kinki magazin - #37

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nr. 37  juni /  juli  2011   chf 6,00 (schweiz) eur 4,00 (deutschland) eur 4,50 (österreich) eur 8,00 (nederland)


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auftakt Ruhig, Brauner! – Die Tierausgabe

Lieber Leser. Bei einem Streifzug durch den städtischen Zoo ist es uns mal wieder aufgefallen: die hinter dem Zaun sind denen vor dem Zaun in Habitus und Gestik gar nicht so unähnlich. Warum auch? Am Schluss dreht es sich doch immer um dieselben Dinge im Leben. Ponyhof hin oder her. Und während wir die dösenden und vermutlich sedierten Raubkatzen im Gehege politisch korrekt bemitleiden, gefällt uns heimlich der Gedanke an ein behütetes Leben im zoologischen Garten. Viel Aufmerksamkeit mit wenig Aufwand, ausgewogene und weitgehend stressfreie Ernährung, alle denkbaren fäkalen Freiheiten, absolute Abwesenheit jeglicher Verantwortung und zur Belustigung eine dämliche Servicekraft, die beim geringsten Anzeichen tierischer Unausgewogenheit Krokodilstränen in der vormittäglichen Tierpflegersendung (Regio-TV) vergiesst. Rrrroooarrr! Was ist animalischer? Sich füttern zu lassen, oder domestizierte Wildtiere mit Gourmetrouladen zu mästen? Ja, ja, schon gut. Bevor wir hier jetzt verbal auf den Hund kommen, dann doch lieber zu Pudels Kern: Viecher sind die besseren Menschen. Stimmt’s, Lassie?! Deine viehtreibende kinki Redaktion

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[ L I F E A F T E R S K AT E ]


2011

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inhalt

standard

Auftakt 03 Inhalt 10 Neuzeit 12 kinkimag.ch 18 Klagemauer 20 Maske 90 Kopfkino 108 Abo / Impressum 110 Henry & Paul 114

50 44

report

Saumässig beliebt 32 Wortlaut: Sheri Moon Zombie 34 Feed me, I’m famous! 36 Querschläger: Monica Spoerlé 42 Kuscheln für immer? 44 Gegen den Strom 48 Killerinstinkt 92

Kuscheln für immer? Bei manchen landen sie auf dem Dachstock, wenn die Pubertät beginnt, in vielen Betten halten die Kuscheltiere aber hartnäckig ihre Stellung. Thomas Tobler warf einen Blick in die Betten seiner Freunde und Bekannten und fand dort allerlei gefütterte Relikte aus der Kindheit ihrer Besitzer.

musik

Vorspiel: Ford & Lopatin 56 Interview: Penguin Prison 58 Verhör 60 Interview: Arctic Monkeys 62 Lieblingslieder: Chris Gasser 64

mode

‹Join me, in Eden› von Nicole Bökhaus 22 Interview: Julia Heuer 66 ‹Lorica› von Amanda Camenisch 70 Adlerauge und Sonnenanbeter 78 ‹One day Alice came to a ...› von Kristiina Wilson 82

Wild Things

36

Troy Emery

70

kunst

‹Wild Things› von Troy Emery 50 Potpourri: Fauna 96 Schauplatz: Fotogalleriet, Oslo 112 kooabaisiert [ Ergänzungsmaterial auf kooaba.com ]

kinki inhalt

Feed me, I’m famous! Wer es in der Tierwelt zu Ruhm und Ehre bringt, dem ist nicht nur eine Extraportion Leckerlis, sondern fast schon unsterblicher Starstatus gewiss. Die kinki Redaktion präsentiert euch ihre Top 10 der tierischen Berühmtheiten und gefallenen Sternchen. 10

Lorica

Amanda Camenisch


58 Interview: Penguin Prison Chris Glover alias Penguin Prison versteht es wie kaum ein anderer, tanzbare Rhythmen mit Tiefgang zu kombinieren. Das ist nur einer von vielen Gründen, sich mit dem New Yorker mal persönlich zu unterhalten.

96

Potpourri: Fauna ‹So viele tolle Bilder und so wenige Seiten …›, dachte sich die kinki Redaktion Monat für Monat. Und rief deshalb die Rubrik ‹Potpourri› ins Leben, in der fortan verschiedene Illustratoren, Künstler und Fotografen eines oder mehrere Bilder zum jeweiligen Heftthema beitragen werden.

zugabe

Kristiina Wilson

Troy Emery

Obwohl die New Yorkerin mit finnischen Wurzeln als Modefotografin zuweilen einiges um die Ohren hat, scheint es ihr nicht weiter schwer zu fallen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Und das, selbst wenn ihr beim Fotografieren ein paar Dutzend Kätzchen um die Beine streichen. Für diese Ausgabe realisierte Wilson zusammen mit der Stylistin Michelle Carimpong und dem vielversprechenden Newcomer-Model Aiden Andrews inmitten einer ganzen Büsi-Armada eine wunderschöne Modegeschichte. Das Team reiste dafür eigens zum ‹Caboodle Ranch Cat Sanctuary› nach Florida. Und wen’s vor lauter Katzenhaaren nur schon beim Betrachten in der Nase kitzelt, der soll sich einfach auf die tolle, sommerliche Männermode konzentrieren. – S. 82

Kein Weg war uns zu weit, um nach geeigneten Bildstrecken und Kunstprojekten für unsere Tierausgabe zu suchen. Sprichwörtlich am anderen Ende der Welt, nämlich in Melbourne, stiessen wir denn auch auf Troy Emery und seine ‹Wild Things›. In diesem Projekt beschäftigt sich Emery mit Dekoration, Handwerk, tierischer Form und Ästhetik. Und das alles mit Gebrauch von Polyester-Pompoms und Textilien. Klingt komisch? Dann seht euch das Ergebnis am besten einfach zuerst einmal an. – S. 50

Nicole Bökhaus

Lourinha und Nubi

Dass die Fotografin Nicole Bökhaus sich mit Tieren fast ebenso gut auskennt wie mit Menschen, ist sicherlich kein Geheimnis. Nebst ihren Aufträgen als Beauty- und Modefotografin hat sich die Wahl-Winterthurerin nämlich einen Namen als Tierfotografin gemacht, wurde für ihre Arbeiten schon mit diversen Preisen ausgezeichnet und arbeitete für diverse Magazine aus der Welt des Reitsports und der Mode. Für diese Ausgabe liess Nicole ihre Talente verschmelzen und entführte die menschlichen und tierischen Models ihrer Modestrecke in einen bunten Garten Eden. – S. 22

Die Idee, eine gesamte Ausgabe der Tierwelt zu widmen, kam natürlich nicht von ungefähr. Unsere Redaktionshunde und ‹CEO-Schützlinge› Lourinha und Anubis (aka Nubi) führen uns nämlich tagtäglich vor Augen, wie schön so ein Hundedasein sein muss: auf der Couch rumliegen, Gassi gehen, schlafen, dösen, ausruhen und relaxen. Daneben steht natürlich immer wieder mal gestreichelt werden, spielen und fressen auf dem Terminkalender unserer beiden vierbeinigen Freunde, bevor dann schliesslich wieder die Couch ruft. Wir danken Nubi und Lourinha für die Inspiration und werden uns nach der nächsten Abgabe ein Vorbild an euch nehmen!

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neuzeit

in bronze gegossen

agenda

06

07.05. – 10.07. adrien tirtiaux & hannes zebedin: ‹immer noch und noch nicht› Kunsthalle, St. Gallen 31.05. – 13.08. doris margreiter Galerie Stampa, Basel

Bereits zum zweiten Mal diesen Frühling durfte kinki sich aufs Siegertreppchen stellen! Nachdem nämlich Anfang April im Rahmen des Swiss Photo Awards die Arbeit ‹Fensterplatz und Abgeschiedenes› von Fabian Unternährer (erschienen in kinki Nummer 31) geehrt wurde, dürfen wir uns nun seit dem 14. Mai mit der Bronzemedaille des European Design Award schmücken. Der Award wird jährlich in den drei Hauptkategorien ‹Graphic Design›, ‹Illustration› und ‹Interactive Design› verliehen. Aus den Bewerbern aus über 30 Ländern wurde kinki von

der 12-köpfigen Jury schliesslich mit dem dritten Platz in der Kategorie ‹Magazin› prämiert. Doch anstatt uns auf den Lorbeeren auszuruhen, werden wir natürlich so schnell wie möglich das Champagnerglas leer kippen, uns mit einem ehrfürchtigen Knicks in Richtung Litauen beim Komitee der EDA bedanken und uns danach – noch motivierter als zuvor – wieder schön brav hinter unsere Bildschirme verkriechen, um an der nächsten Ausgabe weiterzuarbeiten. kinkimag.ch

raketenohr Seit 1997 stellen die Jungs Andy Laats und Chad Dinenna bei Nixon ihr Schaffen im Bereich Accessoires unter den Slogan: ‹Wir machen den kleinen Scheiss besser!› Ein Beispiel: ‹The Apollo›. Bei diesen Kopfhörern überzeugt nicht nur das Design, sondern auch die Leistung. Die sogenannten ‹Memory Foam Ears Cushions› ermöglichen einen weichen und angenehmen Tragekomfort und garantieren zudem eine lange Lebensdauer. Lästige Umweltgeräusche bleiben brav draussen. Auch das Verheddern der Kabel wird verhindert. Zudem sind die Dinger ein richtiges Leichtgewicht: bei 90 Gramm dürften selbst die Schwächsten unter euch nichts zu meckern haben. Die Apollos von Nixon können sich also sehen lassen und verpassen jedem Outfit das gewisse Finish. Ihr wollt so ein Paar euer Eigen nennen? Zum Glück verlost kinki drei der begehrten Nixon-Kopfhörer. Schreibt einfach eine Mail mit dem kinki neuzeit

Betreff ‹Nixon› und eurer Adresse an wettbewerb@kinkimag.ch und haltet die Ohren gespitzt! (aa) nixonnow.com

16.06. – 02.07. turbo magazine – la deuxième chance Christophe Guye Galerie, Zürich 30.06. neon party feat. ulli and maesoo Hive Club, Zürich 30.06. open air st. gallen feat. the national, digitalism, beirut uvm. Sittertobel, St. Gallen

07

01.07. die lange nacht der elektronischen musik Dampfzentrale, Bern 04.07. anna calvi Jazz Café, Montreux 07.07. trans am Exil, Zürich 07.07. hercules & love affair Poolbar, Feldkirch (Aus) 07.07. neon party feat. craze and dmc team Hive Club, Zürich 13.07. bodi bill Kulturfestival, St. Gallen 14.07. – 17.07. gurten festival feat. beady eye, arctic monkeys, the vaccines uvm. Gurten, Bern 15.07. – 20.08. young at art Galerie ArtSeefeld, Zürich 19.07. – 24.07. paléo festival feat. the strokes, pj harvey, metronomy uvm. Nyon 21.07. neon party feat. daniel haaksman Hive Club, Zürich

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schottisches strandgut Damenwelt erweitert. Nun gibt es allerdings böse Zungen, die behaupten, dass bei sommerlichen Temperaturen selbst der betörendste Burlington-Strumpf und die stylishste Argyle-Socke Schweissfüsse nicht vor dem Geruch von schottischem Schafskäse schützen könnten. Deshalb entschloss sich Burlington wohl, die Auswahl auch auf Beach Shoes zu erweitern. Die Flip-Flops kommen in sattem Pink und Rot für die Frauen und frischen Blautönen für die Herren daher und zeigen, dass das Argyle-Muster auch unterhalb des Fusses eine gute Figur macht. kinki verlost je ein Paar an die schnellsten unter euch. Schreibt einfach eine Mail mit dem Betreff ‹Burlington›, eurer Schuhgrösse und Adresse an wettbewerb@kinkimag.ch und gönnt euren Füssen ein bisschen Hitzefrei! (rb)

Schotten tragen nichts drunter. Und verzichten bei sommerlichen Temperaturen sogar manchmal auf ihre geliebten Burlington Socken.

Dass die Schotten noch immer die besten Socken der Welt herstellen, dürfte wohl niemand bestreiten. Burlington schaffte es mit seinem Argyle-Muster über die Jahrzehnte hinweg und in praktisch jeder mög-

lichen Farbkombination, Herrenund Damenwaden das gewisse Etwas zu verleihen. Längst wurde das Sortiment ausserdem um eine ausgiebige Kleiderkollektion für Männer und um Strümpfe für die

Beats, Bars, Boote … Das kroatische Garden Festival bietet Anreiz genug, den heimischen Garten zu verlassen.

burlington.com

oc & sta

Die umständlichen Bauarbeiten am Züricher Escher-Wyss-Platz neigen sich endlich ihrem Ende zu, und eine unserer Lieblingsboutiquen kann wieder auf direktem Weg erreicht werden. The Gloss erstrahlt in diesem Sommer wortwörtlich in neuem Glanz und freut sich auf all die Kunden, die nun leichten Schrittes dem Einkaufsparadies entgegen schweben. Wer Onlineshopping mag, wusste diese baulichen Hindernisse schon vorher auf thegloss.ch/webshop zu überwinden. Ein Besuch an der Hardstrasse 312 in Zürich lohnt sich jedoch immer, bei The Gloss und im anliegenden Grand Shop können nämlich einige besonders beliebte Brands aus dem Ausland, die sonst nur online angeboten werden, anprobiert und befingert werden. So führt The Gloss als Grand Selektion die Hausmarke des ausserordentlich beliebten Opening Ceremony aus den Staaten oder das stilsichere französische Label Surface To Air. Neu im Sortiment sind auch die Brands Play, Comme des Garçons und Black Noise White Rain, die Untermarke von Chronicles of Never. Und zur Feier des Sommerbeginns hat The Gloss

ferien im garten

The Gloss erweitert sein Sortiment. Und spendiert den kinki Lesern zur Feier des Tages eine Bluse von Surface To Air!

auch noch die Spendierhosen an und offeriert unseren Leserinnen die Bluse ‹Fold Shirt› von Surface To Air und unseren Lesern das Hemd ‹Combo› von Opening Ceremony. Versucht euer Glück und

schreibt eine Mail mit eurer Postadresse, Grösse und dem Betreff ‹OC› oder ‹STA› an wettbewerb@ kinkimag.ch. Oder stattet The Gloss selbst einen Besuch ab. (fr) Hardstrasse 312, 8005 Zürich, thegloss.ch

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Wer noch keinen Plan für die diesjährigen Sommerferien hat, sollte Ferien im Garten in Betracht ziehen. Und hiermit meinen wir natürlich nicht den eigenen Garten, sondern The Garden Festival in Kroatien. Unter dem Motto ‹Back to our Roots› findet vom 6. bis zum 13. Juli im idyllischen Ort Petrčane die sechste Ausgabe des Elektro-Festivals statt. Während acht Tagen wird das 900 Jahre alte kroatische Fischerdorf zum Mekka der DanceMusik, wo sich Live Acts und DJs wie Crazy P, Ras Tweed, Wolf & Lamb oder Fila Brazilia, um nur ein paar wenige zu nennen, tummeln werden. The Garden Festival verspricht eine ganze Woche voller elektrisierender Beats, legendärer Partys nicht nur in Clubs, sondern auch auf Booten und am Strand. Da eine Woche lang Durchfeiern an die Substanz geht, kann tagsüber bei Ausflügen zu den schönsten Flecken der teilweise noch unberührten Adriaküste relaxt werden. Die vielen Bars und Restaurants in Petrčane locken mit frisch gefangenem Fisch und anderen mediterranen Spezialitäten, um die feierlustige Meute, die Jahr für Jahr aus ganz Europa zum Festival strömt, bei Laune zu halten. Tickets und Informationen zu Programm, Anreise und Unterkunft gibt es unter thegardenfestival.eu. (mm)


candy dream

sind wir nicht hübsch?

Eigentlich ist das Leben ganz schön ungerecht. Täglich werden wir mit süssen Leckereichen verführt und haben Ende des Monats dann den Salat. Mit Diät-Sauce! Bei den Leckereien von Ponyhütchen ist der Verzehr jedoch nicht wirklich von Vorteil. Die Schweizer Manufaktur mit dem Slogan ‹Candy Cosmetics› verzaubert uns mit Bonbons, Cupcakes, Gugelhupf, Pralinen und Törtchen zum Baden. Genau. Nicht zum Essen. Kalorienarm und gut für die Umwelt. Denn Ponyhütchen setzt ganz auf Bio-Qualität. Sprich die Produkte sind allesamt mineralölfrei, talkfrei, parabenfrei, silikonfrei und handgemacht. Geeignet natürlich auch als Geschenk an die Lieben, die etwas Leckeres verdient haben. Oder man gönnt sich selbst etwas gutes. Wer weiss, vielleicht ist das ja endlich eine appetitstillende Lösung, falls dann

Nicht reinbeissen, reinspringen! Backwaren für die Badewanne von Ponyhütchen.

mal wieder zu viele echte Cupcakes in der Nähe sind. (aa) ponyhuetchen.com

ice, ice, baby Don’t lick, watch! Zum Beispiel in den knalligen Geschmacksrichtungen Grün, Pink, Purpur oder Orange. Natürlich ist hier nicht die Rede vom Eis am Stiel, sondern von den coolen Armbanduhren von Ice-Watch. Das belgische Label produziert seit 2007 augenfällige Uhren, die wie erfrischende Farbkleckse das graue Outfit des Alltags erhellen. Die saisonale Kollektion der Ice-Jelly vereint beispielsweise die Farben des Sommers mit Transparenz und modischem Design. Im Unterschied dazu verfügt die Kollektion ‹Sili Forever› über blickdichte Silikonarmbänder und automatische Kalender. Die ‹Sili› und die ‹Ice-Jelly› sind in zehn Farben erhältlich und machen sich besonders gut am Handgelenk von urbanen, sportlichen und natürlich pünktlichen Trägern. Da wir eure Sommermonate mit Farbtupfern besprenkeln möchten, verlosen wir zehn IceJelly-Uhren von Ice-Watch. Verratet uns einfach eure Lieblingsfarbe aus der Ice-Jelly-Kollektion und schickt eine Mail mit dem Betreff ‹Ice-Jelly› und eurer Adresse an wettbewerb@kinkimag.ch. Wer

Tierreich meets Modewelt? In den Kollektionen des australischen Beachwear Labels We Are Handsome funktioniert die Paarung einwandfrei.

Die Badeanzüge, Bikinis, Shorts und Leggins des Labels ‹We Are Handsome› sind so knuffig wie ein Streichelzoo und voll tierischer Anmut wie der Federfächer eines Pfaus. Auf der Bademode des australischen Labels scharen sich zahlreiche zähnefletschende Tiere. Flamingos recken auf Monsieurs Badehose ihr Köpfe, Pferde galoppieren über Madames Bauch. Die tragbaren und faszinierenden kleinen Kunstwerke von Indhra Chagoury und Jeremy Jules Somers bieten in der Tat ungewöhnliche Motive für Bademode. Gerade deshalb scheint dem Label, das komplett in Australien designt kinki neuzeit

und produziert, im vergangenen Jahr der Coup gelungen zu sein. Für kaum eine andere Bademode versuchte sich die Modewelt nämlich so beflissen in Form zu bringen. Die Kollektion ‹The Aviary› ist inspiriert von Nahaufnahmen der Federpracht aus der Voliere und zeigt fantasievolle, farbenfrohe Prints. Und auch die aktuelle Kollektion ‹The Memoirs› bringt neben witzigen Heissluftballon-, Chaletoder Pferdmotiven ein neues Lieblingstier mit sich: ein bildhübscher Wolf, der Badeanzug, Bikini und Kleidchen ziert. (fr) wearehandsome.com

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beim Wettbewerb leer ausgeht, hat die Chance, auf unserer kinki summer tour eine von 40 ‹Lucky Bags› mit einer Sili Ice-Watch drin zu ergattern. (fr) ice-watch.com


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männer im matsch Die männlichste aller Jahreszeiten ist endlich wieder angebrochen! Damit meinen wir natürlich den Festivalsommer. Was gibt es schliesslich Schöneres im Leben eines richtigen Recken, als sich endlich mal über mehrere Tage hinweg nur johlend miteinander zu unterhalten, Bier zu trinken, sich blöde Hüte aufzusetzen und im Matsch rumzutollen? Praktischerweise scheint die Festivalzeit auch zu den wenigen Situationen des Lebens zu gehören, in denen ein solches Verhalten von der Damenwelt goutiert und geradezu bewundert wird. Wer den Matschmantel allerdings nach den Festivaltagen nicht schnellstens loswird, dem werden von weiblicher Seite im Alltag eher gerümpfte Nasen als bewundernde Blicke entgegengebracht. Diesem Zwiespalt hat sich AXE nun zum Glück angenommen: Mit den allseits beliebten Shower Gels – unter anderem die beiden neuen Sorten ‹Excite› und ‹Cool Metal› – sorgt AXE mit bezirzenden Düften und einem Frischeerleb-

Dreckspatzen und Saubermänner aufgepasst: AXE verlost drei Festival-Kombi-Packs fürs Open Air Frauenfeld!

beinhalten jeweils zwei Tickets fürs Open Air Frauenfeld, wo Legenden wie Ice Cube, Snoop Dogg und diverse Newcomer wie Yelawolf euch erwarten. Als wäre das noch nicht gut, findet sich darin auch je ein Showergel ‹Excite› und ‹Cool Metal›! Die ganz erfolgreichen Schlammcatcher und / oder Gutriecher dürften sich zudem über die ‹AXEss all Areas› vs ‹No

nis, das sich gewaschen hat, seit jeher für duftende Männerkörper. Und somit auch für glückliche Frauen. Wer nun gerne die Probe aufs Exempel machen will und den Direktvergleich ‹Schlammbad vs. frisches Auftreten› persönlich antreten möchte, dem bietet AXE die perfekte Möglichkeit dazu. kinki verlost an dieser Stelle nämlich drei AXE-Festival-Packs. Diese

kinki neuzeit

axe.ch

schlaglocherei

artsy minigolf on dachterasse Dieses Jahr führten uns bereits mehrere ansprechende Ausstellungen nach Basel. Magischer Anziehungspunkt in der Stadt am Rhein war stets dieselbe Adresse: der ‹Hinterhof Offspace›, ein Plätzchen für Kreative, das Anfang des Jahres seine Türen öffnete. Besagter Hinterhof ist aber nicht ein auf wenige Meter beschränkter, umzäunter Platz im Schatten der Pharmastadt, sondern eine weitläufige Industriehalle, die von Basler Kunstschaffenden als kreative Spielwiese und als Ausstellungsort künstlerisch genutzt wird. Auf die Sommermonate hin wird nun die Dachterrasse der Hinterhofbar einladend hergerichtet, um darauf Ausstellungen, Musik und Barkultur unter freiem Himmel zu vereinen. Als weiteres Highlight haben die Gundeliverjünger vom Hinterhof ihren eigenen elitären ‹Hinterhof Minigolf Club› ins Leben gerufen. Mit dem prätentiösen

AXEss›-Türschilder freuen … Um mitzumachen, müsst ihr nur eine Mail mit dem Betreff ‹AXE› und eurer Adresse an wettbewerb@ kinkimag.ch schicken und uns verraten, warum ihr nach dem Open Air eine Dusche so dringend nötig haben werdet. Teilnahmeschluss ist der 7. Juli. (rb)

und nachdenklichen Blick eines Kunstsammlers und den Ambitionen eines Bierseligen darf von Juni bis August im Hinterhof eifrig ‹gegölfelt› werden. Durch sieben hochkarätige Minigolf-Courts, die von Künstlern und Designern geplant und gebaut werden, wird aus dem stieren bis spassigen Familiensport ein kunstszenetaugliches Vergnügen. Die kreativen Bahnen sorgen denn auch für fliegende Schläger, rotierende Bälle, ungewöhnliche Herausforderungen und inspirierendes Einlochen. Die Dachterrasse lädt danach zum Entspannen mit ausschweifendem Blick ein. Wenn das mal kein alternatives Sommer- und Kunstprogramm ist! Wir sehen uns an der Münchensteinerstrasse 81 in Basel.

