugung Landl – dort, wo die Hose im Wind hängt.

wird die aufgeraute Faser anschließend mit unzähligen kleinen Messern auf eine bestimmte Höhe geschnitten – also geschärt. Danach wird der Loden gedämpft und mit zehn Tonnen Druck gepresst. Wir sind durch drei Ebenen gegangen: vom Dachboden, in dem der Wolf stand, über die Nassräume, in denen gefärbt und gewalkt wurde, bis zu den ratternden Kadier-, Spinnund Webmaschinen. Wir haben die Wolle von den mit Heunisteln behängten Locken des Schafes bis zu den grünen, grau melierten, schwarzen und blauen Lodenstoffen begleitet. Diese werden nun beim Bruder Herbert Landl in der Schneiderei weiterverarbeitet. Das aber ist eine andere Geschichte. / Text: Mella Waldstein Fotos: Nikolaus Korab

LODEN LANDL

——————————————————— 3343 Hollenstein/Ybbs Tel. 07445 333-0 www.lodenlandl.at Öffnungszeiten: Mo–Fr 8.00–12.00 und 14.00–18.00 Uhr, Sa 8.00–11.00 Uhr Erzeugung und Direktverkauf von Tracht-, Jagd- und Forstbekleidung sowie Wollsteppdecken und Naturmatratzen


Kultur.Region / 33

Kurse & Seminare

FORTBILDUNG KREATIV- UND KUNSTPÄDAGOGIK

—————————————————————— Fr, 31. 1.–Sa, 1. 2. 2014 KRE:ART, 3500 Krems, Am Wegscheid 7 Kinder und Jugendliche als Ko-Konstrukteure von Kunst und Kultur. Multiple Intelligenzen – multiple Lernprozesse. Projekte – Dokumentation – Präsentation. Kreative Methoden und praktische Umsetzung. Anmeldung Museumsmanagement Niederösterreich www.noemuseen.at _

27. VOLKSMUSIKSEMINAR WIESELBURG

—————————————————————— Fr, 14.–So, 16. 2. 2014 Einzelunterricht, Ensemblespiel, Verbesserung des Vortrags und der Spieltechnik, Erlernen neuer Stücke und das Erarbeiten und Finden von erster, zweiter und dritter Stimme. Anmeldung Tel. 0650 4924761 (Helmut Gutleder) helmut.gutleder@utanet.at _

PROJEKTPRAXIS

—————————————————————— Fr, 21.–Sa, 21. 2. 2014 Haus der Regionen, 3504 Krems-Stein Kennenlernen der Bestandteile eines erfolgreichen Vermittlungskonzepts. Rahmenbedingungen und Kommunikationswege in Institutionen. Vom idealistischen Ansatz zur pragmatischen Durchführung. Analyse und Bearbeitung von konkreten „Case-Studies“. Anmeldung & Information Museumsmanagement Niederösterreich www.noemuseen.at _

NÖ MUSEUMSKUSTODENFORTBILDUNG

——————————————————————

Zwei Arten der Teilnahme sind möglich: Als Tanzleiter sowie als Tänzer. Anmeldeschluss: Mo, 10. 2. 2014

Fr, 14.–Sa, 15. 2. 2014 Ausstellungsgestaltung

Kosten: EUR 30,00 Nächtigung & Verpflegung: EUR 55,00

Haus der Regionen, 3504 Krems-Stein

Anmeldung Volkskultur Niederösterreich, Tel. 0664 9608876 (Franz Huber)
 franz.huber@volkskulturnoe.at _

Konzeption von Ausstellungen, zielgruppenorientierte Aufbereitung, gestalterische Umsetzung, Zeit- und Kostenschätzung. Fr, 7.–Sa, 8. 3. 2014 Erfolgreiche Betriebsführung Brandlhof, 3710 Ziersdorf, Radlbrunn 24 Betriebsführung, Öffentlichkeitsarbeit, Förderungen, Sponsoring, Kooperationen, Ressourcenplanung. Spezialvortrag: Juristische Fragen. Anmeldung Museumsmanagement Niederösterreich Tel. 02732 73999, museen@volkskulturnoe.at www.noemuseen.at _

LEHRGANG FÜR VOLKSTANZLEITER

—————————————————————— Fr, 21.–So, 23. 2. 2014
 Schreiners „Das Waldviertel Haus“, 3663 Münichreith-Laimbach, Laimbach 5 Anmeldung (Restplätze) Tel. 0664 9608876 (Franz Huber)
 _

TANZLEITERSEMINAR 2014

—————————————————————— Sa, 8.–So, 9. 3. 2014 GH Strohmaier, 3202 Hofstetten, Hauptpl. 4 Das Tanzleiterseminar richtet sich speziell an Leiter von Volkstanzgruppen sowie an erfahrene Volkstänzer. Das Seminar bietet einerseits Erweiterung für das eigene Repertoire und andererseits eine Möglichkeit, zur eigenen Tanzleitertätigkeit ein Feedback zu bekommen.

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

GROOVICALS

—————————————————————— Sa, 15. 3. 2014 Beethoven Musikschule der Stadtgemeinde Mödling, Babenbergergasse 20, 2340 Mödling Groovicals sind kurze Rhythmus-, Melodieund Klangmosaike, die in Form von CircleSongs gesungen bzw. musiziert werden können. Im Vordergrund stehen aufeinander Hören, „In time“- und „In tune“-Musizieren. Zielgruppe: Lehrer mit dem Unterrichtsfach Gesang, Ensemble- und Chorleiter und alle Interessierten, auch Instrumentalisten. Anmeldung Musikschulmanagement Niederösterreich Tel. 02742 90666 6112 www.musikschulmanagement.at _

VOLKSMUSIK AUS DEM OSTEN ÖSTERREICHS

—————————————————————— Sa, 22. 3. 2014, 9.30–17.00 Uhr Gemeinde-Vbd. der Musikschule Wienerwald Mitte, 3002 Purkersdorf, Schwarzhubergasse 5 Theoretische Einführung und praktischer Teil mit „musikantischem Spiel“ im Mittelpunkt. Anmeldung Musikschulmanagement Niederösterreich Tel. 02742 90666 6112 www.musikschulmanagement.at


Bücher, CDs & feine Ware / 34

AUSLAGE KÜSSEN! SINGEN! TRINKEN!

——————————————————————

Kurt Girk Trio EUR 13,99 Erhältlich über www.hoanzl.at Der Wienerliedsänger Kurt Girk singt seit fast 60 Jahren beim Heurigen. Ein internationales Wirken hat ihn nie interessiert, Angebote aus Japan und Übersee hat er stets ausgeschlagen, selbst außerhalb von Wien tritt er ungern auf. Sein Lebensmotto artikulierte er einmal in dem von ihm und Rudi Koschelu getexteten Lied „I hab’ Hamweh nach Ottakring“: „Wiener Musik, sechzehnter Hieb, die zwa g’hörn z’samm, das könnt’s ma glaub’n.“ Seine musikalischen Begleiter sind seit vielen Jahren Herbert Bäuml und Rudi Koschelu. Durch seine Bühnenpräsenz, gepaart mit augenzwinkerndem Vorstadtcharme und unnachahmlicher Eleganz, wird Kurt Girk als „Frank Sinatra von Ottakring“ in die Geschichte eingehen. /

GITANCŒUR D’EUROPE

—————————————————————

Harri Stojka EUR 18,00 Erhältlich über www.harristojka.at Harri Stojka ist nicht nur ein Wanderer zwischen den musikalischen Welten von Jazz, Rock, Blues und Brasil, er ist auch ein unermüdlicher Sucher, seine Roma-Wurzeln betreffend. Sein neues Album ist eine Art Fortsetzung der unstillbaren Sehnsucht nach Verortung. Der Meistergitarrist spielt in großer Besetzung europäische Klassiker der Roma-Musik. Mit dabei

sind heimische Größen wie Joschi Schneeberger, Karl Hodina und Geri Schuller, der für die Arrangements verantwortlich zeichnet. Jelena Krstič singt extrem beseelt, Gitarrist Stojka spielt einige seiner schnellsten Läufe ever. Die wirkliche Heimat des fahrenden Volks dürfte tatsächlich ihre Musik sein. So entspannt, so lebensfroh – auch in den melancholischen Passagen – hat man Stojka noch nie gehört. /

GROSSVATERS GESCHICHTEN

——————————————————————

Toni Distelberger: Großvaters Geschichten. Ein Leben im Mostviertel Verlag Bibliothek der Provinz, EUR 24,00 ISBN 978-3-99028-235-9 www.bibliothekderprovinz.at Der Großvater wurde 1892 auf einem Bauernhof bei Steinakirchen im Mostviertel geboren. Als er zehn Jahre alt war, starb seine Mutter bei ihrer 15. Schwangerschaft. Durch den Unfalltod des Vaters im Jahr 1908 wurden die zehn überlebenden Geschwister zu Vollwaisen. Der Großvater steht da schon seit seinem zwölften Lebensjahr als Bauernknecht im Dienst. In den Zwanzigerjahren arbeitet er als Fuhrwerker in Gresten und Fabrikarbeiter in Purgstall. 1923 wird ihm unehelich eine Tochter geboren, die zuerst von seiner Schwester aufgezogen wird. 1927 heiratet er die Mutter seiner Tochter, 1929 kaufen sie einen Bauernhof in der Gemeinde Hochrieß. Dort kommen zwischen 1929 und 1942 acht Kinder zur Welt. In dieser schwierigen Zeit sehen sich die Großeltern immer wieder existenziellen Prüfungen ausgesetzt. Oft geht es um Leben und Tod. Doch alle Krisen werden glücklich bewältigt. Nach dem Krieg entsteht die Idee, sein eigenes Leben aufzuschreiben. Toni Distelberger, der Enkel, beginnt, die Texte seines Großvaters und seine Lebensgeschichte zu erarbeiten. / schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

