kinki magazin - #19

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kinki

nr. 19 nov/dez 2009 chf 6.–

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‹editorial› return to sender. Liebe Leser. Das Schönste an dem Pack, das wir Freunde nennen, war doch, dass wir bei ihnen jederzeit unseren Seelenmüll ­abstellen konnten, aber auch selbst dabei halfen, den ihrigen zu entsorgen. Nach dem Prinzip: du kannst mich vollheulen und ich erzähl dir, wie dufte ich bin. Oder umgekehrt. Give and get. Das scheint sich nun aber drastisch geändert zu haben. Denn wir empfangen zwischenmenschliche Signale scheinbar nur noch auf Facebook. Dort ziehen sich nämlich alle Funny Clips und Pinnwand-Fotos von anderen Usern rein. Aber wenn es mal darum geht, bei einem Glas Wein den Kummer des geschätzten Freundes aufzunehmen, ist die Rezeption geschlossen. Lass uns mal nächste Woche telefonieren. Ja, genau. Im Wechselspiel ­zwischen ‹send› und ‹receive› hat sich das Gewicht deutlich zu Ungunsten des Empfangens entwickelt. Die meisten Zeit­ genossen sind ungeniessbar, weil sie ständig ihre Infopost verschicken. Ich bin jetzt Freelancer, ich hab mir das neue MacBook rausgelassen, ich war drei Wochen in Nepal, ich zahl in keinem Club für meine Drinks, et cetera, et cetera… So. Allen Müll jetzt abgeladen? Dann kommen wir endlich mal zum Punkt. Eure sendungsbewusste und stets empfangsbereite kinki Redaktion kinki

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‹content› Standard

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Editorial Content Gossip Agenda Klagemauer Media Abo / Impressum Henry & Paul

Report 20 28 32 36 40 42

Miss Princess Rodeo Naked Cities Das Dschungelbuch der Quälerei Lichter Untergrund Querschläger: Familie Diaz Zehn Minuten mit Mary-Adair ­Macaire

Sound 44 46 48 50 52 54 56

Interview: Dragonette Interview: Camera Obscura Playlist: DJ Hands Solo Interview: 2Mex und Ceschi Globalisierung mit Bass Soundcheck Album des Monats: Air

Fashion

58 ‹Hikaru Fever› von Zoren Gold & Minori 72 Vive la Fragrance 74 Reality Check 76 C’est Bastion: Der Fleckenteufel 78 Vertreter: Timberland Premium Boot

Art & Co.

80 Tall, thin, loud and a bit goofy: Meet Jason Rohrer 86 Most Expensive Sex 88 Julien Ducourthial: ILBM 98 Top Notch Gallery: Nina sagt, ­Düsseldorf 100 Lieko Shiga: Geschossen werden und sterben 110 Fahrtenbuch

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‹contributors›

Zoren Gold und Minori

Julien ­Ducourthial

Noémie ­Schwaller

Laurence Thio und Tin Fischer

Das Fotografenduo Zoren Gold und Minori begann seine Zusammen­ arbeit vor neun Jahren. Das Spezielle an ihrer Arbeitsweise ist, dass die beiden sich in ihren Geschichten nicht damit zufriedengeben, eine gegebene Situation fotografisch abzubilden, sondern vielmehr versuchen, individuelle und ­alternative Realitäten zu erschaffen. So experimentieren Gold und Minori mit verschiedenen Herangehens­weisen und Arbeitstechniken und schaffen es immer wieder, den ­Betrachter selbst mit einzubeziehen, wie ihre Geschichte ‹Hikaru Fever› in diesem Heft und die Arbeiten aus ­ihren aktuellen Büchern ‹Object that dreams›, ‹Tokyo Life› und ‹Hight Quality› auf eindrücklichste Art beweisen. – S. 58

Die momentan in Auckland, ansonsten aber in Zürich lebende Noémie Schwaller hat ihren Beruf als Designerin kurz nach dem Abschluss an den Nagel gehängt und arbeitet seither als Trendforscherin und Jour­ nalistin für diverse Print- und Onlinemagazine wie Architonic, Hochparterre, kinki und hin und wieder auch für eine Buchpublikation. In ihrem ­Interview mit dem amerikanischen Gamedesigner Jason Rohrer erkunde­te sie die Pixelwelt der nur scheinbar längst in Vergessenheit geratenen Old-School-Computerspiele und liess sich von ihm erklären, warum Dreidimensionalität nur eine ­Modeerscheinung ist. – S. 80

Als wir das erste Mal einen Blick auf die Website des französischen ­Graphic Designers Julien Ducourthial warfen, schien es uns fast, als ­entführten uns seine Bilder und hy-­ briden Collagen in eine Welt der Low-Fi-Games, ein Paralleluniversum der geometrischen Farbenvielfalt. Sie wirken, als habe nie eine menschliche Hand in das grafische Geschehen der Werke eingegriffen. Das mag daher kommen, dass sich unser Cover-Artist bei seinen Arbeiten auf Computerquellen wie ­Videogames, Scans und Low-TechSoftware bezieht und diese Ein­ flüsse zu neuen Welten zusammenfügt. In diesem Heft gewährt er uns einen kleinen Einblick in sein Reich der Bits and Bytes. – S. 88

Laurence Thio und Tin Fischer haben für ihr Campusmagazin an der Freien Universität Berlin zwar schon öfters Geschichten frei erfunden, etwa über Rudi Dutschke als Computerspiel. Die Reportage über den fiktiven Glühbirnenproduzenten Reto Jakob war jedoch aufwendiger, denn ständig wurden sie von der Realität eingeholt. Kaum hatten sie Reto Jakob kreiert, lernten sie den Wiener Michael Stor kennen, der ihrem Jakob verblüffend ähnlich war. Sie mussten ihre Figur neu erfinden. Bei den geplanten Geschichten über Entzugsprogramme für Offlinesüchtige, pränatale Adoption und Kannibalismus in Poschiavo werden sie dieses Problem hoffentlich nicht mehr haben. – S. 36 kinki

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‹gossip›

alles masche

‹agenda›

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the horrors

Abart, Zürich 18.11.

muse

Hallenstadion, Zürich 21.11.

monsters of electroclash Salzhaus, Winterthur 24.11.

‹Jojo and Mac› kreiert mit den Inspirationen von gestern die Mode von morgen! Erhältlich sind die schönen Teile aber auch schon heute.

Es ist, als ob Alice im Wunderland, die Queen und Minnie Mouse sich in einem Zoo am Geschenkstand treffen und entzückt ihr Taschengeld auf den Kopf hauen. Vergessen, die strenge Kleiderund Geschmacksordnung. Fruchtgummis sind einfach toll und ein simpler Strickpullover feiert Premiere. Vor zwei Jahren startete Cindy Tsang in Brighton mit eigenen T-Shirt- und SweaterKreationen in ihrem kleinen Laden ‹Mama San›. Ihre Faszination galt schon immer den Kontrasten zwischen Formen, Stoffen, Stil und unterschiedlichen Drucken. So kreierte sie unter dem Namen

‹Jojo and Mac› im Winter 2008 frei nach dem Motto ‹Klassik trifft Kitsch› eine Vintage-Strickjacke, verziert mit Perlen, Schleifchen und Knöpfen in Ananasform. Cindy Tsang kleidet einen in atemberaubende Schnitte, nichts wirkt von gestern. Wer dazu noch ­ seine Kindheit liebt, wird hiermit glücklich, kein Klischee wird ­ausgelassen. Man findet Jacken mit Tiermotiven, gepunktet oder mit Herzen sowie karierte Bänder und Bögen. So schön kann Freiheit sein, handzahm und liebenswert. (rz) jojoandmac.info mamasan.co.uk

massive attack

Eishalle, Winterthur 28.11.

indochhine

Arena, Genf

global ghetto anthems: tomb crew (clek clek boom), hood regulators Südpol, Luzern

valeska & band

Parterre Kulturrestaurant, Basel

graciela iturbide – das innere auge

Fotomuseum, Winterthur 30.11.

the sounds

Alte Börse, Zürich

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bingo show mit beat schlatter und anet corti

billig und willig Das Gute an Zürich scheint zu sein, dass es in Sachen Party niemals langweilig wird. Gerade wenn man dazu ansetzen will, darüber zu meckern, dass nichts passiert in dieser Stadt, macht auch schon ein neuer Club auf oder irgendwo dämmert eine neue Partyreihe. Dieses Mal ist es der nigelnagelneue Club ‹ReVier›, der seine ­Eröffnung am 6.11. mit grossem Saus und Braus begoss. Kaum eröffnet, prangt auch schon die neue Partyreihe ‹Cheap› an der stolz geschwelten Brust des ReViers, die in Zusammenarbeit mit PowPow Happenings über die Bühne geht. Getreu der Devise ‹Cheap Fa12

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Schüür, Luzern 3.12.

shion, Cheap Sounds, a Cheap Crowd› wird jeden Monat zu spezi­ellen Mottos, den grössten Sound-Nerds und abgefucktester Deko das Tanzbein geschwungen. Das hat sich natürlich auch die feierwütige kinki Redaktion als Partner der Veranstaltung nicht entgehen lassen und so am 13.11. ordentlich die Party zum Sound von Disco, Indie und Dance gerockt. Alle Informationen zu Terminen und wann ihr geschminkt wie ein Busch oder mit den höchsten High Heels ins ReVier einfallen sollt, könnt ihr auf powpow.in nach­ lesen. (am)

who made who

Kaserne Basel, Basel

nussknacker – ballett in zwei akten Theater National, Bern 5.12.

the editors X-tra, Zürich

regina spektor Kaufleuten, Zürich 12.12.

räuber hotzenplotz Theater Szene, Bern

disco eis im dolder Dolder, Zürich 15.12.

die unglaublichste talkshow der welt mit kutti mc Südpol, Luzern


gut gezuckert, honigsüss

Die Anziehungskraft, die von Süssigkeitsständen in Kaufhäusern, Märkten und Bahnhöfen ausgeht, ist unbeschreiblich. Es müssen der Geruch, die unglaubliche Farbenpracht und die einfachen lieblichen Formen sein. Doch schnell kommt das Erwachen, nachdem man sich von der Farbenpracht der bunten Schleckereien hat einwickeln lassen. Man wollte extra sauer und bekam ein Hauch von Zitrone, man wollte Gaumenschmaus und bekam alte Plombenzieher. Die reizende Rhian Lewis

KEINER LIEBT LIPPEN MEHR

aus England hat schon früh dieses Problem erkannt. Sie startete 2004 mit der Marke ‹Girl From Blue City› den Versuch, sich mit Qualität und erschwinglichem Schmuck von der Masse abzuheben. Die Schmuckdesignerin spielte mit Glasperlen, Süssigkeiten und Früchten aus Materialien, welche die Haut nicht grün färben. Des Weiteren experimentierte Rhian mit Alltagsformen und entwickelte eine breite Auswahl an Retro-Kitsch. Über Internetplattformen wurde sie entdeckt und ist so seit letztem Jahr in kleinen Boutiquen zu finden; daneben vertreibt sie ihren verzuckerten Schmuck weiterhin online. Marshmallows, Lakritz und Gummibärchen als Armband, Brosche oder Ohrring – ganz harmlos und einfach nur schön anzusehen. Man bekommt keine klebrigen Finger, hat dabei noch unnütze Kalorien gespart und kann sich selbst am nächsten Tag noch auf das ultimative Geschmackserlebnis freuen. (rz) girlfrombluecity.co.uk

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Legos statt Ziegelsteinen? Jan Vormann saniert die Stadt vom Kinderzimmer aus.

Jan Vormanns Legoinstallationen vermischen Street-Art und Kindheitsträume. Für sein Projekt ‹Dispatchwork› füllte er schon in Italien und ­Israel Risse und Löcher in alten Gemäuern mit Legobausteinen auf. Jetzt hat sich der deutsche Künstler, der erst in Berlin, seit 2007 dann in St. Petersburg studierte, auch in der deutschen Hauptstadt ans Werk gemacht und stopft

vor allem Spuren des Zweiten Weltkrieges mit dem bunten Spielzeug. An Mauern des zeit­ genössischen Museums ‹Hamburger Bahnhof› musste er allerdings seine Installationen wieder abbauen – der Baubehörde wurde das alles zu bunt. (pk)

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review: illustrative 2009 Wer in Sachen Grafik und Illustration etwas auf sich hält, der pilgerte wohl vom 16.10. bis 1.11. nach Berlin, wo die Illustrative 09 mit rund 600 Arbeiten von über 60 Künstlern über die Bühne ging. Zurück in der Heimatstadt an der Spree lockten neben der Ausstellung auch Konferenzen, Film, Rund-Um-Programm und natürlich die ein oder andere Party. Alle, die noch mal gern in Erinnerungen schwelgen oder die Gewinner des ‹Young Illustrators Award› mit kritischem Auge begutachten möchten, können dies auf illustrative.de gerne aus­giebigst tun. (am)

Mit auf der Illustrative: ‹Konni & Lace› von Dennis Brown.

musterbombardement ‹Anntian› ist namentlich die Zusammensetzung von Anna und Christian, gegenständlich ist es die Vermählung von Stoff und Farbe, die sich in einer Summe grafischer Muster auf Kleidern, Accessoires und Schmuckstücken niederschlägt. Den ungemein speziellen Designstücken des Berliner Labels Anntian ist anzumerken, dass ihre Macher ihrer Vorliebe für Fehler, Disharmonien, Ungewöhnlichkeiten und Defekte frönen. Bei der ‹Directives› benannten Herbst- / Winterkollektion 09 /10 spinnt sich die Theorie einen kontroversen Dialog zwischen dem Bilden eigener und dem Einhalten anderer Direktiven zusammen und die Kleidungsstücke liefern sich ein Musterbombardement, das auf weit geschnittenen, asymmetrischen Formen ausgetragen wird. Die Taschen stehen in puncto Schnittformen den Kleidern in nichts nach. Auf der Schmucklinie tanzen zurzeit Dreiecke mit mehrfarbigen geknoteten Schnüren und Klammern – gerne auch mal zusammen mit 14

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bitter and sweet

Arielle di Pintos gehäkelten Metallstücken, mit der sie schon für die zweite Kollaboration zusammenspannen. Insgesamt überrascht Anntian zweimal jährlich mit

neuen Ideen und Produktionsweisen, die sich ebenso frisch in ihren Produkten widerspiegeln. kinki ist verliebt. (fr) anntian.de

Modische Ver­ knüpfungen zwischen ­Disharmonie und Konzept: die Schmuckstücke des Labels Anntian.

Die Freude am Kaffee im Allgemeinen und der Genuss von Espresso im Speziellen sind Tugenden, die sich nicht beim ersten Kontakt erschliessen. Wir erinnern uns nur ungern an das Schaudern im kindlichen Mund, als wir zum ersten Mal an der Kaffeetasse gekostet haben. Vielmehr Bedarf es zum gekonnten Geniessen einer vorsichtigen und behutsamen Annäherung an das schwarze Getränk, bis man für sich selbst die ideale Sorte, Röstung, Dosierung und Zubereitungsart gefunden hat. Ähnlich verhält es sich mit schönen Frauen, denen man sich auch nicht beim ersten Rendezvous um den Hals wirft. Treffen Weiblichkeit und Koffein zusammen, ergibt sich eine prekäre Situation, die nicht alle Menschen in den Griff bekommen. Einer von ihnen ist der britische Fotograf Miles Aldridge, der für den italienischen Kaffeeröster Lavazza den Kalender für 2010 geschossen hat – mit etlichen bezaubernden Damen und reichlich Crema! (ms) lavazza.com


„Willkommen in meiner Welt, der Welt von Red Bull.“ Gee Atherton, US

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brillen zum kafi

hut ab Köpfchen muss man haben, wie der Macher von LeTom beweist.

‹Vom Tellerwäscher zum Multimillionär› war gestern. Heute heissen solche Geschichten ‹Vom Filmemacher zum Strohhutverkäufer›. So ging es jedenfalls Rolf

Hellat. Für sein Werbefilmprojekt an der Filmschule Zürich sollte er ein imaginäres Produkt entwerfen und wählte den Strohhut. Der Film gewann den Pu-

berlin, shibuya und zurück Leichte Mode trotz sperrigem Namen: Boessert / Schorn.

Und wieder einmal ein Berliner Modelabel, das die Japaner vor uns entdeckt und zum Kult erklärt haben: ‹Boessert / Schorn› kommt zwar mit sperrigem Namen daher, dafür aber mit einer Kollektion, deren weite Schnitte alle einmündig preisen und die ihren Weg schon in den ein oder anderen Concept-Store in Shibuya gefunden hat. Das Design-Duo ging den Weg über Wettbewerbe wie Hyères und wusste es, seinen konzeptuellen und leicht verkopften Stil im Schichten-Look auf Dauer durchzusetzen. Der Träger darf sich auf Kontraste und Widersprüche wie Material- und Texturmixe ­freuen. (am) boessert-schorn.de

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blikumspreis beim internationalen Werbefilmfestival in Ravensburg und hatte zur Folge, was Werbefilme im günstigsten Falle verursachen: Die Nachfrage des Produktes steigt. Also beschloss der Student aus seiner imaginären Firma eine echte Firma zu machen: LeTom. Die Hüte sind eine Mischung aus modernen Baseballcaps und traditionellen Strohhüten, wirken cool und klassisch zugleich. Die Idee zu dem Produkt kam ihm auf einem Markt in Brasilien, dort fand er eine solche Cap aus Stroh. Zu Hause bastelte er sie mit Nadel, Faden und einer Strandmatte nach. Entworfen hat er alle Modelle aus der ersten Kollektion noch selber, produziert wird aber inzwischen in Italien und China. Für 49 Franken gibt es die Hüte in ausgewählten Läden und auf der Internetseite, die man sich allein wegen des Werbefilms nicht entgehen lassen sollte. (pk) letom.ch

Der Kreis 4 in Zürich hat sich ja schon seit Jahren zum Hip-Quartier der Stadt entwickelt, da musste zur Vollendung noch ein angemessenes Brillengeschäft her. Dieses ist seit Juni 2008 mit dem Optiker Scharfmacher eingezogen. Doch trockenste Brillenverkaufskunst à la Fielmann ist nicht deren Ding, vielmehr gibt es die Sichtverschärfer wie liebliche Croissants zum Kaffee. Essen kann man die guten Nasenbesetzer von Labels wie ‹Mykita› allerdings nicht, jedoch in mitunter gemütlicher Caféatmosphäre ­erwerben. Das Resultat kann gleich an der ausgestellten Kunst oder bei der Lektüre aktueller Zeitschrif­ten geprüft werden. Ein idyllischer Quartiertreffpunkt, der mit beschaulichen Kaffee­s tunden ­b eglückt und auch gleich den Gang ins spiessige Brillengeschäft ­erspart. (fr) Auf kinkimag.com / blog verlosen wir im November eine Sonnenbrille von Scharfmacher, also seid auf der Hut. Optiker Scharfmacher, Zwinglistrasse 25, 8004 Zürich

waits und woyzeck Woyzeck von Georg Büchner ist hierzulande quasi Pflichtlektüre und fast jeder hat einmal ein rororoBüchlein davon gelesen oder es – sich vor dem schulischen Rahmen drückend – vollgekritzelt. Was eigentlich Dramenfragment geblieben ist, findet heute durch die zahlreichen Inszenierungen als Theaterstück Vollendung. Zurzeit zeigen gleich zwei Schweizer Theater das Stück des sensiblen Soldaten Woyzeck, der von seiner Freundin Marie mit dem Tambour Major betrogen wird und sich danach mit dem Messer an ihr rächt. Der Literaturklassiker wird durch ein ebenso stilsicheres, musikalisches Werk untermauert. Am Berner wie am Luzerner Stadttheater wird die Musical-Version von Robert Wilson, die er in Zusammenarbeit mit Tom Waits und dessen Frau, Kathleen ­Brennan, geschrieben hat, um­

gesetzt. Gesehen haben wir bereits die Luzerner Version des Schauspielmusicals, wo die zeitlosen Charaktere Büchners auf einer unübertrefflichen, sich drehenden Bühneninstallation aus drei ineinandergelegten Kuben rauf-, runter- und reinklettern. Begleitet von der beachtlichen Live-Band singen die Schauspieler ruppige bis einfühlsame Lieder des Grossmeisters Waits, die zum grössten Teil auf seinem legendären Album ‹Blood Money› ver­ sammelt sind. Diese starke Umsetzung der dramaturgischen Erzählung, die an Aktualität nichts eingebüsst hat, können wir jedermann zur Vor- und Nachweihnachtszeit nur empfehlen. (fr) luzernertheater.ch stadttheaterbern.ch


klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: auf kinkimag.com unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

vor wut platzen zu wollen, aber nirgends wo platz dafür zu haben. lasstmichrennenschreientanzen | ausdruckstänzerinnen an konzerten, allgemein tänzer an konzerten. steht doch bitte nur rum, wippt mit dem fuss meinetwegen! genehmigt euch ein bier und schaut euch die band an, verinnerlicht das ganze. für euer pseudogeshake gibt es in unsrer kleinen grossstadt täglich reggaeton-und-schauder-partytunesfeten... idontdance | -aus der schule geschmissen -kein geld für neue ausbildung -besoffen -zwangsneurose. kalt Anonymous | dass viele nicht begreifen, dass hände schütteln das gleiche ist wie rummachen. stimmt’s oder hab’ ich recht mila? kikerikii | lösung für unglückliche: zuckerstange! lösung für unglückliche, weil schatzi nicht mehr: zuckerstange mit plüschhalter! unreifes kind | KINKI! ihr seid nicht nur kinki, richtig dirty, ja dreckig seit ihr - fashionmauer !!? dann wenn ich mal was zu sagen habe! Anonymous |

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‹kinkimag.com›

jaime martínez Der mexikanische Fotograf und Visual Artist Jaime Martínez beehrte kinki schon mit sich bei Nacht auf dem Spielplatz austobenden Modebildern und dem passenden Cover zu Ausgabe 14. Diesen Monat tummeln sich die gefälligen, spassgesellschaftlichen Bilder seiner Freunde auf unserer Website in der Rubrik ‹Young Art›, wo sie – von irritierenden digitalen Landschaftscollagen durchsetzt – Jaimes hedonistische Welt heraufbeschwören. Besonders entzücken konnte uns der Künstler mit den animierten Bildern, mit denen er zurzeit experimentiert und die seinen fotografischen Planeten eine dreidimensionale Note verpassen. Simpel, aber effektvoll baumeln verzückende Mädchen an Ästen, ranken sich Leute an Konzerten oder atmen Wolkenkonstellationen inbrünstig ein und aus. Seine Vorliebe für Frauen, Beine, Bäume, UFOs, Galaxien, Vögel, schwarze Seen, tiefe Wälder, dünne Finger, kalte Haut, sehr lange Haare, Aliens und Katzen kommt auch hier nicht zu kurz. Wir sind berauscht und tanzen mit nackten Füssen über mystische Lichtungen.

anna haas

Anna Haas weiss, wie der Hase läuft. Seit ihrer Kindheit begleiten sie Bücher und alles rund um Druckkunst, und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sie heute als freischaffende Designerin arbeitet. Tagtäglich begibt sie sich in die kreativen Gefilde von Illustration und Zeichnung, möchte aber dennoch weder als Künstlerin noch als Illustratorin bezeichnet werden, dienen ihr Druckwesen und Printmedien nach eigener Aussage doch lediglich als Mittel zum Zweck, um ihre Botschaften an den Betrachter zu vermitteln. Ihre Bilder wirken schlicht, einfach und leicht verspielt, und verstecken oft Botschaften mit immenser Aussagekraft, die durch ihren Stil an Prägnanz gewinnen. Unter ‹Young Art› gewähren wir diesen Monat einen eindrücklichen Einblick in ihr Schaffen, ihre Kreati­ vität und deren Auslegung.

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Girls from outta space? Jaime Martínez’ Werke begeistern sowohl Mode- als auch SciFi-Freaks!

