kinki magazine - #13

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kinki

nr. 13 april/mai 2009 chf 6.– ˆ 4.–


CELEBRATING 60 YEARS

To celebrate their symbolic 60th anniversary, Onitsuka Tiger bring the legend of the Zodiac Race to life. In ancient Japan, the mighty Jade Emperor held a race to decide the order of the Zodiac calendar. Thirteen animals competed for twelve places. Discover the legend of the Zodiac race at: onitsukatiger.com


‹ editorial› we can take it, but can you give it? Liebe Leser. Wer hat uns wann und warum nochmal dazu gezwungen, den Teller immer aufzuessen, unangenehme Aufgaben grundsätzlich zuerst zu erledigen und nett zu sein, auch wenn man am liebsten ausrasten würde? Wieso soll man nicht im Sommer mit dem VW-Bus nach Helsinki fahren, anstatt die Literatur­liste gründlich durchzuarbeiten? Wahrscheinlich aus denselben Gründen, weswegen wir schon vor dem Studium eine Rentenversicherung abschliessen und auf eine Eigentumswohnung sparen. Denn anstatt Schlag­zeuger in einer mittelklassigen Band zu werden oder als erster Mensch eine Weltumseglung auf einem Floss aus leeren Bierdosen zu machen, wollen wir lieber mit Mitte zwanzig vom Abteilungsleiter im Privatkundenbereich der UBS per Handschlag in der Verwaltungskantine begrüsst werden. Schliesslich will man auf eigenen Beinen stehen und keinen Toyota, sondern mindestens einen Audi TT fahren. Und ohne Plasmabildschirm sieht die Wohnung auch nach nichts aus. So kann unseren Eltern auch endlich klar werden, dass wir das Spiel auch spielen können, sogar viel besser als die Alten. Ach, wie schön ist es, erwachsen zu sein... Mit bierernsten Grüssen, eure albernen Kindsköpfe vom kinki magazine kinki

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Why do you think it’s called a party?

Because deep down every human knows that the best thing about us hairless monkeys is our will to team up and do things together. Gathering a crowd might not always make things easier but it’s a water proof guarantee for more fun and a better show. A simple and stimulating truth, celebrated here by Weactivists Beth Riesgraf, Peter Stormare, Lady Tigra, Chad Robertson, Amy Gunther, Steve Berra and Pase Rock. – Go team, Go!



ELEMENT EDEN ADVOCATE LISA SOLBERG Fine artist Lisa Solberg is the epitome of a free spirit. She lives her life very much from moment to moment, appreciating all life has to offer. She works mostly on large-scale paintings and murals but incorporates drawing or painting into her life on a daily basis, changing her style as she sees fit. Hailing from Chicago and the middle child of five, she now resides in the “emerging” part of downtown Los Angeles. Optimistic, expressionistic, and always a positive life force, we couldn’t be more thrilled to have Lisa within our Element Eden Advocate family. lisasolberg.com

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‹content› Standard

03 10 12 12 15 18 20 104 112 114

Editorial Content Gossip Agenda Figaro: der (Weissbrot-) Afro Klagemauer Was läuft… Media Abo / Impressum Versammelt

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Report 34 40 42 46 50 52

Wrestling made in CH Zehn Minuten mit Melvin Van Peebles Coming Out an der Spitze, Teil I Lost in Transition Querschläger: Sarah-Jane Riek Ein grosser Bruder für die Kleinen

Sound 56 60 62 64 66 68

Interview: Friendly Fires Album des Monats: Metric Soundcheck Interview: Trouble Andrew Interview: Grand Master Flash Playlist: DJ Playlove

Fashion 70 78 84 86 92 100 102

‹Alexander› von Stefan Milev Couture de Bâle Vertreter: Nike Air Jordan Nymphen-Humor ‹Vom Suchen und Finden› von Matthias Straub LEW: Konfekt für den Frühling Vive la Fragrance

Art & Co

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Beni Bischof: No face, no problem Deanna Templeton: Von der Muse geküsst Top Notch Gallery: Galerie Inoperable Wien

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No face, no problem

Der Künstler Beni Bischof bewahrt seine unzähligen Werke gerne in einfachen Kartonschachteln auf. Die archivierten künstlerischen Ergüsse zeigen Bilder von Burgen, neu zusammengesetzten Waffen, ‹behinderten Autos›, Zeichnungen liegen neben Collagen, Schnipsel auf Schnapp­schüssen. Beni gewährte uns einen kleinen Einblick in seine ironischen und absurden Welten, die in diesen Schachteln schlummern.

42 66 Coming Out an der Spitze Teil I Natürlich tummeln sich wie in jeder gesellschaftlichen Schicht auch in der Politik Homosexuelle. Doch noch immer gestaltet sich das Coming Out als schwieriger Staatsakt und erfordert einiges an politischem Kalkül, wie der Politologe Valerio Bonadei im ersten Teil seiner ausführlichen Recherche beweist.

Am Telefon mit einem Grossmeister Wer hätte gedacht, dass der Godfather of Hip Hop, Grandmaster Flash, am liebsten Strawinski hört? Oder dass er seine Platten früher lieber in der Sammlung der Eltern seiner Geliebten abstaubte, anstatt durch die Plattenläden zu stöbern?


106 Von der Muse geküsst

Die Kalifornierin Deanna Templeton hat den Schritt von der Muse zur Künstlerin gewagt, und überzeugt damit nicht nur ihren Ehemann, den Maler, Skateprofi und Fotografen Ed Templeton. Nur wenige Stunden vor ihrer Armoperation stand uns die sympathische Deanna Rede und Antwort.

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Nach den Sternen greifen

‹contributors›

Daniel Tischler

Dani versteht es wie kaum ein anderer, Menschen und Situationen auf fast schon magische Art zu ver­knüpfen. Als kinki-Hausfotograf beweist er seit der ersten Ausgabe einen beeindruckenden Umgang mit den unzähligen (teilweise nicht gerade einfachen) Querschlägern, die er im Laufe der Zeit porträtierte. Für diese Ausgabe besuchte der Luzerner nebst der Schlager­ ikone Sarah-Jane auch einen Wrestling-Event in Weesen, wo er Stimmung und Charaktere mit seiner Kamera einfing. In seiner Freizeit verkleidet sich der 35-Jährige gerne als Bonbonschachtel oder braust in seinem anthrazit- / mintgrünen BMW in Richtung Schnee.

Seraina Etter

Die drei Mitglieder der britischen Band ‹Friendly Fires› sind – wie der Name schon sagt – sehr freundliche Zeitgenossen, das dürfte auch euch in diesem Interview klar werden. Dass sie trotzdem ordentlich Feuer im Hintern haben, beweisen die Herren aber sowohl mit ihren energiegela­denen Liveshows als auch im Fotoshooting mit Martina Wörz.

‹Das Interesse an der Reality-Show «Boys and Girls alone», einer Big Brother-Variante für Kinder sozusagen, rührt daher, dass ich mich immer wieder frage, worin eigentlich die Faszination solcher Skandal-Unterhaltungssendungen besteht›, erklärt Seraina Etter, die sich selber des Öfteren dabei ertappt, wie sie sich genüsslich auf dem heimischen Sofa fläzt und Trash-TV konsumiert. Und sich danach – genervt über die wertvolle Zeit, die dafür draufgegangen ist – an den Kopf greift. Da die 23-jährige Glarnerin und inzwischen semiurbanisierte Luzernerin jedoch Soziologie- und Kommunikationswissenschaft an der dortigen Universität studiert, dienen diese Abende natürlich ausschliesslich wissenschaftlichen Zwecken!

Stefan Milev

‹Crazy. Sexy. Cool!› Das trifft nicht nur auf den Künstler selber, sondern vor allem auch auf seine Bilder zu. Stefan Milev ist einer der wenigen jungen Wilden, die ihrem Stil treu bleiben. Aussergewöhnliche Blickpunkte, stringentes Handwerk und eine exzellente Auswahl des gesamten Teams sind dem deutschen Fotografen wichtig. ‹Ich möchte dem Betrachter mit dem Resultat nicht nur Freude bereiten, sondern ihn gleichzeitig auch zurück in eine Zeit entführen, in der es beim Fotogra­ fieren noch nicht in erster Linie um die perfekte Postproduktion, sondern vor allem um geballte Kreativität ging!›

Andi Speck

Als Hausfotograf der 5th DistrictCrew verschlug es den Zürcher Andi Speck schon in die abgelegensten Winkel verschiedenster Städte. In seiner langjährigen Arbeit als Skateboardfotograf behielt er allerdings hinter der Linse meist beide Augen offen, denn so unbeliebt wie Skater bei Security-Angestellten sind, so beliebt ist das Equipment der Fotografen bei zwielichtigen Gestalten. So muss der Japan-Trip des 5th District-Teams für Andi wohl die stressfreiste Zeit seines Lebens bedeutet haben, denn Japaner klauen nicht, selbst wenn man sein Equipment meterweit vom Besitzer entfernt inmitten öffent­licher Plätze rumliegen lässt. Andi konnte sich also einmal ganz auf seine Arbeit konzentrieren, und präsentiert uns in diesem Heft seine Eindrücke einer Kultur, die ihn zutiefst faszinierte.

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‹gossip›

ohne knopf rocken

‹agenda›

04 18.04. Sa

anna ternheim Härterei, Zürich

pilooski from d-i-r-t-y soundsystem (ch), mercury (ch) Club Bonsoir, Bern 22.04. Mi

razorlight (uk) Volkshaus, Zürich 23.04. Do

noiseberg (ch) Club Bonsoir, Bern

Im Mai ist es wieder so weit. Levi’s zieht zum wiederholten Mal mit der berühmt-berüchtigten ­‹Unbuttoned›-Clubtour durch Tanzlokalitäten in sechs Städten in der Schweiz und Deutschland und hat die derzeit angesagtesten Acts aus Frankreich im Gepäck – beziehungsweise in der Hosentasche. Mit

a camp (swe, nina persson von the ­cardigans)

Busy P, Kavinsky und autoKratz ­kommen Kitsuné- und Ed Banger-­ Abart, Zürich Afficionados voll auf ihre Kosten und 25.04. Sa definitiv ins Schwitzen! Klar dass we have band (uk) oben genannte Jeans-Gang auch am djs: atomik nik & le frère (ch) 14. Mai im Zürcher ‹Hive› einen Club Bonsoir, Bern Stop einlegt. Mission: knopflos die 28.04. Sa Hütte niederbrennen! (ms) www.red-tab.com

so schön kann fluchen sein

eleni mandell (usa)

05 Palace, St. Gallen

01.05. Fr

the ting tings (uk) Kaufleuten, Zürich

toxic.fm turbotanz Kugl, St. Gallen 06.05. Mi

the rakes (uk) Abart, Zürich 08.–10.05. Ein bisschen Gosse steht auch den ­saubersten ­Outfits gut.

Es war einmal ein wohlbehütetes Mädchen, das stundenlang mit ­Häschen spielte und sich abends heimlich mit Mutters Schmuck ­behängte. Jedoch eines Tages lernte sie während ihrer Pubertät das ­Leben draussen kennen, fing an zu rauchen und zu pöbeln. Plötzlich hatte sie den Respekt ihrer Kameraden gewonnen. Als sie älter wurde, konnte sie sich jedoch nie zwischen dem braven Töchterchen und der Göre entscheiden und... So muss es auch Erika Lauret, der Designerin von the French Factory ergangen sein, die es mit ihrem ­zuckersüssen Schmuck und gesalzenen Sprü12

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chen schafft zu überzeugen. Die Französin ist so sympathisch und charmant, man kann sich nicht ­vorstellen aus ihrem Mund je ‹What the fuck› zu hören. Also schreibt sie es kurzerhand auf goldgefasste Broschen und Ringe. So schön kann also ­Fluchen sein. Daneben findet man auch Zigarettenstummel mit ­Schleifen, kleine Pralinen und Pistolen als Ohrringe. Die Auswahl ist gross und immer provokant. Der multiplen Frau ­gehört die Zukunft. Sie schenkt ihrem Gegenüber auch bei ihren ­Accessoires reinen Wein ein. (rz) www.thefrenchfactory.com

biker day Solothurn 14.05.

unbottoned clubtour ­featuring busy p, ­kavinsky, autokratz Hive, Zürich 14.05.–17.05.

pop up – messe, forum, musik Leipzig, Deutschland 16.05. Sa

desert planet (fin) Helsinki, Zürich 22.–24.05.

we love kicks Artstübli, Basel



zurück zum halt die klappe beton In Ostdeutschland gilt der Kampf gegen die übermächtige Musikindustrie noch längst nicht als verloren. Das lässt uns jedenfalls das Leipziger ‹Pop Up› Festival hoffen. Zum achten Mal sind vom 14. bis 17. Mai 2009 Musiker, Labels, Fans, Agenturen, Clubs und Medien ­herzlich willkommen. Die Plattform möchte vor allem die ‹independent› agierende Szene im Bereich Popmusik und Kultur ­erreichen. Sie spricht all jene an, bei denen das Kreative an erster Stelle steht. Abseits vom Mainstream erhalten Musikmacher und -beobachter ein Forum zur Präsentation und Diskussion. Die günstigen ­Preise ermöglichen auch LowBudget-Projekten eine Teilnahme. ­Möglich wird dies durch die ehrenamtliche Arbeit der Organisatoren und ihrer zahlreichen Helfer. ­Dabei setzt die ‹Pop Up› auf Idealismus und Unabhängigkeit und schlägt auf diesem Gebiet die übersatte Berliner ‹Popkomm› um Längen. Allerdings kommen den Machern zeitweise Zweifel. Wäre ein wirtschaftlicher

­ rfolg nicht doch geiler? Statt E 160 Ausstellern nur zehn, die Höchstpreise zahlen, und Mario Barth nonstop zehn Stunden auf der Bühne über Frauen und Männer philosophieren lassen? Doch sie besannen sich und bleiben doch die Guten. (rz) www.leipzig-popup.de

der die Chance, ihre Kreationen in der Medienstadt Hamburg zu ­präsentieren. Die besten Werke können ­natürlich auch was gewinnen. Letztes Jahr bei Klappe 28 vergab der Kommunikationsverband insgesamt 39 Klappen, davon 5-mal Gold, 12-mal Silber und 22-mal Bronze. Bis zum 20. April 2009 habt ihr Zeit, einen Film zu erstellen und einzusenden, dann muss aber alles ­stehen und – falls das Ding sehensBild. Und Toneinstellung. Und wert ist: ab zur Verleihung am ­Klappe – die Neunundzwanzigste. 15. Mai 2009. Detaillierte TeilnahDie besten Filmemacher aus mebedingungen findet ihr im Deutschland, der Schweiz und Netz. (cf) Österreich haben endlich mal wie- www.dieklappe.de

t-shirt fair kaufen Shopping ohne schlechtes Gewissen: Bio Fair richtet sich an verantwortungsbewusste Fashionistas.

Ehrlich währt auch im Untergrund am längsten, wie das ‹Pop Up›Festival beweist.

this month on the web PDF-Magazine schiessen seit ­einiger Zeit wie Pilze aus dem weitläufigen Boden der Weblandschaft! Sei es in Sachen Mode, Musik, Kunst oder was auch immer: man blättert sich längst nicht mehr nur mit dem Daumen, sondern immer öfter auch mit der Maus durch die Magazinlandschaft. Da wir alle ­jedoch ab und zu gerne auch mal etwas anderes als einen Bildschirm vor unserem Gesicht haben, und der Geruch eines frisch gedruckten ­Heftes nach wie vor virtuell schwer nachzuempfinden ist, werden wir von kinki weiterhin zweigleisig fahren und euch auch diesen Monat – neben den handfesten Tatsachen in diesem Heft – auf www.kinkimag.com mit allerlei Ergänzungen, Interviews in voller ­Länge, Videos und 14

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dem aktuellsten Geflüster aus Mode, Kunst und ­Musik verköstigen! Und unsere Besucher werden auch diesmal mit ­allerlei Online-­ Exklusivitäten belohnt, zum ­Beispiel einem Interview mit den ­Machern der Compilation ‹Dark Was the Night›, einem Artikel über ­Londons hippe Vintage-Retroszene und einem Making-of der Fotostrecke ‹Vom Suchen und Finden› in dieser Ausgabe. Ganz zu schweigen von etlichen neuen Musikvideos, den Künstlerporträts unter ‹youngart› und dem allseits beliebten Aggressionsventil ‹klagemauer›. Am besten also, ihr setzt euch nach beendeter Lektüre dieses Hefts gleich wieder an den Computer! (rb)

www.kinkimag.com

Wie kauft man ein fair gehandeltes T-Shirt? Mit dem Kampagnenslogan ‹Fragen Sie auch bei T-Shirts nach Bio und Fairtrade› wendet sich die Entwicklungsorganisation Helvetas im UNO-Jahr der Naturfasern direkt an alle Schweizer T-ShirtShopper. Kern der Kampagne ist der interaktive Shopping ­Guide www.bio-fair.ch. Ob zu Hause oder mobil auf dem Natel: die Website zeigt potentiellen T-Shirt-Käufern, wo es in ihrer Stadt Bio- und Fairtrade Textilien gibt. Der Online Shopping Guide basiert auf Google

Map. Kleiderboutiquen, Warenhäuser und Textilläden, die biologisch produzierte und fair gehandelte ­Textilien anbieten, können sich direkt und gratis online registrieren. Nach erfolgtem Eintrag erscheint der Shop an entsprechender Stelle auf der Schweizer Landkarte. ­Natürlich ist ‹Bio Fair› nicht nur eine ShoppingLandkarte, sondern bietet auch Hintergrundinformationen zu Bio- und Fairtrade-Cotton. Feine Sache, unbedingt unterstützenswert. (ms) www.bio-fair.ch


das ist colin Möchte lieber nicht namentlich erwähnt werden:­ ‹I am Colin›.

gelati e lingue

Non schola sed dolce vita!

Dieser junge Herr scheint zum Teil ­etwas deprimiert zu sein. Er sagt, er sei nicht sexy und nicht geistreich. Doch ungeachtet all dessen hat der junge Designer

Ausgewählte Farbkombinationen und leichte Stoffe machen den Eindruck, als wäre nur ein Hauch von Nichts in den Taschen. An der Kunsthochschule Arnheim in den Niederlanden entdeckten Fenke Schwan und Alex Gabriel ihre Liebe nicht nur zum Design von Accessoires und Mode, sondern auch für einander. Ihr Konzept von auffälligen grafischen Mustern und starken Farbkombinationen auf schlicht gehaltenen Schnitten finden wir diesen Sommer nicht nur bei den Taschen, sondern auch in einem Kleid und ­geflochtenen Ketten, die in verschiedenen Farben funkeln. Also raus auf die Strasse. Schöner können Mann und Frau ihre geheimen Schätze nicht verstecken. (rz)

Ab in den Urlaub. Am besten schon morgen. Es soll nach Italien gehen, wo Dolce Vita regiert und man beim guten Roten den Sonnenuntergang geniesst, sich nachmittags den Bauch bräunt und sein Leben auskostet. Doch irgendwas ist nicht authentisch. Warum spricht der Eisverkäufer ­eigentlich Deutsch mit uns? Wollen wir wirklich die Heimat ins fremde Land bringen und auf Campingplätzen residieren, in denen man nur Sprachgenossen findet? ‹Sich bloss nicht anstrengen› heisst die ­Devise. Doch dass unser Gehirn im Urlaub bis zu 15 Prozent abbaut, wird oft vergessen. Also warum nicht richtig ins Land eintauchen, den ­Sitten und Gewohnheiten der Italiener auf die Spur kommen und dabei die Sprache ­lernen. Mit der international anerkannten Sprachschule ‹Sorrento Lingue› wird uns das ganz einfach gemacht. Die Schule befindet sich in der Stadt Sorrent, die südlich von Neapel und in der Nähe der traumhaften Amalfi-Küste liegt. Die Schule organisiert Ausflüge und Anlässe, die es den Schülern erlauben, mit Einheimischen ins ­Gespräch zu ­kommen und das Erlernte im Alltag anzuwenden. Auch die Unterkunft kann individuell gewählt werden. Neben Hotels und Appartements ­stehen Zimmer bei italienischen Familien zur Verfügung. Wer aber noch mehr kulturellen Austausch sucht, kann neben dem Sprachunterricht auch noch an Koch-, Keramik-, Tauchoder Gesangskursen teilnehmen. Ausflüge nach Neapel und Pompeji oder zu den berühmten Inseln Capri und Ischia sind daneben eine Erkundung wert. Wer da nicht mit 20 ­Prozent mehr Grütze in der Birne heimkommt, hat sich vermutlich den ­Eisverkäufer geangelt. (rz)

www.gabriel-schwan.de

www.sorrentolingue.com

unter dem sowohl einfachen als auch charmanten Namen ‹I am Colin› und eben dieser depressiven Label-Philosophie einige Herzen erobert. Selbst Berühmtheiten wie

taschengeheimnisse Jetzt ist es raus. Lippenbalsam, Geldbeutel, Handy, Schlüssel, Terminplaner, Stifte, Feuer, etwas ­Süsses, was zum Trinken, den Kajal, Taschentücher, Deo, Nagelset, Pflaster, Kopfschmerztabletten, Kondome und Tampons. Alles samt ­Sachen, die eine Frau in ihrer Tasche versteckt. Doch in was sie ihre ­Heiligtümer umherträgt, ist natürlich Geschmacksache. Von ganz gross bis sehr klein ist alles denkbar – eine Frau ohne Tasche aber unmöglich. Ein Glück, dass die Männer auch nachziehen und ihre eigene kleine Täschchenfraktion eröffnen. ‹Gabriel und Schwan› ist ein kleines aufstrebendes Modelabel aus Köln und macht für Mann und Frau Schulterschmücker, die in diesem Sommer leuchten. LeSac für beide oder BackgammonBag für sie.

Bloc Party haben in seinen Shirts schon ihren Schweiss gelassen. Bravo ­Colin! (cf) www.i-am-colin.com

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‹figaro›

der (weissbrot-) afro Herkunft vermutlich Skandinavien Mindset Hippies, Trendsetter und Kinder Geschlecht männlich und weiblich Passt gut zu schlampigem Hippie-Look, schwedischen DesignerKlamotten, Abendkleid

E

s gab eine Zeit, als jede Typ-Veränderung eine echte Style-Lawine auslöste. Von unnatürlicher Hautfarbe über angeklebte Fingernägel bis hin zu ­blondierten und geglätteten Haaren – alles hat seine Zeit. Zum Glück besinnt sich der grösste Teil der Menschheit nun wieder auf die gute alte Natürlichkeit. Neue Trends, neues Glück. Es ist an der Zeit, sich und die Welt so zu nehmen, wie Mutter Natur uns geschaffen hat. Ob blasse Haut, rote Haare oder gruselige ­Locken. Heute ist der ‹in›, der sich zu seinen persönlichen Makeln bekennt. Vor allem Menschen mit ausgeprägter gezwirbelter Mähne sollten sich ihres wunderbaren Haarformats freuen. Über Locken lässt sich streiten, über Natürlichkeit nicht. Die einen haben die wuschligen Härchen, die anderen wollen sie. Diejenigen, die eine Lockenpracht besitzen, sollten diese auch in Form bringen und so neidische Blicke sammeln. Lange Zeit galt der Afro als stolzer Ausdruck afroamerikanischer Menschen. Sie zeigten ihre Wurzeln mit ­einer monströsen Lockenmähne. Was zu den ­schwarzen Soul La-

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dys und Funk Brothers sicherlich gepasst hat. Mit auf der ­Kraushaarwelle sind auch Jimi Hendrix und die ­Jacksons gesurft. Alle Fans der Jackson Five – egal ob schwarz oder weiss – versuchten einen Afro zu tragen. Jeder wollte zu ‹Blame It On A Boogie› seine ­krause Mähne zum Rhythmus kreisen lassen. Die langen, ungestylten, wilden und lockigen Haare wurden schliesslich in den späten 60er-Jahren zum Ausdruck der Hippiebewegung. Heute sind es vor allem Trendsetter in ganz Europa, die ihren Locken freien Lauf lassen. Nicht nur Farbige sehen mit angeborenem Afro grossartig aus, auch blasse Haut mit blonden ­ Locken kann verlocken. Eine der Anhängerinnen ei-

ner solch begehrenswerten Frisur ist die Sängerin Linnea von der schwedischen Girl-Pop-Band ‹Those Dancing Days›. Mit ihrer natürlichen Ausstrahlungskraft und der tollen Lockenpracht zieht sie uns alle in den wilden Locken-Bann. Wer also noch immer seine Locken mit Glätteisen oder Rasierklinge zu unterdrücken versucht, sollte den Kampf aufgeben. Denn sie wachsen und gedeihen sowieso – und sehen ganz natürlich am besten aus.

