kinki magazin - #24

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nr. 24 apr/mai 2010 chf 6.–

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Nie war es einfacher, grossartige Bilder zu machen.

Die neue E-PL1.

Spiegelreflexqualität und HD Videos – so leicht kann’s gehen. www.de.olympus.ch/pen

„Ich liebe die Perfektion der Geometrie.“ Chris Mettraux, Webdesigner, Schweiz


‹editorial› sending broken flowers Liebe Leser. Jipieeh! Jetzt ist es raus. 2010 wird das beste Jahr seit langem, der junge Sommer nach dem ranzigen Winter die schönste Zeit deines Lebens und alles andere stellt sich von allein ein. Endlich kommen wieder gute Jobs ins Haus, die Spass machen, sogar noch ein paar Stutz abwerfen und das Grillieren wird offiziell zum Volkssport Nummer eins deklariert. Toll! Vollgepumpt mit Glückshormonen taumeln wir der Sonne entgegen. Und das alles ohne Schattenseiten? Mmh, warum eigentlich nicht? Schon möchte man gar nicht mehr glauben, dass uns ein paar glückselige Momente ganz einfach so, ohne Gegenleistung, ohne Opfer und Leiden, gewährt sein sollen. Und dabei wurde das laufende Jahr noch als ‹Übergangsjahr› zwischen Rezession und Hochkonjunktur ausgerufen, eine objektiv gesündere Wirtschaftsund ihr entsprechende Gemütslage lässt sich nicht ohne schlechtes Gewissen proklamieren. Aber trotzdem fühlt sich gerade alles gut und richtig an. Eskapismus galore? Ja, vielleicht, aber warum denn nicht? Manchmal bleibt uns nur die Abstraktion, das ist besser als nichts. Und eigentlich auch viel schöner als das echte Leben. Eure frohgelockte und unverblümte kinki Redaktion

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[L I F E AFT E R SKAT E ]


2010

We A c t i v i s t s M . E . G. A , A L E X PR A G E R , C H R I S PA S T R A S , F R A N K I E S H I N & S A G E VA U G H N SHOT BY C H E RYL D U N N www. we s c . c o m





Loreak Mendian Switzerland ThreeLogy GmbH phone: +41 (0)43 477 88 66 e-mail: info@threelogy.ch


‹content› Standard 3 10 12 18 108 110 114

Editorial Content Gossip Klagemauer Abo / Impressum Media Henry & Paul

Report 30 34 40 42

Der bleierne Vorhang Sumo Argentino Callcenter Zehn Minuten mit Stéphanie Moisdon 44 Querschläger: Roman Würsch 46 Letter from a Newborn Nation

Sound 54 Soundcheck 56 Album des Monats: We Have Band 58 Interview: Loney, Dear 60 Universe of the Weird 64 Playlist: DJ Sassy J 66 Interview: Beach House

Fashion 22 ‹Tuer le Temps› von Véronique Hoegger 68 ‹Butterflies and Hurricanes› von Billy Kidd 76 Luck Be a Man! 80 ‹Where my Boys at?› von Daniel Cramer 88 Vertreter: Desert Boot 90 Interview: Sam Frenzel

Art & Co. 92 Jonathan Zawada: Big Mouth 100 Top Notch Gallery: Gladstone Gallery, Brüssel 102 Madame Peripetie: Paper Monsters 112 Auf zu neuen Weiten

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‹contributors›

Jonathan Zawada

Véronique Hoegger

Die Berufsbeschreibung des Austra­ liers Jonathan Zawada auf die zwei Zeilen einer Visitenkarte zu pressen, dürfte ziemlich schwierig sein. Der Tausendsasa arbeitet nämlich sowohl als Grafiker, Designer, Art Director, freier Künstler und vieles mehr. Einen kleinen Einblick in sein fast unüber­ blickbares Schaffen bietet uns Jona­ than in dieser Ausgabe mit Werken aus seinem Projekt ‹Big Mouth›. Wer sich einen genaueren Überblick über Jonathans Bilder, Videos und De­ signs verschaffen will, der sollte sich allerdings am besten mal durch das riesige Portfolio seiner Schwei­ zer Agentur ‹One Louder› scrollen. – S. 92

Ihren unglaublich charmanten fran­ zösischen Akzent verdankt die Wahlzürcherin Véronique Hoegger ihren Lausanner Wurzeln. Ihr Au­ ge für spezielle Settings und Bilder verdankt sie jedoch ihrem Talent und ihrer Erfahrung, denn Véronique fotografiert seit 15 Jahren in ver­ schiedensten Bereichen und hat ih­ re Leidenschaft vor 9 Jahren zum Beruf gemacht. ‹Egal ob in privaten Projekten, auf Porträts oder in der Modefotografie: ich möchte in meinen Bildern ein spezielles Gefühl mit dem, was ich sehe, in Verbindung brin­ gen. Zusammen mit einem tollen Team haben wir für die Strecke «Tuer le Temps» ein solches Gefühl ge­ funden.› Voilà… – S. 22

Billy Kidd

Daniel Cramer

Auf die Frage hin, wie er denn sein Leben in einigen kurzen Sätzen zusammenfassen würde, antwortete uns der Modefotograf Billy Kidd folgendes: ‹Ich wurde 1980 in Pana­ ma City, Florida, geboren. Als ich 5 Jahre alt war, lackierte mir meine Schwester gerne meine Zehen­ nägel, ein Jahr später verkauften mei­ ne Eltern ihr ganzes Hab und Gut in einem Garagenverkauf. Die 20 Dol­ lar, die sie damit verdienten, steck­ te ich in eine kleine Holzbox und ver­ grub sie im Vorgarten. Gefunden habe ich sie leider nicht mehr… Auf­ gewachsen bin ich dann in Phoe­ nix, Arizona, ich nuckelte an meinem Daumen bis ich 13 Jahre alt war. 1999 wurde ich Vater eines Sohnes, der mich zu all dem machte, was ich heute bin. Meine Freunde und Familie bedeuten mir alles. Ich trage gerne Fliegen, vor allem solche, die glänzen. Und ich bin ein Schle­ ckermaul…› – S. 68

‹Meine Nüchternheit ist der grösste Rausch meiner jungen Vergangen­ heit›, fasst der Wahlhamburger seine Erfahrungen der letzten Jahre zu­ sammen, in denen er sich nach ver­ schiedenen Assistenzjobs in New York, Paris und Afrika als Fotograf eta­ blierte. Entsprechend nüchtern ist denn auch seine Herangehensweise an die Fotografie: ‹Ich mag un­ spektakuläre Fotos und Filme lieber als die ganze «Hollywood Photo­ shop CGI»­Vergewaltigung in Presse und TV. Fotos sollten beruhigen und mir die Zeit geben, die Momen­ te lange zu betrachten – und zwar verdammt noch mal so lange, wie ich das eben möchte.› Zu sehen sind die – wie wir finden – doch sehr spektakulären Fotografien von Dani­ el Cramer in der Strecke ‹Where my Boys at?› in dieser Ausgabe. – S. 80

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‹gossip›

klemm sie dir! Handlich und zum Greifen nah: kinki verlost eine Eva Clutch Bag von Griesbach!

‹agenda›

04 13.02. – 16.05.

damien deroubaix – die nacht Kunstmuseum, St. Gallen 20.04.

archie bronson outfit (uk) Mascotte, Zürich 23.04.

eight legs (uk) & my heart belongs to cecilia winter (ch) Dachstock, Bern

kinki presents dj elroy (f) und rafale (f) at wakecity

Papiersaal, Zürich 26.04.

Irgendwann hatten wir einfach genug davon: vom alternierenden Modeschmuck, den Bergen von H&M-Klamotten und den 1001 Modetaschen, die sich in unserem begehbaren Kleiderschrank aka Zimmer ansammelten. Unser tiefstes Inneres schrie nach Qualität und Nachhaltigkeit! Saisonalen und übermodischen Stücken wurde fortan trotz verführerischer Erschwinglichkeit der Zutritt in unser Reich verwehrt und dafür sehnsüchtig den etwas teureren, dafür aber langlebigen Stücken nachgeblickt. Das Schweizer Taschenlabel Griesbach gehört zu eben diesen qualitativ hochwertigen Produkten, die uns mit Stil über Jah-

re begleiten werden. So thronen auch einige Modelle der Frühlings-/ Sommerkollektion 2010 ganz weit oben auf unserer Wunschliste. Die Weekender Bag, die Eva Clutch Bag, die Tote Bag und die Rucksack Bag sind allesamt aus Kalb- oder Kuhleder und vermählen gekonnt modische Schnitte mit klassischem Design. Viele der Modelle der Geschwister Griesbach sprechen das Frauen- ebenso wie das Männerherz an. Wer sein Begehren kaum in Zaum halten kann, schlendere auf griesbachweb.com und verfolge aufmerksam unseren Blog, denn kinki verlost diesen Monat eine Eva Clutch Bag. (fr)

wasted Der Name ist Programm für eine neue Partyreihe in der Limmatstadt, innerhalb derer den Gästen eine biergetränkte Plattform für exzessive Feierei geboten wird! ‹Going wasted› bedeutet für die jungen Veranstalter: betrunkene Anekdoten erzählen und natürlich mit gutem Sound abgehen! Kleine Überraschungen, die dem feierwütigen Gast von leichtbekleideten Damen auf dem Silbertablett präsentiert werden, sollen die Stimmung weiter Richtung Siedepunkt treiben. Wasted ist die jüngste Veranstaltung im Zür12

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cher Club Cabaret und versucht mit einem Fidget-House-lastigen Line-up dem Geschmack der urbanen Twens ein neues Partyzuhause zu geben. Doch auch Liebhaber des Baile Funk, House, Tech-House, Elektro und Minimal sollen nicht enttäuscht werden. Ein internationaler Hauptact wird von DJ-Lokalmatadoren an den jeweiligen Nächten gebührend eingerahmt. (sb) Club Cabaret Geroldstrasse 15 8005 Zürich cabaret.im

doll and the kicks (uk) & chapel club (uk) Hafenkneipe, Zürich

new young pony club (uk) & special guests Hive, Zürich 27.04.

crystal castles (can) & male bonding (uk) Rohstofflager, Zürich 28.04.

we have band (uk) Club Bonsoir, Bern 29.04.

momford & sons (uk) Rote Fabrik, Zürich 30.04.

grand avenue (dk) Bierhübeli, Bern

05 01.05. – 09.05.

fumetto – internationales comix-festival Luzern 03.05.

pennywise (usa) & strike anywhere (usa) & a wilhelm scream (usa) Dynamo, Zürich 13.05.

stereo total (f/d) Mascotte, Zürich 15.05.

kashmir (dk) Kiff, Aarau

rocky votolato (usa) & special guests Zukunft, Zürich 16.05.

rufus wainwright (usa) Kaufleuten, Zürich


selbsternannte superhelden

Arschtritt gefällig? Altmeister Nicolas Cage und die süsse Yancy Butler verteilen Saures.

Der unscheinbare Teenager und Comicfan Dave beschliesst eines Tages, ein Superheld zu werden und schafft es schliesslich, ganz ohne übernatürliche Kräfte Verbrechen zu vereiteln und mit Hilfe von Handyfilmchen und YouTube Ruhm und ewige Ehre zu erlangen. Nur so viel sei zur Story von ‹Kick-Ass› verraten, ein Film, der sich nicht bloss als weitere Comic-Verfilmung in die lange Reihe der Superhelden-Blockbuster einreiht. ‹Kick-Ass› ist Parodie und Hommage in einem. Mit Nicholas Cage und Yancy Butler in den Hauptrollen wird das beliebte Gen-

re zwar gehörig auf die Schippe genommen, in vielen liebevollen Details geben die Macher – der Film wurde unter anderem von Brad Pitt produziert – aber ihre Liebe zum klassischen Superhero-Streifen à la Fantastic Four und Spiderman preis. ‹Kick-Ass› läuft seit dem 15. April in den Schweizer Kinos. Rechtzeitig zum Filmstart verlost kinki Kinotickets. Um zu gewinnen, schreibt einfach eine Mail mit Betreff ‹Kick-Ass› an wettbwerb@ kinkimag.ch. (mm) kickass-themovie.com

kunst kommt von können Kunst soll etwas auslösen im Betrachter, zur Diskussion anregen und die Gesellschaft reflektieren. Regelmässiger Austausch zwischen Künstlern, Publikum und deren Umwelt ist daher von grosser Wichtigkeit. Das Kollektiv ‹PowPow Happenings› sieht das genauso und organisiert deshalb eine temporäre Kunstgalerie der besonderen Art. Speziell für dieses Projekt wurde der ‹Kunstverein St. Pauli› ins Leben gerufen. In einer Wohnung im ersten Stock über der St. Pauli Bar an der Langstrasse finden den ganzen Monat April verschiedene Ausstellungen, Performances und Podiumsdiskussionen statt. Es geht in erster Linie darum, einen Open Space des Austauschs zu schaffen und die Besucher interaktiv an den Produktionen teilnehmen zu lassen und zu eigenen Aktivitäten zu motivieren. ‹Design dis Ei und nims hei› an den Ostertagen, ‹bring dein Bild und häng es auf› und ‹komm als Model oder Fotograf› sind Aktionen, die sich durch ihren ‹Mitmach-Faktor› von einem herkömmlichen Galeriebesuch abheben. Auch kunstübergreifende Themen wie die Sozialkultur der Quartiere um die Langstrasse sollen an Lesungen und Diskussionen aufgenommen werden. Unter den verschiedenen Ausstellern sind international tätige Künstler wie die junge St. Galler

Kunst zum Mitmachen: diesen Monat steht das Zürcher Rotlichtviertel ganz im Zeichen des Kunstvereins St. Pauli.

Grafikdesignerin Mizzo, der legendäre Schweizer Klangkünstler und Pionier in Sachen elektronischer Musik Bruno Spoerri oder das Pornokunst-Duo Glory Hazel mit ihren aktuellen Projekten zu sehen und zu hören. Die Räume über dem St. Pauli bieten aber auch Platz für Kindernachmittage, Yogakurse oder einfach als Treffpunkt für interessierte Be-

sucher. Eine wöchentlich erscheinende Ausstellungszeitung berichtet zudem über die Geschehnisse während des Projekts. Alles in allem ein dickes Bündel an Kultur und Kunst, das definitiv über einen normalen Galeriebesuch hinausgeht. Geh hin und erschaffe! (ah) st-pauli.ch powpowhappenings.blogspot.com

goofy dance, regular dance

Alles neu macht der Mai. Besonders ernst scheint man dieses Sprichwort im legendären Skate-, Snowboard- und StreetwearShop SigSagSug in Winterthur zu nehmen, denn pünktlich zum Frühjahrsputz erstrahlt der Shop mit einem kleinen aber feinen Sortimentwechsel und vielen neuen Gesichtern. Doch nicht nur Fashion-Victims und Sneakerjunkies wird mit einer breiten Auswahl an Modelabels, limitierten Turnschuhmodellen und Special Editions Rechnung getragen, sondern auch die alten Hasen kommen hier nach wie vor auf ihre Kosten: SigSagSug bleibt nämlich seinen Wurzeln treu und bietet – wie auch schon die letzten 15 Jahre – seinen Kunden beste Auswahl und Beratung im Skateund Snowboardbereich. Und da wir ja alle wissen, dass die Brettsportler keinen Anlass zum Feiern auslassen, liegt es nahe, dass sich SigSagSug gleichermassen auf Schnee, Asphalt und Tanzparkett um das Wohl seiner Freunde kümmert: nebst verschiedenen Skate- und SnowboardContests wird am ‹Lady En Vogue›Abend und an der SigSagSugParty im Salzhaus ordentlich das Tanzbein geschwungen! Und weil wir ebenfalls wissen, dass auch unsere Leserschaft nur ungern auf eine gelungene Feier verzichtet (vor allem wenn dort Partygaranten wie das DJ-Team Smith & Smart hinter den Turntables stehen), verlosen wir zwei mal zwei Tickets für die SigSagSug-Party am 8. Mai im Salzhaus in Winterthur. Schickt also einfach eine Mail mit Betreff ‹SigSagSug› an wettbewerb@ kinkimag.ch und mit ein bisschen Glück tanzt ihr schon bald durch die Winterthurer Frühlingsnacht! (rb) sigsagsug.ch

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pianoforte

chai-t

An der vergangenen New Nork Fashion Week zeigte Richard Chai seine Herbst- / Winter-Kollektion in Kombination zu Timberlands Premiumlinie ‹Boot Company›. Richard ist einer der bekanntesten Nachwuchsdesigner und zählt zu den Top Ten der ‹CFDA / Vogue Fashion Funds›. Chai bildet ausserdem mit Derek Lam und Peter Som den kleinen Kreis der ‹New Asians›, die in den letzten Jahren eine neue Designrichtung erschaffen haben. Die Boots für Männer und Frauen sind eine Synthese aus postindustriellem Design und moderner Fertigungstechnik. Sie erinnern an den Polo-, Croket- und WorkerLook aus dem New England zwischen 1900 und 1945. Eine

Zeit, der wir unter anderem ein immer präsentes Mode-Item wie die Jeans verdanken. Stellvertretend für diese Ära sind auch die Materialien Leder, Gummi, Canvas und Metallösen, die Richard Chai für die Linie ausgesucht hat. Das ganze ergibt einen Style, der aufs Wesentliche reduziert ist und original aussieht. Und ihr könnt ihn haben, den Look. kinki und Timberland verlosen zwei Paar des Männermodells in dunkelbraunem Wildleder! Schreibt einfach bis zum 15. Mai eine Mail mit dem Betreff ‹Timberland› an wettbewerb@ kinkimag.ch. Allerdings solltet ihr auf grossem Fuss leben, denn die beiden exklusiven Treter haben Grösse 44. (ah)

beats in clubs mit jeans

Im Wonnemonat Mai gehen die Denim Profis von Levi’s wieder einmal auf Reisen und bringen die Clubs mit der ‹Colours of Noise Tour› zum Beben. Wie schon von früheren Levi’s Partys gewohnt, 14

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kann sich das musikalische Line-up auch diesmal sehen lassen: SebastiAn vom französischen Headbang Elektro Label ‹Ed Banger Records› rockt die Bude gemeinsam mit Jackson, der beim englischen Qualitätslabel ‹Warp Records› unter Vertrag steht, und den New Yorker Jungs von French Horn Rebellion. Eine explosive Mischung also, die unter dem Schlachtruf ‹Colors of Noise› eine ausufernde Partynacht verspricht. Passend zum Tourmotto gibt’s für den Jeans Klassiker Levi’s 501 und auch für die Slim-Version 511 einen neuen Anstrich. Die Jeans trägt man diesen Sommer ja bekanntlich nicht nur in Indigoblau, und deshalb gibt’s die Levi’s jetzt auch bunt – ganz egal ob rot, grün, rosa oder weiss. (ah)

Manch ein Kind wurde früher vom ambitionierten, elterlichen Wohlwollen gepeinigt und der musischen Entwicklung zuliebe in die Musikschule geschickt. Zu meiner Zeit war besonders das Klavierspiel ‹en vogue› und manch ein Kind verschwand widerwillig hinter dem riesigen Klangkasten, wo es unter strenger Aufsicht des Lehrers beflissen seine Fingerfertigkeiten übte, während es viel lieber am ‹Tschutä› gewesen wäre. Dieses Engagement rechnete sich auch in der Pubertät nicht, da das klassische Instrument weder zu Nirvana noch zu Bob Marley passte, geschweige denn an den See getragen werden konnte. Im Fall von Yann Tiersen dürfen sich jedoch sowohl der französische Virtuose sowie seine begeisterten Zuhörer bei seinen Eltern dankbar und er-

kenntlich zeigen. Was für fantastische Kompositionen wären uns entgangen – unter anderem das wunderschöne Klavierspiel zu ‹Le Fabuleux Destin d’Amélie Poulain› – hätte der kleine Bretone nicht schon im zarten Alter von sechs Jahren in die Tasten gehauen und auf der Geige gefiedelt. Wer sich live von dem französischen Multiinstrumentalisten verzaubern lassen möchte, der hat am 3. Mai 2010 im X-TRA in Zürich die Gelegenheit dazu. kinki verlost 2x2 Tickets für diesen vielversprechenden Abend. Möchtet ihr in den himmlischen Melodien aus Klassik, Chanson, Folk- und Popmusik zergehen? Dann schreibt einfach eine EMail mit Betreff ‹Yann Tiersen› an wettbewerb@kinkimag.ch. (fr) x-tra.ch myspace.com/yanntiersencomposer

vive la france Nuit blanche à Zurich! kinki bringt die vielversprechende französische Combo ‹Rafale› in die Schweiz.