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Der spanische Künstler Berto Martinez verleiht den Figuren in seinen fotorealistischen Illustrationen jede Menge Charme und bildet diese oftmals in einer Art und Weise ab, wie wir sie auf Fotos vielleicht niemals zu Gesicht bekämen. So inszeniert der gelernte Wandmaler beispielsweise ­Quentin Tarantino unten ohne. Dies würde uns wohl nicht weiter ­beeindrucken, wirkten die Bilder nicht so unglaublich echt, ja fast schon lebendig. Auf kinkimag.com findet ihr diesen Monat einen ausführ­lichen Bericht zu Leben und Werk des Spaniers.

kid cudi Hoch gelobt und viel gefeiert. Und das zu recht? Kid Cudi gilt tatsächlich als Ausnahmetalent in der Black-Music-Szene und hat nicht nur mit seinen selbstbewussten Auftritten und seinen HipHop-atypischen Gesten für viel Beachtung gesorgt. Dass er sich neuerdings aber für MySpacePromo und andere kommerzielle Vermarktungsformen im grossen Stil hergibt, wird von den gläubigen Vertretern der puristischintellektuellen Rap-Welt mehr als argwöhnisch beobachtet. Im exklusiven Online-Interview mit Adrian Schräder erklärt sich der selbst ernannte Mann vom Mond.

what else? Auch im November finden sich natürlich auf kinkimag.com nebst den oben erwähnten Artikeln, etlichen neuen Musikvideos und Extra-Materialien zu diesem Heft interessante Neuigkeiten, Wettbewerbe und Geheimtipps auf unserem Blog. Ausserdem warten unter ‹Young Art› eine Vielzahl an Künstlerporträts aus dem In- und Ausland auf euch sowie viele weitere spannende Themen unter ‹Magazin›, die wir euch an dieser Stelle noch nicht verraten möchten. Nicht verpassen solltet ihr übrigens auch die wöchentlichen Beiträge von Roman Neumann, der mit seinen Dialogen zwischen Henry und Paul nicht nur in der Redaktion jeden Freitag für Lachkrämpfe sorgt, sowie die allseits beliebten CD-Kritiken unseres Reviewnators Flo aka Henne, der mit seinem Musikladen den Begriff des Trash wöchentlich in ungeahnte Sphären hebt!


GOLD now.

outside is in.

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Fumer nuit gravement à votre santé et à celle de votre entourage. Il fumo danneggia gravemente te e chi ti sta intorno.


Miss Princess rodeo in den UsA gibt es unzählige Wettbewerbe für die unterschiedlichsten ‹Begabungen›: vom schnellsten esser über das schönste Baby bis zum geschicktesten reiter. das Fotografenduo Achenbach und Pacini dokumentiert in Florence, Arizona, die Wahl zum anmutigsten nachwuchs-cowgirl. Text und interview: Paula Kohlmann, Fotos: Valeska Achenbach und isabela Pacini

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Die Anforderungen an eine Princess 足Rodeo:足 perfekt aussehen, reiten, lachen und Flagge 足bekennen.

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Die Mädchen suchen hier nicht nach der grossen Freiheit im Pferdesattel, sondern nach einer eigenen Identität in einem vorgefertigten Schönheitsideal. Das Pferd ist ­ dabei lediglich ein Accessoire.

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s geht um die Berufung zu etwas Grösserem, das Streben nach den Super­ lativen von klein auf. Der amerikanische Patriotis­ mus ist allgegenwärtig – die Flagge, die Hymne und vor allem der damit verbundene Stolz. Die in Hamburg lebenden Foto­ grafinnen Valeska Achenbach und Isabela Pacini sind in das kleine Dorf Florence in Arizona ge­ reist und haben dort in der Provinz einen Wett­ bewerb dokumentiert, bei dem die Träume und Ziele der Kinder und Eltern am naivsten und ur­ sprünglichsten wirkten: der ‹Princess Rodeo Contest›. Kleine Mädchen setzen sich auf gros­ se Pferde und müssen nicht nur das Reiten be­ herrschen, sondern dabei auch noch perfekt aussehen. In folgenden Kategorien werden sie geprüft: Outfit, Interview sowie Reiten mit und ohne Flagge. Dabei gibt es keine Altersbe­ schränkung, die Gruppen der Reiter werden nach Jahrgängen gestaffelt. Rodeo-Contests gibt es in mehreren regionalen Ligen. Die Mäd­ chen träumen demnach sozusagen ‹aufzustei­ gen›. Als grösste Auszeichnung winkt der Titel ‹Miss Princess Rodeo›, die dazugehörige ­Schärpe und ein Pokal. Natürlich spielen Tradi­ tion und Kultur eine grosse Rolle, doch der Schwerpunkt liegt mehr auf dem Aussehen und der Ästhetik als auf der Reitkunst. Die beiden Fotografinnen, die für ihre doku­ mentarischen Bilder schon etliche Auszeich­ nungen erhalten haben, berichten mit gemisch­ ten Gefühlen von dem Erlebnis: ‹Es hat uns grossen Spass gemacht, die Strecke zu foto­ grafieren – auch wenn es immer wieder be­ fremdliche Situationen gab. Der Ehrgeiz der El­ tern hat uns oftmals erschrocken.› Dennoch scheuen sie sich nicht, klar Stellung zu neh­men: ‹Neutrale Berichterstatter sind wir sicher­ lich nicht. Ironie und Kritik spielen in unseren Bildern eine wichtige Rolle – ohne die portrai­ tierten Menschen zu verurteilen oder blosszu­ stellen.› Dabei würde das Fototeam sich nicht anmassen zu behaupten, die Mädchen seien nicht glücklich. Sie verinnerlichen von klein auf die Erwartungen der Erwachsenen sowie die von ihnen vorgeschriebenen Massstäbe, so dass solche Events und Auszeichnungen längst zu ihren eigenen Zielen geworden sind.

bereiche immer mit der Frage nach der Identität von Menschen und Menschengruppierungen. Wichtig sind für sie die jeweiligen Merkmale und Umstände, die die Protagonisten zu dem machen, was sie sind. Beim ‹Princess Rodeo Contest› handelt es sich in den Augen der Wahl-Hamburgerinnen um eine ‹heile›, dafür aber sehr verschlossene Welt. Anfangs haben sie mit viel Skepsis kämpfen müssen und wur­ den mit typisch amerikanischer Freundlichkeit abgewiesen. Es wurde ihnen mit der Polizei ge­ droht, sie mussten die Rollfilme aus der Kamera entfernen und wurden sogar von Sicherheits­ wächtern einer Shoppingmall verwiesen. Doch dann haben sie den richtigen Weg gefunden, Vertrauen aufzubauen, und wurden letztendlich herzlich aufgenommen: ‹Nachdem alle Beteilig­ ten des ­«Little Miss Rodeo Contest» unsere An­ wesenheit ak­zeptiert hatten, haben wir viele Motive gefunden, die das verbildlichen, was wir uns als Ziel ge­­setzt hatten, nämlich Jugendliche und Kinder zu begleiten, die durch ein vorge­ schriebenes Schön­heitsideal ihre Identität zu finden versuchen.›

Greifbare Ideale durch Pokale Auch die Frage nach der Entscheidungsfreiheit der Mädchen ist eine Sache der Perspektive und somit für das Fotografenduo nicht leicht zu beantworten: ‹Nach unserem Empfinden sind sie nicht frei, da sie die Wahl nicht wirklich ha­ ben, obwohl sie nicht dazu gezwungen werden. Es geht hierbei um Prestige, um Status und um Superlative. Wie kann man das besser errei­ chen und ausleben als durch Wettbewerbe, durch Gewinner und durch Pokale, die das alles greifbar machen?› Die Projekte von Achenbach und Pacini be­ schäftigen sich trotz unterschiedlicher Themen­ kinki 27


Naked Cities ‹Alte Gebäude, ver­ lassene Kranken­ häuser, von Pflanzen überwucherte In­ dustriehallen, Tunnel, Bunker und Ab­ wasser­kanäle. Diese Orte sind nicht leicht zu finden, schwer oder sogar nur illegal zu erreichen und sehr gefährlich zu er­ forschen… Genau richtig, um den Tag dort zu verbrin­ gen!› Text: Paula Kohlmann

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o beginnt eine der ersten Webseiten über ‹Urban Exploration›, die Homepage von Henk. Mit 16 Jahren bekam er seine erste Kamera und fotografierte damit die stillgelegte Buda Marly Fabrik in Brüssel. Und wurde festgenommen. Heute ist er 41 und fotografiert immer noch leidenschaftlich die Orte, die abseits des alltäglichen Lebens vergessen werden. Auf die Frage nach dem Warum antwortet er: ‹Jedes Gebäude hat seine eigene Seele. Ich setze mich hin und höre der Stille der Wände zu. Und sie erzählen mir die Geschichte des Gebäudes. Diese Geschichte, diese Gefühle versuche ich in meine Bilder zu packen.› Künstlername: Henk van Rensbergen Alter: 41 Wohnort: Brüssel Beruf: Pilot Familienstatus: Verheiratet Explorer-Höhepunkte: Nachts im belgischen Sanatorium ‹Joseph Lemaire› Für: Fotografie, Musik; Kunst im Allge­meinen Gegen: Mittelmässigkeit Homepage: abandoned-places.com

Es ist der Reiz, eine Stadt neu zu entdecken. Orte zu finden, die lange Zeit niemand betreten hat. Die vergessen, verlassen, verboten sind. Henk ist schon lange keine Ausnahme mehr. Es gibt eine grosse Gemeinschaft, verteilt auf der ganzen Welt. Sie nennen sich ‹Guerrilla Historians› oder ‹Urban Explorers›. Sie haben weder einen besonderen Hintergrund noch ausgefallene Berufe. Sie klettern einfach in ihrer Freizeit gerne auf Brücken, in verlassene Firmen oder steigen durch Gullydeckel in Abwasserkanäle, um dort Fotos zu schiessen. Dass es dabei gewisse Risiken gibt, macht den Reiz ja erst aus. Oft besteht Verletzungs- oder Lebensgefahr; dass man an viele Orte illegal eindringt und somit jederzeit festgenommen werden kann, ist dann nur noch nebensächlich. Dass bei Freunden und Familie nicht immer pure Begeisterung über solch ein gefährliches Hobby herrscht, ist ebenso selbstverständlich.

‹Jedes Gebäude hat seine eigene Seele. Ich höre der Stille der Wände zu. Und sie erzählen mir die Geschich­ te des Gebäudes. Diese Geschichte, diese Gefühle versu­ che ich in meine Bilder zu packen.› 30 kinki

Als Hobby tut es allerdings kaum einer der Anhänger mehr ab, es ist eine ‹Leidenschaft›, die meisten Explorer erklären sich selbst für mehr oder weniger besessen davon. Und genau deswegen versuchen sie unaufhörlich geheime, gefährliche, illegale Orte zu finden, die im besten Fall noch kein anderer zuvor fotografiert hat. Eine starke Rivalität unter den Explorern herrscht dennoch nicht. ‹Wir schliessen uns oft zusammen, denn alleine ist vieles einfach zu gefährlich. Aber ich vertraue nur noch Leuten, die ich persönlich kenne. Inzwischen gibt es so viele Fotografen, die auf ihren Webseiten ihre Errungenschaften zeigen, dass leider auch oft Bilder kopiert und geklaut werden. Vandalismus in den Gebäuden ist ebenfalls nicht selten›, sagt Henk bedauernd. Deswegen gibt es eine wichtige Regel beim Betreten eines verlassenen Gebäudes: ‹Hinterlasse nichts als Fussspuren, nimm nichts mit ausser Fotos.› Künstlername: S. Marshall Alter: 28 Wohnort: Paris Beruf: K. A. Familienstatus: K. A. Explorer-Höhepunkte: Katakomben unter Paris, Bunker in Frankreich, Minenfabrik in Japan, Eisenbahnstationen in Australien, Underground-Tunnel in London Für: Herausforderungen Gegen: Engstirnige Menschen Homepage: pridian.net

Auch Marshall nennt sich ‹Urban Explorer›. Seine wahre Identität möchte er nicht publik machen. Verständlich: Ein Blick auf seine Homepage lässt darauf schliessen, dass viele seiner Bilder an illegalen Orten gemacht wurden. Sie zeigen Eisenbahntunnel, Bunker, Hausdächer, stillgelegte Bahnhöfe, Metrostationen und Wasserkraftwerke. In Australien, den USA, Kanada, Japan, Frankreich, UK, Belgien, Spanien, Indien. Marshall ist Teil des australischen ‹Cave Clans› – eine bekannte Urban-Exploration-Gruppe, die seit 1986 besteht. Die Aufnahmebedingungen sind sehr streng, inzwischen zählt die Organisation an die 300 Mitglieder. Und einer davon ist Marshall. Er begründet seine Leidenschaft mit einem einfachen Satz: ‹Es geht letzten Endes um den Spass und das Abenteuer. Die Welt ist unser Spielplatz.› Künstlername: Steve Duncan Alter: 31 Wohnort: Gerade von NYC nach Los Angeles um­ ge­zogen Beruf: Doktorand Familienstatus: In einer Beziehung mit einer sehr geduldigen Freundin Explorer-Höhepunkte: Tunnel unter Minneapolis, Katakomben unter Paris, Williamsburg Bridge NYC Für: Alkohol Gegen: Dumme, paranoide Angst vor Terror­ismus, die es mir erschwert, auf Brücken in NYC oder unter London zu gelangen Homepage: undercity.org

Steve wiederum hat kein Problem, sich öffentlich zu zeigen und seinen Namen zu nennen. Er kommt aus den USA und studierte lange in NYC Stadtgeschichte, was ihm für seine Touren sehr hilfreich ist. Risiken ist er für ein gutes Foto

schon viele eingegangen: ‹Ich bin schon oft per Seil auf Brücken geklettert oder in Abwasserkanäle gestiegen. Einmal konnten mein Freund und ich uns gerade noch rechtzeitig vor einer riesigen Wasserflut retten, die durch ein gros­ ses Unwetter auf uns zukam. Und verletzt habe ich mich natürlich auch schon häufig.› Um nur einige der unglaublichen Orte aufzuzählen, zu denen Steve sich Zugang verschafft hat: in die Katakomben unter Paris ist er bereits herabgestiegen und hat die Williamsburg Bridge zwischen Manhattan und NYC sowie die Spitze von Notre Dame erklommen, um dort zu fotografieren. Gerade hier wurde er allerdings auch verhaftet, weil sein Kollege aus Spass die Glocken läutete. Steve trifft nicht überall in seiner Umgebung auf Verständnis: ‹Wenn ich eine Freundin habe, ist es fast immer dasselbe: Zu Beginn finden es alle wahnsinnig aufregend und denken, es sei romantisch. Aber sobald wir eine Weile zusammen sind, wollen mich die meisten dazu bringen, normalere Sachen zu tun. Und nicht so komische Dinge, bei denen ich die ganze Nacht unterwegs bin. Meine Eltern versuchen mich so wenig wie möglich auf mein Hobby anzusprechen.› Weiter mit dem Fotografieren macht er trotzdem. Als nächstes Ziel peilt er die ‹Cloaca Maxima› in Rom an – das grösste Abwasserkanal-System der Antike. Fotos: Henk van Rensbergen, S. Marshall, Steve Duncan

‹Hinterlasse nichts als Fussspuren, nimm nichts mit ausser Fotos.›


Auf ihren Reisen entdecken die urbanen Erkundschafter ihre Heimatst채dte neu. Und verewigen ihre Eindr체cke als fotografische Souvenirs.

Verlassene Welten hinter verbarrikadierten Fenstern und verrammelten T체ren: die Urban Explorer suchen in brach liegenden Geb채uden nach vergessenen Geschichten.

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Das Dschungelbuch der Quälerei

Muskelkrämpfe, Beinermüdung, Schwäche­anfälle – ein Marathonläufer hat während eines Rennens mit den Tücken seines Körpers zu ringen. Die Teilnehmer des ‹Dschungel­marathons› kämpfen jedoch nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit unerträglicher Hitze, unmenschlichem Terrain und gefährlichen Tieren. Willkommen in der grünen Hölle Brasiliens. Text: Florian Hennefarth

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s ist fünf Uhr in der Früh. Die Hängematten unter dem mit Bam­ bus überdachten Nachtquartier hängen dicht an dicht. Auch die letzten Läufer sind jetzt erwacht. Wirklich gut geschlafen hat nie­ mand. Zum einen wegen der nicht sehr bequemen Unterkunft, zum anderen wegen der fast schon kindlichen Euphorie auf den kommenden Tag. Gesprochen wird nicht viel. Ein letztes Mal prüfen die Läufer ihre Ausrüs­tung: Pflaster, Vitaminriegel und Desin­ fektions­mittel – alles muss unterwegs sofort griffbereit sein. Um Punkt 6.30 Uhr erfolgt der Startschuss. Auf die Läufer wartet das härteste Abenteuer ihres Lebens.

Die grüne Hölle Die erste Etappe des bereits neunten Dschun­ gellaufes hat es in sich. Nach 200 Metern muss schon ein kleiner Fluss durchquert werden. Ge­ rade mal ein paar Meter breit, verlangt dieses Hindernis den verschlafenen Läufern einiges ab. Was in den nächsten Tagen folgt, sind fünf weitere Etappen. Insgesamt 240 Kilometer quer durch den tropischen Regenwald. Auf alten In­ dianer-Pfaden entlang des Rio Tapajãs, einem der grössten Nebenflüsse des Amazonas, geht es quer durch Lianen-Netze, feuchtes Unterholz und breite Sümpfe. Während viele der ‹Freiwilli­ gen› meist nur das Laufen auf ebenen Böden gewohnt sind, wird hier von den Läufern eine ganze Palette sportlicher Grenzgänge verlangt: rennen, klettern, schwingen, waten, kriechen, springen und schwimmen. ‹Vom Terrain her ist es schlimmer als die Alpen›, stellen viele der Läufer fest. Und das ist auch so gewollt, schliesslich wurde der Dschungelmarathon von einer Gruppe englischer Ultraläufer gegründet. Den britischen Extremsportlern wurde das Ren­ nen auf vorgegebenen Strecken zu langweilig und so suchten sie eine neue Herausforderung in einer extremen Umgebung. Die unerforschte Dschungellandschaft in der Nähe des Städt­ 32

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chens Santarem im Norden Brasiliens kam den Veranstaltern da gerade recht. Quer durchs Wasser, einen steilen Weg hi­ nauf auf einen Hügel, einen Pfad hinunter und das ganze von vorn. Das ist das Streckenprofil am ersten Tag. Einzige Abwechslung auf der ersten Etappe ist ein Sumpf, der von den Veran­ staltern bereits im Vorfeld angekündigt wurde. Hinter ein paar quer liegenden Baumstämmen verlieren viele der Läufer den Boden unter den Füssen und versinken in der stinkenden Brühe. Sie stehen bis zu den Schultern in dem braunen Tümpel. Die ein oder andere Wasserflasche geht verloren. Unbehagen macht sich in den Gesichtern breit. Fast schon panisch mit den Armen rudernd versucht sich ein Teilnehmer aus den USA seiner nassen Fessel zu befreien. Un­ ter ihm die dunkle Ungewissheit.

Tod durch Piranhas Das, was den Dschungelmarathon ebenfalls einzigartig macht, sind die zusätzlichen Bedro­ hungen, welche die ‹grüne Hölle› für ihre Gäste bereit hält. Ob im Dickicht der reichhaltigen Flo­ ra oder in den unergründlichen Tiefen der vielen Gewässer, ‹der Läufer weiss nie, was als nächs­ tes auf ihn zukommt›, erklärt ein junger brasilia­ nischer Mitarbeiter, ‹es gibt Stellen im Urwald, wo der Weg vor lauter Schwärze nicht mehr zu sehen ist›. In solchen Momenten bleibt den Läu­ fern meist nichts anderes übrig als den Kopf abzuschalten und sich einen Weg durch Millio­ nen von Treiberameisen zu bahnen. Diese kön­ nen mit ihren kräftigen Kiefern nämlich mehr als nur ein unangenehmes Zwicken verursachen und so bleibt den Mutigen meist nur die Hoff­ nung, das es nicht allzu vielen der dunkelroten Tiere gelingt, über die Schuhe zu den unge­ schützten Beinen hochzuklettern. Allgemein ist der Nervenkitzel in Bezug auf mögliche Gefahren beim Dschungelmarathon besonders hoch. So gibt es Gerüchte, zwei Teil­ nehmerinnen seien schon von Piranhas getötet worden. Geschichten von fast tödlichen Bissen


240 Kilometer über Irrwege durch den Dschungel. Und alles nur für eine kalte Dusche und einen kleinen Pokal…

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Was auf den ersten Blick scheint wie ein tropisches Idyll, birgt jede Menge kriechender und siechender Gefahren. Zecken und Blutegel gehĂśren dabei zu den kleineren Ăœbeln.

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der seltensten Spinnen sind an der Tagesord­ nung und ein ‹Glücklicher› soll in der Vergan­ genheit bereits eine Begegnung mit einer Boa Constrictor gehabt haben. Selbst der gefürch­ tete Candiru hat schon zugeschlagen: ein klei­ ner Süsswasserfisch, der menschlichen Urin erschnüffelt, daraufhin in die Harnröhre der Ba­ denden schwimmt und sich dort mit Hilfe eines Widerhakens festsetzt, um seinem Wirt das Blut auszusaugen. Die Entfernung des kleinen Vam­ pirs kann schon mal die Amputation des betrof­ fenen Körperglieds nach sich ziehen. Ob diese Schauergeschichten jedoch wahr sind, ist schwer nachzuvollziehen. Die Schreie der Affen und Raubkatzen ergänzen allerdings das Bild des unheimlichen Dschungels und treiben den Puls eines jeden in die Höhe.

Bis an die Grenzen menschlicher Belastung Für die Läufer ist es nicht leicht, sich auf dieser ersten Etappe einen Weg durch die dichten Bü­ sche und Stauden zu bahnen. Der Pfad wird le­ diglich durch ein paar gelbe Bänder markiert, die man nicht wirklich gut erkennen kann, wenn man auf den bewachsenen Boden konzentriert ist. Die gesamte Strecke entpuppt sich so als einziger Irrweg. ‹Hier lang› und ‹komm zurück› hört man die Konkurrenten untereinander schrei­ en. Dabei geht nicht nur die Orientierung, son­ dern auch die Kraft verloren. Viele der Läufer stos­ sen bereits jetzt an ihre körperlichen Grenzen. Dies liegt jedoch nicht nur an der Strecke und ihren Hindernissen, sondern zum grössten Teil an den klimatischen Bedingungen. Tages­ temperaturen bis zu 45 Grad Celsius sind keine Seltenheit. Die Luftfeuchtigkeit am Amazonas kann bis zu 100 Prozent erreichen. Das sind Verhältnisse, auf die man sich selbst bei den ge­ zieltesten Trainingseinheiten nicht vorbereiten kann. Vor allem für die europäischen Teilnehmer wird der Dschungelmarathon dadurch zu einem Lauf, dem sie schon bald ihren Tribut zollen müssen – viele der Läufer kollabieren. Ein hoch­ platzierter Brasilianer soll in der Vergangenheit einfach bewusstlos im Urwald gelegen haben, bis man ihn schliesslich fand. Obwohl jede Etappe von mehreren Ärzten begleitet wird, ist die medizinische Versorgung nicht ausreichend. Einen Helikopter gibt es nicht. Meist können die Patienten erst nach Stunden ins Krankenhaus gebracht werden. Und die Hospitale liegen meist mehr als vier Stunden entfernt. Fühlen sich Teilnehmer nicht wohl, können sie daher Etappen überspringen.

hinaufzuziehen. Das marode Holz bricht und er­ schlägt fast den nachkommenden Teilnehmer. An der Lichtung angelangt, gilt es sich mit Sei­ len über einen grösseren Bach zu schwingen. Die bereits absolvierten 18 Kilometer schlagen nun jedoch zu Buche: beide Teilnehmer stürzen ins Wasser und müssen ans andere Ufer schwimmen. Nach vier Stunden und sechs Mi­ nuten erreichen sie dann das Ziel direkt am Strand. Der Rest des Tages wird mit Essen, Dö­ sen und der Suche nach Blutegeln und Zecken verbracht. Tag zwei. Zum Frühstück gibt es eine Art Müsli in pampeähnlicher Konsistenz. Pünktlich um 6.30 Uhr fällt der Startschuss zur zweiten Etappe. Den steilen Hügel, den man gestern erst bezwungen hatte, gilt es heute erneut zu erstürmen. Auch Sümpfe, umgestürzte Baum­ stämme, giftige Tiere und 100 Prozent Luft­ feuchtigkeit warten am zweiten Tag auf die Teil­ nehmer des Dschungelmarathons. Und das alles für 2700 Franken Startgeld, einen kleinen Pokal und die Gewissheit, das härteste Rennen der Welt bestanden zu haben. Anmeldungen für 2010 sind ab sofort auf junglemarathon.com mög­ lich.