Text: Christina Fix Illustration: Lina Müller


gestalter.ch

livestream: www.toxic.fm

.95 und 101.6 mhz on air: 107.1 mhz, kabel: 98 gsradio toxic.fm – das Ausbildun


klagemauer Dein Meerschweinchen hat dich heute gebissen? Deine Freundin steht auf DJ Bobo? Die Welt ist böse? Zürich geht dir auf den Sack? Dein Lover hat deinen Geburtstag vergessen? Egal was dich gerade stresst oder nervt: auf kinkimag.com unter ‹Klagemauer› kannst du Dampf ablassen. Die besten Einträge werden hier veröffentlicht.

oralverkehr im stau dini muetter | dases ersch 25 minutä spöter isch als vor 25 min... ruedirivella | Mitbewohner, die bei 28 Grad an der Cote D’Azur sünnelen und sich bemitleidend nach dem Schweizer Wetter erkunden! Bastard! Bischof | das ewige geklage von euch klägern...an die mauer mit euch helliokristan | Samstag Abend nüchtern zu sein. Machtlos | Tage an denen vom aufstehen bis zum schlafen einfach ALLES schiefgeht. Und zur Krönung der Arzt ­Urlaub hat. InsignF | Dass meine Kondition schlechter ist als die einer Scheintoten!!! HeisseLuft | mich nervt, dass egal, woni bin immer öppis fehlt Anonymous | mich nervt dass ich allen Leuten immer voraus bin!!! peter | Mich nervt dass ich nicht in der Kinkimagazin-Klagemauer aufgeführt bin ;-) Klagemauereintrag | heute eigentlich noch nichts. muss auch mal gesagt sein. Ivanhoe | mich nerven datenbanken die nicht funktionieren, männer die sich nicht zurückmelden um ein anvisiertes date zu bestätigen, immernoch grauer himmel und kein frühling in sicht. nervige kunden denen man zucker in den a**** blasen muss... frau frust | Zürich nervt mal wieder gewaltig! Nach dem ­Motto: ‹Wer sich in der Bänkerstadt nicht grau kleidet hat schon verloren›. Züri, wie langweilig bist du denn!? Kimdavos | mich nervt dass ich so lange meine zeit ­verschwendet hab! Anonymous | Mich nerven die ständig dumm grinsenden Fressen die keine Ahnung haben wie man seinen Mitmenschen ein Lachen schenkt... Grosskotzige einbahnfahrende super Durchblicker die sonnenbrillig durch die Nacht rasen... Leute die morgens aufstehen und trotz-­ dem schlafend durch die Welt torkeln... Nadusch | ich nerve mich, dass ich­ besoffen sms an einen typen geschrieben hab, der eigentlich so ein arschloch ist. b­enonymus | mädchen, die sich nicht zurückmelden The talented Mr Ripley | ...dass ich mich ständig mit meiner Freundin streite, obwohl wir uns beide lieben... Wo bleibt da die Logik? Auch der Affe rennt gegen die Wand. zenetti | das ich under de wuche überhaupt kä zit han für usgang erdbeerfeld | Der Fritzl und sein ganzes Gerichts-Geschnitzel! Hansi | diese eisige kälte am morgenfrüh soll sich ­endlich verpissen! petrus, dachtest du wirklich ich will mir jeden morgen so viel überziehen, dass ich aussehe wie ein ausgestopfter hanswurst?!­ slim | ich hasses dass ich immer alles vor mich hii schiebe... Anonymous 18

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‹was läuft›

basel Korrespondent: Philipp Bibbo Brogli Alter: Quietschfidel Beruf/Berufung: Aprilscherz Lieblingsbar: Valentinos Lieblingsclub: Funambolo Hotspot des ­M onats: Heinz Strunk liest ‹Fleckenteufel› – Volkshaus, 27.04.09

21up extravagant

In der Basler Clublandschaft war es längere Zeit sehr still was Neueröffnungen anging. D.K. Brown, DJ und Produzent von Deep Soulfull House und A. Allahgholi, Barchef mit weltweiter Erfahrung, haben den ‹clubVogue› an der Clarastrasse 45 konzipiert und eingerichtet. Zuvor waren die beiden 1 ½ Jahre als Führungscrew der ‹BarRouge› aktiv am Basler Nachtleben beteiligt. Auf der schön hergerichteten Website merkt man, dass ein ‹edles› und – mit Eintritt ab 21 Jahren – älteres Publikum angesprochen werden soll. Abzulesen am Dresscode, welcher von stylish bis extravagant angepriesen wird! Der Soundteppich streckt sich von R&B über House bis zu modernem Jazz. Ob das angestrebte Level der besten Cocktails in Town erreicht wird, muss selbst ­probiert werden. Zu 100% geht der Betrieb im April auf Touren, trotzdem ist seit März schon geöffnet. Nicht zuletzt durch die Nähe zur Messe Basel könnte das Konzept für diese Zielgruppe aufgehen. Die ‹langweilige› Clarastrasse wird aufgepeppt und die ‹BarRouge› – an grossen Messen oft überfüllt – entlastet. www.club-vogue.ch

erwischt

Der international bekannte Basler Graffiti-Künstler SMASH 137 ist vom Basler Strafgericht zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse verurteilt worden. Grund waren Sprayereien an einer Mauer an der Basler Bahnhofseinfahrt, wo er zusammen mit zwei anderen ­Sprayern von der Polizei verfolgt und erwischt worden war. Erwischt worden an dem Ort, wo ­Hunderte von kreativen Graffitis die 20

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luzern Zugeinfahrt zieren und die tristen grauen Mauern zum Verschwinden bringen! Das gesamte Untersuchungsverfahren ist mit über 19 000 Franken sehr teuer gewesen. Dabei hat das Delikt beinahe Bagatellcharakter. Die Verhältnismässigkeit ist schon fast lächerlich. Da SMASH geständig war, erhält er 20 Tagessätze à 70 Franken bedingt und ebenso eine Busse von 100 Franken. Er musste allerdings zusätzlich die Gerichtskosten von 7400 Franken übernehmen. Dies weil wegen der früheren Nichtaussage sein Computer untersucht worden war. Im Internet hätte man weitaus mehr über ihn finden können...

gebracht erscheint, und das ­­ Erdbeben als Zeichen für Gottes Zorn galt, hat man nach dieser ­Katastrophe kurzer Hand ein Tanzverbot eingeführt, welches ursprünglich nur bis zur nächsten Fasnacht gelten sollte, sich nun aber bis heute gehalten hat! Back to present: Nach gut und gerne 510 ­Jahren christlichem Diktat konnte sich nun der Kantonsrat, wenn Flavor Flav mag vielleicht auch nach auch nur äusserst knapp (51: 50 zwei komplett gescheiterten VersuStimmen), nach einer entsprechen, via medialer Hilfe eines Musik- chenden Motion der Grünen auf die senders die grosse Liebe zu erAufhebung des Tanzverbotes an fahren, noch immer keine gescheite ­hohen Feiertagen in Luzern einigen. Vorstellung von seiner Traumfrau Mich freuts ungemein, die Club­haben, dass der Wecker-Fetischist betreiber werden sicherlich auch die www.smash137.net jedoch was von Musik versteht ein oder andere Freudenträne verund so zu Weltruhm und zweifelhaf- giessen und den Mitgliedern der CVP ten Kupplershows gekommen ist, und SVP möchte ich auf diesem steht nicht zur Diskussion. Dies hat Wege sagen, dass sie doch nun bei er aber nicht nur seinen grossartiGelegenheit auch mal ihre KrawatDie Stadt will das Herzstück, das gen Entertainer-Qualitäten und den ten gegen ein Bandana eintauschen Restaurant Erlkönig und dessen lyrischen Fähigkeiten seines sollten und ich mir gut vorstellen Lounge, übernehmen. Bis dieses im Buddys und Black-Power-Aktivisten kann, dass selbst der Sohn Gottes Herbst 2010 saniert und im Frühling Chuck D zu verdanken, sondern mit seinen Jüngern ab und zu mal 2012 als Parkcafé wiedereröffnet eben auch grossenteils dem Produ- ­ordentlich einen drauf gemacht hat! wird, führt das Duo Bissegger/ zenten-Duo ‹Bomb Squad›, wel­Messerli den Betrieb eigenständig ches am 7. März diesen Jahres erstweiter. Das Partyangebot am Womals im Südpol zu Gast war. Für chenende soll durchgehend aufmich ging an diesem Abend schlicht rechterhalten werden. Jeanny Mesund ergreifend ein Bubentraum in serli hat die Programmleitung per ­ Erfüllung, da ich Gelegenheit hatte, Ja, auch in Luzern wird der Tag der 1. April an den Basler DJ Eres Oron ein Dubstep-Set der ShockleeArbeit begangen – und dies nicht zu abgegeben. Nachdem der Konzert- Brothers zu erleben, welches nun knapp! Was rechte wie auch linke betrieb länger ruhte, soll dieser in wirklich sämtliche Power aus Splittergruppen planen, um der verder nt/Lounge wieder aufgenommen dem mehr als zufriedenstellenden hassten Gegenseite ans Bein zu werden, auch Lesungen und KochPA rauskitzelte, und danach ­pinkeln – und seien das Duschmittelabende kommen in Frage. Obschon selber noch mit meinem Kumpel Cocktails oder Haarwuchsmittelam 1. Juli die ersten Wohnungen auf Cockboy an die Regler durfte. Granaten – so interessiert mich das der Erlenmatt einzugsbereit sind, Von Public Enemy war nicht viel zu doch einen feuchten Hundedreck, darf noch einmal getanzt werden! hören, viel mehr jagte Hank Bässe, solang sie sich auch gegenseitig schaZwölf Party- und Konzert-Freiluftver- tiefer als der Marianengraben! den können. Aber genug der anstaltungen sind für Sommer 2009 www.shocklee.com ­Schadenfreude und back 2 topic. mit Lautstärkebeschränkungen beMit einem Spektrum von HC zu willigt worden. Der Startschuss fällt ­Hillbilly-Core werden am Nachmittag mit der Kunstmesse ‹ART Basel›. die ‹interessanten› Reden des GeDie Aufteilung der Open-Air-Events Kurze Geschichtsstunde: Am werkschaftsbundes und der UNIA mumüssen nt/Lounge, die Grenzwertsikalisch unterlegt, um nebenbei auf Sommerbar und das Funambolo un- 18.09.1601 forderte ein Erdbeben in der Zentralschweiz mehrere die allgemein bekannten Probleme in ter sich ausmachen. www.myspace.com/ntareal Tote und verursachte bis zu 4 Meter unserer Gesellschaft hinzuweisen. hohe Flutwellen, welche durch eiDies alles wird auf der Tragfläche einen Erdrutsch in den Vierwaldstätnes Trucks in Angesicht der Jetersee ausgelöst worden waren. suitenkirche vonstattengehen, bevor Da die damalige bürgerliche Meidann im Sedel bewiesen wird, dass nung besagte, dass Freizeitverdieser Feiertag auch ohne Gewalt und gnügen verboten werden können, Depression funktionieren kann. www.myspace.com/firstmayhem wenn gottgefälliges Verhalten anKorrespondent: Kackmusikk Alter: 27 Beruf/Berufung: Hartz IV, V & VI Lieblingsbar: Gary Barlow Lieblingsclub: Südpol Hotspot des Monats: My new Crib!

bomb squad

nt update

first– mayhem

tanzverbot


bern

st.gallen ten; elektronischer Geschmack von Zombie Nation und Housemeister kommt aus der nächsten, und dann am letzen Abend werfen die Berner Allstars mit Blumen, Schmetterlingen und allem, was da kreucht und fleucht, um sich. Für uns bedeutet das, die Finger nach diesem Spektakel zu lecken.

zember Gold-Member des Quantum Clubs hat werden wollen. Einen 800-fränkigen Getränkegutschein mussten die erwerben, wurden dafür aber als Hüter der normalen Memberkarte auch zu Gate-Keepern. Wir haben ja damals schon gerätselt, ob man es schaffen kann, die 800 Stutz je wegzutrinken, denn Seit Ende März pustet die neue www.ammonit.ch in den letzten Jahren hat niemand in ­Partyserie ‹Is It Disco› die Dampfden heiligen Hallen des ehemalizentrale aus dem Kessel und gen Ozon für längere Zeit die Türen Nur noch zu zweit sind in nächster ­Raphael Delan zurück nach Bern. offen halten können. Auch der Zeit die Friends with Displays. Nachdem er seinen Plattenladen Quantum Club nicht. Trotz Rückbe­Valentin ist in New York. Wir sind Delan Records aufgab, findet man sinnung aufs Ozon reichte es den aber überzeugt, dass auch die die musikalischen Schätze nun Quantum-Machern nicht – nach drei zwei verbleibenden Friends für Böl- Monaten ist schon wieder Schluss. ­jeden Monat im Foyer. ‹Is It Disco?› ler sorgen, dass die Wände wackeln. Ein bisschen blöd, hätten wir doch noch muss man sich spätestens dann Kräftig geböllert haben sie im März nicht mehr fragen, wenn am 17. April Es gibt Dinge die gibt’s gar nicht. Gutscheine für ­Gratiseintritte geVor allem wenn es Dinge wieja auch in der Tankstell zusammen mit habt, und jetzt waren wir doch nie dort. Veranstalter Delan und Alex Dallas sogar die Discokugel zum Grooven der gibt, die es eigentlich nicht mehr Justin Faust. Die Tankstell war Respekt zollen wir denjenigen gab. Nachdem man die schwarzen ­pumpenvoll, draussen die winzige Bar ­Goldmembern, die ihren Gutschein bringen. www.isitdisco.com/ Türen des Wasserwerk-Clubs für im- auch. Der Zapfhahn draussen war durchgesoffen haben. Den andern mer verschlossen glaubte, öffnet nötig. Das gab uns auch Grund zum sagen wir: Ihr wart gewarnt. Jemand sich der Sesam Berns Ende April wie- Nachdenken. Gleichzeitig spielte vom Trischli (R.I.P.) soll die Räume der. Mit klarer Luft, Töggelikasten, Ollie Teeba von herbaliser im KUGL, übernehmen wollen, wird gemunkelt. www.quantumclub.ch neuen Wänden, einer Lounge und viel und so sehr wir die auch ­mögen, Ma-mam-ma-masch-sch-i-n-e! Sind Sound können die jungen Wilden wir haben’s nicht mehr hingeschafft Menschen nicht mehr weit von Berns ihrem Namen wieder alle Ehre – wie viele andere auch. Denn es der Maschine entfernt oder Maschi- machen. Das Eröffnungswochenkommt wieder öfter vor: Es ist Freinen auf dem Weg zur Menschwerende am 24. und 25. April zeigt schon tagabend und überall wird ge-­ dung? Diese Fragen durchwandern mal, was das bedeutet: mit Xinobi, böllert. Allenfalls einer der diversen die Welt, die vom 7.–9. Mai in der Moulinex und Data abgehen und nie Veranstalter ist am andern Tag Grossen Halle der Reitschule geschaf- wieder heimgehen. glücklich, oft aber keiner. Dafür ist www.wasserwerkclub.ch fen wird. Bei den Ausstellungen, nachher für Wochen tote Hose. Konzerten und Workshops rund um Sprecht doch miteinander, bitte. ­ die mechatronische Kunst geht es St. Gallen ist zu klein für drei ­ vor allem um Ingenieure, Maschinencoole Sachen an einem Abend, aber kunst, Robotik, alle Arten von zu gross für dann wieder wochenSchraubenziehern und vor allem um lang gar nix. Übrigens: Die Mai-Aus‹Do It Yourself›! Also los, schon mal gabe des Elektron im KUGL darf den Robodance üben! mit T.Raumschmiere plöffen. Wir komwww.diyfestival.ch/roboloco men mit dem Monstertruck vorbei.

Korrespondent: Xymna Engel Alter: 23 Beruf/Berufung: Studentin Lieblingsbar: Café Kairo Lieblingsclub: Dachstock Reitschule Hotspot des monats: Hoffentlich bald Bern

is it disco?

im wasserwerk werkt’s

Korrespondent: Die Gallier Alter: Jung und alt Beruf/Berufung: Barkeeper/ Journalist Lieblingsbar: Bargeld Lieblingsclub: Fussball oder Hockey? Hotspot des monats: St. Gallen Beachside

böller und ein aufruf

roboloco

www.kugl.ch

blumen und schmetterlinge Für alle Partybienen, die sich jeden Tag die Hucke voll Musik füllen können, ist das Programm vom ­‹Flowers and Butterflies Festival› im Kornhausforum vom 9. –12. April ein klebriger Genuss. Die erste Wabe ist gefüllt mit House von Timo Maas und Franctone, Ltj Bukem pumpt ordentlich Drum’n’Bass aus der zwei-

gutscheine

Freuet euch, St. Galler. Die Stadt will euch einen Einkaufsgutschein ­schenken. 50 Stutz. Wie stützt man mit 50 Stutz am besten die lokale Wirtschaft? Ausgeben dürfe man sie nur bei Mitgliedern des ‹St. Galler Rings›, wo vor allem alteingesessene Geschäfte dabei sind. Ich denke aber, ein paar Bratwürste und ein paar Schützengärten sollten da schon bei rausschauen. Gutscheine konnte auch kaufen, wer im Dekinki

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‚Handicaped Cars›, digitale Fotocollagen, Plots, 2009

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‹Bricked Castles›, ­digitale Fotocollagen, Plots, 2008/09

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Collagen als 足Vorlagen f端r das Laser Magazin, 2008

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dekonstruierte/neu ­zusammengesetzte Geweh­re aus der Serie ‹Dogs in the Castle›, Digitale Fotocollage, Plots, 2009

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‹Oszillator XX›, 68 × 82 cm, Tempera / Acryl auf Leinwand, 2009 ohne Titel, aus dem ­Künstlerbuch ‹Analyse ­Paradise II›, 2008 ohne Titel, Tempera auf ­Papier, 15 × 21cm, 2008 ‹Sophokles›, Tempera auf Papier, 42 × 56cm, 2008

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No face, no problem: Beni Bischof

Ironie, Absurdität und Manipulation dominieren Beni ­Bischofs künstlerische Welt. Mit viel Humor, ein wenig Bissigkeit und Irritation sowie einer atemberaubenden Vielfältigkeit zieht uns Bischofs Schaffen in seinen Bann. Text: Florence ­Ritter

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eni Bischof präsentiert sich uns mit zwei Kartonschachteln unter dem Arm − Kar­ tonschachteln, die einen klitzekleinen Ausschnitt aus seinen täglichen Kreativ­ ergüssen aufbewahren. Beni hat kein Archiv, ob­ wohl er an ‹Lusttagen› vierzig bis sechzig Bilder malt, zeichnet oder collagiert. Von den Bergen von Arbeiten überleben dann aber meist nur drei bis vier Zeichnungen. Die schlechtesten wirft er weg, andere landen in Schachteln und wieder andere finden als postalische Kunstbotschaften ihren Weg zu seinen Freunden. Eine weitere Spezialität Bischofs sind seine Hefte, sogenannte Zines: ‹Sie sind eine Art Gale­ rie in Heftform, eine Plattform, um meine Kunst in die Aussenwelt zu transportieren.› Bischof arbei­ tet nach dem Lustprinzip: Mal malt er ein bis zwei Monate lang, bis ihn wieder das Schnipseln und Zeichnen reizt oder er die Lust verspürt, ein Heft zusammenzustellen. Die Heftchen entstehen aus bestehenden Arbeiten, sind mal stärker thema­ tisch gegliedert, mal wild gewürfelt und manchmal sogar total dem Zufall überlassen. Zeichnungen von Explosionen, Menschen ohne Gesichtern und Festungen kommen in Bischofs Werk immer wie­ der vor. Er schätzt die graphischen Aspekte beim Zusammenstellen der Heftchen als willkommene Abwechslung zu seinem malerischen und zeich­ nerischen Schaffen. Weniger anregend für seine Hirnhälften empfindet er die Duplikation seiner Hefte mittels Drucker oder Kopierer. Die Heftauflage von 10—80 Stück für seine Abonnenten be­ deutet viel lustlose Arbeit, deshalb kommt es auch schon mal vor, dass anstatt der offiziellen sechs Heftchen pro Jahr nur drei Ausgaben erscheinen. Dafür dauert dann das Abo zwei Jahre.

Vertikale Kunstschau

Die Hefte spiegeln wie auch die Wandinstallatio­ nen, die er für Ausstellungen anfertigt, Bischofs Arbeitsweise wider. Seine Wandinstallationen entstehen aus den Bildern und früheren Arbeiten, er nennt sie auch liebevoll die ‹Best of Wall aus der Schachtel›. Beni steht beiden Präsentations­ formen eine besondere synergetische Wirkung zu: ‹Ich finde es sehr spannend, wie auf einer Dop­ pelseite oder eben bei einer Ausstellung ein Ob­ jekt mit einem anderen Teil kommuniziert. Im Ge­ samtbild entstehen so Synergien zwischen den Arbeiten und am Schluss ergibt sich viel mehr als nur die Summe der Einzelteile.› In unserem Grafik­ büro packt Bischof dann auch eine Arbeit nach der anderen aus seinen Schachteln und legt sie

übereinander auf den Tisch, bis der ganze Sit­ zungstisch ein hügeliges Sammelsurium von Heft­ chen, Zeichnungen und gemalten Künstlerbü­ chern aufweist: ‹Es ist ein absurder Kosmos, der auch meine Arbeitsweise widerspiegelt, es ent­ steht wirklich sehr viel schachtelweise. Aber für die Zukunft habe ich vor, stärker zu selektieren und in Serien und Werkgruppen zu arbeiten.›

Bischofs Bergwerk

Ganz klar, Beni Bischof macht sein eigenes Ding. Seit drei Jahren lebt und arbeitet Bischof als frei­ schaffender Künstler in St. Gallen. Er absolvierte eine Grafik-Fachklasse und arbeitete dann zwölf Monate in einer Werbeagentur in seinem Beruf. Dann reichte es ihm: ‹Die Zeit war mir einfach zu schade, um so viele Stunden in der Woche für je­ mand anderen zu arbeiten.› Auch seine Einflüsse mag Bischof nicht so recht benennen. ‹Manchmal halte ich mich gar vor Museumsbesuchen zurück, um nicht zu stark verwirrt und beeinflusst zu wer­ den.› Zu einem kleinen Statement lässt er sich trotzdem hinreissen: ‹Die Kompromisslosigkeit von Dieter Roth und die Ironie von Kippenberger gefallen mir sehr.› Und auch Ablert Oehlen und Raymond Pettibon kann er etwas abgewinnen. In Bischofs Bergwerk auf unserem Tisch finden wir Collagen mit Terroristenbärten, Zeichnungen von magersüchtigen Kebabs oder manipulierte, kopf­ lose Katzenfotos, bei denen man nicht weiss, wo hinten und vorne ist. Bischofs Bilder irritieren und amüsieren. Wie ein roter Faden ziehen sich Macht­ symbole durch sein Portfolio. Da gibt es zum Bei­ spiel ein Heftchen mit alten Autos, Flugzeugen und testosterongeschwängerten Muskelprotzen: ‹Das ist das reinste Machtkonglomerat. Eigentlich sind die Collagen aber aus meiner Zuneigung zu alten Flugzeugen und Autos sowie der Erkenntnis der Unsinnigkeit des Bodybuildings entstanden.› Oder ein Heft mit Gewehren, die Bischof ausein­ andergenommen und wieder zusammengeklebt hat. Bischof dekonstruiert, um Neues zu kreieren; er manipuliert, um Absurdität zu erschaffen. Die Aussage eines Bildes interessiert ihn im ersten Moment wenig, viel mehr sind es formale Aspekte oder die persönliche Neugier, die ihn antreiben. ‹Die Waffen an sich sind eigentlich recht schöne Objekte›, kommentiert Bischof seine Waffenbil­ der, ‹abgesehen davon, dass sie einfach dumm sind.› Und zum Inhalt meint er: ‹Die Waffenbilder einfach als pazifistische Kritik aufzufassen, wäre mir dann doch zu plump und zu sachlich.› Das ist ähnlich wie bei den Explosionen, von denen

­ ischofs Opus ganze Zeichnungsserien sowie B manipulierte Fotos aufweist, da spielen das For­ male und der Inhalt mit: ‹Das Brutale der Explosi­ on und das Zarte der Wölkchen und der Strahlen, das fasziniert mich.› Die inhaltlichen Aspekte kom­ men Bischof erst im Nachhinein, manchmal erst nach Wochen. Dennoch ist ihm klar: ‹Man denkt schon schnell an den Inhalt, wenn man die Bilder sieht. Aber darum geht es mir nicht in erster Linie, manchmal sind die Inhalte sogar zufällig.›

Ironie und ­Absurdität

Auch ein ‹Burgenheft› – das grossen Anklang fin­ det – ziert seine Sammlung. Die Burgen sind Scans aus einem Brockenhausbuch, die Bischof aufgeräumt oder prägnanter gemacht hat: Fens­ ter, Tore und Türme hat er entfernt, den Hinter­ grund homogener gestaltet und so das Wesentli­ che aus der Form der Burg rausgeholt. ‹Die Burgen kann man schon als ein zu starkes Abschotten in­ terpretieren: Man geht zu Grunde ohne Licht und wenn man nicht rausgehen kann. Aber das überle­ ge ich mir vorher nicht, das entsteht intuitiv aus meinem Interesse heraus.› Obwohl Bischof nicht unbedingt politisch sein möchte, entstehen aus seiner Affinität für Ironie und Absurdität und sei­ nem Interesse für weltliche Themen Bilder, die ge­ sellschaftskritisch gelesen werden können. Au­ sserdem fördern vor allem seine Collagen solche Inhalte, da sie aus Printmedien entstehen, die un­ umgänglich politisch, geschichtlich und somit ge­ sellschaftsgebunden sind. Bischofs Ziel ist es, als Künstler zu bestehen und kompromisslos das ma­ chen zu können, was er will, ohne sich zu verfäl­ schen. Sein unbändiger Drang und die Lust zu malen und zu zeichnen, sein sympathisches, sehr eigenes Wesen und seine Schachteln werden ihn auf diesem Weg sicher weit bringen. Genauso seine bodenständige und positive Einstellung ge­ genüber seiner Kunst: ‹Sinnlose Sachen sind spannend. Ich meine, was ich mache, ist auch völ­ lig sinnlos. Aber trotzdem habe ich das Gefühl, dass es mir etwas bringt und vielleicht auch den anderen.› Auf www.kinkimag.com könnt ihr das ungekürzte Interview mit Beni Bischof nachlesen und exklusiv ein Burgenheft inklusive eines Fotoabzugs gewinnen. Aktuelle Arbeiten an der Wand und auf dem Tisch gibt es noch bis zum 3. Mai 2009 in der Kunstbuchhandlung ­‹Kunstgriff› im Löwenbräuareal in Zürich zu bestaunen.

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Wrestling Made in CH Tribun

Ragnarok

SigMasta Rappo

Amy Cooper

Wrestling ist zur Zeit wieder in aller Munde. Doch trifft das triste Bild, das die amerikanische Traumfabrik im Film ‹The Wrestler› von diesem Sport zeichnet, auch auf Schweizer Verhältnisse zu? Wir wagen einen Einblick in diese blutige Scheinwelt, und reisen nach Weesen, wo die Grössen der Szene sich gegenseitig die Stühle über den Kopf schmettern. Text: Christoph Dubler, Fotos: Daniel Tischler 34

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Laura Wellings

Big Duschka The Judge

Helvetic Warrior

VIN

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Blutiges Spektakel oder feucht­ fröhliches Turnfest? In Weesen lassen die Mitglieder der SCW die Grenzen zwischen Sport und Theater verschwimmen.

Nicht einmal berührt…

…oder hart getroffen?

Ob der Wrestler zum ‹Crossbody› oder zum ‹Diving Elbow Drop› ansetzt, wird aus diesem Bild leider nicht ersichtlich. Schmerzhaft sind allerdings beide.

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Beim ‹Dropkick› bekommt der Leidtragende nicht nur die Fusssohle seines Gegners, sondern wenig später auch den harten Boden zu spüren.

Was im Schulhof der Schwitzkasten war, nennt sich im Ring ‹Chokehold›.

Der Ringrichter findet: Nicht würgen!