Für alle, die denken, elektronische Musik sei unpersönlich, langweilig und durchschaubar wie eine Atari-Konsole, bieten wir diesen Monat den passenden Gegenbeweis: die Band Rafale aus Frankreich kombiniert mit ihrem Sound nämlich housige Clubbeats mit treibenden Live-Drums und düsteren Basslines! So gelingt den drei französischen Soundtüftlern mit ihren Auftritten ein tanzbarer Mix aus Rock und Elektronika, der die Füsse zum Tanzen und die Augen zum Staunen bringt! Genau aus diesem Grunde haben wir uns entschieden, die Truppe um Julien Henry und Marc Aumont kurzerhand in den TGV zu setzen und nach Zürich zu bugsieren, wo sie am 23. April im Papiersaal ihre ‹Nouvelle Cuisine› der elektronischen Musik zum Besten geben werden! Unterstützt werden

sie dabei von DJ Elroy, Jaq Custeau, DJ JP Belmondo und DJ A. Delon, der Abend steht also ganz im Zeichen der Grande République. Allen, denen schon jetzt die Fusssohlen jucken, seien die aktuelle CD der Band sowie die Videos und das Interview auf kinkimag.com als kleiner Vorgeschmack ans Herz gelegt. Und damit auch allen, die über die teuren Preise der Zürcher Partylandschaft klagen, keine Ausrede bleibt, verlosen wir ausserdem 10 Tickets fürs Konzert! Einfach eine Mail mit Betreff ‹Rafale› an wettbewerb@kinkimag.ch schicken und mit ein bisschen Glück könnt ihr das gesparte Geld in eine Extrarunde Bier investieren. (rb) kinki presents ‹vive la france› featuring rafale, dj elroy, jaq cousteau, dj jp belmondo 23.4, papiersaal zürich



wild im zeichen des comics life In der gemütlichen Luzerner Altstadt dreht sich vom 1. bis zum 9. Mai alles um die Kunst des Zeichnens. Das internationale ComixFestival ‹Fumetto› geht dann nämlich in die nächste Runde. ‹Kunst erleben› wird bei dem Schweizer Event gross geschrieben, weshalb eine umfangreiche Plattform für künstlerisch anspruchsvolle Comics geboten wird, die in 18 Hauptausstellungen und rund fünfzig Satellitenausstellungen gezeigt werden. Dieses Jahr wird die erste umfassende Retrospektive der US-amerikanischen Comic-Legende Jack Kirby gezeigt, welcher auch als der ‹King of Comic› schlechthin gehandelt wird. Mit seinem Werk hat er den Superhelden-Comic nachhaltend beeinflusst und sowohl Mainstream- als auch Indie-Comics

Wenn die Schneeglöckchen erstmals die Schneedecke durchbrechen, die Vögel im Balzwahn um die Wette trällern und die Menschen es ihnen gleich tun, dann verabschiedet sich die kalte Saison, während neue Lebensgeister erwachen. Einzig die Schneesport-Afficionados nehmen den leisen Rückzug des Winters mit wehmütigem Herzen wahr, doch diese Schwermut vertreiben die Sonnenstrahlen bald, denn auch der Sommer lockt mit zahlreichen Brettsportarten. So sieht das auch das Snowboardlabel Zimtstern, das an der Badenerstrasse in Zürich endlich seinen ersten Shop eröffnet hat. Im Sommer wird dort Fashion, Street-, Skateund Surfwear sowie Kunst und Musik geboten und in Saus und Braus die Wintersehnsucht überwunden. Der Hang zur Natur schlägt sich denn auch – in grafische Muster und Karos übersetzt – in der Frühlings- / Sommerkollektion nieder. Wer etwas Wildlife im urbanen Dschungel, der Badi oder dem Skaterpark ausführen möchte, schicke eine E-Mail mit Betreff ‹Zimtstern› an wettbewerb@kinkimag.ch. kinki verlost nämlich einen Einkaufsgutschein im Wert von 150 Franken. (fr) Zimtstern Store Zurich, Badenerstrasse 571 a, 8048 Zürich zimtstern.com

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mit seinem Stil massgebend geprägt. Gespannt darf man auch auf den alljährlich stattfindenden internationalen Wettbewerb unter dem diesjährigen Motto ‹Du+ Ich =Wir› sein, welcher mit seinen drei Alterskategorien sogar schon vielversprechenden 6Jährigen eine spannende Möglichkeit bietet, ihr Können von Profis beurteilen zu lassen. Wer sich selbst davon überzeugen und in die fantastische und bunt schillernde Comicwelt eintauchen möchte, dem schaffen wir gerne Abhilfe: kinki magazine verlost nämlich fünf Tageskarten. Um an der Verlosung teilzunehmen, schickt einfach eine Mail mit dem Betreff ‹Fumetto› an wettbewerb@kinkimag.ch. (ak)

Comics mit X-Faktor: das internationale ComixFestival Fumetto zeigt die gezeichnete Wunderwelt in all ihren Facetten.

fumetto.ch

kinki präsentiert: the miserable rich on tour

Im britischen Seebad Brighton liessen sich bereits im 17. Jahrhundert die royalen Sprösslinge üppige Paläste errichten und versüssten sich die Wochenenden in den königlichen Gemächern mit den Klängen traditioneller Kammermusik. Heute ist Brighton einer-

seits Brutstätte der innovativsten Beats und Breaks, andererseits auch das kreative Zuhause vieler Indiebands. Eine davon ist ‹The Miserable Rich›. Unter der Leitung von Maestro James De Malplaquet prägen The Miserable Rich eine moderne

Variante der Kammer(pop)musik, die mit ihrer ursprünglichen Form höchstens noch die Wahl der Instrumente gemein hat – auf der Bühne bedient sich das Quintett nämlich der Geige, des Cellos und des Kontrabasses. Gemischt mit modernen Gitarren und den Texten des Sängers James de Malplaquet, lässt sich der melancholische Sound der Briten sehr gut auch ausserhalb fürstlicher Gemächer geniessen, nämlich schon bald auf den Bühnen Schweizer Clubs. Anfang April erschien das neue Album ‹Of Flight And Fury›, im Mai begibt sich das KammerpopQuintett dann auf Europatour. Alle weiteren Daten und mehr Informationen zu The Miserable Rich findet ihr unter myspace.com/ themiserablerich. (mm) kinki magazine präsentiert: ‹The Miserable Rich› 05.05. 06.05. 07.05. 08.05. 09.05.

Le Bout Du Monde, Vevey Papiersaal, Zürich Wagenhallen, Stuttgart Brotfabrik, Frankfurt TapTab, Schaffhausen


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INNOVATION


klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: auf kinkimag.com unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

wenn man mich aus regalen nehmen will, in denen ich gar nicht stehe. Anonymous | bitch, ich schlag dich zu hackfleisch. catharinaelisabeth | Wann kommt mein Traumprinz und zerrt mich auf sein hohes Ross? Ich werde immer nur angerammt von seinem Pferd und dann aus Mitleid mitgenommen. Anonymous | Und nach über fünf Jahren hier, schafft man es nicht meinen Namen richtig zu schreiben… wandacaramba | Dass jeder Morgen dafür hier ist, einem den Traum zu zerschmettern. Lafayette | nutella gehört nicht in den kühlschrank. Anonymous | traurig sein adeee, auch wenn ich sie nie wieder seh. Nur schade, dass es soweit kommen musste. Deshalb Klagemauer, du alte Sau, hör ich jetzt auf hier hineinzuschreiben. Hallo Welt… ich komme! Anonymous | Möchtegern-Intellektuelle die denken Picasso sei Surrealist Kitty13 | fickenfickenficken immer nur ficken! ich wünschte ich wäre die frau von gene simmons, der leckt wie ’ne eins!! bobowantsorgasm | Wir sind Papierfetischisten, das Druckpapier schmeckt so geil! wir | wo wie was weshalb warum???? fragen über fragen!!! haaaalllooooo wer hat da denn schon antworten… wiewaswarum | liebes universum: ich wünsche mir ein paar (ja es dürfen auch ein paar mehr sein als ein paar) intelligente, schöne, humorvolle, gigantische männer mit einem unglaublichen superigen charakter und noch alles (vieles), was dazu gehört. mein wunsch habe ich jetzt abgesendet. dream it take it | @dream it take it: hier spricht das universum. süsse, ich geh mir jetzt en bier holen und schau mir das champions league spiel an. duschen tu ich morgen! das universum schaut fussball und trinkt bier | oh liebe tante rösy, komm doch endlich zu besuch bei mir! s rösy | das ist die tücke des westens, nur im osten pocht das herz. Anonymous | Ihr ignoranten Tagträumer! Wacht endlich auf! Ivanhoe | life is a facebook – facebook is a bitch Anonymous | gossip gossip gossip gossip!!!!! Anonymous | niemand da der mir gute nacht sagt. Anonymous | wer bin ich? und wenn ja, wieviele? Anonymous | schon wieder die sendung mit der maus verpasst. die maus | dass ein Scheissmarder heute Nacht den Fuchsschwanz von meinem OPEL zerfetzt hat. Leo | Der Capri Sonne Ersatz aus dem Türkenladen um die Ecke namens ‹Juice› ist einfach nicht dasselbe… FuuhBooh | So erzogen worden zu sein, dass, wenn man einmal was Falsches macht, vor Angst hyperventilliert und von Gewissensbissen aufgefressen wird! Krümel | dass sich mein 6-jähriger nachbarsjunge von mir ‹ein laserschwert, einen traktor, einen hamster… oder nen bruder!› wünscht. ich glaube, da muss ich ihm noch einiges erklären. maryllusion | tut mir leid, aber entschuldigen werde ich mich nicht! sorry! the long long schwabbel | 18

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I am the fire, I am the flame. I am the one who stands strong. My fabric is tough, my heart is brave. My soul is also proudly made by each of you who wears me now and screams it loud,


‹kinkimag.com›

thomas ott Der Schweizer Künstler Thomas Ott gehört zu den spannendsten Comiczeichnern der Szene. Anstatt dick Tinte aufs Papier aufzutragen, kratzt und ritzt Ott mit einem Japanmesser weisse Linien und Flächen in einen schwarzen Schabkarton. Die Technik sowie die tragischen Geschichten, die Ott virtuos und detailaffin umsetzt, bedienen vorwiegend die dunkle Seite des Lebens. Eine Auswahl seiner Bilder gibt es auf kinkimag.com/art. Einen Blick in sein ‹Ottologisches Zimmer›, das mehr wie ein medizinisches Kabinett denn ein Comic anmutet, kann man vom 1.– 9. Mai 2010 am Fumetto Comix-Festival in Luzern werfen.

bloggerpanel Das Internet ist Schandfleck, Informationsquelle und Parallelwelt zugleich und prägt wie keine andere Erfindung unseren Alltag. Längst sind es nicht mehr nur Zocker, die ihre Freizeit vor dem Bildschirm verbringen; ein Teil des sozialen Lebens spielt sich heute online ab und ganze Branchen verschreiben sich dem neuen Hauptmedium. So auch die Mode, die durch zahlreiche Blogs von interessierten Fashion Victims wie auch von der Modeindustrie selbst im Internet und vor allem in den Blogs ihre neue demokratische Kommunikationsform

donkeyboy Die norwegischen Newcomer Donkeyboy begeistern mit ihren bombastischen Poparrangements und Stimmen so hoch wie der Mount Everest ihre Landsleute wie einst ihre Vorgänger A-HA. Doch nicht nur in ihrer skandinavischen Heimat, sondern auch im restlichen Europa möchten die ‹Eselsjungen› hoch hinaus. Deshalb führte sie bei ihrem Promotag in der Schweiz ein straffer Terminplan von Radiostation zu Zeitungsredaktion quer durchs Land. Wir ergriffen die Chance und lauerten Donkeyboy am Flughafen auf, um ihnen ein paar Fragen zu stellen. 20 kinki

gefunden hat. Trotz der vorherrschenden Varietät und Weitläufigkeit des Internets hat sich in der virtuellen Modewelt eine gewisse Gemeinschaft gebildet, die sogar Bloggerprominenz zu Tage bringt. Glücklicherweise findet diese Gemeinschaft auch im nicht digitalen Leben ihre Entsprechung und drängt sich an Fashionshows vor die Print-Redaktorinnen oder trifft sich zu Panels oder Kaffeeklatsch. Die kinki Redaktorin Ramona Demetriou wagte sich an ein Bloggerpanel und berichtet auf kinkimag.com/magazin über ihre Eindrücke als Blogjungfer.

more and more Nebst der hier vorgestellten OnlineExklusivitäten lauert auf kinkimag.com auch diesen Monat jede Menge mehr: mehr Blogs, mehr kinki Charts, mehr Wettbewerbe, mehr Künstlerporträts und Musikvideos, mehr Interviews und Artikel. ‹Wo bleibt da der Widerstand gegen die Konsumgesellschaft›, mögen sich nun die politisch Engagierten unter euch fragen. Doch wenn die Mehrheit mehr will, wieso sollte man ihr dann weniger geben, wenn man mehr hat? Oder so ähnlich…



TUER LE TEMPS photography Véronique hoegger styling Dominique stalder make-up & hair helve leal moDel nadine p. @ Visage mit Dank an: rosa leal mit lilou, ona pinkus & Franziska schläpfer

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page 22 & 23 morgenmantel und slip: globus essentials t-shirt: stylist’s own schal: ikou tschüss slip: h&m kniestrümpfe: american apparel

page 27 Wollpullover: second hand Bh: pleasure state bei globus top: stylist’s own rock: Blenda Vintage gummistiefel: ochsner shoes

page 24 pullover: levi’s red tab panty: Zimmerli bei globus

page 28 pullover: Blenda Vintage panty: stylist’s own

page 25 & 26 top: stylist’s own short: alternative bei Dings spitzen-leggins: mango pullover: second hand negligé: pleasure state bei globus spitzen-leggings: mango

page 29 top: stylist’s own Bh: Zinco bei globus rock: Blenda Vintage Woll-schal: mango spitzenbody: mbym bei Dings hose: american apparel gummistiefel: ochsner shoes


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Der bleierne Vorhang ich will eine Waffe besorgen. ein Sturmgewehr steht in fast jedem Keller. aber wo kriege ich eine Pistole her? ein Selbstversuch von roman neumann. illustration: lina Müller

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ls ich das erste Mal einem Typen das Gehirn wegpuste, grinse ich. Seine Hirnmasse spritzt dabei hinter ihm an die Wand, er sackt unnatürlich zusammen und sieht dabei ziemlich komisch aus. Ich bin 16 Jahre alt, niete mit Mausklicks etliche Gegner in einem Ballergame um und fühle mich mächtig und männlich. Drei Jahre später ist es kein Spiel mehr: Ich halte das erste Mal eine echte Waffe in meinen klammen Fingern. Sturmgewehr 90: 4,1 Kilo schwer, 20 Schuss. Es ist Februar, ich liege im Schiessstand im verschneiten Eigenthal am Fuss des Pilatus. Neben mir 20 nervöse Rekruten, hinter mir ein nervöser Leutnant. Der Boden ist gefroren, meine Zehen kalt, die Holzschnitzel, auf denen ich liege, riechen nach nichts. 30 Meter vor mir steht die Scheibe, sie simuliert den Feind. Ein kleines Viereck deutet den Kopf unseres Gegners an. Aber darauf dürfen wir nicht schiessen, ist verboten. Ein Soldat fragt: ‹Warum, Leutnant?› – ‹Egal›, sagt der, ‹die

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Kugel muss in die Brust.› Mein Helm drückt. Ich bin jetzt im Krieg. ‹Feuer!›, schreit der Leutnant. Meine Wange liegt auf dem Kolben, ich blinzle durchs Visier. Einfach abdrücken, kann doch nicht so schwer sein. Ich versuche ruhig zu atmen, es gelingt mir nicht. Schliesslich halte ich in meinen Händen eine tödliche Waffe. Diese Erkenntnis lässt mich zögern. Als die Schüsse meiner Kameraden neben mir bereits verklingen, ziehe auch ich den Abzug. Es ruckt. Leichter Rauch wabert in den kalten Morgen. Es riecht verbrannt. Ich habe gerade mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 905 Metern pro Sekunde eine Kugel mit dem Kaliber 5,6 mm in eine Kartonscheibe geschossen und mir ist mulmig zumute. Ich wurde an der Waffe entjungfert.

Desert eagle to go? Einige Jahre später, das Sturmgewehr verstaubt längst im Keller, will ich mir eine Waffe besorgen. Und zwar nicht aus dem Zeughaus, son-

dern auf dem Wege, wie Männer ausserhalb der Schweiz zu ihren Geschützen kommen. Mit Kinkerlitzchen will ich mich nicht aufhalten – mir schwebt eine Desert Eagle .50 vor. Habe ich mal in einem Film gesehen. In einem coolen Film. In Zürich gibt es einige Waffengeschäfte. Der erste Waffenhändler bugsiert mich sanft aus dem Geschäft, er meint, mit Schreiberlingen habe er nichts mehr am Hut. Ein Kunde, langer Bart, Jägerweste, beobachtet alles. Er grinst. Beim nächsten habe ich mehr Glück. Der hagere, grossgewachsene Händler holt den Schlüssel, schlurft zur Vitrine und legt mir die Desert Eagle .50 in die Hand. Ungeladen wiegt sie 1999 Gramm, der schwarze Stahl glänzt matt, der Lauf riecht nach Waffenfett. Ein regelrechter Hammer. Die Desert Eagle ist wohl auch tödlich, wenn man sie nur wirft. Der Verkäufer merkt, dass ich keine Ahnung von Waffen habe, erzählt mir beiläufig die technischen Daten, während ich die Desert Eagle in meiner Hand wiege. Es kämen viele Leute in den Laden, die ‹nur mal schauen› wollen, erklärt er. Doch das


Und ewig lockt die Waffe‌ Ist es ihr ästhetisches Ă„usseres, das uns so anzieht, oder vielleicht doch eher die faszinierende Macht, die sie mit sich bringt?

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seien nie potentielle Kunden. Wer eine Waffe kauft, weiss meistens genau, was er will. Und wer eine Waffe kauft, der hat einen Waffenerwerbsschein. Und den habe ich nicht. Ich muss also einen Waffenerwerbsschein erwerben, will ich mich beim Kauf einer Waffe nicht strafbar machen. Kein Problem: mein Strafregister ist blank, ich bin über 18 und Dritte will ich auch nicht gefährden. Steht mir also nichts im Weg? Doch. Ziemlich viel sogar. Wer in Zürich einen Waffenerwerbsschein beantragen möchte, muss zu Herrn M. ins Büro. Erster Stock rechts, ‹Bitte läuten›. Neben Herrn M.s Pult steht eine Kiste mit Waffen. Keine Pistolen, nein, scheinbare Alltagsgegenstände. Ein Handy. Eine Taschenlampe. Beides sind versteckte Elektroschocker. Daneben ein selbstgebastelter Schlagstock aus einer Autofeder, ziemlich perfid.

Die Schweiz unter beschuss Herr M. ist ein kleiner Mann mit wachem Blick, klarer Stimme und Handwerkerhänden. Er entscheidet, ob man einen Waffenerwerbsschein kriegt oder nicht. Und er stellt nicht einfach so einen Schein aus. Man sitzt dabei auf dem Stuhl vor ihm, man rutscht vielleicht ungeduldig herum. Doch Herr M. bringt kaum etwas aus der Ruhe. ‹Weshalb›, fragt dann jeweils Herr M., ‹weshalb wollen Sie eine Waffe?› Manchmal kriegt er konkrete Gründe zu hören, manchmal fadenscheinige und manchmal makabere, die nicht auf den Einsatz der Waffe zu sportlichen Zwecken abzielen. Herr M. kann den typischen Waffenkäufer nicht beschreiben, die seien alle anders: Jäger, Hausfrauen, Angeber, Sportschützen… Vor ihm seien Frauen gesessen, die von ihren kriminellen Männern geschickt wurden. Männer mit Krücken, die sich gegen Einbrecher hätten schützen wollen. Jungspunde mit Flaum auf der Oberlippe, die vor ihren Kollegen hätten angeben wollen. 30 bis 50 Personen beantragen in Zürich jeden Monat einen Waffenerwerbsschein. Alle werden zum persönlichen Gespräch eingeladen und einige von ihnen schickt Herr M. wieder nach Hause. Oder in den Schiesskeller. Dort sollen sie erst mal eine Waffe kennenlernen, ein paar Mal schiessen, verschiedene Kaliber ausprobieren. Denn einige wissen nicht, was sie wollen, sagt Herr M. Haben einfach mal 32

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eine Desert Eagle .50 im Film gesehen und wollen auch so eine. Ich grinse ihn an, lache verächtlich mit ihm über diese Dreikäsehochs. 2,3 Millionen Schusswaffen befinden sich in Schweizer Haushalten, nur ein Fünftel davon machen Sturmgewehre aus. Jeder dritte Suizid, der mit einer Schusswaffe ausgeführt wird, geschieht mit einer Dienstwaffe. Nirgendwo sonst in Europa begehen so viele Menschen Suizid mit Schusswaffen wie in der Schweiz. Die anderen vier Fünftel? Desert Eagles, Glocks, SIG Sauer, Smith & Wessons und weitere klingende Namen. Doch werden sie alle in Waffenhandlungen gekauft? ‹Von wegen›, sagt der hagere Händler, der mir die Desert Eagle gezeigt hatte. ‹Auf dem Schwarzmarkt! Schengen hat alles schlimmer gemacht›, seufzt er. Waffen würden zuhauf in die Schweiz geschmuggelt. Und wenn man ihm bei seinen Ausführungen zuhört, klingt es fast so, als hätte jeder Italienreisende ein Arsenal im Kofferraum. Er schlurft hinter den Tresen. Sein Geschäft ist leer. Er schliesst es zu. Die Polizei hingegen wiegelt ab. Der Handel mit Schusswaffen dürfe nicht überschätzt werden. In der Langstrasse laufe man nicht mit der Pistole herum. Messer, Elektroschocker, Schlagstöcke, das alles gäbe es zuhauf – aber kaum Schusswaffen. Bei Hausdurchsuchungen tauchten zwar ganze Sammlungen auf, aber die Strasse, die sei ziemlich sauber. Über den Bekannten eines Freundes stosse ich auf P. Er wohnt irgendwo zwischen Aarau und Solothurn. Er ist 27 Jahre alt und besitzt auch keinen Waffenerwerbsschein. Noch nicht. Trotzdem hat er 17 Waffen. Nur für sich, für Zuhause, nicht zum Angeben. Früher konnte man Waffen untereinander verschenken, verkaufen, es brauchte nur das Einverständnis beider Parteien und einen gemeinsamen Vertrag. Das geht heute nicht mehr.

Waffen statt lohn Manchmal schaut P. seine Waffen einfach nur an, nimmt sie aus dem Waffentresor, reinigt sie. Er findet sie schön, sagt er. P. besitzt eine Schrotflinte. Und eine AK 47. Und eine Pumpgun. Und noch so einige andere Sachen, die harmlos aussehen, aber viel Schaden anrichten können. P. hat einen Beruf, ein Auto, einen Töff und einige Freunde. Er hört gerne harte Musik, ‹Deftones und so›, doch er spricht eher leise. Am Wochenende darf’s auch mal ein Bier sein.

Eine Beschreibung, die auf tausende junge Schweizer zutrifft. Warum ist also genau P. ein Waffennarr? ‹Liegt in der Familie›, erklärt er. Vater, Götti, Einflüsse fürs Leben. Er mag sie wirklich sehr, seine Waffen. Einst hatte er einen Chef mit Geldproblemen. Der Chef aber, der hatte schöne Waffen zu Hause. So gab es statt Lohn halt manchmal eine Pistole. Ab und zu packt P. ein paar seiner Waffen in den Kofferraum, fährt zum Schiesskeller und ballert sich den Frust von der Seele. Er mag einfach nur den Lärm. Ob er trifft, ist ihm egal. Im Auto auf der Heimfahrt ist er sehr, sehr entspannt. ‹Wo kriege ich ohne Waffenerwerbsschein eine Waffe her?›, frage ich ihn. ‹Kollegen›, rät er. Das Problem mit dem fehlenden Schein könne dann schon irgendwie geregelt werden. Er grinst. Kollegen mit Waffen habe ich keine. Der illegale Weg wäre es wohl, einen Schwarzmarkt zu finden, der aber laut Polizei kaum existiert. Oder ich könnte einen Dealer auf der Strasse fragen, denn fragen ist nicht strafbar. Oder ich könnte versuchen, P. zu überreden, mir eine Waffe zu verkaufen. Oder ich könnte den Waffenerwerbsschein beantragen und ziemlich viel Geld für eine Desert Eagle ausgeben. Ich entscheide mich gegen alle Möglichkeiten. Schliesslich liegt das Sturmgewehr immer noch in meinem Keller. Und das reicht völlig. Etwas macht mich allerdings stutzig: Trotz den Zehntausenden von Waffen, die in Schweizer Haushalten nebst den Sturmgewehren vorhanden sind, bekennt sich kaum jemand offen zum Waffenbesitz. Kaum jemand steht hin und sagt: ‹Ich schiesse, also bin ich!› In Waffenforen im Internet wird zwar eifrig diskutiert. Doch wer sich als Neuling bekennt, wird misstrauisch beäugt. Waffenhändler sind vorsichtig geworden, sie wollen keine Fragen beantworten – als scheuten sie die Aufmerksamkeit, als sei ihr Business unsittlich. Also frage ich den Waffenhändler: ‹Herr Waffenhändler, sind Waffen schlecht?› – ‹Nicht die Waffe ist schlecht, sondern der Mensch dahinter›, sagt er und lächelt. Er hat diese Antwort schon tausendmal gegeben, sie kommt… wie aus der Pistole geschossen.