Garn statt Zement: Juliana ‹Herrera› Santacruz’ Werke bewegen sich zwischen Urban Intervention und Strassenbau.

Auf unzähligen Blogs wird bereits über sie geschrieben und ihre Werke gehen um die Welt. Wir sprechen hier von Juliana Santacruz, auch bekannt unter ihrem Künstlernamen Herrera. Ihre Inspiration sind Schlaglöcher auf den Strassen von Paris und diese füllt sie mit Garn (!) auf. Vielleicht erinnert Herreras Arbeit den einen oder anderen an Jan Vormann und seinen ‹Lego-Dispatcher›. Er forderte die Mitmenschen dazu auf, ihre übrig-

(fr) hinterhof.ch/offspace

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gebliebenen Legosteine in marode Gebäude oder Denkmäler einzubauen, um so leere Stellen aufzufüllen. Oder an Pete Dungey mit seinen ‹Schlagloch-Gärten›. Er pflanzte Blumen samt Erde in die Schlaglöcher ein, um auf die schlechten Strassen in England aufmerksam zu machen. Herrera stellt sich in diese Tradition, wenn sie die Pariser Strassen auf subtile Art zu verschönern versucht. (aa)


bbb rätselwoche & goodies

(sonne) mond und sterne

kinki verlost zwei Tickets fürs Santana-Konzert am Moon and Stars Festival!

Am schönsten ist’s im Sommer doch im Tessin, oder? Denn auch wenn bei uns der Sommer fleissig Einzug hält: jenseits der Tunnelröhre ist’s halt einfach trotzdem noch ein paar Grad wärmer – oder es fühlt sich zumindest so an. Doch nicht nur der Sonnenschein bietet jeden Sommer Grund genug, zum Südende des Landes aufzubre-

chen, sondern auch Mond und Sterne locken dieses Jahr vom 8. bis 17. Juli wieder mit hochrangigen Acts auf Locarnos Piazza Grande. Unter anderem werden Legenden der Popgeschichte wie Santana, Sting, Amy Winehouse und Roxette vertreten sein. Und was wären wir für Unmenschen, euch hier Musik und Tessiner Abendbrise schmackhaft zu machen, ohne etwas zu verlosen? Deshalb verschenkt kinki einmal zwei Tickets für Santana am 10. Juli und zusätzlich zweimal zwei Eintritte für Jack Johnson, der am 17. Juli die Piazza Grande in einen Sandstrand verwandeln wird. Schreibt einfach eine Mail mit dem Betreff ‹Moon and Stars›, eurem bevorzugten Act und eurer Adresse an wettbewerb@kinkimag.ch. Und natürlich gilt auch hier: ohne Fleiss kein Preis. Verratet uns bitte, zum wievielten Mal das Moon and Stars Festival dieses Jahr über die Bühne geht. Come facile! (rb)

Die Bread and Butter Berlin, die weltweit grösste Street- und Urbanwear-Messe, brauchen wir euch nicht mehr vorzustellen. Schliesslich ist das kinki seit seinen Anfängen an der BBB mit dabei. Die BBB gibt es schon etwas länger, sie zählt diesen Sommer 10 Lenze und wird zum 25. Mal durchgeführt. Einzig das Thema der ‹Brot und Butter› gilt es euch also noch aufzutischen und das Datum gross zu verkünden: Die diesjährige Messe im Berliner Flughafen Tempelhof findet vom 6. bis 8. Juli unter dem Motto ‹The Bread & Butter Supershow› statt. Dieses Jahr werden wir unsere Berichterstattungen von der BBB nicht auf die Schilderung aufregender bis anstrengender Sinnesüberflutung beschränken, sondern euch die Messe aus einem

moonandstarslocarno.ch

anderen Blickwinkel präsentieren. In der BBB-Woche vom 4. bis 10. Juli werden wir auf kinkimag.ch / blog eure Kenntnisse rund um die Messe, die Brands und ihre Besucher testen und euch mit zahlreichen Rätseln, Foto-Rate-Aktionen und Wortspielen näher an das Geschehen im Tempelhof bringen. Dafür werden wir auf unserem Marathon durch den Tempelhof fleissig Goodies von Ausstellerlabels einpacken, die dann täglich unter allen Wissenden und Ratenden verlost werden. Ob Sneakers, Jeans, Skateboard oder Oldschool-Uhr: Jeden Tag gibt es ein Geschenk der rund 580 Ausstellerbrands zu ergattern. Also immer schön wachsam den kinki Blog verfolgen, rätseln, miteifern und Butterbrote schmieren. (fr)

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Fumer nuit gravement à votre santé et à celle de votre entourage. Il fumo danneggia gravemente te e chi ti sta intorno. 17


kinkimag.ch

laus im schnaps E901, E902, E120 – diese Inhaltsstoffe hören sich ganz harmlos an, dürften aber jeden Tierschützer auf die Palme bringen. Das unscheinbare E120 zum Beispiel ist nichts anderes als ein aus Läusen gewonnener Farbstoff. Das Purpur

des 20. Jahrhunderts wird auf den kanarischen Inseln gezüchtet. Dort schlagen sich Tausende kleine Tierchen ihre Bäuche mit Kaktussaft voll, bis die Weibchen dick genug sind, um ‹gepflückt› zu werden. Einmal getrocknet und

gemahlen, strahlen sie uns schliesslich im leuchtenden Rot von Campari, Lippenstift oder Rouge entgegen. Mehr über das unappetitliche, aber lukrative Geschäft mit dem ‹roten Gold› erfahrt ihr auf kinkimag.com/magazines.

party animals Dass die Liverpooler Band The Wombats bis auf das etwas zerknitterte Aussehen mit ihren tierischen Namensvettern herzlich wenig gemeinsam hat, haben wir bereits in der letzten Ausgabe zu erklären versucht. Die drei Indie Rocker touren derzeit ohne grosse Verschnaufpause um den Globus. Warum sich dieses Leben auf Tour so viel besser anfühlt als jenes im heimischen Nest, und viele weitere Fragen beantwortet uns diesen Monat Frontmann Matt Murphy auf kinkimag.ch/magazines.

winged birdie dogs Das künstlerische Arbeitsinstrument der Australierin Emily Valentine sind nicht etwa Rosshaar oder Pinsel, sondern echte Vogelfedern. Diese nutzt sie jedoch nicht zum Malen, sondern als Bastel- oder Collageelement, mit dem sie dreidimensionale Objekte bestückt. Mit ihrer eigens entwickelten Technik beflügelt sie etwa Flugzeuge oder Hunde. Auch der farbengewaltigen Federpracht verstorbener Vögel haucht sie zuweilen neues Leben ein. Was etwas seltsam klingen mag, sieht in Realität genauso befremdend aus und wirkt manchmal wie eine kitschige Form von Taxidermie – obwohl das neu arrangierte Gefieder vollkommen natürlich ist. Die ungewöhnliche Kombination kitzelt aber nicht nur

den Sehnerv, auch die Idee dahinter vermag zu begeistern. So möchte Valentine etwa mit den beflügelten Flugzeugen zur Diskussion über die menschliche Kolonialisierung

des Luftraums anregen. Einen tieferen Einblick in das skurrile Universum von Emily Valentine könnt ihr diesen Monat auf unserer Website erhaschen.

Elektroniklieblingen aus Belfast, bis zum Gratis-Download unserer kinki tunes. Beschenkt werdet ihr natürlich auch wöchentlich auf unserem Blog. Da locken zum Beginn

der Festivalsaison etwa zahlreiche Ticketverlosungen, unter anderem für das Gurten Festival.

fütterung Weitere tierisch gute Leckerlis gibt es auch diesen Monat auf unserer Website: von tierischen Kunstprojekten über einen spannenden Besuch bei FM Belfast, unseren kinki kinkimag.ch

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CHANGE.

YOU CAN.

ICE-SUMMER collection


klagemauer Ist dein neuer Kashmir-Pulli eingegangen? Der Joghurt im Kühlschrank zu neuem Leben erwacht? Setzen sich die Psychopathen im Bus immer neben dich? Egal was dich gerade stresst oder nervt: Auf kinkimag.ch unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

meine brüste sind so scheiss-empfindlich, dass sie heute beim joggen fast gestorben wären – und dann wollte ich sie in die hand nehmen, um den schwung abzufedern, aber dann glotzen mich alle bescheuert an. vor allem männer. vous ne comprenez rieeennngg | dass manche alten Säcke (über 40) glauben, dass, wenn ein junges Mädchen irgendwann mal ungefähr in seine Richtung lächelt, sie was von ihm will. Leo | dass man mit 40 ein alter Sack ist junger Sack | diese halbnackten Schlampen auf allen Werbeplakaten, egal ob Möbelhaus oder Hochdruckreiniger. Ich will da nicht hinschauen. Leo | meine fingernägel zeigen, ob ich mich gut oder schlecht fühle sie sind abgekaut und grüslig | das nervt gewaltig. ‹hey spaadz, wie häsh? i knutsh und wish ju were here!› die heutige Jugendsprache ... sch = sh, soll wohl cool ausehen...und ja klar die Ausrede, dasses kürzer ist ZÄHLT NICHT! wegen einem Buchstaben, einem einzigen!! ihr könnt mir eins pfeiffen! nicht immer liegt in der Kürze die Würze. was hätte Goethe dazu gesagt .... zoé | appenzell und umgebung ich will weg von hier | ich bin so faul, wär ich obst, würd ich mich wegschmeissen! mandarineclementine | mein lebensraum sieht aus als wäre ne horde elefanten durch galoppiert und hätte noch extra alles durcheinandergeschmissen!!! aufräumen und putzen | möchte gerne nackt durch die wohnung pilgern. geht aber nicht gut, habe meine tage nacktwandernmussgutsein | Roter Pickel genau zwischen den Augen – Hallo, ich bin ab jetzt der Inder von nebenan! klarsicht | Ich will so ein Gerät wie aus diesem Film, wo man sein Leben STEUERN kann und nicht alles dem Schicksal überlassen muss. steuern | Völlig egal, ob Zigaretten schlecht für mich sind, Alkohol, Gewürze oder Männer. Das Leben ist nunmal eine unheilbare Krankheit! Da ist alles schlecht für mich. life sucks | immer wenn ich eigentlich lernen müsste, backe ich einen kuchen, um mich vom lernen abzuhalten. und es funktioniert jedesmal! mmmmh lecker kuchen | meine klagen werden nie gedruckt :( meeeennnnooooo | dass ich meinem Glück selber im Weg stehe ... gehmalzurseite | das er mich wegen dem einen witz hasst. es war ein witz verdammt! humorlos | Meine sechs Jahre JÜNGERE Schwester, die mir mein Internet abschaltet, weil ihre Wellensitiche im gleichen Raum schlafen und sonst wegen den elektrischen Strahlen nicht einschlafen können???? ähm hallo Irrenhaus? wellensitich | wer klaut mir meine Zeit und verschlingt alle anständigen, treuen männer? wenn ich den in die finger kriege, dann... ana | Es gibt Dinge die sollten sogar Katzen mit Arrest oder viel kaltem Kaffe gedankt bekommen, z.B. den toten Vogel neben meinem Bett. lomo | kinki klagemauer

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Nicole Bรถkhaus

Join me, in Eden kinki mode

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kinki mode

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kinki mode

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Dress: Laura Dolls Turban: Harrods Shoes: Bondinage Bracelet: Alexis Bittar

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Dress: Jean for Joseph le bon Jewellery: Alexis Bittar & Alias Theo Fennell

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Dress: C. Madeleines Couture Scarf (worn as turban): D&G Lace gloves: Stylist’s own

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Body: Stylist’s own Shoulder piece: Stylist’s own Flower turban: Harrods Shoes: Belezza

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Dress: Vintage Turban: Harrods Jewellery: Swarovski

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Gown: Vintage Trousers: Roberto Cavalli Shoes: Sergio Rossi Jewellery: Alexander McQueen, Leathergoods: Swarovski Leather cap: Alexander McQueen

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Pants: Roberto Cavalli Body, gloves: Vintage Skirt: Lilly Farouche Hat, belt: Harrods Shoes: Sergio Rossi Bracelet: Mango

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Dress: Alice Designs Jewellery: Alexis Bittar Photography Nicole Bökhaus, frozengrace.com Assistant Photography Dr. Beat Thoet, Regina Jäger Digitalwork Nicole Bökhaus Styling Julia Grunz Hair & Make-up Julia Grunz using MAC products Model Anne @ fotogen.ch Concept & idea Julia Grunz Assistant Set and Stuff Dr. Beat Thoet Special thanks to Henry Gugelmann and his beautiful animals.

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Saum채ssig beliebt Tierschutz ist unfair, findet unser Autor. Denn unsympathische Tiere haben es schwer. Text: Tin Fischer, Illustration: Nadja Abanin

H채ssliche Tiere haben es nicht leicht: Selbst wenn sie vom Aussterben bedroht sind, wird ihnen keine Beachtung geschenkt.

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s gibt in der Schweiz mehr Igelstationen als Frauenhäuser: 22 allein in der Deutschschweiz. Man könnte aus dieser Zahl schliessen, der Igel sei bedroht, vielleicht sogar am Ende. Wird einer verletzt, muss die nächste Ambulanz nah sein. Es könnte um das Überleben einer ganzen Spezies gehen. Doch eigentlich geht es dem Igel prächtig. Im Wald lebt er nicht mehr, weil er in den Gärten von Seebach und Wollishofen einen noch angenehmeren Wohnort gefunden hat – dieser Spiesser. Zu den wenigen Bedrohungen, denen er heute noch ausgesetzt ist, zählt die vorauseilende Fürsorge von uns Menschen: Igelbabys werden manchmal für Waisen gehalten und voreilig adoptiert. Das passiert aber selten. Die Fledermaus hingegen ist wirklich bedroht. Manche ihrer Arten sind dem Aussterben nahe. Ihre Nahrung ist knapp und diese verflixten energieeffizienten Häuser bieten kaum noch Unterschlupf. Sieht man im Wald eine ‹Grosse Hufeisennase› (insofern man sie denn als solche erkennt), könnte es die letzte sein. Es müsste in der Schweiz also zigmal mehr Fledermaus- als Igelstationen geben. Komischerweise gibt es jedoch nicht einmal halb so viele.

Das Kindchenschema

Warum besteht selbst bei ähnlichen Tieren ein solches Missverhältnis im Artenschutz? Stationen für verletzte Ratten oder Marder gibt es keine, für Fische gerade mal eine. ‹Auch im Tierschutz setzt man gerne auf Jö-Tiere›, meint Antoine F. Goetschel. ‹Das ist weniger im rechtlichen Bereich der Fall. Aber wenn es darum geht, Tiere zu unterstützen, greift man gerne auf das Kindchenschema zurück. Man hatte den Bären oder einen Delfin ja schon als Knuddeltier. Für diese Tiere ist es einfacher, Unterstützung zu mobilisieren.› Goetschel erlangte als Zürcher Tieranwalt Bekanntheit. Sich selbst bezeichnet er als Freigeist. Er ist mittlerweile weder auf Spenden von Gönnern noch auf das Wohlwollen der Politik

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tierquäler vor Gericht landet, ist bei beliebten Tieren um ein Vielfaches höher. angewiesen. Auf Sympathiewerte braucht er keine Rücksicht zu nehmen, ist also genau der richtige Mann, um über sympathische und unsympathische Tiere zu reden. Vor dem Schweizer Gesetz sind alle Wirbeltiere gleich. Jedoch sind auch hier die sympathischen Säuger etwas gleicher. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tierquäler vor Gericht landet, ist bei beliebten Tieren um ein Vielfaches höher. Von 7 500 Tierschutzstraffällen, die in den letzten dreissig Jahren verhandelt wurden, betrafen neunzig Prozent Säuger. Vögel kamen auf knapp fünf Prozent. Den Rest teilten sich Reptilien und Fische. Das P.M.-Magazin befragte vor Kurzem 510 Leute, welches die

unbeliebtesten Tiere seien. Nummer 1 war die Schabe, gefolgt von der Ratte, der Spinne, dem Wurm, der Made, der Qualle und der Schlange. Will heissen: Was kein Fell, keine

Auch die Politik von links bis rechts projiziert recht munter ihre Freund- und Feindbilder aus der Menschen- in die Tierwelt. Farbe und keine Mimik hat und noch dazu keine Töne von sich gibt, ist unten durch. Interessanterweise auch vor Gericht. ‹Wir laufen Gefahr, Tiere zu vermenschlichen›, meint Goetschel. Sie tun uns dann Leid, wenn wir uns in ihnen wiedererkennen.› Jetzt aber bitte nicht die ganze Schuld daran Walt Disneys sprechenden Mäusen, Enten, Rehen und Füchsen zuschieben. Auch die Politik von links bis rechts projiziert recht munter ihre Freund- und Feindbilder aus der Menschen- in die Tierwelt. ‹Die Grünen kommen vom Artenschutz. Da spielt viel Wildtierökologie mit rein. Tiere als Teil des Ökosystems, Tierversuche, Gentech-Kritik, das sind rot-grüne Themen›, sagt Goetschel. ‹Als es aber um Heimtiere ging, waren es vor allem die Mitteparteien bis hin zu einzelnen Exponenten der SVP, die sich etwa dafür stark gemacht haben, dass Tiere rechtlich nicht mehr nur als eine Sache angesehen werden.› Experimentiert Novartis mit Mäusen, ist ihnen die Sympathie der Grünen sicher; sind sie in den Fängen meines kleinen Bruders, reagiert nicht einmal das ökologische Gleichgewicht.