…the loser standing small! Und flüchtet sich in die Garderobe. The winner takes it all…

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‹SigMasta Rappo›, im bürgerlichen Leben Pascal Signer aus Wil, ist schnell zum Helden erkoren und ‹VIN› wird lautstark ausgebuht. Was dieser nicht versteht und darum drohend und fluchend von dannen zieht. To be continued. Thomas Heri aka ‹Marshal T›, Leiter der Wrestlingschule Bülach und zweites Schweizer Wrestling-Schwergewicht, der sogar einen kleinen Auftritt im Film ‹The Wrestler› hatte und mittlerweile in den USA lebt, hat es in einem Interview einmal so beschrieben: ‹Im Ring bin ich «Marshal T.», ein Typ, der sich für Recht und Ordnung einsetzt. Er kämpft gegen das Böse an eesen erreicht man motorisiert über die A3. Jene, – und genau darum geht es beim Wrestling eizu Ferienzeiten zähflüssige Ader, welche die Kern- gentlich: um den Kampf zwischen dem Guten und stadt Zürich mit den zuweilen verpfnüselten No- dem Bösen.› belvororten am linken Zürichsee, dem weniger eingebildeten Kanton Glarus, dem St. Gallischen Rheintal und den Bündner Herrschaften entlang Wrestling scheint noch immer für Buben ab Pribis Chur verbindet. Dazwischen zwei Seen. Von marschulalter nichts an Faszination verloren zu denen der eine – schmal wie eine Blindschleiche haben. Die Verrücktesten unter ihnen werden viel– unter den sich steil und schroff auftürmenden leicht selbst einmal im Ring stehen. So geschehen Leibern der sieben Churfirsten in Vergessenheit bei ‹Big Duschka›. Der 1,87 m grosse und 120 kg zu geraten droht. Le Walensee. An dessen Arsch schwere Detailhändler schlüpft nach Ladenschluss (oder auch an dessen Kopf – je nach Interpretati- und an den Wochenenden in das Kostüm des Big Duschka. Heute Abend bestreitet er in seinem on) klebt Weesen. Dress eines russischen Gewichthebers ein TagTeam-Match. Er ist einer der Bad Guys, wie er Die Reise führt ins dunkle Herz der Schweiz. selbst sagt. Vorbei an Bicco Matratzen-Fabriken, Chäslädelis, ‹Luke Styles’› Gesicht ist hingegen von zahlDorfgetratsche, einem gesichtslosen Einfamilien- reichen Piercings durchstochen. Der filigrane häuserbrei, Inzest und Jugendlichen, die ab und 1,85 m grosse und 74 kg schwere Junge ist erst an mit 200 Sachen in roten Seat Leons in die 18 Jahre alt. Später möchte er – nach abgeschlosFahrbahnbegrenzungen der oben beschriebenen sener Schreinerlehre – professioneller Piercer Verbindungsachse donnern. Und nicht zurückkeh- werden. Wrestling hat ihn schon immer fasziniert. ren. Jene, die den Ausflug überleben, tragen neus- ‹Es ist wie ein Zirkus. Eine Familie.› Dafür nimmt er te Mode aus dem ‹Beach Mountain›, ‹Da Spot› auch einiges an Verletzungen in Kauf: Ein Schlüsoder ‹Werners Head Shop›, trinken Red Bull und selbeinbruch und zwei Gehirnerschütterungen in 18 Monaten! ‹Und dann habe ich hier noch einen gruppieren sich zu Cliquen. Sie sind es, welche sich an diesem Samstag- Knochen, der aus meiner Schulter herausragt und abend in der Mehrzweck-Turnhalle zu Weesen schmerzt. Ich weiss nicht genau, was es ist. War einfinden, um dem Event der Swiss Champion- nie beim Arzt deswegen.› ship Wrestling (SCW) beizuwohnen. Zuerst, kurz nach Türeinlass um 19 Uhr, erstürmt jedoch eine Horde etwa 50 Halbwüchsiger den Saal, in deren Mitte bereits der Ring aufgebaut ist, und wuselt herum wie elektrisierte Rennmäuse. Um 19.30 Uhr Ein weiterer Wrestler – ‹The Helvetic Warrior› – ertönt pünktlich der erste Gong. Drei Titelkämpfe stellt sich mir nach gewonnenem Kampf in den stehen unter anderem auf dem Programm: Der Weg. Seine 115 Kilogramm sind auf bullige 1,80 m Titel des SCW-Schwergewichts-Meisters, der verteilt. Im wirklichen Leben ist er Fitnesstrainer Titel im Dreikampf sowie die Titelverteidigung und bezeichnet sich selbst als Semi-Professional. im Frauen­wrestling von Laura Wellings, deren Er kämpft europaweit mit gelegentlichen AbsteName in aller Munde ist. Das Licht geht aus, chern in die USA. Sein Vorbild ist ‹Mr. Perfect›. Auf Kunstnebel zieht in den Saal und beim Eintritt des die Frage, ob er den Film ‹The Wrestler› gesehen österreichischen Ring-Speakers bleibt so man- habe, nickt er gemächlich. ‹Eine sehr realistische chem Primarschüler die Spucke im Halse stecken. Darstellung, manche Wrestler befürchten, dass Ein Raunen geht durch den Saal, als der amtie- der Film schon fast zu viel von der Innenwelt preisrende Schwergewichtsmeister ‹SigMasta Rappo› gibt.› Ein weiterer Kämpfer, den ich in den Schwitzzur Begrüssung des Publikums den Ring betritt kasten nehme, ist ‹Peter Black›. Ein sympathischer und unsanft nach dem Mikrophon verlangt. Im Junge, 1,85 m gross, 110 kg schwer, 23 Jahre alt, Dunkeln lauert die Gefahr! So merkt er nicht, dass Konstrukteur. Mit seinen dunkelbraunen gelockten sich – Kasperle-Theater-like – sein Opponent, Haaren und einem breiten verschmitzten Lachen der ungleich athletischere ‹VIN›, von hinten an- gibt er gutmütig Auskunft – der perfekte grosse schleicht und ‹SigMasta Rappo› mit einem bruta- Pausenplatz-Bruder. Er trainiert dreimal wöchentlen Schlag in den Nacken niederschlägt. Zum lich an der Schule von Thomas Herig und unterersten Mal erzittert der Boden unter den Gewich- richtet mittlerweile auch Junioren. ‹Der Andrang ten der Wrestler. So wird allen schnell klar, dass ist momentan riesig. Die Zahl der Junioren ist inin der Halle – im Gegensatz zum wirklichen Leben – nert kürzester Zeit auf 20 angewachsen.› die Unterscheidung zwischen gut und böse inIm Ring kommt es zum ersten Showdown. Die nert Sekundenbruchteilen gelingt und das Pub- ‹Divas›, wie die weiblichen Wrestler in Amerika likum merklich Freude am hingeworfenen genannt werden, kämpfen um den Gürtel des Knochen findet. SCW-Titels der Frauen. ‹Amy Cooper› besiegt da-

Parallelwelten

Good Guy, Bad Guy

Übermänner und Furien

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bei die Titelhalterin ‹Laura Wellings›. Die beiden zierlichen Frauen zeigen, dass sie in Sachen Entertainment und Technik ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen. Wobei Laura Wellings mit ihrer radikalen Rolle als freche sexy Göre mit lila Haarpracht mittlerweile schon beinahe Berühmtheit erlangt hat. Das Fernsehen ist vor Ort und macht ein Interview. Die Lausannerin beschimpft ihre Gegnerin auf Englisch und nimmt damit in Kauf, die Sympathien des Publikums zu verspielen. Obwohl sie den Kampf dominiert und Amy Cooper mit gezielten Kicks, Schlägen und Würfen immer wieder in arge Bedrängnis bringt, verliert sie schlussendlich. Amy Cooper, das Mädchen von nebenan mit einem Schweizer Kreuz auf ihrem trainierten Hintern, kann Laura drei Sekunden lang auf die Matte drücken. Auf ihrem T-Shirt steht: ‹Not just another pretty face.›

Dramaturgie des Schmerzes

Nach beinahe drei Stunden Wrestling rächt sich jedoch das Böse. ‹VIN› prügelt erbarmungslos auf den in die Jahre gekommenen ‹SigMasta Rappo› ein – ohne mit der Wimper zu zucken. Er gewinnt den Kampf. Wrestler wird man nicht, wie man Fussballer wird. Hinter diesem Sport verbirgt sich eine gros­ senteils verborgene und für den Aussenstehenden geheimnisvolle Welt. Muskeln, Drogen, Rollenspiel, Schmerzen, Blut, Turnhallen-Groove und billiges Bier vermengen sich. Die Türe zum Umkleideraum bleibt verschlossen. Wer gewinnt und wer verliert, darüber entscheidet der Veranstalter, viel mehr ist nicht in Erfahrung zu bringen. Doch allen Unkerufen zum Trotz: das Image ist eindeutig schlechter als die Schweizer Realität. Da kämpfen keine anabolikasüchtigen Aussenseiter um fünf Minuten Aufmerksamkeit. Ihre Leidenschaft konzentriert sich einfach auf eine Sportart, bei welcher man sich Stühle über den Rücken drescht, von 3 m Höhe auf nackte Bretter springt oder eben mal wieder einen Kick ins Gesicht zu ertragen hat. Ob dies nun abnormaler als Schachspielen ist, hat jeder einzelne für sich selbst zu entscheiden. Ein unterhaltsamer Wrestling-Abend neigt sich seinem Ende. Bitter riecht die schweissgeschwängerte Luft. Turnringe baumeln gelangweilt in der Höhe. Stühle werden gestapelt. Der Ring wird fachmännisch abgebaut. Von diesem Abend bleibt jedoch mehr zurück als ‹bloss ein Stück totes Fleisch, das nicht mehr verdient, als alleine zu sein›, wie es Mickey Rourke aka ‹The Ram› in einem Anflug von Pathos im Film seiner Tochter beichtet.


Zickenkrieg in der Hardcore­Variante.

Amy Cooper zeigt Laura Wellings, wer in Weesen das Sagen hat.

Wie man sich aus der ‹Boston Crab› befreit, dürfte eines der vielen Geheimnisse dieses Sports bleiben.

Verprügelt in Minirock und Stand Ups: Laura Wellings.

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‹ zehn minuten mit› Zeitgenossen und Weltbürgern. Melvin Van Peebles: ‹Ich weiss, dass ich es ­überall schaffen würde.›

kinki magazine: Herr Van Peebles, wie wichtig ist Humor für Ihre Arbeit?

Melvin Van Peebles: Sehr wichtig, ohne Frage. Aber bei einem Film entscheidet immer das Thema darüber, wie sich das Ganze entwickelt. Ich komme nicht an und beschliesse: So, jetzt drehe ich eine Komödie. Das halte ich für Blödsinn. Wissen Sie, ich bin nur ein unbeteiligter Beobachter. Ich glaube, ich habe einfach ein gutes Auge für die Ungereimtheiten des Lebens. Und ich streiche diese Dinge gerne heraus. Das ist für mich Humor. Setzen Sie Humor als Waffe ein?

Als Waffe? Ich weiss nicht. Es ist ­einfach eine spezielle Betrachtungsweise. Mir fallen solche Dinge halt auf. Für mich sind sehr viele Geschehnisse lustig, weil sie auf Missverständnissen oder Ungereimt-­ heiten basieren. Viele Dinge, aufgrund derer ich mich vor Lachen auf dem Boden wälze, machen andere Leute wütend. Aber ich finde, dass man dem Betrachter eine völlig neue Perspektive eröffnet, wenn man das ­Humoristische einer Situation gut aufzeigen kann. Das versuche ich so oft wie möglich. Sie haben einmal in einem Interview erklärt, dass viele Ihrer ­Arbeiten so eigen waren, weil Sie keine Ahnung hatten, dass sie je von grösserer Bedeutung sein würden. Was hat sich verändert, seit Ihnen bewusst ist, dass die Welt zusieht?

Nichts hat sich geändert, gar nichts. Ich mache noch immer alles gleich. In meinem neuen Film ­‹Confessions Of A Ex-Doofus Itchy Footed Mutha›, der in Europa leider noch nicht angelaufen ist, spielt Humor wieder eine grosse Rolle. Die Hauptfigur realisiert das allerWer sich traut, Bill dings gar nicht. Sie weiss gar Cosby anzupumpen, fürchtet sich wohl nicht, was Humor ist. Sie ist fast wie vor gar nichts. ein Kind, das lernt aufs Klo zu gehen. Nachdem es sein Geschäft as war dieser Mann erledigt hat, ruft es: ‹Mutti, komm hen. Etwas, das 1971 völlig unin seinem Leben nicht denkbar war. Er kratze all sein Geld her, schau nur!› Statt die Spülung zu schon alles: Kampfbetätigen, will es stolz zeigen, was zusammen, pumpte sich 50 000 pilot, Cable Car Fah- Dollar von Bill Cosby und stierte das es verrichtet hat. Genauso ist meine rer, Buchautor in englischer und Hauptfigur – unfreiwillig komisch. Projekt trotz widrigster Umstände französischer Sprache, Clochard, Ma- durch. Entstanden ist mit ‹Sweet ler, Wallstreet Broker, SchauSweetback’s Baadasssss Song› je- Sie lassen das Publikum also dumm aussehen? spieler, Komponist, Rapper, Gigolo ner Film, der das Blaxploitation-­ und Vorarbeiter. Vor allem aber jeGenre begründete und zum Pflicht- Das merkt das Publikum ja nicht. Ich schalte ja nicht während der Vormand, der sich nie von irgendjeman- programm der Black Panthers dem hat sagen lassen, was er zu wurde. Aber dies ist, wie gesagt, nur führung des Films das Licht an und zeige mit dem Finger auf die Zutun und zu ­lassen hat. So entschloss eine von vielen Geschichten aus sich Melvin Van Peebles 1971, kurz dem Leben des mittlerweile 76-jähri- schauer. Sie werden sich wohl nur dabei ertappen, wie Sie sich sanachdem er einen lukrativen Vertrag gen Schürzenjägers. gen: ‹Scheisse, das hätte ich genaufür drei Hollywood-Streifen abgeso gemacht!› Jeder denkt das, schlossen hatte, einen Film mit einem aber niemand sagt das. Das finde Afroamerikaner als Helden zu dre-

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ich lustig. Sowohl die Zuschauer wie auch die Figur durchlaufen eine Katharsis. Ist dies das Geheimnis eines ­guten Films?

Nein. Es gibt Tausende von Geheimnissen. Das wäre ja, wie wenn man nach dem Geheimnis fragen würde, eine Frau ins Bett zu kriegen. Wer weiss. Es gibt Tausende. Wie vertragen sich solche Episoden mit Ihrem Lebensmotto ‹Early to bed, early to rise, work like hell and advertise›, das Sie auch an Ihren Sohn Mario weitergegeben haben?

Da geht’s ums Geschäft, nicht um die Frauen. Aber das lässt sich schon vereinbaren. Man sagt einfach: ‹Hör mal Baby, ich muss ­morgen früh aufstehen!› Meistens sagt sie dann: ‹Okay, kein Pro-­­ blem, ich auch!› (Lacht laut). Das kriegt man schon geregelt. Ihre Musik ist inzwischen von ­vielen Leuten weiterverwendet ­worden. Ich schätze mal, Sie ­verdienen ganz gut daran. Wie ­gefällt Ihnen, was daraus entstanden ist?

Manches ist gut, manches weniger. Ich habe meine Musik, meine Filme, meine Arbeit für meinen Geschmack und meine Zwecke perfektioniert. Wenn die Leute meine Arbeit anderweitig nutzen wollen – bitteschön. Ihr kulturelles Werk hat viel ­bewirkt. Erfüllt Sie das mit Stolz?

Stolz bedeutet mir nichts. Ich muss nicht stolz auf mich sein. Ich hab schon immer eine sehr hohe Meinung von mir selbst gehabt. Nach Bestätigung von jemand anders hab ich nie gesucht. Ich weiss, dass ich es überall schaffen würde. Sie könnten mich heute Nacht hier in Barcelona auf der Strasse ­aussetzen – ohne Geld, ohne Handy, ohne irgendwas. Vor Sonnenaufgang hätte ich einen warmen Schlafplatz und etwas zu essen gefunden. Und wenn man diese Sicherheit hat, was soll einem dann noch Angst machen? Mit etwas Glück schafft es Melvin Van Peebles’ neuer Film ‹Confessions Of A Ex-Doofus Itchy Footed Mutha› (2008) dieses Jahr in die Schweizer Kinos. ­Zudem soll auf dem Hip-Hop-Label ‹Stones Throw› bald ein Doppelalbum des Produzenten Madlib erscheinen, das auf der Grundlage von Van Peebles Musik ­entstanden ist. Text: Adrian Schräder Foto: Getty Images


© 2009 ASCOT ELITE HOME ENTERTAINMENT AG . ZURICH

SO FINSTER DIE NACHT

EINE SPANNUNGSGELADENE MISCHUNG AUS THRILLER, ROMANZE UND VAMPIRGESCHICHTE. ABSOLUT EINZIGARTIG UND ORIGINELL. DVD RELEASE 20.05.2009

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CO M I N G o u t a n d e r S p it z e Te i l I Politische Lebensläufe von Schwulen und Lesben sind holprig und meistens zum Scheitern verurteilt. Ein öffentlicher Umgang mit der eigenen sexuellen Orientierung ist dabei unausweichlich. Ob Coming Out oder Doppelleben: Wer den richtigen Ton und vor allem den richtigen Zeitpunkt des Coming Outs verpasst, riskiert skandal­trächtige Medientiraden. Text: Valerio Bonadei

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nutschende Männer und händchenhaltende Frauen gehören heutzutage schon fast zum nachhaltigen Stadtmarketing. Wer fremde Orte bereist, wo Männer und Männer, Frauen und Frauen öffentlich herumtollen, ist von der zivilen ‹Fortschrittlichkeit› entzückt. Wer darüber hinaus Schwule und Lesben zum eigenen Freundeskreis zählen darf, gilt als weltoffen und chic. Die Toleranzfedern, mit denen man sich gerne schmückt, lösen sich allerdings – womöglich ebenfalls hormonell bedingt – wie das Haupthaar eines Greisen, sobald Homo-­­ sexuelle öffentliche Ämter bekleiden. Mein ExKommilitone und Buddy, ein bekennender Mann von Welt, behauptete beispielsweise kürzlich, dass er sein Kind (das er noch gar nicht hat) lieber nicht einem schwulen Lehrer anvertrauen wolle: ‹Unter Homo-Lehrern gibt es keine Pausenplatzschlägereien, und die gehören schlicht dazu.› Eine spiessige Wertediskussion ist beim skandalumwitterten Thema ‹Politik und Homosexualität› ebenso vorprogrammiert. Und die Praxis hat bewiesen, dass diese Wertediskussion noch immer nicht abgeschlossen ist. Die Leidtragenden bleiben immer die Homos selber. Denn der grässliche politische Alltag kennt viele Dreistigkeiten. Nachfolgend seien einige bekannte Fälle erwähnt, bei denen Homo-Politkerkarrieren am grossen öffentlichen Druck zu Grunde gingen: In den 80er-Jahren entliess der damalige CDU-Verteidigungsminister Max Wörner seinen Vier-Sterne-General Günter Kiessling allein auf Grund von Gerüchten über dessen Homosexuali-

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tät und brandmarkte ihn als Sicherheitsrisiko. Im Jahre 1995 unterstellten verschiedene Seiten dem sächsischen Innenminister Heinz Eggert, seine männlichen Mitarbeiter sexuell bedrängt zu haben. Eggert, ein verheirateter Familienvater von vier Kindern, stritt alles ab und wurde dennoch zum Rücktritt gezwungen, obwohl die Zeugen sich in Widersprüche verhedderten. Und: Der belgische Ex-Vizepremierminister Di Rupio, der offen zu seiner Homosexualität stand, wurde beschuldigt, mit einem 15-Jährigen sexuell verkehrt zu haben. Obgleich sich das vermeintliche Opfer ebenfalls in Widersprüche verstrickte und Di Rupio wiederholt seine Unschuld beteuerte, war Di Rupios Karriere zerstört. Die Muster der Homo-Hetze ähneln sich: Schwuler Politiker feiert sein Coming Out als Reaktion auf unbelegte Anschuldigungen (Nötigungen) und Gerüchte (moralisch verwerfliches Sexualverhalten, homosexuelle Promiskuität) und tritt zurück. Der Druck, der auf Homo-Politiker und Politikerinnen ausgeübt wird, muss enorm sein, denn einfach so gibt niemand ein politisches Amt auf. Weshalb sich aber dennoch viele Betroffene beugen dürfte am Timing des Coming Outs liegen: Wer vor der Wahl beichtet, kann den Vorwurf der Verheimlichung ausräumen, verspielt dabei vielleicht aber wichtige Wählerstimmen. Wer nach der Wahl gesteht, verschwindet schneller von der politischen Bühne. Dieser Umstand lässt sich politologisch nur vordergründig erklären: Wähler wählen ihre Vertreter in politische Ämter wie Konsumenten ihre Produkte aussuchen: Konsumen-


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ten stört es, wenn sie von einer unerwünschten, vorher nicht bekannten Eigenschaft eines erworbenen Produktes überrascht werden. Bildlich gesprochen: Eine Servierfachfrau sieht beim Vorbeigehen ein Haar in der Suppe ihres bereits essenden Gastes. Erwähnt sie kein Wort davon, riskiert sie, dass der Gast es selber merkt und folglich nie wieder zurückkehrt bzw. das Restaurant verunglimpft. Erwähnt sie das Haar, dürfte der Gast weniger erbost sein und die negative Wirkung würde reduziert. Ist bestimmt keine angenehme Situation für die Kellnerin und viel dafür kann sie ja auch nicht, dass das Haar in der Suppe gelandet ist.

Gay Bars vs. Heile Welt

Vorher zugeben oder für immer verheimlichen, das ist die Devise. Besonders exemplarisch für die Folgen, wenn ein Politiker oder eine Politikerin während der Amtszeit die eigene Homosexualität offenlegt, ist der tragische Fall des US-Gouverneurs von New Jersey, James McGreevey: Der verheiratete Familienvater mit Harvard-Abschluss gestand, seine Neigungen privat wie öffentlich immer unterdrückt zu haben, um sich selber als Familienmensch präsentieren zu können. Dies sei für den Erfolg seiner politischen Karriere unabding44

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bar gewesen. Seine Affäre mit einem Mann, den er geliebt habe, flog auf, als er diesem zu einem politischen Amt verhalf, für das es eventuell besser qualifizierte Bewerber gegeben hätte. In Anbetracht ‹der Umstände› und ‹der wahrscheinlichen Konsequenzen› für seine Familie und seine Re­ gierungsfähigkeit halte er einen Rücktritt für die richtige Entscheidung, sagte der Demokrat. In seiner Eigenschaft als Gouverneur mache es kaum einen Unterschied, ob er schwul sei oder nicht. Allerdings sei er durch sein Verschweigen und die Affäre anfälliger für Gerüchte und Enthüllungen geworden. ‹Dem beuge ich vor, indem ich Ihnen selbst etwas zu meiner Sexualität sage.› Was nach dem Rücktritt 2004, also ein Jahr nach Amtsantritt, folgte, war eine dreiste, medial ausgetragene Scheidungsschlammschlacht und ein Bestseller. In seiner Biografie ‹The Confession› nämlich läutert sich McGreevey gleich selbst mit einer rührenden, bemitleidenswerten Selbsterklärung: ‹So fantastisch und erfüllend es auch gewesen wäre, eine tiefgründige und auch sexuelle Liebesbeziehung mit einem anderen Mann zu führen: Ich wusste, dass ich mein Glück Schritt für Schritt auslöschen werde müssen, als ich begann, der Seifenblase einer öffentlichen Karriere und also auch dem «korrekten» Leben, das damit einherging, nachzujagen. Ich gab mich also mit einem Kompromiss zufrieden, allerdings einer, der uner-

träglicher und moralisch unbefriedigender nicht hätte sein können.› Das Doppelleben, zu dem sich die meisten homosexuellen, ungeouteten Politiker und Politikerinnen nach wie vor genötigt fühlen, hat dennoch einen viel höheren Preis. Entweder lassen die Betroffenen es zu, dass aus ihnen ‹private Monster ohne jedes sichtbare Beziehungsleben› werden, wie der ehemalige schwule SP-Politiker Volker Beck meint. Oder sie gaukelten, so Beck weiter, heile Welt vor, zwängen sich zu Heirat und Familiengründung und lebten damit ein unehrliches Leben. Diese Verleugnung führe, je länger sie andauere und je höher der oder die Betroffene innerhalb der politischen Hierarchie aufsteige, oft zu regelrecht paranoidem Verhalten. Bemüht darum, alle Spuren der eigenen Homosexualität zu tilgen, könne es dann passieren, dass sich der schwule Parlamentarier oder seine lesbische Kollegin ablehnend gegenüber der Petition ‹Gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare› ausspreche. ‹Wie können solche Menschen›, fragt Volker Beck, ‹langfristig gesehen glaubwürdige Politik machen?› Derweil ist noch nicht klar, weshalb sich Homo-Politiker derart unter Druck setzen lassen: Homosexuelle – vor allem Männer – gelten oft als promisk, sexbesessen, beziehungsunfähig und pädophil. Konservative befürchten, der Lebensstil übertrage sich quasi auf das politische Parkett und werde in der Gesellschaft dann legitimiert. Indes streiten selbst Schwule nicht ab, dass unter ihresgleichen ein gewisses exzessives Sexualverhalten vorherrsche, sobald Schwule alleine unter sich sind, beispielsweise in Schwulenclubs. Mir scheint dieses Problem allerdings eher ein genuin männliches zu sein. Fussballfans sind ja auch meistens männlich und verhalten sich oft alles andere als zivilisiert. Doch Vorurteile wären keine Vorurteile, wenn sie nicht falsch wären. Und so werden schwule und lesbische Poltiker zu einem vermeintlichen Risiko: Sie ‹verschwulisieren› zunächst die hohe Politik, dann die gesamte Gesellschaft. Von oben nach unten sozusagen. Und spätestens seit dem griechischen Philosophen Epiket wissen wir, dass nicht Tatsachen, sondern die Meinung über Tatsachen das Zusammenleben bestimmen.

‹Ich bin schwul und das ist gut so›

Coming Out oder Doppelleben? Es gibt für beide Wege prominente Belege in der Politik: So zum Beispiel die Zürcher Alt-Stadträtin Emilie Lieberherr. Jahrelang hiess es hinter vorgehaltener Hand, Lieberherr sei lesbisch, lebe sie doch mit ihrer Freundin zusammen. Nach dem Ende ihrer Amtszeit als Stadträtin meinten viele, einem regelrechten Coming Out der alten Dame beizuwohnen. Zahlreiche gemeinsame Medienauftritte des Frauenpaares bestärkten diesen Eindruck. Doch fragt man Lieberherr ganz direkt, wie es die Weltwoche damals tat, antwortet sie genauso direkt und unverklemmt: ‹Weder ich noch meine Freundin sind lesbisch. Uns verbindet eine jahrzehntelange Beziehung, die frei von jeder sexuellen Komponente ist.› Einen anderen Weg – wenn auch mit einem dramatischen, unrühmlichen Ende – hat bekanntermassen der österreichische Rechtspopulist Jörg Haider eingeschlagen.


im Nu zur politischen Zentrale um. Hier tummelten sich rund um die Uhr tausende junge Männer und Frauen, die Milk halfen, ihn in wichtige politische Ämter zu hieven. (Indes vervielfachte sich der Umsatz seines Nachbarn, der ihn in der Folge duldete.) Mit den Homos konnte er bald Anhänger aus den verschiedensten Minderheitengruppen für seine Anliegen gewinnen. Die Gegenwehr indes amplifizierte sich mit: Ein Gesetz wurde zur Abstimmung gebracht, demnach homosexuelle Lehrer und Lehrerinnen aufgrund ihrer Neigungen entlassen werden durften. Milk wendete den Schaden ab und verbuchte nach zahlreichen vergeblichen Versuchen, ein Amt zu bekleiden, seinen ersten Erfolg. Als erster schwuler Politiker schaffte er es 1978 nach mehreren gescheiterten Anläufen in ein hohes politisches Amt, nämlich in den Stadtrat von San Francisco.

Die Muster der Homo-Hetze ähneln sich: Schwu­ler Politiker feiert sein Coming Out als Reaktion auf unbelegte Anschuldigungen.

Coming Outs können sich bei medienwirksamer Inszenierung auch positiv auswirken. Der entspannte Berliner Oberbürgermeister Klaus Wowereit (‹Ich bin schwul und das ist gut so›) bewies es. Auch die Schweiz kennt erfolgreiche Coming Outs, wobei diese eher zurückhaltender ausfallen: Claude Janiak, 59-jähriger Ständerat aus Basel und als Nationalratspräsident bereits höchster Schweizer gewesen, nahm erst nach langer Zeit Stellung zu seiner Homosexualität. Seine ‹Offenbarung› beschreibt er als einen sich langsam entwickelnden Prozess. Er habe aber nie ein Doppelleben geführt und für ihn sei das Coming Out auch kein Drama gewesen. Zu Veranstaltungen und gesellschaftlichen Verpflichtungen geht er meistens mit seinem Partner. Da er immer schon selbständig war, hatte er nie das Gefühl, sich verstecken zu müssen.