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Im japanischen Fern­ sehen prallen all­ abendlich die Leiber schwergewichtiger Sumoringer auf­ einander. Von ihren Fans werden sie wie Rockstars ver­ ehrt. Doch wer hätte geahnt, dass dieser Kult auch im Fussballerland Ar­ gentinien inzwischen eine ganze Schar fülliger Kämpfer her­ vorgebracht hat? Ein Lagebericht. Fotografie und Text: Javier Heinzmann

Sumo für Anfänger: ein Rikishi in seinem Mawashi.

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W enn wir öffentlich auftreten, reagieren die Leute meist überrascht oder sie lachen›, erzählt Sebastian Videla. ‹Aber das ist irgendwie ja auch verständlich: In Argentinien sieht man schliesslich nicht jeden Tag einen Sumotori, der mit nichts bekleidet ist als seinem «Mawashi», dem knappen Höschen, das den Unterkörper vom Oberkörper trennt.› Seit mehr als zwei Jahrzehnten versucht der 33-jährige Videla gemeinsam mit einer kleinen Gruppe enthusiastischer Amateure einen Sport zu popularisieren, von dem viele nicht einmal wissen, dass er ausserhalb der Grenzen Japans praktiziert wird. Jedes Wochenende trainiert er auf dem einzigen argentinischen ‹Dohyo› – wie die Ringmatte bezeichnet wird – im Okinawa Zentrum in Buenos Aires. ‹Wenn die öffentliche Vorführung einmal begonnen hat und die Leute sehen können, was wir tun – die schnellen Bewegungen, die «Drills» und die Athletik – kann man die Veränderung ihrer Einstellung diesem Sport gegenüber beinahe in ihren Gesichtern beobachten›, erzählt Videla. ‹Die Atmosphäre im Publikum ist dann auf einmal voller Respekt, Freude und Bewunderung für die Ringer und ihr Können. Und am Ende eines Kampfes kommt es nicht selten vor, dass einige Zuschauer mehr über Sumo erfahren möchten oder sogar mit uns kämpfen wollen.› Belustigung gepaart mit Neugier sind die natürlichen Reaktionen gegenüber diesem Sport, der in Argentinien relativ jung ist. Die Geschichte des Sumo in diesem lateinamerikanischen Land reicht nämlich gerade mal bis 1985 zurück, als der Sport im Club der Japanischen Gemeinschaft Argentiniens (AJA) ins Leben gerufen wurde. Zwei Jahre später machte sich die argentinische Sumo-Riege dann unabhängig vom japanischen Zentrum. Ein Dohyo wurde danach im ‹Japanischen Garten› eröffnet, einem Kulturzentrum, das durch Förderung von der argentinisch-japanischen Kulturstiftung finanziert wird. ‹Zu dieser Zeit hatte Japan zu einem grossen Rundumschlag ausgeholt, um den Sumosport in westlichen Ländern zu verbreiten›, erinnert sich Videla. ‹Eines der Hauptziele war es, letzten Endes eine Weltmeisterschaft abzuhalten, der verschiedene regionale Meisterschaften auf jedem Kontinent vorangehen sollten.› Als der Japanische Garten 1997 renoviert wurde, zogen die angehenden ‹Rikishi› (was interessanterweise im Japanischen gleichbedeutend für ‹starker Mann› und ‹Sumoringer› steht) 38 kinki

auf Einladung der Judo ‹Sensei› Juan Carlos Yamamoto und Marcelo Pereira auf ihren heutigen Trainingsplatz. Wie viele andere Sumotori Argentiniens kam auch Rodrigo Menehem in diesem Zusammenhang über das Judo zum Sumo. ‹Beide Sportarten haben ihren Ursprung in der japanischen Kultur, insofern war ich bereits vertraut mit dieser Art des Kämpfens›, erklärt er. ‹Ausserdem sind die Regeln beim Sumo sehr simpel, so dass man bereits nach wenigen Monaten Training an einem richtigen Kampf teilnehmen kann.› Menehems eigene Sumo-Karriere begann 2002. Seitdem hat er sich den Ruf eines der besten Ringer des Landes erkämpft. ‹Ich persönlich ziehe diesen Sport allen anderen vor, denn er kombiniert Stärke, Geschwindigkeit, Technik und vor allem die Möglichkeit, mit Freunden zu üben und diese Erfahrung mit ihnen zu teilen.›

Der unsichtbare Sport Obwohl der argentinische Sumo seine Wurzeln in der lokalen, japanischen Gemeinde des Landes hat, kann der Sport in Argentinien derzeit nur einen einzigen aktiven Sumoringer mit japanischer Herkunft vorweisen: Gabriel Wakita, seines Zeichens auch Präsident der landeseigenen Sumo-Vereinigung. ‹Früher gab es noch andere›, sagt Videla, ‹wir arbeiten konstant mit der japanischen Gemeinschaft zusammen und hoffen auf mehr Zuwachs von Kindern japanischer Herkunft. Wir alle sind der Meinung, dass die japanischen Migrantenkinder in Argentinien zumindest am Wochenende Zugang zum Sumounterricht haben sollten. Immerhin war dieser Sport schon für ihre Vorfahren von grossem Wert.› Dieses Vorhaben mag aber wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Dadurch, dass Sumoringer und -schulen in Argentinien rar sind – Angaben zufolge gibt es nur etwa 50 Sumotori im ganzen Land – bleibt der Sumo von verschwindend kleinem Interesse und Wettkämpfe sind eine wahre Seltenheit. Dennoch fanden mit Hilfe privater Investoren und des Rathauses die 14. Lateinamerikanischen Sumo Meisterschaften in Buenos Aires letzten Oktober statt. Es traten Teams aus je drei weiblichen und männlichen Sumoringern unterschiedlicher Länder gegeneinander an. Letzten Endes ging Brasilien als grosser Sieger der Meisterschaften hervor: sowohl das Team der Männer als auch das der Frauen konnte den ersten Platz für sich erringen. Argentiniens männliche Sumoringer konnten sich den zweiten Platz sichern, obwohl Videla genauso beeindruckt war von der beseelten Performance seiner weiblichen Mannschaftskolleginnen.

Es kann nur besser werden Von nun an kann alles nur besser werden, ist sich Videla sicher: ‹Man muss nur einen Blick nach Europa werfen, um die Früchte zu sehen, die die Sumoszene nach der Öffentlichkeitsarbeit für den japanischen Sport trägt: auf profes-

sioneller Ebene gibt es Sumoringer wie Kotooshu aus Bulgarien oder Bardot aus Estland.› Und einen grossen historischen Sumoringer kann übrigens auch Argentinien aufweisen: Marcelo Imach – besser bekannt als Hoshie Tango. Vor mehr als 20 Jahren verliess der Sumotori allerdings seine Heimatstadt Buenos Aires und liess sich in Tokyo nieder. Imach begann seine Karriere in der jungen christlichen Gemeinschaft von Buenos Aires und kam dann wie viele andere über das Judo zum Sumo. Nach seiner Zeit als Amateur verdient Hoshie Tango nun als Profi monatlich bis zu 20 000 Dollar – Preisgelder und Sponsoren nicht dazugerechnet. Auf die spezielle Ernähung der Sumos angesprochen erzählt uns Menehem zum Schluss: ‹Als Amateure haben wir keinen speziellen Ernährungsplan wie die professionellen Sumotori in Japan. Aber natürlich essen wir sehr ausgewogen, speziell vor einem Wettkampf. Es ist essenziell in diesem Sport, stark und beweglich zu sein, denn die physischen Belastungen sind extrem hoch. Manchmal haben wir unter uns Sumoringern aus Respekt vor der japanischen Tradition auch schon eine Portion Chanko Nabe (ein japanisches Gericht) geteilt. Denn in diesem Sport – wie auch in jedem anderen – ist die Atmosphäre der Kameradschaft sehr essenziell.› Und zwar egal ob in Japan, Argentinien oder sonst wo. Auch die Schweiz verfügt übrigens über eine kleine aber feine SumoGemeinde. Informationen dazu findet ihr unter eurosumo.com. Übersetzung: Anja Mikula


Š Getty Images -


Im Labyrinth des Lebens lauern Geister, Kraftpillen und hungrige Schränke dem Berliner MÜbeldesigner Reno auf.

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‹callcenter› Der Packmann Kreativ und depressiv? Eine Discounthotline verspricht Abhilfe. Was niemand weiss: Sie führt direkt in ein indisches Call­ center. Dort sitzt Rajiv Ratra und hört zu. Diesen Monat soll er einem Möbeldesigner aus der Patsche – das heisst: seinem Schrank – helfen. Text: Laurence Thio und Tin Fischer

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ajiv? fragt die Stimme am anderen Ende der Leitung. – Ich bin’s, Reno. Wie geht es dir? Rajiv denkt sich: Saublöde Frage für einen, der gerade beim Sorgentelefon anruft. – Gut, sagt er mehr als Frage denn als Antwort. Allerdings ist Reno nicht wirklich an der Antwort interessiert und fährt gleich fort: – Rajiv, ich habe ein Problem. Nicht schon wieder, denkt sich Rajiv. Reno ist ja mittlerweile schon fast bei ihm in Therapie. Es begann damit, dass Reno, ein Berliner Möbeldesigner Mitte dreissig, ein Problem damit hatte, dass Möbel nur eine Richtung haben. Der Tisch zum Beispiel: Man stellt ihn auf den Kopf und was hat man? Keinen Tisch mehr. Aus irgendeinem Grund speist nun Reno sowohl sein berufliches Selbstverständnis als auch seine Ressentiments gegenüber der gesamten Möbeldesignbranche aus dieser einen Beobachtung, gegen die er mit, wie er es nennt, ‹radikalen Möbeln› angehen will. Zum Beispiel ein Tisch in Form eines Würfels. Seine Frau und Freunde fanden diesen Tisch jedoch, gelinde gesagt, ‹recht unpraktisch›, weil es bei einem Tisch ja auch darum geht, einen Stauraum für die Beine zu haben. – Scheisse, Rajiv, sagt Reno. Ich habe mich in meinen neuen Schrank gesperrt! Was?! denkt sich Rajiv. Er betreut ja manchmal auch die Hotline eines Baumarkts und weiss daher, dass Gartenhäuser und Kompostgitter zur fiesen Falle werden

können. Aber dass sich jemand in seinen eigenen Schrank sperrt, darüber muss nun sogar Rajiv lachen. – Ich habe schon alles versucht, flennt Reno. Jetzt bin ich zum dritten Mal mit dem Schrank gegen die Wand gerannt – vergebens! Rajiv ist verwirrt. Mit dem Schrank gegen was? Aber diesmal ist er sich sicher, dass er alles richtig verstanden hat. Reno hat nicht gesagt: ‹Ich bin schon dreimal gegen die Schrankwand gerannt›, sondern ganz klar: ‹Ich bin schon dreimal mit dem Schrank gegen die Wand gerannt.› – Mit dem Schrank gegen die Wand? fragt er nach. – Total abgefahrenes Möbel, beginnt nun Reno zu erzählen und fügt nach einer Kunstpause hinzu: Kennst du Pacman? Aber Reno wartet die Antwort gar nicht erst ab.

‹Wir müssen jetzt out of the box denken, Rajiv.› – Alle kennen Pacman! sagt er. Deshalb ist mein neues Schrankobjekt einem Pacman nachempfunden. Das wird der Renner! Zwei ineinander gelegte Halbkreise, zwei Meter Durchmesser, einen halben Meter tief. Wenn du die eine Hälfte aufklappst, sieht er aus wie der fressende Pacman. Aber das Beste: Du kannst ihn aufstellen, wie du willst. Nach oben öffnen, zur Seite öffnen, es bleibt immer ein Schrank!

Rajiv hält weder von Renos Prinzip der allseits verwendbaren Möbel noch von diesem Pacmanschrank besonders viel. Aber das ist jetzt nicht das Problem, sagt er zu sich selbst. – Und wie um alles in der Welt hast du dich da eingesperrt? Reno zögert, sagt dann nur: – Dumm gelaufen. Wie soll ich sagen? Gestolpert! Ich wollte im Schrank etwas verbessern, da bin ich gestolpert und der offene Schrank beginnt zu rollen, dreht sich und klack: Verschluss zu. No way out. Wir müssen jetzt out of the box denken, Rajiv. Nach einer unkonventionellen Lösung suchen, wie ich hier wieder raus komme. – Okay. Rajiv versucht sich zu konzentieren. Das scheint jetzt doch ein ernstes Problem zu sein. Dann kommt ihm ein Gedanke: – Vielleicht kannst du mit deinem Schrank gegen die Haustür rennen und dich bei den Nachbarn bemerkbar machen? schlägt er vor und wartet auf eine Antwort von Remo, doch der schweigt nur, flüstert dann plötzlich: – Scheisse, sie kommt zurück. In der Leitung wird es still. Rajiv traut sich jetzt auch kein Wort mehr zu sagen, als wäre er selbst eingesperrt. Dann klopft jemand gegen die Blechwand und eine Frauenstimme sagt: – So, Pacman, haben wir versucht abzuhauen? – Wer ist das? fragt Rajiv. – Und, hast du es dir überlegt? hört er die Frau sagen. – Niemals! schreit Reno daraufhin. – Gut, dann rollen wir dich ins Bad. Das wird nun auch Rajiv unheimlich.

– Bitte nicht! hört er Reno schreien, gefolgt von ziemlich exaltiertem Ahh-Geschrei und flennendem ‹Ich krieg keine Luft mehr! Rauslassen!› – Nur wenn wir uns eine Badewanne kaufen, hört Rajiv die Frauenstimme. – Niemals! – Gut, dann füll ich deinen Pacman mit Wasser. – Nein, bitte nicht! flennt Reno. Bis er kapituliert: – In Ordnung! Einverstanden! – Wir kaufen die Badewanne? Auch wenn man sie nur in eine Richtung gebrauchen kann? Rajiv kann es fast hören, wie es Reno innerlich zerreisst, wie er am liebsten standhaft sagen würde: Niemals! Aber er hört stattdessen nur ein kleinlautes, kapitulierendes ‹Okay›. Dann bricht die Verbindung ab. Illustration: Patric Sandri Unser indischer Freund Rajiv Ratra ist ein wahres Multitalent: als Berater einer Baumarkt-Hotline und Telefonseelsorger kümmert er sich gleichermassen um defekte Möbel und Menschen. Den kinki Lesern bietet er dabei monatlich einen kleinen Einblick in seinen Berufsalltag.

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‹zehn minuten mit› Zeitgenossen und Weltbürgern. Stéphanie Moisdon: ‹Die Schweiz ist viel zeitgenössischer als Frankreich.›

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ünstler haben oft einiges zu erzählen, denn manch einem Werk liegt eine profunde Überlegung zugrunde. Ähnlich verhält es sich mit Kuratoren, doch haben diese meist noch ausführlichere Reflexionen zu erläutern, schliesslich besteht ein grosser Teil ihrer Leistung in der Denkarbeit und der Erarbeitung von Konzepten. Einen Einblick in ein solches theoretisches Gedankengerüst gewährte mir die französische ‹Kuratorin und Kulturschaffende› Stéphanie Moisdon, die ich an der Utopics Ausstellung in Biel traf, wo sie ihr Projekt ‹L’Ecole de Stéphanie› den Medien präsentierte. Stéphanie Moisdon ist Doktorin der ‹Semiologie des Bildes› und ‹Cinematografie› und hat sich als Kuratorin, Kunstkritikerin und -dozentin schon einen Namen in der zeitgenössischen Kunstszene Frank42

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reichs gemacht. Ich treffe Stéphanie am Ufer des Bielersees, wo sie das Zelt ihrer ‹Schule› absichtlich in einem absurden Kontext zwischen melancholischer Kulisse, Klassenzimmeratmosphäre und Badegästen aufgeschlagen hat. Mir gegenüber sitzt eine hübsche Frau im Gras, die ein wenig älter als auf dem in meiner Erinnerung schwebenden Foto erscheint, dafür aber von einer beeindruckenden Ausstrahlung umgeben ist. Stéphanie erzählt mir von ihrem Projekt, das sie bereits 2006 an der zeitgenössischen Kunstausstellung ‹La Force de l’Art› im Grand Palais in Paris und 2007 an der an der Triennale für zeitgenössische Kunst präsentierte. Dr. Moisdon scheint für jede ihrer Überlegungen und Ideen die passende sprachliche Formulierung bereit zu haben, weshalb ich in pittoresker Umgebung und bei Sonnenuntergang gebannt ihren Ausführungen horche.

kinki magazine: Wie platziert sich die ‹Ecole de Stéphanie› in der Thematik der Utopics Ausstellung, die sich aus den Worten you, utopia, topic, topos und pics formiert? Stéphanie Moisdon: Die Ecole de Stéphanie ist sicher eines der Projekte, das am direktesten mit der Idee eines Ideals zu tun hat. Es ist eine experimentelle Schule, sie gründet auf allen vorhergehenden, revolutionären Modellen wie dem ‹Black Mountain College›, der ‹Ecole Freinet› sowie den antipsychiatrischen Bewegungen der 60er-Jahre. Ich habe das Projekt vor mehr als drei Jahren in einem Kontext initiiert, in dem mir die Meinungsäusserung und Denkfreiheit immer eingeschränkter erschienen. Da ich eine kritische Position einnehmen wollte, habe ich nicht einfach die Dienstleistung einer Ausstellung erbracht, sondern ein Dispositiv auf die Beine gestellt. Es ist ein Werk, ein Stück, ein Raum, ein Ort der Projektionen und Identifikationen. Was genau können wir uns unter der Ecole de Stéphanie vorstellen? In der Ecole de Stéphanie treten zahlreiche internationale ‹Lehrer und Lehrerinnen› auf und gestalten vor Publikum eine Lektion. Das sind Künstler, aber auch Philosophen, Kritiker und Forscher, Autoren, Produzenten – alles Leute, die sich mit der Frage der Generierung von Bildern und Wissen auseinandersetzen. Sie halten Vorträge, lesen Manifeste vor, musizieren und so weiter. Es ist ein experimenteller Zustand, in dem ich absichtlich die disziplinären Begriffe Lehrer und Lehrerin verwendet habe, um die Autorität des Wissens in Frage zu stellen. Während Lehrer immer mit einer gewissen Arroganz ein Klassenzimmer betreten, haben in der Ecole de Stéphanie nicht alle ‹Lehrer› Erfahrung im Unterrichten, dennoch gestehen ihnen die Zuhörer ein bestimmtes Wissen, eine Autorität zu. Es liegt also am Lehrer, die Methode, die Instrumente und die Vermittlungsart zu erfinden, um das, was er angeblich weiss, zu übertragen. Dieser Moment der Erfindung ist mit der Produktion des Künstlers vergleichbar, der Lehrer ist deshalb auch im gleichen Masse empfindlich und verletzbar. Ich denke, dass heute die kritische, politische Fra-

ge nicht die der Produktion in der Kunst und Kultur, sondern die der Vermittlung ist. Was werden wir aus all diesen Objekten und Ideen machen, die sich im Klima der Hyperproduktivität einer kulturellen Industrie akkumulieren, wenn wir keine Vermittlungsmittel zu erfinden wissen? Sollte diese experimentelle Situation auch Einfluss auf Lehrer im realen Leben haben? Genau, die Ecole de Stéphanie ist eine Art Formationsort, wo beispielsweise Kunstschuldozenten in einen Schulkontext treten und wieder das Bewusstsein für die prägende Wichtigkeit dieses Moments erlangen. Jedoch fehlt die Fähigkeit der Anpassung nicht einzig den Kunstschulen, sondern allen Strukturen und Institutionen. Niemand will seine Modelle überdenken oder Instrumente neu erfinden. Alle wollen die Dinge so belassen, wie sie immer gemacht wurden, oft sind diese Regeln aber arbiträr oder überholt und basieren selten auf einer professionellen Wahrheit. Sie arbeiten oft in Paris, wie unterscheiden sich die Kunstszenen, mit denen Sie zu tun haben, in Frankreich und in der Schweiz? Ich stelle selten und ungern solche Szenenvergleiche an, da ich denke, dass die Idee von Zentren und Nationen praktisch längst überholt ist. Es gibt nur noch Peripherien. Die Szene in Frankreich beispielsweise ist eigentlich nicht mehr in Paris, sondern ausserhalb. In der Schweiz finde ich es sehr spannend, dass die politische Struktur als föderalistischer Staat eigentlich genau beschreibt, was in der Kunst passiert, nämlich, dass es kein Zentrum mehr gibt. Schlussendlich ist die Schweiz an diese neue Realität angepasst, wohingegen man sich in Frankreich noch immer über die Dezentralisierung streitet, obwohl es eine sehr alte Debatte ist, eine Idee, die längst veraltet ist und keinen Sinn mehr macht. Text und Interview: Florence Ritter Foto: Pierre Even


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‹querschläger› Alles, ausser angepasst. Sollte er die Wahl gewinnen, möchte Roman Würsch sich als Mister Gay für die Akzeptanz der Schwulen in der Industrie einsetzen. Wir besuchten Roman zwei Wochen vor dem grossen Finale in seiner Wohnung in Küssnacht am Rigi.