Vergessene Fische

Vielleicht ist es eine Ausgeburt der direkten Demokratie, vielleicht auch die biologisch determinierte Regung eines Naturvolkes, wer weiss. Jedenfalls haben sich die Schweizer das schärfste Tierschutzgesetz auferlegt, zu dem sich Menschen je gezwungen haben. Die Tiere hatten hier schon Rechte, da durften die Frauen noch nicht mal flächendeckend wählen. Bei uns ist die Würde des Tieres unantastbar. Und ja, wer seinen Hund im Sommer im Auto verenden lässt, der ‹chund is Chäfig› (zumindest theoretisch). Handkehrum verbieten wir allerdings auch mal, was uns im Tierreich nicht sympathisch ist – oder an Leute erinnert, die uns eh noch nie sympathisch waren. 2008 stimmten die Zürcher für ein Kampfhundverbot. Was ein ‹Kampfhund› sein soll, wusste zwar niemand, schliesslich kann man jeden (naja: fast jeden) Hund zum Kampfhund erziehen. Am Ende waren auf der Liste: Der Bullterrier, der aussieht wie eine Riesenratte, und noch drei weitere Terrier-Sorten, die wie Türsteher aussehen. Und mit einem muss man dem Stimmvolk gar nicht kommen: Fische! ‹Wir haben Jahrzehnte gebraucht, die Fischhaltung und den Fischfang zu reglementieren›, sagt Hansuli Huber vom Schweizer Tierschutz. Und so war es auch ausgerechnet ein Fisch, der dazu beigetragen hat, dass Goetschel sein Mandat als Zürcher Tieranwalt verloren hat. Als Goetschel ein Pony vertrat, das im Kreis herum getrieben 33

wurde, bis es zu Tode kam, seien alle auf seiner Seite gewesen. Als er den Hecht vertrat, den ein Fischer hat zappeln lassen, bis er starb, fragten sich die Kommentarschreiber von Tagesanzeiger.ch: ‹Haben wir eigentlich noch andere Probleme in diesem Land? Diese ganze Diskussion wird langsam aber sicher völlig absurd!› Kurz darauf wurde die Tierschutzanwalt-Initiative abgelehnt und Goetschel seines Amts enthoben. Was kann man also tun, wenn man sich für schwer zugängliche Autisten wie den Fisch einsetzen will? Ihm Kunststücke beibringen oder die Flosse frisieren? Ihn verkleiden oder für Botengänge nützlich machen? Letzteres brachte zumindest der Taube, der ‹Ratte der Lüfte›, einige Sympathien ein. Aber wie sagten schon die Amerikaner: ‹You can put lipstick on a pig, but it is still a pig!› Nein, man muss das Schwein Schwein und den Fisch Fisch sein lassen. Das zeigt uns zumindest das Beispiel der Fledermaus, die dem Menschen doch noch sympathisch geworden ist. In den letzten 20 Jahren wurde vor allem an Schulen intensiv für sie geworben. Und zwar nicht etwa mit Comicfiguren, sondern mit grossformatigen Nahaufnahmen. Und mit Erfolg versichert Hans-Peter Stutz, Geschäftsführer der ‹Stiftung zum Schutze unserer Fledermäuse›: ‹Es sind heute die Eltern, die denken: «Wäh, eine Fledermaus!» Und dann erklären ihnen die Kinder, wie es wirklich ist. Und die finden die Fledermaus cool, megacool.› Warum der Wandel gelang? ‹Bei Fledermäusen haben alle extreme Vorurteile›, sagt Stutz. ‹Aber dann schaut man genauer hin und es macht Klick. Man sieht zum Beispiel, dass die Fledermaus einen weichen Pelz hat. Sie ist nicht ledrig, wie man meint.› Das sei aber wahrscheinlich nur mit wenigen Tiergruppen so zu lösen, ergänzt Stutz. Bei einem Marder werde es schwer. Ob wenigstens der Fisch für diese Strategie sympathisch genug ist? Zumindest die Zürcher ‹Auffangstation für Aquariumfische› findet bereits Nachahmer.


wortlaut das 10 minuten interview

Sheri Moon Zombie: ‹Der Biogarten ist meine Leidenschaft!› Interview kinki magazin: Du arbeitest als Schauspielerin, Model und Tänzerin. Ausserdem entwirfst du deine eigene Klamottenlinie Total Skull. Was ist eigentlich dein Beruf? Sheri Moon Zombie: Ich versuche mich nicht selbst zu limitieren oder zu kategorisieren. Am allermeisten liebe ich es, in meinem Garten herumzuspringen und Obst und Gemüse zu züchten. Ich habe mir vor einiger Zeit einen Biogarten angelegt – der ist wirklich meine grösste Leidenschaft. Eigentlich hätte ich mir denken können, dass du eine Leiche im Keller hast … Nicht ganz. Ich verheimliche dieses Hobby ja nicht, eigentlich twittere ich den ganzen Tag, wie viel Spass ich mit meinem Garten habe. Gestern zum Beispiel habe ich darüber berichtet, wie ich neue Erbsen gesät habe. Ich bin schon sehr aufgeregt bei dem Gedanken an die nächste Ernte.

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orsicht Raubkatze, Streicheln auf eigenes Risiko! Das scheint der amerikanischen Schauspielerin ins Gesicht geschrieben zu stehen. Nicht nur auf der Leinwand verfügt Sheri Moon Zombie über eine leicht überdrehte Art und dieses hinterlistige sexy Kichern, welches man von ihrer Rolle als verdorbenes Nesthäkchen der blutrünstigen Firefly-Serienkillerfamilie aus Horrorthrillern wie ‹Haus der 1 000 Leichen› und ‹The Devil’s Rejects› kennt. Schon in den ersten Gesprächssekunden wird klar: Das blonde kalifornische Biest mit den kinki wortlaut

Bist du denn ein klassischer Horrorfan? Nein, überhaupt nicht. Bis ich Rob damals traf, habe ich mich kein Stück für dieses Horrorzeug interessiert. Wobei ich zum Beispiel bei ‹Werewolf Women Of The SS› nicht zwingend von einem echten Horrorfilm sprechen würde. Und nicht zuletzt habe ich mit meinen Gastrollen in ‹CSI: Miami› und ‹Californication› auch in relativ ‹normalen› Serien mitgewirkt.

üppigen Massen spielt nicht nur mit ihrer Ausstrahlung, sondern ist in Realität möglicherweise noch viel gefährlicher, als man vermuten würde. Hinter dem unschuldigen Engelslächeln, den strahlend weissen Zähnen und der auffällig unauffälligen Fassade ihrer Antworten lauert ein wildes Tier mit Cowboyhut, ständig zum Sprung bereit. Demnächst begleitet sie ihren Mann, den Schockrocker und Filmemacher Rob Zombie, wieder auf Europatour. Wir trafen Sheri Moon zu einem Gespräch unter vier Augen. Erschreckend aufregend. Aufregend erschreckend.

Haben deine Eltern Angst vor Rob? Nein, überhaupt nicht. Gerade meine Mutter ist ganz vernarrt in meinen Mann! Als ‹The Devil’s Rejects› herauskam, haben wir uns ein Kino für eine private Familienvorstellung gemietet. Sie hat den Film wirklich gemocht, glaube ich. Ansonsten schaut sie sich seine Filme zu Hause auf DVD an. 34

Dein Mann bereitet momentan die Dreharbeiten zu seinem nächsten Horrorfilm ‹The Lords Of Salem› vor. Welche Rolle wirst du übernehmen? Ganz ehrlich: Keine Ahnung! Ich denke schon, dass er mich für eine Rolle vorgesehen hat, allerdings durfte ich bisher noch nicht das Drehbuch lesen! Ich bereite mich gern monatelang auf meine Rollen vor, recherchiere, probiere verschiedene Darstellungsweisen aus. Doch zumindest bin ich nicht die einzige, die noch nichts von ihrem Glück weiss. Er hat bisher noch überhaupt keine Namen bekannt gegeben. Man sieht: Nur weil ich mit dem Regisseur schlafe, bekomme ich noch lange keine Sonderbehandlung! Einerseits wirst du als Sexsymbol und moderne ‹Scream Queen› angesehen ... Richtig. Einerseits ist es schmeichelhaft, wenn die Leute das in mir sehen. Ich weiss nicht so recht. Es ist schön, so einen Titel verliehen zu bekommen. Und irgendwie wohl auch unvermeidlich. ... andererseits bist du Hausfrau. Hausfrau gezwungenermassen, nicht aus Leidenschaft. Wir haben ein Haus, das von Zeit zu Zeit geputzt werden muss. Wir tragen Klamotten, die dann und wann eine Wäsche brauchen. Ich koche, putze und ich mache unsere Wäsche. Aber ich weigere mich zu bügeln! Text und Interview: Thomas Clausen Foto: Promo


www.h端ftgold-berlin.de


Feed me, I’m famous!

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Die meisten Tiere kommen mit dem Menschen wohl erst in Kontakt, wenn sie gegart oder gebraten auf seinem Teller landen, oder von einem Stiefel zerdrückt werden. Einigen Vertretern der Tierwelt bringt der Mensch allerdings nicht einfach Hunger und Wut, sondern auch Liebe und Bewunderung entgegen. Und manche davon erlangen sogar regelrechten Starstatus. Die kinki Redaktion präsentiert euch deshalb hier ihre 10 persönlichen Lieblingsvierbeiner, Kopffüssler und Meeressäuger aus Funk, Fernsehen und Facebook. Illustration: Benedikt Rugar

Laika

Fury

Serienhengst Fury wurde am 4. März 1943 geboren. Besitzer und Trainer Ralph McCutcheon kaufte den amerikanischen Rapphengst im Alter von 18 Monaten und gab ihm – in Anerkennung seiner Statur und aussergewöhnlichen Schönheit – den Kosenamen Beaut. Entdeckt wurde der Hengst 1946 dann auch am Casting für den Film ‹Black Beauty›. Beaut setzte sich gegen zahlreiche andere Hollywood-Pferde durch und konnte sich trotz des filmischen Misserfolgs den Ruf eines verlässlichen Filmpferdes sichern. Der trainierte Hengst konnte sich totstellen, ein lahmes Bein simulieren, einen Knoten öffnen und auf Kommando lachen oder wiehern. Der Durchbruch kam mit der zwischen 1955 und 1960 produzierten TV-Serie ‹Fury›. Den Ruhm musste sich Beaut allerdings mit vier weiteren Pferden teilen. Jedes besetzte ein Spezialgebiet, wobei der Hengst für die Stunts und Tricks zuständig war und dadurch an Prominenz gewann. Im Gegensatz zu Bobby Diamond, der menschlichen Hauptrollenbesetzung, hielt Beauts Erfolg auch nach der Absetzung von ‹Fury› an. Noch im Pensionsalter bestritt der Hengst Gastauftritte in Serien wie Lassie oder Bonanza. Fury starb 1972 im Alter von 28 Jahren. (mm) 37

Wie genau die süsse Streunerin Laika die drei Jahre ihres Lebens auf den Moskauer Strassen verbracht hatte, bevor sie von der Weltraumbehörde in deren Testzentrum gelockt wurde, ist ungewiss. Man darf jedoch vermuten, dass ihr Leben einiges sorgloser gewesen ist, bevor sie zum ersten sowjetischen Astronauten erkoren wurde. Denn auch wenn die gutherzige Promenadenmischung von den Mitarbeitern mit liebevollen Kosenamen wie ‹Zitrönchen› oder ‹Käferchen› umschmeichelt wurde, war die Vorbereitung auf ihre Aufgabe als erstes Lebewesen im All alles andere als ein Zuckerschlecken. Laika hauste in einem engen Käfig, verbrachte ihre Tage in der Zentrifuge oder im Labor. Mit ihrer verhältnismässig gelassenen Art vermochte sie sich schliesslich gegen ihre beiden Konkurrenten durchzusetzen. Auch wenn Laikas Rückkehr von ihrer Reise in den Orbit 1957 gar nie ‹geplant› war, reagierte man in- und ausserhalb der UDSSR dennoch geschockt auf das Ableben der Hündin. Man widmete ihr nebst einer eigenen Gedenkbriefmarke deshalb auch ein Monument in Moskau. Ihre Streunerkollegen von früher heben dort nun ehrfürchtig das Hinterbein und gedenken so täglich den verschmorten Überresten der kleinen Astronautin. Ihre Leiche verbrachte noch fünf Monate an Bord der Sputnik 2 im All, bevor sie nach über 2 500 Erdumrundungen schliesslich ihrer wohlverdienten Seebestattung in der Karibik entgegendonnerte. Nur ein Jahr später übrigens setzten die Amerikaner schon zum ‹Gegenangriff› an und entsandten gleich zwei Affendamen ins All. Able und Miss Baker kehrten lebend zurück und stahlen so schon bald der kleinen Moskauer Hündin die Schau. (rb)


Dolly

Paul

Paul die Krake galt als heissester Tipp während der Fussballweltmeisterschaft 2010, denn seine Tipps waren genauso heiss wie das Wasser, in dem seine Artgenossen in Sterneküchen rund um die Welt kochen! Das achtarmige Tierorakel war im nordrhein-westfälischen Oberhausen im Sea Life Aquarium zu Hause, wo man ihm vor den Spielen je zwei mit Muscheln gefüllte Kästchen mit der jeweiligen Flagge der Gegner vorsetzte. Paul hat während seiner Karriere als Tippkönig nur zweimal auf den falschen Futterkasten gesetzt! Als er den finalen Sieg Spaniens gegen die Niederlande prophezeite, wurde er umgehend zum Ehrenbürger des Weltmeisters erklärt und hat bis heute 61 926 Facebook-Fans. Ende Oktober 2010 starb Paul eines natürlichen Todes, entgegen der – von einigen nicht-spanischen Fussballfans herbeigesehnten – Erwartung, er würde seinen letzten Frieden in einer PaellaPfanne finden. Das Sea Life Aquarium hat sich aber längst einen Nachfolger für den Oktopus angeschafft. Paul der Zweite soll es bei der nächsten EM richten. (kf) kinki report

Dass nicht allzu viele wissenschaftliche ‹Versuchskaninchen› den Sprung in die Medien geschafft haben, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass es sich dabei nur selten um süsse Fellknäuel, sondern eher um glattrasierte Albinomäuse handelt. Der erste ‹Frankenstein›, den die moderne Gentechnik hervorbrachte war allerdings verwunderlich süss anzuschauen und landete auf Tausenden von Titelblättern rund um die Welt. Mit Dolly hatten der Genforscher Ian Wilmut und seine Helfer vom Roslin Institute in Edinburgh 1996 das erste geklonte Lebewesen hervorgebracht und damit ein halbes Jahr später rund um den Globus für Furore gesorgt und hitzige moralische Diskussionen ausgelöst. Als es den Forschern in der Folge schliesslich auch gelang, noch süssere Säuger wie Katzen, Hunde und Pferde zu klonen, wurde es allerdings ruhig um Dolly. Diese besann sich auf ihre ‹naturgegebenen› mütterlichen Qualitäten und schenkte drei Lämmern auf natürlichem Wege das Leben. Als Dolly im Alter von sechs Jahren allerdings einer unheilbaren Lungenkrankheit erlag, geriet ihr Dasein abermals ins Kreuzfeuer der Medien. Ihren letzten Frieden fand sie schliesslich ausgestopft im Edinburgh Royal Museum, wo sie mit bekannt ausdruckslosem Gesicht an die Errungenschaften der modernen Technik erinnert. Und ein bisschen vielleicht auch an jene Person, die nicht nur für Miley Cyrus, sondern auch für Dollys Namen Pate gestanden hatte: Dolly Parton. Lang lebe die Retorte … (rb) 38


Weil die weiblichen Tiere der Rasse Collie Rough in den Sommermonaten ihr Fell wech­seln und ihre Haarpracht darum nicht gerade dem perfekt vitalen Bild der tierischen Filmheldin entsprachen, wurden fast nur männliche ‹Lassies› vor die Kamera gestellt.

Keiko und Moby

Lassie

Eine Drag-Queen mit kalter Schnauze? Ja, die wohl berühmteste Hundedame Lassie war eigentlich ein Mann – besser gesagt ein Rüde. Weil die weiblichen Tiere der Rasse Collie Rough in den Sommermonaten ihr Fell wechseln und ihre Haarpracht darum nicht gerade dem perfekt vitalen Bild der tierischen Filmheldin entsprachen, wurden fast nur männliche ‹Lassies› vor die Kamera gestellt. Deren ‹Schnäbelis› wurden dezent mit Kunstfell toupiert. Doch all das kann dem Sauber(mann)-Image der Collie-Dame natürlich nichts anhaben: Sie ist mutig, kämpft für Gerechtigkeit und ist ihrem Herrchen gegenüber so verdammt loyal, dass selbst Idefix, Struppi und Kommissar Rex nicht mithalten können. Eine tierisch moralische Ikone! Ein Prachtsköter, diese(r) Lassie! (ah)

Wenn man ‹Free Willy› hört, spielt sich sogleich diese rührende Szene vor dem inneren Auge ab: Der in einem Vergnügungspark gefangene Orca Willy springt mit einem riesigen Satz in die Freiheit. Ein Film, der in den 90ern einige zu Tränen rührte und andere zur Weissglut brachte. Keiko, so der richtige Name des Orcas, verschaffte den Filmproduzenten ein Heidengeld und sorgte zugleich für grossen Ärger. Tierschutzaktivisten setzten sich vehement für die Befreiung des Wales ein – mit Erfolg. Der 1979 eingefangene Orca wurde dank der Free Willy Keiko Foundation 2002 wieder in die Wildnis entlassen, wo er jedoch nach eineinhalb Jahren an einer Lungenentzündung starb. Keiko bleibt in Erinnerung als der wohl berühmteste Wal, der je gelebt hat. Mal abgesehen von Moby Dick, dem Wal aus dem renommierten Roman von Hermann Melville, den es selbstverständlich nie gegeben hat. Oder doch? Im Jahre 1966 erregte ein Weiss- oder Belugawal nämlich die Aufmerksamkeit der Medien. In Duisburg meldeten einige Schifffahrtsleute einen durch den Rhein schwimmenden Giganten, worauf sie natürlich erst einmal einem Alkoholtest unterzogen wurden. Doch die Vermutung bestätigte sich: Es durchkreuzte tatsächlich ein etwa vier Meter langer Belugawal, der eigentlich in den Nordatlantik gehörte, den Rhein bis nach Bonn, wo er eine Pressekonferenz im Bundestag sprengte. Alle stürmten heraus, um Moby Dick, wie sie ihn nannten, zu sehen. Drei Tage danach sah man ihn das letzte Mal in Holland. Kurz vor dem ‹Sprung› ins offene Meer. (kf) 39


Chuang Chuang

Es ist die Geschichte einer Liebe. Zwischen Chuang Chuang und Lin Hui. Beide Pandabären sind noch blutjung, als sie 2003 in den thailändischen Chiang Mai Zoo kommen. Als Botschafter der bilateralen Freundschaft hat sie China nach Thailand gesandt. Das ist ihre Aufgabe. Doch bald wird mehr daraus als nur eine gemeinsame Mission. Es funkt zwischen den beiden. Jahre gemeinsamen Glücks verstreichen. Bis zur Krise im Jahr 2007, auf die sich die Medien sofort schmeissen. Lin Hui und Chuang Chuang sind in dem Alter, in dem es Zeit wäre, eine Familie zu gründen. Doch es kommt nur zu wenigen zaghaften Annäherungsversuchen. Nach einer von den Tierwärtern durchgeführten Vermählung der beiden Pandabären stürzt Chuang Chuang noch tiefer in die Krise. Er nimmt so stark zu, dass der Liebesakt die zarte Lin Hui jetzt sogar zerquetschen könnte. Die besorgten Veterinäre greifen ein. Chuang Chuang wird auf Diät gesetzt und drei Monate von seiner Partnerin getrennt. Und er schaut sich Pornos an. Pandapornos. Vor das Gehege wird ein Fernseher geschoben, auf dessen Mattscheibe er zwei Artgenossen sieht, die vormachen wie’s geht. Leider kann der Panda nach dem Wiedersehen das Gesehene nicht in die Tat umsetzen. Also hilft nur noch eins: eine künstliche Befruchtung. Am 27. Mai 2009 kommt so schliesslich Lin Ping zur Welt. Die mittlerweile einjährige Tochter lebt mit ihrer Familie wohlauf im Chiang Mai Zoo und wird täglich ca. 236-mal fotografiert. (pr) kinki report

Mariechen

Seit zehn Jahren pflanzt sich die Haifischdame Mariechen immer wieder fort, ohne dass sie je befruchtet wurde. Eigentlich eine Tragödie, wenn man sich das mal genauer überlegt. So was wünscht man selbst seinen schlimmsten Feindinnen nicht, diese ständige, unkontrollierbare Schwangerschaft. Obwohl: den Feindinnen ja schon gar nicht – sollen ja nicht noch mehr werden. Trotzdem erheiterte das Mariechen die Gemüter: Im Karlsruher Vivarium sei jetzt womöglich ein Heiland geboren, spielte man in Internetforen auf Mariechens unbefleckte Empfängnis an. Auch zahlreiche Besucher kamen, um das Wunder zu betrachten. Das Phänomen ist unter Haien extrem selten. Nach der 21. Geburt beginnt sich die Geschichte allerdings zu wiederholen. Und ausser einem Jungen, das sich ebenfalls selbst fortpflanzt, zeigte noch keines der Kinder Qualitäten eines Messias, geschweige denn die prophetische Gabe einer Krake Paul. (tf) 40


Knut Heidi und Clarence

Eine Karriere als Tierorakel hat Heidi das Opossum hingelegt. Das schielende Fellknäuel ist im Leipziger Zoo zu Hause und hätte wegen seines Sehfehlers in freier Wildbahn nicht überleben können. Der markante Schönheitsfehler verhalf Heidi zum Titel des wohl berühmtestes Opossums der Welt, das mit 326 418 Facebook-Fans sogar Paul die Krake übertrumpft. Auch in Sachen Tipprichtigkeit ist Heidi dem Tintenfisch keinesfalls unterlegen. Der Schauspielerin Natalie Portman hat Heidi treffsicher den diesjährigen Oscar vorhergesagt. Es ist übrigens nicht so, dass Heidi das erste Tier wäre, bei dem das Schielen zum Triumph führte. Clarence, der schielende Löwe, war einst der TV-Star der 60er-Kultserie ‹Daktari›. Clarence spielte den Hauslöwen der in Afrika stationierten Tierärztin Dr. Marsh Tracy, die sich mit Hingabe für das Wohl der Tiere einsetzte. Zwar musste sich Clarence den Ruhm mit dem mindestens genauso niedlichen Schimpansen Judi teilen, doch dank des Schielens hatte der Löwe ein optisch unverkennbares Markenzeichen, das die Herzen aller Fans der Serie höher schlagen liess. (kf)

