Kinki Magazine - #3

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nr. 3 2008 chf 6.–






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THE SWISS SURF AND SNOWBO Joker & Poker BeachMountain A0.i1 1


NOWBOARD SHOP 2.3.2007 13:35:21 Uhr


content

standard

editorial 01 gossip 10 agenda 11 evangelium 13 powerpoint 26 querschläger 42 abo / impressum 86 net check 94 versammelt 96

report

atompilz zum frühstück 16 perla mode 20 unsichtbar in bogotà 28 sealand: anarchy in webworld 38

sound

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hip hop in der mongolei 44 cd check 48 cd des monats: santogold 50 who is mgmt? 52 playlist: soulinus &  pun 58 jamie lidell 56 the kooks 58 questlove 62

fashion

figaro 15 vertreter 64 play mode 66 it’s only denim but we like it 68 santa polenta 76 kottpoulsen 78 p.a.m. 80

perla mode

Als Kleinod der Subkultur hat sich die Galerie ‹Perla Mode› in Zürich längst etabliert. Jetzt soll das Haus den Abriss-Baggern Platz machen.

art & co

art of glas 84 top notch gallery: kasko 87 geoff mcfetridge 88

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38 58 50 76    88  webworld

cd des monats

In den Weiten des Internets spielen sich kleine Dramen und grosse ­Tragödien ab. Oder einfach nur der nächste Weltkrieg.

Das Freistil-Wunder Santogold aus New York verbindet in ihrem Debüt-Album Einflüsse von ­Gospel bis Techno. Und weil das Ganze verdammt sexy klingt, hat die junge Dame direkt mal ­unsere CD-des-Monats-Medaille gewonnen.

the kooks

Haben keinen Bock auf New Rave und den ganzen Dance-­ Indie: The Kooks bleiben bei ­ihren Leisten und das ist gut so.

santa polenta

Mit viel Liebe zu sich, zur Kunst und zum Detail gestalten zwei Zürcher den nächsten Schmuck-Trend. Das ist die letzte Chance, als einer der ersten davon zu wissen...

78  kottpoulsen

In Skandinavien hat sich eine innovative Jung-Designer Szene entwickelt. Aus Dänemark ­kommen Kottpoulsen direkt in deinen Kleiderschrank.

geoff mcfetridge

Der amerikanische Künstler Geoff McFetridge hat einen sehr per­ sönlichen Zugang zu seinen Arbeit: für ihn spielt die Poesie dabei eine tragende Rolle.

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gossip

bang!

boxfresh: return of british streetwear Wenn ein Brand underrated ist, dann ja wohl Boxfresh. Um das zu ändern, hat die junge Marke aus England zur aktuellen Sommerkollektion jetzt schon zum dritten Mal eine sommerliche LTD Edition für Jungs und Mädels in die Läden gebracht. Knalliges Design meets urban Sexappeal – oder so ähnlich. Schick sind die Sachen auf jeden Fall und der Sommer kommt auch bald. Ganz sicher. www.boxfresh.co.uk

Für den Sommer kommen knackige Windbreaker für Jungs in den Kleiderschrank.

summer time: and the living is easy! Heimkommen, Jeans ausziehen, Brot mit Käse essen, Badetasche packen (Flasche Wasser, Zigaretten, Kleingeld, Bikini von O’Neill by Luella Bartley, eine Birne, Salzstangen, Sonnencreme, Handtuch), Treppen runterrennen, Fahrrad aufschliessen, Sonnenbrille auf, bei Rot über die Ampel flitzen, an den See radeln, Fahrrad ins Gebüsch werfen, über den Zaun klettern, die anderen suchen, Handtuch ausbreiten, T-Shirt ausziehen, Sonnencreme verteilen, zermatschte Birne wegwerfen, mit Felix rumkutschen, Dosenbier öffnen, laut rülpsen, Kippe anmachen, fertig rauchen, zum Beach rennen, ins Wasser hüpfen, Sommer machen! www.oneill.ch Pflichtprogramm: heisser Stoff für die Badi.

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kinki magazine no.3 ist draussen – du hältst es schliesslich in der Hand! Damit die Kiste ordentlich gefeiert und begossen wird, möchten wir euch am Sonntag, den 25.05. um 21.00 Uhr ins Mascotte am Bellevue in Zürich zum Grölen und Mitwippen einladen. Da spielen die sensationellen MGMT aus Brooklyn, NYC (‹Motherfucker!›) und ja: kinki magazine verlost noch Tickets! Einfach die folgende Frage beantworten: Wie heisst das aktuelle Album von MGMT? Die Antwort kommt auf eine Postkarte mit deiner Adresse und Email und ab damit an: Aurum Communication, c/o kinki magazine, Zürcherstr. 204f, CH 9014 St. Gallen. Wir sehen uns beim Stagediven!

robosapien v2

Was man bisher nur aus Wissenschaft und Forschung kannte, kann jetzt jeder zu sich nach Hause holen. Der Robosapien V2 entwickelt eine eigene Persönlichkeit und kann denken und handeln wie ein Mensch. Er reagiert auf Reize, Gegenstände und Geräusche und kann sprechen, laufen, greifen und sogar rülpsen. Über die Fernbedienung im JoypadLook ist der Roboter kontrollierbar. Wer sich für neue Technologien begeistert, wird seine helle Freude an dem kleinen Kerl haben. Denn der Robosapien V2 sucht ab ca. 300.– Franken einen Meister, der es mit ihm aufnehmen kann. www.robosapien.de

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05 agenda

spin me right round …

diesel intimate

24.05. Sa

urban skills club party und konzert

mit K.I.Z. / Berlin, Deichkind / Hamburg, Afrob / Stuttgart, Waxolutionists (live) & Madoppelt / Wien und OBK / Zürich. DJs Greg und Freaza (Heavyhitterz / Zh), hosted by Samurai und P. Moos. Maag Event Hall, Hardstrasse 219, Zürich 25.05. So

Jungen und Mädchen, zieht eure T-Shirts aus! Für die nächste Pokerrunde bitte rechtzeitig die Wäsche von Diesel anlegen – dann gibt es keine Verlierer. www.diesel.com

kinki magazine release party feat. mgmt (live) aus brooklyn, new york, mascotte am bellevue, zürich 28.05. Mi

radio soulwax presents ‹part of the weekend never dies›

Live in Concert & Tour/Doc screening mit Soulwax(live), 2 Many DJs, Rohstofflager, Zürich 30.05. Fr

the verve (uk), simian mobile disco (d) Festi Neuch, Neuchâtel 31.05. Sa

feist (can), the streets (uk),

06 Festi Neuch, Neuchâtel

01.06. So

why? (usa)

Palace St.Gallen

07.06. Sa

die aeronauten

Gaswerk Winterthur, 20.00 07.06. Sa

nachtigall em-stübli mit live-kommentator Nachtigall, Zürich 13./14.06

b-sides festival

mit Navel, Sturrbaard Bakkebaard, Botancia, Leech, Mutiny on the Bounty, Gabriel Vetter, Kummerbuben, Vuneny. Kriens Luzern, 17.00 14.06. Sa

Bling Bling meets Retro meets Vinyl meets Trash meets...

Plattenspieler wurden abgelöst durch CD-Player, die haben den Anfang vom Ende vor sich, mit der rasenden Zunahme von MP3-Playern. Also kein Wunder, dass man eigentlich nur noch eins will: back to the roots. Und wie geht das am Besten? Man geht ganz an den Anfang. Zum Grammophon. Also fast. Vinyl Killer nennt sich das Stück und braucht keine Turntables und keinen Verstärker. Der Glitterbus, der an die goldenen Zeiten der Disco erinnert, fährt stur seine Runden auf der Schallplatte und dudelt so die Musik

april 77 records

bureau45 allstars party mit DJs Smoove, Stupid Deep, Marc Hype, J-Star feat. Honey Brown. Krempel Buchs, 21.00 16.06. Mo

ólafur arnalds (isl), rökkurró (isl) Salzhaus Winterthur 25.06. Mi

the dirtbombs (usa) Gaswerk Winterthur, 21.00

April 77 Records ist ab jetzt zuständig für deinen Kleiderschrank. Ach ja, und natürlich auch für deine Plattensammlung...

vor sich hin. Dank der Nadel, die sich am ‹Bodenblech› des Busses befindet, kann man seine Lieblingsscheibe überall hören. Als der kleinste Plattenspieler der Welt wird er bestimmt jetzt schon in die Geschichte eingehen. Wer möchte nicht mal wieder das Knacken der Platten hören? Mit dem funky Bus namens Vinyl Killer ist man ganz vorne mit dabei. Die Regression kann beginnen, solange sie so stylish aussieht.

t-shirts sprechen eine globale sprache

Mehr Infos gibt’s unter www.vinylkiller.net

Die Pariser Super Styler Marke April 77 hat sich nicht lumpen lassen und

mit ihrem neuesten Clou genau den Nerv der Zeit getroffen: die Verbindung von Fashion, Musik und Lifestyle auf höchstem Niveau. Glaubhaft durch durch Koops mit etablierten Underground Labels wie Domino Records und angesagten Newcommer Acts, werfen die coolen Franzosen musik-inspirierte Klamotten auf den Markt, die auch noch bezahlbar sind. Ausserdem gibt es good old 7“ Scheiben der Feature-Bands und als Goodies auch mal ein Box-Set mit Polo-Shirt, Single-Collection, Plektrum und formschöner Holzbox in streng limitierter Auflage. Must have!

www.april77records.com

Seit 2003 ist das Projekt Chilango schon am Start. Die Idee: limitierte T-Shirts und andere gechillte Klamotten von internationalen Street Art Künstlern, Grafikern und Graffiti Helden. Von jedem Motiv gibt es maximal 60 Stück und jedes Teil

kommt mit einer exklusiven Postkarte daher, die vom entsprechenden Künstler designt wurde. Mittlerweile sind schon über 60 verschiedene Designs im Umlauf und es werden fast täglich mehr. Das junge Team operiert von Zürich aus und freut sich immer über einen kleinen Besuch in seinem Atelier. www.chilango.ch www.myspace.com/chilango_ch

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montreux jazz festival

klassischer hangover

Die Highlights auf einen Blick

Natürlich ist das hier nur eine kleine Auswahl und bei weitem nicht alles, was an Rang und Namen in Montreux zu sehen ist. Auch das DJ Line Up stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Trotzdem sollte euch bei dieser kleinen kinki-Vorauswahl das Wasser im Mund zusammen laufen. Im ‹Auditorium Stravinsky› spielen unter anderen (Konzertbeginn ist jeweils um 20.00 Uhr): 04.07. Erykah Badu und N.E.R.D. 10.07. Gnarls Barkley und Travis 11.07. Etta James and the Roots Band, Tower of Power 19.07. Greis, Talib Kweli, Pete Rock, Saigon & Just Blaze

Und in der Miles Davis Hall sollte man sich folgende Termine notieren (Konzertbeginn 20.30 Uhr): 04.07. CSS, Fischerspooner, The Whip 07.07. The Raconteurs, Vampire Weekend 08.07. Fiji, Madness, M.I.A. 10.07. Das Pop, The Gossip, The Kills 12.07. Adele, Mark Ronson, Jill Scott 15.07. Babyshambles, Blood Red Shoes 16.07. Interpol, The Kissaway Train, The National Greis, Talib Kweli, Pete Rock, Saigon & Just Blaze www.montreuxjazz.com - Boum! Beastie Boys 2007 in Montreux

watch me Jeremy Flores gehört zu den absoluten Top Surfern der Weltrangliste. Sein Vorteil vor der Konkurrenz: Jeremy ist smart, sieht gut aus und hat sich Quiksilver als Sponsor an Land gezogen, die ihn mit Klamotten und feinsten Uhren versorgen. Jetzt hat er nicht nur die Konkurrenz, sondern auch die Zeit im Griff. www.quiksilver.com

OK, zeig mir deine Schuhe und ich sage dir, auf welche TV-Serie du stehst. So einfach war das Schubladendenken vor gar nicht allzu langer Zeit. Heutzutage funktioniert das nicht mehr so – wir mixen uns unseren Lifestyle-Cocktail jeden Tag neu zusammen. Heute Punk, morgen Snob. Die passende Jewellery kommt von Thomas Sabo. Alle erdenklichen Style Indikatoren gibt es in der neuen Kollektion als Miniatur in echt Silber zum Umhängen. www.thomassabo.com

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3. evangelium

kein bögg auf society A

NAME Chic Chariq ZIGARETTEN: Marlboro Menthol FUSSBALL Manchester City FC LIEBLINGSKATZENFUTTER Barracuda Quiche, Lobster Mousse SCHAUSPIELER Chuck Norris, Michael Dudikoff BIER Faxe Öl

lle Jahre wieder, am jedem dritten Montag des launischen April, wird auf der Zürcher Opernhauswiese der ‹Bögg› verbrannt - eine Tradition, die ihren Anfang im 18. Jahrhundert hat: Seit jener Zeit nämlich wird eine überdimensionale Puppe, im Volksmund der Bögg, mit Knallern und Feuerwerkskörpern ausgestopft und auf einem Scheiterhaufen den Flammen überlassen. Je schneller dieser explodiert und vom Podest stürzt, desto wärmer und sonniger wird der Sommer, so sagt man sich zumindest. Einen regnerischen Sommer hat das feurige Ritual jedoch noch nicht retten können. Die schnellste aller Detonationen ereignete sich im Jahre 1974, da zischte und knallte das Püppchen nach insgesamt fünf Minuten und sieben Sekunden, was in etwa der Länge einer Zigarette im 100er-Format entspricht. 1980 brauchte man da schon eine ganze Schachtel der ‹Nutten-Stengel›: das Spektakel dauerte in diesem Jahr nämlich sage und schreibe vierzig Minuten. Ganz düster war es in den Jahren 1993 und 1994, als es dem ‹Bögg› auf seinem Podest wohl zu öde wurde und sich das Feuerwerk bepackte Rauch-Götzenbild von seinem brennenden Scheiterhaufen in die Tiefe vor die Füsse der schockierten Menschenmenge hinab stürzte. Die Solidarität der Zuschauer hatte er zumindest: Wer macht denn schon gerne einen Abgang, den Bauch gefüllt mit Silvesterknallern – und das auch noch in aller Öffentlichkeit!? Kuriositäten gab es schon so einige in der Geschichte des ‹Bögg›: Zum Beispiel Kidnapping! Ganz recht, solch ein Verbrechen geschieht auch in der schönen Schweiz. Links-Aktivisten, oder auch ‹Gesindel›, wie sie von erbosten Bürgerlichen tituliert wurden, hatten die Ikone der Feuersbrunst gestohlen – und damit ein Volksfest regelrecht sabotiert. Die Polizei stellte daraufhin, eigens für diesen abscheulichen Akt, eine ‹Taskforce› zusammen, die den Bögg wieder zurückbringen sollte. Aus dem kolossalen Triumphzug wurde jedoch nichts – der Bulle von Tölz, Derrick und Rex der alte Schnüffler kehrten gesenkten Hauptes und unverrichteter Dinge auf die Uraniahauptwache zurück. In Extra-Schichten und mit Hilfe armer Teufel aus ‹den neuen EU-Staaten›, die für einen Fünfliber die Stunde und ein paar Tafeln Schokolade in Windeseile ein neues Flammenkalb fabrizierten, wurde das Fest noch einmal vor dem Untergang gerettet. Trotz aller Kuriosität darf man es jetzt aber auch getrost zugeben: all diese vermeidlichen Fakten, sind Vermutungen und die reinste Spekulationen, Chimären im Kopf des Autors. Der Ablauf der Festaktivitäten beginnt am Montagmittag. Der grosse Umzug marschiert dann durch die Innenstadt und verwandelt diese für ein paar Stunden in ein Biedermeierkaff zur Zeit der Helvetischen Republik. Die letzte Ausga-

be des rituellen Spektakels bot dennoch eine erfreuliche Premiere: Die ‹Frauenzunft›, die noch immer um eine Vollmitgliedschaft im rrlauchten Kreise eben jener Zünfte kämpft, gebührte die Ehre, den Umzug anzuführen, sozusagen die Vorhut oder eben auch um das Kanonenfutter zu bilden – wie man es nun betrachten möge. Ein paar Dutzend geschmückte Wagen mit Kostümierten, die emsig Süssigkeiten in die Menge von Traditionalisten und Touristen werfen, ziehen dann langsam zum Ort der Tat. Mittendrin und stolz zu Pferde, die Reiter der Zünfte, mit ihren Flaggen und Bannern – jene ausgewählten Ehrenmänner, die am Ende der Prozedur mit ihren Gäulen im wilden Ritt um eben jenen Scheiterhaufen galoppieren. Nicht zu missachten sind auch die Ehrengäste, die jede der 26 Zünfte stolz auf ihrem Wagen volksnah präsentierten – inmitten eines menschlichen Pulks, bestehend aus fröhlichlachenden Kindergärtnern und Primar-Schülern. Obendrein gibt es alljährlich einen so genannten ‹Gastkanton›: Heuer ist es ‹Solothurn›, bekannt für den längsten Strassenstrich der Schweiz, nicht weit von Olten.

Strassenstrich, Süssigkeiten und Ehrenmitglieder

High Noon: Um exakt 18 Uhr wird der Scheiterhaufen mit dem Pfeifenraucher in Brand gesteckt. Die Kavallerie der Zünfte setzt sich nun, angefeuert von den Schaulustigen, die manchen Fankurven in Sachen Lautstärke noch einiges beibringen könnten, langsam in Bewegung und zieht ihre Runde um den immer stärker brennenden, Benzin getränkten Scheiterhaufen – bis es dann um 18:26:01 einfach so ‹BUMM› macht und das Schicksal des ‹Bögg› endgültig besiegelt ist. 26 Minuten und 1 Sekunde sind dennoch ein guter Durchschnitt. Nach der ganzen Zündelei wird nun noch gesungen, getanzt und getrunken – vor allem getrunken – und man besucht sich gegenseitig, geht von Zunft zu Zunft: das Bier fliesst in Strömen. ‹Erlaubt ist, was nicht stört› heisst der Slogan der Stadt, der an dieser Stelle kaum passender erscheinen könnte – zumindest wenn es um Zündeleien geht!

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viele kleine schritte planen und realisieren keine eigenen Projekte, sondern reagieren auf Anfragen lokaler Organisationen, die für die Realisierung ihrer Pläne Unterstützung suchen. Dabei setzen wir auf Eigeninitiative, Eigenverantwortung und die Nutzung lokal verfügbarer Ressourcen. Arbeitet für die NRO ‹Swissaid›: Eliane Baumgartner

Kann man für eine UmweltOrganisation tätig sein, ohne zum Öko-Faschisten zu werden? Oder Sozialarbeit verrichten, ohne als Prinzipien-Reiter abgestempelt zu werden? kinki magazine spricht mit jungen Menschen, die sich sozial, ökologisch und auch politisch engagieren und erforscht deren Motive und Träume. Diesmal haben wir uns mit Eliane Baumgartner von ‹‹Swissaid› unterhalten und mehr kennen gelernt, als nur die Träume einer Idealistin:

Was ist deine persönliche Motivation bei einer ‹NRO›, einer Nichtregierungsorganisation, zu arbeiten?

wenn dem menschen flügel wachsen...

Was für Qualifikationen musstest Du für Deinen Beruf mitbringen?

Eine kaufmännische Ausbildung und gute Computerkenntnisse waren Voraussetzung. Dass ich schon Erfahrungen bei der Arbeit in einer NRO vorweisen konnte, war sicher auch von Vorteil. Gibt es Aspekte in deinem Beruf, die auch in deinem Privatleben eine wichtige Rolle spielen?

Die Ungerechtigkeiten auf dieser Welt. Ich sehe nicht ein, wieso ein Kind im Tschad oder in Indien Ich möchte mich mit meiner Arbeit weniger wert sein soll, als ein identifizieren können. Doch das Kind in der Schweiz. Wir hätten Geld muss auch irgendwie verdient genug Nahrung auf dieser Welt, um werden – der Lohn bei ‹Swissaid› ist alle Menschen zu versorgen. durchschnittlich und reicht zum Muss man für einen ‹NRO-Job› Leben.