Die Luftfeuchtigkeit am Amazonas kann bis zu 100 Prozent erreichen. Das sind Verhältnisse, auf die man sich selbst bei den authentischsten Trainingseinheiten nicht vorbereiten kann. Vor allem für die europäischen Teilnehmer wird der Dschungelmarathon dadurch zu einem Lauf, dem sie schon bald ihren Tribut zollen müssen Blutegel- und – viele der Läufer Zeckensuche am Ziel kollabieren. Das Waldstück wird immer dichter. Zwei Läufer bahnen sich ihren Weg in Richtung einer klei­ nen Lichtung. Einer der beiden greift an einen Baumstamm, um sich ein steileres Wegstück

Fotos: Jungle Marathon

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Lichter Untergrund Das Glühbirnenverbot sorgt am Bodensee für finstere Laune: der Untergrundproduzent und Schmuggler Reto Jakob wehrt sich vehement gegen die gesetzliche Änderung und kämpft von der Schattenwelt aus für mehr warmes Licht. Eine Zukunftsreportage aus dem Jahr 2013. Text: Tin Fischer und Laurence Thio, Fotos: Janis Weidner

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eit dem Glühbirnenverbot herrscht am Bodensee Klein­ krieg. Auf der einen Seite ein ökobewusster schwäbischer Mi­ nisterpräsident, der die Dampf­ walze zu seinem Dienstwagen und zum Symbol nachhaltiger Umweltpolitik gemacht hat. Auf der ­anderen ein Thurgauer Untergrundproduzent, der beim Schmuggeln schon mal 10 000 Glühbirnen in den See gekippt und damit eine ganze Genera­ tion verzückt hat. Wir schreiben das Jahr 2013. Das Post100-Watt-Zeitalter hat begonnen. Der Romans­ horner Hafen gleicht einem Spülbecken. Wie nicht abgewaschenes Geschirr liegen abge­ wrackte Ausflugsschiffe in der trüben Brühe. Abends hängt die Dorfjugend auf ihnen ab. Im­ mer mit dabei: Reto Jakob, ein Zwerg Mitte 20 und Glühbirnenbaron der Region. Den Kopf, der ihm an Grösse fehlt, kompensiert er durch seinen Cowboyhut. Lange hatte man an dieser Endstation der Schweiz auf Touristen gehofft. Gekommen sind stattdessen Designfetischisten, die nur eines wollen: die Ware von Reto Jakob, von dem kei­ ner je recht wusste, ob seine Cowboy-Gardero­ be schwul-schick oder provinziell-prollig ist. Reto Jakob war eigentlich Vermieter von Disco­mobiliar und Händler gebrauchter Autos beziehungsweise ‹Altautohändler aus politischer Überzeugung›, wie er präzisiert, als wäre ‹aus politischer Überzeugung› sein Meistertitel. Den süssen Gestank einer Dreckschleuder, den woll­ te er sich einfach nicht verbieten lassen. Er sei auf einem Bauernhof gross geworden. Er wisse die Umwelt zu schätzen. Aber ein qualmender Dieseltraktor, das habe er immer viel lieber gero­ chen als frisches Heu. In gewisser Weise ist er ein Romantiker. Als die Glühbirne in der EU ver­ boten wurde, in der Schweiz aber noch legal war, hat Jakob sein Sortiment politischer Unkor­ rektheiten erweitert. Er ergänzte das Schild sei­ nes Autoladens um den Vermerk ‹Verkaufe auch «Zündkerzen»› – gemeint waren Glühbirnen. Ein Volltreffer. Es war plötzlich schick, in Jakobs Bü­ rocontainer bei Filterkaffee über Bern, Berlin und Brüssel zu lästern sowie über ‹Zündkerzen› zu fachsimpeln. Nicht dass die Birnen des Reto Jakob etwas Besonderes gewesen wären. ‹So ganz normale Lampen waren das›, sagt er uns. Aber genau das machte ihren Reiz aus. Die Zür­ cher Szene hätte ihre Birnen auch in China be­ stellen können. Aber der Cowboy aus dem Thurgau wirkte so authentisch wie die Birnen, von denen sie sich nicht trennen wollten.

Wärme, Zuneigung und Trost Die Geschäfte liefen so gut, dass sich Jakob die alten Maschinen einer Glühbirnenfabrik kaufte und im Untergrund die Produktion aufnahm. Die Behörden liessen ihn machen. Im Kanton und in der Gemeinde war man auf Bern und Brüssel nicht gut zu sprechen. Nur am Zoll gab es Ärger, seit sich in Baden-Württemberg ein ökobewuss­ ter Ministerpräsident mit der Jagd auf Glühbir­ nen zu profilieren versuchte. Geschadet hat es 38 kinki

Reto Jakob nicht, im Gegenteil. Seit das Ge­ rücht die Runde macht, dass es am deutschen Zoll einen Schiessbefehl auf seine Glühbirnen gebe, zahlt man in München und Stuttgart so­ wieso nicht mehr für die Birne, sondern vor allem für die Schmugglergeschichten, die sich um sie ranken. Zum Beispiel die Geschichte vom Rie­ senrad, das mit 10 000 Birnen bestückt zum Ok­ toberfest gefahren wurde und leer in die Schweiz zurückkam. Der bayrische Ministerpräsident tobte. Oder die Geschichte von jenem Mann, der Glühbirnen schlucken und wieder hochwür­ gen kann. Seither wird am Zoll geröntgt. Wir fahren mit Reto Jakob nach Berlin im Regional Express. Jakob ist auf ‹Geschäftsrei­ se›, wie er sagt, als müsste es seriös klingen. Er hat einige ‹Produktbeispiele› mitgenommen, mit denen er die Berliner ‹versorgen› will. ‹Die wis­ sen da doch gar nicht mehr wie Licht aussieht!› sagt er. Zeigen will er uns die Birnen nicht. Noch nicht. ‹Neue Kreation, die wird der Knüller, ihr werdet schon sehen!› Seit Monaten ist er mit Robert Larsson – ‹dem› Robert Larsson – in Kontakt, dem Betreiber des ‹Allerseelen›, dem Glühlicht-Club in Berlin schlechthin. Das Berg­

‹Egal, wenn die ineffizient sind. Es geht nicht ein­fach um Licht, es geht um die Wärme!›


hain für Licht. Larsson braucht Nachschub. Er will sich mit Jakob treffen. Die Fahrtzeit will sich Reto Jakob mit seinem Lieblingsspiel vertreiben: Dingeraten! Wir sollen Dinge erraten, die Bern und Brüssel noch verbie­ ten könnten, an die er aber noch nicht gedacht hat. Man kann dieses Spiel gegen Reto Jakob eigentlich nur verlieren. ‹Den Kamin vielleicht?› versuchen wir es trotzdem, unterwegs durch den Schwarzwald. Fehlanzeige: ‹Steht längst zur De­ batte!› – ‹Das Lagerfeuer?› fragen wir lustlos aus dem Fenster starrend. ‹Ach kommt schon›, sagt er, ‹irgendwas Neues werdet ihr wohl noch her­ ausfinden!› – ‹Keine Ahnung›, sagt einer von uns genervt, ‹der offene Wasserschlauch?› Volltref­ fer. Jakob strahlt und schweigt für den Rest der Fahrt. Ob er auch in die Produktion offener Was­ serschläuche einsteigen würde, fragen wir ihn nach acht Stunden, kurz vor Berlin. Blöde Frage. Natürlich wird er. Robert Larsson kam aus Liebeskummer nach Berlin. Der Schwede hoffte, dass ‹die Stadt mir hilft, darüber hinwegzukommen›. Aber Berlin war Berlin: rau, anonym und kalt. Deshalb eröffnete Larsson das ‹Allerseelen› im Szenebe­ zirk Friedrichshain. ‹Die Leute sehnen sich nach Wärme, Zuneigung, Trost›, sagt er. Die Wände sind in warmen Tönen gestrichen, das Mobiliar ist antiquarisch und Larsson benutzt ausschliess­lich alte 100-Watt-Glühbirnen. Die Birnen pran­ gen an einer langen Kette, die quer durch den Raum gespannt ist. ‹Egal, wenn die ineffizient sind. Es geht nicht einfach um Licht, es geht ­gerade um die Wärme!› Im ‹Allerseelen› wird gemeinsam gegessen, danach das Mobiliar zur Seite getragen, das Licht gelöscht und zu sehn­ suchtsvoller New Wave Musik getanzt.

Illegale Leuchtmittel Larsson verkauft unter der Theke ‹Allerseelen to go›. 80 Prozent seiner Einnahmen stammen aus dem Birnen-Schwarzhandel. Doch der Nach­

schub fehlt. Larssson hofft auf den kleinen Schwei­zer Cowboy. Auch wenn klar ist: den hät­ te der Türsteher nicht rein gelassen. Die Gäste des Lokals sind junge Bürgerliche, Konsumkon­ servative, beseelt von einem Nostalgiegefühl gegenüber einer Zeit, in der ihre Eltern Kinder waren. Sie kaufen bei ‹manufactum› handgefer­ tigte Produkte. Abends treffen sie sich zu De­ batten über Literatur, Politik und Kunst in Wohn­ zimmern im Prenzlauer Berg. Oder sie gehen ins ‹Allerseelen›. Das Verkaufsgespräch findet in einem Hin­ terzimmer statt, im ‹Darkroom›, wo die Birnen getestet werden, die hier gehandelt werden. Jakob ist aufgeregt, auch Larsson kann seine ­Unruhe kaum verbergen. Jakob verspricht: ‹Ich habe etwas Besonderes dabei! Das Beste was ich je kreiert habe!› Auf den massiven Schreib­ tisch ist eine Fassung montiert. Jakob greift in die Tasche, holt eine Birne hervor, er dreht sie hinein. Der Raum wird hell. Pink und hell. Lars­ son sitzt an seinem Schreibtisch und starrt auf die Lampe. ‹Oh!› sagt er nur. In der Fassung prangt eine Birne in Herzform und leuchtet pink­ farbenes Licht. Larsson räuspert sich: ‹Was hast du noch dabei?› Jakob lacht und sagt: ‹Es kommt noch viel besser. Pass auf!› Er schraubt die nächste Birne hinein: Sie hat die Form einer Discokugel. Er habe die Birne auch in ‹Lila, Grün, Rosé und in Gelb vorrätig›. Mit der pas­ senden Fassung könne man auch den Drehef­ fekt nachvollziehen, erklärt Jakob weiter. ‹Aha›, sagt Larsson. Jakob spürt, dass etwas schief läuft, er führt schnell die nächste Birne (‹Glas­ kunst in Vollendung›) vor. Kaum hat Jakob den Schalter betätigt, leuchtet der ganze Raum in einem kotzartigen Neon-Batik-Muster. Larssons Gesicht ist blau-gelb und es ist nicht ganz klar, ob vor Wut oder von der Batikbirne. ‹Batik?!› sagt er. ‹Soll das ein Witz sein? Wir sind keine Dorfdiscothek! Was ist das? Rummel-Licht?› Jakob ist völlig ausser Fassung – so rede man nicht mit ihm – Larsson winkt ab: ‹Du bist kit­ schig, verschwinde!›

Den ganzen Abend über ist Jakob aufge­ bracht und sehr verstört. Das sei ihm noch nie passiert, wiederholt er immer wieder. Er will nicht mal mehr Dingeraten spielen. Am nächsten Morgen hat er sich gefangen. Ein weiterer Ter­ min steht an, diesmal in einem verstaubten Lam­ penfachladen im spiessigen Berlin-Steglitz. Ja­ kob betritt das Geschäft und fragt lässig: ‹50, 60, 100 Watt?› Die Dame errötet und gibt sich entrüstet: ‹Wir sind ein ordentliches Geschäft!› Jakob stellt sich vor und sagt die vereinbarte Lo­ sung. Die Frau äugt uns misstrauisch an, sagt: ‹Warum nicht gleich so? Zivilbullen kontrollieren hier dauernd, wir stehen praktisch unter Gene­ ralverdacht!› Erst jetzt fällt es uns auf: Wer trägt sonst noch Cowboy-Anzüge, wenn nicht Zivil­ polizisten? Sie führt uns ins Hinterzimmer, greift in einige Kartons und lässt uns ihre Ware prüfen. Es ist wie in einer Filmszene, nur dass die Dea­ lerin ergraute Dauerwelle trägt und nicht mit Ko­ kain, sondern mit Glühbirnen handelt. Jakob ist zufrieden, nun ist er an der Reihe: ‹Mir gefällt Ihre Produktpalette›, sagt er mit breitem Schwei­ zer Akzent, ‹ich glaube, ich habe etwas für Sie›. Er holt eine seiner Herzbirnen aus der Jackenta­ sche und schiebt sie über die Theke: ‹Haben Sie Interesse?› Die alte Dame wirkt jetzt gross­ mütterlich, sie nimmt die Birne anerkennend in die Hand und sagt wie zu einem Schulkind, das etwas Selbstgebasteltes präsentiert: ‹Das ist ja eine schöne!› Die beiden werden sich schnell einig, mit der Neon-Batik-Birne kann sie zwar auch nichts anfangen, aber die ‹Discokugeln› könnten sich auf Gartenpartys gut machen. Die Geschäftsreise nach Berlin ist doch noch ein Erfolg geworden. Wir stehen bereits am Ostbahnhof und wollen uns von Jakob ver­ abschieden. Aber der will unbedingt noch von einem der Vietnamesen in der Unterführung ‹eine von diesen Billigbirnen› kaufen – ‹zum He­ rumzeigen zu Hause›. Für ihn hat das etwas Ver­ ruchtes, fast so als würde man in den Puff ge­ hen. Mit der Ankunft jeder S-Bahn bildet sich eine kleine Menschentraube um die Händler, wie Motten, die das Licht umkreisen. Drei Mal geht Jakob unverrichteter Dinge am Vietname­ sen vorbei. Dann nimmt er all seinen Mut zusam­ men und tritt auf ihn zu. Es ist eine rührende Szene, wie der kleine Thurgauer Birnenbaron dem kleinen Vietnamesischen Birnendealer ge­ genübersteht und ihm schnell das Geld in die Hand drückt, als würde ein Kind ein bissiges Kaninchen füttern. Da ertönt ein Pfiff! Aus dem Nichts kommen vier Männer, der Händler rennt, Jakob geht in Boxerstellung. Eine unnötige ­Provokation. Er wird zu Boden geworfen, Hand­ schellen klicken – Polizeizugriff! Jakob ruft noch, er sei Schweizer, die Polizisten lachen, sagen ‹umso besser!›. Er wird abgeführt und an die­ sem Abend aktenkundig wegen ‹Erwerbs ille­ galer Leuchtmittel›. Jakob, der Schweizer Glüh­ birnen-Pate, muss 1000 Euro Bussgeld zahlen, wie ein Falschparker. Auf kinkimag.com findet ihr ein Interview mit ­Michael Stor und Alex Riegler vom Licht­ kunst-Duo ‹mumu›, in dem sie sich über die Rolle der Glühbirne in der Welt der Kunst und das Glühbirnenverbot auslassen.

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‹querschläger› Alles, ausser angepasst. ‹Freunde sind die Familie, die wir uns aussuchen›, lautet ein altes Sprichwort. Die Luzerner Familie Diaz sieht das anders, denn ihre traute Dreisamkeit genügt ihnen vollkommen.

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ynthia und Arturo Diaz kennt man in Luzern durch ihre Kunstprojekte und Arturos Performances sowie den gemeinsamen Second-Hand-Laden ‹Tabasco›, den sie fünf Jahre lang zusammen führten. Seit der Geburt ihres Sohnes Amerigo sitzen die beiden allerdings lieber im Kinderzimmer als in verrauchten Kellerclubs und Theatern. Ausserdem beansprucht Synthias Schulabschluss, den sie momentan nach der Arbeit als Pflegemitarbeiterin nachholt, viel Zeit. Und wie alles in ihrem Leben teilen die beiden sogar die abendliche Paukerei miteinander. Generell scheint es, als gäbe es Arturo, Synthia und Amerigo nur im Dreierpack, was Arturo und Synthia denn auch bildlich in ihren Tattoos zum Ausdruck bringen wollten: ‹Die oberen Symbole stehen für unsere Sternzeichen, der Kreis mit dem Punkt in der Mitte bedeutet, dass wir seit der Geburt Amerigos das Zentrum des Lebens erreicht haben›, erzählt Synthia, während Arturo bereits Skizzen für weiteren gemeinsamen Körperschmuck präsentiert. Darauf sind drei Gesichter zu sehen. ‹Und das hier sind Fruchtbarkeitssymbole›, erklärt Arturo, indem er mit seiner mit schwerem Silberschmuck behangenen Hand auf die Linien der Skizze zeigt. So deutet sich denn auch an, dass die Familienplanung im Hause Diaz abgeschlossen ist, weitere Kinder sind nicht in Aussicht, was Sythia daran erinnert, ihre Pille zu nehmen, die sie gleich darauf mit einem Schluck Espresso runterspült. Während wir in der Küche über Kindererziehung und Familienle40 kinki

ben sprechen, baut der 3-jährige Amerigo im Gang einen Zugtunnel für seine Spielzeugeisenbahn. kinki magazine: Wie hat die Geburt eures Sohnes euer Leben verändert? Seid ihr angepasster geworden dadurch? Synthia: Wir haben früher sicherlich anders gelebt, viel mehr getrunken, auch mal Drogen genommen, waren viel unterwegs. Heute haben wir keine Lust mehr, nächtelang durchzumachen. Arturo: Durch unsere Projekte und Arbeiten beim Sedel oder beim BOA waren wir viel beschäftigt, das hat sich heute natürlich verändert. Allerdings war diese Veränderung ja gewollt, ich trauere diesen Zeiten keineswegs nach. Synthia: Ich fühle mich aber immer noch nicht als Spiessbürger oder Bünzli. Ich war mein Leben lang anders als die meisten Leute und das bin ich immer noch. Mich langweilen zum Beispiel diese ‹Mütterdiskussionen› auf den Spielplätzen enorm, immer dieses ‹Wie alt ist er? Was kann er?›, das widerte mich anfangs extrem an, mittlerweile kann ich besser damit umgehen. Wie wurdet ihr selbst denn erzogen? Arturo: Sehr klassisch, wenn man das so sagen kann. Meine Mutter kümmerte sich um Haushalt und Kinder, Vater brachte das Geld nach Hause, beziehungsweise teilte der Mutter ein Haushaltsbudget zu. Synthia ist etwas anders erzogen worden, das hängt sicherlich auch mit unserem grossen Altersunterschied zusammen. Synthia: Ich wurde in Mexiko ge-

boren und kam mit meiner Mutter im Alter von 3 Jahren in die Schweiz. Ich habe eine sehr liebevolle und enge Erziehung genossen. Eine solch enge Beziehung verbindet auch Arturo, Amerigo und mich. Das mag damit zusammenhängen, dass wir beide nicht gerade über einen sehr grossen Freundeskreis verfügen, obwohl wir viele Leute kennen. Ich gehe eigentlich nie mit einer Freundin etwas trinken oder so, das verstehen viele Leute nicht. Aber ich bin zufrieden so. Wir genügen einander. Doch das stösst irgendwie immer wieder auf Unverständnis. Ihr macht alles zusammen? Arturo: Ja. Es ist ja nicht so, dass wir einander das nicht erlauben würden, aber wir bleiben lieber miteinander zu Hause und trinken ein Glas Wein oder spielen mit Amerigo. Als eine Bekannte letzthin unser Bett sah, wunderte sie sich, wie man zusammen in einem so kleinen Bett schlafen kann (lacht). Wir mögen diese Nähe einfach. Wie sieht denn ein typischer Tag im Hause Diaz aus? Synthia: Die Tage sind eigentlich sehr verschieden, da wir beide unterschiedliche Arbeitszeiten haben. Was aber jeden Morgen gemacht wird, ist der Wohnungsputz. Du siehst ja, dass wir ziemlich viele Sachen in unserer Wohnung haben, doch es ist uns sehr wichtig, dass es hier sauber ist. Auch wenn wir früh aufstehen müssen, nehmen wir uns die Zeit, morgens die Wohnung durchzufegen. Wenn wir um sieben Uhr los müssen, stellen wir den Wecker halt auf fünf Uhr.

Arturo: Dafür wird den Rest des Tages über dann nicht mehr aufgeräumt und abgewaschen. Auf welche Art wird Amerigo in seiner Pubertät wohl mal gegen euch rebellieren? Äusserlich dürfte das ja ziemlich schwierig werden. Arturo: Ich könnte mir vorstellen, dass er es mit Worten tun wird oder bestimmende Züge annehmen wird. Wenn nicht äusserlich, so werden sich diese Prozesse halt wahrscheinlich eher im Verhalten manifestieren. Synthia: Ich war selbst ein ziemlich mühsamer Teenager und habe lange gegen meine Mutter rebelliert. Im Nachhinein weiss ich aber gar nicht wirklich gegen was genau. Bei Amerigo habe ich natürlich die Hoffnung, dass es etwas einfacher wird, weil er ein Junge ist. Ausserdem kenne ich einige Leute in meinem Alter, die als Kinder unangepasster Eltern aufgewachsen sind und scheinbar nie wirklich schlimme Probleme hatten in diesem Alter, weil sie mit ihren Eltern immer offen über alles reden konnten. Ich glaube, so richtig hilflos werden und an meine Grenzen stossen würde ich einfach, wenn er rechtsradikal würde. Die Vorstellung, Amerigo könnte sich einer solchen Gruppierung anschliessen, ist wahrscheinlich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Synthia (32), Arturo (55) und Amerigo (3) Diaz leben in Luzern. Bei der Frage, wer im Hause Diaz die Hosen anhabe, können sie sich nicht wirklich einigen und diskutieren heftig. Klar ist allerdings Amerigos Traumberuf: er möchte gerne Skispringer werden! Text und Interview: Rainer Brenner Foto: Daniel Tischler


‹Wir genügen einander. Doch das stösst ­ir­gendwie immer wieder auf Un­ verständnis.›

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‹zehn minuten mit› Zeitgenossen und Weltbürgern. Mary   -  Adair Macaire: ‹Ich möchte alte Werte zurückholen.› kinki magazine: Hallo Mary -Adair. Dein Name klingt wie eine Logopädie-Übung für Menschen mit Ausspracheschwierigkeiten. Was haben dir deine Eltern sonst noch mitgegeben? Mary -Adair Macaire: Das ist eine gute Frage von jemandem, der für eine Zeitschrift arbeitet, die nach billiger Schmuddellektüre klingt (lacht). Nein, im Ernst. Ich bin in einem gut behüteten Elternhaus aufgewachsen, in dem Humor und Stil wohldosiert verabreicht wurden. So ist wohl mein Name entstanden. Darüber hinaus haben mich meine Eltern mit den Werten unserer Gesellschaft – wie etwa Verantwortungsbewusstsein – vertraut gemacht, für was ich ihnen sehr dankbar bin.

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ondon im noch warmen Spätherbst 2009. Vor mir sitzt eine elegant gekleidete Dame von unschätzbarem Alter mit einem dauerhaft verschmitzten Lächeln. Die Amerikanerin Mary - Adair Macaire ist so etwas wie ein edler Ritter in goldener Rüstung. Ein Engel des Business - Plans und eine Heldin unter den Zahlen-Jongleuren. Ihr ist es zu verdanken, dass ein Modelabel weniger dem bösen Wolf namens Finanzkrise zum Opfer fiel. Mary -Adair verliess nach 22 Jahren den Marketing-Stab der französischen Luxusmarke Chanel, um im September 2008 zum Label ‹Pringle of Scotland› überzuwechseln und dem ange-

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staubten Image der Firma Dampf zu machen. Noch kurz vor Macaires Stellenantritt musste das Label seine Fabrik in Schottland schliessen und hatte einige herbe Umsatzeinbussen zu verbuchen. Mary Adair Macaire befreite Pringle of Scotland vom faden Beigeschmack des Golfsports und ähnlich staubigen Assoziationen und führte es in die Welt der Premium - Labels ein. Wer ganz oben, also bei Chanel war, muss einen guten Grund haben, sich einer solchen Herausforderung zu stellen. Warum in der Welt der Luxusbekleidung traditionelle Werte höher stehen als schnelles Geldverdienen, erfahre ich von Mary -Adair, die mich schon längst um ihre schlanken Finger gewickelt hat.