‹Knuddel-Knut› schrieb eines der erfolgreichsten und zugleich auch tragischsten Kapitel in der neueren Geschichte der Tierstars. Geboren Ende 2006, wurde das seit dreissig Jahren erste Eisbärenbaby im Zoo Berlin von seiner Mutter Tosca nur ungenügend versorgt. Um ihm das Schicksal seines bereits verstorbenen Bruders zu ersparen, trennte ihn das Team um Pfleger Thomas Dörflein von seiner Mutter und zog das Eisbärenbaby mit der Flasche auf. Die enge und liebevolle Beziehung zwischen dem Eisbärenjungen und seiner Bezugsperson Dörflein wurde von den Medien mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt. Der Zoo schrieb mit dem nicht enden wollenden Besucherstrom Rekordeinnahmen, selbst als der Eisbär dem ‹Jöö-Effekt› längst entwachsen war und immer öfters das Raubtier in sich durchblicken liess. Der Publikumsmagnet Knut starb am 19. März 2011 im Alter von vier Jahren. Augenzeugen berichteten, Knut habe sich mehrfach im Kreis gedreht und sei dann in das Wasserbecken gefallen, wo er schliesslich ertrank. Eine Autopsie ergab, dass Knut an einer Infektion gelitten hatte, die Teile seines Gehirns veränderte. Eisbären können in Gefangenschaft bis zu dreissig Jahre alt werden. (mm) 41


querschläger alles, ausser angepasst

Monica Spoerlé ist der gute Geist des Tierlignadenhofs im Kanton Aargau. Wir besuchten sie in ihrem kleinen Garten Eden und sprachen mit ihr über Streicheleinheiten, Asyl und das Paradies. Text: Rainer Brenner, Foto: Daniel Tischler

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er den Tierlignadenhof in Kaisten, im Kanton Aargau, zum ersten Mal betritt, traut seinen Augen nicht. Im Stall freut sich dort ein riesiger Stier namens Caesar über Streicheleinheiten, im Wohnzimmer tapst Rehdame Sara ums Bett herum und nachts rennen die Füchse durchs Haus. Über hundert Tiere leben in und um das alte Bauernhaus. Mittendrin sitzt Monica Spoerlé beim Mittagessen mit einigen Besuchern und freiwilligen Helfern. Hier darf man fast alles streicheln: den Eber Joker, der sogar Platz macht, wenn’s was Feines gibt, und sich hinlegt, wenn man ihm den Bauch krault. Ebenso das Dutzend Hunde aller Grössen und Rassen, das uns anfangs mit seinem Gekläffe noch ein wenig erschreckt hatte. ‹So anständig man zu den Tieren ist, so anständig sind sie auch zu dir. Das einzige, was hier gefährlich werden kann, bin ich›, lacht die 63-Jährige und umfasst mit geschlossenen Augen den Kopf ihres Lieblings Caesar. Sie habe auch so einen ‹stiere Grind› meint Moni und zündet sich eine Zigarette an, bevor sie aus ihrem Leben zu erzählen beginnt. Sie selbst sei damals vor 16 Jahren – wie viele der Tiere hier – als ‹Notfall› gekommen. Die Vorgänger hatten auf dem Hof bereits ein Obdach für verstossene und vergessene Tiere eingerichtet und diese gehegt und gepflegt. Sie besassen bereits ein Pferd, einen Esel, Hunde, Geissen und 54 Katzen. Genau das richtige, dachte sich Moni, die schon als Kind kleine Kätzchen vor dem Bauern gerettet und im Schrank versteckt hatte. Die Tiere seien stets an ihrer Seite geblieben. Nicht so aber die Männer. Moni war beliebt bei den Männern, was uns mehr als verständlich wird, als wir im Haus ein Jugendfoto von ihr finden. Ein ‹Zigeunerleben› habe sie geführt, viel zu früh sei sie von zu Hause abgehauen, kinki querschläger

rophen sind vielleicht die einzige Möglichkeit, die Menschen zum Wandel zu bewegen.

viel zu früh wurde sie Mutter zweier Kinder statt Modezeichnerin, wie eigentlich geplant. Immer wieder passiert hier irgendetwas, dann ist der Aufruhr gross. Wenn zum Beispiel das 350 Kilo schwere Schwein namens Paulinchen das Türschloss aufbricht, weil es uns in der Küche Gesellschaft leisten will. Oder wenn die Füchse aus ihrem Bau in den oberen Stock des Hauses klettern. Doch nach wenigen Minuten kehrt die Normalität jeweils wieder ein und alle stehen mit einem zufriedenen Kopfschütteln neben dem Herd, grinsen einander zu. Ihr gefalle dieser Alltag, die Freude der Tiere und der Menschen, die hier vorbeikommen. Ältere Menschen, Behinderte, viele Kinder. Denn Moni hat nichts gegen Menschen, auch wenn es manchmal den Anschein macht. ‹Hierher kommen eben nur liebe Menschen›, sagt sie. ‹Oder zumindest kommen die bösen jeweils nicht wieder zurück.›

Interview kinki magazin: Gibt es in diesem Haus eigentlich einen Ort, wo die Tiere nicht hin dürfen? Monica Spoerlé: Nur das Gästezimmer. Und dort sind trotzdem immer wieder ‹Notfälle› drin: Kätzchen, die Junge kriegen und so.

Eine Art Sintflut? Dann hättest du ja bereits deine Arche Noah hier, oder? Ich finde nicht, dass das hier eine Arche Noah ist, auch wenn der Ort ursprünglich Arche hiess. Aber wir hatten nicht von jeder Tierart zwei Stück, sondern einfach einen bunt gemischten Haufen.

Manchmal hat man ja als Mensch fast so ein bisschen das Gefühl, man störe in der Natur eigentlich nur. Man sollte möglichst weit entfernt von den Tieren sein, wie es scheint. Das können wir ja gar nicht. Wir reden von Wildtieren, kennen aber die Zahl des Wildbestandes ganz genau. Wo ist denn da die Wildheit? Der Mensch hat sich schon sehr von der Natur distanziert.

Aber die Zustände sind schon recht paradiesisch: Das Reh liegt schlafend neben dem Fuchs, Hund und Katze kuscheln, alle Tiere sind den Menschen wohlgesinnt … Ja, das höre ich von vielen Leuten. Alle scheinen irgendwie eine Art paradiesisches Gefühl mitzunehmen von diesem Ort.

Gibt es denn auch Tiere, die dir unsympathisch sind? Eigentlich nicht. Ausser vielleicht die Fliege. Eigentlich mag ich auch diese Tiere und ich entschuldige mich jedes Mal, wenn ich eine Fliege töte. Aber wenn die hier in der Küche rumkleben und mir ans Essen wollen, habe ich Krieg mit denen!

Du scheinst dich gut mit dem Thema Asyl auszukennen. Die Tiere integrieren sich extrem schnell, wie es scheint. Was ist das Geheimnis? Die Tiere, die hierher kommen, spüren, dass sie hier sein dürfen, wie sie sind. Egal was vorher war. So verändert sich manch ein Tier auf ganz verwunderliche Art. Das wäre bei vielen Menschen auch nicht anders, wenn man sie ihre Persönlichkeit ausleben liesse, anstatt ihnen immer wieder vorzuhalten, was sie zu sein haben.

Du wirst von so vielen Menschen und Tieren geliebt, Moni. Das muss ein unglaubliches Gefühl sein, nicht? Ja, aber nicht unbedingt ein euphorisches. Für mich stimmt das einfach so. Das ist eine Art Oase hier für mich.

Viele der Tiere sind sicher extrem traumatisiert. Führt das nicht zu Problemen innerhalb der Gruppe? Ich glaube, Tiere sind nicht nachtragend. Wenn ein Tier merkt, dass es sich in einer sicheren Umgebung befindet, reagiert es nicht nachtragend.

Du bist auf die Menschheit an sich ja nicht wirklich gut zu sprechen, oder Moni? Es geht halt immer nur um uns. Und es wird immer schlimmer. Schau dir nur die Naturkatastrophen an, schau dir an, wer Berge aushöhlt, Wälder rodet … Wir müssen uns nicht wundern, dass wir so gefühllos geworden sind, dass wir nicht mal mehr im Vornherein spüren, wenn etwas passiert in der Natur. Ich glaube, diese Naturkatast-

Diese Eigenschaft haben sie uns wohl voraus. Wie so vieles andere auch. 42

Lässt du dich denn auch so leicht streicheln wie dein Stier? Nein. Nicht mehr. Das ist vorbei (lacht). Seelische Streicheleinheiten brauche ich aber schon manchmal. Monica Spoerlé, 63, ist Mutter zweier erwachsener Töchter und lebt – zumindest nachts – alleine mit ihren Tieren auf dem Gnadenhof. Sie glaubt an die Wiedergeburt im buddhistischen Sinne, selbst zurückkehren möchte sie aber eigentlich nicht. Auch nicht als Tier. Lieber möchte Monica als Geist die Menschen ‹ein bisschen stupfen›. Vielleicht als Fliege?


‹Die Tiere dürfen hier einfach so sein, wie sie sind.›

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Kuscheln f端r immer?

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Wir wachsen mit ihnen auf, machen sie zu unseren Spielgefährten und werden plötzlich zu alt für sie … Von Plüschtieren und ihren Besitzern. Text: Thomas Tobler, Illustration: Saiman Chow

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as Erwachsene mit ihren frühsten Kindheitsjahren verbindet, sind Erzählungen. Ausgeschmückt und wiederholt hervorgegraben. Über die ersten Schritte, die ersten Worte, die wiederkehrenden Tollpatschigkeiten. Belegt durch verwackelte Videoaufnahmen und Fotografien von Kindergeburtstagen. Die bewusste Erinnerung daran fehlt uns aber. Wir sind auf Zeitzeugen angewiesen. Menschlicher und vor allem plüschiger Natur. Teddybären, Stofflöwen und Plüschelefanten sind unsere treusten Weggefährten in den Windeljahren. Gefügig, geschmeidig und anspruchslos. Wir verpassen ihnen einen Namen und eine Persönlichkeit. Ihre Charaktereigenschaften entspringen unserer kindlichen Fantasiewelt. Eine zweites Ich im flauschigen Miniaturformat. Angepasst an unsere persön-

Die emotionale Bindung übersteht Pubertät, Partnerwechsel, Umzüge und Schleudergänge in Waschmaschinen. lichen Bedürfnisse und sozialen Veranlagungen. Wollen wir kuscheln, kuscheln sie mit. Spielen wir Fussball, kicken auch sie durchs Kinderzimmer. Wird eine Teeparty veranstaltet, sitzen sie aufrecht um den Tisch. ‹Übergangsobjekte› nennt der Psychoanalytiker und Kinderarzt Donald Winnicott Kuscheltiere deswegen. Er meint damit Gegenstände, die unsere kindliche Bindung zu Vater und Mutter abschwächen und eine Differenz zwischen ‹dem Ich und seiner Umwelt› schaffen. Je älter wir werden, desto deutlicher sind unsere plüschigen Lieblinge von der Zeit gezeichnet. Die Spielereien hinterlassen Spuren. Wir altern zwar gemeinsam, aber mit unterschiedlichen Ausprägungen. Während beim Menschen Gesichtsmasken und Feuchtigkeitscremes Wirkung zeigen, dienen bei Plüschtieren Faden und Nadel zur Bestandserhaltung. Mal fehlt dem Wuschel ein Ohr oder aus Dumbos einst weicher Bauchoberfläche wurde im Laufe der Jahre eine staubige Matte. Den Verwüstungen zum Trotz bleibt ihr Platz an unserer Seite auch im Laufe der Jahre oft unbestritten. Zwar ist es mit dem gemeinsamen Fussballspiel und Teetrinken vorbei. Die emotionale Bindung dauert jedoch an. Sie übersteht Pubertät, Partnerwechsel, Umzüge und Schleudergänge in Waschmaschinen. Das Erinnerungsstück aus der Kindheit wird zum Erinnerungsstück an die Kindheit.

‹Er tut mir jedes Mal leid, wenn er in den Kleiderschrank muss.› Die Beziehung von Erwachsenen zu ihren Plüschtieren ist von der Wissenschaft bislang noch kaum erforscht worden. Es wird angenommen, dass die Beständigkeit von Ritualen eine Rolle spielt. Das geborgene Gefühl aus der Kindheit lebt in der Existenz der Plüschtiere weiter. Bewusste Erinnerungen vermischen sich mit unbewussten Gefühlen. Wir wollen mit unserem inneren Kind in Kontakt bleiben. Dabei helfen die sanftmütigen Spielgefährten von früher. ‹Geborgenheit ist das eine, Sicherheit das andere›, sagt Melanie. Sie ist 26 Jahre alt und hegt eine innige Beziehung zu ihrem Plüschhund. Seit der Geburt. Das haben ihr die Eltern bestätigt. Sich sachlich über ihre Beziehung zu Hummel auszudrücken, findet Melanie aber komisch. ‹Ich rede über ihn ja wie über ein lebendiges Wesen.› Zwar versteckt sie Hummel ab und zu vor fremden Blicken, aber nur in absoluten Ausnahme45

fällen. ‹Er tut mir jedes Mal leid, wenn er in den Kleiderschrank muss.› Ansonsten hat er seinen festen Platz zwischen ihren Kissen. Er darf sogar mit auf Reisen. Neulich waren sie zusammen in Indien. Hummel ist für Melanie eine Rückfahrkarte in die Welt ihrer Kindheit. ‹Er gibt mir ein Stück von damals zurück. Ein Stück Geborgenheit, ein Stück Sicherheit von der Obhut des Elternhauses. Klingt das doof?› Ein leichtes Schamgefühl befällt sie. Sie spricht mit anderen Leuten selten über ihren Plüschhund. Zu persönlich. Dafür manchmal mit ihm. ‹Ich bekomme aber keine Antworten, die Kommunikation ist stets einseitig.›

‹Er ist einfach da.›

Wie viele erwachsene Personen mit einem Plüschtier aus ihren Kindertagen Kontakt pflegen, ist bislang noch von keiner Statistik erfasst worden. Wer eine kleine Umfrage im Freundeskreis macht, wird vermutlich feststellen, dass es viele sind. Männer und Frauen. ‹Ich schätze, dass 80 Prozent meiner Freunde ihr Plüschtier regelmässig zu Gesicht bekom-


men›, sagt Denise, 27. Ihre Daria ist ein, wie sie sagt, komplett zusammengeflickter Stoffhase. Dessen Zustand sei gelegentlich sogar der Gegenstand von Tischgesprächen bei Familien-

‹Der Hase ist für mich wie ein Fotoalbum.› zusammenkünften oder Grillabenden. ‹Ich finde es schön und überhaupt nicht skurril, dass dieser wichtige Teil meiner Kindheit weiter existiert und für mich auch physisch präsent ist.› Jede zusammengenähte Naht und jeder Flecken steht für eine Kindheitserinnerung: ‹Der Hase ist für mich wie ein Fotoalbum.› Mit Flickwerk statt Fotos. Daria ist vom Spielzeug zum Erinnerungsstück geworden. ‹Vor einigen Jahren blieb sie im Hotel in New York liegen. Ich habe ein Vermögen bezahlt, um sie per Flugpost nach Hause zu bekommen.› Solche Erinnerungen aus der aktuelleren Lebensgeschichte halten die Beziehung zum Plüschtier aufrecht. ‹Die Bindung zu meinem Teddybär ist für mich heute ähnlich stark wie in meiner Kindheit›, meint Romano, 22. Die gemeinsamen Spielnachmittage mit Bäro sind längst vergangen und bloss noch in seinem Gedächtnis präsent. Romano hat darüber nachgedacht, Bäro in den Ruhestand zu schicken. Irgendwo in eine Kartonschachtel zu verpacken. ‹Aber es fühlte sich falsch an, einen Teil meiner Vergangenheit, der mit zahlreichen Erinnerungen aufgeladen ist, einfach wegzuwerfen.› Jetzt kinki report

hat Bäro einen festen Platz im Gästebett, zumindest solange keine Gäste da sind. ‹Ich spreche nicht mit ihm, trage ihn nicht herum, er ist einfach da.› Das reicht zur Gemütsberuhigung. Wenn Bedarf danach besteht. Die ungebrochen starke emotionale Nähe zum eigenen Plüschtier entspringt bei Melanie und Denise wie auch bei Romano der Kindheit. ‹Diese Verbundenheit lässt einen nicht mehr los, auch wenn man altert, sie bleibt bestehen. Zumindest bei mir›, sagt Romano. Er gesteht, ernsthaft über Bäro zu sprechen, fühle sich etwas albern an. Unwirklich. Unbekannt. Aber nicht peinlich.

‹Irgendwie süss›

Die leichte Verlegenheit bei diesem Gesprächsthema erklärt sich Romano hauptsächlich durch den kindlichen Faktor der Plüschtiere. Viele sehen darin nicht mehr als Kinderspielsachen. ‹Meine Freundin fand’s zu Beginn komisch, ein erwachsener Mann und sein Teddybär …›, erzählt Romano. Mittlerweile fände sie’s aber ‹irgendwie süss›. Dass man eine Beziehung zu einem Plüschtier haben kann, dürfte niemandem allzu schwer fallen zu verstehen. Schliesslich besassen wir alle einen Bäro. Ein Übergangsobjekt. Unsere Erinnerungen an das erste Zusammentreffen mögen verblasst sein oder eben fortbestehen, aber meistens überdauern Plüschtiere sogar die Erzählungen, in denen sie vorkommen. Das ist wohl die zentralste Eigenschaft von Erinnerungsstücken: dass wir uns ein Leben lang daran festhalten können. 46


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Gegen den Strom

Linkes Bild: hannahmermaid.com, atlantis.com, rechtes Bild: hannahfraser.com, Foto: Stuart Cove

Hannah Fraser meint es ernst mit ihrem Kindheitstraum: Ihren Lebensunterhalt verdient die Australierin mittlerweile als professionelle Meerjungfrau.

kinki report

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Hannah Fraser ist eine Meerjungfrau. Ihre imposante Schwanzflosse wiegt ganze zehn Kilogramm und sie verbringt nachweislich mehr Zeit unter als über Wasser. Geboren wurde Hannah jedoch wie wir alle als Mensch. Text: Agi Habryka, Fotos: Promo

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erade mal neun Jahre alt ist Hannah, als sie ihre erste Schwanzflosse bastelt. Die Australierin steckt stundenlang ihre Nase in Märchen- und Geschichtsbücher, um alles, was darin über Meerjungfrauen zu finden ist, regelrecht aufzusaugen. Ihr Ziel ist es, irgendwo einen Beweis für die Existenz dieser Fabelwesen zu finden. Der Film ‹Splash – Jungfrau am Haken› gibt schliesslich den finalen Anstoss für Hannahs Leidenschaft. So wie es das moderne Märchen um die inkarnierte Meerjungfrau vormacht, soll

‹Ich bin mehr als nur eine Kunstfigur. Ich habe eine Meerjungfrau Fleisch werden lassen.› auch Hannahs Traum wahr werden. Sie lernt tauchen und schwimmen, ist besessen vom Gedanken, eine Meerjungfrau zu sein. Eine zweite Schwanzflosse wird gebaut, die noch grösser, imposanter und beweglicher ist. Sie testet verschiedene Materialien, ihre Konsistenz, ihre Passfähigkeiten. Das finale Modell wiegt schliesslich zehn Kilogramm, besteht aus einem Neopren-Überzug und einem handgenähten Muscheldekor. Was als Übung im elterlichen Pool im Hause Fraser beginnt, wird mit Flosse und stetig wachsender Leidenschaft zu einer Obsession. Heute besitzt Hannah mehrere handgefertigte Exemplare. Das ist wichtig, denn nach jedem Tauchgang muss sie aufwendige Reparaturen vollziehen. Vor ein paar Jahren beschloss Hannah, ihre Passion zum Beruf zu machen. Man kann sie als Meerjungfrau buchen, in Werbefilmen, auf Plakaten und bei Events bewundern.

diese Tätigkeit erlaubte es ihr, alle kreativen Elemente ihres Wesens zu vereinigen. ‹Ich habe eine einzigartige Berufsnische gesucht. Und schliesslich habe ich sie ge-, wenn nicht sogar erfunden›, erklärt Hannah. ‹Ich bin mehr als nur eine Kunstfigur. Ich habe eine Meerjungfrau Fleisch werden lassen.›

Kindheit mit Karma

Hannah Fraser taucht länger als manch ein Profitaucher, sie schwimmt besser als manch ein Fisch und sie sucht die Begegnung mit Tieren, die die meisten von uns nur aus Filmen kennen. Zum Beispiel mit Buckelwalen. Diese erreichen im ausgewachsenen Zustand eine Körperlänge von 12 bis 15 Meter. Vor der Küste von Tonga ist die zierliche Hannah mit ihnen geschwommen. ‹Angst hatte ich nicht, aber Respekt›, sagt sie und erzählt, dass die Walgesänge körperliche Schmerzen verursachen können, wenn man sie aus der Nähe erlebt. ‹Der Gesang ist so laut, als drehe man eine gigantische Musikbox unfassbar weit auf, bis der gesamte Körper vibriert.› Hannah ist die Tochter eines britischen Rockmusikers und einer Künstlerin. Ihre Mutter besitzt ein ausgeprägtes Verständnis für Schönheit, Natur und Spiritualität. Der Vater lehrte sie, niemals ihre Träume aus den Augen zu verlieren. Als Kind verbringt sie zudem einige Zeit in einem indischen Ashram, wo sie viel meditiert. Die indische Welt mit ihren Mythen und Sagen beeindruckte Hannah stark. Noch heute praktiziert sie Yoga und verschiedene Atem- und Entspannungsübungen.