Es gibt nichts Cooleres, als sich aus dem Flugzeug zu stürzen, den kurzen Fall zu geniessen und dann – zack – öffnet sich der Fallschirm. Doch da gibt es ja noch das Sprichwort ‹Wenn Gott wollte, dass wir fliegen, Idealist sein? hätte er uns Flügel geben.› Weil Was sind deine Aufgaben bei Ein Engagement für die gute Sache Gott das wohl verpasst hat, helfen ‹Swissaid›? ist sicher wichtig – dies sollte jeMenschen nach und basteln einen Ich arbeite als administrative Mitardoch kein Muss sein. Finanziell liegt High-Tech-Flügel aus Kohlefasern. beiterin für verschiedene Abteiin der Privatwirtschaft vermutlich Der war ursprünglich dazu gedacht, lungen. Meine Aufgaben reichen von mehr drin. vor allem Spezialkräfte sicherer an Eliane, kannst du uns erzählen, allgemeinen Sekretariatsarbeiten ihren Einsatzort zu bringen. Gryphon wie du bei ‹Swissaid› gelandet über das Buchen von Dolmetschern, Wie müsste sich die Welt aus heisst dieses System und hat eine bist? deiner Sicht verändern? Aktualisierung der Website, BeSpannweite von 1,80 Meter. NatürIch bin vor gut viereinhalb Jahren auf treuung des Fotoarchivs, grafische Sie verändert sich ja ständig! Ein afri- lich springt man jetzt nicht einfach eine Stellenausschreibung gestoskanisches Sprichwort lautet: Wenn Arbeiten bis hin zur Organisation so aus dem Flugzeug, sondern nutzt sen und habe mich sofort beworben. von Symposien. viele kleine Menschen an vielen klei- den Gryphon zusammen mit dem Mir gefällt das vielfältige Arbeitsgenen Orten viele kleine Schritte tun Fallschirm – sozusagen als ErweiteHast du durch deine Tätigkeiten biet und die Thematik. verändert sich die Welt. rung. Dank dem Flügelsystem gleitet das Gefühl, einen besonderen man so zum fernen Einsatzgebiet. Beruf zu verfolgen? Was genau macht ‹Swissaid›? Eliane, vielen Dank für das Natürlich ist nicht jeder ein Agent, Interview! ‹Swissaid› unterstützt Projekte in Nein, aber die Empfindung, etwas der das Gryphon System nutzen neun Entwicklungsländern. Unsere für eine bessere Welt zu tun. Aber kann. Aber vermutlich werden sich Interview: Kai-Holger Eisele Projektbegleitung wird durch einich finde nicht, dass andere Jobs diese Flügel bald auch für den privaFoto: Eliane Baumgartner heimische Koordinatorinnen und nicht wichtig wären. ten Gebrauch durchsetzen. www.esg.de Koordinatoren sichergestellt. Wir

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Noch nie hatte man die Kamera so gut im Griff und die Hände dabei so frei. Machen wir uns doch nichts vor, oft hat es genervt, wenn man mit dem Skateboard, beim Kajakfahren oder Rollerbladen seine neuste Action aufzeichnen wollte und dabei nie die Kamera im Griff hatte. Mit der neuen Digital Hero 3 Handgelenkkamera tut sich eine neue Tür auf. Einfach ums Handgelenk schnallen und los geht’s. Egal welchen sportlichen Aktivitäten man nachgeht, alles kann man jetzt für

die Ewigkeit aufzeichnen. Dank der Wasserfestigkeit ist auch jede Wassersportart von Surfen bis hin zu Wasserski kein Problem mehr. Einige der grandiosen Videos kann man sich unter http://www.goprocamera.com/ index3.htm mal etwas genauer anschauen. Auf der Seite gibt es auch alle technischen Einzelheiten, die ihr wissen müsst, bevor ihr euch das kleine Wunderwerk um das Handgelenk schnallt. Viel Spass!

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figaro

der bubikopf HERKUNFT die 20er Jahre und die langsame Emanzipation der Frau MINDSET Frauen, die gerne zeigen, dass sie unabhängig sind GESCHLECHT weiblich PASST GUT ZU langen Perlenketten, die mehrmals um den Hals gewickelt werden, knalligem Lippenstift (gerne in Signalrot)

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rauen in den 1920er Jahren, vor allem in Hollywood, trugen plötzlich alle kurz. Und zwar nicht, was den Rock anging, sondern die Frisur. Vorbei war die Zeit der wallenden Mähne und der rassigen Blondine. Wer etwas auf sich hielt, trug den so genannten Bubikopf – und das mit Stolz. Ein deutliches Signal an die Herren der Schöpfung. Unfassbar, wagte es die weibliche Bevölkerung doch tatsächlich diesen Trend durchzusetzen und das, ohne Frage, auch noch in Echtzeit. Immer wieder trifft man auf Frauen, die auch oder gerade mit dem klassischen Bubihaarschnitt feminin und verführerisch rüber kommen und damit allen Angehörigen der wallenden Haarpracht ein deutliches Zeichen senden. Die Zeit nämlich, die langhaarigen Beautys zum Frisieren oder Fönen verlieren, nutzen die Kurzhaardamen bereits zum Flirten mit den charmanten Herren an der Bar. Nicht zu verwechseln mit dem Pagenschnitt bitte. Immerhin handelt es sich

hier tatsächlich um den ersten Kurzhaarschnitt für Frauen. Quasi die Alice Schwarzer der Frisurenmode. Ein Statement, das schick macht. Meistens wird die Frisur kinnlang getragen, Stirnfransen gerne stehen lassen. Vergleiche: die ‹Lord Helmchen Frisur› für geistig Daheimgebliebene. In manchen französischen Filmen, wie zum Beispiel ‹Die fabelhafte Welt der Amelie› erkennt man an modernen Frauen à la

Audrey Tautou die freche Frisur, die scheinbar sowohl die Dauerwelle, als auch den Pony zu überleben scheint. Zugegeben, nicht jede Frau hat das gewisse Etwas, um einen Bubi tragen zu können, aber das scheint ‹Modeikonen› wie Victoria Beckham nicht davon abzuhalten, es trotzdem zu probieren. Mit mangelndem Erfolg, aber daran ist sie bestimmt schon gewöhnt. Gerade im Sommer hat der Bubi Konjunktur. Kürzer

ist pflegeleichter und frech. Er fällt auf und ist speziell. Obwohl es inzwischen zahlreiche Kurzhaarfrisuren für Frauen gibt, hält sich der Oldie unter ihnen an der Spitze der Beliebtheitsskala. Text: Adriana Popescu

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Atompilz zum FrUhstuck Ob nun Dianas Tod oder die Terroranschläge vom ­ 11. September 2001: Wem die offiziellen Erklärungen der Geschehnisse nicht genügen, der findet bei Verschwörungs-Theoretikern auf jede offene Frage eine massgeschneiderte Antwort – und den passenden Sündenbock obendrein.

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einen Glauben an die Gerechtigkeit hat Mohamed Al-Fayed in jener Nacht verloren, in der sein Sohn Dodi starb. Es war die letzte Nacht im August 1997 und seitdem will der ägyptische Milliardär ‹die Wahrheit› über das, was er einen kaltblütigen Mord nennt, beweisen. Es gibt die offizielle Version über den Tod Dodi Al-Fayeds und seiner Geliebten, Prinzessin Diana: Der Chauffeur Henri Paul war betrunken, mit Psychopharmaka voll gepumpt und die Verfolgungsjagd mit einer Horde Paparazzi endete in einem Stadttunnel, an einem Betonpfeiler. Ein tödlicher Unfall bei Tempo 200. Al-Fayed vermutet trotz aller Fakten, dennoch ein Komplott: Die Beziehung seines Sohnes mit Lady Di wurde durch das britische Königshaus beendet – durch einem Auftragsmord, ausgeführt vom Geheimdienst MI6, wie der Milliardär laut eigener Angaben vermuten soll. Mohamed Al-Fayed hat seither keinen Seelenfrieden mehr gefunden. Auch nicht als vor wenigen Wochen die ‹Royal Courts of Justice›, das oberste Gericht Englands, nach Jahren der Untersuchungen, die Mordtheorie vollkommen ausschliessen konnte: ‹Es gibt nicht das geringste Beweisstück›, erklärte Richter Lord Scott Baker. Al Fayed sieht das noch immer anders: Das englische Königshaus sei eine ‹Dracula-Familie›, Prinz Philip ein regelrechter Drahtzieher und sein ­eigentlicher Name ‹Frankenstein›. Schon am Tag nach dem Unfall hatten die weltweiten Hobby-Detektive einen neuen Fall gefunden. Schreibstoff für einen spannenden Ver-

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schwörungs-Thriller gibt es reichlich und die Boulevardpresse ist bei der Spuren-Suche auch sehr behilflich. Die Liste unbestätigter Behauptungen und Verdächtigungen ist lang: Es ist von einer vermeintlichen Schwangerschaft Dianas die Rede, von anonyme Todesdrohungen, verschwundene Zeugen am Unfallort und einem hellen Blitz, der Chauffeur Henri Paul abgelenkt haben soll. Auch mögliche Drahtzieher haben die Freizeitermittler schon überführt, obwohl sie sich untereinander noch nicht ganz einig sind: Der britische Geheimdienst steht in Konkurrenz mit dem Königshaus und Osama bin Laden höchstpersönlich. Fünf Millionen Pfund haben die Ermittlungskosten der englische Justiz verschlungen – Verschwörungstheoretiker überzeugt dies jedoch wenig...

Überzeugte Intriganten und KonspirationsFanatiker

Spannende Geschichten sind seitdem geschrieben worden. Bestseller über ein angebliches Geheimdienstkomplott. Die offizielle Version lässt sich dagegen weniger gut vermarkten: Wer hätte schon Interesse an einer Geschichte über einen Unfall, der einer ‹gewöhnlichen Ursache› zugrunde liegt. So lange die Verkaufs-Zahlen stimmen, müssen es die Enthüllungs-Autoren mit der Wahrheit nicht allzu so genau nehmen. Auch Baker musste eingestehen: ‹Die Zweifel werden bleiben. Das Widerlegen von Verschwörungs-Theorien ist

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Auch die Ufo-Technik bleibt nicht stehen. Besonders ­angesagt sind heute die CO2neutralen Familien-Schiffe mit eingebautem Whirlpool.

Vor dem Haus unseres USAKorrespondenten: 1,8 Pro­ mille hatte der Steuermann hier intus und eine Menge Koks im Blut.

Diesen Kameraden aus dem All hat es beim Absturz ziemlich mitgenommen. Das wäre E.T. nicht so leicht passiert.

Ermordet? War es wirklich Charles, oder steckten ­ doch Ausserirdischen hinter ­dem Tod Dianas?

Saddam Hussein? Nein, ein Doppelgänger. Das Original lebt in einem amerika­ nischen Altenheim.

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Schnauze voll vom Star-­ Trubel: Marilyn Monroe ist ab­­getaucht. Heute lebt sie auf einer griechischen Insel.

Neil Armstrong bei den ­D reharbeiten zu ‹Die Mondlandung› in der Wüste von Nevada.

unmöglich. Es gleicht dem Auslöffeln des Ozeans›, zitiert Politologe Rainer Erb den englischen Richter. Wer von einer bestimmten Version, einer Intrige überzeugt ist, ‹hat auf jeden Einwand eine viel längere Antwort›, sagt auch Daniel Kulla, Autor des Buches ‹Entschwörungstheorie. Niemand ­regiert die Welt› (Werner Pieper & Die Grüne 18

nicht passt, wird passend gemacht›. Ähnlich war es bei den Ter­ror-Anschlägen des 11. Septembers: Nach wenigen Stunden waren die üblichen Verdächtigen ausgemacht. Dumm nur, dass kaum ein angeblicher Beweis einer Fakten-Prüfung standhielt: Bei Flugzeug-Entführern, die scheinbar noch am Leben waren, handelte es sich um Personen mit gleichen oder ähnlichen Namen. Die Behauptung, dass an jenem Tag im World Trade Center keine Juden zur Arbeit gingen, liess sich ein libanesischer TV-Sender einfallen, der offen mit seiner anti-semitischen Propaganda warb. Weil die Religions-Zugehörigkeit von US-Behörden nicht erfasst wird, liessen tatsächlich keine offiziellen Zahlen finden, wie viele jüdische Opfer tatsächlich bei dem Inferno ums Leben gekommen waren. Auch nur eine billige Kopie. Vermutlich waren es mehrere HunDas Matterhorn wurde nach dert. Doch die Gerüchte, der der isradem Vorbild der Toblerone aufgebaut. Übrigens noch vor elische Geheimdienst ‹Mossad› sei den Pyramiden, für die wiede- der Drahtzieher, halten sich weiterhin rum die Freimaurer zustänhartnäckig. dig waren. Im Internet entwickeln Verschwörungs-Theorien ein selbstständiges Leben: Ungeprüfte Informationen werden voneinander kopiert und Details hinzugedichtet. Jeder, der schon einmal eine Hundehütte zusammen Kraft, 224 Seiten). Die gezimmert hat, darf als Statik-Experte auftreten Verschwörungs-Theo- und erklären, weshalb etwa der Einsturz der ‹Twin rie bestimmt was Fakt Towers› des WTC, nur durch eine Sprengung im ist. ‹Gegen jeden Ein- Hochhaus und nicht durch die beiden Flugzeuge wand ist ein dialekti- verursacht werden konnte. Ein vermeintlicher Auscher Kniff zur Hand genzeuge einer Explosion im Pentagon – ein Flugoder die simple Be- zeugabsturz hatte laut seinen Angaben nie gegeschuldigung, alle, die ben – entpuppte sich als Meinungsmacher der nicht an die Verschwö- amerikanischen Verschwörungs-Theoretiker-Szerungs-Ideologie glau- ne. Und wenn ­seriöse Journalisten die Fantasie ben, sind eben ein Teil der Konspiratisten aufdecken, gibt es auch dafür dieser Verschwörung.› ein Argument: Die Medien stecken mit den DrahtDas Weltbild der ziehern unter einer Decke. Konspirations-Fanatiker ist einfach gestrickt: Stets ist eine einzelne düstere Macht im Spiel, die im Hintergrund die Fäden zieht. Stets sind es dieselben Feindbilder, die als Verursacher grosser Kata­ strophen herhalten müssen: Freimaurer, Juden, Jesuiten, die amerikanische Regierung, Mafiosi, Gezielt werden Falsch-Meldungen verbreitet. Um Geheimdienste, Kommunisten und Kapitalisten. der Wahrheit etwas nachzuhelfen, genügen ComMit ein wenig Fantasie lässt sich der persönliche puterprogramme zur Bild- und Tonbearbeitung. Sündenbock als Urheber von jeglichem Bösen Die Teufelsfratze, die auf einem Foto aus den identifizieren. Fakten sind Nebensache oder ‹was Rauchschwaden des World Trade Centers

Vermeintliche Augenzeugen und UFOs auf Haiti

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­ mporstieg, war das Werk eines makaberen e Scherzboldes. Ein Spass für Eingeweihte, für ängstliche Zeitgenossen ein Grund, die tägliche Herztropfen-Dosis zu erhöhen. Das Video mit der Invasion von Ufos auf Haiti, rief auf Youtube Reaktionen hervor wie: ‹Diesmal ist es echt!›. Die 3-DAnimation hatte aber wohl vor allem ein Ziel: eine neue Computer-Software zu bewerben. Um auf die Manipulierbarkeit von Nachrichten aufmerksam zu machen, hackte sich die tschechische Künstlergruppe Ztohoven ins laufende Sonntagvormittagsprogramm. Sie montierte einen Atompilz in Live-Aufnahmen des ostböhmischen Riesengebirges. Manchem Zuschauer dürfte bei den Bildern der Appetit beim Frühstück vergangen sein. Die Künstlergruppe muss sich nun vor Gericht verantworten. Stehen nun also verworrene Verschwörungstheorie im Internet gleichberechtigt neben seriösen Nachrichten? Wird das Web sogar gezielt eingesetzt, um Falsch-Meldungen zu verbreiten? ‹Die These, das Internet sei der Hauptmotor für heutige Verschwörungs-Ideologien, lässt sich in jedem Fall nicht halten›, sagt Verschwörungs-Experte Kulla. ‹Im Netz lassen sich Behauptungen oft viel leichter prüfen, als das bislang der Fall war.› Gerade die Flut an Informationen mache es für abstruse Theorien schwerer, sich zu behaupten. Und im Zweifel wirkt das Online-Lexikon Wikipedia, wo viele Thesen sachlich widerlegt werden, noch immer glaubwürdiger als Webseiten, auf ­denen sich die Esoterik-Gemeinden über ihre Endzeit-Neurosen austauschen. Auch wenn es bei den Verschwörungs-Theorien der regelrechte Schwachsinn überwiegt – für Kulla ist Skepsis gegenüber offiziellen Verlaut­ barungen dennoch angebracht. ‹Ergebnis orientierte Fragen haben nicht selten zur Aufklärung der Machtverhältnisse beigetragen›, sagt er. ‹Dann können sie Einblicke in den Abgrund von Geheimdienstarbeit ermöglichen und so das staatliche Gewaltverhältnis begreifbar machen.› Oft dauert es jedoch Jahre, bis die Wahrheit ans Licht kommt. Für Mohamed Al-Fayed mag das ein schwacher Trost sein. Von der britischen Justiz erwartet er nicht viel mehr, als dass sie ihm Recht gibt. Er hat seinen Kampf aufgegeben. ‹Ich werde es nun Gott überlassen, mir meine Rache zu geben.›, so Fayed. Text: Jens Dierolf Illustrionen: Sarah Parsons Ihr habt immer noch nicht genug von all dem Zwielicht und der Verschwörerei? Ein Test im Internet unter: http://www.verschwoerung.martinbruder.com/

Top Ten verschwöre­ rischer Geschichten

Es besteht Grund zur Panik: Elvis lebt, Ausserirdische helfen den USA bei der Entwicklung von Militärtechnik und die Regierungen sind längst von den Illuminaten unterwandert. Oder könnten wir lügen? Hier unsere Top Ten der Verschwörungsgeschichten:

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Mondlandung in der Wüste: Die Nasa hat 1969 die Mondlandung in den Filmstudios in der Wüste von Nevada gefälscht. Beweise sind Schatten, die nur von Scheinwerfern kommen können oder eine USA-Flagge, die weht, obwohl die Atmosphäre des Mondes nicht die kleinste Brise zulässt. Ein weiteres Indiz: Als Edwin Aldrin ­Jahre später auf die Bibel schwören sollte, er sei wirklich zweiter Mann auf ­ dem Mond gewesen, lehnte er ab – und schickte mit einem linken Haken den zweifelnden Reporter auf die ‹irdische Umlaufbahn›. Totgeglaubte leben länger: Ob Kurt Cobain, Elvis Presley, Marilyn Monroe oder Tupac ­Shakur: Sie alle leben noch. Ihnen ging nur der Star-Trubel auf die ­Nerven. Dass Elvis nicht nur ein begnadeter Sänger, sondern auch ein genialer Schauspieler war, stellte er unter Beweis, als er Ermittlern erfolgreich seinen Tod vortäuschte – samt Herzstillstand. Mit seinem Sarg sank übrigens ein Wachsleichnam ins Grab. Bei Ex-Beatle Paul McCartney verhält es sich umgekehrt: Er starb bereits 1966 und wurde durch einen Doppelgänger ersetzt.

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Unterste Schublade: Damit Konzerne weiter ihre Milliarden scheffeln können, haben sie eine gängige Masche: Patente aufkaufen und ab damit in die Schublade. Kolossale Erfindungen bleiben so der Menschheit vorenthalten: Die ‹unkaputtbare Glühbirne›, das ‹ultimative 0,5-Liter-Auto› und natürlich jede Menge Medikamente gegen Aids, Malaria oder Krebs. Dass esoterische Heilsteine und Pendeln nahezu jede Krankheit ­besiegen, dieses Wissen behalten gut informierte Zirkel weiter für sich.

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Nicht von dieser Welt: In den ­Jahren 1947 bis 1952 regnete es in den USA förmlich Ausser­ irdische. Mindestens 13 fremde Raumschiffe mussten notlanden oder stürzten ab. Dutzende Tote und einen Überlebenden sollen die US-Militärs geborgen ­haben. Weitere sollen heute ­unter uns ­leben. Damit ihr sie erkennt: Sie sind ­1,25 bis 1,30 Meter gross, ­gräulich blau, extrem elastisch und haben keine ­äusserlichen Sexualorgane. Bis heute verheimlichen die USA ihre ­E xistenz. Aus gutem Grund. Nur durch ­i hre Hilfe sind die Amerikaner weltweit führend ­in der Militär- und Weltraum­technik.

Alles ist erleuchtet: Der Geheimbund der Illuminaten hat nicht nur den Zweiten Weltkrieg ausgelöst und John F. Kennedy ermordet, er hat auch beinahe alle Regierungen der Welt unterwandert. So sagt man. Auf dem Ein-Dollar-Schein ist übrigens nicht ­George Washington abgebildet, sondern Adam Weishaupt, der Gründer des Illuminatenordens. Und es kommt noch besser: Dan Browns Thriller ‹Illuminati› spielt nicht aus Zufall in der Schweiz. Hier ist das Hauptquartier des Geheimbundes. Mehr dürfen wir an dieser Stelle nicht verraten. Die versunkene Schwester: Und sie war doch unsinkbar. Denn nicht die Titanic, sondern ihr Schwesterschiff, die fast baugleiche Olympic, war 1912 dem Untergang geweiht - ein clever kalkulierter Versicherungsbetrug. Wir meinen übrigens, es war gar kein Eisberg. Es war der Prototyp eines Banana-Boats, das Ausserirdische gerade im Atlantik erprobten.

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Die Rache des Diktators: 2001 bedrohte die Maul- und KlauenSeuche fast ganz Europa. Ein ­Milliardenschaden für die Landwirtschaft und die Regierungen. Doch das Virus hatte Kalkül. Der irakische Diktator Saddam Hussein liess es als Rache für den verlorenen Golfkrieg verbreiten. Es hat ihm jedoch nicht viel geholfen…

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Der Trick mit dem Galgen: ­Letzteres muss an dieser Stelle korrigiert werden. Denn die angebliche Hinrichtung von Saddam Hussein im September 2006 war nur Schwindel, um dem greisen Mann einen ruhigen Lebensabend in einem amerikanischen Altenheim zu ermöglichen. Und wenn es doch eine Tötung war, dann war es nur einer seiner geschätzten 23 Doppelgänger, der am Galgen baumelte.