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ls wir Romans sorgfältig eingerichtete und aufgeräumte Wohnung betreten, empfängt uns ein top gestylter Mann mit millimetergenauer Rasur und strahlend weissem Lächeln. Nur die Gesundheitsfinken an seinen Füssen verraten uns, dass Roman nicht gerade auf dem Sprung zu einer Modeschau ist. Roman ist Galvanotechniker (ein Beruf, dessen Erläuterung in unserem Gespräch mindestens eine halbe Stunde in Anspruch nehmen wird) und möchte sich – sollte er aus der Wahl zum Mister Gay als Sieger hervorgehen – für die Rechte und die Akzeptanz Homosexueller im industriellen Sektor stark machen. Dies verriet er uns bereits in einer Mail, die er eine Woche zuvor an uns schickte. Und wie schon bald klar wird, als Roman seine Ledermappe mit dem Notizblock, auf dem er seine wichtigsten Punkte notiert hat, neben seiner ‹Zen›-Agenda platziert und uns je ein Päckchen seiner ‹Wahlkampfbonbons› überreicht, auf welchen der Finalist uns entgegenstrahlt, nimmt Roman seinen Wahlkampf ziemlich ernst. Während im Hintergrund ein R’n’B-Sampler für das richtige Ambiente sorgt, beantwortet Roman geduldig meine Fragen und posiert anschliessend gut gelaunt und in mehreren Outfits für die Kamera. Dabei erzählt er uns von seinem letzten Miami-Urlaub (wo es zu unserer Verwunderung anscheinend vor schönen Männern nur so wimmle), den Kunstwerken an seinen Wänden (die er im Internet erstanden hat) und seinen selbstgemachten Kerzenständern, die trotz genügendem Hohlraum meine gesamte Muskelkraft bean-

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spruchen, damit sie mir nicht auf den polierten Glastisch fallen. Dass Roman seinen Job als Mister Gay richtig machen würde, davon sind wir schnell überzeugt. Trotzdem setze ich 20 Franken auf seinen Gegner, als wir zum Schluss des Gesprächs unsere Wette mit einem Handschlag besiegeln. Jemand muss ja schliesslich verlieren.

tung fast schon zu einer eigenen Kultur geworden ist? In gewisser Hinsicht sicherlich. Allerdings bewegen sich ja alle Schwulen auch jenseits dieser Kultur, spielen Fussball oder was weiss ich. Von einer abgeschotteten schwulen Kultur kann man deshalb meiner Meinung nach nicht sprechen.

kinki magazine: Findest du den Fakt, dass es eine Mister Gay Wahl gibt, nicht ein bisschen diskriminierend? Schliesslich wird man, nebst des Aussehens, auf die sexuelle Ausrichtung reduziert. Roman Würsch: Du bist nicht der erste, der mir diese Frage stellt. Ich empfinde es aber nicht als diskriminierend, sondern vielmehr als notwendig, dass wir Schwulen etwas in dieser Art machen. Die Wahl hat ganz im Gegenteil das Ziel, gegen die Diskriminierung von Homosexuellen anzukämpfen und ihre gesellschaftliche Akzeptanz zu vergrössern. Es gibt im Alltag immer noch Situationen, wo man direkt oder indirekt angeprangert wird. Und Akzeptanz erreicht man meiner Meinung nach mit Präsenz.

Du selbst willst dich ja vor allem für die Rechte der Schwulen in der Industrie einsetzen. Was genau ist damit gemeint? Man hört oft von Schwulen im Gastgewerbe, etwa als Friseure, Verkäufer und so. Ich selbst arbeite in der Metallindustrie und habe manchmal das Gefühl, dass den Leuten nicht so bewusst ist, dass es auch in diesen Branchen Homosexuelle gibt. Um dem Abhilfe zu leisten, wären zum Beispiel die Einführung von PinkCross-Chartas in verschiedenen Betrieben und Verbänden oder ehrliche und offene Diskussionsrunden denkbar. Auch wenn sich natürlich teilweise die Frage stellt, inwiefern darüber tabulos diskutiert werden kann. Ich denke aber, dass man sicherlich viele Vorurteile abbauen kann.

Am grossen Finale werdet ihr in Unterwäsche zur Performance der Dragqueen Jazmin Dian Moore tanzen, habe ich gelesen. Findest du eine solche Idee nicht scheisse? (Lacht) Nein, das ist Bestandteil der Show. Finde ich aber spannend, dass dich das stört. Schlussendlich muss man aber auch sehen, dass diese Einlage nur ein kleiner Part der Show ist.

Was ist denn das verbreitetste Vorurteil, das Schwulen entgegengebracht wird? Hmm, gute Frage…

Denkst du, dass Homosexualität nebst der sexuellen Ausrich-

Vielleicht, dass sie sich stets gut und gepflegt kleiden und besser aussehen? Stimmt, das ist ein verbreitetes Klischee. Wahr ist es aber überhaupt nicht. Inwiefern hast du selbst schon unter Diskriminierungen gelitten? Die Diskriminierungen waren bei mir nicht direkt das Problem.

Aber das Thema schwingt einfach immer mit. Stell dir vor, du hast einen neuen Job, irgendwann lernst du deine Mitarbeiter etwas besser kennen, man redet mal über die Freizeit, und ständig fragt man sich: wie sage ich ihnen, dass ich schwul bin? Soll ich es ihnen überhaupt sagen? Auch die Frage, wie man vielleicht auf einen blöden Spruch reagiert, ist sehr schwierig zu beantworten. Es fühlt sich irgendwie an wie eine grosse Baustelle, man ist nie ganz entspannt in einem neuen Umfeld, muss sich ständig kontrollieren, immer darauf achten, was man sagt… Ich glaube, die Leute sollten sich einfach bewusst sein, dass es überall Schwule gibt, auch wenn sie es nicht ständig zum Thema machen. Du bist derzeit Single. Ist es als homosexueller Mann schwieriger, leichter oder gleichschwer wie bei Heteros, ‹den Richtigen› zu finden? Das ist für Heteros genau gleichschwer wie für Schwule (lacht). Leider gab der Vorjahressieger Ricco Müller am Abend des 27. April seine Krone nicht an Roman weiter, sondern an seinen Konkurrenten Dominic Hunziker, einen Architekturstudenten aus dem Aargau, der ‹zu Lady Gaga abgeht wie eine Rakete› und Herrn und Frau Schweizer zeigen möchte, ‹dass man nicht zwingend eine pinke Federboa braucht, um schwul zu sein.› Weder Roman noch ich sind dadurch allerdings um 20 Franken reicher geworden… Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Daniel Tischler


‹Akzeptanz erreicht man durch Präsenz.›

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Letter from a NewborN NatIoN I

n this corner of the world, the swampland of spring, miasmic with horror and anticipation, poured out into the fetid wasteland of my summer. A landscape far too shit-bleak to remember rightly, but a dive into the journal will set me crying with shock and memory. It was madness. Now, in autumn, I am in a broad field in unknown foothills. It’s a place that has very few boundaries between the truth of my magic dreamworld and the waking world. So I can’t complain, since I wake up fresh from horserace hairbraiding and carousel children and mazes and flight and all manners of physically impossible truths made real, then set afloat. But in the field I am alone. It’s not a dream, I’m standing on the ground. I seem to be realizing I have always been there, or not really so far away, anyway. And I am squatting, digging with my fingers, trying to see what’s under that dry grass, brown from August, grasshoppers flying and stinging my legs below my skirt. If I know the quality of the soil here, it could give me a sense of impending possibility, of nascent spirit-wealth, of rural self-reliance. This is going to be my home forever. And it is a sovereign land. It contains everything within it and it is everything. It has tigers that kill peasants who search for honey in the mangroves. It has banquet hall-debates, mad feasts and marvelous vineyards. It has high mountaintop monasteries, cut from granite, clinging ancient in the rain, with half-naked priestesses that the world has never seen, and never will. Our nation is mighty, our workers prosperous!

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We have chosen, as our government, a parliamentary monarchy. All its lands will be represented judiciously, applying well-researched policy, and with limited corruption (we hope). However, there is a power here that cannot be overthrown. Every household knows the pedigree of the supreme leader, and in a state-approved photo she is seated with her ethereal family, in a teak frame, encircled with plastic flowers; before the morning meal, the people light three sticks of incense and pray for their health and longevity. The monarch will oversee the health of the newborn nation. The supreme leader will throw out the corporate representative of flash and power at will, even if he were elected, then she will return power to the electorate. The nation will protect its borders from foreign powers. And will not be colonized under pain of selfannihilation. What happened before must never happen again. We will never forget the good earth.

the people are proud and strong! And what about the young colonizers with their fast talk and coca-cola? Should we entertain them? They use speed as their weapon. They deal in sandcastles, which melt in the tide. They are fancy and worldly, and buy four plane tickets a month. They have machines that can till wide fields and medicines to make you forget the pain of amputation. They know the value of our native raw materials, which our entrepreneurs and learned scholars have yet to grasp, their uses still undiscovered. 48 kinki

What can they offer us, that won’t result in our demise? The problem with them is that they are bigger than us. And that we have been tricked before, into believing that our people should be bound to the repetitious, banal work of the fields, while they enjoyed the fruits of our labor. It is easy to believe that their rock/roll ambitions must precede maintenance of our sovereignty, and pursuit of our vision for our undeveloped nation. While at night their clubs are irresistible to our youth, since they have the most well selected light fixtures, impeccable aesthetics and deliciously milky prostitutes. But what can they offer us that will help us to improve and develop our own lands? We have yet to fully understand our potential. The intellectuals among our people see a sovereign land like no other, and through the imagination of the high philosophers, and the raw emotion of our peasantry, we are developing a national consciousness that has not yet matured. A bre-

wing blood consciousness, independent, and unlike that of any of our sister nations or the breakaway republics to the south. One that incorporates the traditions of our cave dwelling, levitating sages, as well as the brave possibilities that are paraded before us, streaming from the tanks of these western devils. Who are so young. Will they interpret our culture through their own contact lenses? Or will they see us like we see ourselves? Would they even try? Would we dare to hope that they could help and protect us? The field is raw, and perfect. I can do with it as I like. What I wish to take from things I love I must endeavor to take, what I wish to eliminate, I must eliminate. This can absolutely not be accomplished with outside interference.

I must have total autonomy.


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Do not contact me any more. I am not ready. Neither are you. I need to not fear being colonized by you. I need to forget you for a while And envision, and build, Until I don’t know how to do anything else. It seems to me that You need to decide (for real this time) What you have to offer, What you need to be happy, And what it means to be a man. Know this, my Napoleon, my tiny doppelganger: I love you in a way that is not rational, So desist from asking me why I love you. From the beginning I have known that I would be doomed With this crazy love. You will never be my friend. You exist to me as only one thing. This is living in my cells. Double helix, hydrogen bonds. That is why you smell me like you do. Do you know what I want, Aaron Huey? I want you to love me. I want you to see me as I am, and then I want you to love me anyway.

I want you to love me cleanly and all the way through. I don’t know if you can give me what I need. I must be happy without you absolutely first, or I will never have the capacity to know. You know. I wouldn’t even mind being your colony If I could be the Formosa to your Portugal, The Seychelles to your France… Your most beloved. Kristin

November 2006: Date of this letter, written when Aaron and Kristin separated for 7 months. May 13th, 2007: Aaron Huey and Kristin Moore were married at sunset on a rusting Russian tank on the edge of Kabul. December 19th, 2009: at 9:36 PM Hawkeye Huey was born in Seattle, Washington. Photography: Aaron Huey, aaronhuey.com Text: Kristin Moore-Huey

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‹soundcheck› Nach diesen Scheiben wirst du süchtig. ‹Besser kritisiert als ignoriert›, meinte einst der deutsche Schlagerproduzent Frank Farian. Bleibt zu hoffen, dass man auch ausserhalb der Schlagerszene so offen und unbeschwert auf Kritik reagiert, denn unser Reviewnator bleibt auch diesen Monat wieder hart aber fair und verteilt linke Haken und Lorbeeren. besoffen in der sporthalle

MGMT – ConGraTulaTions

‹Wunder gibt es immer wieder. Wenn sie dir begegnen, musst du sie auch sehn›, sang schon Katja Ebstein im Jahre 1970. MGMT sind nicht nur wortwörtlich in der wahnwitzigen Welt der schlageresken Floskelklopferei angekommen, sondern auch auditiv. Waren die new Yorker Wunderknaben letztlich noch wahre Heroen der Hipster-undergroundszene, bewegt sich das modebewusste Duo immer mehr in richtung Wohlgefallen. schunkelwürdikeit gepaart mit eingängigen Melodien, fertig ist der stylishe soundmix, zu dem selbst Karl Moik die verkalkten Hüften schwingen würde. Einziges Problem: ‹Der Moik hod koa ahnung von Musi, ned.› Pop hier, Elektronik da, noch ein wenig Folklore und fertig ist der ambitionierte nerd-sound für jedermann. Doch das Problem liegt nicht am Geschmack des Publikums, sondern eben an deren ansprüchen: neu muss es sein, um jeden Preis. Da kann eine Band, die eigentlich nur aus langeweile ihren Elektro-indie-Pop im heimischen Keller kreierte, auf Dauer nicht punkten. Was soll denn da 54 kinki

auch noch nachkommen? Eben, andere Bands wie Empire of The sun oder Friendly Fires. Die schaffen es zumindest noch ansatzweise eine eigene linie zu finden – auch wenn diese geradewegs in die tiefen abgründe der biergenährten sporthallenunterhaltung führt. Elektronische Traditionsmusik nervt. Jeder hat’s, jeder will’s und wenn’s dann erst mal da ist, weiss man auf Dauer nichts damit anzufangen. Vor zwei Jahren waren MGMT vielleicht noch ansatzweise so etwas wie lustigunterhaltsam. Mittlerweile sind die zwei new Yorker aber eher mit einem alternden Hollywoodstar zu vergleichen, dem der alkohol mehr zusagt als zweitklassige rollenangebote. oder wenn ich Herrn Moik an dieser stelle zitieren darf: ‹Des konn dir oam oasch vorbeigehen.›

mit den taliban im dschungel

aTTaCK in BlaCK – YEars

schwarz ist das neue schwarz. Zumindest für leute, die für Mode nicht allzu viel übrig haben. Vielleicht auch für tödliche Einzelkämpfer in geheimen spezialeinhei-

ten namens ‹sonderauftrag Kobra› oder ‹Die mutigen Mungos›. im Falle von attack in Black hat man es jedoch nicht mit hoch technisierten Guerilla-Terroristen aus den grünen Tiefen des kolumbianischen Dschungels zu tun, sondern mit dem einfachen Hörer. und sind wir mal ehrlich: kann man sich einen schlimmeren Feind vorstellen? attack in Black machen ihre sache gut. smoother Gitarrenpop und leichtfüssiger indie, das verträgt sich immer. ist das aber auch spannend? Eben das ist schwer zu sagen. Dem einen mag der sound der Kanadier zu seicht daherkommen, den emohaftigen oberdandys mag dieses Gout gar munden. Da hält man es am besten doch wieder mit der selbstauskunft: ‹umwerfende folkdurchdrungene songs, die die seele des old school rock’n’roll mit dem Körper moderner Punk-rock-songs verschmelzen›, so versüssen die Worte des Promoheftchens das Hören von ‹Years›. Für anspruchsvolle ohren bleibt dies jedoch das einzig schmackhafte. Zu sehr schwankt das album zwischen Massenveträglichkeit und pseudoinszeniertem Eigenbrödlertum. Beheimatet sind attack im kanadischen Welland, einem 50 000 seelen nest in der nähe von Buffalo. und vielleicht mag ja auch da der Hund begraben liegen. Wie für ein grosses Publikum schreiben, wenn man nie gelernt hat, was das grosse Publikum möchte? underground-Heroen und hochbegabte Kellertüftler gibt es ja zuhauf. Woran es fehlt, sind acts, die es mit ihrer Musik wieder vermögen, stadien zu füllen, revolutio-

nen anzusetzen und regierungen zu stürzen – an Potenzial fehlt es nicht. attack in Black peilen jedoch eher sporthallen und Highschool-abschlussbälle als rausschmeisserband an. Vielleicht sollten sich attack in Black ja doch in ‹Die mutigen Mungos› umtaufen. Fortan könnte man geheim und aus dem untergrund das Böse jagen. Eine wirksame Waffe hätten sie ja schon: ihre Musik – diese versetzt nämlich auch den hormonüberschüssigsten Taliban in ein spontanes Mittagsschläfchen.

im kalten bad der schwermut

BEnni HEMM HEMM – rETaliaTE

Der Wind pfeift um die ohren, der Himmel ist grau verhangen: Der Winter ist ein arschloch! Wenn jemand weiss, wo er wohnt, ich mach ihn fertig. Vielleicht hat es ja auch etwas gutes, dass dieser ungebetene Gast, nicht einfach wieder verschwindet. so haben es Berufsmelancholiker wie Benni Hemm Hemm nämlich leichter ihre raumutigen Trübsalhymnen unter die kältegeplagten alltagsschwermütler zu bringen. und sind wir mal ehrlich, es gibt doch


nichts schöneres, als der Melancholie freien lauf zu lassen: leiden mit einer ordentlichen Portion spass sozusagen. Mal abgesehen von einem wahnwitzigen namen, hat Benni Hemm Hemm einiges zu bieten: liebe, Freundschaft und auch ein bisschen Wahnsinn. aber Benni ist auch traurig. Traurig über die liebe, traurig über die Freundschaft und vielleicht auch traurig, weil er den Wahnsinn nicht in den Griff bekommt. Das zeigt sich in hymnischen Folkloren, getarnt als schrille songs und reizvolle Klänge hinter isländischem understatement: Fast schon sieht man sich zu den Klängen von retaliate an den rauen Küsten der insel spazieren gehen. Dabei umringt von nebel und feuchter Kälte, die einen von innen heraus aufsaugt: Melancholie, wie sie hübscher nicht sein kann. Benni Hemm Hemm schafft mit seinem Werk eine verzaubernde schlichtheit, die nur durch das scheppernde Gerüst seiner selbst aus den Bahnen geworfen wird – mal trauernd, mal torkelnd oder auch euphorisch hochjubelnd. Es ist einfach, wie es ist: von

der insel der Trolle und Geysire kommt stets Musik, welche die Klänge der Welt vereint – auf eine ganz eigenartige Weise.

prügelnd im pub

GEnEral FiasCo – BuilDinGs

Warum man sich niemals mit einem iren anlegen sollte? nun ja, wer hat schon gerne einen vollgesoffenen rotschopf am arsch, dessen Vorfahren in unzähligen auseinandersetzungen das Blut der wohlbekannten nachbarn zum spritzen brachten. Ein noch viel triftigerer Grund dürfte jedoch sein, dass die meisten iren ziemlich musikalisch sind und am liebsten über jene trällern, die es eben

doch wagen, sie schief von der seite anzumachen. im Falle von General Fiasco muss man sich jedoch fragen, ob die Fehde noch anhält, oder ob man schon zum gemeinsamen Kilkenny im Pub übergegangen ist. Motzen und dennoch gut gelaunt sein, zählt nämlich nicht. Das irische Trio war schon ein Teil des renommierten ‹BBC line-up› und gilt seitdem als eine der grössten Hoffnungen im Musikbusiness – und das zu recht. Mit ihrer mutigen Mischung aus treibendem Collegerock, eingängigen Emo-Gesängen und kratzigen indiegitarren schafft der Dreier eine äusserst frühlingshafte Mischung und liefert so den stoff fürs offene Verdeck, für die Partys im Garten, für das kollektive Besäufnis in den strassen der verruchtesten stadtteile. General Fiasco schaffen es einfach irgendwie, alles unter einen Hut zu bringen und dennoch zu jedem Zeitpunkt authentisch zu klingen. Popmusik im indie-Emo-Kostüm war noch nie so herrlich verstohlen ohrwurmtauglich. irgendwo zwischen The Wombats und Taking Back sunday

findet man bilderbuchartige Hooklines, groovige Basslinien und wohlige Gitarrenläufe, die sofort ins langzeitgedächtnis wandern und sich an ihrem neuen Wirt satt saugen – auch wenn man sich anfänglich noch sträubt. ‹Buildings› ist eine Platte, die zunächst sehr gewöhnlich daherkommt, mit der Zeit jedoch ihre stärke preisgibt und das in voller Wucht. Wenn der Frühling erstmal da ist, die röcke kürzer werden und die augen länger, dann weiss man auch, warum Bands wie General Fiasco die Musik machen, die sie machen: für die ladys. Wahrscheinlich die vom nachbarn. Dezibel im Blut und rhythmen im Kopf – dieser Musikjunkie ist ein düsterer Held. Jeden Monat begibt Florian Hennefarth sich auf eine reise in die tiefen abgründe neuer Veröffentlichungen und kämpft dabei gegen freche Plagiaterie, träge riffs und schlappe Beats. Mit steinerner Faust verteidigt er unser recht auf gute Musik. Mit eisernem Willen strotzt er der Flut neuer Platten. Er kämpft tapfer, bis die schlacht gewonnen ist. Das ist das schicksal unseres reviewnators.

SebaStian( )

ED BaNGEr rEc. LIVE

FRenCH HORn RebeLLiOn J a C k S O n (WarpÊ rEc.) 6.5. Zürich (hiVE) 7.5. WiEn (PrATErSAUnA) 8.5. hAmbUrg (DOcKS)

13.5. bErlin (DicE clUb) 14.5. münchEn

(ErSTE ligA @ hAUS DEr KUnST/P1)

TickeT VORVeRkAUF AUF ReD-TAB.cOM

fa c e b o o k . c o m / r e d ta b c o m

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‹album des monats› Von der Redaktion gekürt. We Have Band: ‹WHB›

1.

HEAR IT IN THE CANS:

Eine zeitlang sah es so aus, als würde ‹Piano› der letzte Track auf dem Album. Doch dann fanden wir, dass er so nicht den Raum bekäme, der ihm zusteht, und wir katapultierten ihn ganz an den Anfang. Das Stück ist eine gute Möglichkeit, sich an das Album heranzutasten. Es geht darum, zu suchen und Fragen zu stellen, um Liebe, um gute und schlechte Zeiten.

‹Let me hear in the cans› ist ein Satz, den wir uns oft beim Aufnehmen im Studio sagen, da wir nur einen Kopfhörer haben. Wir arbeiten in der Nacht und zu Hause, also können wir nicht die Lautsprecher aufdrehen. Der Song ist sehr autobiografisch. Es geht um den Prozess des Schreibens und des Aufnehmens von Songs.

2.

BuFFET: Wir nennen diesen Song auch ‹the rescue song› weil er davon handelt, aufzubrechen um jemanden zu retten. Der Track ist eine sanfte Rampe in das Album, und jeder, der uns kennt, weiss, dass die Dancefloor Tracks schon bald kommen werden. Diese Spannung ist toll!