Welcome to San Francisco?

Dosierte Transparenz scheint also ein gutes Rezept zu sein. Seit Ende der 80er-Jahre haben homosexuelle oder sogenannte ‹rosa Listen› mit teilweise mehr als zehn schwulen Kandidaten, aber auch einzelnen lesbischen Kandidatinnen in Städten wie Basel oder Zürich für Aufmerksamkeit oder gar Aufsehen gesorgt. Erinnert sei an

jenes Basler Wahlplakat, auf dem zwei nackte Männer, darunter ein ‹Schwangerer› mit dickem Bauch abgebildet waren. Ein prominenter Gegner von Coming Outs ist Bundesrat Ueli Maurer, der sich 1997 selbst zum Thema outete. Er fand, dass ‹unsere Stammwähler› aufgrund eines ‹Gefühls direkt aus dem Bauch› ebenfalls ablehnend darauf reagieren würden. Tatsache ist, dass ein Coming Out von jeher mit Risiken verbunden ist. Neben der durch Hitler angeordneten Ermordung des einstigen, offen homosexuellen Duzfreunds des Führers himself, Ernst Röhm, kennt die Geschichte zahlreiche weitere tragisch endende Homo-Politikerkarrieren. Harvey Milk, dessen Biographie aktuell in den Kinos läuft, schrieb sich seine Homosexualität auf die Fahnen. Er kämpfte von Anbeginn gegen die Diskriminierung von Homosexuellen und anderen Minderheiten. Berühmt geworden ist der ironische Spruch, mit dem er gerne politische Reden eröffnete: ‹I’m Harvey Milk and I’m here to recruit you!› Dabei ist Harvey Milks Motivation zu seinem Kampf verständlich: Als Milk einen Laden für Fotoapparate eröffnen wollte, stemmte sich sein Ladennachbar dagegen, weil Milk vor seinem Laden rumknutschte. Der selbsternannte Sippenpolizist schwor, ihm im Nullkommanichts den Laden dicht zu machen. Diesem Druck widersetzte sich Milk sein Leben lang. Den Fotoladen funktionierte Milk

Milks Rezept zum politischen Erfolg war zugleich sein Todesurteil. Er forderte seine immense Anhängerschaft mit Verve zum Coming Out auf. Dies führte dazu, dass ihre Freunde, Väter, Mütter, Brüder und Bekannten nicht gegen Milk stimmten. Milk, der als Mathematiker mit Uni-Abschluss ein grosses strategisches Wissen besass, hatte die Rechnung aber nicht ohne den Wirt gemacht: Sein politischer Weggefährte Dan White ermordete ihn und den amtierenden Stadtpräsidenten kaltblütig. Er beneidete Milks Ausstrahlung und die klare Mission: ‹Du vermittelst eine politische Botschaft, ich habe nichts zu vermitteln.› Unsterblich bleibt aber die Erinnerung an einen gros­sen Politiker und Charismatiker. Den zweiten Teil dieses Artikels findet ihr in der nächsten Ausgabe des kinki magazine. Darin wird unter anderem der schwule Politiker Thomas Fuchs zu Wort kommen. Illustration: Raffinerie

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Lost in Transition

Ende vergangenen Jahres begab sich ein Teil der Schweizer Skateboardfirma ‹5th District› auf einen zweiwöchigen Trip nach Japan. Eine Reise, die allen Beteiligten bestimmt noch lange im Sinn bleiben wird. Denn die japanische Kultur ist für den gewöhnlichen Westeuropäer oft unverständlich – wie auch die sogenannten Haikus, die den Reisenden vielerorts begegneten. Text: Sandro Dalla Corte, Fotos: Andi Speck

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atürlich ist ein Land mit so einer reichen Kultur wie Japan auch in der Dichtkunst nicht unbewandert. Haiku ist eine japanische Gedichtform, deren Kunst darin besteht, in Kürze nach strengen Regeln die vielen Facetten alltäglicher Dinge zu beschreiben. Haikus werden in einem Atemzug gelesen und sind durch ihre beschränkte Zeichenzahl ideal um Wesentliches zu vermitteln. Masaoka Shiki war der Begründer der modernen Haikus, die früher auch Hokku oder Haikai genannt wurden. An den Höfen des alten Japan wurden die Haikus als Unterhaltung für die adlige Gesellschaft gereimt. Samurais schrieben sogenannte Todes-Haikus und erst ein britischer Lehrer am Kaiserhof brachte 1930 die Gedichtform in den Westen, wo sie schnell viele Freunde fand. Die Regeln für ein Haiku sind einfach: 17 Silben in Gruppen aus 5, 7 und wieder 5 Silben. In seiner traditionellen Form beschreibt das Haiku ein Bild aus der Natur und gibt durch ein Kigo, ein sinnbildliches Wort, eine Jahreszeit wieder (fallende Blätter zum Beispiel als Symbol für Herbst). In der Moderne wird oft eine freiere Form gewählt, aber die 17 Silben bleiben als Vorgabe. Ursprünglich verfassten mehrere Dichter die Haikus bei geselligen Anlässen in gemeinsamer Improvisation. Im 13. Jahrhundert war das Haiku bei Hofleuten und Samurais als Witzund Scherzgedicht sehr beliebt. Wie die Haiku-Dichter sind Skateboarder darauf erpicht, mit Vorgegebenem (Skateboard + Idee + Motivation = Trick) ihr Können zu beweisen. Ihre Reise durch das Land der aufgehenden Sonne haben die Skateboarder in ihren ganz persönlichen Haikus dokumentiert.

Gepflogenheit im Hotel Die Schuhe werden parkiert Plastikpantoffeln zu klein

Severin von Ow beehrt Osakas Strassen mit einem Backside Heelflip.

Nach Speisen singen Einhellige Freude durch Musik Die Stunden fliegen 46

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Im Sturm der Ankunft Verweht ein Dokument Tokyo belohnt mit Freundlichkeit

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Japan: Kulturschock für Anfänger In Japan gibt es viele kleine Unterschiede, die uns Europäern oft befremdlich erscheinen. Hier ist ein kleiner Auszug an gesellschaftlichen Skurrilitäten, die der 5th-District-Posse beim Reisen begegnet sind: STAY CLEAN Angenehm, dass Japaner es unterlassen, Abfall auf den Boden zu werfen, obwohl praktisch keine öffentlichen Mülleimer in den Strassen stehen. Dagegen ist Rauchen hier nicht nur sehr beliebt (70% aller Männer und 30% aller Frauen qualmen), sondern auch überall erlaubt. Es ist keine Seltenheit, dass man bei Tisch während des Essens eine Zigarettenpause einlegt. STAY SAFE Man fühlt sich als Ausländer so sicher wie kaum woanders auf dem Globus. Der Grund dafür ist der Sicherheitsfanatismus in einem Land, dessen Einwohner über Lautsprecher ständig mit Sicherheitshinweisen beschallt werden. Sei es in der Metro, im Einkaufszentrum oder sogar im Skatepark. STAY STRAIGHT Die Japaner vermeiden Küsse mit ihren Partnern in der Öffentlichkeit und Prostitution oder Homosexualität wird tabuisiert. Aber es werben Armeen von jugendlichen Jungs und Mädels jede Nacht in den Strassen für die käufliche Zweisamkeit. Nur ansprechen dürfen die jungen Liebesdiener niemanden, darum wird mit Klatschen auf die Etablissements aufmerksam gemacht. Was die homosexuellen Dienstleistungen betrifft, sind folgende oder ähnliche Begebenheiten nicht ungewöhnlich: Ein geduldiger Europäer wartet im Restaurant vor einer besetzten Toilette. Als die Tür sich öffnet, verlässt ein älterer Mann im Geschäftsanzug das Klo. Als der Europäer dieses betreten will, ist der Abort aber wieder verschlossen! Nach weiteren zwei Minuten öffnet sich die Tür erneut und ein weiterer Mann im Anzug verlässt die Toilette. ‹Coming out of the closet› bekommt hier eine ganz neue Bedeutung.

Takeshi Maekawa beweist mit einem Wallride to fakie durchaus poetische Fähigkeiten.

Durstig die Kehle Vending Maschinen allerorts Den Kopf gedreht... da! Ein Gefühl von Charme Die strenge Kultur Japans Aufgelöst in Osaka

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‹querschläger› Alles, ausser angepasst. Sarah-Jane Riek hat das geschafft, was sie sich seit Jahren gewünscht hat: Sie ist aus der Schweizer Schlagerszene nicht mehr wegzudenken! Die Baselbieterin mit indischen Wurzeln verrät uns, warum sie auch dieses Jahr die perfekte Repräsentantin für ihre geliebte Heimat ist, wenn es darum geht, Schweizer Schlager im Ausland zu präsentieren.

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ch komme aus dem Schweizerland, dem Land der lila Kuh, ­posaunt ­S arah-Jane stolz und bis über beide Ohren strahlend im Videoclip zu ihrem Hit ‹Einmal hin, einmal her›. Mit diesem Lied holte sich die 23-Jährige vor einem Jahr die Silbermedaille beim Grand Prix der Volksmusik. Dass die lila Kuh eigentlich gar nicht aus dem schönen Schweizerland stammt, scheint dabei die wenigsten ihrer Fans wirklich zu stören. Ebenso wenig Probleme scheinen Sarah-Janes Fans zu haben, wenn es um ihre dunkle Hautfarbe geht; denn wie bei der Kuh gilt auch hier: Solange ein waschechtes Schweizer Original drinsteckt, ist die Farbe egal. Und Schweizerin ist Sarah-Jane von ganzem Herzen, das beweist allein schon ihr Oberbaselbieter Dialekt, welchen sie gerne in voller Breite und ordentlich laut zum Besten gibt. ‹Mich hat es nie zurück nach Indien gezogen. Ich hatte nie mit Identitätskrisen und dergleichen zu kämpfen, denn von meinen Adoptiveltern habe ich so viel Liebe bekommen, wie man es sich nur wünschen kann.› Im Alter von sechs Monaten verschlug es die kleine Sarah-Jane (damals noch ohne Bindestrich) aus Bombay ­direkt in die ländliche Idylle ihres neuen Elternhauses in Rothenfluh, von wo es sie bis heute nicht weiter als zwanzig Meter über die Strasse ­verschlagen hat. ‹Viel weiter nach Osten als ins Zillertal möchte ich gar nicht unbedingt. Der Osten interessiert mich nicht wirklich›, gibt die ­gelernte Friseuse zu. Viel eher erzählt das blaue Nackenkissen auf ­ihrem Sofa in bunten Lettern von einer Reise nach Miami, und der Hut mit der glitzernden Pailletten-Aufschrift ‹Deck Diva› zeugt von ihrer letzten 50

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Kreuzfahrt durch die Karibik. Doch viel Zeit für grosse Reisen bleibt ­Sarah-Jane sowieso nicht, denn ihre Mentoren und Entdecker Carlo und Maya Brunner als auch ihr ­Arrangeur Philipp Mettler haben mit ­Sarah-Jane auch dieses Jahr wieder Grosses vor: Nach dem Erfolg des letzten Jahres darf es ­dieses Mal gerne auch die Goldmedaille sein, die sie vom Grand Prix nach Hause bringen soll. kinki magazine: Wie fast alle Schlagertexte ist auch ‹Einmal hin, einmal her› extrem patriotisch…

Mettler, meinem Produzenten, auch gezeigt. Sie meinten, die Sachen seien auf jeden Fall ausbaufähig, doch ich denke, was mir beim Texten ­einfach fehlt, ist ein gewisses Quäntchen Lebenserfahrung, auf die ich mit meinen 23 Jahren einfach noch nicht zurückblicken kann.

‹Sobald ich den Mund ­­aufmache, merkt man ja, dass in mir ein richtiger «Kuhschweizer» steckt.›

Sarah-Jane: Wie man’s nimmt. Ich glaube wir Schweizer sind eigentlich auch offen für andere Themen. Die Tiroler singen ja eigentlich nur von ihren Dolomiten, wir besingen halt schon auch Uhren, Kühe und Käse, aber auch Themen wie Herzschmerz und die Liebe. Mit diesen Themen hat man einfach ­Erfolg, das Publikum unserer Sparte Du sagtest selbst, dass du eine schätzt sie sehr. Warum müssen Schlagertexte denn immer so oberflächlich sein?

Leute, die solche Fragen stellen, haben sich meiner Meinung nach noch nie wirklich mit Schlagertexten auseinandergesetzt. Auf beiden ­meiner Alben behandle ich die verschiedensten Themen des Lebens. Man geht nur logischerweise mit deutschen Texten einfach viel ­kritischer um als mit englischen, obwohl diese oft keinen Deut tiefgründiger sind. Du schreibst deine Texte nie selber, oder?

Ich habe das schon ein paar Mal ausprobiert und die Sachen dann Maya Brunner und Philipp

und durfte beim Eröffnungsfest der EM die Hymne singen, das hat mich sehr geehrt und mir gezeigt, dass den Leuten im Grossen und Ganzen meine Hautfarbe egal ist. Ist die Schlagerwelt nicht eine Welt der Doppelmoral? Viele Stars preisen in ihren Songs die heile Welt, machen aber vor allem mit Drogensucht und anderen Skandalen von sich reden.

Jede Musikszene ist eine Scheinwelt. Jeder Mensch hat seine ­Abgründe. Ich kann aber nur von mir reden und da ist es so, dass, wenn ich auf der Bühne stehe und von Bergen und der heilen Welt singe, ich den Leuten natürlich eine Scheinwelt vorführe, aber der Sinn davon ist es, die Leute von ihrem Alltagsstress und ihren Sorgen zu befreien. Wenn irgendein Schlagersänger hinter der Bühne dann halt Crack raucht oder was auch immer, ist das sein eigenes Problem.

Art Exotenstatus geniesst aufSex, Drugs and Rock ’n’ Roll grund deiner Hautfarbe. Hat sich gehören also auch in dieser Szene das auch schon negativ geäussert? dazu?

Nein, so direkt eigentlich noch nie. Auf jeden Fall. Ich denke, ein ­SchlagerKlar gibt es Menschen, denen ich sänger kann genauso ‹blöd tue› wie nicht passe, vielleicht auch aufgrund irgendeine Amy Winehouse (lacht). meiner Herkunft, aber das ist mir ziemlich egal, man kann ja nicht allen Sarah-Jane, 23, lebt in Rothenfluh, BL. Sie ist seit einem Jahr mit dem Brugefallen. Wie genau die Leuder ihres Arrangeurs Patrick Mettler te in meinem Publikum politisch ge- ­liiert. In ihrer Freizeit bastelt oder ‹mölälät› Sarah gerne, macht Puzzles sinnt sind, ist mir sowieso egal. schaut sich DVDs an. Am ­­ Ich singe ja auch auf Veranstaltungen oder liebsten mit Robin Williams oder Tom der Raiffeisen-Bank, obwohl mein Hanks, und wenn möglich eine Ko‹Man muss sich des Lebens erGeld bei der Kantonalbank liegt. Die mödie: freuen, denn es gibt schon genug Schweiz ist ein multikulturelles, Kacke auf diesem Planeten.› ­offenes Land und sobald ich den Text und Interview: Rainer Brenner Mund aufmache, merkt man ja, Foto: Daniel Tischler dass in mir ein richtiger ‹Kuhschweizer› steckt. Ich vertrete meine ­Heimat ausserdem auch im Ausland


‹Wenn irgendein ­Schlagersänger hinter der Bühne Crack raucht, ist das sein ­eigenes Problem.›

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Ein grosser Bruder für die Kleinen

Dass Kinder ganz schön grau­sam sein können, beweist ‹Boys and Girls alone›, eine Kinder­ variante der Reality-Soap ‹Big Brother›. Und sorgt damit in Grossbritannien für rauchende Köpfe – nicht nur bei Kindern. Text: Seraina Etter

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flach. Schlaraffenland eben. Doch selbst da, wo Milch und Honig fliessen, gehen Vorräte zu Neige und man bekommt dann und wann Appetit auf eine warme Mahlzeit.

Dass die Sendung ins Kreuzfeuer der Kritik geraten ist und Politiker sowie berichterstattende Medien geschockt reagieren, erstaunt kaum. Dieser Ansicht ist auch Carlos Menti, der eine Praxis für psychologische Diagnostik und Beratung in Luzern leitet. Mit ihm sprachen wir über Sinn und Unsinn des kontroversen Sozialexperiments. Menti studierte Psychologie und Psychopathologie des Kindes- und Jugendalters und verfügt über eine mehrjährige Erfahrung als Schulpsychologe und Schulsozialarbeiter. kinki magazine: Herr Menti, die erste These der Macher von ‹Boys and Girls alone› lautet: ‹Unsere Gesellschaft produziert verweichlichte, in Watte gepackte Nachkommen, unfähig alleine für sich zu sorgen.› Was sagen Sie dazu?

Der grosse Bruder soll Licht ins Dunkel bringen

Nachdem der Versuch des verwöhnten Sid, eine Instant-Suppe zu ‹kochen›, kläglich scheitert (Wasserkocher ausgesteckt) und diese kalt und schal zu Gemüte geführt werden muss, schleicht sich erstmals ein beklemmendes Gefühl ins Bubenhaus. ‹Keiner kann hier kochen. Wir werden sterben, in zwei Tagen sind wir verhungert›, so Suppen-Sid. Seine Eltern verfolgen derweil ihren aufgelösten Spund am Bildschirm und hoffen, dass er endlich begreift, wie dankbar er ihnen zu sein hat, und sich in Zukunft nicht mehr ständig bedienen lässt. Am Ende der ersten Folge darf er frühzeitig ins traute Heim zurückkehren. Denselben Wunsch hegen übrigens mehr als die Hälfte der Hausbewohner, doch nicht alle Eltern lassen sich vom Dauergeplärre und Gezänk ihrer Sprösslinge erweichen. Sogar selbstzerstörerische Verhaltensweisen wie das ‹Kopf-gegen-die-WandSchlagen› bewirken wenig. ‹Es gab Tränen und Wutanfälle, aber all das gehört zur Lernerfahrung›, verteidigen die Erziehungsberechtigten das Sozialexperiment.

igaretten im zarten Alter von acht Jahren, Push-Ups mit zwölf, komplett in Schminkfarbe getüncht sowieso schon seit zehn. Dies obwohl ein Kind entwicklungstechnisch gesehen eher mit Barbiepuppen spielen müsste, anstatt sich wie eine zu stylen. Früher war es jedenfalls so. Schönheitsmittel waren für Erwachsene. Punkt. Ein Kind zog es grundsätzlich vor, sich unter freiem Himmel im Dreck zu suhlen, statt das Wellness-Schlammpaket in der Kosmetikabteilung zu besorgen. Heute ist es scheinbar anders. Werden unsere Sprösslinge immer früher gezwungen, in die Fussstapfen ihrer Erzeuger zu treten? Alles Nonsens! Wir packen sie in rosa Faserwatte und flauschigen Plüsch. Wir produzieren verweichlichte Dreikäsehochs, komplett unfähig für ihr eigenes Wohl zu sorgen, falls es mal grobschlächtig zu- und hergehen sollte. Aber was stimmt denn nun?

Der Frage, die angeblich abertausende Eltern beschäftigt, möchte ‹Channel 4› auf den Grund gehen. Der britische TV-Sender hat ein Format lanciert, das in Big-Brother-Manier zwanzig Kandidaten rund um die Uhr filmt. Weder aussergewöhnlich noch neu. Es besteht jedoch ein frappanter Unterschied: Den Container – zwei abgelegene Häuser im idyllischen Cornwall – bewohnen keine C-Promis, die sich – nachdem Musik- und Raserkarriere bei ‹Ringier› keine Früchte trugen – nun erhoffen, doch noch zum B-Promi aufzusteigen. Die Kandidaten des Formats ‹Boys and Girls alone› sind erst zwischen acht und elf Jahren alt. Nach Geschlechtern und von ihren Eltern getrennt, werden sie unter ständiger Beobachtung zahlreicher Videokameras sich selbst überlassen. Was passiert? Schaffen sie eine bessere Welt? Wer schafft die bessere, Jungs oder Mädchen? Entsteht eine egalitäre, selbstgenügsame MiniGesellschaft voller Frieden, Freude und schillernden Seifenblasen? Weit gefehlt. Fehden statt Freundschaft, Mobbing statt Miteinander, Schläge statt Spass. Und das, obwohl sich die meisten Kinder genau dies, nämlich Spiel und Spass ohne nervige Kontrolle durch Erwachsene, versprachen. Solche existentiellen Gedanken plagten die Mini-Männer beim Einzug natürlich noch nicht. Auf dem Speiseplan stehen Chips, rohe Pasta und Süsses. Das anschliessende Zähneputzen fällt 52

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‹Wir werden sterben, in zwei Tagen sind wir verhungert›

Mobbing und Morddrohungen: Live und in Farbe

Bei den Mädchen zeigt sich ein nahezu analoges Bild. Gekocht wird hier zwar, davon essen dürfen aber nur die, die auch gekocht haben. Ist doch logisch. Die Kleineren, Rothaarigen bleiben da eher aussen vor. Zur Wiedergutmachung sozusagen streichen darauf die Satten den Nüchternen die Zimmerwände. Aufgetragen werden allerdings keine pastellfarbenen Tapetenblumen und rosa Glücksschweinchen, sondern Slogans, die es in sich haben: ‹Ich bin tot – du bist die Nächste!› prangert am Gemäuer. Gekämpft wird hier scheinbar mit psychischer Grausamkeit statt mit Fäusten. Der Traum vom Leben ohne elterliche Aufsicht verliert auch an der Mädchenfront schneller seinen Abenteuer-Glanz als angenommen.

Carlos Menti: Diese Aussage ist zu allgemein und stimmt so sicher nicht. Die Wirklich­keit ist viel komplexer. Tatsache ist, dass sich jede Gesellschaft in einem stetigen Wandel befindet. Im Zuge der Globalisierung bewegen wir uns auf eine multikulturelle und pluralistische Gesellschaft zu, die – wie der Name schon sagt – von diversen Lebens- und Wertvorstellungen geprägt wird. Dies hat zu unterschiedlichen Familienstrukturen und Erziehungshaltungen geführt. Tendenziell wage ich jedoch zu behaupten, dass viele Kinder heute nicht das bekommen, was sie wirklich brauchen. Dabei denke ich insbesondere an die emotionalen Grundbedürfnisse wie Urver­ trauen, Geborgenheit, eine ansprechende und die natürliche Neugier weckende Umgebung, Geltung und Anerkennung, eine angemessene Leistungsherausforderung sowie das Bedürfnis, sich als Teil einer Gruppe zu erleben. Stattdessen werden viele ‹Ersatzbedürfnisse› befriedigt, die jedoch nur kurz­ fristig die Situation entspannen und sich längerfristig negativ auf das Ziel der Entwicklung, nämlich die Autonomie, d.h. die Selbständigkeit und Selbst­bestimmung auswirken. Zudem stelle ich fest, dass der männliche Part in der Erziehung immer mehr fehlt. Ich nenne dies ‹Väterlichkeit›. Damit meine ich eine Art von Liebe, welche an Bedingungen geknüpft ist und grenzsetzenden Charakter hat – als Gegen­part zur ‹Mütterlichkeit›, einer bedingungslosen Liebe. Ich meine, dass es sehr wichtig für ein Kind ist, diese beiden Arten von Liebe zu erleben, denn sie bilden die Quelle für die Autonomie, nämlich das Urvertrauen und das Selbstvertrauen.


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Die Gegenthese geht davon aus, dass ‹Kinder zu früh gezwungen werden, erwachsen zu werden›. Trifft diese These Ihrer Meinung nach eher auf unsere Gesellschaft zu?

Wie bereits eben erläutert, bewegen wir uns vielmehr irgendwo zwischen diesen beiden Extrempositionen. Ich kenne Kinder, denen Aufgaben abgenommen werden, die für ihre Autonomieentwicklung förderlich wären und andererseits habe ich auch immer wieder mit Kindern zu tun, die ständig überfordert werden. Von einer Überforderung spreche ich dann, wenn ein Kind nicht altersgemässe Aufgaben und Situationen bewältigen muss, auf welche das Kind nicht vorbereitet wurde. Häufig kommen auch Mischformen von Überund Unterforderung vor. Durch die Medien und unsere Konsumgesellschaft werden aber sicherlich einige Themen in den Vordergrund gerückt, die einerseits vor ein paar Jahren noch nicht so wichtig waren und andererseits nicht altersgemäss scheinen. Sie werden den Kindern sozusagen aufgezwungen und können so zu einer Überforderung führen. Tatsache ist zudem, dass durch die bessere Ernährung – es gibt heute ja kaum noch ein Lebensmittel, welches nicht mit Vitamin C angereichert ist – der kindliche Hormon­spiegel verändert wird. Dadurch sind sie körperlich weiterentwickelt und biologisch gesehen früher erwachsen. Was kann denn von einem 8-jährigen bzw. 11-jährigen Kind erwartet werden? Wie sollte sein Entwicklungsstand sein?

Von einem 8- bis 11-jährigen Kind kann aufgrund der kognitiven Entwicklung, schon einiges erwartet werden. Man denke nur an die Leistungen, die Kinder in den jeweiligen Schulstufen zu zeigen vermögen. Wobei ich dabei von einem im kognitiven Bereich durchschnittlich entwickelten Kind ausgehe. Die Spanne in einer Altersgruppe kann allerdings grosse Abweichungen zeigen. Es ist durchaus möglich, dass z.B. ein Kind mit einer Entwicklungsverzögerung einige Jahre hinter seinen Altersgenossen ist, während ein hochbegabtes Kind kognitive Leistungen auf dem Niveau eines um mehrere Jahre älteren Kindes vollbringt. Zudem gibt es intraindividuelle Unterschiede: So kann ein Kind im motorischen Bereich weiter fortgeschritten sein als in der Sprach­ entwicklung. Daraus lässt sich schliessen, dass die kindliche Entwicklung zwar einigen Gesetzmässigkeiten unterliegt, diese jedoch sehr individuell abläuft.

‹Aus psycho­ logischer Sicht ist dieses «Experiment» eine absolute Zumutung.› Kann demzufolge erwartet werden, dass ein durchschnittlich entwickeltes Kind die Situation, mit der es in ‹Boys and Girls alone› konfrontiert wird, meistern kann? 54

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Dies lässt sich so nicht folgern. Angenommen es ginge bei einem Experiment darum aufzuzeigen, ob 8- bis 11-jährige Kinder grundsätz­lich in der Lage sind, sich zwei Wochen lang selbständig zu ‹managen›, so müssten diese Kinder vorgängig in einem Assessment­ ver­fahren sorgfältig ausgewählt und auf die Aufgabe gründlich vorbereitet werden. Zu dieser Vorbereitung müsste auch eine Phase des Vertrautwerdens innerhalb der Gruppe gehören, bei der sich Rangstrukturen unter Aufsicht von erwachsenen Personen bilden können. Ansonsten kann es – trotz sorgfältiger Auswahl der Kinder – zu Gruppen­ prozessen kommen, die mit Macht- und Geltungsmotiven zusammenhängen und bekanntermassen zu Gewalt- oder Mobbing­ erscheinungen führen. Meines Wissens wurden diese zwei Voraussetzungen bei ‹Boys and Girls alone› missachtet, was zum inzwischen bekannten und bedauerlichen Ergebnis geführt hat, dass die meisten Kinder vollkommen überfordert waren. Dass dieses ‹Experiment›, das aus psychologischer Sicht als absolute Zumutung bezeichnet werden kann, auch noch mit einer öffentlichen Zurschaustellung einhergeht, bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung.