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Wahn im Wasser: Was die Hippies in den 60er Jahren forderten, haben die Amerikaner längst realisiert. In aufständischen Städten mischen sie LSD ins Trinkwasser. Wir haben unsere Vorkehrungen getroffen und trinken nur noch Quellwasser aus dem Jura.

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Die Sperma-Sosse: Sieben verschiedene Sperma-Spuren sollen in der Sosse einschlägiger Im­bisse analysiert worden sein. In den Kinosesseln unserer Stadt sollen sich HIV-infizierte Spritzen verstecken. Und in der Dorf-Disco wird den jungen Mädchen noch immer LSD ins Getränk geschüttet. Wir sind ganz sicher. Der Freund eines Freundes hat es von einem Freund gehört.

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Perla Mode subkultur vor der Abrissbirne Ende September soll in Zürich Schluss

sein mit Perla-Mode. Das Haus an der Ecke Langstrasse und Brauerstrasse muss schicken Lofts weichen. Zu schade, denn einen lebendigeren Kunst-Ort sucht man weit herum vergeblich.

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ollen wir mit einem Langstrassen-Klischee beginnen? Vor dem Perla-Mode stehen am Freitag Abend drei Dealer und verkaufen Heroin (80 Franken/ Gramm), Kokain (100 Franken/Gramm) und überteuertes Haschisch. Die Galerien nebenan interessieren sie nicht – warum auch. ‹The house has something to do with art›, sagt der eine, der unsere dummen Fragen bald satt hat. Aus dem Haus, das einmal eine verstaubte Modeboutique war, klingen laute Stimmen. Musik spielt, Leute unterhalten sich lachend. So abgedroschen es klingt: Im Perla-Mode liegen Kunst und Party nie weit auseinander. Bei der Einweihung im Herbst 2006 stapelten sich am Eingang meterhoch die Rennräder; oben auf die Terrasse zwängte sich alles, was in der Zürcher Kulturszene einen Namen oder schicke Turnschuhe hat. Die 20

Terrasse ist mittlerweile geschlossen: ‹Ich hatte immer Angst, es könnte jemand herunter fallen›, erinnert sich Esther Eppstein. Das Publikum ist geblieben: Eine ständig changierende Mischung aus Hipstern, Kunstinteressierten, Trunkenbolden und asiatischen Touristen. Manuela Schlumpf vom Wartesaal erzählt: ‹Es kommt öfter vor, dass Leute an einer Vernissage auftauchen, die sonst keine Kunstausstellungen besuchen.› Sie kann sich an einen betrunkenen Mann erinnern, der vor lauter Freude über die Kunst laut zu Singen begann. ‹Das war lustig.› Unangenehm seien dagegen die vielen Diebstähle im Haus – geklaut werden wahlweise Kameras, Handtaschen oder Handys. Wie soll man das Perla-Mode beschreiben? ‹Wir sind das beste, das Zürich zu bieten hat›, meint einer der Beteiligten lachend. Als da wären:

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a Noch wird im Perla-Mode ausgestellt. Doch bald muss das Haus schicken Lofts weichen.

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Benjamin Sommerhalder vom Nieves Verlag mag das Einfache und die Patina des Selbstgemachten. Esther Eppstein vom Message Salon sieht sich selber eher als K端nstlerin und weniger als typische Galeristin.

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Esther Eppsteins ‹niederschwellige Kunstherberge› (so die ‹NZZ›) message salon; Benjamin Sommerhalder mit dem Verlag und der Buchhandlung Nieves; der unabhängige Ausstellungsraum Wartesaal von Manuela Schlumpf und Adi Ehrat und schliesslich Freymond-Guth & Co. Fine Arts. ‹Wir teilen alle einen Do-it-yourselfEthos›, fasst Jean-Claude Freymond-Guth das Gemein­ same zusammen. Dieser Ethos wird in der Praxis ganz unterschiedlich ausformuliert. Nieves ist dabei, eine renommierte KunstEdition von internationaler Ausstrahlung zu werden. Da­ gegen funktionieren Wartesaal und ‹message salon› eher als erweitertes Wohnzimmer einer Bohème-Gross­familie denn als konventionelleGalerie.UndJean-Claude positioniert sich mit Freymond-Guth & Co. Fine Arts ganz selbstverständlich als Teil der etablierten Kunstszene: ‹Ich sehe keinen Widerspruch zwischen Do-ityourself und dem Anspruch, eine kommerziell erfolgreiche Galerie zu führen.› Reich wird im Perla-Mode trotz­­dem niemand. Benjamin meint: ‹Man muss versuchen, den Mittelweg zu finden.› Wie der aussieht erklärt Manuela am Beispiel Wartesaal: Der Staat und private Stiftungen unterstützen das Projekt mit gelegentlichen Finanzspritzen; die Arbeit im Wartesaal geschieht ohne Bezahlung. ‹Wir sind fünf Diven im selben Boot.›, hören wir die Beteiligten mehrmals sagen. Spannungen sind so vorprogrammiert – selbst wenn es nur darum geht, wie sauber der gemeinsame Ausstellungsraum zu putzen ist. An manchen Tagen geht Benjamin auch das ‹Gläuf› im Haus auf den Geist. Dann verschwindet er in seinem Büro im ersten Stock und versteckt sich hinter einem Buch – wohl ähnlich wie der kleine schwarze Geist im Nieves Logo. Trotzdem will hier niemand freiwillig weg: ‹Wir profitieren enorm voneinander›, sagt JeanClaude. Keiner der Räume hätte für sich allein stehend eine so grosse Ausstrahlung wie Perla-Mode als ganzes. Damit ist es in Kürze vorbei: Der Mietvertrag für das Haus läuft im September aus. Gibt es keine letzte Gnadenfrist, fahren danach die Bagger auf. Jean-Claude hat sich an der nahen Brauerstrasse schon einen neuen Raum gesichert. Auch Esther wird mit dem message salon wohl weiter ziehen. Wohin weiss sie noch nicht. Genau so wenig wie Adi, Manuela und Benjamin, der weiter im Kollektiv bleiben möchte. Was mit dem Perla-Haus passiert, steht dagegen fest: An seiner Stelle wird ein Komplex mit

Lofts, Café und Hammam hingeklotzt. Auf der an- *Abkürzung für Magazine, auf Englisch ‹zeen.› Zines werden deren Strassenseite ist schon zu sehen, wohin die ausgesprochen fotokopiert in geringer Auflage produReise geht: Gegenüber dem Perla-Mode steht ziert und sind vorwiegend für den seit einigen Wochen ‹das haus›, ein Shop-in- nichtkommerziellen Handel bestimmt. Shop-Gebäude mit Jeans-Läden, Café und Club www.nieves.ch Nieves ist auch kürzlich die aktuelle Werkschau (für den Hammam war wohl kein Platz mehr). Tref- Bei des amerikanischen Künstlers und Illustrators Geoff fender könnte man das Wort ‹Fremdkörper› nicht McFetridge erschienen. Ausschnitte seiner Arbeiin Architektur fassen. Meint auch Esther, die sich ten sind mit freundlicher Genehmigung von Nieves im hinteren Teil dieses Heftes (S. 88) zu sehen. fragt, wann endlich ein Sprayer kommt und Fassade versprayt. Doch am Wandel des Quartiers war sie selbst nicht unbeteiligt. Denn so funktioniert Gentrifizierung: Erst kommen Künstler, dann Boutiquen und am Ende junge urbane Leistungsträger mit doppeltem Einkommen und ohne Kinder. ‹Uns ist bewusst, was für eine Rolle wir spielen‹, sagt Esther. ‹Aber wir suchten billige Räume und haben sie hier gefunden.› Entstanden ist Ort für Kunst, Musik und Party, der in Sachen Diversität seinesgleichen sucht. Kein Wunder resümiert Esther mit Wehmut: Gibt es Vorbilder für den message salon? ‹Die Leute werden erst wissen, was sie an Perla- Als ich Anfang der neunziger Jahre angefangen habe, existierten keine Ausstellungsorte für junge Mode hatten, wenn es uns nicht mehr gibt.› Künstler. Einzig im Kunsthaus Oerlikon wurde sehr offen kuratiert. Da gab es Räume, die man sich einfach mieten konnte. Das war noch viel niederschwelliger als heute im message salon Hinter den liebe­­voll gestalteten Zines* und und hat mich inspiriert. Auch dasWohlgroth war Buchperlen des Nieves Verlags steckt ein eine Inspiration – weniger vom Kuratorischen ebenso feinsinniger wie kluger junger Mann her als vom Do-it-yourself-Gedanken. – Benjamin Sommerhalder. Er freut sich, dass sich in seinem Programm Was ist das besondere an deinem AusstelVeröffentlichungen von Künstlern wie Andro lungsraum? Wekua, Linus Bill oder Kim Gordon aneinander Ich habe mit dem message salon 1996 angefanreihen. Gerade die Zusammenarbeit mit Gordon gen. Am Anfang stand die Idee eines Künstlergestaltete sich derart unkompliziert, dass Benja- Treffpunkts, eines Künstler-Salons. Ich sehe mich min bereits ein Vol. 2 mit Zeichnungen der Bassis- sehr lokal verwurzelt, als eine Art soziales Pro­jekt: tin von Sonic Youth aufgelegt hat. Um der lokalen Szene ein Zuhause zu geben. Zu den Zines hat der gelernte Grafiker über Damit habe ich in der Stadt Zürich viel erreicht. seine eigene Leidenschaft für schön gestaltete Ich habe Künstlern wie Kerim Seiler und Selina Publikationen gefunden. Es sind das Einfache und Trepp die Gelegenheit gegeben, zum ersten die Patina des Selbstgemachten, die ihn faszinie- mal auszustellen und sich einen Namen zu machen. ren. Als 2002 nach drei Jahren sein von Insidern viel gerühmtes ‹Zoo›-Magazine die letzte Ausgabe Aber diese Künstler werden später von veröffentlichte, spielte Benjamin schon länger mit grösseren, etablierten Galerien übernomder Idee der Zines: ‹Ich suchte nach einer Form, men. Ist das nicht frustrierend? die es auch finanziell möglich machte, mehrmals Ein wenig schon. Aber mich interessiert der komim Monat eine Publikation heraus zu geben. merzielle Bereich gar nicht so sehr. Ich sehe mich Seit der Nieves-Verlagsgründung im Jahr selbst eher als Künstlerin, weniger als typische 2001 liegt sein Hauptaugenmerk auf Illustrationen Galeristin. Ich beobachte den Kunstbetrieb und und Zeichnungen. ‹Aber grundsätzlich bin ich finde interessant, was da vorgeht. Aber irgendoffen für alles, es muss halt irgendwie passen›, be- wann habe ich eingesehen, dass meine Position tont er. So sind auch die Fotografien von Takashi ausserhalb liegt. Homma in der Ausgabe ‹Tokyo and my Daughter› kein Bruch mit dem Verlagsprogramm. Erfrischend Besuchst du trotzdem die Vernissageist, dass die Zines ganz ohne schwerfälligen Text Partys der Kunstszene? daherkommen. Die Interpretation liegt so ganz Ich gehe hin, wenn ich Lust habe. Aber ich bin beim Betrachter selbst. Wer mehr erfahren will, keine von denen, die sich ständig mit anderen kann sich auf der Nieves-Webseite schlau ma- Kuratoren treffen müssen. Ich gehöre nicht chen. wirklich zu diesem Kreis, ich habe meinen eigeMittlerweile hat sich Benjamin mit Buchveröf- nen Clan. Und ich bin keine Person, die sich fentlichungen ein zweites Standbein erarbeitet, leicht vereinnahmen lässt – ich bin widerspensdas ihn auch finanziell ein wenig entlastet. Den tig. goldenen Mittelweg zu finden zwischen liebevoll gestalteten Do-it-yourself-Zines zu fairen Preisen Kannst du von deiner Arbeit als Galeristin und kommerziell erfolgreichen Produkten ist nicht leben? immer einfach. Da freut ihn die grosse Aufmerk- Nein, überhaupt nicht. Ich habe daneben samkeit, die seinem Buchladen im Parterre von einen 20 Prozent Job im Korrektorat einer RedakPerla-Mode zukommt und zum Erfolg des kleins- tion. Ausserdem habe ich ein bisschen was ten, aber wohl schönsten Buchverlags der Schweiz geerbt und zweimal den eidgenössischen Preis beiträgt. für Kunstvermittlung gewonnen. So kommt immer wieder ein wenig Geld zusammen, aber

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es langt kaum, um mich und meine Kinder durch zu bringen. Du hast gesagt, dass du schon öfter ans Aufhören gedacht hast. Warum machst du trotzdem weiter? Ich kann einfach nicht anders. Ausserdem geben mir die Leute zu verstehen, dass es schlimm wäre, gäbe es keinen Ort mehr wie den message salon. Im Perla-Mode habt ihr ein bunt gemischtes Publikum. Lasst ihr jeden rein? Erst mal finde ich es ganz gut, dass die unterschiedlichsten Leute kommen. Aber weil hier die Langstrasse ist, kann man bei Partys oder Ver­ nissagen die Schleusen nicht voll öffnen, sonst ist im Nu alles voll und die Feuerpolizei fährt vor. Wenn ich solche speziellen Anlässe organisiere, stehe ich darum selbst als Türsteherin hin und bestimme, wer rein kommt und wer nicht. Was hast du für eine Policy als Türsteherin? Nicht bewilligte Partys laufen bei uns als Privatpartys, darum muss ich manchmal restriktiv sein. Wenn also eine Horde Typen kommt, die... wobei: Selbst die lasse ich manchmal rein – sollen sie sich ruhig die Ausstellung ansehen. Solche Leute gehen ja schnell auch wieder. Website: www.likeyou.com/messagesalon/ Aktuelle Ausstellung: Ruth Erdt – The Casting System (bis 19. April 2008)

Jean-Claude FreymondGuth: Freymond-Guth & Co. Fine Arts Sammelst du selbst auch Kunst? Ich kaufe immer mal wieder was, wenn ich Geld habe. Meine Schwerpunkte sind die selben wie in der Galerie: Zum einen Konzepte, bei denen es um Dekonstruktion und Aneignung geht. Zum anderen Werke, die eine gewisse Flüchtigkeit und Mystik haben.

lungsraum. Wer sich zu ihm gesellte, dem servierte der Künstler eine Tasse Grüntee, jonglierte oder spielte ganz einfach Musik. Im Fokus der Galerie stehen vor allem junge Schweizer Künstler und Künstlerinnen, zum Beispiel die als ‹Tonk› bekannten Fotografen Taiyo Onorato und Nico Krebs. Die Gemeinschaftsarbeit wurde durch die erste Einzelausstellung im Wartesaal auch für ein Schweizer Publikum An wie vielen Tagen in der Woche? zugänglich. An sechs Tagen. Am Sonntag erledige ich oft In Zukunft sollen vermehrt Künstler aus dem Arbeiten von zu Hause aus. Ausland gezeigt werden, unter anderem die Niederländerin Falke Pisano: ‹Uns interessieren Bleibt dir noch Zeit für Hobbys? vor allem Künstler, die sich mit aktuellen gesellIch koche gerne, auch für Freunde. Und ich lese schaftlichen und kunstbezogenen Fragen beschäfgerne. Alle meine Freizeitbeschäftigungen tigen›, erklärt Manuela. sind auf mein Zuhause konzentriert. Eigentlich Und so versteht sich der Wartesaal als Plattwürde ich gerne mehr Sport treiben – früher ging form, die auf junge Talente aufmerksam macht, ich oft Rennen, heute gehe ich ab und zu ins Krafttraining. Rudern und Boxen gefallen mir gut, ihnen Projekte und Ausstellungen ermöglicht und vor allem ihr Schaffen vermittelt. Aber hat der Waraber ich kann mich nicht an die Trainingstesaal schon einem Künstler zum grossen Durchzeiten der Clubs halten. bruch verholfen? Manuela: ‹Nein, das ist auch unrealistisch. Den Durchbruch könnte ein Künstler Machst du auch mal Ferien? sowieso nur mit Hilfe einer international tätigen Im letzten Sommer war ich eine Woche lang in Frankreich. Ich bin auch als Galerist häufig unter- Galerie schaffen. Aber sicher ist, dass sich für die von uns ausgestellten Künstler weitere Kontakte wegs; ein bis zwei Wochen im Monat. Da halte ich mir immer ein paar Tage frei, an denen ich Zeit und Möglichkeiten erschliessen.› Neue Netzwerke knüpfen sich wohl auch leichfür mich habe. ter an einer der Partys, die sich zum willkommenen NebenefWas wolltest du werden, als du ein Kind fekt der einen oder anderen warst? Architekt – oder Komponist. Ich wollte schon im- Vernissage etabliert haben – dann kommt es schon mal vor, mer Dinge schaffen und Dinge miteinander in dass Adi den Plattenteller rausBeziehung stellen. kramt und in heller Begeisterung Und was würdest du heute am liebsten ma- bis in die frühen Morgenstunchen, wenn du keine Galerie mehr hättest? den Musik auflegt. Das Aus für Ich würde gerne auf dem Land leben und Kinder das Perla-Mode jagt dem Gahaben – eigentlich eine klassische Hippie-Fanta- leristen-Duo kaum Angst ein. Für die beiden ist es dann einsie. Am liebsten auf einem Bauernhof. Nicht fach Zeit, weiter zu ziehen. als Bauer, aber ich würde gerne Wein machen, www.wartesaal.ch Mauern bauen und so. Freymond-Guth & Co. Fine Arts gibt es seit gut zwei Jahren. Die ersten drei Jahre sind für das Überleben einer Galerie die heikelsten. Du steckst noch mitten in der arbeitsintensiven Anfangsphase. Ja, ich arbeite zwischen acht und sechzehn Stunden am Tag.

www.freymondguth.com Aktuelle Ausstellung: Dani Gal, Tanja Rosic, Megan Sullivan – L’ éducation sentimentale (bis 10. Mai 2008)

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24. Mai – 14. Juni 2008 Benjamin Valenza im Rahmen der Aus­ stellungsreihe ‹kleiner Wartesaal›, Eröffnung am Freitag, 23. Mai 2008 ab 18 Uhr Text: Jürg Tschirren und Isabelle Stüssi Fotos: Julian Salinas

Angefangen hat alles im Wartesaal des Bahnhofs Wollishofen, der mittlerweile einem Lounge-Restaurant weichen musste. Wehmut Deine Interessen als Sammler sind also über diese Verwandlung sollten die beiden dieselben wie die als Galerist? Da gibt es sicher Gemeinsamkeiten. Ich muss mir Luzerner Betreiber des Ausstellungs­raumes – die für das Institut für Gegenwartskünste in beiden Fällen vorstellen können, dass die tätige Manuela Schlumpf und der Grafiker Arbeiten auch in Zukunft interessant sind. Mein Adi Ehrat – nicht empfunden haben. Denn zu wichtigstes Kriterium ist der Wunsch, auch später noch von einem Künstler oder einer Künst- ihrem Konzept gehört es sich in temporär leer stehende Räume einzunisten. Umso erlerin zu kaufen. Und es muss eine Weiterent­ staunlicher, dass sich der Wartesaal nun wicklung im Werk geben. schon fast zwei Jahre im obersten StockUnterscheidet sich dein Publikum von dem werk des Perla-Modes einquartiert hat. Manuela und Adi stellen mit Schwerpunkt Künstler anderer Galerien? Ich denke schon, dass bei Freymond-Guth & Co aus, die mit Installationen arbeiten und sich ebenso die Hemmschwelle niedriger ist, Kunst zu kaufen. intensiv mit Raum und Ort ausein­ander setzten wie die Galeristen selber. So kommt es zu PerformanBei allen Ausstellungen schaue ich darauf, dass ces, wie der des Zürcher Lebenskünstlers und einzelne Werke in Editionen angeboten werden, Multitalents Alexis Saile (übrigens: nie war die Bedie deutlich billiger sind als das Original. zeichnung Lebenskünstler passender): Während einer Woche lebte Saile zu den Öffnungszeiten in einer selbstgebauten Hütte im grossen Ausstel24

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Jean-Claude Freymond-Guth wollte als Kind Architekt werden. Jetzt arbeitet er sechs Tage die Woche f端r die Kunst. Manuela Schlumpf und Adi Ehrat vom Wartesaal ziehen bald weiter.

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Offizielle Statistik: Homosexuelle Fussballer an der EM: 0

Suspensorium Anhand verschiedener Quellen lässt sich ermitteln, dass zwischen mindestens 3 und 10% aller Menschen eine homosexuelle Orientierung haben. Wenn man diese Zahlen auf den internationalen Fussballsport umrechnet, müsste in jeder Nationalmannschaft mindestens ein schwuler Spieler sein. Im Profi-Fussball bekennt sich derzeit allerdings niemand offiziell zu einer homosexuellen Neigung. In der Geschichte des Sports gab es erst einen Profi-Fussballer, dessen Homosexualität bekannt wurde. Der Engländer Justin Fashanu wurde 1990 nach seinem Outing unter einem fadenscheinigen Vorwand entlassen – angeblich weil er unentschuldigt dem Training fern blieb. Acht Jahre später beging er Selbstmord. Quellen: Wikipedia, Feelok, Land Brandenburg, gay 26.ch, Spiegel.de

Mathematische Statistik: Homosexuelle Fussballer an der EM: ungefähr 1 Spieler pro Kader

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UNsicht bar iN bogotá Zeig mir dein Haus und ich sage dir, was für ein Mensch du bist, wie viel du verdienst und in welcher Höhe du Steuern zahlen musst. Was absurd klingt, ist in Bogotà, der Hauptstadt Kolumbiens, eine gängige Praxis der Verwaltung ihre Bürger einzuteilen und zu besteuern. Eine Fotoreportage von Guadalupe Ruiz.