3.

DIvISIvE: Die dritte Strophe dieses Songs wurde nach langer Diskussion mit Gareth bezüglich des Arrangements geschrieben. ‹Divisive› ist die erste Single, die vom Album aufgenommen wurde, und wird immer einen besonderen Platz in unseren Herzen haben. Wir haben dazu auch ein phantastisches video.

4.

LOvE, WHAT YOu DOING?: Wir litten an einer ziemlich langen, ernsthaften kreativen Blockade, als wir den Refrain zu diesem Song aufnehmen wollten. Die meisten Melodien auf dem Album kamen sehr intuitiv und wir arbeiteten meist in langen Sessions. Hier brauchten wir etwas Abstand.

5.

OH!:

S

ie haben eine Band – und nun endlich auch ein richtiges Album! Das Debüt der sich selbst als ‹Disco-RockTrio› bezeichnenden Band aus London ist am 5. April erschienen. Die drei ehemaligen EMI Mitarbeiter Dede WP, ihr Mann Thomas WP und Darren Bancroft spielen einen Mix aus tanzbarem Pop und Elektro, der seit geraumer Zeit internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Schon in ihrem Gründungsjahr 2008 schaffte es die Band mit ihren Tracks auf diverse Compilations und wurde von bereits bekannten Elektronik-Acts wie ‹Friendly Fires› hoch gelobt. Noch im selben Jahr sorgten sie auch mit den zwei Songs ‹Oh› und ‹Hear It in the Cans› für Furo56 kinki

re in Blogs und Online-Magazinen. Ein paar Monate später wurde ‹Oh› in eine Compilation des bekannten französischen Labels ‹Kitsuné› aufgenommen und erschien im November 2008 als offizielle Single. Ein ganz schön turbulenter Start. Darauf folgten dann – in etwas gedrosseltem Tempo – ein Single-Release mit Remixes und eine EP namens ‹Honeytrap›. Die drei liessen sich Zeit, um ihr erstes, komplettes Album zu produzieren. Was dazu führen dürfte, dass auch auf dem neuen Album wieder der eine oder andere Track zu einem Hit werden wird. Für uns haben ‹We Have Band› die vergangenen Jahre nochmals Revue passieren lassen und die jeweiligen Entstehungsgeschichten hinter den Songs auf der Platte verraten.

8.

PIANO:

Die Demoversion dieses Songs ist nahezu identisch mit der, die ihr jetzt hört. Wir waren ziemlich aufgekratzt, als wir ihn schrieben und man hört das dem Song wohl auch an. Als wir mit dem Track begannen, war Dede gerade weg, aber sie kam früher zurück als erwartet und überraschte uns. Wir waren alle in einer guten Stimmung und alles lief sehr gut und schnell an diesem Tag.

6.

HOW TO MAKE FRIENDS: Diesen Song mit Live-Drums im Studio aufzunehmen, machte riesigen Spass. Die Inspiration lieferten hier vor allem unsere Bühnenauftritte. Wir wollten dieses Live Feeling in den Track aufnehmen, also mieteten wir uns in ein Drum-Studio ein und spielten viel mit Drum-Kits, Bongos und Percussions rum.

9.

CENTREFOLDS & EMPTY SCREENS: Dieser Song sollte eigentlich ‹You’ve Had Band› heissen, aber es schien uns, dass schon zu viel ‹we have›-, ‹you have›-, ‹whb›Zeugs auf dem Album war, und deshalb änderten wir den Titel. Es ist der wohl rockigste Song auf dem Album und wir lieben es, ihn live zu spielen.

10.

YOu CAME OuT: Der vocal-Part auf diesem Song wurde schon vor sehr langer Zeit aufgenommen. Er unterscheidet sich stark davon, wie Dede ihn jetzt auf der Bühne singt. Es ist toll, dass der Song in zwei verschiednen Welten lebt, auf der Platte und auf der Bühne. Auf dem Album finden sich sehr verschiedene Stile und Stimmungen, aber für uns sind sie alle sehr direkt miteinander verbunden und dieser Song ist ein gutes Beispiel dafür.

11. WHB:

Dieser Song bedeutet uns sehr viel, denn er erzählt von damals, als alles begann mit der Band. Wir trafen uns bei Thomas und Dede zum Essen. Wir tranken Wein, gingen nach oben und machten eine analoge Drum-Maschine an – es wurde unser erster Sound. Wir nannten diesen ursong ‹WHB›, weil uns nichts Besseres einfiel. Aber es machte mehr und mehr Sinn, denn es war das erste Ding am ersten Abend, als wir anfingen, Musik zu machen – also WHB. Deshalb haben wir auch das Album so genannt.

12.

HERO KNOWS: Das war der letzte Song, den wir für das Album fertigstellten. Wir hatten die Musik schon seit einer Weile fertig, konnten aber keine Melodie und keinen Text dazu finden. Dann sahen wir zusammen ‹Milk› von Gus van Sant und dieser Film inspirierte uns sofort dazu, den Text zu schreiben. Es geht nicht nur um Harvey Milk selbst, der Text handelt mehr davon, wie Heldentum und Mut einen überwältigen können.

7.

HONEYTRAP: Der Text in diesem Song ist stark von den Spion-Romanen von John Le Carre inspiriert. Thomas und Dede sind grosse Fans von George Smiley und der Welt, in der er in diesen Büchern lebt. Es ist lustig, dass, obwohl diese Welt sehr düster und mysteriös ist, ‹Honeytrap› einer der schnellsten Disco-Songs auf dem Album geworden ist.

We Have Band spielen am 28. April im Club Bonsoir in Bern, am 29. April im Exil in Zürich und am 30. April im D! Club in Lausanne. Weitere Info findet ihr unter myspace.com/wehaveband. We Have Band – ‹WHB› (Naive) ist bereits erschienen. Text: Antonio Haefeli Foto: Promo


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Are You Lone(l)y, Dear?

Ein verschlafener Musiker, der 端ber sein ehrgeiziges Soloprojekt und das Gef端hl, nie alles zu geben, spricht und eine Antwort auf die Frage hat, was der Zweite Weltkrieg mit Schwedens bl端hender Musikszene zu tun hat. Text und Interview: Martina Messerli, Foto: Sara Arnald

Verschliesst seine Augen nie vor einer neuen Herausforderung: Loney, Dear.

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twas verschlafen wirkt Emil Svanängen alias Loney, Dear am Telefon schon, war es doch aber seine Idee, das Interview bereits um acht Uhr morgens anzusetzen. Nun gut, ausgedehnte GähnPausen werden zum Nachdenken genutzt und erst als Svanängen zwischen zwei Schluck Kaffee von seinem aktuellen Projekt mit einem Sinfonieorchester zu erzählen beginnt, taut er hörbar auf und wird nicht müde zu betonen, wie viel Spass die aussergewöhnliche Kooperation gemacht habe. Wenn Emil Svanängen sich nicht die langen, schwedischen Winternächte mit Orchesterproben um die Ohren schlägt, ist der Bandname Konzept. ‹Loney, Dear› bezieht sich auf das englische ‹lone›, also ‹einsam›, ‹allein›. Und abgesehen vom Ausflug in die Welt der Streicher und Bläser ist Loney, Dear normalerweise tatsächlich als einsamer Wolf unterwegs. Svanängen ist in jeder Hinsicht ein absoluter Perfektionist, wohl auch ein Grund, weshalb der begabte Multiinstrumentalist alle Instrumente selbst spielt und seine Alben ohne fremde Hilfe im minimalistischen Studio im Keller seiner Eltern aufnimmt und abmischt. Das bisherige Produkt dieser Eigenbrötlerei sind drei zauberhafte Alben, die sich allesamt intensiv mit dem Thema der Einsamkeit auseinandersetzen. Ein anderes Thema, das den schwedischen Musiker derzeit beschäftigt, ist eine gewisse Orientierungslosigkeit, das Gefühl, noch nicht das Beste aus sich herausgeholt zu haben. Aber anstatt in einer Sinnkrise zu versinken, spornt ihn dieser Zustand um so mehr dazu an, neue Wege zu beschreiten und vor allem neue Formen der Musik zu erfinden, wie er uns im Interview schildert. kinki magazine: Du warst die letzten Tage sehr beschäftigt und nur schwer zu erreichen, woran arbeitest du zur Zeit? Loney, Dear: Bis vor kurzem arbeitete ich an meinen Orchester-Shows. Ich habe gerade zwei Konzerte gemeinsam mit einem grossen Sinfonieorchester in meiner Heimatstadt Jönköping auf die Beine gestellt. Dieses Projekt hat mich lange Zeit sehr in Anspruch genommen, nun habe ich wieder mehr Zeit, um mich auf mein Solo-Projekt Loney, Dear zu konzentrieren. Neuerdings versuche ich, so viele Instrumente wie möglich gleichzeitig selbst zu spielen. Das Wichtigste für mich ist im Moment der Versuch, neue Musik zu spielen, diese aufzunehmen und zu veröffentlichen. Das ist es, worauf ich mich konzentrieren will. War es schon immer ein Wunsch von dir, deine Songs mit einem grossen Orchester im Rücken auf der Bühne zu performen? Nicht wirklich, aber ich habe die einmalige Chance erhalten, das zu tun und ich habe es wirklich genossen! Ich habe beim Songschreiben komischerweise nicht an die Zusammenarbeit mit einem Orchester gedacht, obwohl manche meiner Songs klingen, als wären sie extra für ein Orchester geschrieben. Das alles ist aber einfach spontan entstanden, und es hat mir extrem viel Spass gemacht.

Normalerweise ist Loney, Dear aber ein Einmann-Projekt. Nimmst du noch immer alle deine Alben in deinem Studio im Keller deiner Eltern auf? Ja, ich bin auch alleine für die Texte verantwortlich und spiele alle Instrumente selbst ein. Die Band ist nur auf der Bühne dabei. Was ist besser: Alleine Songs zu schreiben und diese aufzunehmen oder mit einem grossen Orchester zusammenzuarbeiten? Wahrscheinlich die Arbeit mit dem Orchester. Das macht einfach wahnsinnigen Fun. Beides hat seine guten Seiten, aber diese letzte Woche war echt einmalig. Und wie würdest du Loney, Dear beschreiben? Ich versuche gerade den Weg, den ich mit meiner Musik in Zukunft beschreiten möchte, zu finden. Früher habe ich meine Musik immer als sehr farbenfroh beschrieben. Im Moment habe ich aber wirklich Mühe zu sehen, wohin mich mein Weg führt. Ich weiss nur, dass ich Neuland beschreiten muss, was im Moment sehr aufregend ist. Ich bin mitten im Prozess, neue Dinge zu entdecken, und es ist auch für mich sehr interessant zu sehen, wo das alles hinführt.

‹Ich habe das Gefühl, nicht das Beste zu geben.› Kannst du mir sagen, weshalb sehr viel gute, aktuelle Musik aus Schweden kommt? Das haben mich andere Leute auch schon gefragt, und ich bitte sie dann immer, mir fünf wirklich gute Künstler aus Schweden zu nennen. Sicher, eine Menge Musik kommt aus Schweden, aber ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, was davon wirklich gut ist. Aber es stimmt, es gibt diese unglaubliche Kreativität hier. Ich weiss jetzt nicht, ob das eine gute Antwort ist, aber ich denke es hat damit zu tun, dass Schweden nicht in den Zweiten Weltkrieg involviert war. Wir hatten das Glück, uns auf andere Dinge konzentrieren zu können, als unser Land wieder aufzubauen. Kultur kommt auf der Prioritätenliste eines Landes, das andere Schwierigkeiten hat, erst ziemlich spät. Vielleicht ist es aber auch nur das Klima in Schweden. Ich kann’s wirklich nicht sagen. Mittlerweile hat sich die Szene aber zum Selbstläufer entwickelt. Die Leute sehen den Erfolg anderer schwedischer Künstler und sagen sich: ‹Das kann ich selbst genauso gut!›

Hast du einen schwedischen Lieblingsmusiker? Ich mag eine Menge alter Gentlemen, die leider bereits von uns gegangen sind. Im Moment mag ich den schwedische Komponisten Allan Pettersson sehr, vor allem seine siebte Sinfonie, ein grossartiges 40-minütiges Stück. Und dann steh ich auf viele Jazzmusiker. In Stockholm gibt es eine sehr lebendige Jazzszene, auf die ich wirklich stolz bin. Du hast dein Soloprojekt erwähnt. Wie muss ich mir das Spielen möglichst vieler Instrumente gleichzeitig vorstellen? Ich hatte schon seit längerem das Gefühl, dass ich nicht mein Bestes gab, dass ich eigentlich nicht immer tat, wozu ich in der Lage wäre. Das gilt für alles in meiner Karriere, ausser vielleicht fürs Aufnehmen. Aber beim Touren und den Liveauftritten hatte ich immer das Gefühl, dass ich eigentlich mehr kann, dass das noch nicht alles ist. Dieses Projekt ist meine kindische Art, mich besser zu fühlen, mich komplett zu fühlen und zu zeigen, was ich in der Solosituation alles kann. Als ich mit dem Musikmachen angefangen habe, gab ich mich mit der Gitarre, die damals für mich ein neues Instrument war, zufrieden. Mittlerweile fühlt sich das alles ziemlich gewöhnlich an. Das Soloprojekt ist mein Weg, mir die Realität etwas zurechtzubiegen. Ich weiss auch noch nicht, ob ich jemals damit auf einer Bühne stehen werde, aber es ist ganz interessant. Wie es derzeit jedoch aussieht, kommt die Öffentlichkeit noch nicht so bald in den Genuss eines Live-Konzerts des Multiinstrumentalisten Loney, Dear. Bis im Sommer zumindest muss noch mit dem im letzten Jahr erschienenen Album ‹Dear John› vorliebgenommen werden. Bleibt zu hoffen, dass sein neuer Weg Emil Svanängen bald wieder aus dem Studio raus, zurück auf die Bühne führt. Das ausführliche Interview findet ihr auf kinkimag.com/magazin. Mehr Informationen zu Loney, Dear gibt es unter loneydear.com.

Hast du jemals daran gedacht, in deiner Muttersprache zu singen? Ja, ich habe einige Kirchenchoräle auf Schwedisch gesungen und auch ein paar Songs in meiner Muttersprache geschrieben. Es wäre sicher einen weiteren Versuch wert. Es ist immer sehr bedeutend in der Muttersprache zu singen, andererseits bin ich heute ja viel unterwegs, die Musik muss überall hinpassen, deshalb singe ich lieber englische Texte. kinki 59


Ein verschlucktes Mikrophon und jede Menge Lärm: die Noise-Band ‹Lightning Bolt› aus Providence dürfte jedem in Erinnerung bleiben, der sie schon live erleben darf.

Kleiner Mann ganz gross! Die Tributeband ‹Mini Kiss› um Bandgründer Joseph Fatale hat soeben einen Werbespot für den Superbowl abgedreht, plant eine grosse US-Tour und versucht sich im Studio an ersten eigenen Songs.

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Mit ihren plutonischen Bühnenansprachen und zeitlosem Glam-Punk erscheinen ‹Zolar X› auch nach dreissigjähriger Bandkarriere so strange wie am ersten Tag.


UnivErsE Of THE WEird

Die Sesam-Marsianer von ‹Yip-Yip› machen elektronische Musik für Erdlinge mit starken Nerven.

Während indiedandies und Langbeinchicks mit computergebügelten stimmen im rampenlicht stehen, gehört unser Beifall den unangepassten Bands, die sich auf authentisch-trashigen Abwegen daran machen, die Musikherrschaft an sich zu reissen. Text: rainer Brenner, Antonio Haefeli und florence ritter

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rst die absurde Bandformation ‹die Antwoord› und der RapPlayboy ‹Jon Lajoie› weckten wieder unser von der Musikindustrie narkotisiertes Verlangen nach ungeschliffener Musik, die ambivalent zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit oszilliert. Plötzlich erinnerten wir uns, dass, wenn die Musik aus den Fugen gerät, der Spass erst beginnt. Wir sind es satt, die immer selben Refrain- und Beathappen mit dem inszenierten PR-Rahmen und der Rock-SchickWürze zu schlucken, denn schmackhaft sind sie schon lange nicht mehr, daran konnte auch das Lady-Gaga-Dressing nichts ändern. Wir stürzen uns also mit Appetit auf die verrückten und innovativen Bands, die man heute als MySpaceRetrogardisten feiern darf und die aus freien Stücken und mit so viel Herzblut in vergessenem Ausmass musizieren und performen, dass uns wahrlich der Mund offen bleibt. kinki machte sich auf die Suche nach diesen kreativen Gruppierungen und fand neben köstlichen Freaks gleich deren Internet-Pool weirdestbandintheworld.com. Ganz ohne der Frage ‹Wie ernst kann das gemeint sein?› nachzugehen, servieren wir euch die schrillsten Kandidaten.

Yip-Yip

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ierzulande kennt man die YipYips – wenn überhaupt – als die Ausserirdischen aus der Sesamstrasse. Das namensverwandte musikalische Duo aus Übersee ist aber nur wenigen ein Begriff. Und obwohl die beiden Typchen aus Orlando, Florida, die Namensherkunft von den zwei Handpuppen aus dem amerikanischen Kinderfernsehen negieren, haben sie die fremdbestimmten Verweise mittlerweile selbst von dieser Abstammung überzeugt. Tatsächlich fällt einem schwer ein besserer Vergleich als der mit den tentakeligen, farbigen Sesam-Marsianern ein, welche mit grossen Augen und ‹yip yip yip – nope nope nope›-Phrasen schwebend die Welt erkunden; denn Yip-Yip sind einfach ‹strange›. Jedoch wirren Brain Esser und Jason Temple, wie die musikalischen Erdenbewohner heissen, weniger farbenfroh, sondern in Schachbrett-Jumpsuits durch die Weiten des Universums. Dieses Schachbrettmuster zieht sich blinkend und Augenkrebs verursachend auf ihrer MySpaceSeite fort. Neben der visuellen Peinigung gibt sich ihre Musik aber viel gnädiger. Der Sound lässt sich als Experimental und Progressive Electro mit Techno- und Rave-Einschlägen beschreiben, der von einer ganzen Warp’schen Generation beeinflusst wurde und zugegebenermassen von Szeneauswärtigen wiederum als sonore Qual empfunden werden kann. Die computerveränderten Stimmen sind hallgeschwängert oder dermassen verstellt, dass sie wie das Gegrummel von Marsmenschen klingen, die sich dann über Synthie- und Gameklanglandschaften der 90er-Jahre legen. Ihr Sound klingt, als hätte kinki 61


Irgendwo zwischen Musik, Kunst, Trash und geistreicher Performance Art bahnen sich die ‹fünf weissen Mittelstandstöchter› von ‹It sounds like Rita› ihren Weg durch die Abwege.

Höfischer Metal von headbangenden Barden? ‹The Metal Shakespeare Company› macht’s möglich!

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eine ganze elektronische Geräte-Armada ihre Welt eingenommen; einzig das Saxophon legt teilweise einen irdischen, instrumentalen Auftritt hin. Irgendwie erscheinen die zwei Sprenzel ohne Kostüme wie ‹Dumm und Dünner›, die als Bastarde aus Oberhipster und Supernerd in Erscheinung treten. Aber wie gesagt, ihr Sound klingt weniger verquer, als ihre Macher aussehen: Trashklasse A! Have fun with the strangers! myspace.com/yipyip

Mini Kiss

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ein, bei Mini Kiss handelt es sich nicht um die kleinen Schokoküsse aus der Migros, sondern um die kleinste Kiss-Tributeband der Welt. Genauer gesagt um vier kleinwüchsige Menschen, die – ganz in der Tradition der Freakshows – ihre Zwergwüchsigkeit, als ihre übergrossen Vorbilder verkleidet, zur Schau stellen. So dürfen sich die ‹Tiny Gods of Thunder› mittlerweile zu den beliebtesten Tributebands der Urväter des Hairmetal zählen. Denn auch wenn Frontmann Joey Fatale mit seinen knapp viereinhalb Fuss sein Vorbild Simmons um fast einen Meter unterragt, so ist er und seine fast ebenso geübte ZungenSchwenk-Technik bei eingefleischten Fans mittlerweile schon bald ebenso berüchtigt wie das lebensgrosse Original. Und auch wenn sich so manch ein gesunder Menschenverstand hier fragen mag, ob diese Art von Zurschaustellung nicht als masslose Diskriminierung verstanden werden sollte, sind Mini-Tributebands anscheinend ein verbreitetes und lukratives Phänomen. Mini Kiss sind nämlich nicht die einzige kleinwüchsige Kiss-Tributeband: ‹Tiny Kiss› brillieren mit einem noch kleineren Frontmann, zwei weiteren Kleinwüchsigen und einem 350 Pfund schweren weiblichen Bandmitglied. Als Kontrast wahrscheinlich.