SCHWARZES GOLD

——————————————————————

Gerhard Ruthammer: Öldorado Weinviertel. Zur Geschichte des Erdöls im Weinviertel Edition Winkler-Hermaden, EUR 19,90 ISBN 978-3-9503611-1-7 www.edition-wh.at

Um es vorwegzunehmen: Das Buch ist ein Meilenstein. Über Erdöl und seine Geschichte im Weinviertel ist bisher – außer einer OMV-eigenen Publikation – kaum etwas veröffentlicht worden. Ruthammer, Erdölfachmann, OMVMitarbeiter und später Professor an der Montanuniversität in Leoben, fokussiert die Geschichte des Erdöls auf das Weinviertel. Anschaulich wird von den ersten Bohrversuchen bei Rabensburg 1915 und dem Durchbruch mit der Bohrung „Gösting 2“ im Jahre 1932, die erstmals eine wirtschaftlich nutzbare Förderung erbringt, berichtet. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Zeit von 1938 bis 1945, in der vor allem im Raum Neusiedl/Zaya und Zistersdorf rücksichtslos ausgebeutet wird. Mit Kriegsende und der Übernahme der Förderstätten durch die Sowjetische Mineralölverwaltung (SMV) verlagerten sich die Förderschwerpunkte auf den Mühlberg bei Bernhardsthal/Altlichtenwarth und die Region Matzen/Prottes. Auch die Sowjets beuten aus, was möglich ist. 1955 beginnt mit dem Staatsvertrag die Geschichte der OMV, die nur mehr im Überblick geboten wird. Das Thema ist allerdings erst angerissen. Sowohl Nazizeit als auch Besatzungszeit sind regionalhistorisch weitgehend unbearbeitet. Die Aufarbeitung jenseits von geglätteten Erfolgsstories steht noch aus. Dazu braucht es Wirtschaftshistoriker, die nicht aus dem Umfeld der OMV kommen. Die OMV ist drauf und dran, im Weinviertel von der Bildfläche zu verschwinden, geblieben sind Deponien und ein paar Nostalgie-Bohrtürme. Das Weinviertel hat vom schwarzen Gold wenig gehabt. Ein Themenpark „Erdöl“ in Neu-


Bücher, CDs & feine Ware / 35

siedl an der Zaya oder eine Dokumentation, die die Geschichte sichtbar macht, sind bis heute nicht zustande gekommen. Das neue Thema Schiefergas, das im Weinviertel heftige Proteste ausgelöst hat und derzeit wieder vom Tisch ist, wird sicherheitshalber gar nicht angesprochen. Zu guter Letzt ist das fast schon zur Perseveration verkommene Kompliment an den Verlag Winkler-Hermaden auszusprechen, der mit bewährt gutem Gespür wieder ein ganz spannendes Thema vorgelegt hat. / Richard Edl

facettenreiches Bild Bertha von Suttners zusammen: von ihrer Jugend in Prag, Brünn und Wien bis zu ihrer Emanzipation zu einer anerkannten Journalistin und Schriftstellerin, schließlich ihr Engagement für die internationale Friedensbewegung. Vor dem Hintergrund der politischen und sozialgeschichtlichen Ereignisse entsteht so ein lebendiges, differenziertes Panorama der untergehenden Donaumonarchie am Vorabend des Ersten Weltkriegs. /

DIE FRIEDENSBERTHA

—————————————————————— Wladimir Aichelburg: Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este 1863–1914 Verlag Berger Horn, EUR 150,00 ISBN 978-3-85028-624-4 3 Bände, insg. 3.000 Seiten www.verlag-berger.at

——————————————————————

Brigitte Hamann: Bertha von Suttner. Kämpferin für den Frieden Christian Brandstätter Verlag, EUR 25,00 ISBN 978-3-85033-755-7 www.cbv.at Eine gar nicht glamouröse Kindheit, eine spielsüchtige Mutter, ein paar verpatzte Liebesgeschichten – doch die junge Komtess Bertha Kinsky lässt sich nicht unterkriegen. Sie ist belesen, mehr noch: sie interessiert sich für die zeitgenössische Literatur, lässt sich als Sängerin ausbilden, spricht mehrere Sprachen fließend und nimmt eine Lehrerinnenstelle im Hause der Familie Suttner an. Dort lernt sie den um einige Jahre jüngeren Sohn des Hauses kennen und lieben. Als die Liebesgeschichte publik wird, nimmt sie eine Stelle als Sekretärin bei einem gewissen Alfred Nobel in Paris an. Nobel ist ihr mehr als zugetan, doch Bertha beschließt allen Widerständen zum Trotz Arthur von Suttner zu heiraten. Das Paar geht in den Kaukasus, wo beide als Schriftsteller und Journalisten ein materiell bescheidenes Leben führen. Bertha von Suttner war nicht nur die prominenteste politische Journalistin ihrer Zeit und Begründerin der Friedensgesellschaft, sie kämpfte zeit ihres Lebens leidenschaftlich gegen überholte Konventionen, gegen die Unterdrückung der Frauen und gegen den Antisemitismus. Ihr Bestseller „Die Waffen nieder“ (1889) verschaffte ihr Weltruhm, und ihrer Initiative verdanken wir die Stiftung des Friedensnobelpreises, den sie 1905 als erste weibliche Preisträgerin verliehen bekam. Brigitte Hamann fügt in dieser bebilderten Biografie ein

DER THRONFOLGER

Kein anderer politischer Mord der Weltgeschichte hatte so furchtbare Folgen wie jener am österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in Sarajevo 1914. Das vorliegende Monumentalwerk des Historikers Wladimir Aichelburg – er hat das Franz Ferdinand-Museum mitaufgebaut (siehe Seite 41) schildert anhand von Zeugnissen der Zeitgenossen und Dokumenten aus dem Leben des Thronfolgers die letzten Jahrzehnte vor dieser Apokalypse. Es folgt der Person Franz Ferdinand – von Mayerling nach Sarajevo – und schildert darüber hinaus die Schicksale seiner Kinder. Behandelt werden Jugend und Ausbildung des späteren Thronfolgers, seine Weltreise, die Formierung seiner politischen Ansichten, seine Militärdienstzeit, seine schwere Krankheit, die schwierige Rolle des zweiten Mannes im Staat, aber auch der Kampf um die geliebte Frau. Des Weiteren sind seine Tätigkeit als Bauherr und Denkmalschützer und seine Jagdleidenschaft Themen. /

DER KRIEG ALS ZEITENWENDE

—————————————————————— Manfried Rauchensteiner: Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918 Böhlau Verlag, EUR 45,00 ISBN 978-3-205-78283-4 www.boehlau-verlag.com Nach der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand stand fest, dass es Krieg geben würde. Wie dieser entfesselt wurde und bereits Wochen später Österreich-Ungarn nur deshalb nicht zur Aufgabe gezwungen war, weil es immer wieder deutsche Truppenhilfe bekam, hat bis heute nichts an Dramatik verloren. Zwei Monate vor

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

seinem Tod verzichtete der österreichische Kaiser auf einen Teil seiner Souveränität und willigte in eine gemeinsame oberste Kriegsleitung unter der Führung des deutschen Kaisers ein. Der Nachfolger Franz Josephs, Kaiser Karl, konnte das nie mehr rückgängig machen. Auch ein Teil der Völker Österreich-Ungarns fürchtete die deutsche Dominanz. Schließlich konnten nicht einmal die militärischen Erfolge 1917 den Zerfall der Habsburgermonarchie verhindern. Das Buch beruht auf jahrzehntelangen Forschungen und bleibt bis zur letzten Seite fesselnd, obwohl man das Ende kennt. Rauchensteiner sieht den Ersten Weltkrieg als Zeitenwende. Ob er die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts war, muss der Leser entscheiden. /

FUNDSTÜCKE AUS DEM FLUSS

—————————————————————

Wenn die Schmuckdesignerin Sieglinde Almesberger Kieselstein sucht, dann nennt sie das ihren „Außendienst“. „Sehr wichtig ist die Oberfläche, wie sich der Stein an anfühlt. Ich verwende solche, die durch die Strömung des Wassers, des Flusses durch Millionen von Jahren besonders glatt geschliffen sind und eine schöne Form haben. Wenn sie sich geschmeidig anfühlen, dann tun sie der Seele gut“, so die Designerin. Wer in der Donau schon einmal geschwommen und untergetaucht ist, weiß um das beständige Grollen der Steine – das Geschiebe. Ausgewählte Flusskiesel werden vom Almesberger in Silber gefasst. Weitere Schmuckobjekte aus ihrem Atelier sind die Linzer Kugeln, die aus feinem Drahtgespinst verlötet werden. „Linz ist für die Metallindustrie weltbekannt. Das inspirierte mich zum Entwurf dieser Kugel aus Metall. In meinem Auftrag fertigen Menschen, die psychisch und sozial benachteiligt sind, diese Kunstwerke in einer Arbeitstrainingseinrichtung von pro mente an.“ / Galerie der Regionen 3504 Krems-Stein, Donaulände 56 Tel. 02732 85015 15 Öffnungszeiten: Di–Fr, 10.00–12.00 u. 15.00–18.00 Uhr, jeden 1. Sa im Monat 10.00–12.00 u. 14.00–17.00 Uhr, an Konzerttagen bis 21.00 Uhr


Volkskultur / 36

Türkische Hochzeiten

MIT DAVUL UND ZURNA Im Rahmen der Sommerakademie des Österreichischen Volksliedwerks 2013 zum Thema „Migration, Ein- und Anschlüsse, Vermittlungen“ referierte der Volksmusikforscher Bernhard Gamsjäger über türkische Hochzeiten. Das „Schaufenster Kultur.Region“ bringt einen Auszug. 22. Mai 2013 ist die „Islamisch Alevitische Glaubensgemeinschaft“ als Religionsgemeinschaft in Österreich anerkannt. Auf dem Einladungskuvert zu einer Hochzeit findet sich neben dem Familiennamen der Zusatz „ve ailesi“, das heißt, dass die ganze Familie geladen ist. Auf diese Weise kommen in der Regel mehrere hundert Gäste zusammen. Zu diesem Zweck mieten die Veranstalter große Säle. Seit dem Jahr 2000 finden viele Hochzeiten im Alevitischen Kulturzentrum im Norden St. Pöltens statt.