Sind es diese Werte, die dich dazu bewogen haben, einer weltweit renommierten Marke den Rücken zu kehren und dich einem kleinen traditionsreichen Label zuzuwenden? ‹Pringle of Scotland› steht für Qualität, Bodenständigkeit und ehrliche Produkte. In einer Welt, in der Schein und Sein sehr dicht beieinander liegen, hat es mich sehr gereizt, die traditionelle Ausrichtung des Labels zu stärken und an die sich rasch ändernden Bedingungen im Weltmarkt anzupassen. Du sprichst die Finanzkrise an? Ja. In Zeiten der grössten Unsicherheit streben die Menschen nach Werten, auf die sie sich verlassen können. ‹Pringle of Scotland› ist gewissermassen der Erfinder der modernen Strickware, dabei spielen Handwerk und Materialien eine wichtige Rolle. Die Menschen wollen in Dinge investieren, die Beständigkeit und Qualität versprechen.

Von Beständigkeit kann man aber in diesem Fall ja wohl nicht sprechen. Schliesslich habt ihr gerade eure letzte Manufaktur in Schottland geschlossen. Ausserdem wurde die Firma bereits im Jahre 2000 von der Hongkonger Textilmogulfamilie Fang gekauft. Das war alles vor meiner Zeit. Ich möchte jetzt die alten Werte ins Unternehmen zurückholen und ‹Pringle of Scotland› zu dem machen, für was es schon seit seiner Gründung steht: schottische Qualitätsprodukte – jetzt aber mit internationaler Ausrichtung und Up-to-Date-Design. Habt ihr deshalb auch schottische Testimonials wie den renommierten Illustratoren David Shrigley oder Tilda Swinton unter Vertrag? Genau. Es ist mir wichtig, das Profil des Labels zu schärfen. Das geht nur mit glaubwürdigen und vor allem schottischen Persönlichkeiten. Und Tilda ist die Personifizierung der Label-Idee: sie ist schön, klug und schottisch. Text und Interview: Anja Mikula und Matthias Straub Foto: Promo



Klänge aus dem Keller

Basement Pop: so lautet die Selbstkategorisierung der kanadischen Band ‹Dragonette›. Freilich spielen sie ihre Musik auch überirdisch, touren damit durch die Welt und halten sich gerade so über Wasser – könnten aber noch hoch hinaus schiessen! Text und Interview: Florence Ritter

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hicago, New York, Washington D.C., San Francisco, Paris, Ber­ lin, London, Madrid, Sydney, Perth sind nur einige der Städ­ te, die von der munteren kana­ dischen Truppe Dragonette in den letzten Wochen heimge­ sucht und bespielt wurden oder es in den nächs­ ten Wochen noch werden. Miefige Kellerbars, Indie Locations, hippe Konzertsäle und Cafés: die Drei­Mann­und­eine­Frau­Band aus Toronto zieht ihre Kreise durch den Untergrund – und das über drei Kontinente hinweg! Im MySpace­ Zeitalter sind es nicht mehr nur die grossen Stars, die mit Tourbus und Entourage um die Welt ziehen, sondern auch die kleineren Bands, die mit Easyjet über den Planeten jagen. Ob­ wohl sich Dragonette in London niedergelassen haben, führen sie ein Nomadenleben: ‹Wir le­ ben noch in London, aber wir waren schon seit zwei Monaten nicht mehr dort, es fühlt sich so an, als würden wir nirgends wohnen. Vermutlich wird das noch für die nächsten acht Monate oder gar das ganze nächste Jahr so sein›, verrät mir die Sängerin Martina Sorbara.

About the video Aber nochmals von vorne: Als wir Martina Sor­ bara im Frühsommer dieses Jahres mit dem französischen Housekünstler Martin Solveig und mit Jean Paul Gaultier (samt dessen Klei­ dung) im Videoclip ‹Boys & Girls› entdeckten, waren wir hin und weg von der adretten Sänge­ rin. Voll amüsanter Coolness und mit bewusst linkischer Choreographie wirbeln Martin und Martina im Clip fesch gekleidet durch die Gar­ deroben des französischen Designers. Wer in diesem Moment, videoignorant, mit Gedanken an ein Fashionpüppchen oder an House­Musik spielt, kann beide sogleich erleichtert verwer­ fen. Das Lied klingt nach angenehmer, leicht­ verdaulicher Popkost, und bei dem Auftritt han­ delte es sich lediglich um ein Gastspiel der Lead­Sängerin.

About the beginnings Dragonette formierten sich im Jahre 2005 um die Singer­Songwriterin und zählen heute den Produzenten und Bassisten Dan Kurtz, den Gi­ 44 kinki

tarristen Chris Hugget sowie den Schlagzeuger Joel Stouffer zu ihren Bandmitgliedern. Blinzeln wir noch weiter nach hinten, bis an die Ursprün­ ge von Dragonette, dann passt der erwähnte Kollabo­Song ‹Boys & Girls› eigentlich ganz gut zur Bandgeschichte. So heisst es in der offiziel­ len Bandbiografie: ‹God created the earth. Boy (Dan Kurtz) meets Girl (Martina Sorbara). Boy marries Girl. Boy and Girl make a demo in their basement called ‹‹I Get Around››.› Und so fährt die Biografie heiter mit Stichworten und Ellip­ sen fort, bis auch Joel und später Chris, als Gitarrist in der Zweitbesetzung, den Jungen und das Mädchen zur heutigen Konstellation von Dragonette ergänzen. Ihre Musik beschreibt Martina im Interview als ‹Basement Pop›: ‹Das ist hausgemachte Popmusik, die du in deinem Keller produzierst anstatt in einem Studio mit 45 Leuten, die alle ihren Senf dazugeben.› Mir drängt sich der Begriff Electropop mit einem leichten Folkein­ schlag auf, letzteren bringt Martina sicherlich aus ihrer früheren Karriere als Soloartistin mit


Frische Luft aus dem Untergrund? Dragonette erklimmen mit ihrem ‹Basement Pop› hoffentlich bald schon die Stufen zum Musikhimmel.

Gitarre ein. Ansonsten ist die Musik dynamisch, bekömmlich und unbeschwert sowie – trotz männlicher Überbesetzung – sehr weiblich: ‹Ich bin nun mal sehr feminin und die Leadstimme von Dragonette. Aber ich denke, es ist offen­ sichtlich, dass wir nicht wie Britney Spears klin­ gen. Wenn man uns nur ein bisschen zuhört, kann man sagen, dass wir aus einer anderen Sparte stammen. Unsere Musik ist tough, ich denke, deshalb ist es auch für die Jungs okay, wenn sie etwas weiblich klingt›, sagt Martina.

About the interview Am Telefon zeigt sich Ehemann Dan – den ich gerade erwische, weil Martina zum verabrede­ ten Termin noch am Baden ist – sehr freundlich, sie selbst ist erfrischend witzig und ironisch; sehr liebenswert. Martina erzählt mir, wonach die beiden, die gemeinsam die Lyrics schreiben, in ihren Texten streben: ‹Du gibst einem Gefühl einen ganz anderen Farbsatz, du suchst kom­ plett andere Wörter anstelle der gewöhnlichen Formulierungen. Die Herausforderung ist, et­ was zu sagen, was den Leuten bekannt ist, es aber so in Worte zu fassen, wie sie es noch nie gehört haben. Ich selbst höre gerne Lyrics, in denen etwas auf eine sehr freche, lustige oder elegante Weise gesagt wird. Die Geschichte an sich muss nicht ausserordentlich oder ver­ rückt sein.› Das muss auch die 80er­Jahre Ikone

Cindy Lauper (oder ihren Manager) überzeugt haben, für die Martina letztes Jahr den Song ‹Grab a Hold› schrieb, der auf Laupers Album erschien. ‹Ich habe keine Ahnung, wie es dazu kam›, meint Martina darauf angesprochen, ‹aber ich fühlte mich sehr geehrt›.

About the tour So ungezwungen ihre Musik, so unverkrampft ihre Antworten: ‹Von Musik zu leben ist für jeden hart, der nicht gerade Beyoncé heisst›, verrät sie. ‹Ich denke, dass das letzte Album sehr gut für uns lief. Unsere Songs wurden auf der gan­ zen Welt gespielt, obwohl wir sie nicht mal ver­ öffentlicht haben, für Bands wie uns bedeutet das aber, dass alle die Songs gratis down­ loaden, womit wir nicht wirklich Geld machen.› Die nicht vorhandenen Verkaufszahlen verraten auch nicht, was sie auf ihrer grossen Tour über­ haupt erwarten wird: ‹Wir waren eigentlich im­ mer sehr ‹‹underground››, ich glaube, dass wir das noch immer sind. Wenn wir auf Tour sind, werden wir sehen, wie sich das entwickelt hat.› So scheint es für kleinere Musikbands im My­ Space­Zeitalter zu laufen. Man besucht fremde Orte und weiss nicht mal, ob die fremden Leute auf einen warten werden oder nicht. Aber im­ merhin kann man sagen, dass Dragonette in den unterschiedlichsten Ecken von drei Konti­ nenten gebucht wurden und sie somit der Ge­

schichte von ‹Boy and girl meet two boys› noch einige Kapitel anhängen werden.

To the future Auch wir denken, dass Dragonette nach wie vor Liebhaber der Untergrund­Musik beglücken werden, doch spüren wir da gleichzeitig auch viel Potenzial, das sie vielleicht doch irgend­ wann aus dem Untergrund hervorheben wird. Bis dahin sollten wir sie geniessen und sie auf ihrer dreimonatigen Tour aufsuchen, die bis Weihnachten dauert, wo sie laut Martina sicher alle ‹zu ekligen Tieren mutiert sein werden›. Wo­ rauf sie ironisch anfügt: ‹Nur ich und sieben dreckige, stinkige Jungs auf Tour. Fuuun!› Das ganze Interview mit Martina Sobara könnt ihr auf kinkimag.com/magazin nach­ lesen. Weitere Info unter dragonette.com. Fotos: Leo Cackett, Hervas & Archer (Revista Overground)

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Honey in the Sun

Die Musik von Camera Obscura klingt nach frisch gewaschenen Dau­ nenbetten und grünen Frühlingswiesen. Zuckersüsser Pop aus Schottland. Aber die Frontfrau ist überhaupt nicht aus Zucker – mit rauchiger Stimme, die man bei ihrem Gesang kaum vermutet hätte, erzählt Tracyanne Campbell im Interview von der Plattensammlung ihrer Grossmutter und dem Baden in fremden Badewannen. Interview: Miriam Suter kinki magazine: Warum nennt ihr euch Came­ ra Obscura? Tracyanne Campbell: Wir kamen darauf, weil dieses Vorläufermodell der modernen Ka­mera damals in Edinburgh eine richtige Touris­ tenattraktion war. Ich denke, wir wollten, dass uns die Leute auch als Attraktion ansehen.

noch nicht wirklich dazu bereit, mit der Musik mein Innerstes zu zeigen, aber es fühlt sich gut an, sich mit dem Schreiben von Zeit zu Zeit etwas Luft zu machen. Schlussendlich ist es allerdings immer noch ein Popsong und die Leute sollen einfach nur Spass damit haben.

Euer Stil ist schwer einzuordnen. Wie würdest du ihn selber beschreiben? Das ist eine ziemlich schwierige Frage. Am besten trifft es wohl ‹Melodic Pop›. Wir legen viel Herzblut in unsere Musik und wurden im­ mer wieder in diverse Schubladen gepresst. Am meisten respektieren wir das Songwri­ ting, wir lassen uns aber auch viel von Count­ ry inspirieren, von Leuten wie Carol King oder Johnny Cash. Wir halten uns nicht an ir­ gendwelche Regeln, sagen nicht, ein Song muss so und so klingen. Ich denke, Melodic Pop ist keinesfalls nur den Boy- und Girl­ groups vorbehalten. Jeder interpretiert Pop anders und das ist das Schöne daran.

Was magst du am meisten, wenn ihr auf Tour seid? Es ist toll zu wissen, dass die Band an so vielen verschiedenen Orten Fans hat. Am

Kannst du dich noch an deine erste CD erinnern? Ja. Das war ‹Why Do Fools Fall in Love› von Diana Ross. Ich war ungefähr sieben Jahre alt, als mich meine Mutter in den Plattenladen mitgenommen hat. Bist du mit Musik aufgewachsen? Meine Mutter und mein Stiefvater haben ­immer viel Musik gehört, vor allem viel 80erPopmusik wie Queen oder Roxy Music. Meine Grossmutter besass eine enorme Vi­ nyl­s ammlung, während meine Mutter nur Tapes zu Hause hatte. Oma hatte viel alten Country, Nancy Sinatra und Jimmy Queen. Mir stand also eine sehr gute Mischung zum Reinhören zur Verfügung. Eure Songs handeln oft von Herzschmerz. Schreibst du die Texte über deine eigenen Er­ lebnisse? Manchmal. Aber die Leute sollen bloss nicht glauben, dass in der Popmusik jedes Wort persönlich zu verstehen ist. Ich fühle mich 46 kinki

‹Ich vermisse ein­ fache Dinge, wie ein Bad zu nehmen oder einfach spazie­ ren zu gehen.› schönsten ist es, andere Länder kennen­ zulernen, wo man sonst nicht hinkäme. Zum ­Beispiel war ich noch nie in der Schweiz, das ist mein erstes Mal hier. Und gefällt es dir hier? Naja, ich habe bis jetzt erst den Club (Anm. d. Red.: Das Zürcher Abart, wo Tracyanne nach unserem Gespräch auftreten wird.) und diesen Raum hier gesehen. Ich kann also noch nicht wirklich sagen, ob ich es mag (grinst). Was findest du am schlimmsten am Touren? Es ist sehr hart, für Monate weg von zu Hau­ se zu sein, mit zehn bis zwölf Leuten immer im gleichen Bus auf engem Raum. Ich vermis­ se einfache Dinge, wie ein Bad zu nehmen oder einfach spazieren zu gehen. Natürlich kann ich im Hotel baden, aber das ist nicht das Gleiche. Ausserdem läuft alles immer nach einem sehr straffen Zeitplan ab, jedoch kann ich mich im Grossen und Ganzen ei­ gentlich nicht beklagen. Natürlich gibt es im­

mer Dinge, die einen stören, aber wenn es wirklich so schlimm wäre, würden wir das Ganze einfach nicht tun. Kannst du in einem Wort beschreiben, was Musik für dich bedeutet? Ganz einfach: Alles. Es ist alles für mich ­geworden. Ich denke, es gibt nichts anderes, was ich lieber machen würde. Inwiefern habt ihr euch seit dem ersten Al­ bum vor vier Jahren verändert? Wir sind definitiv erwachsener und selbst­ bewusster geworden. Natürlich sind wir nicht die selbstbewussteste ‹Show off›-Band der Welt, das ist auch gut so, aber wir haben auf jeden Fall an Glauben an uns selbst ge­ wonnen. Wir sind zufrieden mit dem, was wir geworden sind. Warum machst du überhaupt Musik? Ich habe mich schon immer irgendwie dazu berufen gefühlt, als hätte ich keine andere Wahl. Natürlich hatte ich schon auch andere Möglichkeiten, aber ich habe mich für die Musik entschieden, weil ich gar nicht anders konnte. Manchmal frage ich mich schon, wie alles gekommen wäre, wenn ich etwas ­anderes gemacht hätte. Etwas Normaleres vielleicht, etwas finanziell Sichereres. Aber ich hatte immer das Bedürfnis, mich selber auszudrücken, und der einzige Weg dorthin war für mich die Musik. Ich denke auch häufig daran, was ich ohne Musik tun würde – ich glaube, ich wäre komplett aufgeschmissen! Natürlich würde es trotzdem irgendwie ge­ hen, aber ich bin sehr froh, mir nicht den Kopf darüber zerbrechen zu müssen wie. Foto: Donald Milne

Strenges Auftreten und zuckersüsse Melodien: Camera-Obscura-Frontfrau Tracyanne Campbell (2.v.l.) möchte uns ihr Innerstes noch nicht offenbaren.


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‹playlist› Unsere Lieblings-DJs stellen ihre All Time Favourites vor. DJ Hands Solo 04:04

A Tribe Called Quest: Electric Relaxation Ein Track eines meiner Lieblingsalben, von einer meiner Lieblingsgruppen aller Zeiten. Es hat Jahre gedauert, bis ich Q-Tips Genuschel im Refrain entschlüsseln konnte. Die Tribe Show 1994 in der Roten Fabrik war eines meiner ersten Hip-Hop-Konzerte und gleichzeitig eines der besten, auf dem ich je war. Q-Tip 15 Jahre später noch mal am selben Ort, mit der gleichen Energie zu sehen, brachte mir für knappe 90 Minuten die Magie von Hip Hop zurück.

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Notorious B.I.G.: Ready To Die

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ach den Goldfinger Brothers spielt auch diesen Monat der Name unseres PlaylistDJs auf dessen Hand - und Fingerfertigkeiten an. Eigenschaften, welche er im nächsten Zug allerdings ­(arbeits-)unlustig schon wieder von sich weist. Hands Solo aka Phil Godart verklickert uns auf seiner MySpace-Seite nämlich: ‹Wenn’s nach mir ginge, würde ich nie auch nur einen Finger ­rühren. Ich würd einfach den ganzen Tag zu Hause rumhängen, ­50-mal «Scarface» glotzen, ein TruthahnSandwich verdrücken und rumbumsen.› Doch scheint der gute Herr zwischen Eingeklemmtem und physischen Balzübungen doch die ein oder andere musi­k alische Session eingelegt zu haben, verfügt er doch über geschätzte 5 Gigabyte selbst produzierten Beatmaterials, 50 Mixtape-Releases, 500 Party-Sets und

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Dieser Song rührt mich zu Tränen. Die perfekte Symbiose aus Ghetto Soul und einem Spritzer Funky Blues. Das Arrangement mit seinen unzähligen Breakdowns ist wie ein Kinofilm aufgebaut. Vom melancholisch-depressiven Anfang über den schnelleren, aufständischen Mittelteil und den erlösenden Break der Harfen bis zum dramaturgischen Finale mit den Streichern. Das ist feinster Soul wie aus dem Bilderbuch. Wäre ich nicht weisser als Kreide, würde ich diesen Song auf meiner Beerdigung laufen lassen.

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Der beste MC, den das Mikrofon je hatte. Das Album gehört zu meinen drei LieblingsHip-Hop-Alben aller Zeiten. So ‹street› und doch so eingängig, so lyrisch und doch so ‹feierbar›. Oft vergessen wird dabei, wie genial Puff Daddy dieses ganze Album inklusive Konzept von A bis Z orchestrierte, produzierte und unsterblich machte. Biggie war der Auserwählte, der Grund, wieso ich Anfang der 90er-Jahre im frühen Schamhaaralter einen Bund fürs Leben mit dem Hip Hop schloss.

Anfang der 90er, als lange Haare, Mittelscheitel, Cordhosen und Cardigans modisch der letzte Schrei waren und Seattle musikalisch die Welt regierte, lieferten Pearl Jam eines der grössten Rockalben der letzten 20 Jahre ab. Gitarrenmusik hat mich seither nicht mehr so berührt wie zu Zeiten von ‹Ten›.

04:43

Chic: Everybody Dance

Nas: The World Is Yours

eine weltweit veröffentlichte EP – ein klares Argument gegen die lässig dahingeschmissene MySpace-Phrase, oder sind seine Hände in musikalischer Mission tatsächlich im Alleingang unterwegs? Bestimmt nicht, DJ Hands Solo bastelt unermüdlich und mit innigem Trieb Beats, wie andere Zigis rauchen oder ‹ähm› sagen. Alles andere als Unlust legt er als Resident-DJ mehrerer Clubs hinter den Plattentellern an den Tag oder eher in die Nacht. Stilistisch mixen Solos Hände handverlesene Stücke aus Genres wie zeitgemässem Clubhop, Rap, klassischem R’n’B, Mash Up, Disco Funk, Electro, House, Kuschelsoul und Baby-Makin’-Music – was auch immer man sich unter letz­ terem vorstellen soll – als auditives Gesamtkunstwerk zusammen. Da sind wir mal gespannt, was uns der arbeitswütige Nadelprinz mit den Märchengeschichten auf den Lippen und den verzauberten Händen für eine Top Ten aufbindet!

06:00

Curtis Mayfield: We People Who Are Darker Than Blue

‹Understandable smooth shit, that murderers move with›, eine von Pete Rock produzierte Bombe von einem der besten Rap-Alben aller Zeiten. Nasir Jones schilderte den ‹NY State Of Mind› so detailliert und bilderreich, dass sich sogar 13-Jährige in der Schweiz in die Betonblöcke von Queensbridge versetzt fühlten.

03:20/05:59

Michael Jackson: Rock With You / Don’t Stop Til You Get Enough Ich hätte auch Michaels ganzen Katalog aufzählen können; sich auf einen Tune festzulegen, ist in etwa das Gleiche, wie sein Lieblingskind zu benennen. Die Fusion zwischen MJ und Quincy Jones hat der Menschheit einige der grössten Popsongs der Geschichte beschert. Vergessen ist all dieser Kinder-Chirurgie-SchimpansenKram. König des Pop – unbestritten und für die Ewigkeit. Ruhe in Frieden.

03:56

Marvin Gaye: Let’s Get It On Purer Tonträgersex. Weisst du nicht, wie süss und wunderschön das Leben sein kann? Das ist der Stoff aus dem Sonntagnachmittagsträume sind: ab unter die Decke. Nuff Said!

Pearl Jam: Jeremy

06:35

Als junger Spund gebeutelt von seelenlosen Gehörgangattacken unzähliger Discoterroristen, liess mich dieser Sound bis zu einem gewissen Alter relativ kalt. Heute ist’s das Genre, das mich noch physisch in den Plattenladen treibt. Die Leichtigkeit, mit der Nile Rodgers Hits rausschleuderte, grenzt an Unmenschlichkeit.

03:53/2:39 Slum Village: Players / J. Dilla: Won’t Do

Jay Dee aka J. Dilla nicht in dieser Liste aufzuführen, hätte an Blasphemie gegrenzt. Slum Village traf die Hip-Hop-Gemeinde mit einem unerwarteten linken Haken – dank Beat-Moses J. Dilla. Lächerliches Drum Bounce und Sample Chopping, wie es die Welt nie mehr erleben wird. Oft kopiert und nie erreicht! ‹Won’t Do› ist die Perle auf ‹The Shining› und unterstreicht ein weiteres Mal seine geniale Verarbeitung von Samples. Dilla war einer der einflussreichsten Hip-Hop-Produzenten auf dem Planeten Erde, seinen Katalog mit nur einem Song zu würdigen, ist schlichtweg unmöglich. Mehr zu DJ Hands Solo unter handssolo.net. Text: Florence Ritter und Phil Godart Foto: Nicolas Duc



Sprechgesang aus vollem Herzen

Früher streunten 2Mex und Ceschi durch die Strassen und verkauften ihre selbstbespielten Tapes, heute packen sie eigenhändig ihre ­Vinylplatten und CDs für die zahlreichen Tourneen. Einiges hat sich verändert, vieles blieb bestehen, allem voran: die ­Unabhängigkeit und die Liebe zur Musik. Text und ­Interview: Florence Ritter, Foto: Jonas Kündig

Gitarre statt Ghetto? Ceschi und 2Mex setzen auf experimentelle Hip-Hop-Klänge.

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ndie Rap ist vorbei – so kann man das sehen. Aber auch so, dass es dieses Genre seit Jahren gibt und es nie überbordend bekannt war, sondern unauffällig und unabhängig im Untergrund keimte und brodelte. Und erfahrungsgemäss muss, was nicht vom Mainstream emporgehoben oder von einem Trendgebot erfasst wurde, auch kein Verfallsdatum fürchten. In diesem Sinne ist Independent Rap und Independent Music allgemein gerade ihrer Machart und Verbreitungsweise wegen nie vorbei. Vielmehr hat sich diese verbale Szenesportart samt ihrer Verfechter auf ihrem Subterrain weiterentwickelt und sich dank Musikportalen auch geographisch – stets im Untergrund – ausgedehnt. kinki hat mit zwei Szenegrössen, 2Mex und Ceschi, gesprochen, die – wen wundert’s – hierzulande nur wenigen ein Begriff sind. Das ist bedauerlich, denn die beiden Herren aus den Vereinigten Staaten könnten musikalisch und besonders als Live Acts auch Szenefremden gefallen.