Videoclips der höfischen Sprache des Elisabethanischen Zeitalters, so dass ihre Auftritte an eine mit Iron Maiden unterlegte Theateraufführung einer ambitionierten Laiengruppe erinnern. Am trefflichsten beschreiben die vier edlen Herrn aus Portland ihre Ambitionen wohl selbst, wenn sie auf ihrer Website verlauten lassen, dass ‹Power Metal und Shakespeare sich doch ziemlich ähnlich sind, wenn man darüber nachdenkt. Beide befassen sich nämlich mit Ehre und Ruhm und erscheinen bombastisch. Und beide sind sie irgendwie unglaublich männlich und doch ein klein wenig schwul.› Treffender kann man diese grandiose Liaison wohl nicht beschreiben. myspace.com/bardcore

Lightning Bolt

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ein, der CD-Player ist nicht kaputt. So klingt es nun mal, wenn Brian Chippendale und Brian Gibson alias Lightning Bolt an ihren Instrumenten sitzen. Schnell, laut und repetitiv – definitiv nichts für schwache Ohren. Die Gitarre schrammelt und kreischt, die rasenden Drums hypnotisieren, und immer wieder erklingen seltsame Geräusche aus dem Mund von Drummer Brian Chippendale, der sein Mikro im Mund stecken hat und diesen dann mit Klebeband zuklebt. Das Mikrosignal, das dabei entsteht, wird durch ein ganzes Arsenal an Effektgeräten und Verzerrer gejagt, was dazu führt, dass nur noch so etwas wie ‹Gesang› zu erahnen ist. Bei Konzerten spielen die beiden Jungs aus Providence, Rhode Island, ihren explosiven Sound typischerweise mitten im Publikum, was meist zu unkontrollierten PogoExzessen führt. Alles in allem eine ziemlich durchgeknallte Mischung aus Punk, Noise und Electronica, die aber trotz der reduzierten Instrumente ein wegweisendes Soundspektrum zu erzeugen vermag.

minikiss.com

laserbeast.com

The Metal shakespeare Company

it sounds like rita

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twas ist faul im Staate Oregon. Denn seit vier Jahren treiben dort vier äusserst skurrile Gestalten namens Lord Simms, Viceroy Matthews, Bottom und William Sly als The Shakespeare Metal Company ihr Unwesen. Mit der Mission, die Texte des englischen Barden aus dem 17. Jahrhundert mit beinahe ebenso alten Power-Metal-Akkorden und Falsettschreien zu untermalen, ziehen die vier Studentenfreunde mit hautengen Strumpfhosen, Pappschwertern, tief gestimmten Gitarren und Keyboardarrangements bewaffnet durch die Lande und machen dabei irgendwie den Eindruck, als nehmen sie sich selbst nicht allzu ernst. Konsequent und verwundernswert gekonnt bedienen sich die vier holden Mannen denn auch nicht nur in ihren

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as haben diese Damen denn eingeschmissen, mag manch einer sich fragen, wenn er die variierenden physischen Ausformulierungen von ‹It sounds like Rita› betrachtet. Wenn man dann noch ihre kakophonisch-hedonistischen Singsänge über ‹Beuys und Jesus›, den ‹Seebaer auf hoher See› oder ‹Wuschelknoten› zu hören bekommt, dürfte sich diese Frage besorgniserregend verhärten. Doch die Zweifel können sogleich über Bord geworfen werden, während die Chicks wie auf Speed klingen, führt sich auch dieses Fünferlei das angedeutete Ritalin nicht wirklich zu, sondern schlägt sich einzig im charakterbestimmenden Namen ‹It sounds like Rita› und im Sound nieder. Was in den Kinderschuhen der Kunstschule (Grösse: 41, 40, 40, 39, 40) als störrische Kinderspiel-

zeugsonate mit Handörglibeat und weibischphilosophischem Gekreische begann, schreitet heute in Zoggeli oder nacktfüssig mit Badekappe weiter der performativen Kunst entgegen. ‹Wir sind eher fragmentarisch und ironisch. Voll postmodern. Wir sind fünf weisse Mittelstandstöchter, die auch Kunst machen›, lassen sie in ihrem Manifest sarkastisch verlauten und treten mit scheinbar hyperaktiver Showgenerierung in stetig changierender Kostümierung auf. Ob sie sich als Flipcharts auf dem Stadthausdach entblättern, bis sie nur noch den fluoreszierenden Sternenhimmel auf sich tragen, mit musikalischem Kartonequipment und Pin-Up-Tattoos den Seemännern ein Ständchen singen, in Batikleggins die Alpenkonferenz stürmen oder als ‹Rita in Carnat› im körperengen, hautfarbenen Dress mit Sturmmaske und rosa Höschen die Besucher der Basler Museumsnacht verunsichern: Rita halten, was sie versprechen. Alle stilistischen Grenzen werden fantasievoll umgangen und dem weitverbreiteten Hörverständnis neue Dimensionen zugefügt, denn: ‹Rita ist es Wurst›. itsoundslikerita.ch myspace.com/itsoundslikerita

Zolar X

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as genau in den 70ern wohl alles auf dem Gelände der sagenumwobenen Area 51 ablief? Sezierte man Aliens? Oder kommunizierte man mit Ausserirdischen? Oder hörte man sich dort einfach zu viele Platten der Grossväter der selbsternannten ausserirdischen Punk-Glamrocker Zolar X an? Mit ihren trashigen Liveshows, die gerne auch in plutonischer Sprache moderiert wurden, spielten sich die Damen und Herren um Front-Alien Ygarr Ygarrist nämlich bereits Anfang der 70er-Jahre ins Vorprogramm bekannter Grössen wie Iggy Pop, The New York Dolls oder Van Halen, und prägten selbst bis zu ihrer Trennung im Jahre 1981 die kalifornische Punkszene mit ihrem interstellaren Charme und ihren melodiösen Gitarrenriffs. Doch das zolarische UFO sollte nochmals auf unserem kleinen blauen Planeten landen. Dem Rufe ihres Langzeitfans Jello Biafra und dem Titel ihres Debütalbums ‹Timeless› folgend, feierten die Extraterrestrier nämlich vor 6 Jahren ihr Comeback und tragen auch heute noch Antennen auf ihren neonfarbenen Perücken, wenn sie Hits wie ‹Rocket Roll› oder ‹Plutonian Marmelade› zum Besten geben. Wer kann, sollte sich die Show der Sternenmänner auf keinen Fall entgehen lassen. Wo sonst trinken schliesslich Trekkies neben Altpunks Dosenbier… myspace.com/zolarx Fotos: Joseph Fatale (S. 54 unten), Zolar X (S. 54 oben rechts), Lightning Bolt (S. 54 oben links), Jen Shumate (S. 55 unten), It sounds like Rita (S. 56 oben), Evan Moore (S. 56 unten)

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‹playlist› Unsere Lieblings-DJs stellen ihre All Time Favourites vor. DJ Sassy J

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BETTy CARTER: MAKING DREAMS COME TRUE Neben Ella, Sarah, Carmen McRae, Sherley Horn, Dee Dee Bridgewater und Chaka Khan, eine meiner allerliebsten Sängerinnen: so unglaublich musikalisch und mit einer ganz einzigartigen Art zu frasieren. ‹Making Dreams Come True›, mein liebster Song von Betty, spiele ich immer wieder in meinen Sets.

‹JDILLA IS THE GREATEST› nähte ich an seinem Todestag auf mein T-Shirt, was wohl definiert, was ich für dieses Genie und seine Musik empfinde. Wie oft hab ich den Track schon gezückt in meinen Hip Hop Sets!? Im richtigen Moment bringt er jede Crowd zum Durchdrehen! Besonders die Dilla Fans. Turn it up!

LOGGs gleichnamiges Album ist eine dieser perfekten Platten. Himmel, was für unglaublicher Boogie! Leroy Burgess’ Vocals sind einfach der Killer! ‹you’ve Got That Something› ist schlicht, entschuldigt: orgastisch! Einer dieser Tracks, bei denen ich mich nicht mehr kontrollieren kann, ob im Bus, zu Hause oder auf dem Dancefloor – ich muss einfach tanzen!

01: 58

Neben Dilla war klar, dass Madlib auch irgendwo auf dieser Liste auftauchen würde. Zusammen mit MFDoom hat er eines meiner liebsten Hip Hop Alben geschaffen. Ob nun ‹Accordion› oder ‹RAID›, war schwer zu entscheiden. Nachdem Madlib während seines letzten Sets in der Roten Fabrik diesen einen neuen Madvillain Track gespielt hat, warte ich bereits wieder sehnsüchtig auf das neue Album der beiden!

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NEW SECTOR MOVEMENTS: SURVIVAL

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09:48

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MADVILLAIN: ACCORDION

als erste Frau und Schweizerin an der CO-OP Clubnacht auflegte), fand sie den Sound, der sie auch heute noch berührt: elektronische Musik, die geprägt ist von organischen Elementen – der Broken Beat West Londons. Doch es ging nicht nur um den Sound, auch das Publikum war anders drauf als in der Schweiz. Es ging zu und her wie in einem Jazz Club. Die Leute sangen mit, klatschten, waren mit der Musik verbunden. Über die Zeit hat sich Sassy J ihren ganz eigenen Stil angeeignet: ‹LA LA›-Musik, wie sie es nennt. Dieser Begriff verbindet Sassy stark mit ihrem von Jazz und Soul geprägten Elternhaus. Im Flur hing ein Bild ihres Vaters mit dem Bebop Jazz Sänger Babz Gonzales, der einen Hut mit der Aufschrift ‹LA LA› trug. Ein Wort, das blieb. Sei es Boogie, Disco, Jazz, Detroit Techno, Hip Hop, Brazil, Deep House, UK Funky oder Wonky Beats – Sassy J’s Sets strahlen immer Wärme und Soul aus.

Mit Jazz und Soul aufgewachsen, mit Hip Hop das Auflegen entdeckt, waren Techno oder House für mich lange Zeit ‹Schimpfwörter›, bis ich auf die Musik von Theo Parrish, Moodyman, Pépé Bradock, Aardvarck oder eben Underground Resistance und Mad Mike stiess.

LOGG: yOU’VE GOT THAT SOMETHING

JDILLA: FUCK THE POLICE

usik für ‹Mind, Body & Soul› – und natürlich die Dancing Shoes. Das ist der Sound, den DJ Sassy J mit ansteckender Leidenschaft spielt. Sassy liebt die Fusion: ‹Patchwork› heissen die von ihr ins Leben gerufenen Berner Clubnächte, mit denen sie sich schon in London, Amsterdam und Barcelona einen Namen gemacht hat. 2006 wurde sie sogar an die Red Bull Music Academy in Melbourne eingeladen. Judith Biffiger, wie sie ab und an auch genannt wird, hat ein Händchen für Rohdiamanten und unentdeckte Schätze. Ihr ist es nämlich zu verdanken, dass Künstler wie Little Dragon, J*Davey oder Sa-Ra ihren Weg in die Schweiz fanden. Doch auch ihre eigenen Sets sind Perlen der DJ-Kunst. Als sie vor Jahren in London den legendären Club Plastic People betrat (wo sie einige Zeit später auch

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MAD MIKE: JUPITER JAZZ

Als ich die ‹No Tricks›-EP von IG Culture’s New Sector Movements mit Eska Mtungwazi, Frank McComb und Eric Appapoulay im Jahr 2000 das erste Mal hörte, blies es mich beinahe weg: Soul und Synthesizer, die mich irgendwie an Stevie Wonders ‹In Square Circle› und ‹As If you Read My Mind› vom ‹Hotter Than July›-Album erinnerten, doch klar Musik der Zukunft war. Der Anfang meiner Liebesgeschichte zu London, CO-OP, Fusion und Broken Beat. LASER LASER! Floooor Violence RUUULES!!!

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THEO PARRISH: GOING THROUGH CHANGES Mein wohl liebster House- / Detroit-Produzent. Ich liebe alle seine Produktionen, egal ob ‹Dusty Cabinetts›, ‹Moonlight›, ‹Walking Through The Sky›, ‹Orchestral Hall› oder seine neueren Produktionen wie eben ‹Going Through Changes›. Auch als DJ ist Theo eine grosse Inspiration für mich.

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MILTON NASCIMENTO & Lô BORGES: TUDO QUE VOCê PODIA SER Dank Wayne Shorter’s Album ‹Native Dancer› habe ich Milton Nascimentos Musik kennen und lieben gelernt. Diese unvorhersehbaren Harmoniewechsel, die unglaublichen Arrangements und diese Stimme waren der Beginn meiner Liebe zu brasilianischer Musik. Dieses Stück war eines meiner ersten und liebsten Brazil Stücke. Der letze Song meines Sets am Sonar Festival 2007. Er liess die Leute ihre Arme in die Luft heben und jubeln.

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RADIOHEAD: EVERyTHING IN ITS RIGHT PLACE Gute Musik ist für mich keine Frage der Stilrichtung. Schubladenmentalität in der Musik oder sonst wo mag ich nicht. Ich suche nach Harmonien, Melodien, Rhythmen die mich zum Tanzen anregen, inspirieren oder schlicht meine Seele berühren. Radiohead haben diese Stimmungen und Harmonien, die mich hypnotisieren. ‹Everything In Its Right Place› zieht mich immer wieder von neuem in seinen Bann.

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DIMLITE: SUNSIZED TWINKLES Von L.A.s Beatmassiv seit Anfang seiner Produktionen geliebt, von Leuten wie Hudson Mohawke oder Flying Lotus als Inspiration angepriesen: Dimlite. Sein gesamter Katalog gehört zu meinen All Time Favourites. Don’t sleep on this! Weitere Info unter myspace.com/djsassyj und sassyj.ehstrawlogy.com. Text: Antonio Haefeli und DJ Sassy J Foto: Beatrice Schmid


Delivering a menacing storm of thunDer at the speeD of sounD. the trooper.

nixonnow.com/trooper


Jugendträume

Warme Orgeln, leise Gitarren, elektronische Drums und die überwältigende Stimme von Victoria Legrand machen Beach House zum Inbegriff einer ‹Dream Pop Band›. Bei ihrem Auftritt im Zürcher Abart nahm kinki das Duo aus Baltimore zur Seite und sprach mit Victoria und Alex über ihre Musik, MySpace, das Reisen und die Abstraktion von Teenagerträumen. Interview: Antonio Haefeli kinki magazine: Vor Kurzem erschien euer neues Album ‹Teen Dream›. Von was habt ihr als Teenager geträumt? Victoria: Natürlich hatte auch ich viele Träume als Teenager, doch es waren zu viele, um sich auf einen festzulegen. Träume ändern sich schnell, wenn man jung ist. Alex: Ich wollte immer ein Läufer sein. Ich liebte es zu rennen. Sehr simpel, ich war ein ein­ facher Junge. Erst später wurde es kompliziert. Kompliziert? Wieso? Alex: Ich weiss nicht. Es ist hart für uns alle (grinst). Gut, ich seh schon, der Titel des Albums hat nicht wirklich viel mit Teenager­Träumen im eigentlichen Sinne zu tun. Warum trotzdem ‹Teen Dream›? Alex: Der Titel ist sehr abstrakt. Es geht nicht um ‹Teen Dream›, eher um das Gefühl dieser Worte. Auch um ihren Klang… Victoria: …und auch um das Bild, das diese Worte evozieren. Es macht Sinn. Die Mu­ sik und die Worte passen zusammen. Wie bei einem Gemälde: man betrachtet es, hat ein Gefühl dabei und dann schaut man auf den Titel. Um diese Verbindung geht es. Alex: Die Worte ‹Teen› und ‹Dream› sind in ih­ rer Bedeutung beide extrem offen. Schon allein das Wort ‹Teen› erweckt so viele Asso­ ziationen wie Leidenschaft, Freiheit… Victoria: Glitzer… Alex: Ja, Glitzer! Genau so wie es einen gros­ sen Kuss bedeuten kann. Und ‹Dream› ist ein nicht minder gigantisches Wort. Es kann sich auf einen Albtraum beziehen, auf ei­ nen Lebenstraum oder eine Vision. So viele Dinge stecken in diesen Worten. Victoria: Titel sollten immer Platz bieten. Und einen Hintergrund für die Musik. Kommen wir also zur Musik. Victoria, du hast mal gesagt, du seist eine Musikerin, die Musik macht, aber selbst fast keine hört. Ist das wahr? Lässt du dich denn nie von anderen Bands inspirieren? Victoria: Oh ja, ich weiss, woher du das hast! (Lacht) Ich kann mich an das Interview 66 kinki

erinnern. Dabei ging es mir um die Phase, in der ich Musik schreibe. Ich will dann von niemandem inspiriert werden. Klar, wir werden alle immer von anderen inspiriert, aber in die­ ser Phase will ich einfach Stille um mich haben. Ist das bei dir auch so, Alex? Alex: Ja, wenn ich mit Victoria arbeite schon. Ich glaube andere Musik beeinflusst uns nicht durch ihre Form, sondern mehr durch ihre Emotionen. Musik schenkt uns Ge­ fühle. Wir sagen nicht: ‹Oh, hör mal die Gitar­ re, so etwas müssen wir auch machen!› Wir könnten natürlich analysieren und imitie­ ren, aber wir möchten die Musik einfach über ihr Gefühl in uns lassen. Wenn wir schrei­ ben, möchten wir, dass die Musik vom Grund auf entsteht.

Eine Frage zu eurem Faible für die Orgel. Was bedeutet dieses Instrument für eure Musik? Victoria: Die Orgel ist das Fundament von Beach House. Sie ist der Anfang und ist immer da in irgendeiner Form. Es scheint mir aber so, als hätte sie auf der neuen Platte nicht mehr den selben Platz wie zuvor. Sie ist noch da, klar, aber steht nicht mehr so im Vordergrund. Trotzdem ist die Orgel etwas, ohne das wir nicht existieren würden. Es gibt auch so viele Arten von Orgeln, mit denen man unglaublich viele verschie­ dene Emotionen und Stimmungen erzeugen kann. Die Orgel ist wie eine Leinwand, auf die wir malen können. Alex: Unsere Obsession für Orgeln kommt auch daher, dass wir nur zwei Leute sind, aber dennoch schon immer einen gigantisch­ Verträumte Zeitgenossen: Alex Scally und Victoria Legrand von Beach House.


en Sound kreieren wollten. Die Orgel ist nicht wie eine Gitarre, die eine Melodie spielt; die Orgel hat einfach einen gewaltigen Sound. Nur eine Note kann eine ganze Halle füllen. Eine Gitarren­Note könnte das nie. Anderes Thema: Heutzutage gibt es sehr viele Bands, vielleicht so viele wie noch nie zuvor. Was denkt ihr darüber? Ist dieses Phänomen gut für die Musikszene? Victoria: Das ist grossartig! Ich sehe da nur Positives daran. Alex: Eine andere Sichtweise– eine sehr pes­ simistische – würde einwenden, dass da­ durch nichts mehr grossen Wert hat. Ich den­ ke aber nicht, dass das der Wahrheit entspricht. In den 60ern, als alles von Major­ Labels kontrolliert wurde, gab es nur etwa 200 Albumveröffentlichungen pro Jahr, und alles waren riesen Dinger. Etwa die Beatles oder was auch immer. Diese Leute wurden da­ mals auch sehr reich mit ihrer Musik. Mei­ ner Meinung nach sollte ein Künstler aber nicht viel Geld besitzen. Ich halte nicht viel von reichen Leuten. Es ist besser, wenn niemand zu viel Aufmerksamkeit bekommt. Heute gibt es zum Beispiel viele Bands die 10 000 Alben verkaufen, aber nie im Radio liefen. Victoria: Heute ist das Motto mehr ‹Power to the people›. Auch dank MySpace und Co. Ihr wurdet ebenfalls durch Blogs und My­ Space bekannt, verkauft eure Titel auf iTunes.

Auf der anderen Seite habt ihr auch einen exklusiven Track für den independent Record­ store ‹Day› in den USA veröffentlicht. Wie geht ihr mit dem Wandel im Musikgeschäft um? Victoria: Wir gehen mit dem Flow. Alex: Für uns ist das nicht wirklich eine Ver­ änderung. Als wir 2006 zum ersten Mal Musik veröffentlichten, war es schon so. Es lief auch schon damals alles übers Internet. Platten verkauft man nicht mehr, weil sie im Radio laufen. Abgesehen davon, verdienen wir unser Geld sowieso nicht mit dem Verkauf von Platten, sondern an unseren Konzerten. Wir halten uns nur durchs Touren über Wasser.

‹Ein Künstler sollte nicht viel Geld besitzen.› Was gefällt euch eigentlich besser, die Zeit auf Tour oder die im Studio? Victoria: Natürlich ist beides toll! Die Zeit auf Tour gehört genauso zum kreativen Schaf­ fensprozess. Man hat Zeit zum Beobach­ ten, zum Nachdenken. Es ist wie Träumen. Das Touren ist wichtig für die Arbeit zu Hause im Studio. Es ist richtige Arbeit – etwas Physisches. Es ist einfach ein grosser Teil des Kreativseins. Alex: Diese Tour ist unsere dritte und wir mögen es von mal zu mal mehr. Es gibt ver­

schiedene Phasen: die Tourphase, die Kreativphase, die Aufnahmephase und die Pressephase (grinst). Und wir brauchen das. Wenn man eine Zeit lang kreativ war, alles aufgenommen hat, dann will man auch raus, man hat nicht die Energie, um gleich die nächste Platte zu machen. Nach der Tour ist man dann so am Ende und hat es satt zu interagieren und zu per­ formen, so dass man sich freut, nach Hau­ se zu kommen. Was bedeutet euch das Reisen im Allge­ meinen? Alex: Für mich persönlich ist das Reisen eine grosse Inspirationsquelle. Man sammelt, wenn man reist: Erfahrungen, Erinnerungen, Kleider, Gegenstände, Gespräche. Victoria: Es ist eine anstrengende Sache, aber wir mögen es sehr, unterwegs zu sein. Auch wenn wir zu Hause sind, gehen wir immer wieder auf Reisen. Es ist zu einem grossen Teil von unserem Leben geworden. Die Welt ist so gross, es wäre blöd, wenn wir die Möglichkeit rumzukommen, die wir als Musiker haben, nicht nutzen würden. Das Leben ist kurz, man sollte so viele Leute treffen und Orte besuchen, wie man kann. Zürich mögen wir übrigens auch sehr! (Lacht) myspace.com/beachhousemusic Foto: Promo

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Butter flies And Hurri cAnes

Photography: Billy Kidd, billy-kidd.com Styling: Aletia Gonzalez, aletiagonzalez.com Hair: Trevor Bowden, trevorbowden.com Make-up: Lauren Whitworth using YSL, laurenwhitworth.com Photographic Assistants: Lauren Loncar and Max Bashchenko Fashion Assistants: Fabiola Ledesma and Darryl Glover

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vorherige Seite Body Suit: Wolford Skirt: Topshop Socks: Wolford Shoes: Walter Steiger diese Seite links Top and Panty: VPL Wings: Heather Huey Socks: Wolford Shoes: Walter Steiger rechts Bodysuit: Topshop Necklace: By The Stones L’Eclaireur located in Paris Cage: Heather Huey

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links Skirt: Beyond Retro Shirt: American Apparel Neck tie: Beyond Retro Belt: H&M rechts Shirt: Margaret Howell Glasses: Calvin Klein

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Top: Haleh Nematzadeh Panty: Wolford Belt: Marie Saint Pierre Socks: Wolford Shoes: Walter Steiger

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links Dress: Haleh Nematzadeh Skirt: Beyond Retro Shirt: American Apparel Neck tie: Beyond Retro rechts Belt: H&MWolford Bodysuit: Necklace: Mirjana Scepanovic rechts Skirt Cage: Heather Huey Shirt: Margaret Socks: Wolford Howell Glasses:Walter CalvinSteiger Klein Shoes:

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LUCK BE A MAN! Seit jeher wird die Damenmode beschrien und mit Hosianna besungen, w채hrend die Herrenmode nicht viel mehr ist als ihr schm체ckendes Beiwerk. Doch Labels wie Herr von Eden lassen die M채nner im Glanz alter Zeiten wieder aufeben. Text: Anja Mikula und Florence Ritter 76

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Sollte sich in Farbe und Material am Hemd orientieren: Krawatte und Pochette.

Ein Musthave trotz steigender Temperaturen: Long-Johns.