Hennanacht

Das rote Henna als Symbol für Fruchtbarkeit und Wohlstand. Foto: shutterstock.com

Mein Vater Franz Gamsjäger war Heiratsmann. Durch diese Tätigkeit meines Vaters schon in meiner Kindheit mit der musikalisch-poetischen Gestaltung einer Hochzeit konfrontiert, kam ich als Lehrer über die Schüler in Kontakt mit der türkischen Volksgruppe der Aleviten. In der Folge konnte ich an ihren Hochzeiten teilnehmen und habe dabei trotz kultureller Verschiedenheit Gemeinsamkeiten entdeckt. Fol-

gende Beschreibung bezieht sich auf Hochzeiten der Aleviten in und um St. Pölten in den letzten 20 Jahren. In der auf den Schwiegersohn des Propheten Muhammet (Mohammed) namens Ali (599–661 n. Chr.) zurückgehenden und im türkischen Anatolien verbreiteten Kultur wird neben ethnischen Werten wie Toleranz, Frieden und Freundschaft die Gleichstellung der Frau mit dem Mann besonders beachtet. Seit

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Schon einige Zeit vor der Hochzeit hatte im Hause der Braut die von einem Geistlichen in engstem Familienkreis geleitete religiöse Zeremonie stattgefunden, je nach Glaubensbekenntnis von einem Dede (alevitischer Geistlicher) oder einem Imam (sunnitischer Geistlicher). Am Abend vor der Hochzeit wird bei der Braut oder in einem Lokal die „Hennanacht“ (türkisch kına gecesi) veranstaltet. Das ist für die Braut der Abschied vom Elternhaus. Daran nahmen früher nur Frauen teil, jetzt auch männliche Verwandte, insgesamt etwa 40 bis 60 Personen. Dabei wird die Innenseite einer Hand der mit einem roten Tuch verschleierten Braut mit dem Farbstoff Henna (kına) bestrichen und dann in einen Handschuh gesteckt. Anschließend färben auch die anderen Teilnehmer ihre Hände. Die rötlichen Hennaflecken sind über eine Woche auf den Händen sichtbar und symbolisieren Fruchtbarkeit und Wohlhabenheit. Die Farbe Rot bringt nach


Volkskultur / 37

Aussage des St. Pöltner Obmanns der Aleviten Hıdır Fırat Glück für das ganze Leben. Am Tag der Hochzeit treffen die Gäste am frühen Nachmittag im Saal ein und werden am Eingang vom Brautvater oder Bräutigamvater begrüßt. Jugendliche oder andere Familienmitglieder bieten bei der Begrüßung zum Erfrischen der Hände Kölnischwasser bzw. Zigaretten und Zuckerl an. Sämtliche Dienste bei der Hochzeit werden ausschließlich von Männern verrichtet, die Frauen können sich unterhalten. Zum Schmücken des Saales allgemein wird häufig die Farbe Rot verwendet, aber auch Grün als Farbe des Islam. Nicht selten prangt auf der Bühne die rote türkische Flagge.

Evleniyoruz – Wir heiraten Etwa eineinhalb Stunden nach Beginn der Hochzeit kommt das Brautpaar in einem blumengeschmückten Auto vorgefahren. Gelegentlich findet sich beim Auto an gut sichtbarer Stelle die Aufschrift „Evleniyoruz“ („Wir heiraten“). Nun werden die beiden in feierlichem Zug in den Saal geleitet. Die Gäste bilden ein Spalier, wobei man seinem Gegenüber die erhobenen Hände entgegenstreckt und in einer Hand eine kleine brennende Kerze oder eine Spritzkerze hält. Die Braut ist noch verschleiert, manchmal ist unter dem weißen Schleier noch einer von roter Farbe zu sehen. Schließlich lüftet der Bräutigam den Schleier. Diese Handlung erinnert an eine Zeit, in der der Bräutigam das Gesicht seiner zukünftigen Frau überhaupt zum ersten Mal sah. Als Zeichen ihrer Wohlerzogenheit trägt die Braut häufig einen roten Stoffgürtel, der ihr am Hochzeitstag von einem Bruder oder Onkel umgebunden wird und als symbolische Übergabe der Braut von ihrer Familie an die Familie des Bräutigams zu sehen ist. Dabei bindet er den Gürtel und löst ihn wieder, erst beim dritten Versuch wird er festgebunden, was darauf hindeutet, dass es für die Familie schwer ist, die Tochter loszulassen. Den ganzen Einzug umrahmen die langgezogenen, hohen melismatischen Töne der Zurna – der Schalmei, einer Vorform der Oboe – und die lauten Doppelschläge der großen Trommel („Davul“). Anschließend

Cem-Haus: das alevitische Zentrum in St. Pölten. Fotos: z. V. g.

tanzt das Paar den Brauttanz, umringt von den Gästen in hockender Haltung. Die Tanzmusik wird von einem Sazspieler (Langhalslaute) und einem Keyboard-Spieler besorgt. Nach diesem Ehrentanz des Brautpaares können wieder alle tanzen. Das Paar setzt sich an einen meist sehr aufwändig gestalteten Brauttisch. Von hier aus nehmen Braut und Bräutigam mit ernster Miene am weiteren Geschehen teil. Ihnen zur Seite sitzen eine junge Frau und ein junger Mann (türkisch „musahip“), die sie zum Tanz begleiten und auch sonst für das Wohl des Paares sorgen. Zum Essen wird Hendl oder eine große Portion Kebab (gegrilltes Lammfleisch mit Zwiebeln und Tomaten) serviert. Dazu wird als Getränk auch Bier angeboten. Nach dem Essen stellen die bedienenden Männer auf jeden Tisch eine Flasche Whiskey. Danach gehen die Gäste zum Brauttisch, beglückwünschen das Paar und überreichen ein Geschenk. Meist wird Geld gegeben, pro Familie 50 bis mehrere 100 Euro. Dabei verkündet ein Sprecher über Mikrofon, wie viel jede Gastfamilie schenkt.

Gesangseinlagen Der Tanz erfährt durch die Soli sangesbegabter Frauen und Männer aus dem Publikum eine willkommene Unterbrechung, wobei zu Ehren des Brautpaares Balladen und Lieder religiösen Inhalts oder Schlager zum Besten gegeben werden. Solche Gesangssolisten feuern mit ihren Liedern das Publikum an und bringen die Menschen in Stimmung. Diesen Sängerinnen und Sän-

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Der 80-jährige Zurnaspieler Musa Fırat. Foto: Bernhard Gamsjäger

gern werden von den Hochzeitsgästen häufig Geldscheine zugesteckt. Gegen Ende einer Hochzeit wird die Brauttorte angeschnitten und zum Essen verteilt. Mit dem Hinweis, das Messer schneide nicht gut genug, fordert einer der Musiker die Familie des Bräutigams auf, dem Paar noch etwas Geld zu geben. Abschließend kann ich folgende Gemeinsamkeiten mit österreichischen Hochzeiten erkennen: Das Instrumentenpaar Davul und Zurna erinnert mich an „mit Pauken und Trompeten“ der Barockmusik. Die „Hennanacht“ ähnelt formal gesehen dem „Kranzltanz“ und nunmehrigem „Polterabend“. Bis zu den 1970er Jahren wurden auch bei uns die Musikanten durch Geldscheine der Hochzeitsgäste bezahlt, den Rest beglich der Braut- oder Bräutigamvater. Dass die Musikanten „Faxen machen“, sich wie die DavulZurna-Spieler gerne als Clowns geben, kann man auch bei uns erleben. Schlussendlich ist es überall so, dass Singen, Musizieren, Tanzen und „Rollen spielen“ die Menschen in einen Zustand gesteigerter Gefühlserregung versetzen. Diese „Ekstase des Feierns“ macht schließlich ein Fest zum Fest. / Text: Bernhard Gamsjäger


Thema 1914 / 38

Schallaburg

LEBEN MIT DEM GROSSEN KRIEG Das heurige Jahr bringt zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen im Gedenken an den Ersten Weltkrieg. „Jubel & Elend. Leben mit dem Großen Krieg 1914–1918“ auf der Schallaburg ist die erste Ausstellung in Österreich, die die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ in dieser Breite thematisiert.