Die Protagonisten 2Mex, das ist Alejandro Ocana, so stämmig wie zwei Mexikaner und ‹Of Mexican Descent›, wie eine seiner Bands heisst. Seine Arme schmücken Tattoos von Tapes, seine Hand ein rotes Herz mit gelber, strahlender Umrandung. Er ist der ältere und bekanntere der beiden Künstler, die mit den deutschen DJs Scientist und Playpad Circus von Equinox Records auf Europatour sind. Er stammt aus L.A., der Drehscheibe dieser Szene, und vertritt den klassischeren Rap, den er über melodische Beats von Freunden legt. Seit Jahren verliert er sich der Musik willen in unzähligen Kollaborationen und bringt sich in zahlreichen Bandformationen ein, die meist aus der Szene sind, wie zum Beispiel ‹The Visionairies›, aber auch mal darüber hinausreichen, wie zum Beispiel die ‹Look Daggers›, bei denen Ikey Owens von ‹Mars Volta› mitspielt. Auch Ceschi Ramos tanzt auf verschie­ denen Bühnen, die da Genres heissen: ‹expe­ rimental post-psych-rock-hop-jazz-fusion› (die Beschreibung seiner Band ‹Anonymous Inc.›), Rap, Folk und Singer-Songwriting. Mit seiner Gitarre und nur vier Fingern an der rechten Hand zaubert er Songs aus dem Stehgreif. Er ist der geborene Singer-Songwriter, der Rap als weiteres Instrument begreift, das er einzigartig in seine eindringlichen Folklieder einfügt. Auch seine Bandmachenschaften sind zahlreich und führten kürzlich zur Gründung des eigenen Labels ‹Fake Four›, das seine und seiner Freunde Musik in die Welt tragen soll.

Die Szene Beide Musiker gehören zu den kompromisslosesten Vertretern der Untergrund-Bewegung, die sich – während andere Musiker Familien gründeten oder einen gutbezahlten Job annahmen – nach wie vor ganz der Musik verschrieben haben. Betrachtet man ihren Weg und den ihrer Subkultur genauer, kommt man nicht umhin, diese Szene als authentisch, wenn nicht sogar ‹real› zu bezeichnen. Hier wird Musik pro-

duziert, weil sie für ihre Macher die Welt bedeutet. Es wird aus eigener Organisationskraft getourt, die Daten werden selbst mit der Agenda abgeglichen, die Aufnahmen auch mal eigenhändig gebrannt, beschriftet und verteilt. In der Independent Musikszene bleiben die grossen Plattenlabels aussen vor und somit das bevormundetet Promo-Leben und das grosse Geld auf der Strecke. Die Bekanntheit dehnt sich nur im kleinen Rahmen aus, folglich kennen sich auch die Akteure der Szene, kollaborieren und unterstützen sich gegenseitig über Kontinentgrenzen hinweg. Allesamt werkeln sie im Schatten der geldtreibenden Mainstream-Musikmaschinerie an ihren D.I.Y.-Karrieren, bewahren sich dafür die Freiheit und auch die Passion für die Musik. kinki magazine: Könnt ihr als Independent Artists von eurer Musik leben? 2Mex: Für mich ist es ungefähr der zehnte Geburtstag, ich kann sagen, dass ich mich seit zehn, elf Jahren mit Hip Hop gerade so über Wasser halten kann. Ceschi: Ich habe meinen letzten Job als Grundschullehrer 2005 aufgegeben, das sind jetzt vier Jahre. Jedoch ‹hustle› ich immer noch kleine Jobs nebenbei, was immer mir in die Hände fällt. Aber meine Hauptbeschäftigung ist die Musik. Was ist vom finanziellen Aspekt her wichtiger: die Shows oder die Aufnahmen? 2Mex: ‹The shows pay.› In der heutigen Ära des Downloadens verkaufst du weniger Tonträger, dafür hast du mehr Fans. Ceschi: Die Performance bringt die Kohle, eindeutig! Worum ging es euch, als ihr mit dem Musikmachen begonnen habt? 2Mex: Am Anfang hast du Träume, du möchtest Hip Hop machen, weil du diese Musik hörst und liebst und gross rauskommen willst. Ich ging mit Will.i.am von den Black Eyed Peas und mit dem Rapper Ahmad, der in den USA sehr bekannt war, zur Highschool. Ich sah meine Freunde in jungem Alter erfolgreich werden, also dachte ich nie, dass es nicht möglich wäre, selbst bekannt zu werden. Niemand sagte mir: ‹Du kannst das nicht. Du kannst nicht so erfolgreich sein!› Während all den Jahren wollte ich von einem grossen Label unter Vertrag genommen werden, schlussendlich war aber die Reise, die zu diesem Ziel führen sollte, der schöne Part: die Tourneen mit den Visionairies, das Spielen, die Aufnahmen, der Kontakt zu den Fans. Jetzt, da ich älter bin, habe ich das verstanden, nun geniesse ich die Reise. Ich geniesse es, Konzerte zu geben und meine Musik rauszubringen, ich mache mir nichts mehr aus dem Fernsehen und dem Radio. Das Ziel habe ich für mich bereits erreicht. Ceschi: Da ich jünger bin, waren die Umstände bei mir anders. Als ich mit der Musik begann, sah ich Typen wie Alex (2Mex), die sich als Künstler bereits in der Untergrundszene etabliert hatten. Ich wollte niemals bei einem Major Label sein, mein Traum war es, von

meiner Musik leben zu können. Einfach machen zu können, was ich will. Das hat sich nicht verändert. Und wie würdest du deine Musik beschreiben? Ceschi: Ich arbeite zurzeit mit DJ Scientist von Equinox Records aus Berlin zusammen, wir teilen diese Liebe für psychedelischen Rock, wir machen ein Album zwischen Hip Hop und Folk. Das ist grundsätzlich das Ding, was ich mache: ich mische Folk und Hip Hop mit Songwriting. Ich habe immer beides gemacht, seit meinem achten Lebensjahr rappe ich und schreibe Songs. 1981 bin ich geboren, mit fünf hörte ich schon Rap. Und diese Typen wie Alex und einige andere Rapper, zu denen ich hochschaute, die waren sozusagen die Basis, sie bildeten eine Art D.I.Y.-Indie-Szene, das machte es auch für mich und meine Generation einfacher. Hat sich eure Karriere oder wie ihr die Musik zu den Leuten bringt mit dem Internet und dem Downloaden verändert? 2Mex: Ich denke schon. Die ganze Musikindustrie ist kollabiert, viele Leute hingen an der Klippe und sind schliesslich abgestürzt. Wir waren glücklicherweise von Beginn an unabhängig. Ich verkaufte noch Kassetten in den Strassen. Ceschi: Ich auch! 2Mex: Ich denke, weil die ganze Industrie wieder zum Untergrund, zur Basis zurückkehr­te, waren wir schon etwas vorbereitet, weil wir nie in grossem Ausmass die Medien der Musikindustrie genützt haben. Wir haben das Glück, dass wir – egal, wie viele Jahre vergehen – auf eine bestän­ dige Anzahl an Hörern zählen können. Wir waren nie ganz oben und konnten auch nicht herunterfallen. Der Ausklang des Luzerner Konzerts am 10. Ok­ tober 2009 bestätigt unsere These über Indie Rap: nach dem fulminanten Gig voller vokalem und physischen Einsatz betteln die Fans um eine Zugabe, worauf Ceschi seine Gitarre packt und draussen, um zwei Uhr nachts, im T-Shirt am Boden sitzend ein Zusatzkonzert gibt. Un­er­ müdlich singt er a cappella Lieder, die er als ‹this will be the longest song ever› anpreist, 2Mex begleitet ihn zwischendurch rappend, und die um sie versammelte Menschentraube kann sich vor Freude und Glückseligkeit kaum mehr einkriegen – Independent Rap Music lebt! Das Interview in voller Länge findet ihr auf kinkimag.com/magazin. Mehr Informationen zu den Künstlern gibt es auf: myspace.com/2mex myspace.com/ceschiramos equinoxrecords.com

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Globalisierung mit Bass

Stellt euch vor, es gibt endlich gute Clubmusik und keiner merkt’s! ‹Whirled Music› übernimmt schleichend die Herrschaft in den Clubs und sorgt für ein nie dagewesenes Feeling auf dem Dancefloor. Die ‹Nu World Music› wird definitiv die nächste grosse Sache im Schweizer Nachtleben. Also, Baile! Baile! Cuz big Tings a gwaan… Text: Raphael Spiess

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ürde ich dem Musiksozio­ logen und Harvard Profes­ sor Tim Brennan Glauben schenken, der dereinst be­hauptete ‹World Music does not exist – Bottom Line!›, wäre dieser Artikel bereits hier wieder zu Ende und der restliche Platz frei für beispielsweise Zahnseidewerbung. World Music ist aber eben nicht gleich World Music, weshalb es doch ein paar Zeilen mehr als nur ein ‹Copy/Paste-Zitat› zu schreiben gibt und Leser mit Mundfäule doch besser gleich ei­ nen Arzt aufsuchen…

Von Brasilien nach Angola und von der Innerschweiz bis zum Südpol Dass in Luzern die Erde bebt, wussten aufmerk­ same kinki Leser bereits, als wir über die Aufhe­ bung des Tanzverbotes berichteten. Für Nach­ beben mit mindestens den gleichen Werten auf der Richterskala sorgt in diesem Jahr aber der Verein ‹Korsett›, der eine neue Eventserie die Wände raufgezogen hat und bei welcher selbst dem Papst die Hose spannt! Die Rede ist von Global Ghetto Anthems und ‹global› sind hier eben nicht nur die musikali­ schen Gäste, sondern auch Idee und Konzept dahinter. Diese monatliche Serie, konzipiert und residiert von den Hood Regulators, fördert so­ wohl den Zugang zu ‹Nu World Music› fürs brei­ te Publikum als auch die Diskussion über eben dieses Genre. Die musikalische Bandbreite ist in jede Richtung offen, gespielt wird Mucke, die dem Prinzip der ‹Glokalisierung› folgt. Globale Inputs werden vermengt und mit Lokalkolorit versehen. Die musikalische Schnittmenge dar­ aus ergibt eine Vielzahl komplett neuer Sound­ stile, die seit Ende September monatlich durch den Südpol Club in Luzern hämmern und selbst die Amischen zucken lassen, als hätten sie end­ lich mal mit Strom zu tun gehabt. Sei es brasili­ 52

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anischer Bailefunk, angolanischer Ku­ duro oder mexikanischer Cumbia – diese frischen Sounds müssen und werden in den Clubs Einzug hal­ ten und jeden Besucher mitreis­ sen. Vergangene Veranstaltungen haben dies bereits ein­drücklich gezeigt. Gäste wie bei­ spielsweise die mexikani­ sche Produzentenlegen­ de Toy Selectah oder das Berner RemixWunder ‹Wildlife!› haben bewiesen, dass auch Sound ohne vermeintliche Reiseambitionen in unse­ rer eurozentristischen Welt Erfolge feiern kann. Toy Se­ lectah ist hierfür das beste Beispiel. Sein neuestes Kind, die EP ‹Mexmore› war in der westlichen Blogosphäre ‹der› Dauerbrenner und verschaffte ihm grossen Respekt wichtiger Musikschaffender. Der Mitbe­ gründer der ‹Nueva Cumbia›Szene und eines der Aus­ hängeschilder des aufstreben­den Labels ‹Mad Decent› versteht es, sowohl autochthone Ele­mente sei­ner Heimat Me­ xiko als auch kari­ bische Klänge in seine Pro­duk­tio­ nen einflies­sen zu lassen und so seinen ganz eige­ nen Hybriden zu kreieren. Ein weite­ res treffendes Bei­ spiel dafür stellt auch Daniel Haaksman, seines Zeichens DJ, Produzent und Labelchef von ‹MAN Recordings› dar, der im Dezember ebenfalls an der Global Ghetto An­ thems zu Gast sein wird. Verantwortlich für den


Bailefunk-Hype in Europa, kennt er die Szene in Rio de Janeiro, der Wiege dieses Sounds, sehr genau und versteht es, diese Art von World Music an europäische Verhält­ nisse anzupassen.

One whirled World Aber eben genau diese Vorge­ hensweise ist für den bereits erwähnten Musiksoziologen Tim Brennan der Stein des Anstos­ ses. Er wirft dem Westen Igno­ ranz vor, beispielsweise sei der hier gefeierte Baile Funk eine billi­ ge Imitation von Techno-Produ­ zenten und basiere überhaupt nicht auf den traditionellen Wur­ zeln der Musik. Der Mann hat nicht Unrecht, es gilt hier nun allerdings zu unterscheiden! So ist zu trennen zwischen dem romantischen, aber äusserst klischeebehafteten Term ‹World Music› und eben dem neuen Ding, das die Hood Regu­ lators eben die Global Ghetto Anthems nennen. Anderswo wird dieser Hybrid als Whirled Music, Tropical oder Ghettotech beti­ telt. What-ever-thefuck-u-call-it – die Grundidee da­ hinter bleibt im­ mer dieselbe! In Zeiten, wo sich Veran­ stalter und Eventpromoter mit lustlosen Ideen fortwäh­ rend selbst übertreffen und es so scheint, als schreie der menschliche Geschmack vor lauter herz- und lustlos produ­ zierter Computer-Mucke sowie einer Unterhaltungsmaschinerie, die finanzielle Einnahmen weit vor Kreativität taxiert, ist es eben von absoluter Notwendigkeit, das Beste aus der Musik zu holen. Und Musik gibt es ja bekanntlich überall auf dem Globus, nicht nur auf MTV! Genau die­ sem Vorgehen folgt die Eventserie Global Ghetto Anthems, ganz mottogetreu eben: ‹Musica para o mundo inteiro› – Musik für die ganze Welt. Dieser Slogan mag zwar nicht gera­ de ‹der› Eyecatcher sein, trifft die Grundidee dieser Serie aber haarscharf auf den Punkt. Auch der durchaus provokative Titel der Event­ reihe vermag eher an einen interkontinentalen Gangfight als an eine Party mit der verdammt noch mal tanzbarsten Mucke seit der ‹Super­ perforator-Werbung› zu erinnern, die Macher sind sich dessen aber absolut bewusst. Provo­ kation sei ein legitimes Werbemittel heisst es im O-Ton, es soll allerdings ein gesundes Bewusst­ sein von musikalischer Gesinnung und politi­ schen Umständen vermittelt werden. Man ist sich durchaus im Klaren darüber, dass die Zu­ stände in den Herkunftsländern des jeweiligen

Genres (sprich: den Dritte-­Welt-Ländern) teil­ weise prekär sind, trotzdem und eben genau deshalb soll die Musik im Vordergrund stehen und die vorhandene Lebensfreude der Bewoh­ ner vermitteln. Als Vorbild diesbezüglich gilt auch die Münchner Schlachthofbronx, die ebenfalls be­ reits an den Global Ghetto Anthems zu Gast war. Seit ihrem gleichnamigen Album-Release gel­ ten die beiden DJs und Produzenten als wahre Shootingstars rund um Whirled Music. Treffen­ derweise nennen sie ihren Output ‹Bavarian Crunk› respektive ‹Bavarian Bass› und waren dieses Jahr mit mehreren Relases und etlichen Remixes äusserst produktiv. Durch einige Boo­ kings in Südafrika und ihrer engagierten Zusam­ menarbeit mit südafrikanischen Produzenten und Rappern konnten sie einiges an Erfahrung sammeln und bringen die Sache auf den Punkt: ‹Menschen in weniger wohlhabenden Situatio­ nen oder gar politisch instabilen Regionen ver­ suchen mit Hilfe der Musik, ihre persönliche Si­ tuation zu verarbeiten oder gar zu verbessern. Sie soll verbinden und zu besserem Verständnis aufrufen.› Und weil eben diese neue musikali­ sche Bewegung in jede Richtung funktioniert, rücken Völker und deren Musik zusammen, wo­ durch neue Sounds entstehen. Die Hood Regu­ lators haben beispielsweise erst kürzlich einen arabischen Dabke-Remix veröffentlicht, weitere werden folgen. Ein Besuch an der Global Ghet­ to Anthems lohnt sich also, weil raven eben auch mit Buschtrommeln und Berimbau funktio­ niert und billige Plastik-Synthi-Lines ohnehin last season sind… Weitere Info unter: korsettkollektiv.com Die nächsten Events in diesem Jahr: 28.11.09 – Tomb Crew (UK), Hood Regulators (CH) 19.12.09 – DJ Daniel Haaksman (DE), Hood Regulators (CH) Illustration: Raffinerie

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‹soundcheck› Nach diesen Scheiben wirst du süchtig. ‹Musik ist meine Religion›, beschrieb Jimi Hendrix dereinst seine Beziehung zur klingenden Kunst. Und da wir uns sicher sind, dass diese Einstellung auch heute noch viele Apostel mit ihm teilen, geben wir uns diesen Monat mal wieder so fundamentalistisch wie’s geht und stellen euch im Folgenden die wichtigsten fünf Liturgien des Monats vor. Gepredigt wird auch in dieser Nummer wieder von Flo Hennefarth, seines Zeichens Oberstvikar der Beats und graue Eminenz des Rock ’n’ Roll!

Für den Moment der Offen­barung

Biffy Clyro: Only Revolutions

Indie ist tot. Viel zu lange haben sich seine Parasiten an ihm genährt, ihm das letzte Quäntchen Leben ausgelutscht, nur um ihn danach vor sich hin verwesen zu lassen. Ob Biffy Clyro dann so was wie Gitarre spielende Zombies sind oder vielleicht heilerische Kräfte haben, sei jetzt einfach mal dahin­ gestellt. Eines zumindest gelingt dem schottischen Dreier wie schon lange keiner Band mehr: sie hauchen dem Indierock neues Leben ein und lassen endlich mal wieder so etwas wie Hoffnung aufkeimen. Hoffnung auf grosse Veränderung, Hoffnung auf grosse Momente, Hoffnung auf grosse Musik. Mut, das haben Biffy Clyro 54 kinki

schon immer bewiesen. Welche Band kann es sich schon erlauben, einen Tick wie das ‹Nichtveröffentlichen von Singles› zu haben? Oder zwischen Progrock, Alternativepop und Postindie hinund herzuspringen, wie es einem gerade in den Sinn kommt? Das bärtige Trio ist eben nicht normal. Nicht nur in Sachen Live-­ Performance, wenn die Buben halb nackend die Bühne stürmen und keine Minute mehr stillstehen, sondern auch musikalisch. Bei keiner anderen Band fügen sich Charttauglichkeit und musika­ lischer Anspruch so homogen zusammen, wie es auf Biffys neuer Scheibe ‹Only Revolutions› der Fall ist. Bläser, Streicher, Chöre, zerrende Bässe, irrwitzige Riffs, verschobene Takte, hymnenartige Refrains und verfrickelte Melodien, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen. Das macht nicht nur Spass, sondern irgendwie auch Angst. Wie kann es auch sein, dass es doch noch eine Band gibt, die intelligente Rockmusik für die nichts ahnenden Massen schreiben kann? Schliesslich hat man gerade auf diese Offenbarung ­gewartet. Doch wie das so ist mit Wundern: wenn sie einem wi­ derfahren, will man sie nicht erkennen, und erst Generationen nach einem wissen, welche Grossartig-

keit einen damals heimgesucht hat. Und das liegt nicht nur am jesusartigen Aussehen von Frontmann Simon Neil.

Für schizophrenen Safer-Sex

Say Anything: Say Anything

Na, schon mal was von Say Anything gehört? Nein? Dann schämt euch! Der kalifornische Sechserpack ist nämlich nicht erst seit gestern der US-Geheimtipp überhaupt. Vielmehr avanciert die Band derzeit zum absoluten Kult. Liegt zum einen an den regel­recht schizophrenen Texten von Sänger Max Bemis, der sich schon seit einigen Jahren mit einer bi­ polaren Störung rumplagen muss,

zum anderen an der Tatsache, dass Say Anything ein paar der besten Songwriter Amerikas um sich versammelt haben. Schubladendenken kann man beim vierten Langspieler der ­t alentierten ­Burschen getrost vergessen. Elektronische Spielereien werden da ­gekonnt mit amerikanischem Folk gemischt, punkhafte Riffs werden durch gelegentliche Sprecheinlagen durchpflügt und am Ende klingt das alles ein wenig nach Indie. Was das alles soll? Das ­wissen die Herrschaften aus dem San Francisco Valley selber nicht. Aber das ist auch gut so. Sonst würde man schliess­lich eine der kurzweiligsten Rockbands unserer Zeit verpassen – eigen­ willig, eigenbrödlerisch, eigenartig gut. Einen ganz grossen Einfluss hat aber jedoch Mikrofonartist Max Bemis, der seit kurzer Zeit offiziell einen an der Murmel hat: er singt über Sex, über wenig Sex, über keinen Sex, über Sex mit Frauen, Sex mit sich selbst und manchmal auch einfach nur über Sex. Gelegentlich lässt er noch ein wenig Sozialkritik mit einfliessen und kreiert so Songs, denen man endlich mal wieder ‹zuhören› möchte – so schräg das alles auch klingt. Da kann man sich dann auch den Therapeuten sparen.


Beim Spaziergang durchs Ghetto

Blitz The Ambassador: Goodbye Stereotype

Also ich weiss nicht, wie es euch geht, aber mir geht Rap richtig derbe auf die Nüsse: niemand der sogenannten Gangster ist in ­einer Gang, keiner vercheckt Crack an der Strassenecke und eine Nutte hat der Reimer von heute höchstens noch als Kunde zu ­sehen bekommen. Ganz schön traurig, war doch Rap einmal eine ­politische Bewegung, ein Strom der Freidenker und Kanal für schwarze Unzufrie-

denheit. Heute ist es nur noch ein Marketingtool, um den White Trash einzusacken und vielleicht noch ein paar schwarze Collegeboys ins Boot zu locken, die genug davon haben, dass Daddy als Zahnarzt einen Haufen Asche verdient und nicht im tiefergelegten Monte Carlo die Nachbarschaft unsicher macht. Doch jetzt kommt einer, der könnte das ändern: Blitz The Ambassador. Was für einen Rapper recht aristokratisch klingt, darf ruhig so sein, denn Blitz ist ein Prinz unter den gefallenen Königen. Einer, der Rap wieder dort ausgebuddelt hat, wo er ursprünglich herkommt: aus Soul, Blues und Jazz. Heftige Wortkombinationen sind an der Tagesordnung, die Musikbranche und Politik wird bis aufs Letzte entblösst und ‹Goodbye Stereotype› könnte ­sowieso auch gut als Soundtrack zur neuen Shaft-Verfilmung herhalten. Wer genug hat von Mainstream und endlich mal wieder einen Act hören will, der Musik der Musik ­willen schreibt, sollte hier bedenkenlos zugreifen.

art on art.

Auf dem Flug nach Oslo

Annie: Don’t Stop

Der erste Blick. Ich bin verliebt. In eine Stimme. In ein Lächeln. In die kleine Annie aus Norwegen. Süss, sympathisch, bezaubernd, talentiert und wunderschön. Ich könnte eigentlich den ganzen Tag damit verbringen, Attribute zu suchen, die diesem skandinavischen Traum auf zwei anmutigen Beinen auch nur annähernd ­gerecht werden. Doch das mit Abstand Beste an diesem perso­nifi­ zierten Zuckerschock ist ihre ­Musik. Mit einer Mischung aus Elektro und Kitschpop bietet Annie eine echte Alternative zu MadonnaHatern und liefert mit so selten

dämlich unkonventionellen Titeln wie ‹I Know Ur Girlfriend Hates Me› oder ‹My Love Is Better› ein buntes Allerlei der gängigsten Pop-Klischees – und ganz ehrlich: das bringt’s! ‹Scheiss doch drauf›, wird sich das blonde Ding gedacht haben. Wummernde Bum-TschakBeats aus dem PC, Synthie-Linien aus den 90ern und Inspirationen aus den Clubs von heute machen ‹Don’t Stop› zum unkon­ ventionellsten Pop-Album der letzten Monate – und zum herrlich formlosesten obendrein. Style und Understatement hin oder her. Ich sage jetzt einfach auch: Scheiss doch drauf. Wenn es denn passt!? Ich spiele bereits mit dem Gedanken, mich von meiner Frau zu trennen – vielleicht finde ich ja einen Billigflug nach Oslo. Ihr habt noch nicht genug von den leidenschaftlichen Album-Kritiken un­seres ­Reviewnators Florian ­H ennefarth? Dann ­besucht ‹Hennes ­kleinen Musikladen› auf ­kinkimag.com, in welchem unser Flo wöchentlich Neuerscheinungen mit gewohnt unverblümten Kritiken versieht!