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n Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, wird jeder Stadtkreis von der Stadtverwaltung einer von sechs Kategorien zugeordnet (‹estratos› genannt, spanisch für ‹Volksschichten›). Die Höhe der städtischen Steuern und der Gebühren für Elektrizität, Wasser und Telefon richtet sich nach dieser Zuordnung. In Zonen, die der Kategorie 1 zugehören, bezahlt man am wenigsten, in der Klasse 6 am meisten. Die Behörde entscheidet über die Zuordnung allein über den Blick von aussen auf die Häuser, Grundstücke und den öffentlichen Raum – das Innere der Häuser ist nicht massgebend und bleibt Privatsphäre. Diesem Innenleben der Häuser ist Guadalupe Ruiz in der Art eines typologischen Inventars nachgegangen, auf der Suche nach möglichst typischen Wohnungen für das jeweilige Niveau. Ruiz ordnet die Bilder so an, dass die horizontalen Reihen jeweils einem ‹estrato› entsprechen, beginnend mit dem ärmsten in der obersten Reihe, und dass die vertikalen Reihen jeweils einem Thema entsprechen. Die Porträts zeigen sechs Personen; jede der Personen wohnt in einem anderen ‹estrato›.

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Text: Simon Maurer Fotografie: Guadalupe Ruiz

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Puente Aranda C-Print auf Aluminium 140 × 115cm, 2002

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Cedritos C-Print auf Aluminium 140 × 115cm, 2002

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nen von Massenmails lahm gelegt worden sein. Estlands erster Verdacht war Mütterchen Russland. Das sowieso schon angespannte Verhältnis der beiden Nachbarn liegt seither brach - die estländische und russische Regierung befinden sich in einer ‹Cyber-Fehde›. Ein Einzelfall? Bei weitem nicht: Diese neue Art der Kriegsführung betreffe nicht nur die beiden Streitparteien, auch ‹westliche Ziele› wären bereits im Faden-Kreuz gegnerischer ‹Cyber-Soldaten›, warnt das amerikanische Verteidigungsministerium: ‹Der Cyberkrieg ist bereits hier und er macht uns grösste Sorgen›, stellt Vizeverteidigungsminister Gordon England fest. Michael McConnell, Direktor der National Security Agency NSA, alarmierte sogar, dass ein gezielter Hackangriff auf eine einzelne US-Bank, einen einschlägigeren ökonomischen Schaden anrichten könnte, als der 9/11. Einige der US-Militärs glauben sogar an heimliche Attacken auf das EmailSystem nicht klassifizierter Computer des Pentagon, die bereits vonstatten gegangen sein sollen. In diesem Zusammenhang sollen in den letzten Monaten rund 1500 Computer abgeschaltet worden sein.

Viel schlimmer als der 11. September

Doch was ist das Ziel der Cyberspione? Hauptsächlich geht es um wirtschaftlichen und militärischen Datenklau. So soll Peking laut eigenen Angaben Information über Satelliten gestützte Navigationssysteme (GPS) besitzen, die bei einem möglichen Taiwan-Konflikt durch chinesische Militärs angegriffen und die US-Flotte somit ausser Gefecht gesetzt werden könne, berichtet die Tageszeitung ‹Handelsblatt›. Doch nicht nur Hochsicherheits-Netzwerke der Militärs sind von einer virtuellen Bedrohung betroffen: Der Suchmachinenanbieter Google meldet bereits jede tausendste kommerzielle Website als ‹infiziert›. Während früher noch Emails mit riskanten Anhängen verschickt worden sind, sind es heute Verlinkungen auf Webseiten und Web 2.0 Angeboten wie Myspace oder Facebook. Auf den populären Internetseiten wird hierbei ein direkter Link angebracht, der bei anklicken auf infizierte Angebote weiterleitet. Dabei werden Passwörter, Zugangsdaten für Online-Banking und seit kurzer Zeit auch Accounts zu Online-Spielen gestohlen. Schon 1,3 Prozent der bei Google angezeigten Suchtreffer sollen mit einem dieser gefährlichen Programme infiziert sein. Auch grafische Werbeflächen seien durch Spähprogramme gefährdet, so das amerikanische Unternehmen. Die Vereinigten Staaten würden ihrem Ruf als misstrauische Rüstungs-Macht nicht gerecht, hätten sie nicht schon die passende Lösung gefunden. Die Abzeichen-geschmückte Antwort auf die Problematik im Dsl-Format ist William Lord, ein jungenhafter, euphorischer 2-Sterne-General und Leiter der Einheit ‹Cyber Command› der US-Air Force. Die selbst definierte Aufgabe des erst zehnten Hauptkommandos in der Geschichte der amerikanischen Luftwaffe ist die Vorbereitung auf einen Krieg im ‹elektromagnetischen Spektrum›, so Lord. Streng nach dem Motto Computer sind auch militärische Waffen, rüstet die junge Spezialeinheit, um feindliche Attacken in der Luft, im

Weltraum und nun auch im Cyberspace zu verteidigen - und das Gefecht hat bereits begonnen. Die Gegner sind jedoch nicht chinesische Hacker oder russische Cyber-Spione, sondern politische und kulturelle Einrichtungen aus dem gesamten Land im hartnäckigen Rennen um den festen Standort der strategischen Kommandozentrale ‹Cyber Defense› – Eine Gefechts-Situation, die heikler zu sein scheint, als ein ‹Trojanisches Pferd› im Zentralnetzwerk des Verteidigungsministeriums. Bei der Standort-Frage geht es um Millionen von Dollar. Insgesamt kämpfen 15 inner-amerikanische Militärstützpunkte um die Gunst des Cyber Kommandos. Hampton, Virginia, Yuba City und Kalifornien tun dies jedoch nicht ohne Grund: Insgesamt verspricht eine Niederlassung der Cyber Kommandos 10,000 neue Festanstellungen und eine verbesserte Infrastruktur der betroffenen Region. Kein Wunder also, dass sich die Gouverneure von California, New Mexico and Louisiana um die Gunst von William Lord und seiner Einheit regelrecht raufen. Ständige Briefe an das Hauptsekretariat der amerikanischen Luftwaffe sind das Ergebnis und sogar ein privates Treffen zwischen Louisianas Staatschef Bobby Jindal und dem noch amtierenden Präsidenten Bush soll es schon gegeben habe – allem Anschein nach unter dem Vorwand der Katrina-Katastrophe aus dem Jahre 2005. ‹Es wäre sicher sehr nett, sie hier zu haben›, sagt Tammy Frank, Managerin eines kleinen Imbiss in Bossier, Louisiana. ‹Mein kleiner Sohn kann sehr gut mit Computern umgehen. Es wäre dadurch sicherlich leichter für ihn, später eine guten Job zu finden und hier bleiben zu können›. Lord spürt den grösser werdenden Druck.

nicht bürokratische Staatsmänner, die sich um gut ausgebildete Militärs, qualifizierte Standorte und die elektronische Gefahr aus Fernost Sorgen machen müssten, sondern der einfache Bürger um den Pin-Code seines Online-Banking: Vorsicht also bei der nächsten Eingabe persönlicher Daten im Internet – vielleicht sind die Cyper-Spione ja gerade knapp bei Kasse!? Text: Florian Hennefarth Illustrationen: Sarah Parsons

Cyber Spione sind knapp bei Kasse

Ungeachtet der Streitigkeiten um die Festlegung eines Standortes hat die Ausbildung der neuen Cyber-Soldaten längst begonnen. Zu elektronischen Kriegern herangezogen werden die Air Force Offiziere an der Hurlburt Air Force Base in Florida in einem 38-tägigem Trainingsprogramm. Und dennoch wüsste man nicht so genau, was die da eigentlich treiben würden, meint John Pike, Vorsitzender von GlobalSecurity.org: ‹Die haben die ganze Geschichte ziemlich aufgetakelt und hochgespielt und nun ist es ziemlich schwer zu sagen, was sie momentan genau tun›. Vielmehr vermutet Pike, dass das Cyber Kommando nur ein strategischer Teil eines geheimen Air Force Plans zu Vorbereitung auf einen möglichen Krieg mit China sein könnte - das Netzwerk des Verteidigungsministeriums soll ja bereits gehackt worden sein. Pike sieht ausserdem die vielfach angepriesene ‹Abwehr-Mission› des neuen Kommandos mehr verworren als durchsichtig: Die National Security Agency NSA bekämpfe schliesslich schon militärische Netzwerke. Zivile Infrastrukturen, wie das Internet und Kraftwerke, befänden sich sowieso in ‹privater› Hand und die Air Force hat keinerlei rechtliche Kontrolle über diese, so der Sicherheitsexperte. Trotz aller Befürchtungen haben die meisten Internet-Attacken dennoch nur ein Ziel, das Geld anderer Leute. Und so scheint es, als wären es kinki

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querschläger

clifford lilley – je dunkler der schuh, desto formeller der anlass Was meinst du zu unserem Erscheinungsbild, Clifford? Ihr seid ja irgendwie direkt von der Strasse. Ist das Everyday-Style?

Du hast angetönt, dass du in Zukunft auch Workshops in ‹Tisch-Etikette› geben möchtest. Gibt es da so etwas wie eine goldene Regel für gelungenen Wie bitte? Wir haben uns Smalltalk? ziemlich fein rausgeputzt für Wow, das ist eine schwierige dieses Treffen! Frage (überlegt)! Ich denke es gibt Mit Lederjacke und Schal. Alles farb- drei Grundregeln, die man bei lich schön kombiniert und auch einem fest­­lichen Anlass einhalten ein Hemd und, oh! braune Jeans! Sehr sollte, auch wenn sie nicht un­ speziell. Du zeigst durchaus ein bedingt mit Smalltalk zu tun haben: gewisses Flair. Man sollte einerseits auf eine gute Haltung bei Tisch achten. Nicht Da bin ich aber froh. Nervt dich mit vollem Mund sprechen und die Frage, ob ‹Mann› nun weisse nicht rülpsen – furzen und dergleiSocken tragen darf, eigentlich chen natürlich auch nicht (lacht). nicht längst: Es gibt doch auch Das sind wohl die Grundregeln für andere Probleme!? einen gelungenen Auftritt. Was mich wundert, ist, dass die Leute das anscheinend immer noch Was, wenn der Chef rülpst nicht kapiert haben. Auch in meiund furzt und auch noch nen Bekleidungsworkshops kommt schweinische Witze erzählt? ständig die Frage nach der Farbe Lieber nicht darauf einsteigen. der Socken auf. Aber eigentlich muss ich ja darüber froh sein, denn Wie viel darf man trinken, ohne wenn die Leute mir diese Fragen gleich masslos zu erscheinen? nicht mehr stellen würden, hätte ich You`re asking me? Falsche Frage ja nichts mehr zu tun. (lacht)! Von mir aus, so viel man will! Dann ist es nachher auch egal, Wie viel Zeit verbringst du wie man sich benimmt, denn man morgens vor dem Spiegel? hat eine gute Ausrede: ‹Ich war halt Für das Duschen und Rasieren brau- besoffen!›. che ich eigentlich nicht lange. Das Literatur: Der Dresscode: geht alles zack-zack. Danach trage Clifford Lilley/ Jeroen van Rooijen. ich ein bisschen Creme auf und Orell Füssli, Zürich 2007. schmiere mir ein wenig Gel in die Web: www.clifford-lilley.com Haare – damit ich noch jünger Text und Interview: Rainer Brenner aussehe (lacht). Foto: Daniel Tischler

Kann Leute anhand ihrer Schuhen beurteilen: der Menschenflüsterer Clifford Lilley

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lifford Lilley empfängt uns gut gelaunt in seiner Wohnung direkt am Zürichsee. Er erklärt sich bereit, uns einige Fragen zu beantworten – obwohl mir förmlich «der Arsch aus der Hose hängt». Clifford Lilley war in den Siebzigerjahren ein Teenager und ist gelernter Dekorateur und Schauspieler. Er arbeitet als Imageconsultant und Kolumnist. Ausserdem leitet er diverse Seminare und Workshops.

Noch jünger? Ja, damit die Haut schön straff bleibt (lacht). Ach was, alles Quatsch! Die Hauptsache ist, dass man sich wohl fühlt in seiner Haut und sich einigermassen gut ernährt. Aber wie gesagt, ich brauche morgens eigentlich nicht sehr lange. Manchmal kommt es vor, dass ich mich noch mal umziehe, weil ich mir denke: ‹Oje, das geht jetzt aber gar nicht!›, wenn ich in den Spiegel schaue. Aber ansonsten…


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DSCHINGIS KHAN LIEBT RAP MUSIK Mongolei und HipHop – wer früher noch eine solche Wort-

verbindung wagte, wurde im besten Falle müde belächelt. Der Blick nach Zentral-Asien zeigt jedoch ein anderes Bild: In Folge der kulturellen Öffnung des Landes und des Zusammenbruch des Kommunismus in den 1990er Jahren hat sich auch in der Mongolei eine veritable Szene gebildet. Dass es in der Hauptstadt Ulan-Bator über zwei Dutzend Radiostationen gibt, die sich ausschliesslich dem Rap verschrieben haben, hätte jedoch niemand vermutet…

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chaut man sich auf Internetplattformen die Videos führender Bands wie ‹Lumino› oder ‹Digital› an, lässt zunächst nur ein geteiltes Urteil fällen: Zum einen ist man über die Qualität der Musik positiv überrascht, denn sie stehen in Sachen Rhymes und Beats in nichts nach. Zum anderen merkt man auch die starke Adaption des so genannten ‹BlingBling› amerikanischer Vorbilder. Bei tiefer gehenden Recherchen und nach unzähligen Verlinkungen findet man sich jedoch auf einer in kyrillischer Schrift verfassten Homepage wieder und erkennt allmählich die musikalische Vielfalt der mongolischen Szene. Die Taufpaten des mongolischen HipHop tragen Namen wie ‹Dain Ba Enk›, ‹Odko› oder ‹MonTa-Rap›. Bands, die Ende der 1990er Jahre in einem kulturell zunehmend aufgeschlossenen Umfeld entstanden waren. Der Zugang zu den benötigten HipHop-Accessoires war dabei das geringste Problem. Immerhin liegt mit Nachbarn China einer der globalen Hauptproduzenten für Klamotten und CDs direkt vor der Haustür. Schon schwieriger war es, die Musik im eigenen sozialen Umfeld zu etablieren.

Mongolische Bronx und Höllen-Rapper

Das Äquivalent zu Vierteln wie Harlem in New York oder der Banlieue in Paris findet man in Ulan-Bator im ‹Ger-Viertel›. Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme in den 1990er Jahren suchten viele Mongolen aus der Steppe ihr Glück in der Hauptstadt - ein hoffnungsloses Unterfangen. Am Stadtrand bildete sich eine Zelt-Siedlung, in der weder fliessendes Wasser noch Heizungen vorhanden war. In diesem hoffnungslosen Milieu gründeten 2003 die drei Jugendlichen Batzaya, Jagaa und Mihre die Band ‹Tatar›, die heute als erfolgreichste 44

HipHop-Formation der Mongolei gilt. Benannt wurde die Band nach dem Namen des ehemaligen Turk-Volks, den Tartaren. Die Bezeichnung entstand durch die verängstigten Europäer, die so ihre ungestümen Nachbarn zur Zeit Dschingis Khan' betitelten. Wie phobisch diese Furcht war, zeigt die tartarische Übersetzung: ‹Die aus der Hölle kommen› – getreu diesem Slogan ziehen nun junge Hip Hopper aus, um zukünftig ihrerseits den Rest der Welt mit ihren Beats das Fürchten zu lehren. Thematisiert werden tägliche Probleme. Im sozialen Brennpunkt Ger gibt es davon natürlich eine ganze Maxi. Da wird über den Missbrauch von Alkohol, über die übermächtige Armut im Viertel und die Korruption der Regierung gerappt. Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre verlief zwar positiv, doch die aktuelle Situation ist immer noch schwierig. 20% des Bruttosozialprodukts kommen aus Internationalen Hilfsfonds, 40% der Mongolen leben unter der Armuts-Grenze. Deutlich wird dies auch am Stadtbild von UlanBator. Die zahlreichen Strassenkinder geben diesen Zahlen ihre Gesichter und die Musik von ‹Tatar› ist deren Stimme. Die Band spiegelt exemplarisch die Entwicklung im mongolischen HipHop wider: Die Beats wurden immer komplexer und besonders der Einfluss von Reggae, Dancehall sowie auch Ol'School und Elektro-Funk der 80er Jahre nahm stetig zu. ‹Tatars› erste Single ‹Respect the Love›, die auf dem Label ‹Sonor› erschien, wurde vor zwei Jahren ein Hit. Nicht nur in UlanBator, sondern in der gesamten Mongolei. Die jugendlichen Fans kommen vor allem aus der Stadt. Längst aber, sind die mongolischen Rapper auch in den Herzen junger Nomaden der Steppe angekommen, die noch immer die Hälfte der mongolischen Population ausmachen. Batzaya hierzu: ‹Besonders die Kids in der Steppe lieben uns. Sie leben als Hirtenkinder einfach und weitab von allem. Sie hungern nach neuen Einflüssen und Ideen.›

Die Begeisterung für Hip Hop ist in der Mongolei ein popkulturelles Phänomen: bis vor wenigen Jahren wurde westliche Musik vom Regime geächtet.

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Billiger Wodka, Beatboxing und Pferdekopfgeigen

‹Die Luft ist meistens von billigem, russischem Wodka durchdrungen. Das Thema Weed ist weniger relevant. Neben dem normalen Line-Up von grösseren Bands, darf sich eigentlich jeder mal versuchen. Die Klamotten sind sehr eng an den Dresscode der Staaten angelehnt. Ich würde sagen, jemand wie P. Diddy mit seiner Klamottenlinie ‹Sean John›, würde sich hier am Ziel seiner HipHop-Weltherrschaft-Gelüste wähnen. Vielleicht auch nicht, denn die meisten Sachen sind natürlich nachgemacht und aus China geschmuggelt worden.›, erzählt Reimemacher Batzaya. ‹Für den Rap ist die mongolische Sprache einfach perfekt geschaffen, denn sie ist sprachmelodisch sehr monoton. Dadurch kann man seine Lyrics total leicht auf die Beats legen. Ausserdem versuchen wir, Aspekte unserer musikalischen Tradition einzubauen – sei es durch die Verwendung der Morin Khuur, der mongolische Pferdekopfgeige, oder dem Samplen von Gesangsstücken in der ursprünglichen Obertontechnik, dem so genannten Khöömii. Unsere Stücke sollen wie ein Crossfader funktionieren, der zwischen Moderne und Vergangenheit switcht.›, ergänzt Batzaya weiter. Auch das fünfte Element des HipHops ist in der Mongolei zu finden: Beatboxing. Die Garantie hierfür übernimmt die ‹Union of Mongolian Beatboxing Artists›, die in der wortgewaltigen Namensgebung erstmal stark an die kommunistische Ver-

gangenheit erinnert. Doch die umtriebige Bewegung organisiert regelmässig Kurse und Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt Beatboxing und sogar B-Boying. Obwohl die Szene im westlichen Vergleich noch weitestgehend unschuldig daherkommt, ist dennoch ein nicht zu stoppender Aufhol-Prozess im Gange. Zwar ist

Ihre Inspiration bekommen mongolische Rapper von Youtube und MTV. Selbst in den weiten Steppen dringen Beats von Gruppen wie Tartar aus dem Radio.

