Können kulturelle Fragen Flugzeugunglücke verunrsachen?

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“Können kulturelle Fragen Flugzeugunglücke verursachen?” Ja, der Meinung von Malcom Gladwell nach, können sich Flugzeugunglücke auch (und vor allem) durch eine Problematik kulturellen Ursprungs ereignen. Der kanadische Journalist und Schriftsteller Gladwell behauptet, dass die einzige und wichtigste relevante Variable im Fall von Flugzeugunglücken nicht das Flugzeug selbst, sondern die Variable der Herkunftskultur der Piloten sei. Die ethnische Flugzeugunglücks-Theorie ist ein sehr interessantes Kapitel in seinem Buch mit dem Titel Outliers: The Story of Success (Little, Brown & C., New York, 2008). Gladwell analysiert insbesondere zwei Flugzeugunglücke (Colombian Avianca Flight 52 und South Korean Air Flight 801) und behauptet, dass gerade die Herkunftskultur der Piloten die Haupt-Variable darstelle, die zur Verkettung von Fehlern führen und eine Katastrophe auslösen könne. Gemäß Gladwell ist das Unglück bezüglich des Fluges 801 der Korean Air in Guam das Ergebnis einer Verkettung von ursächlichen Faktoren (viele Flugstunden, Müdigkeit, schlechtes Wetter), die in Folge zu einem Fehler des Flugkommandanten führten, den der Copilot aus kulturellen Gründen nicht korrigieren konnte. Es gelang dem Copiloten vor allem nicht („because unable or unwilling”), seine Meinung auszudrücken, das heißt hinsichtlich kritischer Aspekte, die Führung des Flugs unter sicheren Bedingungen betreffend, wegen der starken Wertigkeit, die die Aufrechterhaltung der Hierarchie innerhalb des koreanischen Kultursystems einnimmt, assertorisch zu kommunizieren. Um die Worte von Gladwell wieder aufzunehmen: „Korean Air had more plane crashes than almost any other airline in the world for a period at the end of the 1990s. When we think of airline crashes, we think, Oh, they must have had old planes. They must have had badly trained pilots. No. What they were struggling with was a cultural legacy, that Korean culture is hierarchical. You are obliged to be deferential toward your elders and superiors in a way that would be unimaginable in the U.S. But Boeing and Airbus design modern, complex airplanes to be flown by two equals. That works beautifully in low-power-distance cultures like the U.S., where hierarchies aren't as relevant.

But in cultures that have high power distance, it’s very difficult”. Das Flugzeugunglück wurde also durch eine Verkettung von Faktoren verursacht, in der die große hierarchische Distanz zwischen dem Kommandanten und dem Copiloten gewichtiger war, als die anderen Faktoren. Diese These ist ziemlich kühn und hat nicht von ungefähr Kritik und Diskussionen ausgelöst. Für uns ist wichtiger, dass die spärliche Effizienz der Kommunikation zwischen dem Copiloten und dem Kommandanten auf einen Index verweist, der von Geert Hofstede als „Power Distance Index“ bezeichnet wurde. Dieser Index kann bei dem Versuch, die „hierarchische Distanz”, beziehungsweise die Höhe des Ansehens und des Respekts in Bezug auf die Autorität innerhalb eines Kultursystems (als institutionelle Autoritäten wie Familie, Schule, Kollegen im Zusammenhang mit der Arbeit zu verstehen) zu messen von Nutzen sein.

Die Kultursysteme mit hohen hierarischen Distanzen (high-power-distance), wie zum Beispiel jene, die im Gebiet der koreanischen Halbinsel vorwiegen, sind eher geprägt durch ein „deferential towards authority”-Verhalten und es können daher mit vermehrter Häufigkeit Situationen auftreten, in welchen es zu Schwierigkeiten kommt, wenn es darum geht, dem Kollegen, der sich in einer höheren Position und in hierarchischer Überlegenheit befindet, zu widersprechen sowie ihm Handlungsalternativen vorzuschlagen. Es ist daher nach Gladwell in Situationen, wie jener des Flugs Korean Air 801, (ein bisschen eher) verständlich, dass der Pilot „unable or unwilling to speak up as assertively as he should have about safety concerns” gewesen sei. Fernando Salvetti, Anthropologe und Executive Trainer. Managing Partner LKN-Logos Knowledge Network und Dozent an der LUISS Business school.


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