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‹album des monats› Von der Redaktion gekürt. Air: Love 2

1.

LOVE:

Nicolas: Das ist ein sehr klassischer Song, bei dem Jean-Benoît singt. Die Keyboards stehen im Vordergrund, das Stück hat viele dieser typischen Air-Akkorde. Fühlt sich an wie ein Song von John Barry. Jean-Benoît: Wir wollten dieses Gefühl nachempfinden, wenn man immer höher klettert, dem Licht entgegen, und sich gleichzeitig etwas melancholisch fühlt. Wie alle Songs von Air ist auch dieser sehr romantisch, eine Huldigung an die Frauen. Wir sehen Frauen immer in einem sehr romantischen, idealisierenden Licht.

Jean-Benoît: Die Liebe ist für uns ein wichtiges Thema. Wir versuchen, alle Aspekte der Liebe auszuloten und zu zeigen. Hier geht es darum, wie wichtig Liebe in unserer technologischen Welt ist.

2.

SING SANG SUNG: Nicolas: Hier singt wieder Jean-Benoît. Der Text ist eher ein Scherz über unregelmässige englische Verben. Jean-Benoît: Die Vibes in dem Song vermitteln, dass alles gut ist. Man kann sein Werk für sich sprechen lassen.

3.

SO LIGHT IS HER FOOTFALL: Nicolas: Inspiriert haben uns Oscar Wilde, Londoner Nebel und Jack the Ripper. Sehr romantisch! Das ist unsere verträumte Vision eines romantischen Englands. Jean-Benoît: Ich glaube, der Titel stammt ursprünglich von Oscar Wilde, es ging um ein Schloss, in dem es spukt. Wir haben den Song um den Titel herum geschaffen.

4.

NIGHT HUNTER:

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ine Reise durchs Universum. Schwerelos und leicht skurril, man weiss nicht genau was ­geschieht, hat den Boden unter den Füssen verloren und lässt sich treiben. So klingt die Musik von Air. Nicolas Godin und Jean-Benoît Dunckel haben ihrer Band einen sehr passenden Namen gegeben. Für sie bedeutet Air ‹Liebe, Fantasie und Traum›. Seit 1995 machen sie zu zweit Musik, davor versuchten sie sich mit Alex Gopher und Etienne de Crécy an Indierock. Bis 1997 schafften es die beiden noch nebenher zu studieren, doch ir­ gendwann erkannten sie zu unser aller Freude, dass sie Architektur und Mathe / Physik auf der Erde zurücklassen und in andere ­Dimensionen abheben sollten. Das abstrakte Denken aber ist in ­ ihren ungewöhnlich verträumt-

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melancholischen Klängen, die hauptsächlich durch alte Analog-­ Synthesizer produziert werden, immer noch zu hören. Nach10-jährigem Bestehen wurden sie vom französischen Kultusminis­terium mit dem ‹Ordre des Arts et des Lettres›, dem Orden der Künste und der Literatur, ausgezeichnet, der Künstlern verliehen wird, die ‹durch ihr Schaffen einen Beitrag zur Ausstrahlung der Küns­te in Frankreich und der Welt› leisten. Dies trifft seit ihrem 1998 erschienenen Debüt ‹Moon Safari› definitiv zu. Ihr ­neues Album ‹Love 2› ist an vielen Stellen ­rockiger als gewohnt, wohl nicht zuletzt dank dem Schlagzeuger Joey Waronker, der viel Zeit mit den beiden in ihrem neuen Studio verbrachte, in dem sie sich sichtlich wohlfühlen: ‹Das ist wie unser eigenes Raumschiff und wir sind die Kommandeure und können fliegen, wohin wir wollen.›

7.

HEAVEN’S LIGHT:

Nicolas: Hier haben wir einfach nur gejammt, dann beschlossen wir, noch eine andere Melodie darüberzulegen, weil es sonst zu sehr wie ein Potpourri geklungen hätte. Jetzt haben wir eine orientalische Melodie mit einem leichten Afrobeat-Feeling darunter. Eine bunte Begegnung der Kulturen. Jean-Benoît: Der Song ist wie ein kleiner Melting Pot, er hat auch etwas von der karibischen Kultur. Es streifen sogar Tiger und Löwen durch den Song.

5.

EAT MY BEAT: Nicolas: Der Song ist wie aus einer dieser Polizei -TV- Serien. Auch dieses Stück entstand bei einem Jam. Ich kaufe jede Menge Keyboards und dann bemühe ich mich, sie auch angemessen zu verwenden, denn was viele heutzutage nicht wissen: jedes hat seinen einzigartigen Klang. Jean-Benoît: Hier ist alles in Eile. Vor allem die Gitarren scheinen es eilig zu haben, und es gelingt uns nicht, sie aufzuhalten.

6.

DO THE JOY: Nicolas: Dies ist unser Öko-Song. Er handelt davon, dass das Ende unseres Planeten kurz bevorsteht und wir uns deswegen möglichst viel amüsieren sollten, ehe alles vorbei ist. Jean-Benoît: Unser heutiges Leben wird von allen möglichen Faktoren bedroht: von unserer Arbeit, unserem Leben, von allem. Es ist wichtig, dass wir glücklich sind und unser Leben geniessen, denn keiner weiss, was morgen sein wird. Vielleicht geht morgen die Welt unter.

8.

AFRICAN VELVET: Nicolas: Der Song basiert auf einem alten Gitarrenriff von uns, den wir bislang noch nicht auf einer Aufnahme untergebracht hatten. Ich wollte dieses Stück ein bisschen ‹rockiger› klingen lassen. Jean-Benoît: Es ist so weich wie Samt. Alles kann samtweich sein. Es ist wunderschön.

9.

MISSING THE LIGHT OF THE DAY: Nicolas: Wir wollten unbedingt diese interessanten Synthesizer-Sounds einbringen. Jean-Benoît: Wir sehnen uns so nach Tageslicht, vor allem im Winter. Das wirkt sich auf die Befindlichkeit aus. Man kann sich aber auch in einem Nachtclub nach dem Tageslicht sehnen!

10.

BE A BEE: Nicolas: Diesen Song spielen wir schon seit einer ganzen Weile bei den Soundchecks. Ich finde das Stück herrlich und liebe seinen Sound: Be A Bee! Jean-Benoît: Es ist ein verrücktes, aber gutes Instrumentalstück. Der Text ist völlig sinnfrei, aber die Musik ist grandios, zum Ausflippen.

11.

YOU CAN TELL: Nicolas: Wenn wir ein Album machen, ist es normalerweise so, dass wir sehr viele langsame Stücke haben und dann noch zusätzlich etwas Schnelleres finden müssen. Diesmal war es anders, wir mussten uns um langsamere Stücke bemühen, und dieses ist eines davon. Jean-Benoît: Es ist eine Art Liebeslied. Eine versteckte Liebe. Oft werden Liebesgefühle verdeckt durch die Dinge in unserem Umfeld. Manchmal muss man die Liebe verbergen, um sie zeigen zu können.

12.

TROPICAL DISEASE: Nicolas: So stellen wir uns Brasilien vor. So eine Art späte 60er - Jahre Tropicalia Brasilien, aber das Stück hat auch Jazz-Reminiszenzen, etwa an Alice Coltrane. Jean-Benoît: Mich erinnert das Stück an Rio de Janeiro. Ich war noch nie da, aber es erinnert mich an das, was ich mir darunter vorstelle.

Air: Love 2 (EMI) ist bereits erschienen. Text: Paula Kohlmann Interview und Foto: EMI



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Hikaru Fever

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‹vive la fragrance› ‹The Bride› goes north

Eine richtige Bandida macht auch vor dem Badschrank des Liebsten nicht Halt! Vor allem wenn sich darin so delikate Düfte wie ‹Bandit› von Robert Piguet finden.

Der Duft ‹Yatagan› von Parfums Caron gehört nicht nur an die starken Handgelenke aufständischer Offiziere, sondern verleiht auch nach Freiheit ringenden Frauenhälsen die passende rebellische Note.

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ch habe Heimweh und Liebeskummer. Beides so richtig heftig, wobei mein neues Domizil Zürich das kleinere Übel ist. Und das mir, wenn ich ehrlich bin, langsam auch ans Herz zu wachsen beginnt. Das andere Übel hingegen, befindet sich noch in Oslo und ist der heutige ‹Toy Boy› meiner ehemals besten Freundin – den Rest hierzu kann man sich wohl denken. Genug Gründe also, um mir letzthin die Verfilmung von Stieg Larssons grandiosem Roman ‹Verblendung› reinzuziehen. Worauf ich voller Bewunderung sagen muss: grosses Kino! Auch wenn die literarische Vorlage viel besser ist. Trotzdem war der Film, einige Bierchen inklusive, das perfekte Remedium: zum einen wegen der nordischen Landschaft – takker gud (Norwegisch für Anfänger: ‹Gott sei Dank›) – zum anderen wegen der Protagonistin Lisbeth Salander, die der absolute Knaller ist und quasi dem Genie von Quentin Tarantino entsprungen sein könnte. Sie ist 24 Jahre alt, klein, spindeldürr, wortkarg und traut niemandem. Sie raucht und flucht, schläft sowohl mit Männern als auch mit Frauen und wirkt trotz Piercings und überdimensionalen Tätowierungen wie ein Kind, was sie jedoch mit ihrem schlagkräftigen Auftreten wieder wettmacht. Ach ja, ausserdem ist Lisbeth hochintelligent und die Queen der Hackercommunity. Und, was mir ganz besonders gut gefällt: Sie rächt

sich an ihrem perversen Vormund und tätowiert ihm ‹Ich bin ein sadistisches Schwein, ein Widerling und Vergewaltiger› auf den Bauch. Lisbeth ist nämlich eine Frau, die sich gegenüber gewalttätigen Männern brutal zur Wehr setzt und der dazu jedes Mittel recht ist. Nun geht es mir jedoch nicht darum, wegen meines gebrochenen Herzens irgendeinen Rachefeldzug oder so etwas in der Art zu starten. Aber ich war am Ende dieses Kinoabends doch irgendwie von Frau Salander inspiriert. Denn auch ich habe nun vor, mir nicht mehr alles gefallen zu lassen. Passenderweise bin ich am Tag darauf auf eine weitere dufte Inspiration zu genanntem Vorsatz gestossen, die mich ab sofort überall hin begleitet: ‹Yatagan› von Parfums Caron (Eau de Toilette, 125 ml um CHF 115.–). 1976 als Herrenduft angelegt und nach den Säbeln der ottomanischen Offiziere benannt, steht dieses Parfüm für die Berge und Hügel Anatoliens, für verwegene Abenteuer wie auch für die Aromen des Mittelmeeres. Und macht sich aufgrund der Mischung von Weihrauch, Minze, Basilikum, Castoreum, Eichenmoos sowie einem Hauch Patchouli ebenfalls ganz wunderbar auf der samtigen Haut einer Frau. Da dieser Duft jedoch vorwiegend an kalten Wintertagen getragen werden soll und Frau auch in wärmeren Zeiten ihren Mann stehen will, rate ich zu einem weiteren genialen Klassiker: dem 1944 von Germaine Cellier für Robert Piguet kreierten ‹Bandit› (Eau de Parfum, 100 ml um CHF 215.–): ein wildes, ledriges Chypreparfüm, das durch seine grünen Kopfnoten über das Herz aus Rose und Jasmin mit einem Hauch Pfeffer versehen auf eine rauchige Basis mit Moschus und Amber trifft. Weshalb es wie für Rebellinnen geschaffen ist, die voller düsterer Dynamik, energetisch, wild und mit Hang zur Dramatik à la Ingmar Bergmann unterwegs sind. Wie Lisbeth Salander eben. Wegen eines gebrochenen Herzens entschloss sich Ex-Haarmodel und Spa-Fetischistin Julie Andersen ihre Heimat Oslo zu verlassen und stattdessen zu ihrer Mutter in die Schweiz zu ziehen, wo sie Chemie und Angewandte Biowissenschaften studiert. Ob ihr dies zu ihrem Traumjob im ‹Perfumery Team› von Givaudan verhelfen wird? Wir werden sehen… Illustration: Raffinerie

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Reality Check

Der Berlin-Stempel ist schnell verteilt: Berliner Mode? Klar, das sind over­sized T-Shirts und Sackkleider in Schwarz und Grau – ein bisschen Streetwear-Einfluss, das vage Bekenntnis zu Avantgarde, eine ordent­liche Kelle Retrotrash. Gut, dass das Berliner Label ‹Reality Studio› in einer anderen Realität lebt. Text: Romy Uebel, Fotos: Anselm Woesler

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venja Spechts Studio liegt direkt am schönen Volkspark Fried­richshain. Drei eifrige Praktikanten werkeln an den Entwürfen, die Wände sind mit asiatischen Schmuckstücken und Stoffen verziert, im Regal stapeln sich Bücher über afrikanische Textilien, ­Malerei und japanisches Design. Nach ihrem Mode- und Produktdesign-Studium arbeitete Specht in den Bereichen Grafik-, Produkt- und Kostümdesign in Paris und Beijing, bis sie 2005 in die deutsche Hauptstadt kam und ‹Reality Studio› gründete. Vom Berliner Fashion-Hype hält sie sich fern und zeigte ihre Kollektionen von Anfang an in Paris. ‹Der grösste Luxus an Berlin ist sicherlich der reichlich vorhandene Platz, aber hart arbeiten muss man hier genauso wie in anderen Städten›, erzählt sie. Auch wenn sie mittlerweile in 20 Shops in Europa und fast ebenso vielen in Japan verkauft, teilt sie das Los vieler junger Designer: ‹In unserem Segment geht es viel auf und ab. Da muss man sich eigene Wege suchen.› Die Situation im alternativen Handel ist dieser Tage alles andere als rosig. Die Entscheidung, kleinere Labels zu führen, ist eine Entscheidung aus Idealismus, und der ist gerade in der Krise schnell erschöpft. Die OneWoman-Show Svenja Specht ist daher ständig in Bewegung: sie organisiert Ausstellungen und Präsentationen, hat sich über Privatbestellungen einen treuen Kundenstamm aufgebaut und überzeugt persönlich Shops davon, ihre Ware auf Kommission zu nehmen. Wer sich einmal in ihre exklusiven Styles verliebt hat, bestellt sie in der Regel wieder.

Grundwissen vorausgesetzt Der Name ‹Reality Studio› beschreibt nicht nur Spechts eigene Auffassung der Realität, er ist auch von Beat-Autor William Burroughs inspiriert, der anstatt von der Realität lieber vom Reality Studio sprach. In diesem Studio wird der Film der Wirklichkeit in Endlosschleifen abgespielt und der Künstler erhält die Möglichkeit, 74

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einzudringen und durch Herumschnipseln dem Ganzen eine neue Aussage zu verleihen. Specht überträgt seine Herangehensweise des Cut-up ins Modedesign, zerstückelt Erinnerungen, vermengt Eindrücke und fügt Erlebtes hinzu. Vor allem Frauen aus der Kreativindustrie kaufen die Entwürfe, die ein subtiles Modeverständnis voraussetzen und sich stets individuell interpretieren lassen. ‹Ich bin nicht aus Berlin, aber Berlin prägt mich durchaus. Man trägt hier eher Sneaker als High Heels, in den bitterkalten Wintern braucht man warme, gemütliche Strickjacken und Mäntel. Am stärksten beeinflussen mich aber sicherlich meine Reisen und die Leidenschaft für ferne Länder.› So gehören Ethno-Zitate fest ins Repertoire der Designerin, mal verschlägt es sie zu den Inuit, mal nach Marokko oder in den Wilden Westen. Die Seidenkleider, leichten Blusen, extravaganten Hosen und Blazer, die allesamt in

einer kleinen Manufaktur in Brandenburg pro­ duziert werden, sind casual, elegant und immer tragbar. Teile wie ihr Vierarm-Kleid oder der ­riesige, knöpfbare Plaid-Schal gehören seit der Debütkollektion fest ins Sortiment und sind mittlerweile beliebte Klassiker. Zu den Highlights jeder Kollektion gesellen sich auch immer wieder handgemachte Accessoires wie auffällige Ketten, Gürtel oder Tücher. Für die Zukunft plant Specht eine Kooperation mit Künstler Michael Kalki, zudem ist ein Sneaker in Zusammenarbeit mit einem Sportspezialisten in Arbeit und vielleicht folgen schon bald eine Kinderkollektion, Homewear und Männersachen. Spechts Realität ist das Hinterfragen des Möglichen und das Experiment mit dem Unmöglichen – auch ausserhalb des Studios. Weitere Info unter: realitystudio.de


‹In unserem Segment geht es viel auf und ab. Da muss man sich eigene Wege suchen.›

‹Ich bin nicht aus Berlin, aber Berlin prägt mich durchaus.›

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Der Fleckenteufel

Kleider soll man nicht nur tragen, ­­ sondern in erster Linie auch brauchen können. Sebastian Schibler hat sich diese Maxime zum ­Prinzip gemacht und eine sterile, weisse Kollektion geschaffen, die sich durch Action-Painting in eine Serie voller ­einzigartiger ­Unikate verwandelt. Text: Katja Alissa Müller

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er Gedanke an verschmutzte, weisse Kleidung kann bei einigen zu tiefen, seelischen Zustandsveränderungen führen: Eingezogene Flecken, am besten Rotwein, die man nie mehr ganz los wird. Autos, die beim grössten Regenwetter genüsslich durch eine Pfütze ziehen und den armen Fussgänger wie einen begossenen Pudel zurücklassen. Oder gar ein kleines süsses Kind, das sich mit einem schelmischen Lächeln und viel Dreck in der Hand langsam den Weg zum Ziel bahnt. Das Problem sind aber meist nicht die anderen, sondern das eigene schlechte Reaktionsvermögen, das einen immer im wichtigsten Moment im Stich lässt. Wie wäre es aber, ungezwungen und im Namen des Lifestyles einfach mal stehen zu bleiben und zu warten bis die Flecken auf einen zukommen? Der Designer Sebastian Schibler beschäftigt sich in seiner Diplomarbeit am Institut für Mode-Design Basel mit genau dieser Fragestellung. Am Anfang der Arbeit stand die Idee eines fiktiven Labels und dessen Imageverkörperung gen Aussen. Ziel war die Umsetzung einer umfangreichen Garderobe für den Mann, bestehend aus unterschiedlichen klassischen Teilen in Weiss, welche tragbar und realisierbar sind und dem Mann das gewisse Etwas verleihen. Die Unschuld in Weiss wurde unterbrochen, indem Sebastian Schibler Teile der Kollektion in Farbe tauchte. Von akkurater und akribischer Farbauftragung, genau abgestimmt auf jedes Kleidungsstück, kann aber keinesfalls gesprochen werden. Mit Spontanität und Willkür wurde die Farbe praktisch auf die Kleider drauf los geschmissen oder mit Farbpistolen in einem einigermassen kontrollierbaren Rahmen darauf gezielt. Aufgrund des zentralen Punktes der Kombinierbarkeit und dem Hintergedanken, dass die Teile der Kollektion in verschiedenen Farben denkbar sind, wurden sie in einem schlichten Weiss umgesetzt und während des Foto-Shootings sowie in grafischer Nachbearbeitung eingefärbt. Ganz nach dem Credo: Kleider sind nicht nur zum Tragen da, sondern auch zum Gebrauchen. Das Label ‹C’est Bastion›, kreativ abgleitet aus dem Namen Sebastian, spiegelt die präzise und detailreiche Arbeitsweise seines Gründers in all seinen Facetten. Die Inspiration und das Faible für die Klassische Moderne sowie Themen wie Tragbarkeit und Schlichtheit stehen für 76

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die Kollektion Programm. Entstanden sind vom Schuh bis zum Schlips circa siebzig Kleidungsteile, aufgebaut auf ungefähr zwanzig Grundschnitten. Getreu seinem Motto ‹form follows funkyness› wird Sebastian Schibler bestimmt noch oft von sich reden machen. Denn Funktion ist nicht alles, brauchen muss man’s können. cestbastion.com Fotos: Gina Folly & Studio Sport

Wie sollen diese ­Flecken nur wieder rausgehen? Am ­besten gar nicht!


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‹vertreter› Über die wichtigsten Schuhe von 1900 bis heute. Name: 6 Inch Premium Boot Geburtsjahr: 1973 Typ: rustikaler Arbeiterschuh Hersteller: Timberland Company

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s kommt ja selten vor, dass ein Schuh praktisch und ­modisch zugleich ist. Vor allem in der kälteren Jahreszeit müssen viele weibliche Füsse dran glauben, denn Nässe und Kälte sind ein Argument gegen Mode. Mit meiner Mutter vereinbarte ich mit ­dreizehn im Winter immer Deals: Wenn ich in der Schule die dicken Winterstiefel anziehe, statt der Stoffchucks, darf ich am ­Wochenende länger weggehen. Ich hab es gehasst. Wäre ich zehn Jahre später geboren und hätte statt Kurt Cobain 50 Cent angehimmelt, hätte ich dieses Problem nicht gehabt: die beigen Lederstiefel mit der dicken Gummisohle der Marke Timberland gelten als wasserdicht, warm, robust und unkaputtbar. Fans nennen sie liebevoll ‹Tims› oder ‹Timbis›. Verantwortlich für das OutdoorFeeling von Asphaltindianern ist Nathan Swartz. In den 60erJahren revolutionierte er die Schuhbranche: Um wasserfeste Stiefel herzustellen, entwickelte er ein Verfahren, bei dem die Sohle nicht mehr an den Schuh genäht, sondern geschweisst wird. 1973 verkaufte Swartz diese neuartigen Yellow Boots erstmals unter der Marke Timberland. Längst

werden die massiven Treter nicht nur von Bauarbeitern oder Gärtnern getragen, sondern vor allem von betuchten Grossstädtern und modebewussten Jugendlichen. Ein Auftritt auf dem roten Teppich hat besonders viel dazu beigetragen, dass die Marke den Sprung in die Modewelt vollends geschafft hat: Als die Rapperin Lil’ Kim in pink gefärbten Timberland-Boots auftrat, schmiss Swartz kurzerhand Stiefel in derselben Farbe auf den Markt. Seitdem gilt Timberland in der Hip-Hop-Szene als Must Have. Auch in unseren Breitengraden: Auf einer entsprechenden Internetseite wird das Unternehmen unter der Rubrik ‹Wirklich dicke Klamotten› gelistet – neben In-Labels wie FreshJive, US 40 oder Stüssy. Und dank dem bekanntesten Fan der Schuhmarke verbindet man sogar Musik mit dem ‹Waldland›: Der Überproducer Timbaland alias Timothy Z. ­ Mosley bekam seinen Namen in Anlehnung an den Schuh verpasst. Wer hätte das gedacht?

Wirklich dicke Klamotten Heute sieht man den beigen Schuh auch als modisches Accessoire zum Dirndl oder zur Lederhose und immer häufiger ziert er schöne blonde Mädchen-Mädchen, die auf Internate gehen und ihren Ralph Lauren Pullover lässig über die Schultern hängen haben. Sie sind gerade auf dem Weg zum Segel- oder Reitunterricht oder zur Geigenstunde. Ihre Mütter müssen sich nicht mehr um die Gesundheit ihrer Kinder sorgen. Irgendwie hab ich dann doch lieber kalte Füsse gehabt im Winter. Geige gespielt habe ich übrigens trotzdem. Text: Paula Kohlmann Illustration: Raffinerie

Rustikaler Schick für Hip-Hopper und Pferdemädchen. Der Premium Boot sorgt auch nach der Jahrtausendwende für ­coolen Look trotz warmer Füsse.