‹Sofern die elterliche Sorgfaltspflicht nicht eindeutig verletzt wird, wird sich der Staat nicht einmischen.› Doch. Mich würde interessieren, ob ein Kind in diesem Alter schon begreift, dass es ständig gefilmt und das Material veröffentlicht wird? Verhält es sich entsprechend?

Kinder der heutigen Gesellschaft sind mit diesem Medium aufgewachsen und sind damit vertraut. Insofern gehe ich davon aus, dass die Kinder aus ‹Boys and Girls alone› durchaus realisiert haben, dass sie gefilmt werden und andere diesen Film auch an­schauen können. Allerdings werden sie sich kaum vorstellen können, welche Auswirk­ungen die Sendung auf ihr weiteres Leben haben wird. Was das Verhalten betrifft, so vermute ich, dass dies in den ersten Stunden durchaus bewusst wahrgenommen wird und dass die Kinder auch eine Anpassungs­ leistung erbringen im Sinne der sozialen Erwünschtheit. Das heisst, dass sie in den ersten Stunden geneigt sind, sich möglichst aus einem positiven Blickwinkel zu zeigen. Mit fortschreitender Zeit dürfte jedoch ein Ange­wöhnungsprozess ablaufen, so dass die aufgesetzte Maske fällt. Bei Erwachsenen verhälten es sich ähnlich, wobei erwachsene Menschen über mehr Ausdauer und Bewusstheit verfügen als Kinder und sich länger zusammenreissen können.

Welche Langzeitfolgen kann ein solches Experiment für ein Kind haben?

Für die betroffen Kinder und deren Familie kann ein solches Debakel durchaus schlimme Langzeitfolgen haben. Einerseits kann es aufgrund der negativen Erfahrungen zu einer Selbstwertminderung kommen, welche eventuell psychische Störungen wie z.B. eine depressive Verstimmung hervorruft. Anderseits sind auch Stigmatisierungserscheinungen aufgrund der Zuschreibung negativ bewerteter Verhaltensweisen möglich, welche sich auch nach Jahren äusserst problematisch auf die Betroffenen auswirken kann. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn das Kind oder die ganze Familie als ‹Versager› oder ‹asozial› betitelt würden. Ging es Ihrer Meinung nach eher um Quoten oder ist es wirklich ein wissenschaftlich und sozial relevantes Experiment?

Diese Sendung kann weder als wissenschaftlich noch als sozial relevant bezeichnet werden. Vielmehr ist es ein trauriges Zeugnis unserer Gesellschaft. Doch auch hier scheue ich mich, mit den Veranstaltern zu hart ins Gericht zu gehen. Als Psychologe frage ich mich eher, wie gross wohl der Quotendruck sein muss, damit jemand eine solche Sendung produziert. Dies will jedoch nicht heissen, dass wir alles schönreden und entschuldigen können. Diese Sendung ist ein Paradebeispiel, das uns zwingt, unsere aktuellen Werte zu hinter­ fragen. Wäre eine ähnliche Sendung in der Schweiz denkbar?

Obwohl zurzeit Sendungen mit Selbstoffen­ barungscharakter wie ‹Bauer ledig sucht…› oder ‹Super Nanny› Auftrieb haben, denke ich, dass die Schweizer Bevölkerung sensibler für solche Themen ist; zumindest hoffe ich das! Grundsätzlich liegt aber die Verantwortung bei den Eltern. Sofern die elterliche Sorg­ faltspflicht nicht eindeutig verletzt wird, könnte eine solche Sendung theoretisch auch bei uns imitiert werden. Illustration: Raffinerie


F端r amore mio.

Idee Betty Bossi. F端r frische Ideen.


Die dreiköpfige britische Popband ‹Friendly ­Fires› ­be­findet sich in ihrem Kosmos zur Zeit auf einer spektakulären Umlaufbahn. Ausgehend von London brannten ihre Konzerte lichterloh ­bereits in über 40 Städten der nörd­lichen ­Hemisphäre. Ihr äusserst tanzbarer Stil vereint Elektro-Romantik und Pop und hat nicht nur uns ein begeistertes Funkeln in die Augen gezaubert. Text: Christina Fix, Fotos: Martina Wörz 56

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as Talent des angesagten Dreiers wurde bereits früh erkannt und so eroberten sie noch vor ihrem Plattenvertrag die britischen Medien. Ihr gleichnamiges Debütalbum ‹Friendly Fires›, das 2008 erschien, bildet den Zündstoff für gute Laune und durchgetanzte Nächte. kinki magazine traf die Band vor einem Konzert und sprach mit Ed Macfarlane und Edd Gibson, während Jack Savidge bereits den nächsten Auftritt vorbereitete. kinki magazine: Ihr kennt euch drei schon ziemlich lange. Wann hat das alles mit ‹Friendly Fires› begonnen?

Ed: Mit 14 Jahren gründeten wir unsere Band und coverten Songs von Green Day und andere Rock-Klassiker, die man eben in diesem Alter vergöttert. Edd: Das war auch die einzige Musik, die man damals wirklich auf der Gitarre spielen konnte. Ed: Dann haben wir mit härterem Sound wie Hardcore und Punk begonnen. Das war einfach eine viel spannendere Musikrichtung. Zu der Zeit waren wir dann 17. Wir sind mit verschiedenen Stilen gross geworden und haben selbst auch unterschiedliche Dinge ausprobiert. Edd: Vor fünf Jahren schrieben wir unseren ersten Popsong für die ‹Photobooth› EP. Das ist schon so lange her.

Edd: Es gefällt mir, die eigene Musik immer und immer wieder zu spielen. Ausserdem ist es für manche Zuschauer das erste Mal, dass sie mit unserem Sound überrascht werden. Deshalb ist es wichtig, bei jedem Song seine Leidenschaft zur Musik und den Songs mit einfliessen zu lassen. Was gab es für ‹Ups and Downs› in eurer Band?

Ed: Es gab schon immer wieder Streitereien. Aber dadurch, dass wir uns schon so lange kennen, sind wir auch mit unseren kleinen Macken vertraut. Edd: Wir leben zum Teil über Wochen hinweg in einem Bus zusammen. Mit einem das Zimmer zu teilen ist eine Sache, doch wochenlang im

Bus auf so engem Raum ist manchmal schon zum Verrücktwerden. Ed: Es gab einen Punkt zwischen Himmel und Erde, da glaubten wir beim nächsten Auftritt ­einen super Hype zu haben. Wir umarmten uns vor dem Gig überschwänglich. Doch der Gig war wahrscheinlich unser schlechtester. Für die nächsten Male hiess es dann, keine Umarmung vor einem Auftritt. Greift doch mal mit uns nach den Sternen. Was sind eure Träume?

Ed: Nach den Sternen greifen? Mit unserer Band haben wir noch einiges vor. Wir wollten die Liveshows voran treiben und dabei sind wir gerade. Wir möchten viele schöne Erinnerungen an diese Zeit behalten.

Wie würdet ihr eure Musikrichtung ­beschreiben?

Edd: Romantik-Pop mit Danceparts – unterlegt mit Träumen und Hoffnungen.

‹Für mich ist Musik etwas sehr ­Privates und Persönliches. Die Leute sollten zu unseren Songs eigene Bilder und Gefühle aufbauen.› Was für ein Gefühl wollt ihr den Menschen vermitteln, die eure Musik hören?

Edd: Ich möchte eigentlich nicht, dass Leute das fühlen, was die Musik ihnen vorschreibt. Für mich ist Musik etwas sehr Privates und ­Persönliches. Ich finde die Leute sollten zu unse­ ren Songs eigene Bilder und Gefühle aufbauen. Unsere Musik passt gut zu ruhigen Momenten. Zum Beispiel du sitzt im Bus und verfolgst im Fenster kleine Tagträume. Aber gleichzeitig ist unser Sound zum Tanzen und Abrocken da. Wie ist es, einen Song, der mittlerweile so alt ist wie die Band, immer wieder zu spielen? Wird diese Routine nicht mal langweilig?

Ed: Nein, das würde ich nicht sagen. Ich habe Spass daran, die Songs immer wieder hochund runterzuträllern und mich dazu zu ­bewegen. 58

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Jack Savidge (Schlagzeug)


Edd: Wir träumen von grossen Auftritten in Brasilien und Buenos Aires. Einfach mehr Publikum und noch mehr Shows zu spielen, wäre klasse. Ed: Ich würde so gerne ‹Jump In The Pool› in Brasilien spielen, weil es so gut zum Karneval und dieser warmen südamerikanischen Natur passt. Was wünscht ihr euch privat von den ­Sternen?

Ed: Ich bin gerade dabei mein eigenes Studio aufzubauen. Dort würde ich gerne Bands ­aufnehmen und promoten. Aber erst, wenn ich ­älter bin. Ich wurde jetzt schon von etlichen Produzenten gewarnt, mit dem Business bloss nicht zu früh zu starten. Jetzt steht erstmal ­unsere eigene Musik im Vordergrund.

Glaubt ihr an Sternzeichen? Welche ­Sternzeichen habt ihr?

Edd: Nee, ich glaube nicht an Sternzeichen. Ich vermute, dass das Leben aus Zufällen ­besteht und jeder sein Schicksal selbst in der Hand hat. Mein Sternzeichen ist Jungfrau. Ed: Ich weiss nicht so recht. Auf eine gewisse Art und Weise finde ich das ganze Spektakel interessant. Ab und zu ertappe ich mich auch dabei, das Tageshoroskop zu lesen. Ich weiss, dass es Schrott ist, aber irgendwie gerät es mir immer zwischen die Finger. Aber eigentlich hat es überhaupt keinen Einfluss auf mein Leben. Ich bin Stier und hatte zum Beispiel noch nie eine Beziehung zu einem Stier. Ist das überhaupt ein Stern­ zeichen?

Edd Gibson (Gitarre)

Na klar! Ihr seid gerade auf Tour und werdet noch eine Weile unterwegs sein: auf was freut ihr euch?

Edd: Wir sind noch bis Ende Mai unterwegs auf Tour. Wir durchqueren Deutschland, Skandinavien, Frankreich und noch ein paar andere Länder. Ed: Nach dem Europa-Trip machen wir eine USA-Tour, wo wir dann auch noch nach Mexiko City gehen. Ich war noch nie in Mexiko und ich kann es gar nicht erwarten, dort vor kreischenden Mexikanern zu spielen.

Ed MacFarlane (Gesang)

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‹album des monats› Von der Redaktion gekürt. Metric: Fantasies

1.

GIMME SYMPATHY:

Einer der vielen Songs, die ich während unserer Zeit in Buenos Aires auf dem Piano schrieb. Eigentlich war er ursprünglich als Ballade gedacht, aber zu richtigem Leben erwachte der Track erst, als wir ihn ein bisschen schneller spielten. Mein Lieblingsteil ist der Kickdrum-Part in der Mitte: es hört sich an, als sei er in einer Kathedrale in der Hölle aufgenommen worden!

Im Madison Square Garden spielten wir zweimal als Vorgruppe der Rolling Stones. Seither diskutieren wir ständig darüber, was diese Band denn eigentlich repräsentiert. In diesem Song stellen wir daher auch die Frage ‹Wer wärt ihr lieber: die Stones oder die Beatles?› Jimmys Antwort darauf: ‹Neither. One is dead and the other is corporate!›

2.

SICK MUSE: Ursprünglich hatte dieser Song einen anderen Text im Chorus, der sich auf die Sage von Amor und Psyche aus der griechischen Mythologie bezog. Auf der Bühne merkte ich allerdings, dass Text und Musik irgendwie nicht zusammenpassen. Im Studio tüftelten wir dann lange daran herum und waren echt erleichtert, als wir uns schliesslich auf die Version, die auf dem Album zu hören ist, einigen konnten. Manchmal muss man geduldig sein mit seinen Songs…

3.

SATELLITE MIND:

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anchmal fühlt sich das Leben doch an, als sei es nur ein Traum. Im Falle von Emily ­Haines, der Frontfrau und Mitbegründerin der kanadischen Band Metric, allerdings wie ein trauriger und fahler Traum. Gezeichnet von drei Studioalben mit Metric und drei Jahren des praktisch ununterbrochenen ­­ Tourlebens sowie persönlichen Verlusten und Krisen, verarbeitete die zierliche Kanadierin ihren Schmerz zuletzt in ihrem Soloprojekt Soft Skeleton. Mittels erdiger Pianoklänge und einer fast schon ätherisch anmutenden Stimme, fesselte Emily Haines hier ihre Fans mit tieftraurigen Songs. Doch dann geschah das, was niemand erwartet hatte: Am 30. März des vergangenen Jahres sass Haines vor ihrem Piano auf der Bühne des gut besuchten Phoenix Concert Theatres in Toronto, formte ihre ­Finger zu einem ­weiteren Moll-­Akkord, als sie plötzlich aus diesem Traum erwachte. ‹Ich möchte diese Songs nicht mehr spielen›, ­ erklärte sie den vor den Kopf gestossenen Fans. Emily hatte keine Lust mehr, immer nur traurig zu sein. So artete dieser Auftritt in eine überwältigende Jam-Session aus und war ­zugleich der erste Schritt zur Wiedergeburt von Metric. Der Mitbegrün-

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der Jimmy Shaw, mit dem Haines vor sechs Jahren gemeinsam diese Band als Akustik-Duo gestartet hatte sowie Bassist Joshua Winstead und Drummer Joules Scott-Key hatten sich während der Auszeit überall auf dem Globus verteilt und fanden sich gerne bereit, ihre getrennten Wege ­wieder zu vereinen und die gesammelten Erfahrungen im idyllischen ­Studio in Bear Creek in wunderbaren Songs zu verarbeiten. Herausgekommen ist eine Mischung aus pumpenden Beats, süssen ­Popmelodien und einer Prise Punkrock, ein tanzbarer Weckruf, der mit dem ­vielsagenden Titel ‹Help I’m Alive› beginnt und uns durch nachdenkliche, nicht aber niedergeschlagene Momentaufnahmen und ­Fan-tasien aus dem Leben vier interessanter Künstler entführt. Emily erläuterte uns in einem äusserst wachen Moment zwischen Dämmerung und Morgengrauen die Entstehungsgeschichte und Hintergründe ihres Albums ‹Fantasies›.

6.

HELP I’M ALIVE:

Bei diesem Song liessen wir uns von den paranormalen Ereignissen des Lebens inspirieren. Jimmy schickte mir die Melodie nach LA, wo ich bei der Beerdigung eines Freundes mit vielen David-Lynch-artigen Momenten konfrontiert war. Ich fragte mich die ganze Zeit, wie man seine Privatsphäre wohl am besten vor ‹eindringenden Geistern› schützt und arbeitete in meinem Hotelzimmer die ganze Nacht an diesem Song. Als ich wieder in Toronto gelandet war, stürzte ich mich gleich ins Studio und nahm die Vocals auf.

4.

TWILIGHT GALAXY: Einige der Tracks auf Fantasies machten einige ‹Wiedergeburten› durch, bevor sie so tönten, wie sie jetzt tönen. Dieser Song war eigentlich ein Upbeat-Electrorock-Stück mit unzähligen verschiedenen Teilen und kompliziertem Arrangement. Doch egal wie wir den Song umstrukturierten, er tönte einfach nie so richtig natürlich, sondern viel eher nach drei verschiedenen Songs in einem. Am Ende schmissen wir zwei der drei Teile einfach fort und so entstand aus diesem anfänglichen Puzzle dann Twilight Galaxy. Die übrigen Puzzleteile werden wir aber sicherlich irgendwann auch noch verwenden, da bin ich mir sicher!

5.

7.

COLLECT CALL: Diesen Song schrieben wir im Farmhouse Studio in Bear Creek bei ­Seattle. Die haben dort eine unglaubliche Auswahl von alten Instrumenten und ich liebe es, wie dieser Wurlitzer den Song wie das Titellied irgendeiner 70er-Detektivserie klingen lässt.

8.

FRONT ROW: Eine meiner Lieblingsromanfiguren stammt aus dem Buch ‹Great Jones Street› und heisst Bucky Wunderlick. Dieses Buch erzählt von der Paranoia und dem Neid der Rock’n’RollSzene und von der Power dieser Musik. Ich zitiere sehr gerne aus diesem Buch, Sachen wie ‹Music is dangerous› zum Beispiel. Bucky, ich weiss, es gibt dich nicht wirklich, aber Front Row habe ich trotzdem nur für dich geschrieben!

9.

BLINDNESS: Jedes Album braucht einen schweren, langsamen Song, zur Verschnaufpause sozusagen. Genau das ist die Rolle von Blindness auf Fantasies. Hier darf der Hörer die Augen schliessen und erst einmal tief durchatmen.

10.

STADIUM LOVE: Stellt euch eine Arche Noah vor, voller Tiere jeder Art, die in einer Art Stadion zur Belustigung eines menschlichen Publikums um ihr Leben kämpfen. Wir befinden uns an einem Punkt in der Geschichte unseres Planeten, wo die Linie zwischen Zuschauern und ‹Teilnehmern› nicht nur verschwommen, sondern geradezu aufgelöst worden ist. Alles was wir tun ist ‹Part of the Show›, niemand kann von sich behaupten, er beteilige sich nicht am Geschehen. Wir Menschen dachten, wir könnten die Natur zu unseren Gunsten bis in alle Ewigkeit ausbeuten, doch jetzt merken wir, dass das nicht funktionieren wird. Die Natur schlägt zurück. Und sie wird diesen Kampf gewinnen.

GOLD GUNS GIRL: Jimmy schickte mir diesen Song als ziemlich rohes Gerüst. Ich hörte immer wieder und kuckte mir dazu Scarface an, um mich davon inspirieren zu lassen. Der Text handelt von Gier und zwar in all ihren verschiedenen Formen, er handelt davon, dass wir alle den Hals nie voll genug zu kriegen scheinen.

Metric: Fantasies (Musikvertrieb) ­erscheint am 17. April 2009. Auf kinkimag.com spricht die Sängerin Emily Haines im Video über ihre Songs. Die akustische Version von ‹Help I’m alive› könnt ihr euch auf www.ilovemetric.com gratis runterladen. Text: Rainer Brenner Foto: Norman Wong


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26.03.2009 16:39:08

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‹soundcheck› Nach diesen Scheiben wirst du süchtig. Heavy Metal ist geil? Oder nur vorpubertärer Mist? Damit der urbane Mensch in allen akustischen ­Lebenslagen stets gut beraten ist, haben wir euch ­einen Mann zur Seite gestellt, der das CD-Regal schon mal vorsortiert hat. Unser Reviewnator hat auch diesen Monat wieder einige Perlen aus dem Meer der Neuerscheinungen gefischt und für jeden (ob Metal-Fan oder nicht) auch was Passendes ­gefunden. Für Wortspielästheten

Voltaire: Das letzte bisschen Etikette Manchmal ist das Leben ein echter Mistkerl: da wartet man vergebens auf neuen Stoff von Blumfeld oder den Sternen und dann kommt das deutschsprachige Album des Jahres nicht aus Hamburg, nicht aus Berlin, sondern aus einem überschaulichen Örtchen am Rhein, an dem nicht nur einst politische Organe residierten, sondern auch Musikredaktoren ihre grosse Liebe fanden. Die Rede ist natürlich von Voltaire, die diesen Namen nicht tragen, weil gleichnamiger Federführer am Flussufer das erste Mal knutschte, sondern weil der Sänger so heisst. Das muss man freilich nicht alles wissen, macht die unzeitgemässe Musik von Voltaire aber noch liebenswerter. Und hörbarer. Zwischen Indie, Folk- und Artrock kristallisiert man immer auch ein gewisses Faible für Muse und Radiohead heraus. Ständig passiert etwas Überraschen62

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des: mal emotional-pathetisch und dann wieder poetisch-verträumt. Aber dennoch unterscheidet sich ‹Das letzte bisschen Etikette› von seinem grossartigen Vorgänger – durch mehr Klangebenen, mehr Feinheiten, neue lyrische Panoramen und durch treibende, mitreissende Entschlossenheit. Und der verliebte Redaktor? Nun ja, der schreibt für euch gerade diese Zeilen und weiss nach Songs wie ­ ‹So Still› plötzlich wieder, warum sein Herz bei ihrem Anblick so doll pocht. Das Leben steckt manchmal eben doch voller Überraschungen. Und voller Hingabe.

Für Tanzbodenfetischisten

The Virgins: The Virgins

‹The Virgins sind eine Band, die leicht zu lieben, aber schwer zu ­googlen ist›, schreibt die ­Plattenfirma über ihre neuen Schützlinge

und ausnahmsweise hat sie damit einmal recht. The Virgins versprühen auf ihrem selbstbetitelten Album das Odor der Lebensfreude und Unbeschwertheit, wirklich viele Infos ­findet man dennoch nicht über die Band. Und gerade deshalb kann man eigentlich schon in Lichtgeschwindigeit Zeitaufnahmen ­ davon machen, wie sich die New Yorker Indie-Buben vom hippen ­Insidertipp zum ­nächsten Stern am Gitarrenhimmel entwickeln werden – Authenzität macht’s möglich. Bei Attributen à la ‹funky›, ‹arty›, ‹groovy› und ‹dancy› ist dies zudem nur bedingt verwunderlich. Auch Vergleiche mit den Strokes, Rifles oder auch den grossen Talking Heads fallen nicht schwer, die ja alle auch schon entgegen aller Unkenrufe ‹ihr› Ding durchzogen und gerade dadurch Kultstatus erlangten. ­Tatsächlich vereinen The Virgins knackiges Pop-Songwriting mit zwangloser 80er-Attitude und stellen ‹Spass haben› ganz oben auf die Agenda: knallig, unkonventionell, bunt und auch ein bisschen ­sophisticated licken sich die Gitarren ihren Weg durch Songs wie ‹Rich Girls› oder den nächsten grossen Sommerhit ‹Teen Lovers›, zu dem man eigentlich schon gar nichts schreiben sollte, bevor ihn der ­Leser nicht selbst ­gehört hat. Aber wenn man eine ausgelassene Party in den Strassen New Yorks, bei kaltem Bier und wasserverspritzenden Hydranten vertonen

könnte, würde es mit Sicherheit den Titel der ‹kleinen Liebenden› tragen. Ich habe mein Flugticket bereits gebucht!

Für Traumweltenbesucher

Röyksopp: Junior

Ob man es nun will oder nicht: Röyksopp entführen ihre Hörer in eine verquere, romantische und ­auch kitschige Welt, die ­farbenfrohe Bilder vor dem inneren Auge entwirft. Wenn die Norweger pompös – gar ein wenig dekadent – mit Streichern und ambienter Electronica ihre Traumwelten ­konstruieren, hat das zwar noch ansatzweise etwas mit kuscheligem Electro-Pop gemein, aber eben nicht mehr allzuviel. ‹Wir wollten immer von den sanften ­Fingerspitzen von Vangelis berührt werden›, fassen die Jungs von Röyksopp ihre kollektiven Gedanken


Für Gitarrenelektroniker

Adam Kesher: Heading for the Hills

Mal im Ernst: irgendwann wird man seiner schon müde, weil man aber auch immer zu denselben Platten greift, wenn es tanzbarer und eingängiger Elektropop sein soll. Robocop Kraus und Kid Alex mögen es einem verzeihen, aber Rettung kommt nun endlich aus dem Land von Käse und Wein. Ein Name, sechs Mann, ein Sound so gross wie eine ganze Kapelle: Adam Kesher, die sich nicht in ihrer Muttersprache selbstverwirklichen, sondern sich dem hörgewohnnten englischsprachigem Indie-Elektro-Pop verschrieben haben. Was daran aussergewöhnlich sein soll? Nun ja, welcher Franzose macht das schon, ohne die Angst im Nacken zu haben, gleich an den Eifelturm genagelt zu werden. Adam Kesher mixen elektronisch Rock’n’ Roll und Kerli: Love Is Dead Raw-Synth-Indie-Pop-Melodien Wenn Björk auf Natasha Bedingfield zusammen, und was dabei heraustrifft, und Pop sich mit der Progreskommt ist alles andere als eine sivität skandinavischer Songwriter- geschmacklose Pampe. Zwar stets finesse paart, weiss man, dass man nagend am Zahn der Zeit, schaffen gerade ganz grossen Stoff zu hören es die Adams dennoch ihren eigenen bekommt – oder einfach nur ‹Love Sound zu kreieren – schweisstreiIs Dead› von Kerli. Die elfenhafte Est- bend, progressiv und auch fordernd. länderin schreibt Songs, die man Daft Punk oder LCD Soundsystem so noch nicht zu hören bekommen lassen grüssen und haben irgendwie hat und die einem dennoch vetraut auch Pate für ‹Heading for the Hills›, vorkommen. Irgendwie gelingt es der das Debütalbum des Sechserpacks, hübschen Liedermacherin, ihren gestanden. Adam Kesher heisst Songs trotz glatter Oberfläche eine übrigens niemand in der Band, denn unglaubliche Tiefe zu verleihen der Name wurde aus David Lynchs – ein raues Profil, an dem man hän- ‹Mulholland Drive› geklaut – dort hiess gen bleibt, und Melodien, die im der mit der Mafia kämpfende Gehörgang verkleben. Die Frau, bei Regisseur Adam Kesher. Nur dass deren Anblick nicht nur Männer man sich bei dem Sound des reihenweise dahinschmelzen und die Sechsers nicht ganz so dolle in die Zunge baumeln lassen, macht aus Hosen macht. ihren anmutenden Stücken Hybriden, Statt in einen Kessel mit die man so nicht für möglich gehalZaubertrank ist Florian ten hätte: mainstreamtauglicher Pop Hennefarth aka Henne aka The Reviewnator als mit Anspruch und Tiefe, in dem sich Kind in eine der Kreislauf von Tod und Geburt wie 3000-Watt-Box gefallen. Seitdem kann ein roter Faden durch düster angeer ohne Musik nicht mehr leben und hauchte Songs zieht. ‹Love Is Dead› ver- durchlauscht für uns alle relevanten spricht Lieder voller Emotionen und Neuerscheinungen. persönlicher Offenbarungen. Jetzt kann man nur noch hoffen, dass dies auch alle anderen kapieren und der vielleicht ‹schönsten Frau der Welt› nicht nur in den Ausschnitt starren.

Für Schwarzmaler

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zusammen, ‹darauf warten wir immer noch vergeblich› – aber mit ihrem einzigartigen Sound gelingt ihnen dies auch schon ganz gut. Man kann sich Columbus schon sehr gut vorstellen, wie er in seinen hautengen Strumpfhosen den blühenden Strand San Salvadors entdeckte und sich in einer Welt voll ungeahnter Eindrücke verlor – und genau dies erwartet den Hörer auf ‹Junior›. Vangelis würde zustimmen. Geht diese Metapher zu weit? Mag sein! Aber ‹Junior› ist das bisher Beste aus der RöyksoppSchmiede. Und es ist ein aufgeschlossenes und unkonventionell konventionelles Album, das die jugendliche Seite von Röyksopp widerspiegelt – der Körper jung und die Herzen alt oder war’s umgekehrt?