Freud gegen Fraser

Was bewegt eine Frau dazu, sich in eine Meerjungfrau zu verwandeln? Ist es die pränatale Sehnsucht, im Fruchtwasser zu schwimmen? Ist es eine Sexphobie, die die Verwandlung in ein geschlechtsloses Wesen verursacht? Oder ist es eine Identität aus einem früheren Leben, die auf Erfüllung pocht? Hannah sind solche Erklärungsversuche gleichgültig. Dass sie Meerjungfrau geworden ist, ist für sie ein ganz natürlicher Prozess, der wie von alleine gekommen ist. Lange vorher habe sie schon als Model, Schauspielerin und Fotografin gearbeitet. Der Schritt zur professionellen Meerjungfrau war da irgendwann nur noch die logische Konsequenz. Denn 49

Trash oder Traumwelt?

Hannah lebt ihren Traum. Sie schauspielert, modelt, malt, fotografiert und dreht neuerdings auch Filme. Als Meerjungfrau bereist sie die schönsten Orte dieser Welt. Mal taucht sie an einem Korallenriff, mal spielt sie mit Regenbogenfischen, Delfinen oder anderen ‹Freunden›, wie sie die Meeresbewohner gerne nennt. Manchmal führt sie ihre Reise an solch magische Orte wie Tavarua Island, eine kleine herzförmige Fidji-Insel, die sie als den schönsten Ort der Welt bezeichnet. Irgendwie logisch, denn Meerjungfrauen gehören schliesslich ins Paradies. Als blosser Mensch kann man da natürlich schnell neidisch werden. Aber vielleicht hilft es, sich zu sagen, dass Hannah Fraser bestimmt keine echte Meerjungfrau ist. Zumindest bislang noch nicht. Weitere Info findest du unter hannahfraser.com.


Troy Emery

Wild Things

Links: ‹Wild Thing› (2009) Polyester pompoms, polyurethane mannequin, glass eyes Foto: Michael Myers kinki kunst

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Rechts: ‹Wild Thing› (2010) Polyester pompoms, polyurethane mannequin, glass eyes Foto: Michael Myers


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kinki kunst

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Links oben: ‹Snake› (2009) Polyester pompoms, polyurethane mannequin, glass eyes Foto: Michael Myers

Links unten: ‹Wild Thing› (2010) Polyester pompoms, polyurethane mannequin, glass eyes Foto: Michael Myers

Rechts: ‹Wild Thing› (2011) Tassels, polyurethane mannequin Foto: Troy Emery

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Links oben: ‹Wild Thing I – The Aesthetics of Natural History› (2009) Polyester pompoms, polyurethane mannequin, glass eyes, plastic teeth, painted timber stand Foto: Michael Myers kinki kunst

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Links unten: ‹Dangerous Company› (2011) Polyester pompoms, polyurethane mannequin, glass eyes, plastic teeth Foto: Troy Emery

Rechts: ‹Tree of Life› (2009) Polyester pompoms, High density foam mannequin, glass eyes, plastic teeth, painted timber stand Foto: Michael Myers


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vorspiel diesen monat auf kinki tunes

Ford & Lopatin: Channel Pressure 01 ‹Scumsoft›

Joel: ‹Scrumsoft› ist eine YouTube-Collage, die wir im Hammer Studio aufgenommen haben. Während der ‹Hammer›-Sessions gab es eine Menge wilder Momente. Dan jammte auf YouTube an seinem Laptop, als wäre es ein MPC, und Al spielte das Tape Echo. Magische Momente waren das. Wir hatten noch soviel übrig von den Sessions, dass wir Teile davon auch in ‹New Planet› genutzt haben.

02 ‹Channel Pressure›

Joel: Ich spiele immer ‹Luft-Schlagzeug›, wenn ich diesen Track höre. Ich wünschte, wir wären eine echte Jazz Fusion Band. Eines Tages machen wir eine echte Bandtour und ich werde dann endlich die MIDI Drums spielen dürfen!

03 ‹Emergency Room›

Joel: Dieser Track ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir beide arbeiten. Ich regle Bass und Drums, Dan die anderen Keyboard-Programmierungen und Melodien. Er schreibt die Lyrics und die Gesangsmelodie und ich singe dann – und alles passiert ziemlich spontan im Studio.

04 ‹Rock Center Paranoia› Dan: Joey, der Protagonist des Albums, bekommt hier mal wieder eine Panikattacke im Musikfachgeschäft …

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oel Ford und Daniel Lopatin sehen so aus, als ob sie friedliche Gitarrenmusik machen würden: Freundlich lächeln sie mit langen Haaren und in Karohemden in die Kamera. Wer in ihr Album ‹Channel Pressure› reinhört, wird allerdings überrascht sein: Dieses entpuppt sich nämlich als wahres SynthesizerFest. Das erste grosse Plattendebüt des Duos bewegt sich irgendwo zwischen MIDI-Funk, Glitch, Italo Disco und ‹Musique concrete›. Obwohl als Genre Elektromusik angesehen werden darf, erinnern die Beats eher an soften 80er-Pop. Kennengelernt haben sich Joel und Dan bereits in der sechsten Klasse. Damals haben die beiden gemeinsam Albumcover für imaginäre Bands entworfen. Schon als

kinki vorspiel

05 ‹Too Much MIDI (Please Forgive Me)›

Teenager hatten die beiden eine absolute Vorliebe für die Jazz Fusion-CDs von Daniels Vater und sind seitdem dem 80er-Beat treu geblieben. Nachdem sie sich einige Jahre aus den Augen verloren hatten, brachte die Musik die beiden schliesslich wieder zusammen. Das Konzeptalbum ‹Channel Pressure› erzählt eine fantastischfuturistische Geschichte. Protagonist ist Joey Rogers, Teenager und Antiheld, der bei laufendem Fernseher einschläft und den sein Unterbewusstsein auffordert, einen Musikladen auszurauben. Joel und Dan reflektieren in dieser ‹imaginären Rockoper›, wie sie ihr Album selbst nennen, die eigene Kindheit und deren Einfluss auf ihre Musik. Uns haben sie verraten, was hinter den Tracks steckt.

Joel: Gitelman hat das Ding gerockt: Wahnsinns-Vocals und eine Gitarrenriffparty im zweiten Teil.

06 ‹New Planet›

Dan: Als wir den Leuten von unserem Label den Track zum ersten Mal vorspielten, dachten wir schon, wir werden gefeuert, weil wir smoothen Jazz produzieren. So hat sich der Song nämlich angehört, bevor wir ihn verunstaltet haben. Und tatsächlich hört sich vieles, was wir produzieren, so lieblich an, bevor wir es auseinander nehmen. Smoother Jazz ist unser Geheimrezept.

07 ‹The Voices›

Dan: Ich sehe Joel im pink Cadillac mit einer Frisur wie Jeff Lynne durch den Weltraum flitzen. In diesem Lied hört Joey Stimmen. Es geht um dieses unangenehme Gefühl, einen Popsong den ganzen Tag als Ohrwurm im Kopf zu haben, obwohl man ihn überhaupt nicht leiden kann.

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08 ‹Joey Rogers›

Joel: Dan und ich sassen in einem Bus nach Boston, als die Idee zu Joey Rogers entstand. Das ist Joeys Lied.

09 ‹Dead Jammer›

Joel: Mehrere Leute erzählten mir, das sei ihr Lieblingstrack, was ich total überraschend, aber natürlich grossartig finde.

10 ‹Break Inside›

Dan: Das ist sozusagen die ‹Babyface›-Jamsession der ganzen Plattenproduktion. Das Faszinierendste an diesem Song ist, wie unterschiedlich Autre Ne Veut und Jeff Gitelman dieselbe Gesangsmelodie singen.

11 ‹I Surrender›

Dan: Ich stelle mir gerne Autre Ne Veut in tiefrotem Tarnanzug vor, wenn ich mir das anhöre … Jeff: … auf einem Wolkenkratzer in Dubai, in einem Schützengrabenkrieg im ersten Weltkrieg oder am Strand auf Kreta.

12 ‹Green Fields›

Joel: Eine weitere ‹Hammer›-Nummer. Eines Tages werden wir ein Boxenset namens ‹Complete Hammer Sessions› herausbringen und ‹Green Fields› wird natürlich darin enthalten sein.

13 ‹World Of Regret›

Joel: Das war der erste Song, den wir für die Platte aufnahmen. Wir sassen in meiner Küche und sangen über Cheeseburger.

12 ‹G’s Dream›

Joel: Guillermo machte einige Radio Edits, die es nicht in die endgültige Trackliste schafften. Dieses hier allerdings schon: Guillermo’s Dream!

kinki tunes on kinkimag.ch Das Vorspiel-Album gibt es auf kinkimag.ch fortan monatlich zum Hören, Abschweifen und sogar zum Herunterladen − die Schnellsten unter euch können jeden Monat Gratis-Downloads ergattern. kinki tunes wird euch diesen Monat präsentiert von Cardinal. Text: Franziska von Stieglitz Foto: Cooperative Music


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Tanzen und Nachdenken gehen bei Penguin Prison alias Chris Glover Hand in Hand.

Pinguinparade Penguin Prison ist alles andere als ein Gefangener. Völlig frei entfaltet der New Yorker seine musikalische Kreativität und produziert Tracks, die so tanzbar sind, als würde Michael Jackson auf Justin Timberlake und Beck treffen. Text und Interview: Antonio Haefeli, Foto: Promo kinki musik

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s ist wahnsinnig schwierig, Chris Glover alias Penguin Prison musikalisch einzuordnen. Denn auch wenn der New Yorker Elektropopper erst vor einigen Monaten wirklich auf der Bildoberfläche aufgetaucht ist, hat er schon so einiges angestellt in seinem Musikerleben. Angefangen hat alles damit, dass Chris an einer Performing Art Schule in Manhattan mit Alicia Keys studierte und neben ihr in einem Gospel Chor sang. Kurz darauf gründete er mit ein paar Kumpels von der Schule eine Fake Boy Band namens The Smartest People At Bard, ‹eine Mischung aus Beastie Boys und ’N Sync›, wie er selbst sagt. Auch wenn das eher ironisch gemeinte Projekt an der Schule extrem erfolgreich war, stand Glover der Sinn eigentlich

‹Ich finde, wenn man sich einen Pinguin im Gefängnis vorstellt, ist das ein ziemlich lustiges Bild.› nach etwas Ernsterem. Er unterzeichnete daher direkt nach dem Studium einen Vertrag bei Interscope und produzierte im Alleingang ein ganzes Album – das jedoch nie in den Plattenregalen landete. Denn das Label fand die Platte einfach zu verrückt, zu inkonsequent. Jeder Song war komplett anders: Hip-Hop, Rock, Soul und Pop – ein bunter Mix aus allen Genres. Und niemand wusste so recht, was man damit anfangen sollte.

Cheesy Tiefgang

Doch Glover liess sich nicht beirren und veröffentlichte 2010 seine erste Single, aufgesplittet in zwei Teile: ‹Animal Animal› und ‹A Funny Thing›. Dazu verliess er sogar den Big Apple und fand in London mit Dan Grech und Crispin Hunt zwei Produzenten, die seinen eigenwilligen Sound von Anfang an zu schätzen wussten. Und der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Blogs und Musikmagazine hatten den jungen New Yorker auf dem Radar und es hagelte Remix-Anfragen von Grössen wie Goldfrapp, Sébastian Tellier und Marina & The Diamonds. Denn Penguin Prisons Sound ist in erster Line eines: tanzbar! Man könnte sagen, Glover ist die elektronische, abgedrehtere Variante von Michael Jackson, Justin Timberlake und Beck. Gerade der King of Pop hat Glover – wie seinen Tracks unschwer anzuhören ist – stark beeinflusst. Glover gibt sogar offen zu, dass er gewisse Elemente seines Gesangsstils bei Jackson geklaut hat und dem ganzen einfach seine eigene Note verpasst. Und mag der erste Eindruck, den seine Songs hinterlassen auch noch so ‹cheesy› und oberflächlich sein: ‹Golden Train›, ‹Something I’m Not› oder ‹A Funny Thing› sind Popsongs mit dem Anspruch, die Tanzenden (auch) zum Nachdenken zu bringen – subtil verpackt in eingängige Melodien. Diesmal scheint es übrigens

auch mit dem Album zu klappen: Kommenden Herbst soll es bei Neon Gold Records erscheinen. Wir haben es geschafft, dem viel beschäftigten Herrn vorab ein paar Fragen zu stellen.

Interview kinki magazin: Lass uns über Tiere sprechen. Welches Tier bringt dich am meisten zum Lachen? Penguin Prison: Die Gorillas im Zoo in der Bronx. Ich sah einmal eine Frau, die einem jungen Gorilla ein Buch vorgelesen hat – durch die Scheibe am Gehege! Das war wirklich zum Totlachen. Hast du denn selbst ein Haustier? Einen Pinguin oder so? Nein, aber ich hätte gerne eine Französische Dogge. Falls mir jemand eine kaufen möchte – nur zu! Die sind nämlich ziemlich teuer. Steht der Name Penguin Prison eigentlich als Metapher für irgendetwas? Vielleicht etwas, das tief in deiner Persönlichkeit versteckt liegt? Ach, das ist nur eine lustige Phrase. Keine Metapher. Glaube ich zumindest. Ich finde, wenn man sich einen Pinguin im Gefängnis vorstellt, dann ist das einfach ein ziemlich lustiges Bild. Worauf fokussierst du dich beim Musikmachen? Hm, schwer zu sagen. Ich versuche einfach die Musik zu machen, die ich selber hören möchte. Musik, die Leute zum Tanzen bringt. Ausserdem sind mir gute Melodien sehr wichtig und eine interessante Produktionsweise. Machst du eher ‹instinktiv› Musik? Oder steckt da auch viel Denkarbeit dahinter? Es ist schon beides. Die ersten Ideen zu einem Song kommen meistens einfach so aus dem Bauch heraus. Dann brauche ich aber ein Konzept und viel Arbeit, um daraus einen richtigen, fertigen Song zu machen. Du wirst derzeit von der Presse ziemlich gehypet. Was würdest du tun, wenn du nun plötzlich als grosser Popstar herauskämest? Ich schwöre dir: Ich würde genau dasselbe tun wie bisher! Weitere Info findest du unter penguinprison.com.

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verhör essentielle alben für jede lebenslage

Walgesänge, Vogelgezwitscher und Nachtigallengesang mögen allesamt eine beruhigende oder ermunternde Wirkung auf unsere Gehörgänge haben. In Sachen Musik setzt unser ‹Reviewnator› allerdings trotzdem lieber auf von Menschenhand erzeugte Klänge. Animalisch und wild darf’s aber natürlich dennoch gerne sein … Scrabble-Meister des Zeitgeists

Andreas Dorau – Todesmelodien Der deutsche Musiker Andreas Dorau schaffte vor 15 Jahren das Kunststück, mit seinem Song ‹Girls in Love› die französischen Top Ten zu stürmen. Wohlgemerkt in einer Zeit, als die Charts noch nicht mit ein paar Downloads bei iTunes zu entern waren. Während der Song im deutschsprachigen Raum zwar auf Indie-Diskos auch populär war, fanden die Franzosen gleich kollektiv Gefallen an der zuckrigen Elektromelodie. Dabei ist aber davon auszugehen, dass sie dem Text der Single weniger Beachtung schenkten. Was nach stupidem Plastikpop klang, war eigentlich makabrer Spass von Andreas Dorau, der in dem Lied den Freitod einer betrogenen Freundin besang. Sein unnachahmliches Sprachgefühl äusserte sich dabei in knappen Textzeilen wie ‹Sie war scheu und er war ihr Boy›, die nicht ohne Grund an die Zeit der Neuen Deutschen Welle erinnerten. Hier fand die Karriere von Dorau nämlich ihren Anfang, als er mit dem NDW-Hit ‹Fred vom Jupiter› seinen bis heute grössten Erfolg produzierte. Da war er nebenbei gesagt erst 15 Jahre alt und drückte noch die Schulbank. Mit ‹Todesmelodien› folgt nun aber die neunte LP des schafkinki verhör

aufgelöst werden. Die Abkürzung ‹DMD KIU LIDT› steht für: ‹Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit›. Womit wir auch schon bei der Stossrichtung der Band sind. Für Ja, Panik steht die Kritik am System weiterhin im Fokus des Bemühens. In einem Mix aus Deutsch und Englisch gibt Sänger Andreas Spechtl vorbildlichen Nachhilfeunterricht in subtiler Beschwerde über die gesellschaftlichen Zustände unserer Zeit. Nur vordergründig werden private Probleme geschildert, doch dahinter gilt der alte Ausspruch: ‹Das Private ist politisch.› Nach dem Abgang von Bands wie Blumfeld war es auf diesem deutschsprachigen Gebiet in den letzten Jahren etwas still geworden, doch mit den Österreichern von Ja, Panik, die mittlerweile fest in Berlin verwurzelt sind, schimmert wieder Hoffnung auf. Zwar wird im letzten Song, dem gleichnamigen ‹DMD KIU LIDT› der Ton schärfer, wenn die Textzeilen unverhohlen Sympathie für terroristische Anschläge auf die politische Klasse ausdrücken, doch bleibt dies ansonsten auf der Platte die rhetorische Ausnahme. Musikalisch hat sich die Band einmal mehr gesteigert. Die leicht erkennbaren Referenzen reichen von Velvet Underground bis Bob Dylan und münden überwiegend in einem facettenreichen Indie-Sound. Melodienansätze sind reichlich vorhanden, werden aber überwiegend abgewürgt und durch verzerrte Gitarren und allerlei Störgeräusche schnell wieder beendet. Zuviel Behaglichkeit soll nicht aufkommen, lieber wirkt man unbequem und provozierend. Was einmal mehr unterstreicht, dass ‹DMD KIU LIDT› vor allem eine kämpferische Platte geworden ist.

fensreichen Musikers, der seitdem vor allem in den Koordinaten des Postpunks und des Samplings beheimatet ist. Von seiner Klasse als Wegbereiter des Sloganizings, wie es heutzutage von Bands wie Mediengruppe Telekommander oder Von Spar weitergeführt wird, hat er nichts verloren. Zu hören beispielsweise in dem Stück ‹Edelstein›, in dem er beschwingt zur Musik des Hamburger Elektro-Duos Die Vögel die grandiosen Zeilen ‹Selbst korrupte, dumme Schweine: Alle werden Edelsteine› singt. Nicht weniger amüsant geht es auch im Lied ‹Grössenwahn› zu, in dem wiederum über die Egomanie vieler Zeitgenossen treffsicher philosophiert wird. Musikalisch bleibt Dorau gelassen und setzt weiter auf einen minimal-elektronischen Sound, garniert mit dem Hang zu übertrieben grossflächig arrangierten Refrain-Melodien, in denen sich Bläser und Klavier oder auch mal ein schlagerhafter Chor abwechseln.

Erben der Ton Steine Scherben

Ja, Panik – DMD KIU LIDT DMD KIU LIDT? Der kryptische Titel der neuen Platte führte unter Fans vor der Veröffentlichung zu schwersten Verrenkungen hinsichtlich der Deutung. Deshalb soll an dieser Stelle erst einmal dieser nicht unerfolgreiche Werbegag 60

Gelungenes Madchester-Revival

autoKratz – Self Help for Beginners Die Edel-Raver von autoKratz aus London werfen mit der neuen Scheibe ‹Self Help for Beginners› die Strobos wieder an. Mit einer Mischung aus Indie-Gitarren und nach vorn preschenden Synthies wird die tanzende Meute herausgefordert. Die beiden Briten David Cox und Russel Crank sind dabei der Tradition ihrer Heimat Manchester eng verbunden: der Stadt, wo einst die Musikgeschichte um das wichtige Kapitel des Madchester erweitert wurde. Die Bewegung kreierte in den späten 1980erJahren einen explosiven Mix aus Indie-Rock und elektronischer Tanzmusik. Leitmotivisch streut die Band Referenzen zu Protagonisten der damaligen Zeit ein – von The Stone Roses bis zu den Happy Mondays. Das Epizentrum der Szene, der Club The Hazienda, ist zwar leider längst Geschichte und heute nur noch dank Dokumentationen im Kino zu bestaunen. Für autoKratz aber kein Grund, das Erbe nicht trotzdem liebevoll zu pflegen. Speziell die einprägsamen Bassläufe und der süssliche Gesang sind als wiedererkennbarer Sound der Band auch auf der neuen Platte zu hören. Das klingt zwar manchmal in schlechten Momenten wie


die Elektropop-Combo Camouflage aus den 1980er-Jahren, doch in den mehrheitlich guten wie das Urgestein von Madchester: die Band New Order. Nicht zuletzt weil mit Peter Hook der ehemalige Bassist der Band zur Zusammenarbeit in dem grandiosen Stück ‹Becoming the Wraith› gewonnen werden konnte. Nachdem die Band bisher auf Kitsuné war, wagt sie mit ‹Self Help for Beginners› auch den Sprung in die Unabhängigkeit und veröffentlicht die LP auf dem eigenen Label ‹Bad Life›. Ganz schön mutig, freiwillig verlassen nur die wenigsten Bands das exklusive Label aus Paris. Doch autoKratz wissen um ihre Fähigkeiten, weshalb der Schritt folgerichtig erscheint und vielleicht ja zugleich der Startschuss zu einem neuen legendären Label wird. Denn mit der Platte beweist die Band, dass ihr erfolgreiches Debüt ‹Animal› vor knapp zwei Jahren kein Zufallstreffer war. Den Part des kurzen IndieraveHypes mit einer Halbwertszeit für die Stoppuhr überlassen sie mit der neuen Scheibe galant anderen Bands. Wer also noch immer die Melodien der Überhits ihres ersten

nächste Streich. Mit ‹Meine zarten Pfoten› releast sie ihren zweiten Longplayer nach dem Debüt ‹Blondie›, das schon mehr als sieben Jahre zurückliegt. Die kreative Schaffenspause hat sich bezahlt gemacht. Die neun Tracks sprühen vor individueller Leidenschaft und einem angenehm verqueren Zugang zu elektronischer Musik. Damit passt die Labelwahl bestens, da DJ Koze auf diesem Gebiet seit etlichen Jahren selbst unverwüstliche Pionierarbeit leistet. Ada besitzt ebenfalls das Talent, den elektronischen Klängen eine analoge Aura zu verleihen. Viele Instrumente wurden von ihr im Studio eigenhändig eingespielt. Als Grundtenor der neuen Platte spürt man eine verblüffende Leichtigkeit. Wie schwer es ist, gerade dieses Gefühl zu produzieren, ist bekannt. Umso respektvoller steht man deshalb vor dem flüchtigen und doch einprägsamen Charakter vieler Stücke. Hinter allem Wohlklang verbirgt sich aber immer auch die Frage, wie weit man das Gefühl der Losgelöstheit zulassen kann. Ada vergisst die Welt da draussen nicht und bringt diesen Zwiespalt wie-

Albums wie ‹Always More› oder ‹Stay the Same› im Ohr hat, kann sich ab sofort mit dem Hören der neuen Scheibe ganz einfach selbst kurieren.