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In the IntersectIon of tIme and space Is the present. the newton dIGItaL.

nixonnow.com


Tall,thin, loud and a bit goofy: Meet Jason Rohrer Jason Rohrer ist der vielversprechendste Programmierer der neuen Generation. In seinen philo­sophisch verankerten Pixelwelten geht es nämlich nicht um die perfekte dreidimen­sionale Illusion, ­sondern vielmehr um Ideen. Text und Interview: Noémie Schwaller

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ie Game Industry ist so gross wie nie zuvor. Technologische Entwicklungen bescherten uns Nintendo DS, Playstation 3, PSP, Wii, Xbox 360; aber auch der PC ist und bleibt ei­ne wichtige Plattform für ­GameEntwicklungen. Die Kulissen sind unzählig, viele davon aber ent­stehen parallel zu den Gattungen in Kino und Fernsehen: Western, Fantasy, Alternate Reality, Kampf­sportarten etc. Die neue Generation von Konsolen lässt mehr Handlung in den Games zu, und die Fortschritte der Industrie resultieren in narrativen Tiefen, die vorher nicht möglich waren. Game-Serien wie ‹Final Fantasy› und ‹Metal Gear Solid› sind bekannt

für ihre mitreissenden Story Lines, ausgearbeitet in wunderbarer Kinematografie. Die Zielperson ist inzwischen älter, als sie es zur Blütezeit des ‹Nintendo Enter­tainment Systems› und ‹Sega Genesis› war. Sie erwartet komplexere Games und ausgeklügelte Story Lines, wie man sie in Spielfilmen und Romanen findet. Mit der Nachfrage an anspruchsvollem Storytelling werden auch die Charaktere komplexer und entwickeln sich zuweilen zudem während des Spielverlaufs. Wir möchten hier aber den Fokus auf eine ganz andere Game-Gattung legen, das pure Gegenteil der kommerziellen High End Games, die aber in der Szene doch mehr und mehr Beachtung findet. Sie bringt beinahe wöchentlich neue Konzepte hervor und ‹weiss auf einer ganz anderen Ebene zu begeistern als MainstreamGames›, schreibt ein Blogger. Auch versucht sie, über den reinen Spass hinauszugehen.

‹Wir wissen doch alle, dass 3D nur eine Modeer­ scheinung ist.› Das Interesse gilt der Independent Game Scene. Sie führt die spannendsten Games hervor und bringt das Medium am schnellsten voran und weiter. Indie Games werden ohne finanzielle Abhängigkeit des Entwicklers gegenüber etablierten Produzenten erstellt, soweit die strikte Definition. Im Eigentlichen aber geht es vielmehr um kreative Freiheit, zu welcher die ­finanzielle Freiheit führt. Indie Designer haben die Möglichkeit, Risiken einzugehen und Grenzen zu überschreiten, wie es ihnen bei extern finanzierten Projekten nicht möglich wäre. Dort wacht jemand über sein Geld, hier nur jemand

über seine Zeit. Eine ganze Schule von Entwicklern verfolgt diese Linie, in welcher die Grafik nicht im Mittelpunkt steht und die Spiele weniger komplex und facettenreich sind. Das optische Spektakel bleibt aus und wirft durch seine Abwesenheit ganz fundamentale Fragen auf: Wozu bin ich hier? Was bedeutet dieses Spiel eigentlich? Alter Meister dieser Schule ist unbestreitbar Chris Crawford, der sich in seinem Buch ‹On Interactive Storytelling› von 2005 als Avantgardist bezeichnet, was sicher nicht weit hergeholt ist. Er führte die Games Research Group Atari, gestaltete und programmierte vierzehn veröffentlichte Computer Games, schrieb fünf Bücher über Software Design und ist zudem Grün-

der der ‹Game Developers Conference›. 1992 bewegte er sich weg von Computer Games, um sich dem Interactive Storytelling zu widmen, und entwarf die Erasmatron Interactive Storytelling Technology. Er modernisiert den Stand der Technik weiterhin mit seinen Schriften, Vorlesungen und mit ‹Phrontisterion›, einer jährlichen Konferenz rund ums Interactive Storytelling. In der Arte-Sendung ‹Into the Night with…› sprach Chris Crawford vor kurzem mit Jason Rohrer – jemand, der zu Crawford hinaufgeschaut hat, jemand, der dessen Fussstapfen folgte, um seinen eigenen Weg zu finden. Im Beitrag werden sie in einer Stretch-Limo herumchauffiert, was so gar nicht zum langen Dünnen und zum kleinen Dicken passt. Die Sendung gilt aber jetzt schon als wertvolle Dokumentation über Game Design und hat Rohrer nicht nur mehr Bekanntheit, ­sondern auch grösseres Verständnis gebracht. Jason Rohrer macht Games, von denen er ganz einfach das Gefühl hat, es sei wichtig, dass sie gemacht werden. Im Arte-Beitrag stellt er ‹Be­ tween› vor, ein Game für zwei Spieler, das über ein Netzwerk gespielt wird und von Isolation handelt. Das war keine bewusste Entscheidung, eigentlich erstaunlich, da in seinen Games gerade das bewusste Treffen von Entscheidungen eine grosse Rolle spielt. Nein, als Crawford in die Halle des Independent Games Festival trat, war Rohrer gerade dabei, ‹Between› für das ­Publikum aufzubauen, und so kam es, dass die

beiden Meister sich duellierten, jedoch in einem sehr indirekten Zusammenspiel: ‹Du drückst ­irgendeine Taste, um zu beginnen. Über die Leertaste kannst du Blöcke kreieren und sie der Welt hinzufügen. Es gibt zwei weitere Aktionen: Schlafen und Aufwachen.›

Interaktivität als Wort der Stunde ‹Das Aufkommen und das Wachstum des Webs und digitaler Downloads auf PC und Konsolen hat eine Masse an kreativen Arbeiten von Independent Game Designern freigeschaltet und zu

Innovationen in zahllosen Game-Gattungen, zur Wiederbelebung alter Game-Stile und zur Bildung völlig neuer Mischungen der Gestaltung und der Spielbarkeit geführt›, liest man auf IndieGames.com. Doch warum sind Independent Games so wesentlich als kreative Kunst, und was macht sie aus? Jason Rohrer möchte dazu die Filmindustrie als Modell nehmen. Ohne die Independent Filmszene kann man sie sich gar nicht vorstellen. Genauso verhält es sich in der Game Szene. Auch hier entstehen kreative Problemlösungen mitunter aus Budgetgründen. Es werden Geschichten erzählt, für die in Hollywood kein Platz ist und die vielleicht auch ein anderes Publikum ansprechen. Dennoch sieht Rohrer sein Medium gegenüber dem Film im Vorteil: ‹Wie könnte ein Drehbuchautor, also ein linear, non-interactive Erzählender, eine gute interaktive Story schreiben, die vom Spieler gesteuert wird?› kinki 81


Bei einem Game handelt es sich nicht um eine lineare narrative Konstruktion wie bei einem Buch oder einem Filmmanuskript. Statt eine Geschichte zu schreiben, die beobachtet wird, erstellt man Dokumente, deren Inhalt vom Publikum beeinträchtigt wird. Ein Publikum, das aus Individuen besteht, die wiederum alle ein ganz individuelles und stark variierendes Spielgefühl besitzen. Der eine mag sich ohne Zögern in eine Schlacht werfen, während ein anderer erst den Dialogen des Feindes lauscht, um einen Schleichweg zu erahnen. All diese verschiedenen Szenarien müssen verstanden und aufgenommen werden.

Ein Kunstwerk der Pixelklasse Taucht man in Rohrers Pixelwelt ein, wird einem bewusst, wie sehr bei ihm die Hintergedanken im Vordergrund stehen. In der Tat, ein 5-Minuten-Game zum Thema Tod ist nicht markttauglich und würde im Mainstream nie herausge­ geben werden. Was aber nicht heisst, dass es nicht trotzdem die Leute beeinflussen und zum Denken anregen kann. Jason Rohrer setzt den Fokus auf die wichtigsten Aspekte des Designs, die nicht durch Grafiken gedämpft oder übertönt werden sollen. Erklärungen muss man von ihm nicht erwarten, der Anreiz liegt in der Ent­ deckung während des Gameplays. Herzstück seiner Spiele bleiben die Mechanismen, dar­ gestellt mit möglichst einfachen Grafiken, die die nötige Information gerade noch zu übermitteln vermögen. Wobei die Grafik in seinem Spiel ‹Passage› ein regelrechtes Kunstwerk der Pixelklasse ­darstellt.

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Konfrontiert mit der provokativen Aussage, Game Designer seien leidenschaftliche Nerds, beklagt Rohrer, auch er werde von anderen in diese Schublade gesteckt. Statt sich aber davon zu distanzieren, antwortet er ebenfalls als Klischeedenker und serviert uns seinen Prototypen eines Nerds auf dem Tablett: ‹Ich trage weder eine Brille, noch esse ich Junk Food oder lese Sci-Fi oder andere stereotype NerdSachen. Auch ist meine Haut nicht weiss wie Teig, verbringe ich doch eine ganze Menge Zeit im Freien. Jedoch weckt die Elektronik ein gewisses Interesse in mir und ich weiss sogar, auf welcher Seite sich das Bügeleisen erhitzt. Mir liegt der Umgang mit komplizierten Systemen.› Nicht ohne Stolz fährt er fort: ‹Ich bin Programmierer. Das unterscheidet mich wohl von den meisten Leuten und macht mich zum Nerd!› Also doch einer, wenn auch einer der beson­ deren Art. Als ‹tall, thin, loud and a bit goofy› beschreibt er sich selber. Allerdings gamet Rohrer erstaunlicherweise gar nicht so oft. Es fehle ihm die Zeit und schliesslich müsse er manchmal, wie schon erwähnt, auch an die frische Luft. So ist er bei der Auswahl der Games sehr selektiv, wenn er denn mal spielt; sie müssen ausgesprochen gute Bewertungen haben oder ihm von Freunden empfohlen worden sein. Links liegen gelas-


sen werden alle anderen, speziell kommerzielle Produkte. Eigene Games werden nur während ihrer Entwicklung und allein aus Testgründen gespielt. Für schablonenhafte Games mit symbolischen Mechanismen wie in ‹Passage› brauche es nur wenige Testspiele. Für Games mit tiefergehenden, plötzlich auftauchenden Mechanismen wie in ‹Primrose› brauche es einiges mehr an Tests. Macht Sinn. Mich erstaunt aber, dass ich anscheinend eine völlig danebenliegende Vorstellung davon habe, wie oft ein Game testgespielt wird. Hunderte von Malen während der gesamten Entstehung eines Spiels. Dachte ich. Doch werde ich eines Besseren belehrt: ‹Mein aktuelles Projekt ist ein Strategiespiel für zwei, und schon ganze drei Mal habe ich mit meiner Frau den Prototypen aus Papier ausprobiert und durchgespielt, obwohl ich noch nicht mal mit dem Programmieren begonnen habe! Dafür ist es jetzt abgestimmt und spannend.› Drei Mal? Wer will denn schon so viel Zeit verlieren, die man zur Programmie-

rung einsetzen könnte?! Zudem hat Rohrer es damit schon öfter gespielt als das Brettspiel ‹Caylus›, welches er momentan als sein Lieblingsspiel angibt. Meine verklärte Vorstellung von Game Design ändert rasant und markant ihre Züge.

Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit Rohrers erstes Game, das viel mediale Aufmerksamkeit bekam, war ‹Passage›. Vielleicht blieb es deshalb das Bekannteste. Vielleicht aber auch, suggeriert Rohrer, weil es das zugänglichste seiner Games sei. Die meisten Leute könnten es spielen und verstehen, auch wenn sie sonst nicht oder kaum gamen. ‹Passage› ist ein 5-Minuten-Game über die Reise des Lebens und die Entscheidungen, die man auf dem Weg trifft. Es geht um die Konfrontation mit der eige-

nen Sterblichkeit und ist zugleich ein Spiel über offenkundige Einsichten. Rohrer ist ganz einfach froh, dass es so viele Leute anspricht, weil es für ihn ein sehr persönliches, aussagekräftiges Game ist und ihm selbst auch sehr gefällt. So einfach ist es manchmal. Was ihm auch sehr zu gefallen scheint, ist das Konzept von ‹Between›, das Spiel, bei dem er sich bisher am weitesten hinausgelehnt hat. ‹Leider fällt es ein bisschen kurz aus, aber als Experiment bin ich damit zufrieden›, meint er dazu. Zu seinen weiteren Favoriten zählt das Design von ‹Gravitation›. Er hat sein ganzes Wissen, das er sich bei der Entwicklung von ‹Passage› angeeignet hatte, verwendet und den Gesamtprozess weiter vorangetrieben. Da ‹Passage› unter Zeitdruck entstand, könnten laut Rohrer einige Kleinigkeiten besser sein. Die Musik ist zum Beispiel interaktiv. Ein Detail.

Schöngeist, hacker oder Programmierer? Aber wie kommt ein lebensfreudiger Mensch wie Jason Rohrer, dem der Durst auf Abwechslung ins Gesicht geschrieben steht, dazu, sich mit ebensolchen Details auseinanderzusetzen? Ganz natürlich: ‹Ich habe mein Leben lang Video Games gespielt, also war selber welche machen zu wollen das Natürlichste der Welt.› Eigentlich ist der Grund aber in einem andern

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Funken zu finden. Während seiner Zeit am College nahm Rohrer ein ganzes Album mit Computer- und elektronischer Musik auf. Das Ganze war ziemlich experimentell, stammte doch vieles von Programmen, die er damals schrieb. Manchmal vertrieb er sich auch mit anderen Spielereien die Zeit, zum Beispiel dem Knacken des Apple iTunes Protokolls. Von seinem Schlafzimmer aus führte er ein Record Label, in dessen Förderung er viel Geld steckte. Bis er schliesslich realisierte, dass irgendwelche simple Software, die er schrieb, ohne dass er dafür Wer­ begelder ausgegeben hätte, tausendfach mehr Traffic und Aufmerksamkeit generierte. ‹Musik ist gewöhnlich. Software ist doch ein ganzes bisschen seltener. Als ich mit Programmieren begann, kam mir das alles viel zu schwierig vor – es brauchte Programmierkenntnisse in den

verschiedensten Bereichen und dazu so viel Zeit! Erst nach acht Jahren als Programmierer war ich fähig, ein Game fertigzustellen: mein allererstes Game «Transcend».› Seither versucht Jason Rohrer dieses Medium, das noch immer nicht sehr ernst genommen wird, als seriösen Gegenstand künstlerischen Ausdrucks hand­ zuhaben. Er geht Fragen nach, die sich andere Game Designer und wahrscheinlich auch Konsumenten nicht zu stellen wagen. Rohrers Ziel sind Games, die dem Spieler geben, was ­Musik, Literatur, Malerei und Film dem Publikum bescheren. Ist es möglich, Games zu produzieren, welche eine Art Erhabenheit oder Wandlung schaffen?

‹Ich kann ein Game machen zu einem simplen Thema wie Tod und bin der erste.› Mein persönlicher Favorit ist und bleibt ‹Gravitation›. Das mag auch an meinem Hang zu Super84 kinki

mario und anderen Jump’n’Run-Games liegen, aber dieses Game über Melancholie, Wahnsinn und den kreativen Prozess an sich sagt mir speziell mehr zu als ‹Passage›, wo ich mich tatsächlich geschlagene fünf Minuten lang frage, was ich hier mache. ‹Gravitation› ist eine Metapher für den Einfluss, den die Stimmung und die Tätigkeit des Protagonisten auf seinen Sohn ­haben. Acht Minuten lang kann man auf dem untersten Level mit einem kleinen Jungen Ball spielen, dabei klärt sich der Himmel und der Protagonist bekommt mehr Kraft, kann höher springen und gleichzeitig vergrössert sich der Spielrahmen. Oder aber man kann vertikal eine gerasterte Welt nach Sternen abgrasen, die dann auf das unterste Level fallen und mit einer Zahl gekennzeichnet werden, die stufenweise von 9 auf 1 runtergeht. Um diese Punkte zu

sammeln, müssen die Blöcke in einen Ofen geschoben werden. Je mehr der Spieler gesammelt hat, bevor er wieder runterkommt, desto schwerer ist es, diese umzuplatzieren. Sterne sammeln ist aber nicht das alleinige Ziel, man kann die gesamte Zeit damit verbringen, mit dem Jungen zu spielen, ohne etwas anderes zu erreichen. Oder man sammelt Sterne und geht das Risiko ein, dass der Junge verschwindet, nur den Ball als Zeichen der Gleichgültigkeit und Gier des Protagonisten hinterlassend. Es ist also ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen der Zeit oben und der Zeit unten zu finden, um seine Energie zu regulieren und Zuneigung zu demonstrieren. Der Himmel klärt sich auch auf, wenn der Kopf brennt, als Zeichen des Wahnsinns, der einen kurzen Ausbruch der Motivation erlaubt, bevor man wieder in einen depressiven Zustand fällt. Alles wohl sehr autobiografisch. Rohrers Ansporn ist aber nicht ausschliesslich die Verarbeitung autobiografischer Erlebnisse, sondern auch Genugtuung. Die Genugtuung, neue Wege zu beschreiten, nach denen noch nicht viele gesucht hatten: es gibt noch viel Territorium zu entdecken. Es scheint, als hätte es ihn als Musiker frustriert, dass es schon so viel gute Musik gibt und es demnach schwierig ist, Stirn zu bieten und was Neues, ebenso Gutes oder gar Besseres zu machen. Bei den Games ist das (noch) anders: ‹Ich kann ein Game machen zu einem simplen Thema wie Tod und bin der erste.› Nicht nur kann er machen, was er will, und ist dabei einer der ersten, auch verdient er damit sein Leben. In der Game Industrie hat er sich schon soweit einen Namen gemacht, dass für ihn mehr und mehr Möglichkeiten entstehen, hiermit Geld zu verdienen. Eine lang­ zeitige Absicherung für den bescheidenen Lebensstil seiner Familie ist alles, was er sich wünscht. Sollte der finanzielle Durchbruch aber

mal eintreten, wird man Jason Rohrer sicher keinen Porsche fahren sehen.

Die Angst vor dem kreativen Kontrollverlust Momentan arbeitet er mit dem Produzenten Majesco an einem kommerziellen Game über Diamantenhandel in Angola und erhofft sich davon ein anständiges Einkommen. Es soll irgendwann nächstes Jahr für Nintendo DS erscheinen. Bis dahin wird sich Rohrer weiterhin mit erfolglosen akademischen Büchern und unbeachteter Werbung versuchen. Auch wenn die Arbeit mit dem Produzenten vielversprechend ist, bleibt sie auch riskant: Verkauft sich das Game schlecht, kriegt Rohrer kaum einen Erlös davon. Die Beziehung eines Game Designers zum Produzenten bestimmt gewisse Faktoren in der Schreibweise und Entwicklung des Spiels, die durch Entscheidungen des Geldgebers stark beeinflusst werden. Je grösser das Game, desto weniger Kontrolle behält der Designer. Die Angst, die kreative Kontrolle zu verlieren, kennt auch Rohrer. Er wünscht sich irgendwann eine Spielfreigabe für andere Plattformen. Es war jedoch nie in seinem Sinne, keine kommerziellen Games zu machen, bisher hatte er dazu einfach keine Möglichkeit. Man beginnt klein, macht sich einen Namen und unterschreibt den ersten Vertrag mit einem Produzenten, um weitere Games für ein grösseres Publikum zu kreieren. Es wird dieses erste Mal ein ganz kleines Game, denn die Grösse wirkt sich pro­por­ tional auf das Risiko des Produzenten aus. Weil Rohrer der einzige ist, der an diesem Projekt arbeitet, bleibt es vergleichsweise billig, und nachdem er grünes Licht bekommen hat, darf er machen, was er will. Sprich so arbeiten wie sonst auch immer, mit dem einzigen Unterschied, dass das Resultat veröffentlicht wird. Wir jedenfalls wünschen ihm viel Erfolg! Weitere Info: indiegames.com


www.bex.fm

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comebacks Davide Callàs Auferstehung Aufgewacht in der schönen neuen YB-Welt Cup-Wahnsinn: Als GC den FCZ demütigte Was wir uns zurückwünschen

Reiz- und Leaderfigur

BENI

HUGGEL


Most Expensive Sex

Eigentlich wollte Rudy Felber ja ­einfach nur das Drehbuch für den ­Pilotfilm seiner Krimiserie ‹Most Expensive Sex› unter die Leute bringen. Doch aus diesem Versuch wurde schluss­ endlich eines der interessantesten Crossmedia-Projekte der Schweiz! Text und Interview: Rainer Brenner

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er Rudy Felbers Werbe­ agentur im Zürcher Wohn­ ­quartier Hottingen be­ tritt, dem freundlichen Herrn die Hand schüttelt und ihm ins Sitzungszim­ mer folgt, ahnt nicht, welche Ideen fernab von Werbefilmen, Image­ kampagnen und Plakatwerbungen in seinem Kopf schlummern. Rudys Herz schlägt nämlich nicht nur für Hochglanzinserate und Werbeka­ taloge, sondern mindestens ebenso sehr für rasante Plots, Verfolgungsjagden, Intrigen und spektakuläre Raubüberfälle. Das abenteuerli­ che Drehbuch zum Piloten der Serie ‹Most Ex­ pensive Sex›, das Rudy schon lange in seinem Kopf mit sich herumtrug, erzählt die Geschichte einer Freundesgruppe, deren Alltag aus Beruf, Liebe, Betrug und Affären einschneidend verän­ dert wird, als Steven 112 Millionen Dollar im Lotto gewinnt. Anstatt alleine im Geld zu baden, entschliesst er sich, den Gewinn unter seinen engsten 16 Freunden aufzuteilen. Während ei­ ner eigens zu diesem Zweck aufgegleisten rau­ schenden Party erzählt Steven seinen Freunden von ihrem Glück, die Geldtransporter stehen bereits vor der Tür, doch – wie es sich für einen spannenden Film gehört – haben natürlich auch zwielichtige Gestalten von der Übergabe Wind gekriegt, betäuben sämtliche Partygäste und verschwinden mit dem Vermögen. Wie genau die 16 Freunde ihr Geld wieder zurückgewin­ nen, kann man nun gerne in Rudys Drehbuch weiterlesen, hier sei nur verraten, dass die Sa­ che ihr Happy End findet, und uns zum Schluss des Pilotfilms 16 frischgebackene Millionäre von der Leinwand entgegenstrahlen. Oder viel­ leicht doch eher vom Computerbildschirm?

Ein Filmset im Web Wirklich interessant am Projekt von Rudy Felber und seinem Kollegen und Mitgründer Ralph Halder ist nämlich der Fakt, dass ihr Pilotfilm – welcher die Basis zu einem intrigenreichen Se­ rienplot bietet – nicht wie erwartet von einem finanzkräftigen Filmunternehmen in die Tat um­ gesetzt wurde, sondern von den Erschaffern in eine Plattform für Talente jeglicher Art verwan­ delt wurde. ‹Wir suchen keine Produktionsge­ sellschaft für dieses Drehbuch, sondern kreie­ ren eine völlig neue Geschichte daraus im Internet›, erklärt Rudy sein Vorhaben. Auf ver­ schiedenen Ebenen darf sich nämlich ein jeder an dieser Story und dem Fortgang des Filmes sowie dessen Realisierung beteiligen. So kön­ nen im Rahmen der ‹Casting Agency› auf mostexpensivesex.com Schauspieltalente ein­ zelne Szenen des Drehbuchs nachspielen, in der ‹Open Source Film›-Kategorie sind Regis­ seure und Produzenten dazu eingeladen, das Material aus Rudys Script auf Film zu bannen und hochzuladen, unter ‹Sound Studio› darf man musikalische Untermalungen zu einzelnen Teilen des Films beitragen und unter ‹Script Factory› erlaubt der Urheber jungen Textern und Autoren gar, die Handlung weiterzuspinnen und ausgehend vom Pilot ganze Serien zu schrei­ ben. Als erfahrener Marketingspezialist hat Rudy Felber natürlich auch die finanzielle Seite

des Projekts nicht ausser Acht gelassen und bietet zudem Werbekunden und Partnern die Möglichkeit, mit ihren Produkten und Locations aktiv ins filmerische Geschehen einzufliessen. Beeindruckend ist, wie man sich nun selber denken kann, die Vielzahl möglicher Ergebnis­ se, die sich aus einem solchen Community-Pro­ jekt ergeben können. Werden sich die Mitglie­ der miteinander auf ein einziges Projekt einigen, oder wird jeder selbst seinen kleinen Teil zum bunten Mix beitragen? Unendliche Kombinati­ onsmöglichkeiten sowie komplette Vernetzungs­ strategien stehen sich bei dieser Art von ­Projekt, wie es scheint, überhaupt nicht im Wege und machen mostexpensivesex.com zu einem der spannendsten Crossmedia-Kunstprojekte der Schweiz. Als ich Rudys Büro verlasse, wo er mir freundlich und geduldig sein Vorhaben erklärt hat, schwirren mir etliche Fragen durch den Kopf: Wie wird diese Geschichte weitergehen? Wer wird sich an diesem Projekt beteiligen? Wie könnte ein solcher Film – oder dessen ein­ zelne Schnipsel – schlussendlich aussehen? Die Zeit wird zeigen, was für einen Lauf die Ge­ schichte nehmen wird. Sicher ist allerdings, dass den Gründern von mostexpensivesex.com nicht nur ein tolles Drehbuch, sondern vor allem eine bahnbre­ chende Plattform gelungen ist, von der wir si­ cherlich noch einiges hören werden! Mitmachen, das Drehbuch lesen oder einfach nur reinschauen könnt ihr ­unter mostexpensivesex.com. Illustration: Raffinerie

Das Drehbuch wird als Plattform ­Talenten jeglicher Art zur Verfügung ­gestellt.