Crunk Rock SK8 Punk Für Trouble Andrew ist Musik nur eine Knieverletzung vom Snowboarden entfernt, und Snowboarden und Skaten ein kreatives Ventil, das fliessend in Kunst und Musik übergeht. Text: Florence Ritter

Trevor Andrew kennt Schnee nicht nur von Discotoiletten. Nach heissen Partynächten zieht es den ­Troublemaker nämlich in kältere Gefilde.

Typ in enganliegenden Röhrenjeans, mit Vokuhila, einem Shirt mit riesigen Armlöchern à la Travis Baker, mit Dächlikappe und obligater Ray Ban rockt die Bühne und gibt selbst ernannten ‹Crunk Rock› zum Besten. Die Musik ist eine Mischung aus Punk Rock, Hip Hop, Electro und Pop mit Lyrics über Sex, Partys und Drogen. Im Publikum brodelt ein Meer aus Caps und Wollmützen: die Show geht ab wie die Hölle! Kaum zu glauben, dass Trouble Andrew vor seiner Musikerkarriere für seine originellen Freestyle-Tricks auf dem Snowboard bekannt war. Nimmt man die Konzertbesucher etwas genauer in Augenschein, merkt man aber an den sonnengebrannten Gesichtern und dem überdurchschnittlich hohen Anteil an Markenkleidern, dass ein Grossteil der feiernden Meute einen Snowboard- oder Skatehintergrund aufweist. Auch auf der Bühne sind immer wieder bekannte ProfiRider zu sehen, die shaken und rumalbern oder als Bestandteil seiner ‹Trouble Gang› mit ihm auftreten. Trotz dieser Szenelastigkeit mischen sich vermehrt auch sonstige Hippster und Partyjunkies ohne Brettvergangenheit unter die Anhängerschaft von Trouble Andrew. Im rebellischen Alter von 15 Jahren schmiss Trevor die Schule, um auf den Brettern zu stehen, die für ihn die Welt bedeuten. Lange Zeit führte er das Leben eines Snowboard-Pros, das sich jeder enthusiastische Brettsportler nur in seinen kühnsten Träumen vorzustellen wagt. Nun lebt er auch den Traum vieler begnadeter Hobbymusiker und startet musikalisch als trashiger Rockstar durch. Jedoch kam es ganz zufällig zur Zweigleisigkeit seiner Karriere: Eine Knieverletzung zwang Trevor 2004, neun Monate aufs Snowboarden zu verzichten. In dieser ewig erscheinenden Erholungsphase begann er aus Langeweile auf der Gitarre seiner Verlobten rumzuklimpern und Texte zu ­schreiben. Seine Fiancé – niemand geringeres als die reizende Santi White – pushte ihn damals, sein musikalisches Projekt weiter zu verfolgen. Interessanterweise war sie es, die zuerst als Feature im Song ‹Bang Bang› auf seinem Album erschien, bevor sie als Santogold noch erfolgreicher durchstartete und Trevor als Feature im Song ‹I’m a Lady› auf ihre Platte aufnahm. Wir haben uns bei Trouble Andrew über seine Doppelkarriere inforls Pro-Snowboarder inspirierte der Ka- miert und neben zahlreichen Liebesbekundungen nadier eine ganze Generation von Fah- für die Schweizer Berge auch etwas über seinen rern durch seinen kreativen Snowboard- Lebensstil und seine Einflüsse erfahren. Fahrstil. Nun produziert Trevor Andrew kinki magazine: What’s So Strange About auch Musik, die weitere Generationen anspornen You? (Angelehnt an seinen Song: ‹What’s So und über Pulver, Rail und Kicker jagen soll. Auch Strange About Me?›) ohne Brett unter den Füssen steht Trevor aka Trouble Andrew: (Lacht.) Ich denke, es gibt sehr Trouble Andrew aka TRZA aka Private Joints aka viele Sachen an mir, die seltsam sind. Aber Billy Lotion aka Trev Dirt aka Trev Hollywood mit eigentlich ist dieser Song ein Cover der deutebensoviel Style auf der Bühne. Ein schlaksiger

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schen Band ‹Eight Dayz› aus den 80erJahren. Der Sänger der Band war selber Skater und ich habe den Song durch ein Skateboard-Video entdeckt; dieses Cover ist quasi ein Tribut an ihn. Machst du typischen Snowboard-Sound, so wie Jack Johnson Surfer-Musik macht?

Nein, das würde ich nicht sagen, eigentlich gar nicht. Ich finde nicht, dass irgendeine Musik, die aus der Snowboard- oder Skaterszene entsprungen ist, ähnlich wie meine Musik klingt. Aber die Musik kommt schon gut an bei Leuten, die diese Snowboard-, Skate- und Surfkultur teilen. Leute, die skaten oder snowboarden können eine persönlichere Beziehung zur Energie und dem Gefühl aufbauen, die meine Musik vermitteln. Als ich die Musik kreiert habe, dachte ich oft darüber nach, dass sie zu einem Snowboard-Video passen müsste, ich habe meine Musik immer aus dieser Perspektive betrachtet. Sie muss Energie und ein Lebensgefühl rüberbringen und mich auf dieselbe Weise berühren und pushen wie die Musik, die ich selber zum Snowboarden höre. Wobei ich auch einige Songs geschrieben habe, die sanfter sind.

‹Seit ich 12 Jahre alt bin, lebe ich aus meinem Koffer und reise um die Welt.› Wie vereinbarst du das Snowboarden mit dem Musikmachen?

In letzter Zeit habe ich vermehrt Musik gemacht, Songs aufgenommen und bin auf der Bühne gestanden. Ich hatte vor zwei Saisons eine weitere Verletzung, bei der ich mir fast den Rücken brach – das war übrigens in der Schweiz – also habe ich mich stärker auf die Musik konzentriert. Vor meinen Verletzungen machten Snowboarden, Skaten und Surfen meinen Lebensstil aus, das sind Lebenskulturen, nicht nur Sportarten. Sie atmen wie Kunst, es ist nicht aussergewöhnlich, dass ein Snowboarder oder ein Skater auch Maler, Musiker oder sonst ein Künstler ist. Natürlich braucht es athletische Fähigkeiten, aber für mich ist es eine Form von Kunst. Deshalb gibt es auch zahlreiche Künstler aus dieser Szene, die dasselbe machen wie ich. Das ist bei Basketball- und Baseballspielern nicht der Fall. Als ich mich 2004 von meiner Knieverletzung erholte, ging ich tagsüber snowboarden, danach machte ich Musik und gab am Abend noch Konzerte. Ich führte meinen Lifestyle also einfach fort wie zuvor. Auch wenn ich fürs Snowboarden auf Tour bin, gehen wir abends aus, treffen Leute und machen Party. Jetzt versuche ich einfach noch eine Show zu organisieren und aufzutreten, wenn ich ausgehe.

werde, natürlich werde ich nicht immer meterhohe Jumps springen können und dabei mein Leben riskieren, aber ich werde das Snowboarden immer lieben und ich werde es sicher immer machen, so viel und so lange ich kann. Ich brauche das Snowboarden einfach, ich habe das mein Leben lang gemacht, es ist ein Teil von mir, snowbarden und skaten, das bin ich. Und Musik hat mich immer begleitet und stark beeinflusst, sie hat mich inspiriert und angespornt, gewisse Dinge zu wagen. Da gab es Songs, die mir das Gefühl gaben, das ich alles tun könnte. Und als es dazu kam, dass ich selber Musiker wurde, war das wie ein weiteres kreatives Ventil für mich. Ich kann meine Musik karrieremässig sicher noch weiter bringen, aber Snowboarden wird immer ein grosser Teil von meinem Leben bleiben. Ausserdem bin ich stark in die Snowboardszene involviert. Ich arbeite mit Burton über das Snowboarden hinaus zusammen. Ich mache auch meine eigenen grafischen und künstlerischen Designs für Kleider und Boards. Snowboarden gehört für mich einfach zum Leben dazu.

Snowboarden bleibt für Andrew zu wichtig, um ­richtig Karriere im Musik-Biz zu ­machen.

Möchtest du bald sesshaft werden?

Nein, nein, ich werde mich in meinem Leben niemals fest niederlassen. Ich werde immer reisen. Das ist ein Teil meines Lebens. Wenn ich mal für eine längere Zeit, so ein bis zwei Monate, an einem Ort bin, dann werde ich verrückt und möchte weiter. Seit ich 12 Jahre alt bin, lebe ich aus meinem Koffer und reise um die Welt. Ich geniesse es sehr, immer wieder andere Leute um mich zu haben, die unterschiedliche Sachen machen. Und auch unterschiedliche Orte zu sehen, wo mich niemand kennt. Im Moment arbeitet Trouble Andrew an den Aufnahmen zu seinem zweiten Album, er verspricht mir aber, danach in die Schweiz – eine seiner Lieblingsdestinationen – zu kommen, Protes du Soleil zu rocken und, wenn möglich, noch aufzutreten. Fotos: Emi Music EP: Trouble Andrew (Remixed + Remastered; Virgin Records) Die ungekürzte Fassung des Interviews findet ihr auf www.kinkimag.com

Löst die Musik das Snowboarden als Hauptlebensinhalt ab, hilft sie dir, vom Snowboarden zurückzutreten?

Mit der Musik begann ich ja ziemlich zufällig. Aber ich denke, dass ich immer snowboarden kinki 65


Am Telefon mit einem Grossmeister

Wenn man den bekanntesten DJ der Welt am Draht hat, spricht man ihm erstmal seine Hochachtung aus. Denn der 51-jährige Joseph Saddler alias Grandmaster Flash hat viel geleistet. Mit seiner Pionierarbeit an den Plattenspielern und seinen Aufnahmen mit den Furious Five hat er das DJing revolutioniert und Hip-Hop-Geschichte geschrieben. Text: Adrian Schräder

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at man seine Respektsbekundungen dann deponiert, merkt man schnell, dass er sich auf seinem hohen Ross sehr, sehr wohl fühlt. Schade, dass man die Kunstpausen in diesem aus Anlass seines neuen Albums ‹The Bridge› geführten Gesprächs hier nicht adäquat wiedergeben kann. Daher: Gleich noch mal ‹Wild Style› schauen. kinki magazine: Dein neues Album heisst ‹The Bridge›. Hast du versucht eine Brücke zwischen früher und heute zu bauen?

Grandmaster Flash: Nein, darum geht es ­eigentlich nicht. Ich meine damit eine Brücke zwischen verschiedenen Kulturen und Lebens­ stilen. Zum Beispiel einen unbekannten und ­einen berühmten Rapper zusammen auf einem Stück zu vereinen. Oder einen ameri­k anischen Rapper und einen, der kein Englisch spricht. Deswegen klingt das Album auch so vielseitig. Und ich bin der DJ, der Regisseur, der alles ­zusammenhält. Auf dem Album sind Leute wie Q-Tip, Busta Rhymes, Snoop Dogg und Grandmaster Caz von den Coldcrush Brothers zu hören. Du kannst dir wahrscheinlich aussuchen, mit wem du zusammenarbeiten willst. Wie triffst du die Auswahl?

Jedes Mal, als ich einen Beat fertig hatte, bin ich damit ins Auto gestiegen und eine gan­ ze Weile rumgefahren. Dann hat mir der Beat ­immer selber erzählt, wer am besten zu ihm passen würde. Ich hab dann mein Management angerufen und ihnen gesagt, dass sie die je­ weilige Person ausfindig machen sollen. Ganz einfach ist das aber nicht. Es ist ziemlich schwer Leute wie Snoop Dogg oder Busta Rhymes auf einen Termin festzunageln – auch wenn man Grandmaster Flash heisst. Aber schlussendlich hat’s geklappt. Hast du einen Lieblingstrack? Vielleicht das Gedankenspiel ‹What If› mit KRS-One?

Nein, ich hab keinen. Sie sind alle sehr speziell für mich. Auf dem Stück ‹Bronx Bombers› hört man ­etliche unbekannte Rapper. Alles gute Freunde von dir? 66

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Nein, das sind junge, talentierte Rapper aus der Bronx. Ich wollte ihnen eine Chance geben. In der Bronx gibt es Tausende von Rappern. Wie hast du sie gefunden?

Das haben meine Mitarbeiter für mich gemacht. Ich hab ihnen nur gesagt: ‹Leute, ich brauche drei Rapper aus der Bronx. Und sie müssen sehr gut in dem sein, was sie tun.› Es kam mir überhaupt nicht darauf an, ob man sie schon kannte oder nicht. Mit dem Stück wollte ich ­etwas Grosses machen. Ich wollte der Bronx, dem Geburtsort des Hip Hop, Tribut zollen.

‹Gut möglich, dass ich früher ein ­böser Junge war!› Ist die Bronx oder New York für dich immer noch das Zentrum des Hip Hop?

Nein, es gibt kein Zentrum mehr. Hip Hop ist mittlerweile in der ganzen Welt. Das beobachte ich jede Woche, wenn ich kreuz und quer über den Globus reise. Hip Hop ist mittlerweile überall zuhause, und ich lerne immer etwas dazu. Auch ich weiss längst nicht alles über Hip Hop. Und Hip Hop wächst. Immer noch. Auch heute. Wann warst du das letzte Mal so richtig überrascht über die Reaktion der Leute?

In Russland. Ich weiss zwar nicht mehr wie die Stadt hiess, aber es war sehr eindrucksvoll. Die Leute haben mich nicht mal verstanden, wenn ich ‹Hallo!› gesagt habe. Aber auf die Musik haben sie reagiert. Speziell auf die Breakbeats. Du hast mit den Leuten also wirklich nur über die Musik kommuniziert.

Ja, zwangsläufig. Es ist für mich sehr, sehr wichtig, dass mich die Leute verstehen. Ich set­ ze sehr oft das Mikrofon ein. In den meisten Städten mache ich nachmittags im Hotel ­einen kleinen Sprachkurs. Ich frage nach einem ­Übersetzer und lasse mir dann Sätze wie ‹Hebt eure Hände in die Luft!› übersetzen. Die übe ich dann den ganzen Tag. Es ist schon cool zu sehen, wie dann die ganzen Hände hoch

­ ehen. Das ist wichtig, denn die Leute müssen g erst warm werden, ihre Hemmungen ablegen. Erst dann kann die Party richtig beginnen. Bereitest du dich sonst noch vor?

Sicher, ich übe. Ausserdem beobachte ich die Leute sehr genau. Nach fünf, zehn Minuten weiss ich, was sie für Musik hören wollen. Ich hab ein gutes Gefühl dafür. Ich hab Erfahrung. Wie hast du eigentlich damals deine ersten Platten finanziert?

Ich habe Mädchen gedatet. Dann bin ich mit ­ihnen nach Hause und hab ihre Mütter gefragt, ob bei ihnen vielleicht irgendwo noch ein paar Platten rumstehen, die sie nicht mehr brauchen. Und danach hast du dem Mädchen den Laufpass gegeben?

(Lacht.) Ja, gut möglich, dass ich früher ein böser Junge war!


Und wie haben Grandmaster Flash & The ­Furious Five ihre ersten Studiosessions ­finanziert?

‹Im Moment höre ich viel Strawinski. Igor Strawinski – no joke.›

Da standen wir dann schon unter Vertrag. Das hat also glücklicherweise unser Label übernommen. Du legst seit über dreissig Jahren auf. Wie verhindert man es da stehenzubleiben?

Ich glaube, das ist einfach eine Einstellungs­ sache. Ich wollte schon immer auf dem neusten Stand sein und das Ganze vorwärts treiben. Schon früher musste ich immer die heissesten neuen Stücke haben. Ich bin ein Entdecker. Früher haben sich meine Entdeckungsreisen auf die Bronx, Manhattan, Queens und Long ­Island beschränkt. Dank meines Erfolgs steht mir jetzt die ganze Welt offen.

‹Nach fünf, zehn Minuten weiss ich, was sie für Musik hören wollen.› Reisen bildet?

Ja, ich versuche immer möglichst viel von ­meinen Reisen zu profitieren. Ich sauge die ­Erfahrungen auf. Wie oft legst du eigentlich auf?

Du meinst wie oft ich auflegen könnte? Wahr­ scheinlich jeden Tag. Aber ich beschränke mich auf 120 bis 150 Gigs pro Jahr. Schliesslich habe ich ja noch andere Projekte am Laufen. Was denn so?

Neben diesem Album werde ich bald Musik für ein Computerspiel machen. Ich kann nicht viel dazu sagen, ausser dass es wohl das grösste Spiel aller Zeiten werden wird. Hast du einen momentanen Lieblingstrack?

Nein. Im Moment höre ich viel Strawinski. Igor Strawinski – no joke. Vor allem ‹Le sacre du printemps›. Er ist ein wunderbarer Kompo­ nist, und da ich in Zukunft viel Filmmusik und Soundtracks machen werde, ist seine ­Musik eine gute Inspirationsquelle. Wirst du diese Elemente denn in deine ­Produktionen einfliessen lassen?

Ja. Aber auf spezielle Art und Weise. Meine ­S achen werden immer einen Hip-Hop-Touch ­haben. Du trägst den Titel ‹Grandmaster›. Wer hätte diesen Titel deiner Meinung nach heute ­verdient?

Hm, schwere Frage. Sicher Barack Obama. Und Steve Jobs. Was er abzieht, ist Zauberei. Das Album ‹The Bridge› (Strut/Namskeio) von Grandmaster Flash ist bereits erschienen. Fotos: Namskeio

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‹playlist› Die allerbesten DJs der Schweiz stellen ihre ­ All Time Favourites vor.

04:09

09:09

Ich liebe diesen Song wegen der geilen Apreggiator Basslines. So rau, so dreckig, so schräg und dabei gefährlich filigran, voll dynamisch und tanzbar. Ich bin ohnehin grosser Fan von EBM / Industrial aus den 80ern. Hier habe ich wohl musikalisch meinen abstrakten und dunklen Kern gefunden.

Was auch immer die Detroiter Techno Fraktion gegessen hat, es muss gut gewesen sein. I love Detroit Techno sooo much! Und ‹The Martian› hat mit diesem Album mein Herz wirklich fest im Griff. Das ist Musik, die mich ohne Text und Gesang zum Weinen bringen kann. ‹Skypainter› sagt eigentlich auch schon alles, am besten hört man sich das an, schaut dabei aufs offene Meer oder in einen sternenklaren Himmel und lauscht dazu diesen futuristisch-dramatischen Klänge. Deep indeed.

Fad Gadget: Ricky´s Hand

05:16

DJ Playlove

Soft Cell: Sex Dwarf

80ies Synth Pop at its best! Dieses Album hat definitiv mein Leben verändert und mich in die Fänge der elektronischen Tanzmusik getrieben. Neben dem Evergreen ‹Tainted Love› finden sich hier unglaublich intensive Meilensteine dieses Genres. ‹Sex Dwarf› ist so was von frivol und ultra sexuell, das hätte es früher zu Grossmutters Zeiten nicht gegeben! Wenn man sich vorstellen möchte, wie es in einem Dark Room zugeht, dann sollte man sich mal diese Nummer anhören. Spank! Spank! Spank!

03:48

Miss Kittin & The Hacker: Stock Exchange Woman Champagner? Am besten pur und in einem goldenen High Heel Pump serviert! ‹To be famous is so nice!› singt Miss Kittin da in einem ihrer Songs und hat damit zusammen mit The Hacker, den wohl passendsten Soundtrack zu einem Leben im Jetset produziert. ‹Stock Exchange Woman› habe ich in meiner DJ Anfangszeit jedes Mal gespielt und dabei laut mitgesungen. Das muss ich immer noch, wenn ich diese Nummer höre. Sowas passiert dann übrigens in voller Lautstärke mit der Repeat Taste gedrückt, popowackelnd durch die ganze Wohnung hüpfend.

08:03 The Fugees: The Score

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ie nennt sich selbst ‹Hausfrau für Audiovisuelles› und rockt mit ihrer ­ureigenen Melange aus vertripptem Techno, schmutzigem House und tiefen Detroit-Elementen jeden Laden. Doch wo sind die ­Wurzeln der umtriebigen DJ-Amazone aka Playlove? Die gebürtige ­Wienerin hört auf den bürgerlichen Namen Nathalie Brunner und interessierte sich in ihrer Jugend für Punk, Rock und Hip Hop. Doch ihr Onkel Tom, der als DJ in London, NYC und Miami arbeitet, wurde rasch zum Vorbild und konnte sie von elektronischer Tanzmusik und ihrem Sog überzeugen. Mit 19 Jahren kaufte sie sich ihre ersten Turntables und fing an, mit Freunden kleine Events zu organisieren. Darunter war zum Beispiel das Team ÖKM, der ‹Verein zur Erhaltung Österreichischer ­Körpermusik›. Seit damals verbringt sie ihre Zeit mit Auflegen und arbeitet nebenbei als Toningenieurin

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und Event Organisatorin. 2003 ­startete sie ihre erste eigene Show, das ‹Dual Sensor System–Welcome To Electro Boogieland›, gefolgt von der Cluberöffnung des ‹Cabaret Renz›. Nathalie Brunner verliess 2004 Wien, um ihre Karriere als Werbemanagerin für Compost Records zu starten und machte in München bis 2008 Presse und Promotion für Disco B. Jetzt hat sie es nach ­Zürich verschlagen und auch hier ist sie stets in Eile, viele neue Ideen zu verwirklichen–natürlich mit Liebe, Herz, Spiel und Spass. Hier sind Playloves ­absolute Lieblingstracks, die im Laufe ihrer Karriere den Weg in Ohr und Herz gefunden haben.

Diesen Track (und das gleichnamige Album) habe ich mir vermutlich so oft angehört wie keinen anderen – super!

03:40

Kraftwerk: Der Telefon Anruf Es war für mich wirklich schwierig, aus der Vielzahl von gliebten Kraftwerk Songs einen für diese Playlist auszuwählen. Deshalb habe ich hier eine Nummer ausgewählt, die mir ein treuer Begleiter war in Zeiten der geografischen Distanz zu einem geliebten Menschen. ‹Du bist mir nah und doch so fern... ich muss dich wiedersehen, wann ist es soweit... ich ruf dich an, ich hör dich gern...›, heisst es da zwischen wilden Telefongeräuschen und zarten Melodien. Und mit einem ‹Tüü Düü Düpp... kein Anschluss unter dieser Nummer!› endet der Song.

04:12

Lou Reed: Take A Walk On The Wildside ‹...hey babe, take a walk on the wildside!› What else to say?

The Martian: Skypainter

09:09 D. Diggler: Odic Force

Hier noch eine Empfehlung an all diejenigen, die sagen, Techno sei tot und / oder langweilig. Dieses Album von D. Diggler begleitet mich und meine Plattentasche non-stop seit der Veröffentlichung 2006. Unfassbare Klänge, gefühlvolle Grooves und innovative, fette Beats ergeben zusammen mit dem genialen Arrangement ein perfekts Techno-Album von Anfang bis Ende. ‹Odic Force› ist hier mein Lieblingstrack und jedes Mal wenn ich ihn auflege, schliesse ich meine Augen und kriege Gänsehaut. So soll das sein!

02:51

Judy Garland: Somewhere Over The Rainbow Also wenn ich sagen soll, welcher mein ältester Lieblingssong ist, würde ich ‹Somewhere Over The Rainbow› nennen. Denn ‹The Wizard Of Oz› ist mein allerliebster Kindheitsfilm. Sehr verträumt und märchenhaft, aber auch das gehört für mich dazu.

03:47

Donna Summer: I Feel Love Ich glaube, ich habe mittlerweile mindestens 10 verschiedene Versionen, Remixe und Edits dieser Nummer. Damit könnte ich wahrscheinlich eine drei Stunden ‹I Feel Love› Session zusammenmixen und mir wäre der Song immer noch nicht abgedroschen. Donna Summer, sowieso die Disco-Queen schlechthin, hat mich mit dem Song voll getroffen und wann immer ich ihn höre, spring ich auf und tanze was das Zeug hält.

12:42

Squarepusher: Tundra 4 Es klingt so, wie man sich die Weiten der Tundra vorstellt. Squarepusher ist für mich neben Aphex Twin einer der genialsten Produzenten. Ich habe keine Ahnung, wie sie es machen, aber ihre Musik ist gewaltig. ‹Tundra› begleitet mich immer auf meinen Reisen und weckt deshalb auch viele Erinnerungen an wunderschöne Zeiten und unvergessliche Menschen. Text: Rahel Zoller Foto: Promo


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A le x a n d e r

Fotografie Stefan Milev www.stefanmilev.com Produktion Selected Artbuying

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Haare/Make-Up Gregor Makris Styling Andreea Apostol Model Alexander Kern www.anc-mm.de

Retusche i retouch it www.iretouchit.com Studio www.studio-bayh.de


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Couture de BAle

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as ist ja immer eine spannende Sache, ‹Mode aktiv und so eine Modenschau. Interessant, erfrischend, inspirierend. Die Präsentatioder dreizehn Diplomanden konzenterfinderisch in die rierten sichnenganz auf die Inszenierung des Lauf­stegs. ‹Independent Fashion Design› heisst das Zukunft entwerZiel des Studienganges und so sollte während Show eine Atmosphäre entstehen, in der die fen oder in verant- der individuellen Handschriften und ihre modische, allgemeingültige Relevanz sich zugleich entfalten wortlicher Posikönnen. Den Absolventen ist dies absolut gelunmittels beeindruckender Lichtführung sowie tion ihre aktuelle gen: optimal abgestimmter musikalischer Untermalung schufen sie eine Stimmung, die einen ans Träumen erinnerte. Gestaltung entAn einen Traum nach einer durchtanzten, Nacht: glamouröse Waldtiere führen scheidend mitbe- weinlastigen filigrane Elfen zum Tanz aus. Die Show bot Raum für Konzentration und Aufmerksamkeit, für die stimmen›, so physische Realität der Mode, für ihre Wirkungs­lautete das Motto, möglichkeiten. ‹Free spirited› unter dem die Die Kollektionen bieten eine bunte Mischung von gewagtem Stilmix, gewollt unpassenden Passformen und mutigen Farb- sowie MusterkombinatioFachhochschule nen. In der Bachelor-Thesis als der entscheidenden Schnittstelle zwischen Studium und Berufsfür Gestaltung ­leben soll Rei Kawakubos Statement ‹the wearer feel it if the clothes are free spirited› jeweils und Kunst Basel 13 can individuell einen neuen, zeitgemässen Aus­druck finden. Abschlusskrea­ Die Studierenden wählten und definierten selbständig, womit sie sich in ihren Projekten moauseinandersetzen möchten. Ihre Arbeit umtionen von angehen­ disch fasste die Entwicklung und Umsetzung von mindestens 7 Outfits bzw. insgesamt 15 Kleidteilen den Designeraufgrund eines visualisierten Konzeptes. Eine spiegelt die Recherchen und die innen und Desig­ Theoriearbeit methodische Strukturierung des Vorgehens wider. Styling und Präsentation am lebendigen Modell nern in diesem sowie 2D-Arbeiten wie Foto, Video oder Lookgeben Auskunft über die Fähigkeit der AnJahr präsentierte. books wärter, die eigene Kollektion zu interpretieren, zu vermitteln und ihre Wirkung zu steuern. wurde auch an dieser Veranstaltung Text: Miriam Suter ModeNatürlich nicht neu erfunden, ganz bestimmt aber Hoffnung geschöpft – Stilsicherheit und und Florence Ritter neue ­-bewusstsein sind auch in dieser Generation noch en masse vorhanden. Die Designerinnen und Designer, die nach der jeweiligen Präsentation auf der Bühne sowie dahinter gefeiert und beklatscht wurden, dürfen also mit Recht stolz auf sich sein. Denn wie bereits die Grande Dame des Modebusiness’, Coco Chanel, einst zu sagen pflegte: Mode ist vergänglich – Stil niemals. Die Diplomanden Laend P. Phuengkit und Lea Walti, deren Kollektionen uns besonders gut gefallen haben, luden wir noch einmal zur mündlichen Prüfung, in der sie uns Fragen zu ihrer Abschlussarbeit sowie zu ihrem Bezug zur Modewelt allgemein beantworten mussten. Fotos: Alexander Palacios, Boris Marberg, ­Annika Katrin Elmer, Christian Schnur

oben: Tonic, Salome Golliez

Auf unserer Hompage www.kinkimag.com ­stellen wir euch diese und weitere ­Design-­Diplomanden vor und entführen euch mit zusätzlichen Fotos in die innovative Modewelt ihrer Abschlussarbeiten.

links: Suwannabhum, Laend Phuengkit

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obere Reihe: I don’t need any apples, thank you!, Stefanie Biggel Tonic, Salome Golliez Suwannabhum, Laend Phuengkit untere Reihe: C’est Bastion, Sebastian Schibler St. Elmos, Tanya Sonderegger What’s my name again, Annemarie Bösch

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Laend P. Phuengkit Alter: 27 Jahre Herkunftsort: Zürich / Bangkok Lieblingsmaterialien: Ich liebe es mit verschiedenen Materialien zu arbeiten, daher ist es für mich schwierig, mich auf ein spezifisches Material festzulegen. Liebstes Kleidungsstück: Ich habe viele Lieblingsstücke. Sie sind zeitlos und können immer wieder getragen oder mit neuen Teilen kombiniert werden.