Alexander Prochazka: „Das k. u. k. Infanterieregiment Graf von Lacy Nr. 22 im Kampf mit Montenegrinern“ (Detail). Heeresgeschichtliches Museum Wien

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Thema 1914 / 39

Identitätskarte Josef Kadla. Foto: Christoph Fuchs

Gedenkjahre bieten nicht nur Gelegenheit, rückblickend Bilanz zu ziehen, sondern drängen auch zu Prognosen. Die Zeit wird zu einem Strahl, dessen Verlauf sowohl rückwärts als auch vorwärts betrachtet wird. Gedenkjahre sagen daher auch etwas über Ängste und Erwartungen einer Gesellschaft zum Zeitpunkt des Gedenkens aus. Zahlreiche Autoren, die über den Beginn des Ersten Weltkrieges schreiben, suchen nach Ähnlichkeiten unserer heutigen Welt mit jener von 1914 und formulieren Gedanken, die in die Zukunft gerichtet sind. Können wir sicher sein, dass uns Ähnliches nicht noch einmal widerfährt? Aus dem Vergleich der Feiern und Gedenken von 1913/14 – welche die napoleonischen Kriege zum Anlass hatten – und 2014 lässt sich eine gute Nachricht ableiten: Krieg ist heute in Europa nicht mehr ein Mittel der Politik, er steht weder historisch noch im Hinblick auf zukünftige Herausforderungen als Option zur Verfügung, Probleme zu lösen, und die Verschränkung von Opfer und Heldentum, Entbehrung und Größe hat weitgehend ausgedient. Gedenkveranstaltungen sind vom Konsens geprägt, dass Krieg und Gewalt grundsätzlich zu disqualifizieren sind. Doch mit diesem Konsens stößt eine Ausstellung über einen Krieg auf Widersprüche. Wie geht man damit um, dass Ausstellungen ein Thema veredeln und aufwerten, das man eindeutig abwerten will? Wie geht man damit um, dass Gewalt in einer Ausstellung nicht vermittelbar ist? Dass Schmerz sich nicht in Objekten darstellen lässt und dass Gefühle und Erlebtes von damals nicht erfahrbar gemacht werden können? Dass

kriegsspezifische Objekte wie Waffen und Uniformen als (gesäuberte und professionell restaurierte) Ausstellungsstücke ihren Zweck überstrahlen, dass Krieg chaotisch ist und Ausstellungen sie nachträglich ordnen? Diese Fragen spielten bei der Entwicklung des roten Fadens der Erzählung ebenso eine Rolle wie bei Details der Objektpräsentation. Die Ausstellung sucht Gegensätzen und Widersprüchen des Ersten Weltkrieges Rechnung zu tragen. Dies wird bereits im Titel der Ausstellung zum Ausdruck gebracht. „Jubel und Elend“ waren von Kriegsbeginn an gleichzeitig anzutreffen. Es gab Menschen, die jubelnd in den Krieg zogen, und andere, die die kommenden Schrecken bereits vorhersahen. Der Widerspruch zieht sich durch die kommenden Jahre: von den ersten Toten, auf deren Kosten die ersten Siege gefeiert wurden, bis zum Ende, als Zusammenbruch und Neubeginn, Hungersnot und Siegesfeiern miteinander verwoben waren. Auch während des Krieges gab es immer wieder Anlass für mehr oder weniger offiziösen „Jubel“; es wurden Siege, Befreiungen und Eroberungen gefeiert, es wurden Städte beflaggt, Heerschauen abgehalten und Feste gefeiert, während gleichzeitig die Lebensmittelrationen reduziert wurden und Verwundete und Invalide die Straßen prägten. Der Untertitel der Ausstellung, „Leben mit dem Großen Krieg“, betont den Umstand, dass der Krieg für viele Menschen zu einer Realität geworden war, deren Sinnhaftigkeit nicht dauernd hinterfragt wurde, sondern, oft resignierend, zur Kenntnis genommen und zum Bestandteil des Alltags wurde. Leben „mit“ dem Großen Krieg bedeutet für uns auch, dass es nicht um

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Ring „Gold gab ich für Eisen“, Kupfer/Eisen, graviert, 1914, Privatbesitz. Foto: LBI für Kriegsfolgen-Forschung überlassen

die Geschichte der Entscheidungsträger geht, sondern jener, die vom Krieg mehr oder weniger passiv betroffen waren, sowohl an der Front als auch im Hinterland. Freilich haben nicht wenige Menschen an diesen Krieg Hoffnungen geknüpft, auf gesellschaftliche Anerkennung, auf die Lösung persönlicher Probleme, auf schnellen Ruhm, auf Abenteuer, auf den kollektiven Rausch. Die Brisanz des Ersten Weltkrieges liegt gerade darin, dass er nicht gegen den Willen der Bevölkerung vom Zaun gebrochen wurde, sondern dass er von Mehrheiten legitimiert gewesen ist, ein „Krieg unter demokratischen Anton??? Vorzeichen“ war, wie der Politologe Peter Pelinka das ausdrückte. Damit stellt sich die Frage nach der Verantwortung neu und verankert sie stärker in der Gesellschaft.

Wie war es möglich? Die Ausstellung baut auf vier Grundfragen auf. Erstens: Wie war es möglich, dass wirtschaftlich und kulturell miteinander eng verflochtene Gesellschaften, in denen viele annahmen, dass Krieg sich als Mittel der Politik überholt habe, in diesen Krieg zogen? Zweitens: Wie haben sich diese Gesellschaften an diesen Krieg „gewöhnt“, wie haben sie gelernt, mit ihm zu leben, sich auf seine lange Dauer eingestellt und sich in ihm sozusagen „eingerichtet“? Und drittens: Warum hat es so lange gedauert, aus diesem Krieg wieder herauszukommen, mit ihm aufzuhören? Daran schließt sich eine vierte Frage an: Wie konnte wenige Jahre nach diesem Krieg, den viele Menschen für den ultimativen und letzten hielten, ein neuer Krieg losbrechen, der noch verheerender war?


Thema 1914 / 40

Österr.-ung. 10-cm-Feldhaubitze M.14. feuernd. Kinderzeichnung von Oswald Reichlin. Sammlung Georg Reichlin-Meldegg, Hinterbrühl

Der ersten Frage nach dem Kriegsbeginn und der Erosion der Zivilgesellschaft im Sommer 1914 wird in relativ großen Ausstellungsräumen nachgegangen. Sie machen deutlich, dass zunächst noch Handlungsspielraum bestand. Zwei charakteristische Perspektiven werden miteinander konfrontiert: Eine globalisierte und vernetzte Welt trifft auf eine Welt, die von militärischem Denken und Handeln im Rahmen nationaler und imperialistischer Interessen geprägt ist. Das Attentat von Ende Juni wirkt wie ein Katalysator auf diese Widersprüche, in der Julikrise nehmen die Spannungen weiter zu, um sich dann zu Kriegsbeginn umso heftiger zu entladen. „Zivilisation“ entpuppt sich angesichts einer solchen ungebremsten Eskalation der Gewalt schnell als Kulturheuchelei, wie Sigmund Freud 1914 gesagt hat, auch um darauf hinzuweisen, dass davor keine Gesellschaft gefeit ist. Eben das aber macht eine Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg bis heute so brisant.

Leben mit dem Krieg Der zweiten Frage, nach der Veralltäglichung des Krieges, dem „Leben mit dem Großen Krieg“, nach dem Übergang zu einem „pragmatischen“ Verhältnis zum Krieg, ist das zweite Drittel der Raumfolge gewidmet. Dazu gehören Themen wie der Alltag der Soldaten an der Front und in der Etappe, waffentechnische Neuerungen und die Anpassungen an neue Formen der Kriegsführung, das Leben von Zivilisten und Soldaten im Hinterland,

die Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschaft, insbesondere die Versorgungsprobleme. Auch Themen wie Propaganda, Religion, Migration und Zwangsmigration – Kriegsgefangene, Flüchtlinge, Vertriebene, Fremde im eigenen Land – gehören dazu. Der dritten und vierten Frage widmet sich das letzte Drittel der Ausstellung. Es gab viele Versuche, den Krieg zu beenden, oft ebenso ambitioniert wie erfolglos: Die Hoffnung auf den letzten definitiven Sieg, auf einen „Siegfrieden“, die Entwicklung neuer Waffen und Taktiken, die Spekulation mit der Wirkung von Zermürbungsschlachten und Handelsblockaden, aber auch Friedenspläne und Verhandlungen, Zugeständnisse an politische Gegner im eigenen Land, organisatorische Eingriffe dienten dem Versuch, den Kriegszustand zu verlassen und Nachkriegsordnungen zu implantieren. Vielfach verbreitete sich Fatalismus, Desertionen, Meutereien, Streiks und Revolten nahmen zu. Dem nunmehr deutlich eingeschränkten Handlungsspielraum entsprechen die engen und verwinkelten Räume gegen Schluss der Ausstellung.