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Julien Ducourthial: ILBM











‹top notch gallery› Die besten Adressen für junge Kunst.

In Düsseldorf kann man schnell Gefahr laufen, vom kulturellen Angebot schlichtweg überschwemmt zu ­werden. Wir haben den Überblick behalten und sind schnurstracks in die zwanglose Galerie ‹Nina sagt› eingefallen. Gefunden haben wir Urban Art, Musik und eine leidenschaftliche Inhaberin. beiten des Wahl -New-Yorkers Jim Avignon, der mit einer durchschnittlichen Produktionsrate von 4,37 Bildern pro Tag wohl eindeutig zu den schnellsten deutschen Künstlern zählt. So hat er es – fleissig wie eine Ameise – nicht nur in das Arbeitszimmer Franz Münteferings und in Maschinen der British Airways geschafft, sondern gilt als der ­Pop-Art-Held schlechthin.

Im Uhrzeigersinn: ­Die Galerie von aussen, Vernissage des schwedischen Künstlers ­Finsta und zwei Objekte des Künstlers Mr Burns124: ‹Eine Nonne› und ‹Jesus›.

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ie deutsche Stadt Düsseldorf ist nicht nur ein beliebter Wirtschaftsstandort einer Vielzahl börsennotierter Unternehmen, sondern zudem auch eines der Kulturzentren der Bundesrepublik. Neben der renommierten Kunstakademie lockt eine Un­ menge an Galerien und Museen den kunstversessenen Besucher der Stadt. Bei so einer Masse und Vielfalt fällt es schon mal schwer, die richtige Wahl zu treffen. Eine kleine, aber feine ­Adresse für urbane Kunst bietet da 98 kinki

die lichtdurchflutete Galerie ‹­Nina sagt› im Düsseldorfer Stadtteil Friedrichstadt. Die Galerie bietet auf rund 60 m² vornehmlich Raum für Illustrationen, Grafik­ designs, Street-Art, Malereien und Fotografien nationaler wie inter­ nationaler Künstler. Ehe Kuratorin und Inhaberin Nina Bienefeld die vier Wände in der Talstrasse 118 ihr Eigen nannte, zeigte sie in verschiedenen Off-Locations der Stadt die Kunst, die ihr am Herzen liegt. So sorgte sie bereits seit 2006 in leer stehenden Lagerhallen oder ­Wohnungen immer wieder für Furore. Am neuen, festen Platz,

der seit April diesen Jahres den Namen ‹Nina sagt› trägt, schätzt die Inhaberin allerdings die Möglichkeit, Ausstellungen über einen längeren Zeitraum laufen zu lassen. Mit dem an die Galerie ­angrenzenden Café ist auch der Raum für einen Plausch über die unendlichen Weiten der Kunst gegeben. Ungezwungen und bei laufender Musik tut Nina alles, damit ihr hauptsächlich junges Publikum sich wohl fühlt zwischen der ausgestellten, zeitgenössischen Kunst. Die diplomierte Designerin und Kuratorin aus Leidenschaft zeigt ab dem 15. November die Ar-

‹Wer will, sagt Urban Art, ich sage zeitgenössische Kunst.› Seine selbstbetitelte ‹Schönma­ lerei› ist bis 12. Dezember diesen Jahres bei ‹Nina sagt› zu bewundern. Im nächsten Jahr – und darauf freut sich Nina besonders – wartet die Galerie dann mit Craig Robinson und Emil Kozak auf. Text und Interview: Anja Mikula und Paula Kohlmann Fotos: Carsten Güth Talstrasse 118 40217 Düsseldorf Dienstag bis Samstag 11–18 Uhr ninasagt.de


hör t ten er u n i M ende. on 20 azin v em Wochen Nightlife. g a M s – da ach d e und Fr iday ehnsucht n uty, Lifestyl ählten S deine , Mode, Bea r in ausgew st du auf h le de ab 12 U u Peop r te fin Alles z den Freitag Die Stando .ch. Je xen. azine ten Bo fr iday-mag u n i M 20 www.


Lieko Shiga: Geschossen werden und sterben

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Lieko Shiga sagt, die Realität existiere auf Fotos. Alles andere – das Jetzt und Hier eingeschlossen – verschwimmt und ist verworren. Das Fotopapier dagegen wird so zum Beweis für unsere Existenz. Die Fotografie der japanischen Künstlerin soll ein Gebet sein, ein Festhalten an der Existenz, die sich in wirren Strömen auf ihren Tod ­ zu bewegt. Lieko Shigas Bilder sind nicht gestellt. Sie wartet bestimmte Momente ab und drückt erst dann den Auslöser. Die Fotos sollen spontan sein und sich ihrer Kontrolle entziehen. Das gilt für ihre neuste Reihe ‹Canary› besonders. ‹Canary› ist bereits die fünfte Serie der 28-Jährigen. Nach ihrem Studium in Chelsea und London folgten Ausstellungen unter anderem in Japan, China, Australien und Deutschland. Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, gelten Liekos Bilder als gespenstisch und düster, verträumt und mitreissend. All die spektakulären Fotografien begannen dabei mit einem kleinen Alltagswunder: Lieko ­entdeckte mit 16 die Intensität eines Gegenstandes auf einem Foto. Damals war es etwas so Simples wie eine Tasse. Heute vermittelt sie die Intensität durch andere Motive. In ‹Canary› sind es Menschen, Waschmaschinen und Riesenschädel. Text: Anna Gielas

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‹media› Vom Umschlag bis zum Abspann. Sie werden immer seltener: die Buchläden mit dem wohlbekannten Buchhändler, der für uns schon die passende Literatur bereitgelegt hat, oder die nicht voll automatisierten Videotheken. Das Internet ist beim Aussuchen der richtigen Unterhaltung auch keine Hilfe, lässt es uns doch ob der unfassbaren Vielfalt erst recht in Entscheidungsschwierigkeiten verharren. Deshalb hat kinki vorgeschmökert und sortiert – hier wird nur das Beste serviert!

BUCH reflektiert

Chen Ke: Chen Ke China steht im Wandel. ‹Das China, in dem ich aufgewachsen bin, und das China, in dem ich heute lebe, sind total verschieden›, sagt Chen Ke. Die Öffnung Chinas, die politischen Veränderungen und der ökonomische Aufschwung zeigen sich auch in der starken Transformation des zeitgenössischen Kunstmarktes. Anstatt sich – wie anfangs – gen Westen zu orientieren, wird der thematische Fokus in der Kunst jüngst auf die eigene Kultur gelegt. Diese neue Künstlergeneration entdeckt, erforscht und thematisiert sich in der zeitgenössischen Kunst selbst, und die Welt schaut erwartungsvoll zu. Die 30-jährige Künstlerin ist einer der bekannte108 kinki

sten Nachwuchsstars der chinesischen Kunstszene. Das gleichnamige Buch ist ihre erste Monographie und liest sich wie ein Tagebuch, in dem man von aussen auf die Protagonistin sieht und sich dank des Bildtitels, den Kommentaren und persönlichen Interpretationen ihr Inneres ausmalen kann. Chen Ke malt sich als kleines Mädchen mit Knobelnase in allen möglichen Ausprägungen und Situationen, die von fantastischen Wesen oder Gegenständen begleitet und vorwiegend mit einer Decke der Traurigkeit belegt sind. Stilistisch weisen die Figuren Bezüge zur Cartoon Art auf, wohingegen das Hauptmedium der Ölmalerei die altmeisterliche Komponente spielt. Chen Ke thematisiert die Gegenwart und augenscheinlich die Einsamkeit, welche, obwohl die Welt kleiner (vernetzter, globaler) geworden ist, schwerer denn je auf ihr, China und allenfalls auch auf uns lastet. Chen Ke gewährt einen von vielen spannenden Blicken auf das künstlerische und gesellschaftliche China, der sich auch dann lohnt, wenn einem ihre weibliche, emotionale und subjektive Bildsprache nicht unbedingt zusagt. Erschienen bei Kehrer Verlag Heidelberg, ca. CHF 42.–

ästhetisiert

Hans Peter Jost, Christina Kleineidam: Baumwolle weltweit Grob gefasst kennen wir sie alle aus dem Schulunterricht: die Geschichte von den Kolonialherren in Indien, von der Baumwolle und den Stoffen, die darauf über die halbe Welt geschifft wurden. Was damals begann, scheint heute zu Globalisierungszeiten, wo Güter durch die halbe Welt verfrachtet werden, die Maxime zu sein. Das Buch ‹Baumwolle weltweit› widmet sich ebendiesem Weg und vorwiegend den Menschen, die unter unterschiedlichsten Bedingungen in die Produktion, Verarbeitung und Vermarktung der Baumwolle involviert sind. Nicht mit mahnendem Zeigefinger, sondern mit wunderschönen, ästhetischen Schwarzweissfotografien dokumentiert das Buch eindrücklich die Geschich-

te der an der Produktionskette beteiligten Menschen sowie ihre Lebensbedingungen. Über viele Kontinente führte die Baumwolle auch den Fotografen Hans Peter Jost, der auf seinen Reisen nach Indien, China, Brasilien, Amerika, Usbekistan, Mali und Tansania gekonnt ein fotografisches Porträt dieser Industrie schoss, wie sie uns als Endkonsument im Kleiderladen so ganz abhanden gekommen ist. Christina Kleineidam, die ihn auf den Reisen begleitete, untermalt die Bilder mit Reiseberichten und Hintergrundinformationen. Erschienen bei Lars Müller Publishers, ca. CHF 64.90.–

studiert

STREET ART – Legenden zur Strasse Man kann nicht behaupten, die Welt hätte unbedingt ein weiteres


Street Art Buch nötig. Doch die wissenschaftliche Herangehensweise dieses Exemplars über fast ausschliesslich Berliner Kunst ist dann doch irgendwie anders. Kunsthistorische Essays und Facharbeiten über das Verhältnis zwischen Kunst und Stadt sowie ein Street Art Musical, in dem Darsteller wie ‹der Künstler› und ‹die Gesellschaft› sehr geistreich zu Wort kommen, machen tatsächlich mehr Spass als ewige Fotografien und Interviews mit Künstlern. Erschienen bei Archiv der Jugendkulturen e.V., ca. CHF 43.–

illustriert

Büro Destruct III Der dritte Streich des gleichnamigen Designerkollektivs aus Bern heisst ‹Büro Destruct III› und lädt auf Reisen in ihre farbenspeiende, irrsinnige illustratorische, grafische und typografische Welt ein. Dieses Universum manifestiert sich in viererlei Styles von achterlei Händen, die sich multipliziert mit den vielfältig angewandten Techniken und unterschiedlichsten Arbeiten wie Schriftkreationen, Illustrationen, Produktdesigns oder Plakatgestaltung zu einer furiosen Werkschau potenzieren. Diese kann auch beispielhaft als Einblick in die zeitgenössische Bandbreite von Kunst und Gebrauchsgrafik gesehen werden. Das Buch erscheint zum 15-jährigen Bestehen des stilprägenden und international anerkannten Schweizer Kollektivs und ist ein Muss für alle Grafiker sowie ein visuelles Vergnügen für alle anderen. Erschienen im Die Gestalten Verlag ­Berlin, CHF 67.– Paula Kohlmann und Florence Ritter lieben den Duft neuer Kunst- und Fotografiebücher ebenso wie die Gelesenoptik und die Patina von Brockibüchern. Nur eines müssen sie alle sein: anfass- und hortbar wie kleine Schätze.

DVD visionär

Synecdoche, New York Charlie Kaufman, der seit ‹Being John Malkovich› als genialer Drehbuchschreiber bekannt ist, gibt hier sein Regiedebüt. Kafkaesk erzählt er die Geschichte des Theaterregisseurs Caden Cotard, der nach finanziellem Segen sein Lebenswerk angeht: sein Lebensumfeld in einer riesigen Halle nachzubilden. Dort baut er Teile New Yorks nach und engagiert eine Unzahl von Schauspielern, die Passanten, Freunde, Geliebte und schliesslich ihn selbst mimen. Es entsteht eine Parallelwelt, in der Caden der Regisseur ist und zum Beispiel einen Passanten auf der Strasse anhält, um ihm Anweisungen zu geben, auf welche Art er zu gehen habe. ‹Synecdoche, New York› ist avantgardistischer als alles, was Kaufman bisher gemacht hat, und dennoch sein grösstes Meisterwerk.

kann, solange die Story stimmt. Und natürlich, dass das Zombie-Genre noch lange nicht tot ist. They live! Bereits als DVD und Blu-ray erhältlich.

belgier

Eldorado Selten hat man Tragik und Komik auf so vollendete Weise ineinander verschlungen gesehen wie in dem neusten Film des belgischen Regisseurs, Drehbuchautors und Hauptdarstellers Bouli Lanners. In der Rolle des Yvan entschliesst er sich aus Mitleid den Einbrecher und Junkie Elie einige hundert Kilometer zu seiner Familie zu fahren, wo dieser angeblich ein neues Leben beginnen möchte. Absolut realistisch führt das Roadmovie die ganze Absurdität des Lebens vor. So edelbitter habe ich kaum zuvor gelacht. Bereits als DVD erhältlich.

familiär

FILM konträr

Goodbye Solo Zwei Männer in einem Taxi. Der eine Fahrer, der andere Kunde. Der eine schwarz, der andere weiss. Der eine warmherzig lächelnd, der andere leer aus dem Fenster starrend. 1000 Dollar bietet er dem Fahrer, wenn er ihn in einer Woche nach Blowing Rock fährt. Nur hin. In einer kurzen Diskussion, was er dort überhaupt wolle, fragt der Chauffeur schliesslich scherzhaft, ob er sich etwa von dem Berg da schmeissen wolle. Stille. So begegnen sich Solo, der das Leben liebt, und William, der mit ihm abgeschlossen hat. Der Regisseur und Drehbuchautor Ramin Bahrani porträtiert zwei vollkommen entgegengesetzte Charaktere, die der Zufall zu einer Freundschaft verbindet. Grandios gespielt von Souléymane Sy Savané, der hier sein schillerndes Kinodebüt gibt, und Red West. Seit 12. November im Kino.

Bereits als DVD erhältlich.

parasitär

Pontypool Pontypool ist ein kleines Nest in Kanada. Nicht gerade viel zu berichten für Radioreporter Grant Mazzy in seiner Morgenshow, ausser vielleicht dass Mrs. French ihre Katze sucht. Dies ändert sich jedoch schlagartig, als Anrufer einen merkwürdigen Virus beschreiben, der die Stadt ergriffen hat und sich anscheinend über die englische Sprache fortpflanzt. Bruce McDonalds Adaption von Tony Burgess’ Roman zeigt mal wieder, dass man auch ohne teure Spezialeffekte einen guten Film machen

November Zwar ist ‹November› bereits 2003 erschienen und mit dem Berner Filmpreis ausgezeichnet worden, jedoch gibt es kaum einen Film, der die Tristesse der kürzer werdenden Tage besser beschreiben würde: Luki Frieden erzählt von zerplatzten Bünzliträumen und davon, dass Geld allein nicht glücklich macht. Das muss die gelangweilte Hausfrau Marianne Brunner am eigenen Leib erfahren, als sie den Lotto-Jackpot knackt. Am Ende kommt keiner in der entfremdeten Familie zu seinem Glück: Vater Brunner nicht zu seiner SKlasse, Tochter Yvonne nicht nach Amerika und die Mutter nicht zu ihrer Freiheit.

Nachdem Peter Rösch als Reaktion auf seine blasphemischen Bemerkungen über Brad Pitt vom Thron der kinki Filmredaktion gestürzt wurde, hat er sich nun wieder an die Macht geputscht, um von dort aus euren Medienkonsum zu lenken.

Bereits als DVD erhältlich.

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Fahrtenbuch

Kunst auf Leinwänden kennen wir schon. Auf Hauswänden und Zügen auch. Was kommt jetzt? Der Bildband ‹Wash me› zeigt mobile Kunstwerke mit vier Zylindern und 175 Pferdestärken. Text: Paula Kohlmann Mini als Medium

U Grosses Bild: ‹Concrete / Walls› von Jaccard & Ege Kleines Bild: ‹Le Rien en Or› von Dieter Meier

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ber Kunst lässt sich streiten. Genauso darüber, wo sie stattfinden soll. Dass die Toleranzgrenze in der heutigen Zeit deutlich erweitert wurde, zeigt sich beispielsweise bei dem höchst anonymen und hochgehypten Londoner Banksy, dessen Kunst geliebt und gekauft wird, obwohl sie fast ausschliesslich an den Wänden und Strassen der britischen Hauptstadt zu finden ist. Der Trend geht also nach draussen. Weg von der Idee, ein Künstler müsse in seinem Atelier ein Bild malen. Stattdessen geht er raus in die Stadt und macht den urbanen Raum zu seinem Arbeitsplatz. Die Stadt als Medium. Was als nächstes kommt? Hier ein Vorschlag von uns: Das Auto. Kunst am Auto sieht man höchstens auf Campingwägen, die durch Airbrusher mit Indianergesichtern oder Wölfen verschönert wurden. Die BMW (Schweiz) AG, MINI Switzerland hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, wahre Kunst auf ein besonders beliebtes Auto zu bringen, das in diesem Jahr seinen 50. Geburtstag feiert: der Mini. Schönes Geschenk. Ein Umstyling der Extreme.

Das Auto als Medium, das thematisierte auch die Ausstellung ‹Auto-nom-Mobile› im Kasseler Kunstverein 2006, auf der zum Beispiel Erwin Wurm mit seinem ‹Fat Car› zu sehen war. Dabei handelte es sich um insgesamt neun der damaligen 15 BMW-Art-Cars, die das Münchner Unternehmen schon länger von namhaften internationalen Künstlern gestalten lässt. Diesmal sind es zehn Minis. Und zehn Künstler. Ihnen allen wurde ein Exemplar des Designklassikers zur Verfügung gestellt, an dem sie sich kreativ austoben durften. Was dabei herausgekommen ist, kann man seit Anfang November in dem Buch ‹Wash me› bestaunen. Bei einigen Werken passt das Verb ‹austoben›, bei anderen sind es genaue, feine Details, die den Mini zum Kunstwerk werden lassen. Entstanden sind äusserst unterschiedliche Arbeiten. Es gibt nur eine Gemeinsamkeit: Keiner der zehn Künstler war zuvor mit dem Auto als Medium in Berührung bekommen und so sammelten die Kreativen erste Erfahrungen mit Techni­ ken wie Reinigen, Abspritzen, Aussparen und Auskratzen, um das Vierrad in ein Kunstwerk zu verwandeln. Smash137, Dieter Meier, ­Fabian Bertschinger, Marisa Pichler mit Gigi Burn, Tika, Euro, Aurèle Sack, August, Rémi Jaccard und Stefan Ege zusammen mit Seak lieferten ihren Beitrag zu einem Fotoband, der nicht nur für Autoliebhaber und Mini-Fans gedacht ist, sondern auch Design-, Kunst- und Fotografieinteressierte überraschen soll. Ob nun die Kunst eine grössere Rolle spielt als die Eigenwerbung, ist eine Frage, über die man sich streiten kann. Früher haben Maler Aufträge für Portraits bekommen oder Kirchendecken bemalt, heute sprayen sie Autos an. Die Zeiten ändern sich eben. Der auf 2000 Stück limitierte Bildband ‹Wash me› ist im Verlag der BMW (Schweiz) AG, MINI Switzerland erschienen. Weitere Info zum Buch unter washme.ch. Fotos: Nico Amman


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Fotografie: Valeska Achenbach, Leo Cackett, Nicolas Duc, Steve Duncan, Gina Folly, Zoren Gold & Minori, Carsten Güth, Hervas & Archer , Jonas Kündig, Marshall, Donald Milne, Isabella Pacini, Philippe, Henk van Rengsbergen, Lieko Shiga, Daniel Tischler, Janis Weidner, Anselm Woesler

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Illustration: Julien Ducourthial, Raffinerie AG für Gestaltung, Bildbearbeitung, Grafische ­Gestaltung: Anna-Tina Kessler | anna-tina.kessler@kinkimag.ch Anja Mikula | anja.mikula@kinkimag.ch Lektorat: Peter Rösch | peter.roesch@kinkimag.ch Promotion: Franziska Bischof | franziska.bischof@kinkimag.ch Denise Bülow | denise.buelow@kinkimag.ch Freie Mitarbeit: Julie Andersen, Tin Fischer, Anna Gielas, Phil Godart, Roman Neumann, Peter Rösch, Noémie Schwaller, Raphael Spiess, Miriam Suter, Laurence Thio, Romy Uebel

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‹Henry & Paul› Die mit dem Wettermann. Und besoffenen Besuchern. Und hässlichen Dingern.

Sir? Sprich, Henry. Sir, es ist ein etwas dieseliger Tag. Möchten Sie in ein Museum gehen? Henry, untersteh dich, derartige Wörter zu benutzen. Museum, Sir? Nein, dieselig! Hast wohl das Wetter im Fernsehen geschaut, nicht wahr? Aber was der Wettermann palavert, das versteht kein Mensch, doch alle Welt denkt: Schön, der Wettermann macht ein freund114 kinki

liches Gesicht, es wird wohl nicht regnen. Sir… Na schön, Henry. Ins Museum. Und was soll ich dort? Frauen kennenlernen? Ich weiss nicht, Sir. Ist das Museum der richtige Ort, um Bekanntschaften zu knüpfen? Nur, wenn man nicht dem kriecherischen Gesetz der Museen folgt. Ich verstehe nicht, Sir. Jeder Dummbatz, der in ein Museum hineinspaziert,

folgt diesem ungeschriebenen Gesetz. Und man geht ja nur ins Museum, weil man sich zeigen will, zu wenig unter Menschen ist, oder weil die dicke Oltmanns von nebenan letztens ins Theater ist. Und schliesslich kann man das auch, Kultur und so. Sir, ich sehe das Gesetz immer noch nicht. Nun gut, Henry. Unser Dummbatz stolpert also ins Museum. Sofort dämpft er seine Stimme, er wird seine

Hände hinter dem Rücken verschränken und er wird nicht mehr gehen, nein, er wird schreiten. Er wird weder laut lachen, noch wird er zu seinem nebenan sagen, guckense mal, was für hässlicher Schund. Nein, er wird vor einem Bild stehenbleiben, den Kopf etwas schräg legen und denken: Hui. Aber er sieht gescheit dabei aus, jaja! Und beim Weggehen nickt er der Betrachterin neben ihm zu, vielleicht murmelt er gar ‹faszinierend›. Und das ist ein Gesetz, Sir? Ja, Henry. Und diese Betrachterin neben ihm, kann er die nicht kennenlernen? Von wegen, Henry, das hässliche Ding! Hast du schon mal hübsche Dinger im Museum gesehen? Sir, Frauen sind keine Dinger. Klappe, Henry. Und überhaupt, diese knarrenden Dielen, die machen unseren Dummbatz ganz nervös. Museen knarren immer, Henry. Und er sagt zu der Betrachterin: Ach, wenn wir uns doch betrinken könnten – dann würden wir Kunst endlich verstehen! Aber sie wird empört den Kopf schütteln, Tss machen, und davonrauschen. Sir… vielleicht sollte man nicht über Schnaps, sondern über Kunst sprechen. Na wunderbar, Henry. ‹Pardon, gefällt Ihnen das Bild? Ja? Mir nicht.› Gespräch fertig. Alles andere ist elitäre Masturbation. Sir… ich hege den Verdacht, dass sie aus Erfahrung sprechen. Henry, schalt die Kiste ein, gleich kommt das Wetter. Gerne, Sir. Text: Roman Neumann Foto: Philippe


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