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Einige Hip Hop Bands haben es in der Mongolei zu Ansehen und Reichtum gebracht – ausserhalb der Landesgrenzen interessiert sich allerdings niemand für Rap auf mongolisch.

mit nur einem einzigen Server ans Internet angeschlossen. Heute verfügen nur die grossen Städte Ulan-Bator, Erdenet und Darchan über eigene Netzknoten. Laut Zahlen der UN-Initiative ‹Asia-Pacific Development Information Programme› liegt die Anzahl mongolischer InternetUser derzeit bei 1500 Registrierten. Fan-Zines sind auch die Ausnahme. Was bleibt, ist der persönliche Kontakt: Man trifft sich zum Ideen-Austausch auf das Ger-Viertel noch nicht für Zwischenfälle der Konzerten und vereinbart dort neue KollaboratioMarke ‹Drive-by Shooting› bekannt, doch unlängst nen. wurden ‹Baavar› – Chef der mongolischen HipHop-Posse ‹Digital" – und andere Bandmitglieder beschuldigt, im grösseren Stil Drogen aus China in die Mongolei geschmuggelt zu haben. Ein mehrmonatiger Gefängnisaufenthalt war damit in der Gangster-Biografie abgehakt. Ein anderes Problem der Szene sind die schlecht organisierten ‹Jams›, bei denen es immer wieder Verletzte und sogar schon Tote gegeben haben soll, weil Fans Die Beurteilung der Szene – als lebendig und voller kreativem Potential – wird mittlerweile von sich einfach niedergetrampelt haben sollen. Auch die Vernetzung der Szene steht vor Pro- einer Seite geteilt, die man bisher nicht mit A&Rs blemen, die sich in anderen Ländern schon lang in Verbindung brachte. Die Rede ist von Mananicht mehr stellen. Vor allem der fehlende Internet- gern aus der Investmentbranche. Die ‹Music Sezugang schlägt ins Kontur. Das Land wurde 1996 curities Inc.› ist eine japanische Anlagenfirma, die

Rap-Fonds, Börsengang und David Bowie

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unlängst den aussergewöhnlichen ‹Mongol Fund› aufgelegt hat. Doch diesmal geht es nicht, wie in der Vergangenheit, um Kupfer oder Gold, sondern um mongolischen HipHop. Zugegeben, die Idee mit den künftigen Umsatzzahlen von Künstlern an der Börse Geld zu verdienen, ist seit den so genannten ‹Bowie Bonds› nicht mehr neu – David Bowie war 1997 auf diesem Gebiet federführend, als er seinen Marktwert an der Börse testete. Der Verkauf von Wertpapieren auf seine künftig zu erwartenden Tantiemen brachte ihm damals über 55 Millionen Dollar und den Titel ‹reichster Popmusiker Grossbritanniens› ein. Beim Rap-Fond in Japan geht es allerdings um andere Dinge. Die Investitionen der Anleger sollen in den Aufbau und die Förderung der jungen Bands fliessen, so dass damit Platten, Videos und auch Internetpräsenzen finanziert werden können. Für die smarten Analysten ist der mongolische HipHop ein Zukunftsgeschäft für den gesamten asiatischen Markt. Damit bekommt ein urkapitalistisches Modell plötzlich einen nicht abstreitbaren Charme verliehen. Ein Pluspunkt für die Entwicklung der Szene ist sicherlich auch die verbesserte wirtschaftliche Situation der Mongolei. Durch den Aufbau einer tragfähigen Wirtschaft ist es für junge Leute nicht mehr unbedingt notwendig für einen Job das Land zu verlassen. In der Vergangenheit wurden viele Projekte gestoppt, weil sich die Bandmitglieder irgendwann auf der ganzen Welt zerstreuten. Die einstmaligen Nomaden wurden gezwungen ihre Lebensweise weiter zu führen; nicht in wechselnden Steppen, sondern in europäischen oder nordamerikanischen Hot-Spots einer globalisierten Weltwirtschaft. Spannend wird es sein, wie die Mongolen HipHop in ihrem Umfeld gestalten werden. Dass diese Entwicklung nicht immer auch nur eine Runde um den Block schafft, zeigen viele klägliche Beispiele aus der europäischen Vergangenheit. Dass mitunter aber auch eine ansprechende Weiterentwicklung geschieht, haben Grime im UK oder Teile des französischen HipHops gezeigt. Es wäre also an der Zeit, dass die Qualität der Acts honoriert wird und man die schlecht verfügbaren Platten aus der Ethno- und Weltmusik-Schublade herausholt. Wenn die Vertriebswege hoffentlich bald ausgebaut werden, würde einer ‹Schubladen-eingeordneten› Band wie Tatar musikalisch gerechter werden. Text und Interview: Mathias Bartsch Fotos: www.photocase.com

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Wiederholungen siehe Internet und Teletext von Star TV.

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cd check

nach diesem sound wirst du süchtig

Wieder hat sich Hennesito aka Florian Hennefarth die Nächte buchstäblich um die Ohren geschlagen, um euch die feinsten Neuerscheinungen zu präsentieren. Auf der Henne-Skala von 1 bis 10 – hier sind die Gewinner:

Da findet man folkige Stücke wie ‹In Dutch Fields›, jazzige Popstücke wie ‹Indians and Cowboys›, psychedelische Ausbrüche wie das Tubagestützte Mittempo-Stück ‹I’m A Fly› oder auch treibende Chartkracher wie ‹Yesterday› - und alle haben sie eines gemeinsam: Die Stücke sind so herrlich leicht verdaulich, dass es schon mehrerer Hördurchläufe bedarf, um die Tiefe der ins­ gesamt 15 Tracks überhaupt zu erahnen. Auch wenn die Nits für poppige Stücke zum Abschalten und Wohlfühlen stehen, jeder Track erzählt seine ganz eigene Geschichte und strotzt nur so vor unterschwel­ Nits: ligen Zweideutigkeiten. Doing The Dishe Auch wenn die Nits schon sehr Die Alten an die Macht bald im Rollstuhl und von einem - die wissen eben Altenpfleger auf die Bühne geführt immer noch am besten werden müssen, die alten Herren wie es geht: Zum aus Amsterdam treiben es noch imeinen, weil sie es eben schon vor al- mer ziemlich wild und ungezügelt len anderen am besten konnten und liefern erst jetzt, im fortgeschritund vor allem, weil man es eben am tenen Alter, ihr reifstes Album ab – besten kann, wenn man es schon es gibt also noch Hoffnung, zuminvor allen konnte. Die Nits sind wohl dest, wenn die Herrschaften auch die älteste, unbekannte, bekannte brav ihre Medikamente nehmen!

new-wavesenioren treiben es bunt

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Band Europas. Schon 1974 experimentierten die Holländer irgendwo zwischen dem Sound der Beatles und avantgardistischen Tobsuchtsanfäl-

len und schufen sich so ihr ganz eigens Eckchen in der Szene der New-Wave-Bands. Ihr grösster Hit: ‹Umbrella›. Nein, nicht dieser ‹BumBum-Beat› Song, bei dem spätpubertäre Pseudorapper aus einschlägigen Vororten emotionale Zusammenbrüche erleiden, sondern

dieser luftig-lockere Gutfühl-Song mit dem lustigen Klavier und dem Banjo im Hintergrund. Mit luftig-leichter Musik haben die Nits auch nach ein paar Jahrzehnten im Business nicht abgeschlossen. Eigentlich treiben es der niederlän­

dische Sechserpack mit ‹Doing The Dishes› sogar noch auf die Spitze: 48

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Urzeitviechern nur so wimmelt - mit der Fähigkeit seinen Feinden zu entkommen, in dem er sich einfach mal so um die Achse dreht um durch die Galaxien zu entschweben. Warum sich Phantom Planet ausge­ rechnet nach dem Sci-Fi-Kultfilm von William Marshall aus dem Jahre 1961 getauft haben, bleibt ein Rätsel. Vielleicht aber auch, weil sich der kalifornische Vierer selbst jahrlang um die eigene Achse gedreht und sich mit urzeitlicher Mittelmässigeit herumgeschlagen hat, indem man einfach so zwischen OC-California-Titelsongs und dem ChartSchlusslicht hin und her schwebte, um seinem bislang grössten Feind zu entkommen: dem musikalischen Stillstand. Da könnte der Titel der neuen Platte kaum passender sein: ‹Raise The Dead› ist nicht nur Schlagwort und Leitmotiv in einem, sondern auch die Entschlossenheit einer Band, die viel zu lange vollkommen unterschätzt wurde. Ob nun ‹Dropped›, ‹Do The Panic› oder auch ‹Ship Lost At Sea›, die Songs auf ‹Raise The Dead› stürmen alle ungewohnt nach vorne und drücken, was das Zeug hält: Nicht mehr Schmusepop für ver­ lassene Strandschönheiten, sondern knarrzender Indierock für coole Säue ist die neue Devise der Sunnystate-Rocker. Das klingt natürlich alles etwas seltsam, aber die brummenden Basslinien, die riff-lastigen Gitarren und der mehrstimmige Gesang stehen Phantom Planet, wie ein massgeschneideter Anzug. Endlich den Tonus getroffen, endlich den richtigen Nerv gekitzelt und immer schön im Phantom Planet: Karies-Loch des Fortschritts bohrend, Raise The Dead zaubern Phantom Planet mit ihrem ‹Rhedon›: Ein unbereits vierten Silberling eine Stück­ scheinbarer Himmels- chen Indierock hervor, der endlich körper - auf dem es mal wieder eine warme Strömung in vor ungehobelten die Flut dieser ganzen zweitklassi-

immer schön dreckig

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gen Kapellen bietet – Phantom Planet machen es jetzt einfach richtig dreckig – und man kann es als Hörer schon gar nicht erwarten, sich im nächsten Track regelrecht zu suhlen: Willkommen im WildschweinParadies für Gitarrenliebhaber!

indie-punk mit sozialem anspruch

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The Futureheads: This Is Not The World

Liest sich das hier etwa wie die Biografie einer aufstrebenden Indieband: ‹...ein etwas schäbiges Jugendhaus in Sunderland in der bri­ tischen Grafschaft County Durham – hier versuchen engagierte Sozialarbeiter, wie unter anderem auch Pete Brewis und Barry Hyde von den Futureheads, gesellschaftlich fallen gelassene Kids von der Strasse zu bekommen und ihnen eine Perspektive zu bieten.› Das Haus dient den beiden Streetworkern und leidenschaftlichen Musikern unter anderem auch als Proberaum, da es in der Garage von Barry Hyde doch etwas zu luftig und ihnen der Raum kostenlos zur Verfügung gestellt wurde – diese ganzen Erlebnisse und Erfahrungen schlagen sich natürlich auch musikalisch


nieder und so haben die Futureheads ihren ersten Auftritt im Ashbrooke Cricket Club, einem Gutenachttrunk-Treff für eben jene Jugendlichen, der ganze sieben Minuten dauern sollte. In Jugendzentren und Garagen rocken die Futureheads schon lange nicht mehr – obwohl deren einschlägige Vergangenheit kaum zu überhören ist: ‹This Is Not The World› strotzt nur so vor punkigen Allüren und diesem ganzen zerzausten Post-Indie-Kram, den derzeit aufstrebende Bands als die fünfte Cerealie des KinderCountry-Riegels für Rockliebhaber identifizieren – nur das die Futureheads’sche Kost eben noch ein wenig knackiger daherkommt als die ‹weichen Kekse› ihrer Mitstreiter. Was das bedeutet? Nun ja, nicht mehr als krachende Beats, mehrstimmiger Gesang, zerrende Gitarren und treibende, warme Refrains – kurzum: Indierock, wie in die Briten noch zelebrieren würden, hätten sie sprichwörtlich noch Eier in der Hose oder würden sich diese nicht von viel zu engen Röhrenjeans zerquetschen lassen. Wer braucht denn schon Indie, wenn er nicht auch ein wenig punkig daherkommt. Eben, ‹This Is

Not The World› macht eben doch ein paar Welten aus – zumindest, wenn man weiss, wo ‹Indie› eigentlich herkommt!?

um all den ‹Haters› zu zeigen, dass man es eben doch am weitesten gebracht hat, chartert der kleine Wayne einfach mal so einen überdimensionalen Streetliner, in dem nicht nur die komplette Kelly Family und deren kompletter Nachwuchs im Kleinstadtformat Platz gefunden hätten, sondern auch noch jede Menge williger Mädels. Was das alles mit den musikalischen Künsten des Südstaaten-Rappers zu tun hat? Ziemlich viel, denn Lil'Wayne kann eigentlich nichts – und das besser, als die meisten seiner Kollegen. ‹Die Kleine will Gangster sein, Flaschen im Club, die Kleine möchte es treiben und ich mag es deine Knoten zu berühren›: Die Texte sind hirnrissig und dem Autismus Lil’Wayne – Carter III ziemlich nahe und dennoch; Lil’Wayne Schaut man ganz ge- rockt vom ersten bis letzten Track! nau hin und lässt die Ob nun die Single ‹Lollipop›, die in Mucke, die viel zu wei- den nächsten Tagen, auch die ten Klamotten und Clubs in deinem Kanton offiziell in den ganzen BlingBeschlag nehmen wird, oder der Bling im Blenderformat einfach mal Rest von ‹Carter III› - die Platte forweg, scheint es dennoch so, als dert nicht zu viel und macht einfach leide Lil’Wayne unter ausgeprägter nur Spass. Da darf man getrost das Schizophrenie: Während andere Hirn auch mal abschalten und sich Rapper mit aufgemotzten Bentleys vorstellen, wie es denn wäre, mit oder höchstes noch in der umgemo- Dwayne Michael Carter J.R., der delten Stretch-Limo durch die bereits im Alter von elf Jahren für Heimatghettos ihrer Hoods cruisen, das Label Cash Money unter Vertag

SüdstaatenAutismus rockt

genommen wurde, um die Häuser zu ziehen, dämliche Gruppentänze vor imposanten Casino-Skylines zu vollführen und den Damen teuren Champus über bereits angedeutete «Knoten» zu entleeren. Lil’Wayne erfindet das Rad nicht neu, denn mit Verlaub, dafür scheint der Knabe, der in New York erst neulich wegen illegalen Waffenbesitzes verurteilt wurde, doch ein wenig zu ‹unbeholfen›. Dennoch liefert Mr. Wayne mit seinem bereits siebten Silberling, alles andere als Stangeware und den perfekten Soundtrack für eine heisse Clubsaison. Also Herrschaften: Hirn aus, Player an – und ran die ‹Knoten›.

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Florian Hennefarth Bewertungsskala 1–10 (1 = voll beschissen, 10 = megacool)

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cd des monats

Santogold : Santogold

Aus New York kommt frischer Wind für Club und Stereoanlage. Florian Hennefarth erklärt, warum das Debüt der lustigen Soundtüftlerin zur CD des Monats gewählt wurde.

1. L.E.S Artistes

‹Ich bin sehr an Rhythmen und Melo­ dien interessiert und ich versuche mei­ ne Songs auf der Bass-Line zu plat­ zieren›. Und genauso klingt das Teil auch. Irgendwo zwischen poppigen Al­ lüren des New-Wave und frechem Elektro-Punk, haut einem die süsse Sängerin treibende Beats und einen mitsingtauglichen Refrain um die Ohren – das Teil ist tanzfördernd, auch für Hüftbewegungsmuffel!

2. You’ll Find A Way

Getreu nach dem Motto des Songs ‹Du wirst einen Weg finden›, hat es Santo­ gold geschafft, eine Basslinie à la The Police mit dem schrammelnden Wahn­ sinn aktueller Indiebands zu verbinden und kreiert so einen Song, der nach heftigen Detonationen in den aufgedreh­ ten Boxen deines Autos regelrecht schreit – Fenster runter, Regler bis zum Anschlag und ab durch den Sommer. Einen besseren Soundtrack zum ‹Posen› wird man derzeit wohl kaum finden.

3. Shove It

‹Für mich zählen gedankenvolle Lyrics und abgefahrene Sounds›, spätestens nach dem Anspielen von ‹Shove It› ver­ steht man auch, was Santogold damit meint: Crunch meets Carribean-Pop meets Urban Clubsounds. ‹Gute Kunst ist, einen Weg zu finden, etwas so verdau­lich zu machen, dass es jedem schmeckt›.

4. Say Aha

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anche Musikstile lassen sich mit wenigen Attributen in der Schublade verstauen. Es gibt aber auch Musik, die den Rahmen der Klang-Konformität sprengt: Musik, die fordert und Spass macht zugleich. Musik, die sich in den Synapsen der Grosshirnrinde fest beisst und sich dennoch nicht in simple Worte fassen lässt. Santogold macht diese Art von Musik. Und dabei hat das sympathische Mädel erst eine Platte in den Regalen stehen – und zwar diese hier. ‹Ich mag brummende AnalogSounds genauso gerne, wie PunkStyles›, sagt sie. So viel unbändige Musikalität kommt natürlich nicht von ungefähr: An der berüchtigten Wesleyan University – die von dem protestantischen Theologen John Wesley gegründet wurde – studierte die

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amerikanische Songwriterin nicht etwa Kunstgeschichte oder Tiermedizin, sondern ‹Karibische Musik› und ‹Westafrikanisches Drumming›. Sie sang unter anderem bei den Punkbarden von ‹Stiffed› und hatte einen kleinen Gastauftritt auf Mark Ronsons Sammelsurium der Übertalente – Santogold hat ihre Hausaufgaben gemacht. ‹Ich bekam meinen Namen, da ich früher immer diese riesigen Gold-Ohrringe trug›. Santogold, in familiären Kreisen auch Santi White gerufen, war also schon immer etwas ‹anders› und das macht sich auch musikalisch bemerkbar: Ihr erster Langspieler mit dem schlichten Namen ‹Santogold‹ sprüht nur so vor kleiner Supernoven und glänzender Momente der musikalischen Schizophrenie zwischen Indie, House und karibische Urlaubsflair...

Ganz ehrlich Fräulein ‹Gold›, zu diesem abgefahrenen Track kann man auch schwerlich anderes sagen, als ‹Aha›: Den Mix aus Chart-tauglicher Gesangslinien und verspielten Gameboy-Sounds muss man erstmal verdauen. ‹Mir ist es ein Anliegen, die Pop-musik aus den Wastelands zurück zu holen, wo sie derzeit herum irrt›.

5. Creator

Sieht man von dem anfänglich stimmli­ chen Gequietsche mal ab, serviert Santogold mit Creator einen aggressi­ ven Clubtrack, dem die Ladys schon nach dem ersten Hördurchgang verfal­ len – und hoffentlich ordentlich die Hüften kreisen lassen werden. ‹Das kommt davon, wenn man Tom Tom Club, Talking Heads und die B52s in den Mixer wirft›.

7. Lights Out

Lights out, Spots an: Das Teil könnte ein waschechter Clubkracher werden. ‹Ich möchte einfach etwas machen, das Bedeutung hat und einschlägt. Wie auch immer – es soll kleben bleiben›.

8. Starstruck

Rauh, schwermütig und lethargisch; und dennoch ist Startruck ein kleiner, funkelnder Stern am Santogold-Himmel und überzeugt durch starkes Song­ writing und Experimentierfreudigkeit: ‹Die Freude am ‹So-tun-als-ob› kam schon mit sieben Jahren. Damals eröff­ nete ich einen Haar-Salon im Bade­ zimmer meiner Eltern, verteilte sogar Flyer in der Nachbarschaft und war dann doch etwas enttäuscht, als nur mein kleiner Bruder zu grossen Eröff­ nung erschien›.

9. Unstoppable

‹Ich wollte nie eine Performerin oder etwas Ähnliches sein. Es kam irgendwie über mich. Aber, wenn ich ehrlich bin, mache ich schon Musik seit ich Neun bin – dieser Prozess war eben ‹Unstopp­ able›. Ich hasse Büro-Jobs!›.

10. I’m A Lady

Ein Indie-Track für die Damen: Glamour­ haft, zickig und doch so lieblich. Weiche Melodien, fragile Lyrics und die herrlich angenehme Schnörkellosigkeit dieses Tracks, machen ‹I’m A Lady› zu einem kleinen Geheimtipp auf ‹Santogold›.

11. Anne

Knarrzende Synthies und spiritueller Gesang - oder zumindest etwas, was schwer danach klingt – holen den Hörer nach dieser Berg und Talfahrt eines Albums wieder zurück auf den Boden der Tatsachen und machen einen dann doch etwas schwermütig, dass die Reise schon ein Ende gefunden hat oder, wie Santogold zu sagen pflegt: ‹Alles Richtige kommt auch zur richtigen Zeit› – und der Griff zum RepeatButton könnte kaum angebrachter sein.

6. My Superman

Wer wissen möchte, wie der musika­ lische Morgen danach klingt, ist mit ‹My Superman› bestens bedient: ‹Ich möchte kein Pop-Act in dem Sinne sein, dass mich jeder kennt. Daher schrei­be ich Musik für Liebhaber›

Text: Florian Hennefarth Foto: Promo


Tiago Pires and The Murf, making new beats.

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Die Web 2.0 Hippies ‹Das ist die Musik der verschiedenen Landschaften: Surfen, Dschungel und das Land. Diese Teile der Welt haben uns beeinflusst, aber auch 70er Jahre Country, Surf-Rock und die Welt, denn da leben wir ja, in der Welt. Richtig? Ja.›

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raditionellen Instrumente, Psychedelia und die Rückkehr zu Natur und Freiheit: 40 Jahre nach dem Summer Of Love feiert die Jugend im Do-It-Yourself-Schmelztiegel von Brooklyn die Wiedereröffnung des geistigen Auges der Welt. Vampire Weekend, ­Animal Collective, Grizzly Bear und Beirut sind nur einige Köpfe einer Bewegung, die, der Parole der Elterngeneration folgend ‹in der Musik aufgehen, das Publikum überraschen und aufrütteln› will, ­jeder auf seine ganz eigene Art und Weise. Überraschend anders aber, wie MGMT diese Maximen interpretiert. Mit Oracular Spectacular legt das Duo sein lang erwartetes erstes Album vor, das eine geheimnisvolle und prophetische Sammlung von Halluzinationen hervorrufender Sounds und Poptönen fürs neue Millennium geworden ist. Wie die anderen auch, haben sie dafür tief in der Klamottenkiste von vier Jahrzehnten ­Musikgeschichte gewühlt. An trippigem 70er progressive Rock hat MGMT sich bedient, ihn mit Surf, Shoegaze, Psychedelia und vielen elektronischen Spielformen vermengt und zu einem ­multidimensionalen fliegenden Teppich verwoben. Ora­­cular Spectacular vibriert. Freakig und verspaced. Auge in Auge mit LSD-weiten Pupillen, üppigen Haarwogen und einem Pulsschlag, der pocht, dass jede Zelle wachgerüttelt wird. Die Reise durch Felder von Optimismus und Melancholie ist orgastisch, der Stilmix frisch und extravagant, der Indie-Chic lässig, unbekümmert, trashig. Kein Wunder, dass die Blogosphäre ­jubelt: ‹Das macht Freude, das macht Spass, ein orgas­tisches Hörerlebnis!›

Who is MGMT?