Klimaanlage für den Club

Ada – Meine zarten Pfoten So langsam füllt sich das Spektrum beim neuen Label Pampa Records von DJ Koze. Seit Jahren ist der Musiker bestens in der elektronischen Szene vernetzt. Nun konnte er mit Isolée und Robag Wruhme in den vergangenen Wochen bereits zwei Schwergewichte der Clubszene mit ihren aktuellen Scheiben an Land ziehen. In Gestalt der Musikerin Ada, die bürgerlich Michaela Dippel heisst, folgt nun der

derkehrend in die doppeldeutigen Texte ein. Was als inhaltliches Fragezeichen über der Platte steht, wird von ihr immer wieder mutig in Richtung Hoffnung beantwortet. Beispielsweise im ersten Song der Platte, dem gefühlvollen Cover ‹Faith› von Luscious Jackson, in dem sie trotzig die Songzeilen ‹Faith will come humbly down, fear will come tumbling down› singt.

Plattenberge bis zum Horizont, den Server vollgeladen mit Terrabytes an neuer Musik … Die Industrie kennt kein Erbarmen und täglich werden Heerscharen echter und falscher Musiker ausgespuckt. Ob gut oder schlecht, keiner weiss es mehr. Als letzte Instanz gibt es aber zum Glück noch unseren furchtlosen ‹Reviewnator› Mathias Bartsch. Mit einem dreifachen Rittberger ist er erneut in den Pool der Neuerscheinungen gesprungen und mit mehr als nur einer musikalischen Perle im Haar wieder aufgetaucht!

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Shalala or a room full of hellcats Sie wurden bereits als Teenager zu Rockhelden gek체rt und gaben dem britischen Indie-Rock ein neues, wahrlich junges Gesicht. Inzwischen sind die Wunderkinder der Arctic Monkeys Mitte zwanzig und haben die Vorliebe entdeckt, nicht mehr nur individuelle Rockmusik zu machen, sondern mit ihren Liedern Opium f체r die Massen zu schaffen. Text: Franziska von Stieglitz, Foto: Guy Aroch

Ein Tiger in einem K채fig voller Affen: Matt Helders (ganz rechts) und der Rest der Arctic Monkeys.

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ür das neue Album ‹Suck it and See› sind die vier Jungs aus dem nördlichen Sheffield von England nach L.A. geflogen. Dort trafen sie sich mit den Rockgrössen Hollywoods, um von ihnen zu lernen. Und dass sich die vier jungen Musiker weiterentwickelt haben, hört man dem Album ‹Suck it and See› an. Es wirkt wohl abgestimmt, die Lieder klingen stimmungsvoller und irgendwie gesetzter als jene auf ihrem letzten Werk ‹Humbug›. In der Single ‹Don’t Sit Down, Cause I’ve Moved Your Chair› betonen sie bereits ihren neuen Stil, der an Johnny Cash und The Velvet Underground erinnert, und geben einen Vorgeschmack auf ihr viertes Album. Matt Helders, der Schlagzeuger der Arctic Monkeys, gilt als Genie. Auf YouTube finden sich etliche Videos seiner legendären Drumsolos, die wohl auch Bands wie The Prodigy und We are Scientists dazu motiviert haben, mit ihm Songs zu produzieren. Matt wirkt wie einer dieser jungen Überflieger, die zu viel Energie haben und niemals schlafen. Nebst seiner Karriere bei der arktischen Affenbande nahm er zum Beispiel das Remixalbum ‹Late Night Tales: Matt Helders› auf und entwarf bereits mehrere Kollektionen für das Streetwear Label Supreme Being. kinki hat sich mit Matt über seine vielseitigen Interessen, seine Lieblingstiere und vor allem das neue Album der Arctic Monkeys unterhalten. Matt schlendert dabei mit seinem Telefon gerade durch Paris, im Hintergrund dröhnt Sirenengeschrei und Strassenlärm und wir verstehen uns erstmal gar nicht. Bis er schliesslich in eine Seitenstrasse entwischt, wo er etwas Ruhe und Zeit für unser Gespräch findet.

Interview kinki magazin: Wenn du wählen könntest, was wärst du gerne für ein Tier, Matt? Matt Helders: Ich wäre gerne eine Katze, am liebsten ein Tiger. Oder ein Bulle. Vielleicht weil ich von uns vier der Grösste bin, der Agilste. Ehrlich gesagt ändert sich mein Geschmack für mein momentanes Lieblingsstier immer, je nach Laune. Aber momentan fühle ich mich danach, ein Bulle zu sein. Kein arktischer Affe? Nein, auf keinen Fall. Unser Bandname ist vor Jahren entstanden, als wir noch absolute Jungspunde waren – ich kann mich überhaupt nicht mit einem arktischen Affen identifizieren. Als wir noch zur Schule gingen, meinte James bereits, dass wir eines Tages, wenn wir mal eine Band haben, uns ‹Arctic Monkeys› nennen sollten. Dann haben wir angefangen und alles ging so schnell, dass wir den Namen gar nicht mehr hinterfragt haben. Und auf alle, die was dagegen hatten, haben wir damals sowieso nicht gehört. Deshalb heissen wir bis jetzt Arctic Monkeys. Wie würdest du euer neues Album ‹Suck it and See› beschreiben? Es hört sich sanfter und melodischer an als die

vorherigen Alben, insbesondere als unser letztes. Natürlich hat es nach wie vor rockige Seiten. Aber wir haben versucht, uns zu entwickeln. Alex hat besonderen Wert auf konventionelleres, klassisches Songwriting gelegt und wir sind daher dieses Mal ganz anders an die Lieder herangegangen.

‹Nicht alle Lieder müssen immer reflektiert und voller Bedeutung sein.› Was meinst du mit ‹klassischem Songwriting›? Der Song ‹Black Treacle› zum Beispiel wirkt nach wie vor recht wirr und kryptisch. In welchen Liedern habt ihr denn diesen klassischen Liedaufbau angewendet? Das ist wahr, nicht jeder Song ist klassisch aufgebaut. Wir machen nach wie vor die typischen Rocklieder wie ‹Black Treacle›, die unsortiert wirken. Wir haben in den letzten Alben immer eine Menge Wortwitz und Doppeldeutigkeiten in unsere Lieder eingebaut. Somit wurden die Lieder komplex, aber auch sehr wortlastig. Von dieser Wortgewalt, so schön sie auch ist, haben wir uns auf dem neuen Album etwas entfernt. ‹Don’t Sit Down, Cause I’ve Moved Your Chair› ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir uns nun strenger an Konventionen wie Liedaufbau und Refrainstruktur halten. ‹The Hellcat sprangled Shalala› heisst ein anderer Track des neuen Albums. Ein sehr schöner Titel, aber um was geht es in dem Lied eigentlich? Ich habe mit Alex mal versucht, das so zusammenzufassen: Es geht um einen Raum, der mit lauter als Katzen verkleideten Frauen gefüllt ist. Das ist ein sehr lockerer scherzhafter Song, was mit dem ‹Shalala› ja auch ausgedrückt wird. Also wolltet ihr einfach auch mal ein Lied schreiben, in dem ihr ‹rumschallallern› könnt? Ja, das stimmt schon. Das ist ein Text, bei dem alle mitsingen können. So was gilt ja schnell mal als Volksmusik. Das ist es auch, irgendwie. Es geht darum, die Menge zu begeistern. Nicht alle Lieder müssen immer reflektiert und voller Bedeutung sein. Von der Sorte hatten wir schon so viele. Manchmal geht es bei Musik einfach darum, das Publikum glücklich zu machen und die breite Masse anzusprechen. Warum hat das Album nicht seinen ursprünglichen Arbeitstitel ‹Thriller› behalten? ‹Thriller› war ein Scherz. Mal ganz ehrlich, das Album muss ja ein Hit werden, wenn wir es so nennen. Wir wollten uns einfach mal an die ganz Grossen halten (lacht). Man gibt über den Arbeitsprozess hinweg dem Album immer wieder neue Titel. Der jetzige Titel ‹Suck it and See› bedeutet soviel wie ‹Probier es doch einfach mal aus und schau, was dabei passiert›. 63

Du arbeitest auch an eigenen Projekten wie deinem Remix-Album ‹Late Night Tales: Matt Helders›. Werden wir da in Zukunft noch mehr von hören? Sicher. Ich mache das gerne nebenher, auch wenn die Band gerade Vorrang hat. Zudem, das gebe ich zu, mache ich das eher für mich selbst. Bis jetzt wurde ich noch von niemandem in professionellem Sinne angefragt. Interessiert an Aufträgen wäre ich natürlich schon. Also sage ich das gerne hiermit ganz offen: Ich bin noch frei, wer also Lust hat, bitte melden! Deine Remixes hören sich sehr nach Tanzmusik und überhaupt nicht rockig an. An die Arctic Monkeys denkt man da gar nicht. Ja und das ist gut so. Ich höre jede Menge andere Musik und meine Remixes sind die Art von Musik, an der ich ebenso gerne arbeite wie für unsere Rock-Band. Ich brauche den Ausgleich. Schon mal daran gedacht, eure eigenen Lieder zu remixen? Nein, das kann ich nicht. Das will ich auch gar nicht. Ich habe ja selber das Stück von Grund auf so konzipiert, dass ich es genau so gut finde. Warum sollte ich es dann noch mal überarbeiten? Vielleicht bin ich selber einfach zu nahe an dem eigenen Werk dran, um es objektiv zu betrachten. Und vielleicht, wenn ich älter bin, bearbeite ich wirklich die Lieder mal neu. Aber momentan könnte ich so etwas nicht. Designst du eigentlich immer noch Klamotten? Ja. Gerade erst letztes Jahr habe ich wieder für das Modelabel Supreme Being eine neue Streetwear Kollektion designt. Das macht sehr viel Spass, Mode ist mir sehr wichtig und ich habe Interesse daran, das weiterhin zu verfolgen. Was würdest du als Fashionguru mir denn für diesen Sommer empfehlen? Was gerade im Trend ist, meinst du? Keine Ahnung. Ich persönlich finde Schwarz in Schwarz sehr klassisch. Das ist meine Empfehlung als Fashionguru: Trag diesen Sommer einfach Schwarz. Ihr wollt die Arctic Monkeys live sehen? Am 17. Juli findet ihr am Gurten Festival Gelegenheit dazu. Und damit ihr dort nicht alleine im Gewühl stehen müsst, verlost kinki diesen Monat zweimal vier Tagespässe für das Gurten Festival! Besucht einfach unseren Blog auf kinkimag.ch und nehmt an der Verlosung teil!


lieblingslieder jedem das seine

Seit vielen Jahren steht das ‹Hive› an der Zürcher Geroldstrasse für innovative Clubkultur, vor allem im Bereich elektronischer Musik. Dafür verantwortlich, welche DJs, Bands und Künstler sich im sogenannten Bienenstock ‹einnisten›, ist unter anderen Chris Gasser. Für uns hat der Hive-Booker und Initiator der berühmt-berüchtigten Neon-Partys seine ganz persönlichen Lieblingslieder kommentiert. Liebeslieder für mich. Frische Schmetterlinge im Bauch, Scheibe drauf und schwelgen. Damals wie heute!

Goldie ‹Inner City Life›

Die goldene Ära der gebrochenen Beats und irgendwie auch der Untergrundkultur in der Limmatstadt. Eine Zeit, an die ich auch heute noch oft zurückdenke, und ‹Inner City Life› ist quasi die dazugehörige Hymne.

Commix ‹Be True›

Meine Drum’n’Bass-Helden der Neuzeit! Minimalistisch, deep, soulig und dennoch immer direkt nach vorne. Nach Jahren der Düsterheit und Monotonie sorgten sie für viel frischen Wind in Sachen Trommel und Bass.

Ron Carroll ‹Walking Down The Street› (Bart B More Remix)

Chris Gasser, Booker und PartyInitiator im Hive Club, sorgt dafür, dass das Zürcher Partyvolk weiterhin fleissig in den ‹Bienenstock› schwirrt.

Die Fantastischen Vier ‹Nacht am Meer›

2-Step-Ära ein. Später wurde er leider von Goldie aus der Szene verstossen, doch seine Hymnen hallen bis heute nach und ‹Pulp Fiction› war ein wahrer Meilenstein.

Irgendwie waren die Fantas nie so mein Ding. Dann kam aber dieser ‹Tag am Meer›-Track. Absolut spacig mit ebensolchen Lyrics, und alsbald folgte auf einer 12“ die ‹Nacht am Meer›-Version mit noch besseren Beats. Seither vielleicht meine meistgehörte Scheibe überhaupt.

Round Table Knights ‹Say What?!› (feat. Ogris Debris)

Die sympathischen Berner Giele waren mir schon lange ans Herz gewachsen. Super DJs, super Produzenten, tolle Jungs! Dieses Jahr erschien ihr Debütablum ‹Say What?!› auf Jesse Roses Label Made To Play. Die gleichnamige erste Single-Auskoppelung ist mein persönlicher Favorit: Ein unglaublich schöner, warmer House Track, der mir jedes Mal den Tag versüsst!

Sens Unik ‹Fichés›

Als Sens Unik 1993 im Rahmen der ‹Stop F/A-18›-Abstimmung auf dem Bundesplatz ‹Fichés› spielten, hüpfte die Meute trotz des Regens rauf und runter. Eine unglaubliche Stimmung und ein Erlebnis, bei dessen Erinnerung sich bei mir auch heute noch die Nackenhaare aufstellen.

Absolute Beginner ‹Liebeslied›

Alex Reece ‹Pulp Fiction›

‹Bambule› (ruft man das auch heute noch an den Openairs beim Anrauchen?) von den Absoluten Beginnern: das beste deutsche Rap-Album ever! Jeder Track überzeugt mit erfrischenden Beats und Lyrics vom Feinsten. Speziell das ‹Liebeslied›. Obwohl kommerziell erfolgreich, eines der schönsten

Was für ein Track! Man hatte sich an die verschachtelten Jungle-Beats gewöhnt, da tauchte 1995 dieser Mann mit seinen Jazzstep-Tracks auf und läutete damit quasi die

kinki lieblingslieder

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Mai 2008, die Geburt der donnerstägigen Neon Clubnacht! Dieser Track durfte zu den Urzeiten an keinem Abend fehlen. Spielten die DJs ihn nicht, forderte ich sie dazu auf. Zusammen mit Kid Cudi Vs Crookers ‹Day’N’Nite› war es die Neon Hymne der Anfangszeit. It’s Neon, baby!

Federleicht ‹On The Streets› (Kollektiv Turmstrasse Remix) Spätestens seit diesem Remix zählt Kollektiv Turmstrasse für mich zu den ganz Grossen in Sachen House und Techno. Die beiden Hamburger verstehen es, auf eine unvergleichbare Art Gefühle mit den doch eher kalten Beats zu verknüpfen. Ein Track, der einfach unter die Haut geht!

Black Sheep ‹Without A Doubt›

Mein Sommerhit 1994! Egal ob irgendwo am See chillend, selber auf einer Party spielend oder bouncend: Da kam und kommt auch heute noch Sommerstimmung auf. Winter ade, Frühling ahoi. Scheibe auflegen und der Sommer und eine fette Party unter klarem Himmel dürfen kommen! Text: Antonio Haefeli und Chris Gasser Foto: Ellin Anderegg



Lemsalu Lines Reign

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Wenn Julia Heuer ein Tier sein könnte, wäre sie gerne ein Vogel. Am liebsten ein Adler. Denn wer träumt nicht vom Fliegen und dem damit verbundenen totalen Perspektivenwechsel? Wäre da nur nicht die Tatsache, dass Vögel winzige Gehirne besitzen. Was hat man dann noch davon? Als Textildesignerin kann Julia zum Glück stets neue Perspektiven einnehmen, ohne auf ihren Intellekt verzichten zu müssen. Text und Interview: Dinah Brunner, Fotos: Gerhardt Kellermann, Set / Styling: Kris Lemsalu

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ulias Kollektionen drehen sich rund um die Qualität und die Ästhetik von Gewebe. Wo andere Designer sich an Trends oder Schnitten orientieren, lässt Julia sich vom Textil leiten. So auch bei der Kollektion ‹Lemsalu lines reign›, die asiatische und afrikanische Einflüsse gekonnt miteinander verbindet. Was es genau damit auf sich hat, erzählt Julia uns im Interview.

Interview kinki magazin: Wie entstehen deine Kollektionen? Julia Heuer: Ich nähere mich den Kollektionen nicht über einen Schnitt oder eine übergeordnete Idee, sondern experimentiere ständig mit Materialien, Techniken und Farben. Als ich in Kopenhagen war, habe ich diese japanische Technik namens ‹Shibori› kennengelernt. Die hat mich fasziniert und seither arbeite ich viel mit dieser Plissee-Technik – so auch bei ‹Lemsalu lines reign›. Mir kommt es vor allem auf die Stoffe an. Ein Zitat aus einem Buch, das ich gerade lese, umschreibt meine Arbeit ganz gut: ‹Sie begeisterte sich für Kleider und kreierte mit Vorliebe exotische, orientalisch angehauchte Arrangements aus Farben und Stoffen. Es ging ihr dabei mehr um die Verwirklichung eines eigenen Stils als um die Ausrichtung an der Mode.› Genau das ist es! Und wie verwirklichst du deinen Stil? Das Textil macht meine Mode aus, also Mode überhaupt. Die Qualität wird aber oft vernachlässigt. Man kauft bei Läden wie H&M oder Zara eigentlich nur nach einem Look ein und ist für die Qualität der Stoffe blind. Ich will mit meiner Mode das Augenmerk auf die Ästhetik und die Haptik des Textils legen. Die Schnitte sind meist sehr reduziert, die Kleidung lebt vom Stoff. Gilt das auch für deine Kollektion ‹Lemsalu lines reign›? Für sie ganz besonders. Bei den Stoffen für diese Kollektion habe ich Drucktechniken mit dem ‹Shibori› verbunden. So sind diese Streifen entstanden, durch die das Plissee eine 67

ganz andere Wirkung bekommt. Das hat mir wahnsinnig gut gefallen. Warum sind Streifen eigentlich so stark in der Mode vertreten? Das liegt oftmals schlicht an der Technik und am Gewebe. Sobald man ein Muster stricken oder weben will, sind Streifen eine naheliegende und einfach realisierbare Musterung. Grundsätzlich haben viele Designs ihren Ursprung in der Art der Technik. Was hältst du von Mode, die aus Tieren hergestellt wird? Oh, da muss ich aufpassen, was ich sage ... Mal abgesehen von allen ethischen und moralischen Fragen ist Leder natürlich ein tolles Material. Aber man darf auch nicht vergessen, dass die Gewinnung und Färbung von Leder die grösste Umweltverschmutzung überhaupt ist. Viele Leute sind sich dessen nicht bewusst und es interessiert sie gar nicht. Da sind Lederjacken ‹in› und dann will einfach jeder eine Lederjacke haben.