Zeitzeugen Mehrere Zeitzeugen begleiten die Besucher durch die Ausstellungsräume. In ihnen werden die Auswirkungen des Weltkrieges auf die individuelle Lebenswelt und das persönliche Schicksal spürbar, aber auch private Strategien, Krieg und Elend zu bewältigen

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Propaganda-Fächer mit den obersten Feldherren. Foto: Heeresgeschichtliches Museum Wien

und zu verdrängen. Ein wichtiger Aspekt der persönlichen Erfahrungsdimension im Krieg wird durch Exponate einer Sammelaktion des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung eingebracht. Im Frühjahr 2013 hatte es österreichweit aufgerufen, Exponate für die Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Aus über 4.500 Einsendungen wurden rund 120 Objekte ausgewählt und in die Ausstellung aufgenommen. Die Besonderheit dieser Objekte liegt oft in der Bedeutung für die Leihgeber, in der Herkunft und in den Interpretationen, die mit ihnen überliefert sind. Dass so viel wichtiges und interessantes Material zusammengekommen ist, hat uns – immerhin liegen die Ereignisse hundert Jahre zurück – überrascht. / Text: Christian Rapp und Peter Fritz

JUBEL & ELEND

——————————————————— Das Leben mit dem Großen Krieg 1914–1918 Sa, 29. 3.–So, 9. 11. 2014 Renaissanceschloss Schallaburg 3382 Schallaburg Tel. 02754 6317-0 www.schallaburg.at


Thema 1914 / 41

Schloss Artstetten

DER MENSCH HINTER DER FASSADE Das Erzherzog Franz Ferdinand-Museum in Artstetten zeigt den Menschen hinter der Fassade.

nahmen für das Museum, Rechnungen, Reparaturen („Immer diese Reparaturen in dem großen Haus!“) – mit ihrer Mitarbeiterin bearbeitet. Inzwischen ist es Mittag geworden. Frau Hohenberg hat die Schinkenfleckerl ins Rohr geschoben, das Enkelkind ist auch schon vom Kindergarten zurück und ein Onkel der Familie hat sich zum Essen angesagt. Der Nachmittag vergeht dann mit einer Sonderführung durch das Museum, mit Telefonaten und den letzten Vorbereitungen des Caterer, der das Dinner für die Amerikaner vorbereitet.

„Dass die beiden, allen Widrigkeiten zum Trotz, zusammengehalten haben, das hat sich letztendlich doch bezahlt gemacht.“ Die Familie um 1906 (v.l.n.r.): Max, Erzherzog Franz Ferdinand, Ernst, Fürstin Sophie, Tochter Sophie.

Wenn betuchte Amerikaner „Meet a Princess“ buchen und Anita Hohenberg diese vor dem Dinner in ihren Salon bittet, dann wissen die Amerikaner nicht, wie der Arbeitstag der Fürstin Hohenberg ausgeschaut haben

könnte. In der Früh ist sie in den Wald gefahren, danach hat sie ein Enkelkind in den Kindergarten gebracht. Inzwischen hat sie im Büro die wichtigsten Punkte – Anfragen von Journalisten und Historikern, Werbemaß-

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Über dem Donautal liegt Schloss Artstetten, letzte Ruhestätte des ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie, Herzogin von Hohenberg. Zwischen der Gruft und den Privaträumen ist das Erzherzog Franz Ferdinand-Museum mit der ständigen Expositur über das Leben des Thronfolgers und wechselnden Sonderausstellungen. Auf das Jahr 2014 – 100 Jahre nach der Ermordung von Franz Ferdinand und Sophie am 28. Juni 1914 in Sarajevo – wurde schon lange hingearbeitet; mit anderen Museen wurden die Schwerpunkte abgesprochen, Leihgaben getauscht und Veranstaltungen festgesetzt. Die diesjährige Sonderausstellung wird („Wir sind nicht rückwärtsgewandt, sondern blicken nach vorne“, so Anita Hohenberg) die Bemühungen Kaiser Karls (ein Neffe von Erzherzog Franz Ferdinand) um den Erhalt der k. u. k. Donaumonarchie präsentieren. In „Regieren & Verlieren – Kaiser Karl, eine Herausforderung zum Frieden“ wird aufgezeigt, dass seine innenpolitischen Reformen im krassen Widerspruch standen zu seinen fehlgeschla-


Thema 1914 / 42

Auf einer Anhöhe über der Donau liegt Schloss Artstetten.

genen Versuchen, seinen Untertanen den heiß ersehnten Frieden zu bringen.

Versuchen Sie sich vorzustellen …

Princip, die tödlichen Schüsse abfeuerte. Der schwarze Raum im Museum lässt den Besucher vorerst innehalten: in Gedenken des Attentats, an die damit verbundenen politischen Ereignisse und den Ausbruch des Ersten Weltkrieges und den Millionen Toten.

Beginnen wir den Rundgang an der Seite der Hausherrin im Schlosshof, in dem der Nachbau eines Automobils steht: „Sehen Sie sich den berühmten Oldtimer genau an. Für damalige Verhältnisse ein tolles Gefährt – ein Gräfe & Stift mit dem Kennzeichen A III 118, der sich damals im Privatbesitz von Graf Franz Harrach befand. Das Originalfahrzeug steht im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien. Und nun gehen Sie von rechts seitlich auf den Wagen zu. So, als wollten Sie die Tür öffnen und einsteigen. Etwa eineinhalb Meter davor bleiben Sie stehen. Blicken Sie auf die gepolsterte Rückbank und stellen Sie sich vor: Dort sitzt Franz Ferdinand, der Thronfolger, und rechts neben ihm seine über alles geliebte Sophie. Und nun versuchen Sie sich vorzustellen, dass draußen, direkt neben Ihnen, der Attentäter seine Hand mit der Pistole hebt …“

Die weiteren Räume erzählen von der Kindheit des Erzherzogs Franz Ferdinand, von seiner Erziehung, seiner obsessiven Jagdleidenschaft, seinem Kunstverständnis, seiner Weltreise und seiner schweren Tuberkuloseerkrankung, seinen politischen Ideen als Thronfolger. Und vor allem erzählen die Exponate vom Familienmenschen Franz Ferdinand, der standhaft an seiner Liebe zur nicht standesgemäßen Gräfin Sophie Chotek festhielt und diese nach Intrigen seitens des Hofs und dem Verzicht auf die Thronfolgerschaft seiner zukünftigen Kinder heiraten durfte. Die Hochzeit wurde am 1. Juli 1900 gefeiert.

Der Thronfolger und seine Frau waren nach Bosnien gereist, um Manöver der k. u. k. Armee zu besuchen. Diese Mission war erfüllt, jetzt standen noch ein offizieller Empfang und ein Essen in Sarajevo auf der Agenda. Der Zeitpunkt war unglücklich gewählt, denn der 28. Juni ist der serbische Nationalgedenktag, der an die verlorene Schlacht am Amselfeld gegen die Türken 1389 erinnert. Schon beim Eintreffen in die Stadt hatte ein serbischer Attentäter eine Bombe geworfen. Trotzdem setzte man die Fahrt fort, bis der zweite Attentäter, Gavrilo

„Wenn Sie also im Schloss Artstetten die ,rosaroten Räumlichkeiten‘ betreten – wir haben diese Wandfarbe gewählt, weil sie so gut zu der buchstäblich rosaroten Brille passt, durch die Franz Ferdinand und seine Frau nun ihre Zukunft blicken durften –, dann betrachten Sie die Stationen dieser Liebe, die endlich ihre Erfüllung fand, mit dem Auge des Wissenden. Die zum Teil etwas förmlich und steif wirkenden Fotos entsprechen dem Stil jener Zeit. Schaut man aber genauer hin, kann man auch nach so langer Zeit noch erahnen, welch große Zuneigung zwischen

Jagdleidenschaft & Familienmensch

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Franz Ferdinand war ein hinreißender Familienvater und ein seine Sprösslinge über alles liebender Förderer ihrer Entwicklung. Hier 1902 mit Tochter Sophie in Konopischt.

den beiden geherrscht hat.“ Der Thronfolger lebte im Belvedere in Wien, im böhmischen Schloss Konopischt/Konopiště und in Artstetten, das er umbaute und modernisierte sowie einen Park nach seinen Ideen anlegen ließ. 1909 ließ er, denn Herzogin Sophie und seine Kinder durften durch den geleisteten Renunziationseid nicht in der Kapuzinergruft begraben werden, die Gruft in Artstetten errichten. Fünf Jahre später trafen die Särge ein. „Unter der Kirche befindet sich die Gruft des Thronfolgers und seiner Frau, die letzte Ruhestätte meiner Urgroßeltern. Die ganz eigene Atmosphäre im Gewölbe mit den beiden weißen Sarkophagen ist für jeden, der die Geschichte aufmerksam verfolgt hat, immer noch spürbar.“ / Die Zitate sind dem Ausstellungsbegleitbuch „Willkommen im Schloss“ von Anita Hohenberg und Christiane Scholler entnommen. Fotos: Schloss Artstetten

SCHLOSS ARTSTETTEN

——————————————————— 3661 Artstetten, Schlossplatz 1 Öffnungszeiten: 1. 4.–1. 11. 2014, tägl. 9.00–17.30 Uhr. Im Winter Gruppenbesichtigung nur gegen Voranmeldung Sa, 28. 6. 2014 Gedenkfeier Schloss Artstetten/ 100 Jahre Attentat in Sarajevo Pontifikalamt in der Basilika Maria Taferl und Übertragung in die Schlosskirche Artstetten, Traditionsregimenter, Friedensglocken, Musikprogramm u. v. m. Tel. 07413 8006 www.schloss-artstetten.at


Museum Hafnerbach / 43

Work in Progress

WIR SIND MUSEUM Die Neuausrichtung des Heimatmuseums Hafnerbach wird von einem Team an interessierten Bürgern erstellt und museologisch begleitet.