MySpace tat den Rest dazu, so dass MGMT ­letzten Herbst einen Deal bei Columbia Records signte, die aktuell mit einer ungewöhnlich grossen Marketingkampagne den internationalen Durchbruch der beiden Uni-Absolventen vorbereitet. ‹Who is MGMT?› fragen Plakate im ganzen Land. Kein Konzertdatum, kein Hinweis, nur ein weisser Schriftzug auf schwarzem Hintergrund. ‹Was ist MGMT?› fragte der Vertrieb von Columbia hunderte Passanten auf Zürichs Strassen. Die Fragezeichen in den Gesichtern bewiesen, dass auch die hippsten Zürcher musikalisch noch keinen Durchblick haben. Das Hellseher-Duo um Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser traf 2002 im Wohnheim der grünen Wesleyan University in Middletown/­ Con-necticut aufeinander. In ihren Zimmern experimentierten sie mit Gitarreneffekten, Computern, Sounds von Radios, Platten- und Tapedecks, 52

schrieben Techno-Loops und -Arrangements um live damit zu spielen. Als Performance-Art-Pro­ vokateure begannen sie auf dem Campus eine Reihe von ‹diesen unmöglich nervigen, lauten Elektronik-Liveshows zu inszenieren. Wir schrieben für jede Show einen neuen Song und unsere Shows waren 15 Minuten lang.› Mal coverten sie dafür Nine Inch Nails ‹Closer› und bliesen einen überdimensionalen Schneemann auf, während sie inbrünstig ‹I wanna fuck you like an animal› sangen. Dann klauten sie im Rotweinsuff aus unterirdischen Gängen der Uni Fässer und schubsten sich davon gegenseitig runter, während im Hintergrund die Laptops Elektrokrach spuckten.

wem würden wir ausgehen und so. Wir hätten nie gedacht, dass es wirklich geschehen könnte.› Nachdem sich die Mitstudenten an die Performances gewöhnten hatten, wollten MGMT etwas Neues machen, etwas, das den Leuten auf die Nerven gehen würde. Oder eben Pop, aber auf keinen Fall wollten sie eine Indie-Band sein. ‹Was

Luftschlösser und Neverland Ranches

‹Das Klischee eines Teenie-Films, nicht?› schmunzelt Andrew, meist ein Bandana um den Wuschelkopf gewickelt, das eine Verwandtschaft zu einem Hobbit oder einem anderen verwunschenen Wesen vermuten lässt. Ähnlich unbekümmert wirken die zwei Freaks auch im Interview, wenn sie ihren Sound als Future ­Seventies bezeichnen: ‹Irgendwie ist das nur Spass, aber irgendwie ­meinen wir das schon ernst. Aber wir wissen nicht immer, wann es nur Spass ist und wann wir es tatsächlich ernst meinen.› Den ursprünglichen Namen The Management mussten sie aus rechtlichen Gründen in MGMT ändern, der Name war von einer anderen NYBand besetzt. ‹MGMT finden wir eh besser.› Ben, der ‹CEO von MGMT Incorporated› erklärt: ‹Die Management-Sache ist aus einer Unternehmens-Idee entstanden. Wir hatten uns vorgenommen so schnell wie möglich Sell-Outs zu werden. Wir wussten, dass wir als High SchoolBand ganz ok waren, aber das war so ein Witz unter uns: Was würden wir tun, wenn wir berühmt wären, mit

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Die beiden Jungs vom Big Apple ­meinen es ernst: stilecht im psychedelischen Gewand, aber mit Drogen h ­ aben sie nach e ­ igenen Aussagen nichts am Hut.

für eine lächerliche Etikette. Die Leute sollten nicht so viel über sich selber nachdenken.› Wenn schon, dann gross rauskomen wie Led Zeppelin, eine gute Zeit verbringen, ein Schloss kaufen, eine Ranch. Vergleiche zu den Flaming Lips sind nahe liegend, ebenso Mercury Rev und die Beach Boys. Weiteres ­Vorbild ist David Bowie, der trotz Major-Label verrückte und bizarre Momente schuf, Kreativität für die breite Masse, völlig ‹out of his mind›. Auf dem Major-Label angekommen, werden MGMT erstmals mit solchen Problemen konfrontiert und wünschen sich nichts sehnlicher, als dass der Druck wieder weg wäre. Druck von all den Leuten, die etwas von ­ihnen erwarten und verlangen. Am liebsten würden sie den ganzen Tag nur abhängen, absaufen und so absounden, wie’s ihnen gefällt. ‹Aber dann wären wir eine Indie-Band›, schmun­zelt Andrew, ‹und das Label würde uns rausschmeissen. In ­Indie-Kreisen wären wir nicht mehr akzeptiert und unser Schloss könnten wir uns auch abschminken.› Ausserdem haben galaktische Wesen MGMT auf diesen wunderlichen Weg geführt, ­denen sie jetzt beweisen müssen, dass sie keine Buzz-Band sind.

‹Shoot heroin and fuck with the stars›

revanchierten sie sich, indem sie während der Show mit der Machete eine Stinkfrucht opferten, die sie im Publikum verteilten, während auf einem iPod ‘Blowing In The Wind’ von Bob Dylan lief. ‹Ziel der Aktion war, dass die Leute miteinander über den Geschmack der Frucht sprechen. Aber viele haben den Saal verlassen wegen des Gestanks.› Jetzt verteilen sie lieber wieder Kekse, um die Tradition der Geschenke aufrecht zu erhalten und selber auch weiter beschenkt zu werden. ­Namentlich werden keine Substanzen genannt, aber Mexiko wäre definitiv eine begehrte TourDestination. ‹Wegen dem Kaktus-Zeug.› Dass die Fashion-Szene und viele Models auf ihr Album stehen, finden sie süss. Aber: ‹Wir ­haben immer noch die Vorstellung, dass wir Pelzmäntel tragen und trotzdem nette Dudes sein ­können. Leute, die zu Arschlöchern werden, sind einfach nur bescheuert. So wollen wir nie werden.› Trotzdem, die Hitsingle ‹Time to pretend› erscheint in diesem Licht wie eine böse Prophezeiung: Nach teuren Autos, Nachwuchs von einem Model und der ersten Scheidung, folgen weitere Models, bis zum Erstickungstod an der eigenen Kotze. ‹Everything’s happenin’ so fast› vom Demo-Album erscheint wie die vorgezogene Antwort darauf, denn die Titelzeile des Songs wiederholt sich ­wieder und wieder, als müsste MGMT der ganzen Welt versichern: ‹Hey, vielleicht haben wir früher Witze darüber gemacht, aber so war es nie ­geplant!› Rock’n’Roll halt. Text: Vania Kukleta Foto: Promo (grosses Foto) und Jon Bergmann Am 25. März wogt die Flowerpowerwelle im ­Mascotte, wenn Kinki Magazine die globale Party und den neuen Summer of Love mit MGMT feiert.

Psychedelische Weisheiten gehören zum Standardrepertoire von MGMT. Das lieblichste Geräusch kommt von den Wellen der Ozeane. Sich auf der Oberfläche der Sonne in Rauch auflösen zu lassen, wäre die gewünschte Form des Ablebens. Fünf Worte, die sie am besten umschreiben: ‹Sehen, Riechen, Hören, Fühlen, Schmecken.› ­Inspirationsquellen sind Musik, Kunst, Natur, Freunde und Tiere. Die Eingebung zu ‹Time to pretend› lieferte eine Gottesanbeterin, die zu The Clash tanzte. Kein Wunder klingt MGMT wie einer vergangenen Zeit entsprungen. Oder wie von ­einem anderen Stern. Oder waren Ben und ­Andrew vielleicht doch dort, im Summer of Love und dem Flowerpower von San Francisco in den Sechzigern? ‹Wie ein römischer Zenturio, gefangen in einer futuristischen Landschaft›, fühle er sich, ­philosophiert Andrew, ‹verloren auf einer Zeitreise, vorwärts, rückwärts, in alle Richtungen.› Wie stehts mit Drogen? Ja, kiffen. Das schon. Im Radiointerview eines US-Senders wird den Zuhörern aber weise verkündet: ‹Wir nehmen keine Drogen und wir befürworten den Konsum von Drogen in unserer Musik nicht. Um erfolgreich zu sein, sollte man seinen Grips benutzen. Gebt gut Acht auf euren Denkapparat und euren Körper.› Auf europäischen Stationen erzählen die Wuschelköpfe aber durchaus freimütig von der ‹Tradition der Geschenke›, dank der sie auf Tour von Fans immer grosszügig versorgt werden. Einmal kinki 53 52_KINKI3_mgmt.indd 53

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playlist

soulinus & pun

Jeden Monat stellen die besten DJs der Schweiz ihre absoluten all time favourites vor.

marvin gaye & tammy terrel: ain’t no mountain high enough (ben human remix)

Klar, das Original könnte ich hier auch aufführen. Aber nun ja, wenige Men­ schen haben mich musikalisch so tief geprägt wie Henry Storch und die Unique Familie, zu der auch Ben Human gehört – und der Song hängt für mich untrennbar mit meiner Zeit bei Unique zusammen. Remixe von solchen Klas­ sikern wie diesem hier sind nie einfach. Doch dieser Remix gehört keineswegs in die Kategorie ‹unnötig da das Ori­ ginal eh schon der Wahnsinn ist› oder ‹respektlos gegenüber dem Künstler›. Besser hätte das keiner machen kön­ nen. Ben bleibt sehr nahe am Original, hat aber sein einzigartiges Gefühl für Drums und Spannung genau im richti­ gen Moment eingesetzt!

s.o.u.l: burning spear

OK, zugegeben, ich bin ein kleiner Flö­ ten-Junkie! Aber auch die Bassline in diesem Stück ist unverwechselbar!! 2 Takte und du weißt, was da läuft und doch findet eine wirklich geniale Steige­ rung statt. So kam es auch, dass sich einige Produzenten an dem Song als Sample Spender vergriffen.

the eddie roberts quintet: giorgio’s brother (lack of afro remix)

Lack Of Afro tauchte irgendwann 2007 zum ersten Mal auf meinem Schirm auf mit diesem Remix für Eddie Roberts (der übrigens auf unserer CD ‹This Is DJ’s Choice› drauf ist). Da waren so ziemlich alle baff, wie keck der Gute deepe Funk Drums mit einer vor Soul nur so triefenden (von Eddie Roberts grandios gespielten) Gitarre verbindet!

the leaders: it’s a rat race digable planets: where i’m from Es war ein wirklich unvergessliches Erlebnis, als ich den Track das erste Mal hörte: Ein treibender Beat, dazu diese harmonische Flöte und das Gitarrensolo – trotzdem wirkt der Song nicht überla­ den. Alles am richtigen Ort zur richtigen Zeit, perfekt für meine Ohren. Ausser­dem finde ich, dass der Name des Songs ausgezeichnet passt!

bernard purdie: happnin’

Ich spielte lange Zeit Schlagzeug, das ist dann aber irgendwann irgendwie im Sand verlaufen. Was übrig blieb, ist ein Faible für Drums mit unverkennbarem Groove und einer ganz eigenen, unverkennbaren Klangfarbe, die nicht kopierbar ist. Bernard Purdie vereint all dies perfekt!

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it ihren funkdurchtränkten Freestyle Sets machten die DJs Soulinus & Pun in den letzten Jahren weit über die helvetischen Landesgrenzen hinaus auf sich aufmerksam. Sie drehten die Plattenteller zusammen mit DJs wie Quantic (Tru Thoughts), Rob Birch (Stereo MCs), Natural Self (Breakin’ Bread, UK), Kraak & Smaak (Jalapeno), Nostalgia 77 (Tru Thoughts), Diesler (Freestyle) und Henry Storch (Unique Records) in sämtlichen Clubs Europas. Kreischende Mädels und ekstatische Tänzer legen Zeugnis darüber ab, was die Sets von Soulinus & Pun ausmachen: B-Boy Breaks samt rissigem Funk & Soul plus allerhand Einflüsse wie Latin, Jazz, Afro und

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manchmal auch eine Spur von Electronica. Hier sind ihre absoluten Lieblingssongs, in abwechselnder Reihenfolge. Den Start macht Soulinus: Foto: Georg Munz

Die Hip Hop Charme Offensive der Neun­ ziger Jahre!! Digable Planets waren und sind für mich immer noch einer der Rap Acts mit einem völlig eigenen Groove! Und wenn Ladybug erst mal rappt, müssen alle anderen weiblichen Rapperinnen leider schweigen!!

kmd: what a nigga know

Freche kritische Texte mit viel Wortwitz und noch viel mehr Flow über funky Beats. Das ist für mich KMD und war für mich auch immer das, was guten Hip Hop ausmachte. Mit dem Titel ‹What a nigga know› haben sie diese Zauber­ formel perfekt interpretiert. Es ist immer wieder ein Genuss diese Scheibe zu hören!

the quantic soul orchest- the beatles: ra: terrapin come together Will Holland aka Quantic ist für mich ein musikalisches Genie der Neuzeit, was er schon mit dem 2003 erschiene­ nen Album ‹Stampede› bewies! Der Song ‹Terrapin› vermittelt mir immer wieder eine Aufbruchstimmung und Leichtigkeit! Sicher hat Quantic noch einige andere super Tracks, doch diesen Song kann ich wirklich immer hören!

fitchie ft. joe dukie: midnight marauders

Manchmal habe ich auf Partys den D’n’B-Remix der Phoneheads von Midnight Marauders gespielt. Irgend­ wann mal konnte ich mit Michael ‹Electric Mojo› Sauer auflegen und der spielte nach mir das Original zur Peaktime... Obwohl das eine extrem ruhige Reggae-Dub-Nummer ist, hat sie einen höllischen Drive – die brennt alles ab. Seither müssen die Phoneheads leider hinten anstehen...

Ein ‹Alltime Classic›, dieser Song! Damit verbinde ich ein schönes DJ Erlebnis: Ich spielte diesen Track eingebettet in ein Funk/Soul/Breaks-Set und musste fest­ stellen, dass 500 Leute zu singen began­ nen – was der helle Wahnisnn war! Doch Problem: Rhytmisch war ich dann aber völlig ausgehebelt, da ich keinen Track mehr hatte, der ebenso langsam war. Der einzige, der einigermassen rankam, war DJ Formats ‹Talking Trash›. Der passte vom Beat her irgendwie, war aber im­ mer noch einen Tick zu schnell. Mixen wäre peinlich geworden. Die Lösung: Ein Cut direkt vor dem Refrain, die Leute singen den Refrain von ‹Come Together› über den DJ Format Beat, der Mix ist perfekt. Es hat geklappt und ich war happy... www.myspace.com/thejazzinvaders www.myspace.com/soulinus 24.05. CH-Schaffhausen - Jazzfestival (soulinus only) 07.06. CH-Buchs - Krempel (pun only)


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Jamie Lidell: Wo ist die Drum Machine im Jahre 2008? Die Club CD ‹Multiply› aus dem Jahre 2005,

­ urrte melodiös, gar flirtend und irgendwie doch s zusammen gefrickelt durch die Sphären. Wäre einem nicht Jamie Lidells charismatische Stimme geblieben, hätte man den Sound des Silberlings getrost als Retro-Wirrwarr bezeich­nen ­können. Seine neue Platte ‹Jim› ist jedoch alles andere als wirr, sondern ‹wirr-klich› anders.

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anche Menschen ändern sich eben nie: Jamie Lidell, der mittlerweile perfekte Popsong aus seiner Feder gleiten lässt, war in der Vergangenheit ein regelrechter Experimentalist: ‹Ich war ein versessener Tech-Guy, der sich live neu erfinden wollte und eigentlich nur mit Mics umgehen konnte. Popsongs ergaben sich nur als Nebenprodukte›, so der Engländer im Telefon-Gespräch von Zürich nach Rotterdam, wo er seine Batterien zwischen den Tour-Pausen aufzuladen pflegt. Der ExSänger von ‹Supercollider› ist mittlerweile aufrichtiger denn je: ‹Ich habe zu viel Geld ausgegeben für elektronisches Frickelzeugs. Jetzt sind ‹organischere› Lieder an der Reihe.› In L. A., wo er sein neues Album einspielte, hat der seriöse Musiker unter anderem Beck getroffen und Parallelen entdeckt: ‹Weil ich zu viel Energie durch meinen Improvisations-Anfälle verlor, suchte ich ein neues Umfeld, um richtige Lieder aufzuführen.›, so der Musiker. Er hätte zu lange seine Zeit verplempert, doch was nicht sei, könne ja noch werden. Mocky, Gonzales und sogar Peaches zählten zu seinen bisherigen Weggefährten und unterstützten sein neues Steckenpferd. Doch man sollte irren, erwartete man den bekannten, dekonstruktiven Elektro-Pop. Beim ersten Höreindruck erinnert die CD an Glitter-Rock, an Soulballaden, und alles klingt irgendwie nach David Bowie, thronend auf Baumwoll-Kokon der Soundgeflechte. Lidell – die einstige One-Man-Show – erzählt offenherzig: ‹Ich wollte nicht mehr alleine touren. Zusammen gibt man sich mehr Halt. Wir mögen dieselbe Countrymusik. Übrigens: Ich bin immer auf der Suche nach originellen Musikern, sei es auch nur ein ver-

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sierter Löffel-Klopfer.› Doch was war für Lidell die grösste Heraus­forderung als demokratischer Bandleader? ‹Ich musste lernen, die Kontrolle abzugeben, mich nur auf die Stimme zu konzentrieren. Ausserdem wandle ich jetzt meine Energie nicht in improvisatorische Ausbrüche um.›

Es geht ums Schwitzen

‹Für das neue Album haben Mocky und ich uns dazu entschieden, die Aufnahmeregler mit einem einzigen Ziel zu drehen, nämlich: zu überraschen. Wenn das nicht besonders innovativ sein sollte, könnten sich die Kritiker ja dennoch überlegen, wie leicht Musiker persönlichkeitsgestört werden können, wenn sie jede Ideen gleich wieder ver­ wer­fen.› Jamie Lidell aka Jamie Lidderdale beruft sich mit der neuen CD auf den Namen, den er als Schuljunge trug: ‹Jim›. Die Rückbesinnung auf akustische Instrumente klingt bei Lidell nach herzlichem Garagen-Funkrock – erstaunlich für einen ehe­ maligen Drum-Maschinen-Zampano. Er hat nun zehn Lieder aufgenommen, ‹die in sich gegossen sind›, sagt der Sänger bescheiden. Unsaubereres Soundgeklingel fliesst bei dem Musiker auch nicht mit, wenn er über die Suche nach Liebe singt – höchstens lakonische Neckereien. Sogar Peaches klingt im Chorus aufrichtig wie eine Taufpatin am weissen Sonntag. Die CD ergibt nach mehrmaligem Hören einen regelrechten Sinn: ‹Ich habe die (Bedeutungs-)Klammern ziemlich angeschraubt, was die Texte und Titel der neuen Lieder betreffen›. Und seine Remixe, wie der ‹Figured Me Out – L. A. Ga­rage Mix› klingen tatsächlich dermassen

deep und or­ganisch, wie die Musik eines Sly Stone. Möchte der britische Sän­ger überhaupt mit sol­chen Pionieren ver­glichen wer­den? ‹Ich denke manchmal, es ist schon verrückt, was Jour­ nalisten so erzählen. Aber ich mache mir deswegen keinen Kopf›. Womit wir auch schon zur letzten Frage kämen: Was muss ein Soulmann im Jahre 2008 bieten, um seine Tour zu bestehen? Antwort: ‹Weisst du, es geht ja hauptsächlich ums Schwitzen!› Wo Jamie Lidell mehr auf Sein als Schein macht, verblenden andere mit Westküsten-Fummel die Electro-Szene. OK, sicher zieht er immer noch Goldlamé-Jackos an, aber dieser Mann hat auch eine Stimme! Jamie Lidell: ‹Jim› (MV/Warp), erhältlich ab dem 25. April. Interview und Text: Miky Merz Fotos: Promo

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Mit Super Collider hat Mr. Lidell früher komplexen Techno angefertigt. Heute schwört er auf die simple Magie organischer Klänge.

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New Rave oder Dance: das ist doch alles Scheisse! Es gibt in der Musik grundsätzlich zwei Arten: Bands, die man entweder liebt oder eben abgrundtief hasst. Silberlinge, mit denen man seine Freunde so lange nervt, bis die CD irgendwann auf mysteriöse Weise verschwindet und Platten, die man eben nicht schnell genug ‹verschenken› kann.