Und was ist mit Pelz? Ich finde alle diese Tierfelle muss man schon irgendwie recyceln. Jeder hat schliesslich eine Oma oder irgendeine Tante, bei der mindestens drei alte Pelze im Schrank hängen. Es ist auch schade, dass die so verschrien sind, dass sich niemand traut, sie anzuziehen. Denn sie existieren ja einfach schon. Aber ansonsten würde ich Pelz eher ablehnen, denn die Herstellung auf Zuchtfarmen ist sehr grauenvoll. Zurück zu deiner Kollektion: Wie kam es, dass Kris Lemsalu das Set gemacht hat? Kris ist eine enge Freundin und eine Künstlerin, die ich sehr schätze. Sie macht Performances, Kostümarbeiten und hauptsächlich Keramik-Installationen. Sie ist übrigens auch das Model. Ich finde es toll, jemanden ins Boot zu holen und gemeinsam etwas zu schaffen. Durch eine Kooperation entstehen immer neue Sachen, die meistens vielschichtiger und spannender sind, als wenn man ganz alleine arbeitet. Was war euch beim Setting wichtig? Es ging uns darum, eine Fotostrecke zu machen, die unsere Ästhetik widerspiegelt und dem Ausdruck der Kollektion gerecht wird. Wir wollten nicht nur die Mode fotografieren, sondern mit einer Inszenierung ein Bild kreieren und den afrikanischen Touch auf die Spitze treiben. Da gehört dann auch der spezielle Körperkult dazu, den wir mit den Wäscheklammern an Kris’ Unterlippe dargestellt haben. Wer kann die Kollektion tragen? Sie kann von allen Frauentypen getragen werden. Das Schöne ist, dass die Stücke bei jeder Trägerin eine andere Wirkung haben. Ich habe die Kleider an verschiedene Bekannte mit ganz unterschiedlicher Grösse und verschiedenen Charakteren verkauft. Zum kinki mode

Beispiel an eine Asiatin: So wie sie den Stoff gewickelt hat, sah es sehr elegant und reduziert aus. Bei einer anderen, eher fülligen Freundin ist der Stoff ganz anders gefallen, hat ihren Körper umschmeichelt und das Plissee wirkte sehr vital. Die Kleider haben nicht einfach einen Schnitt, sondern der Stoff passt sich der Körperform an. Welche Mode kaufst du dir selbst? Mein Budget lässt leider nicht so viel zu. Ich spare manchmal auf einzelne, richtig teure Stücke und sonst kauf ich Second Hand und auf dem Flohmarkt ein. Dabei achte ich auf die Qualität und nicht darauf, ob etwas gerade in ist. Wir haben alle so unterschiedliche Körper und oft tragen Leute Kleider, weil sie gerade trendig sind. Aber nicht jede Frau kann zum Beispiel eine Hüfthose tragen. Ich versuch dann schon das zu kaufen, was meiner Person entspricht und zu meinem Körper passt. Die Kollektion ‹Lemsalu lines reign› ist im Mulackstrasse 34 Shop in Berlin erhältlich. Weitere Info findest du unter juliaheuer.de.

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nixonnow.com


Lorica Amanda Camenisch

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Silk tulle: Jakob Schlaepfer Iron ruff: Grisch

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Top: Yvy Cuffs: Grisch

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Dress: Stylist’s own Tulle: Bischoff Pumps: Manor

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Bikini top: H&M Skirt and leggings: American Apparel

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Dress: H&M Knee socks: Stylist’s own Photography Amanda Camenisch Styling Patrizia Scheidegger, patrizia-s.ch Make-up Nicola Fischer, style-council.ch Hair Monika Spisak, style-council.ch Models Sarah Block @ scout-model, Martin Janicki @ option model Photo assistant Micha Freutel

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Adlerauge und 1

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Während sich die Tierwelt mit naturgegebenen Mechanismen vor Sonnenstrahlen schützt, hat sich der Mensch mit der Sonnenbrille einen externen Schutz und ein Mode-Item par excellence geschaffen. Dieses inspiriert sich jüngst wiederum offensichtlich an Formen und Couleurs des Tierreichs. Text: Florence Ritter, Illustration: Mat Mailand

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eit den 60er-Jahren ist die Sonnenbrille nicht mehr nur medizinisches Schutzinstrument vor Sonnen- und UV-Strahlen sowie vor äusseren Einwirkungen, sondern erfreut sich grosser modischer Akzeptanz. Seit ihrer Aufnahme in die Modewelt durch Stars und Sternchen hat sie aber auch zahlreiche Moden durchgemacht. Den Zyklen der Mode entsprechend liess man Modelle aus vergangenen Jahren wieder neu aufleben. Nachdem wir nun mehrere Jahre das klassische Aviator-Modell und in Folge die Omnipräsenz der Ray Ban Wayfarer erdulden mussten, besinnt sich die diesjährige Sonnenbrillenmode endlich wieder auf andere Formen aus den 50ern und 70ern und scheint sich insgesamt an der Fauna und teilweise auch der Flora zu orientieren. Zurück im Geschäft sind seit letztem Jahr die Cat-Eye-Shades à la Audrey Hepburn, die mit neckisch spitzen, flankierenden Ecken die weiblichen Gesichtszüge unterstreichen. Diese Saison kommen ausserdem die kreisrunden Gläser von mini bis maxi hinzu. Das Comeback des Kreises im Gesicht von Mann und Frau ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig: Assoziationen zu kindlichen Harry Potter-Schulbrillen, strengen Professoren oder zu Insekten mit riesigen Sehorganen sind naheliegend. Als weiteres Indiz für die Inspiration aus der Tierwelt können die Fassungen in angesagter Hornoptik gedeutet werden, die viele Labels in verschiedenen Varianten anbieten. Braune Musterungen wohin das Auge reicht, aber auch verzogene schwarz-weisse Hornmuster oder helle Elfenbeinoptik gehören diesen Sommer auf die Nase. Wir stellen euch im folgenden ein paar Labels vor, die ihr im Auge behalten solltet.

Cat Eye

Das englische Label Black Eyewear weist eine sehr breite Palette an Modellen auf. Designt wurden sie von Robert Roope, der sich von der Jazzmusik der 40er, 50er und 60er inspirieren liess. So trägt etwa jedes Modell den Namen eines Jazzmusikers. Ins Auge stechen vor allem die schmalen, sehr eleganten Cat Eye Sonnenbrillen sowie die kreisrunden Modelle mit dicken oder filigranen Gestellen in Hornoptik für den animalischen Retro-Look. Die perfekte Vermählung von runden Gläsern mit Cat Eye-Form ist diese Saison dem Label Super mit dem Modell ‹Lucia› gelungen. Daniel und Simon Beckerman, die Verantwortlichen bei Super als auch die Verleger des renommierkinki mode

ten Pig Magazine, setzen bei ‹Lucia› als prägendes Stilelement auf relativ grosse runde Gläser mit spitzen Azetatecken. Die italienische Marke verwendet ausschliesslich deutsche Qualitätslinsen von Zeiss, zeigt sich in der Kolorierung der Azetatfassungen jedoch experimentierfreudig. So gibt es die filigrane Frauenbrille mit vielen animalischen Musterungen und zum Teil auch mit tiernahen Namen wie ‹Lucia Puma›, ‹Lucia Summer Safari› oder ‹Lucia Horn›. Tierisch inspiriert sind auch die männlichen ‹Leathers Flat Top›-Modelle mit markanter, gerader Kante und Lederbesatz. Einzigartig ist das limitierte Modell ‹Randagio›, welches Leder mit dem sogenannten ‹Puma›Muster vereint. blackeyewear.com, retrosuperfuture.com

Big Eye

Karen Walker Eyewear gehört fast schon zur Haute Couture in der Sonnenbrillenlandschaft. Die neuseeländische Designerin ist schliesslich auch etablierte Modedesignerin und legt ihr kreatives Händchen ebenso an Schmuck und Interieur. Bei Karen Walker Eyewear sind grosse Linsen Pflicht. Seit einigen Kollektionen prophezeit sie auch das Comeback von kreisrunden Gläsern für Mann und Frau und bewirkt immer wieder den Eindruck unangestrengter Coolness. Ihre neueste Kollektion nennt sich ‹KW Hearts UV› und bietet mit den grossflächigen Linsen und zum Teil sehr breiten Bügeln in transparenten Bonbonfarben sowohl erfrischendes Design als auch bestmöglichen Sonnenschutz. Bei Karen Walker wirken weder Form noch Grösse der Sonnenbrillen hippiesk, sondern viel eher ‹fashion forward› und deshalb manchmal auch etwas ungewohnt. Wie grosse Fliegenaugen – die man sich aber unbedingt aufsetzen möchte.

werden. Die schlichten Modelle sind in zahlreichen Fassungen erhältlich: Schwarz, Khaki, Grün, Ivory und in gescheckter oder gestreifter ‹Havanna›-Hornoptik. Durch die verschiedenen Glastönungen in Meeresgrün, Wüstenbraun oder Himmelblau ergeben sich zahllose Kombinationen und unterschiedliche Looks. Auch Illesteva ist ein italienisches Label, das in Italien und in Deutschland produziert und immer mehr Präsenz in der internationalen Modeszene zeigt. Die Designs der New Yorker Daniel Silberman und Jus Ke sind erfrischend schlicht und integrieren vorwiegend runde oder stark abgerundete Gläser. Bei Illesteva sind die Anleihen aus Fauna und Flora ebenfalls offensichtlich. Es wird mit den Materialien Azetat, Bambus, Titanium oder beispielsweise natürlichem Büffelhorn gearbeitet. Bei den Gestellen gibt es viele Schildkrötenmusterungen in unterschiedlichen Brauntönen oder naturbelassene Färbungen wie Cream, Horn, Sand, Marmor oder Olive. Noch umfänglicher bedient sich das französische Label ‹Waiting for the Sun› der tierischen Umwelt und arbeitet mit natürlichen Ressourcen. Die Sonnenbrillenfassungen der W/SÜN Kollektionen bestehen gänzlich aus Holz, sind wiederverwertbar und von Hand produziert. Es gibt sie in hellem Naturholz, Braun und Schwarz. Bei all der Natürlichkeit kommt auch das Design nicht zu kurz. Das Label stammt aus dem Streetart- und Skateboard-Bereich und die Modelle sind dementsprechend hip und zeitgeistig. Hinzu kommen Kollaborationen mit Künstlern wie Parra. Natürlich fehlt auch das Modell mit den kleinen, kreisförmigen Linsen nicht – John Lennon hätte tierische Freude daran gehabt. lgr-sunglasses.com, illesteva.com, waitingforthesun.fr

karenwalkereyewear.com

Naturally

Der Designer des italienischen Labels L.G.R Sunglasses, Luca Gnecchi Ruscone, stammt aus einer italienischen Familie mit afrikanischen Wurzeln. Eine Temperamentmischung, die man der Arbeit von L.G.R durchaus ansieht. Das Label verfolgt das Ziel, traditionelles, qualitatives Handwerk mit zeitlosem Design zu vereinen. Alle Modelle tragen Namen afrikanischer Städte und lehnen sich an die Designs von Klassikern an, welche häufig durch schmale Azetatfassungen verfeinert und verändert 80

1 L.G.R: ‹Asmara› 2 Black Eyewear: ‹Abbey HS› 3 Karen Walker: ‹Harvest› 4 Illvesta: ‹Leonard› 5 Waiting for the Sun: ‹16.9 g› 6 Super: ‹Flat Top›



One day Alice came to a fork in the road and saw a Cheshire cat in a tree. —Which road do I take? she asked. —Where do you want to go? was his response. —I don’t know, Alice answered. —Then, said the cat, it doesn’t matter. ‹Alice in Wonderland› by Lewis Carroll

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Kristiina Wilson

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Shirt: Mjolk Suit: Loden Dager Shoes: Band of Outsiders

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Shirt, tie and suit: Copperwheat

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Shirt and jacket: Timo Weiland

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Shirt: Wood Wood Suit: Issey Miyake Shoes: Loden Dager

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Suit: Band of Outsiders Shirt: Issey Miyake Bow tie: Bespoke Shoes: Loden Dager Photography Kristiina Wilson Styling Michelle Carimpong, carimpong.com Grooming Katie Mellinger @ Kess agency Model Aiden Andrews @ Ford Location Caboodle ranch cat sanctuary in Lee Florida Stylist’s assistant Isabella Glaudini

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maske art must be beautiful

Jeden Monat setzen an dieser Stelle Schweizer Künstler drei Beauty-Produkte in Szene. Helve Leal zähmte für uns Ponys. Oder zumindest ihre Mähnen. L’Oréal: Elnett Satin Absolut

Wella Pro Series: Max Hold

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Helve Leal ‹Das Leben ist eben doch ein Ponyhof›, weiss Helve Leal spätestens seit ihrem Besuch im GZ Buchegg in Zürich, wo sie sich zusammen mit Kollegin Nicola auf die Suche nach einem geeigneten ‹Model› für ihr Bild machte. Das Pony Tino hat die beiden schliesslich am meisten überzeugt. Helve Leal wurde in Argentinien geboren und lebt in Zürich. Wenn sie nicht gerade ihrem Beruf als Make-up-Artistin nachgeht, fotografiert Helve leidenschaftlich gerne Menschen – und natürlich auch Tiere. Text und Realisation: Nicola Fischer Wir danken Model Tino und seinen Betreuern (Zürcher Gemeinschaftszentren / GZ Buchegg ‹Jugend und Tier›) ganz herzlich für die Unterstützung.

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Freitod und Arterhaltung liegen im Tierreich manchmal nahe beieinander.

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Killerinstinkt Dass manche Vertreter der Fauna selbstzerstörerisches Verhalten an den Tag legen, ist bekannt. Unmittelbar fragt man sich, ob man dabei sogar von Suizid sprechen kann. Katja Fässler ging dem tierischen Freitod nach – und wurde prompt auf ihre eigenen menschlichen Instinkte zurückgeworfen … Illustration: Karolin Pyrcik

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s war einmal ein Hund. Ein äusserst lebenslustiger Hund, dessen Herrchen, dem er jahrelang seine Treue erwiesen hatte, eines Tages unerwartet verstarb. Der Hund war von da an nicht mehr derselbe. Er wurde lustlos und depressiv. Tagelang sass er am Grab seines verstorbenen Besitzers, verweigerte jegliche Nahrungsaufnahme, bis er schlussendlich vor Ort verhungerte. Dies ist nur eine der Geschichten, Legenden und Mythen, die von Tieren berichten, die aus Angst oder Frustration Selbstmord begehen. Unter anderem findet man sie im Buch ‹Tiere erzählen vom Tod› von Penelope Smith, oder sie flackern in Form von Filmen über die Leinwand, wie zum Beispiel im Disneystreifen ‹White Wilderness› von 1905: Die Lemminge, eine Gattung der Wühlmäuse, stürzen sich darin scheinbar gedankenlos von Felsklippen, um in den tiefen des Ozeans ihr feuchtes Grab zu finden. Das im Film gezeigte Verhalten der Nager löste damals heftige Diskussionen aus. Ein etwas alltäglicheres Beispiel für ‹Tiersuizid›, das jedem bekannt sein dürfte, ist der absolut paradoxe Verteidigungsmechanismus der Honigbiene, deren Stachel als Waffe gegen Widersacher eingesetzt wird, worauf die Biene allerdings selbst ins Gras beisst. Ist das Selbstmord? Oder einfach eine etwas dubiose Einrichtung von Mutter Natur?

Bewusst oder bewusstlos?

Gemäss Professor Barbara König, Verhaltensforscherin der Universität Zürich, handelt es sich um genau das Gegenteil: Die Sicherung der Nachkommen, die Verbreitung der Gene. Man spricht nicht von Selbstmord, sondern von Aufopferung, erklärt sie. Es existieren beispielsweise Spinnenarten, die nur einmal im Leben Eier legen können und sich deshalb der frisch geschlüpften Brut selbst zum Frass vorwerfen. Dies erhöht die Überlebenschancen des Nachwuchses und ist somit eher ein knallharter Beweis für wahre Mutterliebe. Die Biene handelt aus einem ähnlichen Grund, sie verteidigt den Bienenstock und wird zum Märtyrer. ‹Wir

kennen einige solche Beispiele im Tierreich, in denen es sich genetisch lohnt, einen Selbstmord zu begehen. Und zwar als völlig wertfreier Prozess›, meint König. Offen bleibt aber die Frage, ob sich die Tiere des freiwilligen Todes bewusst sind. Die Denkweise der Tiere zu erforschen, ist äusserst schwierig, erklärt die Professorin. Es gäbe jedoch Versuche, die dafür sprechen, dass Tiere ein Bewusstsein haben. Abgesehen

Während beim Menschen der Selbstmord als eine Art Selbstzweck angesehen werden kann, opfern sich Tiere in den meisten Fällen für ihre Artgenossen. davon sei es aber nicht einmal nötig, eine solche geistige Verfassung festzustellen, um von Selbstmord sprechen zu können. Es gäbe nämlich allein für das Wörtchen ‹Bewusstsein› mehrere Definitionen. Einem Menschen, der sich normal verhält, unterstellt man landläufig auch ein Bewusstsein. Dass diese Hypothese stimmt, kann man jedoch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen. Der tierische und der menschliche Selbstmord unterscheiden sich in der Regel grundlegend voneinander. Vergleichbare Verhaltensweisen wie die des Hundes, der sich am Grabe seines Herrchens zu Tode trauert, müssen eher als Einzelfälle betrachtet werden. Während beim Menschen der Selbstmord als eine Art Selbstzweck angesehen werden kann, opfern sich Tiere in den meisten Fällen für ihre Artgenossen. Daraus kann man schliessen, dass der Gedanke ‹Ich bin todunglücklich, ich möchte 93

mich umbringen› in der Form bei einem Tier nicht auftreten kann. Oder man vermutet es zumindest.

Ein Stubentiger erklärt

Es war anzunehmen, dass auf Seiten der Wissenschaft äusserst rational mit dem Thema umgegangen wird. Auch das Verhalten der Lemminge ist laut Frau Professor König ein von Disney inszenierter Mythos. Das in ‹White Wilderness› beschriebene Phänomen habe in Wirklichkeit mit den Massenwanderungen und mit der daraus resultierenden Massenpanik zu tun. Die Lemminge würden sich gegenseitig von den Klippen drücken, wenn zu wenig Platz auf ihrem Wanderpfad ist. Aber als absichtliche Selbsttötung, als verzweifelter Akt, der als einziger Ausweg aus einer scheinbar aussichtslosen Situation führen soll, kann dieses Verhalten nicht verstanden werden. ‹Handlungsmotive des Menschen so einfach auf das Tierreich zu übertragen, das geht nicht›, meint König. Um herauszufinden, was in den selbstzerstörerischen Tieren vorgeht, müsste man schon mit ihnen sprechen können. Gesagt getan. Denn es gibt ja bekanntlich Leute, die einen besonderen Draht zu Tieren haben, quasi in ihre Gedanken eindringen und diese dann in die menschliche Sprache übersetzen. Genannt werden sie vorzugsweise Tierkommunikatoren, wobei es sich wohlgemerkt um einen ungeschützten Begriff handelt. ‹Ich sehe Bilder, erkenne Emotionen und Reaktionen im Tier. Ich versetze mich in das Tier hinein›, erklärt die Tiertelepathin Karin Grämiger, die sich freundlicherweise als Dolmetscherin von Tierisch nach Menschlich angeboten hat und die Webseite tiereganznah.ch betreibt. Zwar bleibt die Vorstellung, sich mit Tieren zu unterhalten, für die meisten grotesk. Trotzdem scheint es Indizien für die eine oder andere Erfolgsgeschichte zu geben, die durch Tierkommunikation ermöglicht wurde. Also stellt Frau Grämiger für uns die Frage: ‹Begeht ihr Tiere Selbstmord und wenn ja, warum?› Und zwar an Oxana, den Stubentiger der Tierkommunikatorin. Dieser lässt darauf folgendes verlauten: ‹Es gibt selbst-


verständlich wie bei euch Menschen Tiere, die sich entschliessen, nicht mehr leben zu wollen. Diese entscheiden dann, an einer Krankheit zu sterben, sich einem natürlichen Feind zur Verfügung zu stellen oder auch von einem Auto überfahren zu werden. Es gibt Tiere, die wollen sich sogar von ihren Artgenossen töten lassen.› Tiere in freier Wildbahn haben laut Grämiger zum Teil sehr unterschiedliche Motive für ihren Suizid. So habe ihr etwa ein Grindwal erklärt, warum einige seiner Artgenossen an Strände gespült werden und dort kläglich verenden. Nicht weil sie nach einem Kampf oder nach der Futterjagd die Orientierung verloren haben, sondern um ein Zeichen zu setzen. ‹Sie möchten die Menschen darauf aufmerksam machen, dass sie den Lebensraum Meer schützen sollen›, übersetzt Grämiger.

Je näher wir stammesgeschichtlich mit einem Organismus verwandt sind, desto eher glauben wir, seine Gefühlsäusserungen deuten zu können.› Dabei zeige beispielsweise nicht jeder Säuger seine Trauer durch seine Mimik. Dem Tier in der Folge die gleichen psychischen Motive zu attestieren wie dem Menschen, ist also im Endeffekt wohl einfach menschlicher Instinkt.

Instinktiver Griff zur Rasierklinge?

Inwiefern sich ein Wal mit dem Ökosystem auskennt ist natürlich äusserst zweifelhaft. Tiere folgen viel stärker dem Instinkt, während der Mensch seinem Verstand folgt. Sagt man zumindest. Oder glauben wir nur, uns so stark von den Tieren zu unterscheiden? Was, wenn unser selbstzerstörerisches Handeln ebenfalls instinktiven Ursprungs ist? Was, wenn die Menschen, die den Freitod wählen, einfach nicht mehr lebensfähig sind und eine Art innerer Impuls ihnen zur Selbsttötung rät? Professor Doktor Andreas Maercker von der Abteilung Psychopathologie & Klinische Intervention der Universität Zürich verneint diese Hypothese vehement. Beim Menschen könne bei nur ganz banalen Bedürfnissen wie Essen, Trinken, Schlafen oder Sex die Rede von Instinkten sein. ‹Suizide beim Menschen sind überwiegend Konsequenzen aus veränderten psychischen Zuständen, einschliesslich psychischer Störungen wie Depressionen, Sucht oder Psychose.› Allerdings sei die Durchführung des Selbstmordes keineswegs eine ‹freie› Entscheidung, sondern der Endpunkt einer Entwicklung, zu der man sich hingetrieben fühlt.