Man sollte die Wirkung eines Phallus-Symbols nie untersch채tzen!


Wenn man schon so weit geht, sich seines Sakkos zu entledigen, sollten mindestens solche auffälligen Hosenträger sichtbar sein.

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ie Damenmode hat es prinzipiell einfacher. Sie wusste schon immer zu gefallen und Aufsehen zu erregen. Die Herrenmode hingegen wurde seit jeher fast schon stiefmütterlich mit Louboutin-bekleideten Füssen getreten. Derweil haben die Herren schon lange gelernt, aus der meist fantasielos ausgespuckten Mode für ihre Adoniskörper das Maximum herauszuholen: die Inszenierung. Ohne das Faszinosum der Inszenierung wäre ein Kleidungsstück nur ein Kleidungsstück. Und da die Inszenierung in einer Zeit geboren wurde, in der ein Napoleon sich noch auf Plateauschuhen durch die Boulevards von Paris tragen liess und der Dandy sei-

ne Taille mit einem Korsett akzentuierte, lassen sich die Designer immer wieder von der historischen Vergangenheit beflügeln, gerade wenn es um die Herrenmode geht. Sei es ein Herr Lagerfeld, der irgendwie schon seit Längerem von dem Trip nicht loszukommen scheint, sein Chouchou in barocke Rüschenhemden zu hüllen oder Labels wie Herr von Eden, die sich ganz und gar den Roaring Twenties verschrieben haben. Aus diesem Grund widmen wir uns in diesem Modespecial den Herren, den Erstgeschaffenen, aus derer grossartigen Rippe wir glücklicherweise entspringen durften. Lasst euch also entführen in eine Zeit, in der die Herrenmode noch das Diktat der Damenmode bedeutete und die männliche Inszenierung noch wahre Jubelstürme und Revolutionen auszulösen vermochte.

Sockenhalter Bis weit in die 30er-Jahre hinein war es für den Mann nicht weiter ungewöhnlich, Strapse zu tragen. Um ein Herunterrutschen der Socken auf Knöchelhöhe zu vermeiden, wurde deswegen ein Gummiband mit Halterung um die Wade getragen, das die Socke straff hielt. Nun muss sich heutzutage natürlich keiner ernsthaft mehr Sorgen machen, mit ein paar Zentimetern entblösstem Bein Empörung auszulösen, weswegen der Sockenhalter bei Herren heutzutage gänzlich verschwunden ist. Jammerschade, denn es gibt nichts Animalischeres und Wohlgeformteres am Körper eines Mannes als seine Wade. Ein Grund für die Rückbesinnung zum Sockenhalter, wie wir finden!

Die Schärpe, hier in Pink, sollte einen farblichen Bezug zum Outfit haben.

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Auch schön: Long-Johns in kurzer Variante.

Gilet Das Gilet – im Grunde nichts anderes als eine bessere Weste – ist seit längerem nur noch an Aushilfskellnern in griechischen Tavernen zu beobachten. Und dann meistens aus einem speckigem Organza-Polyester-Gemisch mit psychedelischem Ausbrenner-Muster. Das muss nicht sein, liebe Männer, dass dieses Prachtstück derart verkommt. Bei Herr von Eden kann man sich mit Gilets unterschiedlichster Farben und Stoffqualitäten eindecken, die nicht an einen Hilfskellner denken lassen. Also: Mut zum figurbetonten, farbenfrohen Gilet. Oversized war gestern!

Spazierstock Der Spazierstock findet seine Verwendung unserer Tage gern im Pflegebereich und in einer minimal stylishen Anwendung bei harten Gangster-Rappern, die die Knäufe gern mit Brillis und anderweitig ethisch bedenklichen Statussymbolen schmücken. Warum aber nicht einmal sein Outfit, bestehend aus AcneJeans und Surface to Air T-Shirt, entspannt mit einem Spazierstock aus poliertem Mahagoni kombinieren? Man sollte die Wirkung eines Phallus-Symbols nicht unterschätzen, vor allem eines so stilvollen.

Einstecktuch / Pochette Das Einstecktuch, auch Pochette genannt, ist seit dem Biedermeier Ausdruckmöglichkeit der männlichen Individualität und sollte sich in Farbe und Faltung an Hemd und Krawatte orientieren. Unserer Meinung nach sollte das nach modischer Ausdrucksvielfalt heischende Stückchen Stoff unbedingt wieder seinen 78

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Im Regen singen lässt es sich nur mit einem derart stilvollen Schirm mit Ledergriff.


Weg in die ein oder andere Brusttasche der Herren finden. Warum nicht sogar in eine derbe Jeansjacke?

Kummerbund Mit Kummer hat diese modische Raffinesse rein gar nichts am Hut. Phonetisch abgeleitet wurde die Bauchbinde lediglich vom indischen ‹kamarband›, wo das in Falten gelegte Stückchen Stoff denn auch seine Inspiration fand. Da es den britischen Offizieren in Indien schlichtweg zu heiss war, um eine Weste zu tragen, taten sie es den Indern nach und griffen zum Kummerbund. Wer das edle Stück Stoff nicht im Anzug-Komplettlook verbraten möchte, kann es zu einem Oversized-Hemd gepaart mit Röhrlijeans kombinieren.

Gamaschen Nachdem die Herren, Gott sei es gedankt, mit dem Comeback der enger geschnittenen Hosen (keine Leggins bitte) auch wieder Lederschuhe tragen, statt den Sneaker-King zu mimen, ist der Weg gepflastert, auch dieses verjährte Accessoire zurück auf die Strasse und an die Knöchel der bestgekleideten urbanen Dandys zu bringen. Die Beinlinge, besser bekannt als Gamaschen, fristeten im 18. und 19. Jahrhundert in der knielangen Variante ein militärisches Dasein und schützten die Fusssoldaten vor mechanischen Einwirkungen und Kälte. Diese Version erinnert uns jedoch stark an Fussballschoner, weshalb wir die verkürzte Form, wie sie im Biedermeier oder als Bestandteil des Cutaway Platz am Knöchel eleganter Herren fand, bevorzugen. Eben diese Gamaschen in Leder mit seitlicher Schnürung oder mit Knöpfen möchten wir, kombiniert mit April 77-Hose, lässigem Hemd und Fedora, von euch wiederbelebt sehen.

LongJohns Meine Herren, der Winter hat sich zwar langsam in andere Breitengrade zurückgezogen, doch dieses Relikt aus früheren Zeiten können wir euch beim besten Willen nicht vorenthalten. Hatten wir damals beim ‹Unsere kleine Farm›Gucken noch verschämt die Augen zugekniffen, wenn Alberts Haut

durch die Öffnung am Hintern seiner Long-Johns aufblitzte, so können wir uns heute nichts Animalischeres mehr vorstellen als euren Anblick in diesem wunderbaren Kleidungsstück. Es lässt uns an Berge, Skihütten und Sex auf Fellen denken. Und das ist verdammt noch mal auch gut so.

Bundfaltenhose Ein maskulines Donnergrollen hallte bereits durchs Land: die Frauen haben sich der Bundfaltenhose bemächtigt, die sie in Khaki, lässig gerollt mit weissem Marcel tragen, auch letzteres offensichtlich aus eurer Garderobe entlehnt. Liebe Herren, lasst euch nicht einschüchtern und erobert zurück, was euch gehört! Das Hochkrempeln bitte von den Damen abschauen, dazu Segel-Timberland-Schuhe, Marcel- oder AA-Shirt und viele Tattoos! Polo-Shirts sind in dieser Kombination aufs Strikteste verboten! Und seid getrost, euren kleinen und knackigen Allerwertesten setzen die Bundfaltenhosen viel besser in Szene als manch einen wohlgeformten Frauenpo.

Zigarrenschneider Die Zigarre ist ein weiteres Statussymbol, das bereits von Prollo-Rappern und Präsidenten missbraucht worden ist und dennoch den symbolträchtigen Ruf bewahren konnte. Trotz des bestialischen Gestanks gönnen wir unserem männlichen Begleiter unter Umständen (an Weihnachten, unter freiem Sternenhimmel oder bei anderen zu Hause) gerne eine Davidoff Grand Cru, während wir an unserer Zigarettenspitze ziehen. Jedoch nur weil Monsieur im Vorspiel mit einem sehr schicken Zigarrencutter so elegant die Spitze der Zigarre kappt. Schmacht.

Taschenuhr Eine adrette Eigenschaft, die Madame unweigerlich von Monsieur erwartet, ist die Pünktlichkeit. Obwohl wir selbst jedes Rendezvous schicklich um 10 Minuten verspätet antreten, würden wir eben dieses Verhalten dem männlichen Gegenüber besonders übel nehmen, schliesslich lässt es sich auf 12cm-Hacken auch unglaublich schlecht warten. Der Mann aus gutem Hause weiss Madame sogar mit Pünktlichkeit und Stil zu überzeugen, indem er die Uhrzeit von einer mondänen, antiken Kettenuhr abliest, die sogleich das männliche Auge für das besondere Etwas zu erkennen gibt.

Samtpantoffeln Zu guter Letzt müssen wir auch auf ein absolutes No-No verweisen. Die samtenen Pantoffeln mit goldig bestickten Initialen oder Familienwappen passen von ihrer Statusträchtigkeit zwar ganz gut zum vorgestellten Männerzubehör, sie überschreiten aber deutlich die Grenze des guten Geschmacks. Den High-Society-Schlarpen, die förmlich nach Dekadenz und Stilverlust riechen, wollen wir weder im Schlafzimmer und erst recht nicht im LeBaron begegnen. Fotograf: Manuel Pandalis, manuelpandalis.de Fotoassistenz: Paulina Tossou Model: John Patrick, Viva Models Berlin Styling: Herr von Eden Weitere Info unter herrvoneden.com.

Manschettenknöpfe und PicadillyNadeln Sehr schnieke finden wir diese beiden Hemdverfeinerer, die aus dem extravaganten Gala-Rahmen gerissen auch am Torso und Hemd unseres normalsterblichen Adonis eine gute Figur machen. Sehr bobo (bohémien-bourgeois) wirken die Eyecatcher an unifarbenen Hemden: eine Seite lässig in die Hose gesteckt und an den Ärmeln Umschlagmanschettenknöpfe, z.B. im Marine-Stil. Noch eleganter geben sich die Picadilly-Nadeln, die an den Kragenenden befestigt werden und ebenfalls jederzeit ausgewechselt werden können. Eine Doppelverwendung soll tunlichst vermieden werden, das würde die Herzensdame gleich wieder in die Flucht schlagen.

Mit diesen PicadillyNadeln sticht man garantiert jedes Outfit seiner Begleitung aus.

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where my boys at? 80 kinki


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Seite 81: jeansjacke & jeans DieSel, tanktop inSight, Seite 82: hemd WOODWOOD, Seite 83: pullover henrik VibSkOV

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Seite 84 oben: jeans Wrangler, unten: jeansjacke DieSel, Seite 85: pullover henrik VibSkOV Seite 86 & 87: jeansjacke leVi’S

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PhOtOgraPhY Daniel Cramer @ Upper Orange, art DireCtiOn Will Matthews @ Donkey, StYling Christian Stemmler @ bigoudi, hair & Make-UP troy Dabski @ bigoudi, MODelS bret @ Spin Modelmanagement, tim @ Spin Modelmangement, lino @ Mega Models, Pelle @ M4 Models

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‹vertreter› Über die wichtigsten Schuhe von damals bis heute. Name: Desert Boot Geburtsjahr: 1949 Typ: Schnürstiefel Besonderheit: unverwüstlich

Der Desert Boot wird seinem Ruf als unverwüstlicher Wüstenstiefel gerecht und bietet sowohl auf dem Schlachtfeld als auch auf dem Laufsteg Halt.

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ndreas Baader flüchtete nach Bombenanschlägen mit grosser Wahrscheinlichkeit in gut eingelaufenen Clarks. Rudie Dutschke stieg in ihnen aufs Rednerpodest und Noel Gallagher schüttete sein Pint in einem Londoner Pub über seine Desert Boots. Der robuste Wildlederstiefel mit der typischen breiten Kreppsohle verkörpert einen wilden Lifestyle, jedoch immer mit einem gewissen Understatement. Dieser Schuh lebt mit seinem Träger. In Bier getränkt, vom klebrigen Clubfussboden gezeichnet und von Wind und Wetter geformt, unterstreicht er die Persönlichkeit eines jeden Grossstadt-Cowboys oder Wüstendesperados. Der knöchelhohe Stiefel kann aber auch elegant wirken – gar intellektuell. In den 60ern gehörte er an der Princeton University sozusagen zum Dresscode und die Mods Englands und Frankreichs entdeckten das schlichte und zeitlose Design für sich. Der wahre Pionier dieses Schuhklassikers war jedoch ein anderer. Schon 1949 entwarf der britische Schuhmacher Nathan Clark den Desert Boot, wie wir ihn heute kennen. Clark, der einer grossen Schusterdynastie angehört, war während dem Zweiten Weltkrieg als Offizier in Kairo stationiert. Die ägyptischen Soldaten trugen dort eine Art Urmodel des Boots, das sie auf einem Basar anfertigen liessen. Der junge Clark war überzeugt, dass sich der Militärstiefel auch in der Freizeit tragen liesse und fing an, Prototypen zu entwerfen. Seine Familie produzierte zu dieser Zeit bereits seit 124 Jahren erfolgreich Gesundheitsschuhe. Keiner seiner

Verwandten glaubte jedoch an den Erfolg des Schuhs aus dem Orient. Davon liess sich Clark nicht abbringen und präsentierte noch im selben Jahr auf einer Messe in Chicago den Prototypen des neuen Stiefels. Er kehrte mit unzähligen Aufträgen zurück und die Erfolgsgeschichte des Desert Boots nahm ihren Lauf.

In die Wüste geschickt Dass dieser Schuh heute wieder an aller Füsse ist, vom Hipster bis zum Umweltingenieur, verdankt er wohl auch einem neuen BrandLaunch der Firma Clarks. Unter dem Namen ‹Clarks Originals› fing das Unternehmen 1995 an, die Ikonen der Kollektion neu zu vermarkten. Und alle andern machten mit: Kein Schuhhersteller, der nicht auch einen Desert Boot im Angebot hatte und immer noch hat. Das Design hebt sich hie und da leicht vom Original ab und hat mit der Zeit eine riesige Vielfalt an Farben und Ledertypen generiert, aber im Grunde sind die Treter sich treu geblieben. Nicht zuletzt deshalb hält die Begeisterung für Nathan Clarks Fusskleid bis heute an und auch im kommenden Sommer dürften die Wüstenstiefel nicht zu übersehen sein. Text: Antonio Haefeli Illustration: Patric Sandri


4 ausgaben im jahr 365 Tage im neTz

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blonde ist ein modemädchen! blonde liebt fashion, design und das leben mit euch! BLUE ISSUE #05

BLUE ISSUE

01/2010 WWW.BLONDE.DE

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Je t’aime, Sam

kinki traf sich ‹auf ein paar Stichworte› mit dem Berliner Modedesigner Sam Frenzel, sprach mit ihm über Mode, Maschen und Missionen und seinen gesunden Hang zum Narzissmus. Text und Interview: Ramona Demetriou

Zwischen Paris und Berlin, Handwerk und Design, Ästhetik und Narzissmus entsteht bei Sam Frenzel vor allem eins: grossartige Mode.

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er Berliner Modedesigner Sam Frenzel scheint auf dem richtigen Weg zu sein: er assistierte Grössen wie John Galliano und Christian Lacroix, räumte letzten Sommer den ‹Designer for Tomorrow›-Award ab und präsentierte seine aktuelle Kollektion auf der Mercedes Benz Fashion Week in Berlin. Wenn man Sam Frenzel das erste Mal trifft, hat man das Gefühl, dass an dem Designer eigentlich ein grossartiger Alleinunterhalter verloren gegangen ist. Der eloquente Berliner mit türkischen Wurzeln redet Menschen schwindelig. Wenn man jedoch das erste Mal Sam Frenzels Kreationen sieht, weiss man: Er hat definitiv den richtigen Beruf gewählt. Wir haben den herausragenden Jungdesigner in seinem Atelier in Berlin zu einem Interview getroffen und ihm fünf Stichworte gegeben. kinki magazine: Paris oder Berlin? Sam Frenzel: Ich verbinde mit beiden Städten viele Emotionen. In Berlin bin ich zu Hause und in Paris bin ich daheim. Ich komme ursprünglich aus dem Osten von Berlin. Ich sage immer: Mich verbindet mit der Stadt eine gewisse Hassliebe. Berlin hat viel zu bieten, aber gleichzeitig auch gar nichts. In Berlin pflegt man eine sehr legere Lebensweise, Paris dagegen ist hochprofessionell und es ist schwierig, sich dort zu beweisen. Man ist nur

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einer von vielen. Die Konkurrenz ist gross und nicht zimperlich im Umgang mit Mitbewerbern. Jeder, der in der Mode was auf sich hält, versucht sich in Paris reinzuprügeln. Auf tausend Bewerber gibt es eine Stelle. Ich hätte damals nie gedacht, dass ich es schaffe, für so renommierte Marken wie Chloé oder Christian Dior zu arbeiten. Es ist aber natürlich auch ein enormer Druck, der auf einem lastet, wenn man bei solchen Häusern ist. Ich brauche auf jeden Fall beides: Die Professionalität von Paris und das Legere aus Berlin. Masche: (Lacht) Was meinst du? Meine Masche? Nein, im Ernst, Maschen sind für mich in dieser Saison ein grosses Thema. Ich arbeite in meiner aktuellen Kollektion sehr viel mit Gehäkeltem. Ich stehe auf Handarbeit. In Deutschland wurde diese Arbeit in letzter Zeit leider etwas vernachlässigt. Vor dem Zweiten Weltkrieg war das noch anders. Ich bin wirklich handwerksdurstig und habe in Paris die verschiedenen Techniken regelrecht aufgesogen. Dort wird modisches Handwerk noch gross geschrieben. Ich finde die Kombination von Handwerk und Design grossartig. Sozusagen Daily Couture. Schwarz: Es ist komisch, aber ich habe noch nie ein Stück in Schwarz designt. Es gibt dazu eine

Geschichte, die man eigentlich niemandem erzählen darf. Vor kurzem waren Bekannte in meinem Atelier und einem von ihnen ist ein schwarzer Knopf abgefallen. Ich habe ihm angeboten, den Knopf wieder anzunähen und dabei bemerkt, dass ich nicht einmal schwarzes Garn besitze. Es ist nicht so, dass ich Schwarz nicht mag. Im Gegenteil, ich liebe schwarze Kleidung. Doch ich finde, mit schwarzen Stücken fährt man die sichere Schiene und ich möchte mit Absicht das Gegenteil machen. Farbe ist schliesslich mein Werkzeug und es ist schon fast unverantwortlich mit Schwarz immer auf Nummer sicher zu gehen. Ich muss mich als Designer ja auch irgendwo beweisen und dass kann ich nicht, wenn ich immer den einfachsten Weg wähle. Mit Farben dagegen kann ich neue Dimensionen schaffen.

‹Ich habe noch nie ein Stück in Schwarz designt.› Mission: Erstmal meinen Kontostand wieder in Ordnung bringen. Der hat unter meiner ersten eigenen Schau ganz schön gelitten. Und ich möchte Mode kreieren, die Frauen toll aussehen lässt. Seit meiner Kindheit gefallen mir Frauentypen wie Lauren Hutton oder Jerry Hall. Diese Frauen hatten volles Haar und tolles Make-up. Generell einfach ein gesundes Aussehen. Das hat mich für meine neue Kollektion inspiriert. Ein gesunder Look ist zeitlos, während der extrem dürre Look meiner Meinung nach eine Phase ist. Frauen wie Hutton und Hall waren ja dennoch schlank. Ich achte auch selbst sehr auf meine Gesundheit, denn ich möchte ja als Vorbild fungieren. Ich kann schliesslich nicht Ästhetik propagieren und selbst aussehen wie du weisst schon. Ich bin Narzisst, aber das ist okay. Ein gesunder Narzissmus ist nämlich wichtig. Vervollständige folgenden Satz: Meine neue Kollektion… Ein Satz?! Willst du mich fertig machen? Warte, lass mich überlegen. Ich schaffe das. Also: Meine neue Kollektion war die bisher grösste Prüfung meines Lebens. Foto: Ramona Demetriou


Distribution Schweiz: ThreeLogy GmbH, +41 (0)43 477 88 66, www.mariawesterlind.com


jonathan zawada – big mouth

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‹top notch gallery› Die besten Adressen für junge Kunst. Brüssel ist eine Stadt mit einem fast schon über­ schäumenden Angebot an Kunst und Kultur. Eine be­ sondere Perle in diesem Biotop für künstlerischen In­ und Output ist die Gladstone Galerie in der 12 Rue du Grand Cerfs.

I Ein Blick in die Galerie während der Ausstellungen von Andro Wekua und Jim Hodges, sowie die Gladstone Gallery von aussen.

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n Brüssel haben nicht nur NATO und EU ihr Hauptquartier aufgeschlagen, sondern hier schiessen die Jugendstilbauten fast schon wie Pilze aus dem Boden. Architekten und Künstler wie Horta oder Cauchie haben ihre Spuren in der Stadt hinterlassen und sie zu einem scheinbar unendliche Weiten umfassenden Museum verwandelt. Als eines der absoluten Schwergewichte der europäischen Kunstmetropolen wimmelt es in der belgischen Hauptstadt natürlich nur so von Galerien und Museen. Eine besondere Perle in diesem immensen Kunstangebot ist die Gladstone Gallery, ihres Zeichens Ableger zweier grosser Schwestergalerien in Chelsea, New York. Mit nur drei Mitarbeitern im Brüsseler Ableger – im Gegensatz zu den rund 20 in den New Yorker Galerien – ist die

Gladstone Gallery dankbar um den regen Austausch mit den Schwestergalerien. Die Gladstone Gallery liegt zentral zwischen Sablon und Louise und ist mit ihren lichtdurchfluteten Räumen und dem knarrigen Parkett Bühne für gleichermassen angesehene als auch aufstrebende internationale Künstler. Gezeigt wird zeitgenössische Kunst von Künstlern, die bisher dem belgischen Publikum vorenthalten waren.

den Antiquitätenhandel seines Vaters übernehmen sollen – und verliebte sich Hals über Kopf in die zeitgenössische Kunst. In der 12 rue du Grand Cerfs ist nach der Ausstellung des georgischen Malers Andro Wekua im April der amerikanische Künstler Jim Hodges zu bewundern, der mit einer Vielzahl an Totenköpfen und Installationen in die Räumlichkeiten der Gladstone Gallery Einzug hält.