Im Jahr 1980 fand in den großzügigen Kellerräumen der Volksschule Hafnerbach eine große Ausstellung über den Grafen und Feldherrn Raimund Montecuccoli (1609–1680) statt. Zwei Jahre darauf wurden die übrigen Räume des Heimatmuseums eingerichtet. Seither blieb das Museum unverändert, allerdings sind mittlerweile zahlreiche Objekte dazugekommen. Die Möglichkeit, einen weiteren Raum für das Museum zu adaptieren und zu nutzen, wurde zum Anlass, über eine Neukonzeption und Neuausrichtung nachzudenken. Seit dem Spätsommer 2013 arbeitet das Museumsteam zusammen mit weiteren Interessierten aus der Gemeinde und ihrer Umgebung unter fachlicher Begleitung an einem neuen Konzept. Dieses soll dann über einen längeren Zeitraum umgesetzt werden. Die Gemeinde Hafnerbach unterstützt und begleitet das Projekt. Wichtig ist die Offenheit des Prozesses: Jeder Interessierte kann sich via Gemeindehomepage über den aktuellen Stand informieren und jederzeit in den Prozess einsteigen. Bisher haben vier Workshops mit durchschnittlich zehn Teilnehmern stattgefunden. Die Grundüberlegungen der Neuausrichtung des Museums sind im gemeinsam erarbeiteten Leitbildentwurf zusammengefasst (Auszug):

Überlegungen zur Neuausrichtung „Unser Museum beschäftigt sich mit der Ortsgeschichte von Hafnerbach und seiner Nachbargemeinden (lokale Ebene), mit dem Naturraum, den Lebens- und Wirtschaftsformen der Region Dunkelsteinerwald – St. Pölten (regionale Ebene) und mit der Familie Montecuccoli, vor allem Raimund

Dem Heimatmuseum ein zeitgemäßes Erscheinungsbild geben – Museumsarbeit mit Bürgerbeteiligung.

Montecuccoli (überregionale Ebene). Zu diesen Themen sammeln und erforschen wir Gegenstände, Informationen und Geschichten, bewahren sie für künftige Generationen und vermitteln sie in zeitgemäßer Form unserem Publikum. Unser Museum ist auch ein Spiegel der Zeit und setzt sich in Sonderausstellungen mit aktuellen Themen auseinander. Unser Museum richtet sich in erster Linie an die Bewohner der Region – Alt und Jung – und möchte ihre Identität und ihr Heimatbewusstsein stärken. Darüber hinaus möchte es auswärtigen Besuchern die Region in interessanter Form vermitteln. Unser Museum versteht sich als ,offenes Museum‘. Alle, die etwas einbringen möchten, können – in unterschiedlichster Form – im Museum mitwirken. Eine Mitwirkung ist jederzeit und auch auf Zeit und projektbezogen möglich. Die Kulturdenkmäler Pfarrkirche, Filialkirche Sasendorf, Mausoleum, Burg Hohenegg und das Naturschutzgebiet Pielach-Mühlau werden in die Vermittlungsarbeit des Museums

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

einbezogen. Wir arbeiten mit örtlichen und regionalen Einrichtungen zusammen: Gemeinde, Kultur- und Tourismusverein, Burgverein, Volksschule, Nahversorger und Tourismusanbieter, Vereine, Firmen, Sammlungen der Region, LEADER Regionalmanagement, Kleinregion ARGE Dunkelsteinerwald.“ Es gibt also viel zu tun! Als erste konkrete Maßnahme wird die Inventarisierung der Museumsbestände begonnen. Dazu findet am 8. Februar 2014 ein spezieller Inventarisierungsworkshop statt. / Text und Foto: Franz Pötscher

HEIMATMUSEUM HAFNERBACH

——————————————————— 3386 Hafnerbach, Museumstraße 43 Tel. 02749 2278 www.hafnerbach.gv.at


Museen / 44

Museum macht Theater

SHAKESPEARE WÄRE STOLZ AUF DICH Mit feiner Ironie und schwarzem Humor bringt die resolute „Frau Franzi“ Shakespeare auf den Punkt und „ins Volk“ zurück.

Marika Reichhold alias „Frau Franzi“ in „Romeo & Julia“.

„Heute habe ich Herrn Mägbess und seine Lady zum ersten Mal richtig durchschaut“, bekommt Marika Reichhold alias Frau Franzi des Öfteren zu hören. Frau Franzi ist eine resolute Putzfrau: klein, aber mit einem großen Mundwerk. Bekleidet mit einer unverwüstlichen Kleiderschürze, bewaffnet mit einem Mopp und ausgestattet mit Auf-

reibfetzen und Kübeln. Das reicht, um das große Welttheater Shakespeares auf den Punkt zu bringen; da bekommt der Mopp ein Sakko umgehängt und wird zu Hamlet; die Reibfetzen verwandeln sich vor dem staunenden Publikum zu Duellanten und Liebespaaren.

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Frau Reichhold ist ausgebildete Theaterpädagogin und arbeitet in einer psychosomatischen Abteilung eines Krankenhauses. „Als Theaterpädagogin lässt man spielen. Aber ich wollte auch selber spielen.“ Nach einer Schauspielausbildung mit Schwerpunkt Objekttheater begann sie mit dem Regisseur Christian Suchy zu arbeiten: Sie


Museen / 45

FRAU FRANZI

——————————————————— Bergbaumuseum Grünbach 2733 Grünbach am Schneeberg, Neuschacht 12 Mai–Oktober,
jeden 1. So im Monat Beginn: 15.00 Uhr Karten: EUR 13,00, Kinder ermäßigt Um Reservierung wird gebeten www.bergbaumuseum-gruenbach.at Mi, 5. 2. 2014, 19.00 Uhr Hamlet Gasthof Schmutzer, 2722 Winzendorf www.gasthaus-schmutzer.at Tragödie voll Leidenschaft und Hass: „Mägbess“.

entwickelten die Kunst- und mittlerweile Kultfigur Frau Franzi. Bevor wir uns dem Schäggsbia und seinem „Mägbess“ zuwenden, unternehmen wir mit Frau Franzi einen Abstecher ins niederösterreichische Grünbach am Schneeberg. Als Marika Reichhold das Wirtshaus „Zum Bergmann“ von ihrer Mutter erbte, erbte sie ein Museum mit Schankraum. Denn als ihre Eltern 1964 das Wirtshaus neben dem Kohlerevier eröffneten, ahnten sie nicht, dass es ein Jahr später geschlossen werden würde. Der Bergbau rentierte sich nicht mehr, mit den Preisen der Importkohle konnte man in Grünberg nicht mithalten. So begann der Vater zu sammeln: Werkzeug und Grubenlampen, Knappenuniformen, Bergwerksordnungen, Hacken, Bohrer und noch mehr Bohrer, Grubentelefone, Erste-Hilfe-Ausrüstung und anderes fanden im Wirtshaus „Zum Bergmann“ ihre letzte Bleibe. „Da sind wir auf die Idee von ,Museum macht Theater‘ gekommen. Der Regisseur meinte, ich solle die Chefin spielen. Das wollte ich auf keinen Fall, Chefin war ja meine Mutter gewesen. Als Chefin hast du ein anderes Verhältnis zu deinen Gästen als die Putzfrau.“ So erklärt Frau Franzi – mit dem Geschirr scheppernd, auf der Schank stehend und mit den unerlässlichen Reibfetzen in der Hand – die Welt unter Tag und in spitzen Pointen die Welt an sich.

Othello in an aufwoschn Neben den kabarettistischen Museumsführungen begann Marika Reichhold sich mit

Shakespeare zu beschäftigen und als Frau Franzi „Othello in an aufwoschen“, „Mägbess“ und vieles mehr als geistreiche OneWoman-Show zu entwickeln. Und weil Grünberg am Schneeberg recht abseits liegt, reist Frau Franzi mit ihrem Schäggsbia umher. „In meinem Trolleykoffer hat die ganze Tragödie Platz.“ Marika Reichhold ist ein Raumwunder. „Für mein Theater brauche ich gerade einmal einen Tisch“. Und natürlich Mopp und Co. Sie spielt in Wohnzimmern, Wirtshäusern und auf Bühnen. „Die Frau Franzi passt in keine Lade, die Kabarettveranstalter sagen, das sei mehr Theater, und die Theaterleute meinen, dass sei eher Kleinkunst.“ „Ich spiele die Tragödien, weil sie lustiger sind.“ Wie bitte? „Was soll ich bei einer Komödie – da sind alle Gags schon da. Das entbehrt doch nicht einer gewissen Komik, wenn Othello Desdemona tötet und ausruft: ,Was für ein Lärm? Nicht tot? Noch nicht ganz tot?‘, da hake ich dann nach.“ Marika Reichhold wird am niederösterreichischen Museumstag am 6. April 2014 im Stadttheater Wiener Neustadt über ihre Erfahrungen mit „Museum macht Theater“ referieren. Derzeit ist Frau Franzi mit „Schäggsbia in ana Dua“ auf Tournee und – man kann Frau Franzi für einen ganz persönlichen Theaterabend auch mieten. Möglicherweise wird sie mit ihrem Mopp einigen Staub aufwirbeln. / Text: Mella Waldstein Foto: Christian Suchy

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Sa, 8. 2. 2014, 19.30 Uhr Hamlet Kulturszene, 2542 Kottingbrunn www.kulturszene.at So, 16. 2. 2014, 18.00 Uhr Romeo & Julia Mölkerei, 2340 Mödling www.moelkerei.at Mi, 19.–Sa, 22. 2. 2014 Schäggsbia in ana Dua Kosmos Theater 1070 Wien, Siebensterngasse 42 www.kosmostheater.at

MUSEUMSTAG

——————————————————— So, 6. 4. 2014 19. Niederösterreichischer Museumstag im Stadttheater Wiener Neustadt Thema: Theater im Museum 1994–2014: 20 Jahre Museumstage in Niederösterreich. 1994 fand der erste niederösterreichische Museumstag unter dem Motto „Gemeinsam sind wir stärker“ in Wiener Neustadt statt. Wir wollen Rückschau halten auf die Entwicklung unserer Museumslandschaft in den vergangenen 20 Jahren. Wir besichtigen die Wiener Neustädter Museen und erleben eine performative Führung durch die Ausstellung „Für Kaiser und Vaterland“ im Stadtmuseum. Programmdetails im kommenden Schaufenster Kultur.Region www.noemuseen.at


Interview / 46

15 Jahre Essl Museum

KUNST IST EIN LEBENSELIXIER! Vor 15 Jahren eröffnete in Klosterneuburg das Essl Museum. Rund 7.000 Werke umfasst die Sammlung Essl mittlerweile und ist damit die größte Privatsammlung für zeitgenössische Kunst in Österreich.