Angeborenes Mitgefühl

Der Selbstmord, wie man ihn vom Menschen her kennt, scheint im Tierreich also nicht zu existieren. Auch wenn es sicherlich bedeutende Ausnahmen geben mag. Der eine Hund wirkt tatsächlich todtraurig, wenn sein Herrchen stirbt, viele andere dafür aber nicht. Denn der Überlebensinstinkt ist sowohl beim Tier als auch beim Menschen immer noch der dominierendste. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es nur allzu verständlich, dass wir beim Anblick eines stürzenden Lemmings sofort das Bild eines Menschen vor Augen haben, der sich von der Brüstung eines Hochhauses in die Tiefe wirft. ‹Dass Tiere Gefühle haben, ist klar›, meint Professor Barbara König. ‹Und ähnlich wie bei uns erfüllen diese Emotionen auch gewisse Funktionen. Angst beispielsweise schützt vor Gefahr. kinki report

Was wirklich in den Köpfen der Tiere vor sich geht, werden wir wohl nie erfahren.

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Javier Pi帽贸n

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kopfkino vom umschlag bis zum abspann

Hollywood und Kinderbücher haben eines gemeinsam: Sie vermitteln ein Image von Schmusetigern, menschenfreundlichen Orkas, intelligenten Schweinchen, sprechenden Tieren oder Dackeln, die auf Abenteuerreise gehen. Unsere Buch- und Filmauswahl ist da nicht ganz so realitätsfremd, aber auch nicht vollkommen naturalistisch. Buch adlerauge

Seesterne, Schlangen, ‹Drachen› und Algen damals ausgelöst haben mögen. Denn obwohl die BBC-Serie ‹Planet Earth› heute eben solch aussergewöhnliche Tiere naturgetreu in prächtigen Farben und in High Definition vorführt, kann ich meinen Augen manchmal kaum trauen. Ein bisschen versetzt einen der Bildband auch in die eigene Kindheit, wo Lexika und Enzyklopädien angereichert mit etwas Fantasie auch ohne die Hilfe von Fotografie, bewegten Bildern oder Internet die Welt erklären konnten. Erschienen bei Taschen, ca. CHF 40.–

Albertus Seba: Cabinet of Natural Curiosities In Albertus Sebas Bildband ‹Cabinet of Natural Curiosities› gehen wir einen Schritt zurück ins 18. Jahrhundert und sehen eine Sammlung animalischer und pflanzlicher Kuriositäten, wie wir sie höchstens aus dem Biologieunterricht oder dem naturhistorischen Museum kennen. Wir tauchen in die Zeit, als der Apotheker Albertus Seba aus unstillbarem Wissensdurst die unerschöpfliche Fauna und Flora zu erforschen suchte. So sammelte Seba seinem Beruf entsprechend unzählige unbekannte Pflanzen und Wesensarten in seinem Kabinett an. Später liess er sie mittels Illustrationen dokumentieren und veröffentlichte sie in einem vierbändigen Katalog. Sebas Naturaliensammlung gilt heute als ‹naturhistorische Errungenschaft›. Das vorliegende Buch wurde ‹nach Vorlage eines seltenen, von Hand kolorierten Originals› reproduziert. Leicht kann ich mir beim Durchblättern des über 400 Seiten starken Werks vorstellen, welche Verwunderung, Irritierung und Ungläubigkeit die sonderbaren Insekten, kinki kopfkino

affentheater James Lever

Ich,

Cheeta

Die Autobiographie

Edition TIAMAT

James Lever: Ich, Cheeta Eigentlich gehört ‹Ich, Cheeta – Die Autobiographie› so gar nicht in mein literarisches Beuteschema. Ein Buch von einem Schimpansen über sein Leben und seine Karriere, das von einem Autor verfasst wurde, dessen wahrer Name, James Lever, anfänglich für das Pseudonym eines Ghostwriters gehalten wurde. Immerhin ist der Schimpanse der Affenstar aus den Tarzanfilmen und geht im wirklichen Leben angeblich auf die 80 zu. Ein überraschend hohes Alter für einen Schimpansen. Wie es sich für Hollywoodstars gehört, bestehen also Zweifel an seinem wahren Alter und auch daran,

ob der Affe, dessen Geburtstag jährlich medial gefeiert wird, überhaupt je in einem Tarzanfilm mitgewirkt hat. Aber lassen wir diese Nichtigkeiten beiseite und wenden uns seinen tierischen Memoiren zu, welche die Autobiographien zahlreicher Zeitgenossen in den Schatten stellen. Die Geschichte ist diese: Cheeta, der sich zwölf Filme lang neben Tarzan alias Johnny Weissmuller und Jane alias Maureen O’Sullivan über die Leinwand schwang, erzählt sein Leben von seiner Entführung aus dem tiefen Afrika bis zu seinem komfortablen Dasein als Pensionär und abstrakter Maler in Palm Springs, Kalifornien. Bestechend witzig und unverfroren ist dabei seine Sicht auf Hollywoods goldene Zeiten. Cheeta hat alle seine Schauspielkollegen und Hollywoodsternchen der 1930er- und 40er-Jahre überlebt und zieht nun bitterböse über seine Co-Darsteller her. Charlie Chaplin, Harrison Rex, Marlene Dietrich und vor allem seine ‹Konkurrentin› Maureen O’Sullivan kriegen ihr Fett weg. Einzig Johnny Weissmuller bleibt von diesem gestrengen und sarkastischen Blick verschont, vielmehr entpuppt sich der Roman als Liebeserklärung an den Tarzandarsteller und als Chronik einer unerwiderten Liebe. Es ist eine perfekte Parodie auf die goldene Ära Hollywoods, auf überschätzte Schauspieler und die Gesellschaft, die von lautem Affengekreische übertönt wird. Ausserdem erinnert das Buch auch an die anhaltende Hollywood-Krankheit, sich durch eine (von einem Ghostwriter verfasste) Autobiographie unsterblich zu machen, zum Teil auch schon im Alter von 17 Jahren. Da lachen ja die Affen. Erschienen bei Edition Tiamat, CHF 27.90

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Alex Pardee: Awful / Resilient Mit ‹Awful / Resilient› veröffentlicht einer meiner Lieblingsillustratoren diese Tage sein neues Buch. Da der 2008 erschiene Vorgänger ‹Awful / Homesick› zurzeit bei Amazon für läppische $ 349.99 angeboten wird, ist es möglicherweise ratsam, sich dieses Werk rechtzeitig zu bestellen. Nun gut, ‹Awful / Resilient› ist bei Leibe kein Bilderbuch für jedermann. Es ist vollgepackt mit kleinen Kreaturen mit viereckigen Köpfen, missbildeten Menschen, Fabelwesen und Monstern. Alex Pardee macht keinen Hehl aus seiner Verehrung für Horrorfilme. Dabei ziehen sich Därme und sonstige Innereien wie ein roter, blutiger Faden durch die Seiten dieses Buches. Der Künstler Pardee erschafft immer wieder surreale und zumeist farbige Bilderfluten, die dem Betrachter ein Lächeln auf die zitternden Lippen zaubern. Es sind in meinen Augen vor allem die Gegensätze, die seine Illustrationen auszeichnen, wie beispielsweise ein süsser, kleiner Schlumpf mit in Blut getränkten Händen. ‹Awful / Resilient› schliesst lückenlos an ‹Awful / Homesick› an und zeigt Pardees gesammelten Werke seit 2008 auf 172 Seiten. Erschienen bei Gingko Press, ca. CHF 40.–


federlesen

Kino

vogelperspektive

Sass Brown: Eco Fashion Sass Brown ist Professorin am Fashion Institute of Technology in New York und stellt in ihrem Buch ‹Eco Fashion› wegweisende ÖkoModelabels vor. Als Reaktion auf die sozialen und ökologischen Bedingungen haben sie sich pflichtbewusst der ökologischen Mode verschrieben. Sie springen nicht aus strategischen Vermarktungsgründen auf den globalen Trend auf, sondern gehören zu den Vorreitern, die mit ihrem Engagement einen Unterschied machen wollen. Sei es durch neue Business Modelle, Recycling, nachhaltige Produktionsprozesse, Abfalltrennung, Fair Trade oder die Unterstützung von Community Projekten. Natürlich soll auch gezeigt werden, dass Eco Fashion durchaus modisch sein kann und über Basics hinausgeht. Dies gelingt teilweise sicher, ein gewisser DIY-Touch haftet der vorgestellten Öko-Mode aber dennoch an. Die Mode ist selten Haute Couture, sondern eher kreativ, innovativ oder eben doch alternativ. Spannend sind dafür die spezifischen Engagements und Geschichten jedes Labels. Im letzten Kapital werden abschliessend bekannte Modedesigner und das soziale Engagement einzelner Labels geehrt, was dem Buch eine weitere Dimension hinzufügt. Weitere Info, Neuigkeiten und Öko-Brands gibt es auch auf Sass Browns Website ecofashiontalk.com.

Mahamat-Saleh Haroun: Un homme qui crie Inszenierte Luxusatmosphäre und frische Handtücher neben Armut und Krieg. Ein Pool in einem afrikanischen Luxushotel ist die Bühne von ‹Un homme qui crie›. Er steht im krassen Gegensatz zu der Welt, die sich hinter den Mauern des Hotels verbirgt. Der stille und leise Adam (Youssouf Djaoro) ist als Poolaufseher so etwas wie der Wärter dieser heilen Welt. Doch eines Tages wird er von seinem attraktiven Sohn Abdel ersetzt. Zur selben Zeit rücken Rebellen auf die Hauptstadt zu und UN-Soldaten verschwinden. Der Regisseur Haroun verzichtet in seinem Gesellschaftsporträt auf emotionale Nähe zu den Charakteren. Trotz Armut und Krieg geht es Haroun nicht um Gefühlshascherei. Die Aufnahmen sind eindrücklich und doch bleibt der Film in seiner Stimmung ruhig, beinahe erschreckend nüchtern. Kritische Themen wie etwa globale kapitalistische Machtverhältnisse werden auf ruhige und meditative Art dargestellt. Gerade diese Reduzierung regt zum Nachdenken an. Seit 9. Juni im Kino.

mausefalle

Erschienen bei Laurence King Publishing, ca. CHF 35.–

Unsere Rezensentin Florence Ritter möchte als Panther, unser Rezensent William S. Blake als Kapuzineräffchen oder Alex Pardee-Geschöpf wiedergeboren werden. Bis zur nächsten Inkarnation müssen sie für uns aber noch die Leseratten spielen.

Icíar Bollaín: Even the Rain / También la Lluvia Gael Garcia Bernal. Mehr Argumente müsste man eigentlich nicht nennen, um sich ‹Even the Rain› anzuschauen. Der Vorzeigeschauspieler Lateinamerikas spielt den jungen Regisseur Sebastian, der in Bolivien ein Epos über Christopher Columbus drehen möchte. Während des Drehs wird immer deutlicher, dass Unterdrückung, Gier

und Macht, der kaltblütige Kampf um Gold und Geld nach wie vor vorherrschen und Bolivien sich in einer anderen und doch derselben Situation befindet. Icíar Bollaín hat ‹Even the Rain› filmtechnisch sehr intelligent gestrickt. Weil er einen Film über einen Film gemacht hat. Die gespielten Schauspieler, die fiktionale Filmcrew, die Filmemacher und schliesslich wir Zuschauer ermöglichen eine Vielzahl an Interpretationsebenen. Die erschütternde Botschaft des Films wird dadurch erhärtet, dass beide Erzählebenen tatsächlich auf realen Begebenheiten beruhen. Ab 30. Juni im Kino.

junger gockel

Richard Ayoade: Submarine Oliver Tate (Craig Roberts) ist 14. Er möchte entjungfert werden und der Verehrer seiner Mutter nervt. Schon wieder ein Regisseur, der die Weisheiten seiner pubertären Vergangenheit in eine mittelmässige Komödie presst? Zum Glück nicht. ‹Submarine› ist anders als viele Coming-of-age-Filme. Weil britische Jungen in Dufflecoats hinreissend anzuschauen sind. Weil das Mädchen, in das sich Oliver verguckt, es faustdick hinter den Ohren hat. Und weil Alex Turner von den Arctic Monkeys den Soundtrack für ‹Submarine› mitproduziert hat. Der Titel führt den Zuschauer schon auf die richtige Fährte: Der Film spielt in der Zeit, als die Beatles ihre grössten Erfolge feierten, und die Hauptfigur sieht sogar wie eine Miniatur von Paul McCartney aus. ‹Submarine› ist das Regiedebüt von Richard Ayoade, der sich bereits als Schauspieler in TVSerien einen Namen gemacht hat. Ja, es ist ein Teenagerfilm – und wenn schon. Die gute Musik und die talentierten Schauspieler überzeugen einfach. Ausserdem handelt der Streifen vom Erwachsenwerden als Brite: ein Sujet, das sowohl mitleidserregend als auch urkomisch sein kann – man denke nur an ‹Harold and Maude›. Seit 16. Juni im Kino.

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DVD

raubtier

Oliver Assayas: Carlos – der Schakal 21. Dezember 1975, Wien: Sechs schwer bewaffnete Terroristen stürmen das OPEC-Gebäude und nehmen den mächtigsten Ölminister der Welt gefangen. Der Urheber der Tat: Carlos, der Schakal. Oliver Assayas’ Porträt über den einstigen Top-Terroristen ist mit seinen drei Teilen und insgesamt fünf Stunden Spieldauer ein richtiges Epos geworden. Kino und Fernsehen verschwimmen in diesem Werk, das mit einer internationalen und bunt gemischten Crew und einem überzeugenden Aufgebot an Kostümen und Sets die 70er wieder aufleben lässt. Kapitalismus, Marxismus, Sexismus sind die Schlagworte dieses monumentalen Streifens, in dem man auch viel über die jüngere Geschichte erfährt. Der Regisseur versteht es, den Zuschauer stets auf Distanz zu der vielschichtigen Hauptfigur zu halten und zeichnet vielleicht gerade deshalb ein eindrückliches Porträt von dem noch heute in Haft sitzenden Terroristen. Bereits auf DVD erschienen.

Fusion Festival und ‹MitfahrgelegenheitHopping› durch Europa machen unsere Rezensentin Franziska von Stieglitz diesen Monat zu einem vogelfreien Möchtegern-Hippie. Deswegen gibt sie sich auch cineastisch ganz den Revolutionsgedanken und kritischen Politthemen ferner Länder hin und schwebt gedankenverloren in den 70erJahren.




schauplatz die besten adressen für kunst

Nachdem wir letzten Monat einen Zwischenstopp in Island eingelegt haben, dringen wir diesmal noch etwas weiter in den Norden vor. In Oslo entdeckten wir die Fotogalleriet, die erste Galerie Norwegens, die sich vor über 30 Jahren ganz der kamerabasierten Kunst verschrieb. Text: Franziska von Stieglitz

M

itten im Stadtzentrum der norwegischen Hauptstadt, unweit der Einkaufsmeile Karl Johans Gate, befindet sich die Fotogalleriet. In den wilden 70ern, während Kunsthistoriker sich noch stritten, ob die neuen Medien ernsthaft als Kunst angesehen werden dürfen, gründeten Fotografen in Oslo den ‹Forbundet Frie Fotografer›, kurz FFF, und eröffneten die erste Galerie in ihrem Land, die diese neuartige Kunst ausstellte. Nach ihrer Gründung 1977 kümmerte sich die Fotogalleriet mit Ausstellungen, Seminaren, Buchvorstellungen und andere Veranstaltungen darum, dass Fotografie als vollwertiges, künstlerisches Medium anerkannt wird und zeigte Tendenzen der zeitgenössischen und vor allem nationalen Kunst auf. Mittlerweile haben sich die Zeiten natürlich geändert: Fotografie und Videokunst gehören inzwischen international beinahe zum guten Ton einer jeden Kunstplattform. Das neue Ziel der Fotogalleriet ist es nun, im Wirrwarr an dauerhafter Medienpräsenz die ‹gute› Kunst herauszuheben. Dabei befinde sich die Kunstszene in Oslo immer noch im Entwicklungsstadium, erzählt Stephanie von Spreter, die Direktorin der Fotogalleriet. Und dies in perfektem Deutsch. Frau von Spreter kommt nämlich ursprünglich aus Deutschland, war früher Projektleiterin der Berlin Biennale und ist vor drei Jahren nach Oslo gezogen. ‹Aber obwohl die Kunstszene sich noch im Entwicklungsstadium befindet, hat sich in den letzten drei, vier Jahren erheblich viel getan›, erzählt sie weiter. Oslo sei nämlich gerade dabei, zu einem kleinen Geheimtipp für Künstler zu werden. Viele norwegische Künstler kehren aus dem ‹südlichen Exil› zurück. Und

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immer mehr ausländische Kulturschaffende – vor allem aus Island, Schweden und Deutschland – zieht es nach Oslo.

Neue Namen aus Norwegen

Das Publikum in der Fotogalleriet ist vorwiegend jung und die Galerie pflegt einen engen Bezug zur örtlichen Künstlerszene. Junge Künstler können zweimal im Jahr an einer Art Wettbewerb teilnehmen, dessen Sieger seine Werke in der Galerie ausstellen darf. Alle anderen Ausstellungen werden von Stephanie von Spreter direkt kuratiert. Darunter war dieses Jahr unter anderen bereits Susanne M. Winterling, die sich mit der Beziehung zwischen Fotografie und erfahrbarem Raum auseinandersetzt. Im August werden Tomas Ramberg, der für seine verschachtelten und mit Mustern übersäten Fotografien bekannt ist, und Beate Gütschow, eine Landschaftsfotografin, die Natur und

Städte dokumentiert, ihre gemeinsame Ausstellung ‹Dialogues› vorstellen. Danach werden die jungen Videokünstlerinnen und Fotografinnen Nina Toft und Hilde Honerud ab Oktober ihre Werke präsentieren.

Oben: Nina Toft Unten: Tomas Ramberg Fotogalleriet Møllergata 34 0179 Oslo Norwegen Dienstag bis Freitag, 12–17 Uhr Samstag und Sonntag, 12–16 Uhr Weitere Info findest du unter fotogalleriet.no.

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henry und paul

Von Nazis, Guccis und Handtaschen.

Text: Roman Neumann, Foto: Philippe

Sir? Sprich, Henry. Sir, bei allem Respekt, ich empfehle Ihnen, dieses Foulard nicht anzuziehen. Warum in aller Welt, Henry? Nun, Sir, ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber ... ... aber was, Henry? Es hat einen ziemlich weiblichen Touch, Sir. Tatsch? Quatsch. Und es ist mir einerlei, Henry. Elender Nazi. Bitte, Sir? Du denkst wie ein Nazi, Henry. Ich verbitte mir diese Beleidigung, Sir. Sei nicht gleich eingeschnappt, Henry. Nazis tragen auch alle dasselbe. Und Nazis fühlen sich nur wohl, wenn niemand aus der Reihe tanzt – im wahrsten Sinne des Wortes. Trapp, trapp, trapp, so defilieren sie vor dem Führer, links, rechts, links, rechts. Und jetzt stell dir einen Nazi in rosa Uniform vor, der statt des eintönigen Gleichschritts lustige kleine Tanzschrittchen macht, inklusive Pirouette. Ich verstehe kein Wort, Sir. Er würde auf der Stelle exekutiert werden. Das gleiche passiert mit den Blicken aus den Augen der Mode-Nazis da draussen. Sie töten alles, was nicht in ihr uniformiertes Weltbild passt. Verwechseln Sie Stil nicht mit Uniformen, Sir. Stil? Und warum dürfen junge Männer wieder Schnauz tragen? Schnauz, Henry, Schnauz! Yves Saint Laurent, Dior und wie sie alle heissen, das sind die heutigen Führer der Nationen. Die wahren Nachfolger Adolfs. Weshalb, Sir? Schau dir doch nur mal die Handtaschen an, Henry! Da prangt das Logo tausendfach darauf: es ist das neue Hakenkreuz. Und die neidischen Blicke der jungen Mädchen! Sie werden infiziert und marschieren, sobald sie das Geld angeschafft haben, im Gleichschritt in den Laden, um sich ebenkinki henry und paul

falls die Tasche zum Glück, die moderne Armbinde sozusagen, zu kaufen.

Regen Sie sich nicht auf, Sir. Was hat das alles nun mit diesem Foulard zu tun, Sir? Lass es mich einfach tragen. Warum ist es denn so schwer zu verstehen, dass es mir manchmal einfach egal ist, wie ich aussehe?

Jetzt übertreiben Sie aber, Sir. Vielleicht ein bisschen. Einige Frauen wehren sich übrigens erfolgreich gegen die neue Armee der Mode-Arier. Sie tragen schlichte Handtaschen und das Wichtigste: Sie tragen sie auf der Schulter. Der Rest trägt sie am Ellbogen vor sich her.

Nun gut, Sir. Aber übrigens: das Foulard ist von YSL, Sir. Geh jetzt einfach, Henry. Geh mit Gott und Hitler, aber geh!

Die Tasche am Ellbogen? Was soll das bringen, Sir? Nazis haben grosse Ähnlichkeit mit Zombies, da sie ebenfalls blind dem Blut hinterherlaufen. Und Zombies strecken immer die Arme nach vorne, weiss man doch. Und was passiert mit deinem Arm, wenn du die Tasche am Ellbogen trägst? Eben. Blutleere Mode-Zombies. Nazombies! 114


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