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s gibt aber auch Ausnahmen: Bands nämlich, denen eigentlich jeder etwas abgewinnen kann und Alben, die ganz einfach an jeden Ort und in jede Situation zu passen scheinen. ‹Inside In/Inside Out› war ein solches Album und die Kooks eine solche Band. Die vier Jungs aus Brighton hatten mit ihren mitreissenden Tracks sowohl Europa, als auch die Vereinigten Staaten in ihren Bann gezoggen und verkauften mehr als zwei Millionen Exemplare ihres Debüts – nun erscheint der Nachfolger ‹Konk›, mit dem ‹The Kooks› erneut an ihren letzten Erfolg anknüpfen könnten. kinki magazine sprach im Vorfeld mit dem sympathischen Gitarristen Hugh Harris über das Erwachsenwerden auf Stadionbühnen, Studios auf Hawaii und seine Erwartungen an das neue Album.

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Nochmal zum Mitschreiben: schöne ­Melodien, kraftvolle Auftritte, hübsche Jungs. Auch bekannt als The Kooks.

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Gitarren. Die können dich ein Schweinegeld kosten. Ausserdem träumen wir alle davon, irgendwann ein eigenes Studio aufzubauen. Ein Hhhiiuuu! Das passiert mir übrigens oft, wenn Ort, wo wir wohnen und Musik aufnehmen könich mich vorstelle. Das geht dann so hin und her: nen, wann immer wir wollen. Es wäre cool, eine ‹Hugh.› ‹Who?› ‹Hugh!› ‹Me?› ‹No, Hugh!› (lacht). ‹Studioband› zu werden. Vielleicht auf Hawaii?

verstecken sie unter diesem Deckmantel lediglich ihre schlechten Songs – die in ein paar Jahren niemand mehr kennen wird. Ehrlich gesagt habe ich schon lange keinen wirklich guten Song mehr gehört. Eine Band die mir dennoch gut gefällt ist ‹Vampire Weekend›. Die haben ein paar wirklich coole Songs! Es gibt also Hoffnung! Ich glaube, lso, ‹Hhhiiuuu›: Habt ihr den Release hr habt auf Tour viel Zeit miteinander verdass die Musikindustrie sich sowieso in einer eurer ersten Single ‹Always Where I bracht: Wer hat die grössten Macken? verzwickten Situation befindet, denn die HitparaNeed To Be› gebührend gefeiert? Wir respektieren alle die Fehler des Anderen. de reflektiert nicht die wahren Trends. Was ich an Wir mögen zwar Partys und haben auch daran Ausserdem ist eigentlich niemand von uns so ein Download-Charts und MySpace-Profilen durchgedacht eine Platten-Taufe zu feiern, aber manch- richtiges Ferkel (überlegt)! Vielleicht hat uns das aus interessant finde, ist, dass der Song wieder mal sollte man abwarten, bis man weiss, ob die auch einfach nicht so gestört, weil wir alle ziemmehr Gewicht erhält. Wenn ein guter Song auf Single den Leuten auch gefällt. lich jung waren. Aber eigentlich ist es doch schon MySpace zirkuliert, wird er auch gehört. Die Idee schöner, wenn man den Bus sauber hält. Wenn des Popsongs kommt also wieder zurück. ie Single klingt anders, als die Songs man den Nightliner schon mit zwölf verschwitzauf dem Vorgänger: Wie wird das ten, stinkenden Männern teilt, was manchmal Album klingen? unumgänglich ist, sollte sich jeder ein bisschen Manche Songs sind aggressiver und schneller um seinen Kram kümmern. geraten, als auf ‹Inside In / Inside Out›. Bei uns hr seid als Vorband der Rolling Stones hat sich in Sachen Songwriting viel verändert in aufgetreten: Hattet ihr Gelegenheit, sie den letzten zwei Jahren: Ich glaube, dass das persönlich kennen zu lernen? Album etwas differenzierter geraten ist als der Wir haben sie ein paar Mal getroffen. Wir spielVorgänger. ten bei einigen ihrer Konzerte im Vorprogramm. ie war die Zeit im Studio: Habt ihr Sie sind grossartig! Leider bekamen wir nie wirkwährend den Aufnahmen irgendlich die Chance, mal ein Weilchen mit ihnen zu welche ‹aussergewöhnlichen› Erfah- plaudern: Sie kamen jeweils nur für das Konzert, ovon werden Bands in Zukunft rungen gemacht? leben? und fuhren dann gleich wieder. Es war also mehr Während der Aufnahmen zu ‹Konk› sind tatsäch- ein: ‹Hallo, wie geht`s?› Konzertgeldern und Merchandise. lich seltsame Dinge passiert: Ich habe mir die Durch das illegale Downloaden verlieren die ie waren die Shows? Gitarre von einem Typen der Band Reef ausgelieBands dennoch viel Geld. Uns geht es jedoch Komisch. Die Leute kamen rein und hen: Eine rote und äusserst hässliche Gitarre – gut. Ich meine vor allem Bands, die durch Fileholten sich erst mal ein Bier an der eine kleine Epiphone aus den Sechzigern. Egal sharing bekannt werden: Obwohl sie von Aberüber welchen Verstärker man sie auch spielte, sie Bar, als wir spielten. Wir spielten in riesigen lee- tausenden gehört werden, kündigt ihre Plattentönte verdammt laut und hatte einen geilen Klang. ren Hallen. Voll wurde es erst, als wir schon beifirma den Vertrag, da sie meist nur ein paar Doch jedes Mal, wenn ich die Gitarre abschulter- nahe mit unserem Set zu Ende waren. Platten verkaufen. te, fiel sie zu Boden! Das ist viermal hintereinander as ist das für ein Gefühl, vor einem st Musik zu besitzen, ein Grundrecht? passiert! Und ich bin eigentlich immer vorsichtig. ‹reiferen› Publikum zu spielen? Filesharing ist Diebstahl, das ist klar. Vielleicht Wir nannten sie von da an die Teufels-Gitarre. Ich glaube, dass das Alter in der Musik ist es okay, Musik downzuloaden, wenn man eigentlich gar keine grosse Rolle spielt. Die nicht über das Geld verfügt, sie sich zu kaufen, Stones waren so alt wie wir, als sie anfingen. aber CDs sind eigentlich nichts wahnsinnig KostDaran können sich sicherlich viele ihrer Fans spieliges. noch erinnern. Ich glaube, dass jeder, der Musik as können wir in Zukunft von den hört, einfach nur gute Songs serviert bekommen Kooks erwarten? will. Das verbindet uns alle und das Alter der Natürlich featuren wir Timbaland Zuhörer oder der Band spielt dabei keine Rolle. (lacht)! Nein, wir werden weiterhin einfach unsere Ein guter Song überdauert die Zeit – ob der Musik machen. Wir haben schon wieder einige Künstler nun alt, jung oder sogar schon tot ist. neue Songs in unseren Köpfen, die wir hoffentlich at euch euer Musik-Studium in beson- bald aufnehmen werden. allo Hugh. Wie spricht man eigentlich deinen Namen aus – ohne dass er wie ‹you› klingt?

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Ehrlich gesagt habe ich schon lange keinen wirklich guten Song mehr gehört.

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Ein guter Song überdauert die Zeit – ob der Künstler nun alt, jung oder sogar schon tot ist.

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st das zweite Album das schwierigste?

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derer Weise geprägt?

Eigentlich nicht. Es ist schwierig über seine eigenen Einflüsse nachzudenken. Wir alle reproduzieren bewusst oder unbewusst Dinge, die es schon einmal gegeben hat. Wir alle lieben Musik und können nicht genug davon kriegen. Aber die Tatsache, dass wir sehr viel verschiedene Musik kennen, hemmte eigentlich noch nie unsere Kreativität. Es ist eher ein Hobby.

Ich fühle mich nicht wirklich unter Druck gesetzt. Wir sind unserem Sound treu geblieben und haben ja nicht angefangen New Rave zu spielen (lacht). Das einzige, das sich verändert hat, sind wir selbst: Die Art, wie wir Musik miteinander machen und unsere Charaktere. Wir sind reifer geworden – der Schritt vom siebzehnjährielche Band wird ‹The Next Big gen Jungen bis heute war ein sehr wichtiger. Und Thing›? genauso mag es auch unseren Fans ergangen Ich glaube die Leute haben die sein. Wir sind sozusagen mit ihnen erwachsen Schnauze voll von all den neuen Genres, die täggeworden. lich erfunden werden. New Wave, New Rave, ehmen wir mal an, ‹Konk› mache euch Dance, das ist doch alles Scheisse! Manchmal alle stinkreich: Was wirst du mit all kommt mir das vor wie ein Zaubertrick: Man gibt dem Geld anstellen? an, etwas Neues zu produzieren, oder einen alten Kein Problem, ich habe ein sehr teures Hobby: Sound wieder entdeckt zu haben, doch eigentlich

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Vielen Dank für das Interview! ‹Konk› (Virgin) ist am 14. April erschienen. Die Single ‹Always Where I Need To Be› stieg in England auf Platz 3 in den Musiccharts. Und Vampire Weekend sind übrigens wirklich verdammt gut! Vampire Weekend: ‹Selftitled› (XL Recordings, 2008) www.vampireweekend.com The Kooks: ‹Inside In / Inside Out› (Virgin, 2006) www.thekooks.co.uk Interview: Rainer Brenner Fotos: Promo

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Bei Konzerten von The Kooks muss man sich durch Horden kreischender M채dchen durchdr채ngeln. Aber es lohnt sich.

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Konform? Niemals! Seit 15 Jahren fordert sich die Hip Hop-Band The

Roots stets aufs Neue heraus. Ihr zehntes Album ist ein kompromissloses Statement geworden, dem die Mitsing-Qualität von ‹Phrenology› und ‹Tipping Point› weitgehend fehlt. Richtiger Rap halt. Drummer und Sprachrohr Ahmir ‹?uestlove› Thompson wünscht sich im Interview eine Umarmung für seine Heimatstadt Philadelphia.

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r. ?uestlove, ich habe eben beim Durchlesen des Infoblattes zum neuen Album einen mittelschweren Schock erlitten: Bassist Leonard Hubbard, der Mann mit dem Süssholz im Mund und den grobschlächtigen Solos, ist nicht mehr dabei. Was ist passiert?

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as letzte Lebenszeichen von Al Green ist schon eine ganze Weile her. Was hast du dir bei diesem Projekt zum Ziel gesetzt?

Ich wollte alles ganz natürlich halten. Ihm keinesfalls irgendetwas aufzwingen. Mit Hip Hop hatte das gar nichts zu tun. Die Platte sollte ein würdiger Nachfolger von ‹The Bell› von 1978 werden, und ich glaube, das habe ich geschafft.

Musik ist ­heute über­ produziert und verkocht: MikrowellenZeug!

Hub ist letzten August ausgestiegen. Nachdem er siebzehn Jahre mit uns gespielt hatte, wollte er nun einen Schlussstrich ziehen und was komplett Anderes machen. Er widmet sich jetzt voll und ganz seiner ersten Leidenschaft, dem Schreiben ie ist dir das gelungen? von Drehbüchern. Es war schon traurig, aber ich Durchs Nichtstun. Die meiste Musik kann ihn auch verstehen. Wir sind nicht mehr die heutzutage ist überproduziert und verZwanzigjährigen, die vor sechzehn Jahren ihren ersten Plattenvertrag unterschrieben haben. Jahr- kocht. Mikrowellen-Zeug. Man muss sich zurückein, jahraus mit den Roots unterwegs zu sein, ver- halten als Produzent. Aber es war trotzdem keine leichte Aufgabe. Um ehrlich zu sein, war ich anlangt einem sehr viel ab. ar es schwer Ersatz für ihn zu finfangs sehr nervös. Al Green ist ja nicht irgendwer. den? Es hat drei Jahre gedauert, dieses Album fertig Nein. Wir sind The Roots, und wir zu stellen. kommen aus der Musikerstadt Philadelphia. Unuch das neue Roots-Album soll keine ser Studio ist voll mit Leuten, die nur darauf wareinfache Geburt gehabt haben. Die ten eine Chance zu bekommen. Unser neuer Arbeit scheint sogar anspruchsvoller Bassist Owen Biddle hat schon seit vier Jahren gewesen zu sein als die Vorbereitungen für immer wieder bei unseren Studio Sessions mitgespielt. Er war sowohl am Album ‹Tipping Point› die grossen Konzerte mit Jay-Z, die du organisiert hast. wie auch an ‹Game Theory› beteiligt. Er hat sich Ach, so ist das doch mit jeder Platte! Wenn einem gut ins Team eingefügt. Ich hab ihn auch für das Album mit Al Green einige Sachen einspielen las- der eigene Job wichtig ist, dann steckt man hundert Prozent seiner Energie da rein. Wir haben sen. selber immer sehr hohe Erwartungen an uns. Wir haben circa 45 Songs aufgenommen, um schlussendlich fünfzehn qualitativ hoch stehende Tracks für das Album zu haben.

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enn sich die Roots irgendwann auflösen, wird es also noch etliche Jahre neues Material zu hören geben. So wie bei 2Pac.

?uestlove ist eine Ikone des intellektuellen Raps. Das heisst nicht, dass er ein bequemer Mensch ist.

Exakt. Wobei ich vieles nicht veröffentlichen möchte. Manche Songs sind nur ansatzweise fertig, manche halb, manche ganz, einige sind sogar schon fertig gemixt. Man muss wirklich wissen, wann man seine Kinder aus dem Haus schickt. Bei uns liegen auch noch ein paar richtig gute Songs rum, die einfach nicht aufs Album gepasst haben. Schlicht weil sie die Stringenz des Albums gestört hätten.

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n welcher Stimmung wart ihr während der Arbeit an dem neuen Album ‹Rising Down›?

Wir waren ernsthaft, besorgt und sehr fokussiert. Es ist wahrscheinlich unser politischstes Album. In den USA herrscht derzeit ein politisches Durcheinander. Dabei hätte besonders unsere Heimatstadt Philadelphia dringend eine Umarmung nötig.

Erfolg ist nicht garan­ tiert, ausser du verkaufst ­deine Seele.

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ährend den Aufnahmen zum vorletzten Album ‹Tipping Point› schwangen sich in einem Nebenraum des Studios ständig Stripperinnen um die Stangen. Wie war es diesmal?

Keine Stripperinnen. Dafür hatten wir bei dieser Platte kein Budget. Wir haben uns diesmal auf die Hauptspeise beschränkt. Den Stripclub hatten wir damals hauptsächlich aus Motivationsgründen eingerichtet. Damit wir auch ja alle rechtzeitig im Studio erschienen. Diesmal brauchten wir kein spezielles Zückerchen. Die Herausforderung war, auch auf dem zehnten Album so spannend zu klingen wie eine neue Gruppe, die eben erst entdeckt wird.

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ast du einen Lieblingsreim auf dem neuen Album?

Hm, schwer zu sagen. Ich bin ja kein Rapper, meine Reime sind die Musik. Aber in dem he Roots bestehen ja im Kern eigentlich Lied ‹I Will Not Apologize› rappt Dice Raw vom nur aus dir und Rapper Black Thought. momentanen Zustand des schwarzen UnterhalWie wichtig sind die anderen Musiker für tungssektors und wie er von den Konsumenten die Entstehung einer Platte? wahrgenommen wird. Dein Erfolg ist nicht garanDie hatten schon immer einen wichtigen Einfluss. tiert, ausser du verkaufst deine Seele um als Spätestens seit der Entstehungsphase von ­Produkt glaubhaft zu wirken, sagt er da sinnge‹Phrenology› umfasst die Roots-Crew noch weit mäss. Wir verstehen, worum es geht, aber wir mehr als nur die sieben Musiker, die auf der Büh- machen da bewusst nicht mit. ne stehen. Während der Arbeit an einem Album hr habt einen Sonderstatus bei eurer wachsen die Roots zu einem fast 30-köpfigen Plattenfirma Def Jam. Ensemble an. Jeder dieser Leute macht VorschläIch glaube, wir gelten jetzt als Prestigekünstge, jeder bringt sich mit ein. ler. Und mir ist das ganz recht. Prestigekünstler sind nicht dem Druck ausgesetzt, sich mit dem

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derzeitigen Markt messen zu müssen. Das macht es uns zwar tendenziell schwerer finanziell zu überleben, weil man nicht Millionen von Platten verkauft. Zugleich sind wir aber auch nicht bei einem Independent Label, wo wir um alles betteln müssen. Trotzdem steht uns der Sinn nicht nach Bequemlichkeit: Ich kann mit Sicherheit sagen, dass wir auf den neuen Tracks unser Bestes gegeben haben. The Roots ‹Rising Down› (DefJam/Universal) Interview: Adrian Schräder Foto: Promo

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vertreter

stilettos

Über die wichtigsten Schuhe von 1920 bis heute. Geburtsjahr Name Hersteller Typ

1971 Stilettos Manolo Blahnik High Heels

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tilettos. Allein der Name lässt Frauenherzen höher schlagen. Jede Frau muss einen solchen Schuh besitzen. Aber nicht irgendeinen, nein, es muss schon ein echter Manolo sein. Der Meister der Stilettos, der perfekte High-Heel Übersetzt bedeutet das Ganze übrigens ‹kleiner Dolch›, was sich auf die besonders spitzen Absätze bezieht. Nur eine echte Göttin kann in diesen Schuhen auch auf Plastersteinen oder über Gitterabdeckungen laufen, ohne sich die Beine zu brechen. Spätestens seit der Serie ‹Sex and the City› steht der Name des spanischen Schuhdesigners Manolo für weibliche Eleganz an den Füssen. Nicht umsonst schmückt er sich mit dem Namen ‹Der König der

High-Heels›. Was verbindet Celebrities von Sarah Jessica Parker bis Heidi Klum? Sie geben alle ein Vermögen für diese Schuhe aus. Zwar sieht jedes Modell anders aus, aber sie haben alle etwas gemeinsam: Die kleinen Extras, die Manolo sich immer wieder bei jeder Kollektion aufs Neue einfallen lässt. Anfangs der 70er hatte Manolo sein Debüt, seitdem hat er über 10 000 Schuhe entworfen, eines erfolgreicher als das andere. Verziert mit Rüschen, Spitzen, Blüten oder Kirschen, alles ist erlaubt, alles wird getragen, denn immerhin ist hier der Meister am Werk. Zum ersten Mal so richtig im Rampenlicht waren die Schuhe, als eine junge Frau ein weisses Pferd in den berühmten Club ‹Studio 54› ritt. Die Dame hiess Bianca Jagger, die Schuhe waren echte Manolos. Jahre später war es die Prinzessin der Herzen, die 1994 die Schuhe durch England trug, während ihr Gatte im öffentlichen TV seinen Seitensprung mit seiner jetzigen Frau gestand. Vermutlich wird sich Lady Di gedacht haben, wenn sie schon leiden muss, dann wenigstens mit Stil. Und mit der Kultserie für Frauen und ihre Versteher ‹Sex and the City› wurde der Platz im Olymp der extravaganten Hochhacken für immer gesichert. Männer sollten sich diesen einen Namen gut merken. Wenn Frauen mit strahlenden Augen von jenem Spanier schwärmen geht es nicht um dem 62-jährigen Designer selbst, sondern um die Schuhe, die die Angebetete am Abend wieder ausziehen und verfluchen wird. ‹Warum zum Teufel hatte ich keine Turnschuhe an?› Aber dafür sahen sie so unglaublich gut aus. Übrigens, selbst beim OnlineSchnäppchen-Markt Ebay wechseln die Schuhe selten unter 160 Franken die Besitzerin. Aus einer Mailänder Boutique kann sich eine Normalsterbliche die Schuhe dann eigentlich gar nicht mehr leisten. Text: Adriana Popescu Illustration: Raffinerie

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swap shop Vor einigen Jahren designte der französische Art-Direktor und Konzeptkünstler Cyril Duval alias item idem den Bernhard Willhelm Store in Tokio. item idem wollte sein Trash Design Konzept weiterentwickeln und stellte sich die Frage: Wenn ein Künstler einen Shop für einen Designer gestalten kann, funktioniert das auch umgekehrt? In Paris fand er im angesagten Fashion Kollektiv Andrea Crews und dem Konzeptstore Colette die perfekten Partner. Die Idee für SWAP SHOP war geboren. PLAY war an der Eröffnung in Paris im April dabei. Eine Fotoreportage.

Freitag, 18. April, eine Wohnung, Chateau Rouge, Paris:

Andrea Crews besorgte das Innendesign, Booklets, Fotos und natürlich eine spezielle Kollektion. Am Abend vor der Vernissage sprayten wir unter der Leitung von Jean-Michel Bertin (arbeitet als Art-Direktor u.a. für Vuitton, Justice, Pharrell Williams) eine limitierte Edition von SWAP Space T-Shirts.

Samstag, 19. April, SWAP SHOP OPENING, Andrea Crews Shop, Pigalle:

Die Eröffnung mitten im Pariser Rotlicht-Milieu war surreal. Hippe Pariser Szenis und FashionLeute lauschten den Sounds der DJ Legende Michel Gaubert (bespielt z.B. während der Paris Fashion Week die bedeutensten Laufstege) und der japanischen Performance-Künstlerin Mai Ueda. Gleichzeitig ging im Nachtklub nebenan eine feuchtfröhliche brasilianische Hochzeit ab und die Braut lud uns auf die Party ein.