Erwachen der Leidenschaft

Text: Anja Mikula Fotos: Courtesy Gladstone Gallery

Seine Leidenschaft für die zeitgenössische Kunst entdeckte Inhaber Gael Diercxsens bereits als Teenager, als er bei Nacht eine Ausstellung von Jean Tinguely besuchte. Die Mobiles des Künstlers bewegten sich still und warfen die fantastischsten Schatten an die Wände des Museums. Diercxsens sass stundenlang andächtig auf einer Bank und verabschiedete sich im Geiste von der Welt der Antiquitäten – eigentlich hätte er

Dienstag bis Freitag, 10–18 Uhr Samstag, 12–18 Uhr

Gladstone Gallery 12 rue du Grand Cerfs 1000 Brüssel

gladstonegallery.com


STROKE.02 – die weltweit erste und einzige Messe für Urban Art findet nach dem fulminanten Erfolg des letzten Jahres zum zweiten Mal, in der Zeit vom 27. - 30.05.2010, in München statt. Über 45 internationale Galerien & Künstlergruppen präsentieren auf mehr als 14.000 qm: Streetart, Graffiti, Low Brow, Illustration und New Contemporary Art. Zusatzprogramm mit unzähligen Live-Paintings, Urban Art Kino, Sonderausstellungen und Parties. => http://www.stroke02.com


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PhotograPhy / ConCePt Madame Peripetie Collages lola DuprĂŠ MoDel alphabeton Masks Madame Peripetie, alphabeton

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Bei Paper Monsters handelt es sich um ein interdisziplinäres Projekt, das Fotografie, skulpturale elemente und analoge Collagetechniken miteinander verbindet. entstanden sind die papiernen Ungeheuer aus der Zusammenarbeit der deutschen Fotografin Madame Peripetie und der architektin lola Dupré aus glasgow. hauptthema der arbeit Paper Monsters ist die Darstellung einer neuen art inexistenter, mythologischer hybriden – halb Mensch, halb skulptur – mit hilfe einfachster Materialien. Den alltäglichen komponenten wie Papier, schnur, leim und klebeband werden neue Funktionen verliehen. so mutieren sie zu gesichtern, haut und zu einem neuen, durchaus ungewöhnlich arrangierten körper, der assoziationen an kubismus und surrealismus weckt. Die minimalistischen, monsterhaften gestalten sind allerdings allesamt sehr kurzlebig, da sie nur für die paar flüchtigen Minuten der aufnahme entstehen, um anschliessend wieder in ihre einzelteile zerlegt zu werden. Die neuen spezies werden durch das Printverfahren in ein zweidimensionales Format gepresst, vervielfältigt und mit der schere erneut seziert, um dann zu einer neuen art zusammengeklebt und ‹evolutioniert› zu werden.

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‹abonnement› kinki

nr. 24 apr/mai 2010 chf 6.–

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‹impressum›

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AprIL/MAI 2010 Cover: Billy Kidd redAKtIonSAnSCHrIFt kinki magazine Mööslistrasse 3, 8038 Zürich t +41 44 271 09 00 F +41 44 271 09 02 KInKI MAGAZIne oFFICe ZÜrICH Mööslistrasse 3 CH-8038 Zürich

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unter allen eingehenden Abo-Bestellungen verlosen wir ein exemplar des Buchs

‹Urban Interventions› des Gestalten Verlages im Wert von CHF 73.–

die nächste Ausgabe gibt es ab dem 17. Mai!

Vorname, Nachname Strasse, Nr. PLZ, Ort E-Mail Ausschneiden und ab damit an: kinki magazine Mööslistrasse 3 8038 Zürich 108 kinki

*solange der Vorrat reicht – first come, first serve!

Foto deS MonAtS Florence ritters neues Mousepad ist nicht nur ein optisches Highlight, sondern löst zudem keine allergische reaktion aus. Foto: Anja Mikula


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HARIBO MACHT KINDER FROH UND ERWACHSNE EBENSO


‹media› Vom Umschlag bis zum Abspann. Im Kino kriegt man Kopfweh, vom Lesen wird man kurzsichtig und DVDs ruinieren die Kommunikation in der Beziehung. Ausserdem beeinflussen die Medien unser freies Denken und drängen uns in Filmen und Büchern ihre vorgefertigte Meinung auf. Wo sich der Medienkonsum jedoch garantiert lohnt, steht hier feinsäuberlich zusammengetragen. Was nehmen wir nicht alles in Kauf für ein bisschen Unterhaltung…

BUCH von damals

Bande à part – new York UndergroUnd 60’s 70’s 80’s patti Smith, allen ginsberg, dennis Hopper, william S. Burroughs, Lou reed, Iggy pop, Mick Jagger, Bob dylan, david Bowie, grace Jones, deborah Harry, Sid Vicious, Jim Jarmusch und konsorten: sie alle tummelten sich im new York der 60er-, 70er- und 80er-Jahre, dem place-to-Be für alle Filmschaffenden, künstler, rockmusiker und Beat-poeten. genau wie die unterschiedlichen Fotografen, die im Fotoband ‹Bande à part› ihre persönliche dokumentation dieser rock’n’roll- und pop-art-Ära zeigen, fristeten die protagonisten dieser Zeit ‹à part› der mittelständischen amerikanischen gesellschaft, ihr ausschweifendes dasein als Insider der kunst- und Musikszene. Meist ohne professionellen Hintergrund hielten die aufgeführten Fotografen als teil der Szene ihre Zeitgenossen fotografisch fest. So ermöglichen bei110 kinki

spielsweise die Fotografien von andy warhols Handlangern gerard Malanga, Lee Black Childers und Billy name einen vertieften einblick in das Leben der Factory, die zweifelsohne eine der wichtigsten Brutstätten der new Yorker kulturszene darstellte. der Bildband stellt eine dokumentation dieser avantgardistischen Jahrzehnte dar, in der die Bezeichnung ‹hip› erst ausformuliert und der rock’n’roll gelebt wurde. Und wir unglaublich gerne in new York gewesen wären. erschienen bei gingko press, ca. CHF 50.–

für später

da die voyeuristischen und inspirierenden Bilder, die todd auch auf seiner website theselby.com veröffentlichte, grossen anklang fanden, kamen mit der Zeit Freunde von Freunden hinzu – darunter Schauspieler, autoren, kuratoren, Maler, perfomer und was die welt sonst noch an kreativschaffenden zu bieten hat. Im gleichnamigen Buch fasst todd Selby nun seine Bildschau von seltsamen, exzentrischen, chaotischen, gedrängten und spannenden privaten Lebensräumen unbekannter, aber auch berühmter persönlichkeiten zusammen. Beim durchblättern fühlt man sich unweigerlich dazu berufen, seine einrichtung aus dem Fenster zu kippen und kreativschaffender zu werden. erschienen bei abrams Books, ca. CHF 50.–

für immer todd SeLBY: tHe SeLBY IS In YoUr pLaCe die erfolgsgeschichte des Fotografen todd Selby begann im Juni 2008 dank Freunden und dem Szeneshop Colette in paris, wo er anfang 2009 seine fotografischen tore zum intimen Interieur seiner Bekannten erstmals ausstellte. nicht anatomische Innenleben, sondern die gestylten wohnräume seiner kreativen Freunde zeigten sich auf den Bildern der ausstellung ‹the Selby Is In Your place›.

Jon nordStrøM: danSk tatoVerIng / danISH tattooIng was für meine generation die piercings waren, sind heute die tattoos. diese werden schon von 16-Jährigen mit voller Selbstbestimmtheit in die welt getra-

gen, dass ich all den teenagern wünsche, sich von keinen politischen Idealen, Fussballfanatismus, tecktonik- oder tokyo-Hotelphasen zu einem immerwährenden tattoo inspirieren zu lassen. was heute im Mainstream auszuarten scheint, war früher eine Subkultur, die nur von Freaks, knastbrüdern oder Seemännern gelebt wurde. die erwähnungen tätowierter Matrosen in erzählungen sind so zahlreich, wie ihre Zeit auf hoher See endlos gewesen sein muss, so dass man leicht glauben mag, im 19. Jahrhundert sei fast jeder Seemann mit einem Hautbild geschmückt gewesen. das Buch ‹dansk tatovering› zeichnet die geschichte des tattoos in Skandinavien, die zu Beginn unmittelbar mit der Seefahrt und mit alkohol einherging und sich bis zur Mitte der 70er-Jahre um die Häfen von kopenhagen scharte. exemplarisch lässt sich der werdegang des dänischen tattoos, das lange Zeit vorwiegend Männerhaut zierte, am tattoo-Shop ‹17 nyhavn› aufzeigen, der seit 1901 aktiv ist. So erzählt der Fotograf nordstrøm im Buch die geschichten und anekdoten von ‹tato-peter›, ‹tato-Jack›, ole Hansen und Co., zeigt sorgfältig sondierte historische Fotografien und Skizzen und schildert die visuelle und technische entwicklung des tattoos von 1985 bis in die gegenwart Skandinaviens. erschienen bei nordstroms Forlag, ca. CHF 98.–


von morgen

DVD abgedreht

BernHard wILLHeLM & JUtta kraUS an der paris Fashion week 2010 zeigte das Label ‹Bernhard willhelm› wieder mal, wo es am innovativsten und verrücktesten zuund hergeht. Statt auf dem Laufsteg wurde die winterkollektion 2010 als querulante kunstinstallation mit farbenprächtiger reizüberflutung und Mikado-Irokesen gezeigt, was ganz der Vorliebe der designer für unkonventionelle präsentationen wie ‹tableaux Vivants› und kunstperformances entspricht. einen Querschnitt durch das gesamte willhelm’sche Modeuniversum, das mittlerweile schon zehn Jahre auf dem Buckel hat, zeigte kürzlich das goringer Museum. an über 30 kollektionen arbeiteten die beiden deutschen Bernhard willhelm und Jutta kraus, die 1999 gemeinsam die kleiderlinie gründeten, zusammen – ohne dass die deserteure müde wurden, den pariser Modehof zu narren und spielerisch von den normen abzuweichen. Im goringer Museum wartete denn auch eine grosse auswahl an ausgefallenen, grotesken bis humorvollen Stücken aus ihren kollektionen auf die Besucher. In Zusammenarbeit mit nai publisher entstand der katalog ‹Bernhard willhelm & Jutta kraus› zur ausstellung und zum Jubiläum der enfants terribles, der selbst schon wie ein explosives kunstwerk anmutet, das durch zehn Jahre unbändiges kreatives Schaffen führt und kunst und Mode untrennbar vereint. erschienen bei nai publishers, ca. CHF 53.– Florence ritter verbrachte diesen Monat in den traumwohnungen anderer, schmachtete im Modeatelier von Bernhard und Jutta, tanzte in der Factory und liess sich einen anker und eine Seerose auf den arm tätowieren.

wHIte LIgHtnIn’ als ‹white trash psychobilly nightmare› wurde dominic Murphys Leinwanddebüt von der presse bezeichnet. tatsächlich folgt der Film der Hauptfigur in die dunkelste tiefe seiner geistigen Umnachtung. die Biografie des amerikanischen Steptänzers Jesco white, der aufgrund seines Hangs zur kriminalität besser als ‹the dancing outlaw› bekannt ist, dient dabei lediglich als Schablone für einen bizarren trip in die psyche eines wahnsinnigen genies. entstanden ist ein avantgardistischer und zugleich trashiger Splatterstreifen, der wie eine ode an den teufel daherkommt. wem ‹Shining› zu soft und poppig war, der wird ‹white Lightnin’› lieben. Bereits als dVd erhältlich.

abgebraust

awaY we go Zum Missfallen seiner Freundin unterbricht Burt das Vorspiel, um Verona eine entdeckung mitzuteilen, deren wichtigkeit ungeachtet der Umstände keinen aufschub zulässt: der geschmack ihrer Vagina hat sich verändert. Veronas reaktion fordert nähere erläuterungen: er meine irgendwie fruchtig, im positiven Sinne. wie er einmal gelesen habe, seien solche Schwankungen im vaginalen aroma ein Zeichen biologischer Umstellungsprozesse wie etwa der Menopause oder – und deshalb habe er eigentlich innegehalten – der Schwangerschaft. So beginnt Sam Mendes’ Liebeskomödie, die mit subtilem witz die odyssee eines jungen paares quer durch amerika

schildert, wo sie vor der geburt ihrer tochter eine neue Heimat suchen. In skurrilen Begegnungen mit alten Freunden und Verwandten erhalten Burt und Verona dabei einblicke in verschiedenste Lebensentwürfe und Schicksale, die in krassem kontrast zu ihrer eigenen Vorstellung von einer friedlichen, glücklichen und im positivsten Sinne gewöhnlichen Zukunft stehen. gerade der Charme dieses alternativen konservatismus ist das Beeindruckende an ‹away we go›. In einer immer verrückter und individualistischer werdenden gesellschaft ist man heute vielleicht gerade dadurch, dass man normal ist, einzigartig. Bereits als dVd erhältlich.

abgeknallt

tHe MerrY gentLeMan In seinem regiedebüt spielt Michael keaton den introvertierten Schneider Frank Logan, der nebenbei noch als profikiller arbeitet. Bei einem geglückten Mordund einem ungeglückten Selbstmordversuch lernt Frank kate kennen, die vor ihrem gewalttätigen ehemann nach Chicago geflohen ist. Skurrilerweise müssen Frank und kate eine art Seelenverwandtschaft erkennen, die beide miteinander verbindet. denn kate, der alle Menschen zu aufdringlich erscheinen, ist wahrscheinlich die einzige person, die Franks fast abweisende Verschlossenheit und diskretion als angenehm empfindet. So entwickelt sich, obgleich Frank mehr hustet als redet, eine tiefe Freundschaft zwischen den beiden aussenseitern. ‹the Merry gentleman› zeichnet ein sehr melancholisches und doch romantisches Bild von zwei Menschen, die sich nahe kommen, ohne sich zu berühren, und die zusammenkommen, ohne ihre einsamkeit zu verlieren.

KINO abgeschoben

SIn noMBre der spanische titel von Cary Fukunagas bereits letztes Jahr beim Sundance Festival preisgekröntem Film bedeutet übersetzt ‹namenlos›. namenlos sind die porträtierten Figuren in dem Sinne, dass ihr Leben als gangmitglieder in den Slums und als Flüchtlinge stellvertretend für das Schicksal so vieler Menschen steht, die alle nur eine Hoffnung haben: zu fliehen. ‹Sin nombre› begleitet Sayra, die mit ihrer Familie aus Honduras in die USa flüchten will, und willy, der vor seiner eigenen gang flüchtet, nachdem sie ihn verstossen und für vogelfrei erklärt hat. auf dem dach eines in die USa fahrenden güterzugs treffen sich die beiden teenager und es würde wohl eine romantische Liebesgeschichte folgen, liesse ihre raue, ummauerte wirklichkeit noch platz für Liebe. ‹Sin nombre› ist vor allem dank seines dokumentarischen und nüchternen Stils, der auf jegliches pathos verzichtet und die tatsachen für sich sprechen lässt, ein überaus gelungenes und spannendes drama, das das wahre drama der zahl- und namenlosen Menschen dahinter, wenn auch nur 90 Minuten lang, hervorscheinen lässt. Seit 15. april im kino. ‹die ganze welt ist eine Bühne, und alle Männer und Frauen blosse Spieler›, hat Shakespeare gesagt. welches Stück gespielt wird, verrät euch auch diesen Monat wieder unser Filmkritiker peter rösch.

Bereits als dVd erhältlich.

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Auf zu neuen Weiten

Bisher schien die Urban Art ihre Eingriffe in den öffentlichen Raum auf Graffitis, Sticker, Stencils und Poster zu beschränken. Der Berliner Gestalten Verlag hat jetzt mit ‹Urban Interventions› ein Sammelwerk zu ganz neuen Spielarten der regellosen Kunst veröffentlicht. Text: Anja Mikula

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ie Grossstadt als solche hat schon den ein oder anderen zu manch grosser Tat verführt: Döblin zu seinem Roman ‹Berlin, Alexanderplatz›, Nero zu py­ romanischer Verzückung und Sprayer aller Herren Länder zu Aktionen im öffentlichen Raum. Ausgehend von Graffiti und Street Art sind so künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum Teil einer neuen Generation von Kunst geworden. Wo der klassische Sprayer in seinen Werken allerdings meist eine eigene Art von Selbstdarstellung übt, nimmt der Aktionskünstler direkten Bezug zu seiner Umgebung und kritisiert, präsentiert oder ironisiert dadurch Situation und Umfeld.

David vs. Goliath Bei ihrem Vorgehen besinnen sich die Künstler auf ihre Wurzeln; der öffentliche Raum ist näm­ lich nicht nur Spielwiese für ihre Interventionen, sondern ist auch im Stande, all jene zu errei­ chen und zum Nachdenken zu bewegen, die ihr alltägliches Umfeld plötzlich in ein Kunstwerk verwandelt sehen. Auf diese Weise gelingt es den ‹Störenfrieden› nicht selten, städtische Örtlichkeiten auf direkte Weise zu reflektieren oder zu kommentieren, die Grenzen zwischen Privatleben und Öffentlichkeit schmerzhaft ins Bewusstsein zu rufen oder zu verwischen. Sie setzen sich mit dem Wunsch auseinander, in allen Dingen ein Zeichen unseres Daseins und Schaffens zu hinterlassen und kämpfen so ge­ gen die Anonymität, mit welcher wir jeden Tag die Grossstadt als abgeschlossenes Bauwerk wahrnehmen, welches sich mehr oder weniger unabhängig von seinen Einwohnern zu entwi­ ckeln scheint. Im Kampf gegen Goliath setzen die Aktionskünstler damit ein Zeichen gegen die Konsumgesellschaft, in der wir leben. Doch nicht jede Urban Intervention macht politische Themen oder Missstände zu ihrem In­ halt, es finden sich durchaus auch spielerische Ansätze wie zum Beispiel der Versuch, die Na­ tur wieder in die Stadt zu integrieren, von wo sie damals unter schwersten Geschützen verbannt wurde. Hier kommt eine bizarre Welt zutage, die von luftigen Kreaturen und poetisch dekorierten Bäumen bewohnt wird. Mit einer reichen visuellen Auswahl an Pro­ jekten und Arbeitsweisen dokumentiert ‹Urban Interventions› in sieben Kapiteln dieses neuar­ 112 kinki

tige künstlerische Verständnis von Urban Art, das unsere zeitgenössische visuelle Sprache sozusagen in seinen Glaubensfundamenten erzittern lässt. Der Band zeigt die eng verwor­ rene Vermischung von Kunst, Architektur, Per­ formance und Installation. Optische Erweiterun­ gen von Strassenbeschilderungen, die tropfend zerfliessen, komplette Fassaden, die sich zur Leinwand farbenprächtiger Projektionen ver­ wandeln, Schaukeln an Bushaltestellen oder Gebilde aus Sand und Schnee fordern den Betrachter dazu auf, seine Umgebung erneut zu entdecken und mit ihr auf neue Art und Wei­ se zu interagieren. So gelingt dieser Kunstform genau das, was wir vielleicht bei so manchem Galerie­ und Museumsbesuch vermissen: sie bewegt uns und trifft uns dort, wo wir sie am wenigsten erwarteten. Urban Interventions: Personal Projects in Public Places Erschienen im Gestalten Verlag ISBN 978­3 89955­291­1 CHF 72,90 Fotos: Simone Decker, Sébastien Preschoux

Grosses Bild: ‹Chewing gum Longo› von Simone Decker Kleines Bild: ‹Cocoon› aus der Serie ‹Human vs. Machine› von Sébastien Preschoux



‹Henry & Paul› Die mit Angelina Jolies Brüsten. Und 25-jährigen Burschen mit Inkontinenz. Und Cremen, die das Leben verändern.

Sir? Sprich, Henry. Sir, ich habe Ihnen eine Gesichtscreme mitgebracht. Sie steht im Bad. Henry, ich wusste, dass irgendwas bei dir nicht ganz koscher ist. Sir, versuchen Sie es doch einfach mal. Sie strafft die Haut und es fühlt sich gut an. Frisch. Jung. Henry, dein Mitleid mit meinen fahlen und schlaffen Wangen 114 kinki

in allen Ehren, aber ich fühle mich nicht alt. Erst wenn ich sabbere, kannst du mir meinetwegen eine Salbe oder ein Zäpfchen oder… Zyankali mitbringen. Sir, es ist nie zu spät, seinem Körper etwas zurückzugeben. Ach ja, Henry? Du musst nur noch ein paar Jahre warten, dann brauchen wir das alles nicht mehr. Wie meinen Sie das, Sir?

Erstens werden bald die Maschinen die Weltherrschaft übernehmen, und wenn die dummen Dinger es nicht tun, dann sollten wir endlich damit anfangen, Köpfe auszutauschen. Pardon, Sir, ich komme nicht ganz mit. Henry, wir können Lebern, Herzen, Nieren, ja einen ganzen Schlachthof können wir bereits transplantieren. Nur Köpfe nicht.

Sir, wozu sollte das gut sein? Henry, da nimmt man meinen Kopf und setzt ihn auf den Körper eines 25-Jährigen! Sir, die Vorstellung ist schön und gut... und ein bisschen eklig, aber etwas haben Sie übersehen: Was passiert mit seinem Kopf? Na den kann er auf meinen Körper setzen und ausprobieren, wie sich Inkontinenz wirklich anfühlt. Ich bin nicht sicher, ob er damit einverstanden sein wird. Ach, dann züchten wir halt kopflose Körper. In Körperfarmen. Sir, dann können sie doch gleich neue Köpfe züchten. Oh, hervorragende Idee, Henry. Dann müsste man eigentlich nur noch Gehirne wechseln. Ewige Jugend. Sir, ich weiss nicht, ob das erstrebenswert ist. Klappe, Henry, ich überlege gerade. Lassen Sie mich raten, Sir. Haben Sie gerade daran gedacht, Ihr Gehirn in den Kopf einer Frau zu versetzen, um zu sehen, wie es ist, mit Brüsten herumzulaufen? Nur kurz, Henry. Nur kurz. Aber jeder könnte dann im Körper von einer dieser Hollywoodschlampen stecken. Faszinierend. Sir, und die Frauen könnten endlich in George Clooneys Haut stecken. Henry, Markennamen müssten natürlich geschützt werden. Man dürfte sich dann George Kloni nennen. Oder so. Ich freue mich auf die Zukunft, Henry. Sir, mir ist ein bisschen schlecht. Text: Roman Neumann Foto: Philippe


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