Wie bist du in die Modewelt ­gelangt?

Durch meine Grossmutter. Sie war Damenschneiderin. Ich mochte es, ihr beim Nähen und Stricken zuzusehen. Das hat mich als Kind immer fasziniert. Was bedeutet dir die Mode?

Es sind Bilder, die eine atmosphärische Stimmung hervorrufen. Es sind Anhaltspunkte, die ich für den Entwurf benötige. Ich arbeite oft in meinem Atelier, vor allem liebe ich es, bis in die Nacht zu arbeiten, da bin ich am produktivsten. Wie erlebst du die Modeszene, was hältst du vom Begriff ‹Modezirkus›?

Ist eher nicht mein Ding, aber wir brauchen diese Szene, schliesslich sind die Leute, die im Modezirkus auftreten, unsere Kunden und ­dienen als Aushängeschild für unser Label. Wie heisst deine Abschlusskollektion?

Der Titel meiner Kollektion lautet ‹Suwannabhum› und bedeutet ‹das Goldene Land›. Was war dein Konzept, das Thema, die Inspiration?

Fast alles ist schon mehr oder we­ niger da gewesen. Stilelemente aufzugreifen, um mit Vertrautem und Unbekanntem ein neues Lebensgefühl zu schaffen, gehört zum ­Handwerk dazu. Man kocht auch mit den gleichen Gewürzen die unterschiedlichsten Gerichte. Wir ­brauchen wahrscheinlich immer eine Leiter, um nach den Sternen greifen zu können. Deswegen hat Mode für mich eine bestimmte Bedeutung: Voraussicht und Zeitlosigkeit!

Meine Inspiration war Südostasien. Genauer genommen das impulsive Bauwerk ‹Wat Arun›, der Tempel der Morgenröte, welcher durch die Reflexion des Lichtes über dem ­Goldenen Land erstrahlte. Das Konzept basiert auf dem Zusammenspiel zwischen zwei Kulturen: auf der einen Seite steht die asiatische, auf der anderen die europäische Kultur. Eine Vermischung beider Lebensarten findet statt, so entstand meine hybride Kollektion. Es ist die Erfassung einer neuen Form, die Inwiefern ist Mode wichtig für durch das intensive Collagieren ver­unsere Gesellschaft? schiedener Bausteine entsteht. Es ist wichtig, wie man auftritt und ­Gemeint sind damit Entwicklungen da spielt Kleidung auf jeden Fall eine und Mischformen, die durch die grosse Rolle. Man kann mit sei­Verschmelzung ursprünglich getrenn­ nem Kleidungsstil und seiner Gestik ter Bereiche entstehen. Das un­ viel beeinflussen und hinterlässt vertraute in der Kollektion soll ver­damit zweifelsohne einen ersten Ein- traut, aber ebenso in seiner Eigenart druck bei anderen. verstanden werden! Was beeinflusst dein Design am stärksten?

Mit wem würdest du gerne zusammenarbeiten?

Die asiatischen Einflüsse wie z.B. Drapierungen, Wickelmethoden, bei denen ich durch klassisches Tailoring mit legeren Turnschuhen den Look breche.

Mit Rei Kawakubo!

Hast du Ikonen?

Ja, ich habe Ikonen wie Rei ­Kawakubo oder Martin Margiela. Ich mag ihre konzeptionellen Arbeiten und die Denkweise, wie sie entwerfen. Wie, wo und wann arbeitest du am besten?

Wenn ich eine Idee habe, fange ich gleich an zu recherchieren. Stöbere durch Magazine und alte Kostümbücher in den Bibliotheken. Ich arbeite oft mit Bildern. kinki

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Days Before You Came, Lea Walti

oben: Days Before You Came, Lea Walti unten: I don’t need any apples, thank you!, Stefanie Biggel

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LEA WALTI Alter: 24 Jahre Herkunftsort: Bern Lieblingsmaterialien: Chiffon, Leder Liebstes Kleidungsstück: Kleid

Wie bist du in die Modewelt gelangt?

Ich habe mich eigentlich schon immer sehr für Mode und auch für die Herstellung von Kleidung interessiert. Deshalb war für mich nach der Schule klar, dass ich eine Schneiderlehre machen will und da mir diese auch sehr zugesagt hat und ich mich unbedingt weiterhin mit Mode beschäftigen wollte, habe ich mich für ein ModeDesign-Studium entschieden. Was bedeutet dir Mode?

Alles und nichts. Was trägst du?

Schwarz.

Sie kann auch als visuelle Kommunikation und Inspiration angesehen werden. Was beeinflusst dein Design am stärksten?

Der weibliche Körper. Wie, wo und wann arbeitest du am besten?

Zu Hause, alleine in meinem eigenen Atelier. Ich zeichne selten und arbeite am liebsten direkt mit den Stoffen. Wie erlebst du die Modeszene, was hältst du vom Begriff ‹Modezirkus›?

Bei meinem Praktikum in New York musste ich feststellen, dass es tatsächlich oft ein ziemlich oberflächlicher Zirkus sein kann. Aber natürlich nicht nur – denn dieser Zirkus bietet auch eine Menge interessanter und kreativer Gestalten! Wie heisst deine Abschlusskollektion?

Days Before You Came.

Inwiefern ist Mode wichtig für unsere Gesellschaft?

Sie ist Ausdruck unserer Identität und unseres Lebensgefühls.

Was war dein Konzept, das Thema, die Inspiration?

Meine Ausgangslage waren alte

Familienportraits aus dem 18. und 19. Jahrhundert, von denen eine ungewollt unheimliche Stimmung ausgeht. Diese Stimmung habe ich versucht in Form meiner Kleider zu interpretieren. Was sind die schönsten und die schwierigsten Aspekte des Designberufs?

Damit Geld zu verdienen gestaltet sich recht schwierig... Jedoch gibt es dennoch nichts Schöneres, als seiner Kreativität freien Lauf lassen zu können und den surrealsten Fantasien Gestalt zu geben. Wohin möchtest du und was sind deine Pläne?

Ich möchte mich noch etwas in dem Modezirkus umsehen und Erfahrungen sammeln und später selbständig werden. An Filmprojekten mitzuarbeiten stelle ich mir auch sehr spannend vor.

Wer kleidet sich (nach deiner Meinung) am besten?

Eigentlich niemand bestimmtes. Ich entdecke immer wieder neue Menschen, von deren Stil ich begeistert bin. Dieser muss aber auch immer zum Aussehen und der Persönlichkeit der Trägerin oder des Trägers passen. Hast du Ikonen?

Nein, nicht wirklich. Es gibt so viele verschiedene, beeindruckende Persönlichkeiten. Ich bewundere Skin, Juliette Lewis oder Dita Von Teese – Frauen, welche ihre Leidenschaft zu ihrem Beruf gemacht haben und sehr erfolgreich damit sind. Wie konntest du dich während des Studiums über Wasser halten?

Durch die Unterstützung meiner lieben Eltern. Mit wem würdest du gerne zusammenarbeiten?

Wer sollte die Kollektion oder deine Rick Owens stelle ich mir als ganz Mode allgemein tragen? interessante Person vor. Mal ab-

Neugierige und experimentierfreudige Frauen, welche Spass an aussergewöhnlichen Materialien und Formen haben und es geniessen, subtil aus der Menge herauszuragen.

gesehen von seinen beeindruckenden Entwürfen, hat er so etwas Unheimliches und gleichzeitig Lustiges an sich.

20 + 1 CIG. EDITION

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Fumer nuit gravement à votre santé et à celle de votre entourage. Il fumo danneggia gravemente te e chi ti sta intorno. kinki 83


‹vertreter› Über die wichtigsten Schuhe von 1900 bis heute. Name: Nike Air Jordan Geburtsjahr: 1985 Typ: Basketballschuhe Hersteller: Nike

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eder will sie, nicht jeder bekommt sie: die limitierten Special Editions von Kult-Sneakern jeder Art. Aus beinahe jedem Sportbereich gibt es eben genau diesen einen Schuh. Die Krönung der Schöpfung ist aber natürlich bei der Mutter-Sportart des Sneaker-Kults zu finden: ein Basketballschuh der Marke Nike. Und wenn dieser heiss begehrte Treter dann auch noch von einem renommierten Designguru individuell gestaltet wird, fallen für Sneaker Freaks Weihnachten und Ostern zusammen. Es ist ein unglaublicher Anblick, die wartenden Menschenmengen vor den Sneaker-Stores Schlange stehen zu sehen, sobald limitierte Special Editions der Schweissmonster käuflich erhältlich sind. Ein Aufgebot fast wie bei einer Autogrammstunde von Michael Jackson. Der ganze Wahnsinn begann mit der Basketballlegende Walter Frazier. Ihm wurde als erstem Sportler ein Schuh von der Marke Puma gewidmet. Heute gilt der Schuh bei Sammlern als der heilige Gral der Sneaker-Geschichte. Für eine weltweite Massenhysterie sorgte allerdings erst Nike 1985 durch die

Zusammenarbeit mit dem Basketball-Star Michael Jordan. Nike nahm ‹MJ› für 2,5 Millionen Dollar für 5 Jahre unter Vertrag. Der Designer Peter Moore entwarf das erste Air Jordan Logo: ein geflügelter Basketball. Michael Jordans kontroverse Art und die spektakulären Leistungen sollten zum Wegbereiter für einen der erfolgreichsten Basketballschuhe aller Zeiten werden. Die SneakerManie brach aus und jeder AmateurBasketballer liess es sich nicht nehmen, ein Paar der begehrten Stücke an seinen Sportlerfüssen zu tragen.

Der heilige Gral für alle Sneaker Freaks

Die ursprüngliche schwarz-rote Ausführung wurde damals von der NBA nicht für den Spielbetrieb zugelassen, da es bestimmte Farbvorgaben gab. Die originalen ‹Jordan I› wurden mit zwei Schnürsenkelpaaren geliefert, die zu den zwei Farben der Schuhe passten. 1994 wurde der ‹Jordan I› nochmals als Retromodell auf den Markt gebracht sowie 2001 erneut in einer speziellen Lederversion. Heute gibt es von dem ‹fliegenden Schuh› 23 verschiedene Modelle. Allen Zweiflern zum Trotz hat der Air Jordan weltweite Schuhgeschichte geschrieben. Und eines ist klar: Diese Schuhserie wird auch nach deiner Pensionierung noch weiterleben. Text: Christina Fix Illustration: Lina Müller

Nicht jeder Michael muss ein Jackson sein. Dieser hier ist ein Turnschuh und hat mit Luft zu tun. Übrigens: Er eignet sich auch, um mal über den Jordan zu gehen...

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Nymphen-Humor

Skandinavische Mode zum Zweiten, diesmal aus dem Modetrendland Dänemark. Wir stellen euch zwei Labels vor, die für alltagstaug­lichen Street-Chic stehen, mit modernistischen Mustern koket­tieren und wie Farbbomben an unseren Kleiderschrank klopfen, um dem Begriff ‹farben­frohe Mode› eine neue Bedeu­tung zu verleihen: Für die Damen gibt es zauber­hafte Verspieltheit, für die Herren humorvolle Streetwear. Text: Florence Ritter

Bei Humör dürfen auch Männer mit kontrastreichen und konträren Farb­ kombinationen spielen, denn ‹Humor lässt uns werden wie die Kinder›, wusste schon Jean Paul.

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Die ausgefallenen Muster können mit klassischen Kleidungs­stücken kombiniert oder – als absoluter Hingucker – wild gemischt werden.

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Humรถr bricht den maskulinen Dresscode der schwarz-weiss grauen Alltagsbekleidung: Welcome to the Smarties World.

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Nymphen sind zauber­­hafte Wesen von erlesener Schönheit. Sie tanzen und singen am Wasser und Waldrand oder warten auf verirrte Seefahrer, um sie zu verführen.

Typisch skandinavischer Chic aus Dänemark.

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Tag und Nacht bekleidet N端mph die Wesen der Natur.

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Märchenhafte Mode aus Skandinavien

Sieben junge Frauen wurden von einem Geschäftsmann mit einem Sack Geld ausgerüstet und aufgefordert, Kleider zu kreieren, die sie sich selber zu tragen wünschten. So machten sie sich – wie das fleissige Schneiderlein – ans Werk, die schönsten Wesen auf Erden zu bekleiden. Herausgekommen ist ein trendiges Modelabel, das authentisch und innovativ die Träume und das professionelle Geschick der sieben Designerinnen widerspiegelt. Die Kleider sind weiblich und verspielt und geizen nicht mit Farben. Die vielfältigen Prints und Stoffdesigns erinnern an Street Art und Grafikdesign; durch die nymphenhaften, modischen Schnitte wirken die Kleider aber nicht wie sportliche Street Wear, sondern elegant und feminin. Ein Label voller Herzblut, erschwinglich und doch einzigartig, das die Eintönigkeit unserer Garderobe sowie die Uniformität der H&M-Generation individualisiert. ‹Nachdem Gott die Welt erschaffen hatte, schuf er Mann und Frau. Um das ganze vor dem Untergang zu bewahren, erfand er den Humor.› – Guillermo Mordillo

Humör für die Männerwelt

Da mit dem Modelabel Nümph für die Bekleidung der Töchter des Zeus gesorgt war, musste auch für den Mann eine entsprechend stilvolle Mode her. Als kleiner Bruder von Nümph startet nun das Modelabel Humör aus Dänemark durch und umsorgt die Männerwelt mit individueller, hipper Alltagskleidung. Wie zwei kreative Zimmergenossen teilen sich die Labels Nümph und Humör den Arbeitsplatz und den globale Modemarkt als ihre Spielwiese. Ebenso essentiell wie der Humor in unserer stieren Gesellschaft zeigt sich das männliche Pendant zu Nümph, so dass Mann und Frau nun gemeinsam mit viel skandinavischem Stil durch die Welt flanieren können. ‹Auch in der wirklichen Welt ist es nie völlig dunkel. Humor ist künstliche Beleuchtung.› – Ludwig Goldscheider

Eine Prise Humor, ein wenig Lässigkeit sowie viele Muster, Grafiken und Farben wurden für die erste Kollektion wild durcheinander geschüttelt. Damit erleuchtet Humör jeden schwarz-grau-getönten Herren-Kleiderschrank. Das Label wird sichtlich vom Street Style der internationalen Gross­ städte und von der urbanen Untergrundmusik inspiriert. Die erste Kollektion wurde insbesondere vom lebendigen und farbenfrohen Shibuya-Viertel in Tokyo sowie elektronischer Musik beeinflusst. Daraus resultierte ein Stilmix aus schicken, aufgekratzten, formellen und avantgardistischen Modellen: Opas Strickpulli in farbiger Neuauflage, eine Lederjacke mit aussergewöhnlichem Schnitt und ungewohnten Farben, viele gefärbte Kleidungsstücke mit fliessenden Farbübergängen oder ganz­ heitlich überraschende, auch mal provozierende Muster. Die Teile fungieren – als Einzelstücke mit klassischen Kleidern kombiniert – wunderbar als aufpeppende Blickfänger. Für den exzentrischen Modeträger bietet sich auch ein Overall-HumörLook an, der sowohl einen neuartigen Ausdruck als auch eine erfrischende Silhouette prägt. Humör ist auf jeden Fall ein Brand, das am Tag genau so wie bei Nacht einen bleibenden Eindruck auf die zarten Nymphen dieser Welt machen wird. ‹Mit Humor kann man Frauen am leichtesten verführen; denn die meisten Frauen lachen gerne, bevor sie anfangen zu küssen.› – Jerry Lewis Fotos: Nümph und Humör www.numph.dk www.humoer.dk

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vom suchen und finden Fotografie: Matthias Straub Styling: Christina Fix und Rahel Zoller Haare / Make Up: Julia Walter Models: Ela und Joel Assistenz: Anja Mikula

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Seite 93 Shirt: Quiksilver Queenstown Hose: Quiksilver Western Cape Seite 94 Kleid: Quiksilver Serengeti Schal: Vintage Seite 96 Hemd: Vans AV Lurker Hose: Vans Slim PP Schuhe: Vans Authentic Seite 97 Kleid: Quiksilver Durbanville Seite 98 Shirt: Quiksilver Marley Hose: Zimtstern Liberty / WMS Walkshorts Schuhe: Vans Authentic Stirnband: Vintage

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Erdbeereis, Veilchen, der Duft von Flieder, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen, das Gelb der Blütenpollen, Flamingos im Zoo, Babys in blauen Decken, rosarote Pudel, das samtige Apricot der Aprikosen – alles verspricht uns einen schö­nen Frühling und strahlt in einer Helligkeit, die zärtlich weich und weiblich wirkt. Text: Rahel Zoller Konfekt für den Frühling

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ie Kollektion LEWlight des holländischen Designerkollektivs zergeht zuckersüss auf der Zunge. Verjagt sind die Tiger und Leoparden aus den Urwäldern, die im Herbst unsere Shirts zierten, und vergessen ist das Stolpern über ugly UGGs und weis­se Stiefel in der kalten Jahreszeit. Endlich ein Lichtblick: Es gibt ein Label, das es versteht, einen immer wiederkehrenden Trend zu einem Statement zu machen. Denn was wäre der Frühling ohne Pastell? Endlich wird uns gezeigt, wie es wirklich geht. Das Label LEW wurde von zwei jungen Mädels aus Amsterdam gegründet: Kim Leemans und Merel Wicker studierten gemeinsam an der Gerrit Rietveld Kunstakademie, arbeiten seit 2001 zusammen und kreierten in dieser Zeit ihr eigenes Baby LEW. Im Januar 2007 stellten sie auf der Amsterdamer Fashion Week ihre erste Kollektion offiziell der Welt vor. Für die zwei Designerinnen steht die Tragbarkeit der Kleider im Mittelpunkt. Ihre Kollektionen bestehen hauptsächlich aus Jersey und Trikot, Inspiration holen sie sich für diesen Augenschmaus aus dem Patchwork und setzen Webstrukturen gekonnt ein. Mit der Wahl von frischen Farben und grafischen Formen schaffen sie ein neues, erquickendes Bild. Eingefangen von den Fotografen Petrovsky & Ramone wirkt diese Mode so unnahbar und zerbrechlich wie Feenstaub auf dem Regenbogen. Fotos: Petrovsky & Ramone www.l-e-w.nl www.petrovskyramone.com

Von Apricot bis Blassrosa: Was wäre das Leben ohne Pastell?

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LEW setzen in der Frühjahrs­ kollektion auf sanfte Farb­töne und ver­ spieltes Patch­work.

Trotz innovativer Formen steht beim Amsterdamer Designkollektiv die Tragbarkeit der Stücke im Vordergrund.

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‹vive la fragrance › Wohlgerüche für Fortgeschrittene. Schall und Rauch

Kulinarisches Meisterwerk für die Nase: ‹Sweet Lime & Cedar› von Jo Malone bereitet geruchliche Gaumenfreuden.

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ommenden Oktober soll das Raucherverbot auch in Zürich in Kraft treten. Ein Faktum, das mir als passionierter Tabakkonsumentin so gar nicht passt. Natürlich habe ich Verständnis für die Angehörigen der Nichtraucher-Lobby, die Angst vor den Gefahren des Passivrauchens haben. Zudem ist mir auch sehr wohl bewusst, auf welche Risiken ich mich mit jedem Glimmstängel einlasse. Aber ist es wirklich notwendig, die Raucher-Fraktion dermassen zu diskriminieren sowie bei Wind und Wetter vor die Türe zu stellen? Des Weiteren hat niemand die Folgen – künftige Umsatzeinbussen diverser Restaurantbetreiber davon mal ausgenommen – des genannten Bannspruches bedacht. Bon, der Gesundheit der Nichtraucher wird damit Genüge getan und das Vorhaben so gerechtfertigt. Was ist aber mit empfindlichen Nasen? Denn sobald man in Restaurants, Bars und Clubs nicht mehr rauchen darf, werden sich olfaktorische Höllentore auftun. Denn obwohl wir im Zeitalter der Hygiene leben, sind Deodorants, Kölnischwasser und wohlriechende Düfte für so manches Individuum ein Fremdwort. Weshalb unsereins dann mit natürlichen Parfums wie ‹Eau de Schweiss› oder gar Schlimmerem konfrontiert werden wird. Da jedoch sämtliches Jammern und Klagen angesichts dieser drohenden Nichtraucher-Diktatur verlorene Liebesmühe darstellt, empfehle ich eine siamesische Tradition,

Der exklusive Duft ‹Nuits Blanches› von Core verzaubert selbst vor die Tür getriebene Süchtige in Eisprinzessinnen und Schneekönige.

Nicht alle rauchigen Düfte schaden der Gesundheit. ‹Atelier d' Artiste› aus dem Hause Nez à Nez schmeichelt Lungen- und Nasenflügeln zugleich.

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die sich an Küchendüften orientiert. Hierbei handelt es sich aber nicht um Kantinengeruchsbelästigung, sondern um den alten Brauch, Kleider oder Speisen mit essentiellen Ölen zu parfümieren, was auch die Inspiration für das grossartige Jo MaloneParfum ‹Sweet Lime & Cedar› (Cologne, 100 ml um CHF 130.–) lieferte. Dabei ergeben thailändisch anmutende Aromen einen überraschenden Duft, der – bestehend aus süsser Limette und der Vanilleähnlichen Tonka-Bohne – für geruchliche Gaumenfreuden sorgt. Findet auch mein fabelhafter Coiffeur, der normalerweise nur Wasser und ausgesuchte Seifen an seine Haut lässt. Da kulinarische Buketts aber nicht jedermanns Sache sind und Raucherfreunde alsbald den Tabaknoten nachtrauern dürften, stellt das famose Parfum ‹Atelier d’Artiste› (Eau de Parfum, 100 ml um CHF 165.–) aus dem Pariser Hause ‹Nez à Nez› ebenfalls den Beginn einer wunderbaren Freundschaft dar. Verantwortlich dafür sind nun unter anderem Noten von hellem Tabak sowie Rum und somit Dinge, die man meist nur noch en privée konsumiert – man will ja abschätzige Blicke seiner Tischnachbarn möglichst vermeiden, n’estce pas? Darum verwundert es kaum, dass dieser attraktive Duft regelrecht als ein Extrakt aus Emotionen gilt und von den goldenen Zwanzigern träumen lässt. Wie wir nun also gelernt haben, ist Rauchen bald nicht mehr lustig. Allem voran, wenn man die hier vorherrschenden und schier nicht enden wollenden Kältemonate bedenkt. Damit sich das Rauchen inmitten von Schneestürmen aber doch noch in ein Wintermärchen verwandelt, sei zu folgendem einzigartigen und in der Schweiz gefertigten Parfum geraten: ‹Nuits Blanches› von Core (Eau de Parfum, Limited Edition im handgefertigten Porzellanflakon, 100 ml um CHF 438.–). Diese olfaktorische Kreation basiert nun auf einem klassichen Chypre-Duft mit frischen Kopfnoten wie Bergamotte und Neroli aus Sizilien, was der Trägerin auf traumhafte Weise ein kuschelig-weiches Feeling vermittelt. Und zwar in jeder Situation. Schon als kleines Kind bewies Irène Schäppi, unsere Kolumnistin und Duft-Fetschistin, einen guten Riecher. So zum Beispiel, als sie mit vier Jahren den elterlichen Schlafzimmerteppich mit dem damals angesagten Eau de Parfum (!) von Valentino tränkte. Illustration: Raffinerie



‹media› Vom Umschlag bis zum Abspann. In Zeiten der Wirtschaftskrise besinnt man sich ­darauf, was man wirklich braucht und jeder Rappen wird doppelt und dreifach umgedreht, bevor er über den Ladentisch wandert. Doch selbst in härtesten Zeiten gehören Kinobesuche, Bücher und DVDs zur existentiellen Grundnahrung eines jeden Gehirns. Denn schon Generationen vor uns wussten: der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

BUCH Magisch

t­ ragische Fantasiewelten. Wem Ingo Schulze durch seinen Roman ‹Neue Leben› und den Erzählband ­‹Simple Stories› bereits ein Begriff ist, der wird sich diese ­Geschichten sowieso gleich aufs Nachttischchen legen, allen anderen sei diese Sammlung wärmstens empfohlen, denn der Berliner bietet dem Leser mit seinen Kurzgeschichten wahrlich 33 ­Momente der Spannung, des Lachens und des Glücks, die der Schönheit der russischen Metropole allemal gerecht werden können! Erschienen bei dtv, CHF 17.40

Ingo Schulze: 33 Augenblicke des Glücks Sankt Petersburg ist die nördlichste Millionenstadt dieser Welt und ­verfügt über ein geschichtsträchtiges Pflaster, das seinesgleichen sucht. Die ehemalige Hauptstadt der UDSSR besticht aber nicht nur durch einen jahrhundertealten interessanten Hintergrund, sondern vor allem durch ihre Mischung aus majestätischen Orten, industriellen Häfen und verborgenen Winkeln. Wie schon Generationen von Musikern, Künstlern und Schriftstellern vor ihm, inspirierte das unwiderstehliche Flair dieser Stadt auch den ehemaligen Dramaturgen und Zeitungsredakteur Ingo Schulze zu einem wahren kleinen Meisterwerk. In seinen 33 Kurzgeschichten bilden die Orte Sankt Petersburg den ­Ausgangspunkt zu Reisen in schöne, magische und teilweise auch 104 kinki