Die Kunst der Gegenwart haben sich Prof. Karlheinz Essl und seine Frau Agnes Essl seit über 40 Jahren zum Programm und zur Lebensaufgabe gemacht. Karlheinz Essl: „Natürlich hatten wir vor 40 Jahren sehr begrenzte Ressourcen. Wir hatten immer engen Kontakt zu Künstlern, haben Freundschaften gepflegt. Unser Verständnis von Sammeln hat nichts mit Investment zu tun. Von Anfang an haben wir uns intensivst mit der Kunst auseinandergesetzt. Die letzten 15 Jahre war sicher die wichtigste und entscheidendste Phase für unsere Sammlung zeitgenössischer Kunst. Wir haben die Sammlung für die breite Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht. Dieser Schritt war notwendig, aber auch eine Nagelprobe. Plötzlich waren wir auf einer Ebene mit den großen internationalen Museen und mussten uns auf diesem Parkett auch behaupten. Und ich muss sagen: Es hat vom ersten Tag an geklappt. […] Wir haben, was mir besonders wichtig ist, einen zentralen Stellenwert in der österreichischen Kunstwelt.“

Von Baselitz bis West

Ausstellungsansicht „Eine kleine Machtmusik“, 2013. Foto: Mischa Nawrata

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Die Sammlung Essl umfasst Kunstwerke des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts – wobei der primäre Fokus auf der modernen österreichischen Kunst ab 1945 liegt. Aber auch internationale Künstler aus Europa, den USA, Australien, Südamerika und Asien sind Teil der Privatsammlung. Vertreten sind u. a. Künstlernamen wie Arnulf Rainer, Maria Lassnig, Hermann Nitsch, Günter Brus, Georg Baselitz, Markus Lüpertz, Valie Export, Daniel


Interview / 47

Das Ehepaar Essl. Foto: Frank Garzarolli

Richter, Gerhard Richter, Hubert Schmalix, Siegfried Anzinger, Jonathan Meese, Sean Scully, Oskar Kokoschka, Gottfried Helnwein, Franz West, Nam June Paik, Shirin Neshat, Cindy Sherman, Jannis Kounellis oder Barbara Szüts – um nur die Spitze zu nennen. Die Liebe und Affinität für zeitgenössische Kunst kam für das Ehepaar Essl bereits in ganz jungen Jahren: Ende der 1950er Jahre in New York – ein Schlüsselerlebnis für beide. Karlheinz Essl: „Meine Frau und ich haben uns Ende der 50er Jahre in New York kennen gelernt. Sie müssen sich das bildhaft vorstellen. Auf der einen Seite zwei ganz junge Menschen, die aus dem kargen, armen Nachkriegsösterreich kommen. Auf der anderen Seite die Welthauptstadt New York, leuchtende Straßenzüge, Jazzmusik, jede Menge Menschen in Aufbruchsstimmung, eine vibrierende Kunstszene, die das Kunstverständnis der ganzen Welt verändern sollte. Dieses Feuer, das damals dort loderte, ist auf uns übergegangen; unsere Leidenschaft für Kunst ist seither immer stärker geworden.“ Das Ausstellungspouvoir des Essl Museums ist umfangreich und beinhaltet neben Sammlungsüberblicken und monografischen Präsentationen auch Themenausstellungen sowie Blicke von Gastkuratoren auf die Sammlung per se. Die Ausstellungsreihe „emerging artists“ oder der „ESSL ART AWARD CEE“ für Künstler aus Zentral- und Osteuropa präsentieren und fördern zudem junge, noch nicht am Markt etablierte Kunst. Die Maxime im Jubiläumsjahr lautet „made in austria“ – ausstellungsthematisch konzentriert man sich im Essl Museum

2014 auf die Kernkompetenz der Sammlung respektive auf österreichische Kunst. Karlheinz Essl: „Wir haben immer in die Tiefe gesammelt, also von jedem Künstler immer Werke aus allen entscheidenden Phasen. So ist die Sammlung historisch gewachsen, nunmehr über 40 Jahre. Mit der Öffnung der Grenzen Anfang der 1990er Jahre haben wir begonnen, auch international Kunst zu sammeln, weil es dem Geist der zeitgenössischen Kunst einfach mehr entspricht. Kunst, und das ist ja auch sehr schön, kennt keine nationalen Grenzen. Wenn wir also heute von österreichischer Kunst reden, dann ist das auch ein sehr vager Begriff, der sich nicht an der Nationalität eines Künstlers festmachen lässt. Im Herzen der Sammlung befindet sich die – sagen wir es einmal so – österreichische Kunstproduktion, das, was hier im Austausch mit der Welt entsteht. Dies ist auch der Fokus für 2014. Wir spannen dabei einen Bogen von der ganz jungen Kunst über bedeutende Positionen der Nachkriegszeit bis hin zu den Schwergewichten der österreichischen Kunst.“

Die andere Sicht Ebenfalls im Jubiläumsjahr 2014 kuratiert Agnes Essl eine ganz besondere Ausstellung mit dem Titel „die andere sicht“. Gemeint ist dabei die weibliche Perspektive von bildenden Künstlerinnen, gekoppelt mit der Auseinandersetzung und den Fragen: „Haben weibliche Künstlerinnen einen anderen Zugang zur Kunst? Schauen Frauen anders?“ oder „Gibt es generell gender-spezifische Unterschiede auch in der Kuratorentätigkeit?“

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Agnes Essl: „In meiner Ausstellung möchte ich zwei Aspekte dieser anderen Sicht behandeln. Zum einen die Sicht von mir, der Sammlerin, auf Künstlerinnen. Ich habe immer die Nähe zu Künstlerinnen gesucht, persönliche Gespräche geführt, daraus haben sich oft auch Freundschaften entwickelt. Mein Mann und ich bauen seit 40 Jahren eine Kunstsammlung auf, unser kulturelles Erbe für spätere Generationen. Ich habe immer darauf Wert gelegt, dass die Künstlerinnen einen großen Stellenwert in dieser Sammlung haben. […] Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass wir Künstlerinnen aus allen Generationen in der Sammlung haben. Zum Anderen beschäftigt sich die Ausstellung auch damit, dass Frauen eine andere Sicht auf das Leben, die Kunst, die Welt haben – oder andere Sichten, denn unter den Frauen gibt es ja auch viele Unterschiede. Aber auf jeden Fall ist unsere Sicht auf die Welt anders als jene der Männer. Frauen haben viel dafür getan, dass sich die Welt verändert, besonders in den vergangenen 50 Jahren, und das betrifft uns alle.“ Die Philosophie und Überzeugung des kongenialen Sammlerehepaares Essl zeigt sich am besten in folgendem Statement: „Kunst ist ein Lebenselixier, das vertiefende Einblicke in die Zusammenhänge des Lebens und der Existenz ermöglicht!“ Agnes Essl: „Wenn wir das Leben heute betrachten, so muss man sagen, dass wir in unserem Teil der Welt mit Wohlstand gesegnet sind, allerdings ist alles auch sehr schnelllebig. Die Menschen haben kaum mehr Zeit zum Luftholen. Heute hat die Kunst für mich die Funktion, den Menschen zum Nachdenken zu bringen, über sich selbst und die Welt. Das kann jeder in Anspruch nehmen, der sich dafür Zeit nimmt. Kunstwerke bereichern unser Leben. Nehmen Sie sich Zeit und schauen Sie, was die Kunst mit Ihnen machen. Kunst ist zu jeder Zeit notwendig, wir brauchen sie, auch in Zukunft!“ / Interview: Freya Martin

ESSL MUSEUM
 KUNST DER GEGENWART

——————————————————— 3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1
 Tel. 02243 37050150 www.essl.museum


Kultur.Region / 48

Kultur.Region.Niederösterreich

INTERN WIR GRATULIEREN!