Zynisch

Ali Smith: Die Zufällige Irgendwie denkt man sich doch immer, die eigene Familie sei die ­seltsamste von allen. Nirgendwo sonst als in diesem Mikrokosmos werden einem die Macken eines Menschen ein Leben lang vor Augen ­geführt. Doch glücklicherweise erhascht man im Laufe der Jahre ja auch immer wieder Einblicke in

andere Haushalte, deren Mitglieder einem von aussen betrachtet noch viel verschrobener und seltsamer ­erscheinen und einem immer wieder bewusst machen, dass die eigene Familie doch für immer die beste bleiben wird. Einen solchen Einblick ins verschrobene Leben einer englischen Familie gewährt uns die Schottin Ali Smith in ihrem neuesten Roman ‹Die Zufällige›. Während ­eines Familienurlaubs in Norfolk jagt Papa Michael wie gewohnt den Schürzen seiner Studentinnen nach, Mutter Eve (die Michaels chronische Fehltritte vehement ignoriert) hat gerade mit einer ernsthaften Schreibblockade zu kämpfen (ihr Job ist es, Interviews mit verstorbenen Persönlichkeiten zu erfinden), Sprössling Magnus hat nicht nur mit seiner Pubertät, sondern auch mit schwersten Schuldgefühlen zu kämpfen und die 12-jährige Astrid führt ein kauziges Leben als Einzelgängerin. Ein ganz normaler Familienurlaub einer hochneurotischen Familienbande also. Bis Amber (die eigentlich Alhambra heisst) scheinbar zufällig in ihre Ferienhütte tritt und mit ihrer Art das Familien-Gefüge ­ordentlich durcheinander bringt. Doch ob diese exzentrische jungen Dame wirklich die Erlösung für jede der Figuren mit sich bringt oder ob sich hinter der geheimnisvollen Fremden viel eher eine geschickte Betrügerin verbirgt, bleibt bis zum Schluss dieser wort- und bildgewaltigen Erzählung unklar. Ein liebevoll ge-

zeichnetes Familienporträt voller ­zynischer Szenen und schillernder Momente aus dem ganz gewöhnlichen Wahnsinn einer Durchschnittsfamilie. Erschienen bei Randomhouse, CHF 34.90

Poetisch

Je suis une Bande de Jeunes: Taxis pleins, taxis vides In unserem Leben gibt es wenige Momente der Freiheit. Beim Warten auf ein freies Taxi gehen die Gedanken spazieren. Alles ist möglich. Doch kaum sitzt du im Taxi, hat dich der Alltag wieder und der Geruch deines Vorgängers hängt noch im Bezug der Polster. Alles rückt näher. Diese konträren Gefühle macht der Sammelband ‹Taxis pleins, taxis vides› in eindrucksvollen Fotos sichtbar. Die Kuratoren Aurelien Arbet, Jeremie Egry und Nicolas Poillot wählten Bilder von zwölf internationalen Fotografen aus. Jeff Rian stimmt in einem kurzen Essay den Betrachter auf eine Welt


FILM

zwischen Zukunft und Vergangenheit ein. Wartende Personen, gealterte Bauten sowie verlassene Strassen und Plätze werden zu Spiegeln der Seele. Überzeugend ist die Auswahl der Edition ‹Je suis une Bande de Jeunes›, die sich seit einigen Jahren der Publikation von Fotografien bekannter und unbekannter Künstler widmet. Und uns so ermöglichen junge Talente wie den Italiener Daniel Augshoell kennen zu lernen und auf Altmeister wie den Österreicher Philippe Gerlach zu stossen. Die Auflage der fotografischen Mappe mit ihren 67 Aufnahmen ist auf 500 Exemplare beschränkt. Glücklich, kann sich der nennen, der dieses Knowing Sammlerstück ergattert. Veröffentlicht von Je suis une Bande de Der Astrophysiker Koestler entdeckt Jeunes, ca. CHF 36.− Schockierendes. Eine 1959 verund gerade ausgegrabene Zeitkapsel enthält Zahlenreihen, die die grössten Katastrophen der letzten 50 Jahre mit Zeit, Schauplatz und Opferzahl exakt voraussagen. Weil drei Ereignisse noch nicht eingetroffen sind, versucht Koestler zu warnen und gerät damit ins Zentrum von Tod und Zerstörung. Wohin sein Weg führen wird, ahnt er genau so wenig wie die Bedeutung, die sein Sohn im Masterplan unheimlicher Männer einnimmt, die nicht nur den Code, Harlan Levey und Landry Ajavon: sondern auch seine Konsequenzen Big Geezers – A paint trip through kennen. Alex Proyas, Spezialist für fanScandinavia and East Europe tastisches Kino (‹I, Robot›), inszeIm Spätsommer 2007 tourten acht niert einen Sci-Fi-Thriller mit grossen Schwergewichte der Streetart in formalen Stärken. Aus einer cleve­einem Bus durch Skandinavien und ren Grundidee wird ein unheimliches Osteuropa. Dabei hinterliessen Mysterium entwickelt mit dem grossie ihre Spuren in den Läden der sen Versprechen, dem Zuschauer am Streetware-Kette Carhartt und Ende auch die wohlverdiente Entauf ausgewählten Freiflächen. Nun rätselung nicht zu verwehren. Kinostart: 9. April 2009 dokumentiert ein 108 Seiten starkes Buch die Werke und Personen. Mit dabei waren Microbo, Joska, ­Jeremy Fish, Wayne Horse, Bo 130, The London Police, Galo und Will Barras, die ihre Streetart ohne Skrupel kommerzialisieren liessen. In den Interviews klingt Wehmut mit, doch die Möglichkeit, ein breites ­Publikum zu erreichen, lockte sie aus der Anonymität. Haben die Streetart-Jünger das Potential zu Pop-Ikonen? Dies kann der Leser für sich entscheiden. Aufschlussreich ist auch das Filmmaterial in der beiliegenden DVD. Die unterschiedliche Arbeitsweise der KreaLast Chance Harvey tiven wird ­ebenso sichtbar wie das Der New Yorker Harvey ist um die Miteinander der Individualisten. Erschienen bei dem Verlag für 60, Komponist von Werbejingles und ­Bildschöne Bücher, CHF 40.80 schwer unter Druck, beruflich als auch privat. Er muss nach London zur Rahel Zoller ist ein bekenHochzeit seiner Tochter, wo ihm der nender Medienfreak: Sie liebt Filme, DVDs, Plat- Neue seiner Ex-Frau als Trauzeuge vorten, CDs, Zeitschriften und am meisten Bücher je- gezogen wird. Am Flughafenrestauder Art. Zu den Buchberant – nachdem er diverse Whissprechungen in der Rubrik keys gekippt hat – trifft er auf Kate. ‹Media› musste man sie nicht lange überreden. Sie geht auf die 50 zu, lebt davon,

Gelüftetes Geheimnis

Kritisch

Herrlicher Herzschmerz

Passagierumfragen zu machen, und wird von ihrer Mutter via Handy terrorisiert. Er zwingt ihr ein Gespräch auf. Trotzdem treffen sie sich wieder. Und nach einem Spaziergang, gemeinsamen Einkaufsbummel usw. wird aus dem Zufallstreffen Liebe auf den zweiten Blick. Zwischen Witz und Ernst, zwischen Herz und Verstand pendelt die konventionelle, aber rührende Romantic Comedy für Best Ager, die der britische Regisseur und Drehbuchautor Joel Hopkins ganz auf seine beiden Protagonisten zugeschnitten hat. Zum zweiten Mal nach ‹Schräger als Fiktion› arbeiten Emma Thompson und Dustin Hoffman hier zusammen, treiben sich gegenseitig zu Bestleistungen und sind sichtlich mit Spass bei der Sache. Ein geistreicher, gut geschriebener und umgesetzter ‹Slowburner› in Sachen Herzschmerz.

noch angemessen hektisch-nervös zur Schnittfrequenz seines Elektrobeat-Soundtracks die Geschichte des Kokainbooms im Florida der 70er und frühen 80er, so geht es im kaum minder verspielt montierten und aufschlussreich kommentierten Nachfolger um den Siegeszug des Billigkokain Crack in den 80erund 90er-Jahren sowie um die ­erstaunliche Karriere und schier unfassbaren Untaten der dafür zuständigen ‹Godmother›. Unterhaltsames True-Crime-Kaleidoskop mit spektakulären O-Tönen und Einblicken. Ab sofort erhältlich im DVD-Handel

Animalisches Ambiente

Kinostart: 9. April 2009

DVD Wächter der Wüste Die etwa 30 Zentimeter hohen Erdmännchen leben in den Wüsten Südafrikas in grösseren Herden zusammen. Das aufmüpfige Erdmännchen-Junge Kolo wächst – ­behütet von seinem grossen Bruder – in einer der Kolonien heran und erkundet neugierig das Umfeld. Nach eigenen gefährlichen Erfahrungen und der Konfrontation mit dem Tod seines Bruders wird Kolo erwachsen und kann selber zum Beschützer eines jungen Erdmännchens werden. Ganz Cocaine Cowboys 2 im Stile des Erfolgsfilms ‹Die Reise Nach dem Grosserfolg des ersten der Pinguine› erzählt der britische TierTeils ist das Doku-Sequel mit der filmer James Honeyborne mit Hilfe vielversprechenden Tagline ‹Hustlin’ ­eines Erdmännchens eine Geschichwith the Godmother› seit kurzem te über das Erwachsenwerden. im Handel erhältlich. In den späten Nicht nur kleine Kinogänger dürften 70ern kommt Griselda Blanco von der BBC-Produktion fasziniert von Kolumbien nach San Francisco, sein, bringt sie ihnen doch auf unterum den US-Kokainmarkt im Sinne haltsame Weise das Leben in einer des Medellinkartells zu strukturieren. fremden Welt näher. Ab 23. April 2009 im DVD-Handel Während eines erbittert geführten Bürgerkrieges in Mittelamerika wächst Der gelernte Politologe Griselda Blanco zur Frau heran und Valerio Bonadei arbeitet emigriert hinreichend traumatisiert, inals stellvertretender CEO bei einem Schweizer formiert und mit allen Wassern Filmverleih. Er wählte ­gewaschen in die USA, um dort als die Filmrezensionen aus und schreibt fürs kinki Statthalterin des im Aufstieg regelmässig Artikel zum Thema Politik. ­be­griffenen Medellin-Paten Pablo Filmrezensionen mit freundlicher Escobar mit eiserner Faust erst ­Genehmigung von ‹Blickpunkt Film›. die Disco-Ära und dann den grassierenden Crack-Boom mit kolumbianischem Kokain zu versorgen. In dem schwarzen Dealer Cosby findet die Patin einen smarten Verteiler und bald auch Lover. Erzählte der erste Teil von ‹Cocaine Cowboys›

Erschütternde Einblicke

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Von der Muse ­geküsst

Deanna Templeton hat sich nicht nur als Muse ­ihres Ehemanns Ed, sondern auch als Fotografin mit ­einem äusserst brillanten Auge für heraus­ragende Momente und einfühlsame ­Porträts etabliert. Doch ­eigenständige Künstlerinnen sind oft die wunderbarsten Musen, beweist die Geschichte. Text: Rainer Brenner 106 kinki


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V

ielleicht ist es ihr Charakter, vielleicht auch die Ausstrahlung oder einfach nur ihre alles überblendende Schönheit, die den Künstler zu seiner Muse hinzieht. Schon in der griechischen Mythologie scharten sich um Apoll, den Gott der schönen Künste, eine Vielzahl weiblicher Inspirationsquellen, die ihm auf seinem Berg Helikon Gesellschaft leisteten. Doch auch unterhalb der Wolkendecke umgeben sich schöpferische Geister seit jeher gerne mit aus­ erlesenen Damen der Schöpfung, welche ihnen zu künstlerischen Ergüssen auf (und oftmals auch unter) ihrer Leinwand verhelfen. So liess sich Sal­ vador Dalí gerne von seiner Angetrauten Gala Elu­ ard zu weiblich runden Pinselschwüngen inspirie­ ren, Françoise Gilot verhalf Picasso zu manch millionenschwerem Meisterwerk, und Henriette Darricarrère posierte hemmungs- und hüllenlos für Henri Matisse. Was jedoch oftmals vergessen wird, ist, dass die meisten dieser Damen alles an­ dere als einfach nur Aktmodelle oder Groupies des jeweiligen Künstlers waren, sondern auch selbst schöpferisch aktiv wurden. So machten sich nicht nur die oben genannten Frauen, ­sondern auch grosse Namen wie Georgia O’Keeffe sowohl als Muse wie auch als Künstlerinnen einen ­Namen.

Ersatzmutter für Halbwüchsige

Die Kalifornierin Deanna Templeton lernte ihren Mann Ed – seines Zeichens Skateboardlegende, gefragter Maler und Fotograf sowie Besitzer der Skatecompany ‹Toy Machine› – vor achtzehn Jah­ ren kennen: ‹Ed war künstlerisch sehr aktiv, als wir uns kennenlernten, er zeichnete schon damals sehr viel. Mit den Gemälden begann er, glaube ich, aber erst nach unserer Heirat, danach kam dann noch die Fotografie hinzu›, erinnert sich Deanna. ‹Man könnte sagen, für Ed war Kunst im­ mer schon ein Teil seines Lebens, für mich ist es etwas, das sich langsam entwickelte und geblie­ ben ist.› An der Seite ihres Ehemannes und des­ sen Skateboardteams bereiste Deanna fortan die Welt in testosteron- und schweissgetränkten Mi­ nivans, und unterstützt Ed, wo sie nur kann: ‹Meis­ tens bin ich die einzige Frau, die dabei ist. Ich bin dann so etwas wie eine Ersatzmutter für die Jungs (lacht). Manchmal bin ich die Fahrerin für die Jungs, unterstütze sie bei den Demos, fahre sie ins Spital und so.› Deanna spricht mit leiser hoher Stimme, fast schon säuselnd schwärmt die 40-Jährige von den unzähligen Reisen. Doch auch zu Hause unterstützt Deanna ihren Liebsten in al­ len Bereichen und dient ihm als Muse zu seinen mittlerweile schon weltberühmten Malereien und fotografischen Arbeiten. ‹Wenn mein Mann mich malt, ist das eine Ehre, ich mag das sehr. Zu se­ hen, wie er mich interpretiert, welche Situation er mit mir in Verbindung bringt. Wenn er uns oder mich fotografierte, sah ich mich selbst allerdings nie als Muse. Die Fotos sind aus meiner Sicht eher eine Dokumentation unserer Beziehung. Ich stell­ te es mir immer wundervoll vor, irgendwann als alte Leute auf unser Leben zurückzuschauen: Wie wir uns liebten, lachten, jung waren…›, erklärt Deanna und kichert leise. So dokumentieren Deanna und Ed ihr Zusammenleben nicht nur an­ hand von Ferien- und Geburtstagsbildern, son­ dern verewigen in ihrem öffentlichen Fotoalbum auch viele äusserst intime Momente.

Zur Fotografie gefunden hatte Deanna schon im Teenageralter, als sie zusammen mit ihrer Schul­ freundin Abend für Abend Punkrockkonzerte be­ suchte, die ihre Freundin mit der Kamera doku­ mentierte. ‹Das möchte ich auch machen›, dachte sich Deanna und fotografierte fortan teils intensiv, teils sporadisch. Durch die unzähligen Reisen rund um den Globus entdeckte Deanna allerdings schon bald, dass dieses Leben die perfekten Vor­ aussetzungen für ihre eigene Fotoleidenschaft bil­ det und fing wie auch schon ihr Mann von nun an die Eindrücke und Situationen ein, mit denen sie auf diesen urbanen Schnitzeljagden zwischen Skatepark, Treppenset und Geländer konfrontiert wurde. ‹Die Trips sind echt das Beste! Klar gibt es ein paar Termine, die man einhalten muss, aber ansonsten sind Ed und ich eigentlich immer auf der Jagd nach neuen Motiven, wenn wir zusam­ men unterwegs sind. Er macht mich auf Dinge auf­ merksam, die mich interessieren könnten, und umgekehrt. Letztes Jahr war ich zum ersten Mal in Russland. Während die Jungs irgendwo in einem Shop Autogramme verteilten, zogen der Skatefo­ tograf und ich dann gemeinsam um die Häuser, um zu sehen, ob wir etwas Interessantes finden. Innerhalb einer Stunde fanden wir so viele interes­ sante Orte und Menschen, die ich sonst niemals gesehen hätte! Das ist das Coole an diesen Ska­ tetrips: Man kommt an Orte, die man sonst nie besuchen würde! Wenn die Jungs irgendwo ein Treppenset skaten, schaue ich mich in der Zwi­ schenzeit in der Gegend um und stehe auf einmal zwischen Appartementblocks oder sonstwo, wo meine Reise mich sonst niemals hingeführt hätte.›

Permanent marks Aber auch inhaltlich prägt die Skateboardwelt die

Arbeiten der nunmehr künstlerisch immer aktive­ ren Muse. Im Projekt ‹Scratch My Name On Your Arm› fängt Deanna mit ihrer Kamera die Bilder au­ togrammübersäter Skateboard-Groupies ein, die ihren Idolen den eigenen Körper als Leinwand für ihre Unterschriften anbieten. Templeton dokumen­ tiert minderjährige Girls, die stolz ihre mit Perma­ nent Marker vollgekritzelten Brüste, Bäuche und Arme zur Schau stellen: ‹Das Komische daran war, dass sie sich ihren Körper mit Permanent Marker übersäen liessen, das schockierte mich zu Beginn schon ziemlich. Ich meine, wenn man ein Auto­ gramm will, so möchte man es ja normalerweise auf einem Stück Papier oder auf einem Kleidungs­ stück und nicht mit Tagstift irgendwo im Dekolle­ tee. Aber dann bemerkte ich: das sind junge Mäd­ chen, die gerade ihren Körper entdecken, bei diesen Autogrammen geht es nicht einfach um ein Andenken, sondern vielmehr um den körperlichen Kontakt zu diesen jungen Männern. Die Pros sind meistens jung und attraktiv, die Mädchen wollen irgendwie in Kontakt zu ihnen treten, und das ist die Art, wie sie ihren Körper zu diesem Zweck ein­ setzen.› Ohne diese Entwicklung zu bewerten, zeigt uns Deanna Templeton in diesem zeitlich un­ begrenzten Projekt eine Entwicklung auf, die sich auf verschiedenste kulturelle oder geschlechts­ spezifische Arten interpretieren lässt, überlässt die Deutung dieses Phänomens jedoch bewusst anderen: ‹Ich habe nie eines der Mädchen gefragt, warum sie das tut, ich möchte sie nicht zur Rede stellen oder über ihr Verhalten urteilen. Ich bin le­ diglich die Betrachterin›, meint Deanna mit zufrie­ dener Stimme.

Als solche begleitet sie ihren Mann und dessen Kollegen nicht nur auf Skatetrips, sondern steht Ed auch bei seinen eigenen Projekten und Aus­ stellungen zur Seite, ohne sich jemals von seiner Reputation als Künstler in den Schatten gestellt zu fühlen. Oder zumindest nimmt sie das nicht auf negative Weise wahr.

Yin und Yang Bewundernd und ohne jegliche Eifersucht gerät

Deanna stets ein bisschen ins Schwärmen, wenn sie von den Malereien, aber auch von den foto­ grafischen Arbeiten ihres Mannes spricht, die ihrem Schaffen zuweilen sehr nahestehen: ‹Ich weiss nicht, wie ich das erklären soll, aber da sind keine negativen Gefühle dabei, selbst wenn ich in sei­ nem Schatten stehen sollte, denn ich lerne viel von ihm und unterstütze Ed gerne bei seiner Ar­ beit. Bei meinen ersten Ausstellungen verwende­ te ich aus diesem Grund noch meinen Mädchen­ namen, einfach weil die Leute sonst vielleicht gedacht hätten, ich mache es mir zu leicht und habe überall, wo Ed ausstellt, sozusagen auch schon meinen Fuss in der Tür. Anfangs nahmen die Leute meine Arbeit dann auch nur als irgend­ ein Hobby wahr, da Ed mir natürlich um Längen voraus ist, doch das spornte mich eigentlich eher an, als dass es mich genervt hätte.› Den Haupt­ unterschied zwischen ihren Fotos sieht Deanna in der verschiedenen Herangehensweise: ‹Ed ist aggressiver›, meint sie und kichert leise. Trotz nobler Zurückhaltung hat Deanna sich mit ihren fotografischen Projekten einen vielver­ sprechenden Weg in die Kunstwelt verschafft und begreift sich heute nicht mehr nur als Quelle der Inspiration, sondern vor allem als selbständige Künstlerin: ‹Am Anfang war ich sicherlich eher die Muse, dann wurde es irgendwie ausgeglichen, jetzt aber überwiegt die künstlerische Seite.› Doch diese künstlerische Seite wird für die nächsten paar Monate allerdings ruhen müssen, denn Deanna muss sich einer mühsamen Armoperation unterziehen und ‹Fotoapparate für Linkshänder scheint es irgendwie nicht zu geben›. So wird sich Deanna Templeton wohl oder übel für einige Zeit wieder ausschliesslich als Muse und Ersatzmutter schwitzender Skatepros profilieren müssen, bevor sie ihre nächsten Buch- und Ausstellungsprojekte in Angriff nehmen kann.

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April / März 2009 Cover: Stefan Milev Herausgeber Aurum Communication AG, c/o kinki magazine, Zürcherstr. 204f, CH 9014 St. Gallen, www.aurum.ag T +41 71 277 48 00, F +41 71 277 48 02 Geschäftsführung: Mark Mirutz | mark.mirutz@kinkimag.ch Projektleitung: Melania Fernandez | melania.fernandez@kinkimag.ch Redaktion: kinki magazine, Hardturmstrasse 68, 8005 Zürich www.kinkimag.com T +41 44 271 09 00, F +41 44 271 09 02 Chefredaktion: Matthias Straub (ms) | matthias.straub@kinkimag.ch Stv. Chefredaktion: Rainer Brenner (rb) | rainer.brenner@kinkimag.ch Redaktion: Christina Fix (cf) | christina.fix@kinkimag.ch Florian Hennefarth (fl) | florian.hennefarth@kinkimag.ch Florence Ritter (fr) | florence.ritter@kinkimag.ch Rahel Zoller (rz) | rahel.zoller@kinkimag.ch Art Direction: Raffinerie AG für Gestaltung, www.raffinerie.com Fotografie: Annika Katrin Elmer, Getty Images, Boris Marberg, Stefan Milev, Alexander Palacios, Petrovsky & Ramone, Christian Schnur, Andi Speck, Matthias Straub, Daniel Tischler, Norman Wong, Martina Wörz, Marvin Zilm

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‹ top notch gallery › Europas wichtigste Galerien für junge Kunst. Galerie Inoperable Wien

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ür die meisten Menschen in der Stadt an der Donau ­bedeutet ‹Streetart›, in der Sonne vor einem Café zu s­ itzen. Mit der Melange in der Hand und einer Sachertorte auf dem ­Teller. Ein Geiger vom Balkan spielt dazu Walzer und im Prater dreht sich das Riesenrad. Dieser klischeehaften Wiener Gemütlichkeit ­möchten die Macher der jungen Galerie Inoperable ordentlich Pfeffer in den Hintern jagen. Die Galerie Inoperable ist die ­einzige und erste Galerie Österreichs, die sich auf Urban und Lowbrow Art spezialisiert hat. Angefangen hat alles vor drei Jahren in einem Atelier. Der Gründer Nicholas Platzer – selbst fanatischer Urban Art Künstler – schuf Platz für Freunde und Bekannte, die so die Möglichkeit hatten, ihre Kunst auszustellen. Da der Fahrstuhl in dem Haus der

Galerie nicht funktionierte, waren Name und Programm schnell klar: ­‹Inoperable›. Die Ausstellungen wurden grösser und die Künstler international. Neben einem Ausstellungsbereich im Zentrum Wiens existiert ebenfalls ein Shopbereich mit ­gestalteten Alltagsgegenständen der ausgestellten Künstler: T-Shirts, Bücher, Poster, Siebdrucke und vieles mehr. Die Macher von Inoperable sehen es als ihre Mission an, Aufmerksamkeit auf die urbane Kunst in Österreich zu lenken. Nicholas Platzer und Nathalie Halgand werben für mehr offizielle Graffiti­flächen in Wien. Sie möchten die urbane Kunst aus den Hinterhöfen herausholen, sie ins positive Licht rücken. Nicholas und Nathalie setzen sich für eine breitere Wahrnehmung urbaner Kunst ein und dafür, dass sie kein vorübergehender, vergänglicher Hype, sondern ein wich­tiger Bestandteil der zeitgenössischen Kunstgeschichte wird. Eines ihrer weiteren Ziele ist es, österreichische Künstler im Ausland zu präsentieren und internationale Künstler nach Wien einzuladen, um diese Kunstform in Österreich nach und nach zu etablieren. Dieses Jahr waren bereits ‹Aryz› aus Barcelona und Claudio Farkasch aus Wien zu Gast. In diesem Sommer werden in Kooperation mit Rojo und neun internationalen Galerien über 140 Künstler der Szene präsentiert. Da die Gründer der Galerie mit Mitte 20 selbst noch relativ jung sind, wachsen sie mit ihren Künstlern mit. Sie sind selbst in der Branche tätig und lassen den Beteiligten Freiheit bei der Umsetzung ihrer Konzepte. In Zukunft möchten sie mehr Events mit urbanen Künstlern, DJs und anderen Kreativen organisieren. Geplant ist die Initiation eines ‹Meeting of Styles›, das es bis jetzt in Österreich noch nicht gibt. Wir bleiben gespannt. Text: Rahel Zoller Fotos: Inoperable Galerie Inoperable Burggasse 24 1070 Wien Österreich Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 13 bis 18 Uhr www.inoperable.at

In Wien ist ein wichtiges Stück Subkultur gewachsen: die Galerie Inoperable wurde von den Betreibern mit viel Herzblut und der Hilfe junger Künstler selbstständig aufgebaut und geniesst heute internationales Renommee.

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‹versammelt › Mit Anspruch auf Vollständigkeit. Name, Vorname

Clormann, David Wohnort

Luzern Beginn der Sammel­tätigkeit

1998 Erstes Stück

Spiegelkugel – Geschenk der ­Eltern zu Weihnachten 1988 Letztes Stück

‹Galaxie 36› Teuerstes Stück

Coemar ‹Venus M3› im ­ Neuzustand Beste Fundorte

Betriebsgeheimnis Gesamtzahl

über 40 Stück Andere Sammelgewohnheiten

Altes Disco-Vinyl (der Soundtrack zur Sammlung), amerikanische Oldtimer

Bist du auch Sammler? Oder kennst du jemanden, der Kakteen, Autorückspiegel oder mundgeblasene Glasfiguren aus der vorderen Mongolei sammelt? Dann schick uns eine Mail an: info@kinkimag.com, Stichwort ‹versammelt›. Wir schicken dir einen Fotografen und schon im nächsten Heft wird dein Sammeltrieb verewigt. Foto: Marvin Zilm

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