EHRUNGEN

Ihren runden Geburtstag feiern unsere Ehrenmitglieder: Dir. i. R. Franz Heinz Schemitz (70), Puchberg, 4. Februar Gerhard Lasser sen. (85), Ternitz, 5. Februar Friedrich Pfeffer (80), Puchberg am Schneeberg, 7. Februar Prälat Univ.-Prof. DDr. Joachim Angerer (80), Eibenstein, 10. Februar Franz Resch (65), Emmersdorf, 18. Februar Ihren besonderen Geburtstag feiert unser Ehrenmitglied: Maria Leitner, Furth an der Triesting, 19. Februar Seinen runden Geburtstag feiert unser Mitglied: Dr. Peter Resch (75), Trautmannsdorf an der Leitha, 1. Februar Seinen besonderen Geburtstag feiert unser Mitglied: Hans Schwelch (70), Hirtenberg, 13. Februar _

NEUE MITGLIEDER Unterstützende Mitglieder: Anita Putzgruber, Strass Erich Resinger, Sierndorf

Dr. Edgar Niemeczek wurde am 2. Dezember 2013 im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur im Rahmen eines Festaktes der Berufstitel „Professor“ verliehen. Edgar Niemeczek erhielt diese Anerkennung für sein herausragendes Engagement als Kulturvermittler und Förderer der Volkskultur. Die Kultur.Region. Niederösterreich gratuliert ihrem Geschäftsführer sehr herzlich. V. l. n. r.: Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, Prof. Dr. Edgar Niemeczek, Geschäftsführer Kultur.Region.Niederösterreich, Abg. z. NR. Ing. Hermann Schultes, Präsident der NÖ Landwirtschaftskammer. _

Fördernde Mitglieder: Irene Ratka, Strass _

JUBILÄUM 20 Jahre Abt Matthäus Nimmervoll: Im Dezember feierte das Stift Lilienfeld das Jubiläum seines Abtes. Die Kultur.Region gratuliert „ihrem Volkskultur-Abt“ sehr herzlich. _

MUSEUMSDORF NIEDERSULZ Das Museums.Portal wurde als Passivhaus zertifiziert. Das im Passivhausstandard errichtete Eingangsgebäude bildet den Rahmen für das Museumsdorf und überzeugt darüber hinaus durch den konsequenten Umgang mit ökologischen Baustoffen. So konnte das von den Architekten ah3 geplante Gebäude mit 965 Punkten klima:aktiv Gold erreichen. _

Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll überreichte dem vielseitigen Künstler Miguel Herz-Kestranek das Große Ehrenzeichen für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich. „Du bist einer, der das Bundesland Niederösterreich ins Herz geschlossen hat“, so Pröll zu Herz-Kestranek. Herz-Kestranek bedankte sich für die Auszeichnung und versicherte: „Auch wenn ich ein leidenschaftlicher Salzkammergutler bin, ich werde immer einen Riesenplatz für Niederösterreich im Herzen haben.“ Foto: NLK Pfeiffer _

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Kultur.Region / 49

Herbert Zotti wurde für seine Leistungen als Kulturvermittler mit
dem Berufstitel „Professor“ geehrt. Er hat sich als lang jähriger
Geschäftsführender Vorsitzender des Wiener Volksliedwerks in herausragender Weise um die Sammlung und
Erforschung sowie um die Verbreitung und Erneuerung des
Volksliedes, insbesondere des Wienerlieds, verdient gemacht. _

MUSIKANTENFREUNDLICHE GASTSTÄTTE Prof. Erwin Ortner, Gründer des Arnold-Schoenberg-Chors und Vorsitzender des Senats der Chorszene Niederösterreich, wurde das Silberne Komturkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich überreicht. Foto: NLK Pfeiffer/Reinberger _

Prof. Dr. Ernst Bezemek, Direktor des Stadtmuseums Hollabrunn, wurde das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Niederösterreich verliehen. Foto: NLK Pfeiffer/Reinberger _

Der Musiker und Musikpädagogen Franz Graf wurde mit dem Berufstitel „Professor“ ausgezeichnet. Der Mitbegründer und Leiter der Musikschule Strasshof wandelte eine kleine Musikschule in 35 Jahren in eine Regionalmusikschule mit mehr als 500 Schülern. Zahlreiche Preise, die seine Schüler beim jährlichen Landes- und Bundeswettbewerb „Prima La Musica“ erreicht haben, sowie auch die Weitervermittlung vieler hochbegabter Schüler an höhere Lehranstalten zeugen vom Erfolg seiner Tätigkeit. Foto: z. V. g. _ Für seine lang jährige Arbeit als Kulturvermittler wurde Norbert Hauer das Goldene Ehrenzeichen um die Verdienste der Republik Österreich verliehen. _

Die Auszeichnung „Musikantenfreundliche Gaststätte“ wurde dem beliebten Karl-Wirt in Gresten verliehen. Seit 20 Jahren betreut die Volkskultur Niederösterreich die Aktion „Musikantenfreundliche Gaststätte“ in Partnerschaft mit der NÖ Dorferneuerung und Wirtschaftskammer Niederösterreich. Im Rahmen des 20. Harmonikaseminars der Mostviertler Volksmusikanten, das seit acht Jahren beim Karl-Wirt stattfindet, wurden die Urkunde und die Keramik „Musikantenfreundliche Gaststätte“ an Elisabeth und Karl Pöchhacker verliehen. _

AKTION CHRISTKINDL

Lena Dvoracek (8 Jahre) von der VS Viehofen hat Glücksengerl gespielt und folgende Gewinner gezogen: 1. Preis: Nina Unhaller aus 2020 Oberfellabrunn, 2. Preis: Stefanie Bruckner aus 3902 Vitis, 3. Preis: Leo Körbel aus 2130 Ebendorf. Einen Sonderpreis gab es für das tolle Weihnachtsbild mit dem Engerl, gestaltet von Matthias, Julian und Richard Holl aus 3921 Langschlag. Die Preise wurden den Gewinnern Anfang Jänner persönlich von Prof. Harald Knabl, Prof. Norbert Gollinger, Dr. Edgar Niemecek, Spar-Geschäftsführer Mag. Alois Huber und LR Mag. Barbara Schwarz überreicht. Foto: NLK/Reinberger _

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014


Die letzte Seite / 50

2nd LIFE Fußballvereine wie der USV Schrick, der SC Stronsdorf oder der USV Kleinharras, aber auch Tennisclubs wie der UTV Röschitz und noch viele andere Sportvereine haben eines gemeinsam: Sie spielen dort, wo einst mächtige Ziegelöfen standen. Steile Lösswände an den Flanken lassen die einstigen Lehmgruben erahnen. Die Wände selber wurden von grabenden Insekten, manchmal sogar von Bienenfressern in Besitz genommen; ein harmonisches Nebeneinander von Mensch und

Der Fußballplatz des USV Kleinharras.

Natur inmitten der Agrarlandschaft. Andernorts, wie in Schönkirchen etwa, fand eine diverse Flora und Fauna am ehemaligen Ziegelofen einen neuen Lebensraum, das dort

entstandene Biotop steht nun unter Naturschutz. Wären an all diesen Stellen nie Ziegel geschlagen worden, wäre die Landschaft heute viel ärmer … / T. H.

Landeinwärts

LUFTSTRUDEL-BLUES

Draußen ist es hinreichend kalt, um über Suppen zu berichten. Genauer gesagt: über die Suppeneinlagen. Auf den Speisekarten der Gasthäuser finden sich im besten Fall Frittaten- und Nockerlsuppen, ab und zu noch Leberknödelsuppen. Kinder und

Jugendliche, so ergab eine persönlich durchgeführte Blitzumfrage, kennen Backerbsen, Buchstabensuppe und Frittaten. Über Frittaten ist von meinen Heranwachsenden folgender Ausspruch bekannt: „Bitte alle Palatschinken aufessen, sonst gibt’s morgen Frittatensuppe.“ Immerhin weiß man hier noch, dass Frittaten nudelig geschnittene Palatschinken sind … Zu den Buchstaben ist Folgendes zu sagen: Da gab es die zweisprachige Suppeneinlage aus Kärnten, die BuhŠtabenZUPE mit slowenischen Hatscheks drauf, die aber leider mangels Nachfrage nicht mehr produziert wird. Škoda. Vielleicht wäre das ein niederösterreichischtschechisches Projekt? Manche machen den Verlust der Vielfalt an den eingeschränkten Erdäpfel- oder Paradeissorten dingfest, ich mache mir über Suppeneinlagen Sorgen. Wer kümmert sich um Grießdunstkoch und Lugenstrudel, um

schaufenster / Kultur.Region / Februar 2014

Kohlschöberl und Eierstich, um Bröselknödel, Croutons und eingetropftes Ei? Auch kann ich mich an die unsichtbare Suppeneinlage aus Kindheitstagen erinnern, die ein sanft-schauriges Gefühl zurückließ: das waren durchscheinende Stärkekügelchen, hergestellt aus der Maniokwurzel. Unsichtbar klingt auch der Name jener Suppeneinlage, die ich jetzt als Beitrag zur Förderung der Suppeneinlagenkultur aus dem guten, alten Hess-Kochbuch („Wiener Küche“, Ausgabe 1977) anführe: „Luftstrudel. Feingehackte Petersilie und Salz gibt man in 80–100 Gramm zerlassene Butter und betropft damit einen ausgezogenen Strudelteig. Der Teig wird zusammengerollt, auf ein Blech gelegt, im heißen Rohr gebacken, einige Male mit heißer Suppe oder Fett bestrichen und dann in Stücke geschnitten.“ / Mella Waldstein


Damit Visionen Wirklichkeit werden, ermöglicht Raiffeisen viele Kulturveranstaltungen durch seine regionalen und lokalen Förderungen. Denn Realisierung und Erfolg von Kulturinitiativen hängen nicht nur von Ideen, sondern auch von finanziellen Mitteln ab. Gemeinsam ist man einfach stärker. www.raiffeisen.at


GALERIE DER REGIONEN Erlesenes Kunsthandwerk und edle Geschenkideen aus Europas Regionen

3504 Krems-Stein · Donaulände 56 T. 02732 85015 · galerie@volkskultureuropa.org · www.volkskultureuropa.org Neue Öffnungszeiten: Di–Fr 10.00–12.00 und 15.00–18.00 Uhr Jeden 1. Sa im Monat: 10.00–12.00 und 14.00–17.00 Uhr An Konzerttagen bis 21.00 Uhr


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.