Sonntag, 20. April, SWAP WINDOW, Colette, rue Saint Honoré: Am Sonntag eroberte SWAP das Schaufenster von Colette an der feinen Rue Saint Honoré. Eine Woche lang gab es Andrea Crews Space T-Shirts und Accessoires, wie die legendäre Kokain-Rolex und Perücken-Sonnenbrillen, bei einem der weltweit hippsten und wichtigsten Einkaufshäusern im Angebot. Als wir das Schaufenster aufbauten, kam die Schauspielerin Andie Mac Dowell mit Freunden vorbei und schoss mit ihrem Handy ein Bild. Cool! Die Louis VuittonKostüme zogen in der Folge richtige Menschentrauben an, die heftig über Sinn und Unsinn diskutierten.

Montag, 21. April, SWAP DANCE, Colette, Le Baron Club:

Obwohl Montag war Le Baron brechend voll von hippen Parisern Clubkids, die bis spät in die Nacht abtanzten. Ich blieb bis 04.00 Uhr und nahm den 8.24 Uhr TGV zurück nach Zürich. Fazit: SWAP SHOP war wahrscheinlich einer der kürzesten Pop-Up Stores – er dauerte gerade einen Samstagnachmittag lang. Dafür war er definitiv einer der interessantesten: SWAP vermischte auf bahnbrechende Art und Weise die Grenzen von Konzeptkunst, Modeschau und Shop-Display. Wir sind gespannt auf SWAP 2 in Tokio. PLAY ist Fotorgrafin und Style Hunter playlust.net andreacrews.com itemidem.com, colette.fr

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Sarah, Mitbesitzerin von Colette (in Sneakern), Maroussia und Jean-MichelBertin (rauchend) begutachten das Schaufenster.

rechts: Mai Ueda unten: Wir brachten die brasilianische Braut dazu, mit unseren Modellen in Louis Vuitton Kost端men zu posieren

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It’s only denim but we like it

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nfangs der 1980iger Jahre steckte die Firma Levi’s in argen Schwierigkeiten. Die Erfinderin der Blue Jeans ­hatte mit ihrem soliden, aber etwas langwei­ligen Denimangebot gegen das Powerdressing der Ton angebenden Yuppies einen schweren Stand. Dann kamen die Levi’s 501. Und vor allem: Der Nick ­Kamen Werbespot. Untermalt von Marvin Gaye’s ‹Heard it through the Grapevine›, betritt der Beau mit Elvistolle einen Waschsalon, entledigt sich cool seiner Kleider, wirft die 501 zusammen mit ein paar Steinen in die Waschmaschine und setzt sich, nur in Boxershorts, auf einen Stuhl. Der Spot schlug ein wie eine Bombe, Levi’s Umsätze stiegen um 800 Prozent, ein regelrechter Jeansboom setzte ein. Das Erfolgsgeheimnis: Anstatt aufs Produkt, also die Jeans selbst, setzte der Spot ganz auf Sex-Appeal und die fünfziger Jahre – die Hochblüte der amerikanischen Jugendkultur. Seither sind Jeans nicht mehr simple Arbeits- und Freizeithosen, sondern stehen für Lifestyle und Zeitgeist. Doch sollte es noch bis Ende der 90er Jahre dauern, bis die grosse Zeit der Lifestyle-Marken begann. Evisu, Earl, Seven for All Mankind, Rock & Republic, Earnest Sewn, Citizens of Humanity, True Religion oder Sass&Bide machten aus der einstigen Arbeiterhose ein Luxusobjekt und erhoben Denim zum exklusiven Statussymbol. Subtile Zeichen wie Färbung, Naht und Schnitt oder eine diskret platzierte Etikette machten diese Jeansmarken für eingeweihte Fashionistas sofort erkennbar. Doch hauptsächlich hoben sich die Hosen durch den horrend hohen Preis ab, sowie die Tatsache, dass sie von Hollywoodgrössen spazie-

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ren geführt wurden. Denn eigentlich taten es auch die Billigjeans von H&M. Um 2006 fingen schwedische Jungs an, sich in Röhrenjeans von einheimischen Labels wie Acne und Cheap Monday zu zwängen, was sehr, sehr sexy aussah. Seither sind Skinny Jeans die Uniform der hippen Kids, allen Unkenrufen und Revivalversuchen der Schlaghose zum Trotz. Die traditionellen Label wiederum tun sich im Kampf gegen die gehypte junge Konkurrenz eher schwer. Um ihr etwas in die Jahre gekommenes Image aufzupeppen, setzt zum Beispiel die Marke Lee Cooper auf die Allzweckwaffe Promi und lässt die Jane Birkin Tochter Lou Doillon eine eigene Jeanslinie entwerfen. Ob Lou der neue Nick Kamen wird, bleibt abzuwarten. Eines ist sicher: Diese Saison sind die angesagten Jeans ausgewaschen, pastellig und in Batik-Optik. Wie die pinkfarbenen Skinnys des jungen Labels People’s Market. Und zweitens wird die gute klassische Blue Jeans auch diesen Trend überleben.

Fotografie Sarah Maurer Styling Philipp Junker Make-up und Haare Nikita Fischer bei Style Council Model Vanessa Cruz Ford, Paris Lee Cooper leecooper.com People’s Market erhältlich auf twosee.com

Text: PLAY

Highwaistjeans Lou Doillon für Lee Cooper Tanktop H&M Halskette Isabel Marant bei Fidelio Hut Stylists own

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Weisses Spitzenkleid Roberto Cavalli bei Trois Pommes Mieder Pepe jeans Halskette bei Big Auf dieser und den folgenden Seiten: Schuhe Bensimon bei Manor Socken Essentiel bei Manor

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rechts: Boyfriend-Jeans Levis Bluse Mads Norgaard bei Fidelio Dispenser Cheap Monday Armband Stylists own

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Hemd Dsquared bei Fidelio G端rtel Mads Norgaart, bei 足Fidelio Hotpants JC*DC

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oben: Jeanskleid Acne bei Fidelio G端rtel Hilfiger Denim Sternarmspange Yves Saint Laurent bei Salvatore Schito rechts: Jeanssuit Hilfiger Denim Lederjacke Redrabbit bei Dings BH Triumph Armband Forget me not bei Boutique Roma Halskette bei Big

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Santa Polenta: Liebe, Zirkus und der Tod

Hinter ‹Santa Polenta› stehen zwei kreative Menschen mit unterschiedlichem Background und Herangehensweisen – die eine gemeinsame Liebe verbindet: Die daraus geborene Schmuckkollektion ist das Ergebnis eines kreativen Intermezzo und der Freude an gemeinsamer Bastelei.

The next big thing: Schmuck von Santa Polenta ist nur noch für kurze Zeit ein Geheimtipp…

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ie Schmuckstücke von ‹Santa Polenta› zeigen Pixelbilder von Gesichtern – mit mal mehr und weniger liebenswerten Macken. Die optischen Charaktermerkmale der Schmuckstücke werden durch die kantigen Anker-Anhänger links und rechts des Gesichtes illustriert. Obendrein stellt sich jedes einzelne Gesicht durch einen beigelegten Steckbrief persönlich vor. Inspiration zu der bunten Pixel-Art lieferte ­unter anderem der mexikanische Totenkult ‹dia del la muerte›, dessen lockere und scherzhafte Darstellung des Todes die Designer faszinierte – bei jenem kultigen Feiertag pilgert man nämlich in ­einer Girlanden geschmückten Prozession und schwarz-weiß geschminkten Totenkopf-Fratzen, auf die umliegenden Friedhöfe, um dort den Toten zu huldigen. Das durchgängige Thema der Schmuckstücke ist der daher wahrscheinlich auch der Totenschädel. Die üblichen Assoziationen von Vergänglichkeit und Okkultismus werden durch die leuchtend-bunte Farbgestaltung dennoch gebrochen, ebenfalls wie beim mexikanischen Vorbild. Anregung findet die Berliner Modedesign-Studentin, mit Herzenswohnsitz in Zürich, in der pulsierenden Partyszene ihrer Heimatstadt. Dass ihr Partner und Freund als Schlosser arbeitet, hat die Produktionsmöglichkeiten erheblich verbessert. Der Pixel-Schmuck ist ein Gesamtkunstwerk aus Kette, liebvoll gestalteten Steckbriefen und einer individuellen und handgefertigten Schmuck-Schatulle – der Besitzer wird so zum Entdecker eines verborgenen Schatzes: Vor dem Auge des Betrachters soll sich im Moment des Öffnens, die innere Opulenz einer liebevoll gestalteten Schatzkiste entfalten. Jede Schachtel ist in ihrer Gestaltung einzigartig und untermalt die Eigenschaften, der dazugehörigen Kette, auf unterschiedliche Art und Weise. Alle Schmuckstücke werden aus Roccaile-Perlen auf PVC-Untergrund und mit einer feinen Lackierung gefertigt – der verwendete Lack ist kratzfest und säurebeständig. Inzwischen gibt es auch eine kleine Neuheit: In Zukunft können die Ketten auch versilbert und vergoldet bestellt werden. Die aktuelle Kollektion ist übrigens auf 111 Stück limitiert und Preise gibt es nur auf Anfrage.

Im Sommer ist eine Ausstellung mit exklusiven ­Santa Polenta Teilen in Zürich geplant. Watch out for more info! www.myspace.com/santapolenta

Jedes Stück und jede Verpackung ist ein Unikat – schon allein, weil alles von Hand gemacht ist.

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Kottpoulsen ‹Jeder Mann verdient mindestens ein cooles Outfit›,

findet der Kopenhagener Rasmus Poulsen. Was aber, wenn die Positionierung als ‹Mann› noch etwas schwammig ist und sich heranwachsende Jünglinge nicht an eine gepflegte Garderobe wagen wollen?› Gründe dafür gibt es viele: der Tragekomfort ist durchaus gewöhnungsbedürftig, das ist ja nachvollziehbar…

Lässig, aber nicht im SchlafanzugLook kommen die Klamotten von Kottpoulsen daher – und taugen dadurch auch für feinere Anlässe.

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enau hier tritt Kottpoulsen auf den Plan. Rasmus gründete das Label 2002 mit seiner Frau Izabella Knott, das Ziel: Streetwear für Erwachsene oder eben Streetwear 2.0. ‹Unsere Kollektion ist für grosse Jungs, die mit Skateboards, Graffiti und Co. aufgewachsen sind, aber nicht zwanghaft berufsjugendlich aussehen wollen›, erklärt er. Rasmus selbst kommt eigentlich aus dem IT-Bereich und arbeitet heute halbtags als Sozialarbeiter, wenn er nicht gerade in der Modewelt herumturnt. Izabella hingegen ist amtliche Modemacherin und experimentiert gern an den Grenzen von traditioneller Herrenmode und Freizeitbekleidung. Kottpoulsen definiert sich als elegante Fashion, die trotzdem immer urban und praktisch bleibt. In der aktuellen Sommerkollektion ent­reissen die Designer Anzugstoffe, britische Tweedqualitäten oder Wolle den typischen Einsatzgebieten, abstrahieren Schnitte und setzen sie in einen legeren Kontext. Das Ergebnis sind Chinos mit extratiefem Schritt, lässige Bügelfaltenhosen oder Sakkos. In 78

der Sport/Sweat – Linie ergänzen von innen bedruckte T-Shirts oder Sweatshirts mit extravagantem Schalkragen die Kollektion. Die Grafiken und Drucke entstammen häufig historischen Vorlagen, wie etwa antiken, ägyptischen Hieroglyphen oder entstehen in Kooperation mit branchenexternen Unternehmen, wie dem dänischen Designkollektiv Goodmorning Technology. Die Frage, ‹was trage ich zum romantischen Essen mit der neuen Lady ohne wie ein Konfirmand auszusehen›, sollte sich hiermit endlich er­ ledigt haben. www.kottpoulsen.dkk Text: Romy Uebel Fotos: Promo

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P.A.M. Ein Universum im Ganzen

‹Mama, weisst Du, warum die Erde rund ist? Damit man nicht sehen kann, was die Leute auf der ­anderen Seite machen!›: Herrlich erfrischend, die Logik eines kleinen Mädchens, neulich aufgeschnappt in ­einem Café. Dank allerlei Neuzeiterrungenschaften sind heute ­Einblicke in fast jeden ­Winkel der Welt möglich und in Australien, genauer in ­Melbourne, könnte man dabei das Duos P.A.M. beim ­Ersinnen charmanter Mode-Kunst-­Wahnsinnig­ keiten entdecken.

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m Jahr 2000 von Graffiti-Artist ­Misha Hollenbach und Modede­ signerin Shauna Tooney gegründet, ist P.A.M. mittlerweile zu einem ­weitreichend vernetzten, interdiszi-­ pli­nären Projekt erwachsen, das sich regelmäßig den Dogmen der schnöden Geldmaschinerie entzieht. Neben der zweimal jährlich erscheinenden Modekollektion machen die Beiden grenzgängerische Musik, nahmen bereits an zahlreichen Ausstellungen teil und veröffentlichten diverse Bücher. Mitte letzten Jahres eröffneten sie in ihrer Heimatstadt den Shop ‹Someday›, welcher das P.A.M.-Univer-­ sum in Gänze widerspiegelt. So gibt es hier beispielsweise ein Kollier aus Menschenhaar oder ein ‹blaues Plüschvieh›, das Fragen wie ‹Do you really love me?› stellt. Nicht nur aufgrund derartiger Seltsamkeiten sind die Ausnahmemenschen ­Misha und Shauna über die Jahre in den Olymp der Premium Streetwear-Labels aufgestiegen und verkaufen ausschließlich in den A-Liga-Shops dieser Welt: Die Sachen aus der Oz-Kreativ80

schmiede sind schlicht und ergreifend fan­­tastisch, Mexico… ach so vieles kann inspirierend sein.› – urteilen Kenner. die Sicht eines Kindes ist eben wirklich bezau‹Es wäre wohl egoistisch zu behaupten, dass bernd. die Welt auf uns gewartet hat›, gesteht Shauna ein. www.perksandmini.com ‹Es wäre natürlich sehr cool, wenn sie das ­getan Text: Romy Uebel hätte. Ich mag einfach die Vorstellung, dass wir Fotos: Perks and Mini Kleider produzieren, die unsere verquere Sicht auf die Dinge transportieren. In unserer Welt geht es ständig nur um Marketing-Strategien und Manipulation. Man muss da nicht mitspielen, wir ­glauben fest daran, dass man alternative Wege beschreiten kann, wenn man nur fest an seine ­Ideale glaubt.› Momentan arbeiten P.A.M., was übrigens für ‹Perks And Mini, Pizza And Mezza, Peace And ­Menace oder wahlweise Party Animal Machine› steht, am Konzept für ihre Zeitung ‹Free Inde­ pendent Times›. Ansonsten verfolgen die Beiden Ab ins UFO, einmal um kein geringeres Ziel, als mit ihren Designs und die Galaxy, Flash ­Ideen ‹die Welt zu retten›: Die Waffen für die ­Gordon per Anhalter ­Revolution sind dabei übrigens so vielfältig, wie mit­nehmen, bei Perks and Mini landen exotisch und spiegeln sich auch in der aktuellen und alle noch mal Kollektion ‹Space Face› wieder. ‹Wir lieben den von vorne. Die Klamotten des ­australischen Jazzmusiker Sun Ra, Filme wie William Klein’s ‹Mr. Labels sind ein bisschen Freedom› , das deutsche Plattenlabel Brain, P Re­verrückt, aber frech und verdammt funky. cords, UFOs, 70er Jahre Graffiti, wirre Träume,

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Wenn Mr. Spock mal wieder an der LSD ­B owle genascht hat und dann zur Schere und Nähmaschine greift, kommen ungefähr Outfits wie bei Perks and Mini raus. Nur sind die viel irdischer und in Hipster-Boutiquen käuflich erwerbbar.

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ART OF GLASS: OAKLEY BRILLIERT IM GROSSEN APFEL Normalerweise wirbt die Nicholas Robinson Galerie im New Yorker Stadtteil Chelsea mit ihrem zeitgenössischen Portfolio und edlem Ambiente um die Gunst distinguierter Kunstsammler.

lich Autos. Ähnlich problematisch zu ergattern wie seine pastelligen Styles, dürften die auf 200 Stück verknappten SupremeModelle sein, die ebenfalls präsentiert wurden. Die Frogskins erscheinen diesmal als pimpige, komplett in Gold gehaltene Variante und sind nur in den labeleigenen Shops erhältlich. Am Launch-Abend sollte keiner der Gäste mit leeren Händen nach Hause gehen. Während im oberen Floor DJs und VJs werkelten, konnte man sich im Basement live T-Shirts mit Motiven der Artists bedrucken lassen. Einige der Anwesenden schienen auch damit den Hals nicht voll genug zu bekommen und so verschwanden gegen Ende der Ausstellung sukzessive die Artworks von den Wänden. C100, alias Christian Hundertmark nahm es gelassen und signierte noch eins der bereits ‹geklauten› Bilder. Kunst einmal anders… Street Art Künstler wie The London Police sind für die Öffentlichkeit eigentlich nicht sichtbar. Für schöne Sonnenbrillen lassen sie aber gerne mal Licht ins Dunkel.

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m letzten Tag der Biennale ‹The Armory› versammelte sich hier allerdings eine deutlich illustere Crowd, um eine etwas andere Art von ‹Art› zu schauen. Oakley hatte zum Event ‹Around the Bloc› geladen, um die neusten Kollektionen in Zusammenarbeit mit sieben verschiedenen Künstlern zu feiern und alles, was sich im Big Apple auf Style reimt, war erschienen. Die Operation ‹Coolness Polishing› der sonst in erster Instanz für ihre Sportbrillen bekannten Firma startete bereits im vergangenen Jahr mit dem Relaunch des Kultmodells Frogskins. Die viereckigen Shades galten in den 1980ern als liebstes Styling-Objekt der Surf- und Skateszene, allen voran Wellen-Legende Tom Caroll. 2007 platzte dann die Bombe, Oakley tat sich mit den Streetweear-Obergurus von Supreme zusammen und deren limitierte Frogskins-Linie verdampfte nur so in den Regalen. Auch Modelle in klassischen Farben balancierten innerhalb kürzester Zeit auf den Nasen trendaffiner Alt-und NeuSkater, und nicht zuletzt auch denen der NuRaveGemeinde. Der Grundstein für die folgenden Artist-Series war gelegt. Neben erschienenem Lokal-Kolorit und internationaler Presse liessen es sich auch Todd Francis, 84

C100, Andrew Petterson und The London Police nicht nehmen, im April nach New York zu reisen, um sich für ihre Arbeiten feiern zu lassen. Wie die Kollegen Frank Kozic, Will Barras und Art Chantry, hatte jeder der vier ein Modell aus den Archiven der kalifornischen Marke ausgewählt und ihm den ganz persönlichen Look verpasst. The London Police aus Amsterdam war am Abend bester Laune und erklärte: ‹Ich mache selten Colabs, die Marke muss mir schon persönlich was bedeuten. Da kann sonst wer kommen und mir irre Summen anbieten – wenn ich das Produkt nicht mag, mach ich’s nicht. Früher beim Snowboarden hab ich immer Oakley getragen, die Marke begleitet mich schon mein halbes Leben.› Seine Brille kam im Komplett-Set mit Goggles und schickem Hoodie. Auch C100 war begeistert und fand ‹es cool, dass Oakley mal die andere Seite jenseits von Sport und Wettkampf gezeigt hat›. Seine auf 500 Stück begrenzte Interpretation der schnittigen ‹Gascan› erschien bereits Ende letzten Jahres und zeigt ein typisches Artwork des sympathischen Münchners. Andrew Petterson gab sich super-limited und bemalte 50 Frogskins von Hand. Er lies sich dabei von historischen Rennwagen inspirieren – nicht überraschend, der Kalifornier lackiert im ‹normalen› Leben tatsäch-

Text: Romy Uebel Fotos: Oakley

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Impressum kinki mai/juni 08 Herausgeber Aurum Communication AG c/o kinki magazine Zürcherstr. 204f CH 9014 St. Gallen Verlagsleitung Mark Mirutz Chefredakteur Matthias Straub Projektleitung Melania Fernandez

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Gestaltung Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich, www.raffinerie.com Mitarbeit Layout Cyrill Frick Redaktion Mathias Bartsch, Kai-Holger Eisele, Meike Frank, Adriana Popescu

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Fotografie Sarah Maurer, Julian Salinas, Nina Stiller, Daniel Tischler, photocase.com, Guadalupe Ruiz, Marvin Zilm Illustration Lina Müller, Sarah Parsons, Raffinerie AG Bildbearbeitung Cyrill Frick

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Freie Mitarbeit Rainer Brenner, Jens Dierolf, Evangelos Kleiman-Kontopoulos, Vania Kukleta, Miky Merz, Adrian Schräder, PLAY, Romy Uebel Marketing Service Melania Fernandez Abo Service www.kinkimag.com/abo Druck AVD Goldach Einzelverkauf CHF 6.– / EUR 4.– pro Exemplar

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top notch gallery Europas wichtigste Galerien für junge Kunst

kaskadenkondensator: projektraum für aktuelle kunst und performance

In Basel wird in einem engagierten Projekt PerformanceKunst von internationalem ­Niveau ange­ boten.

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er Kaskadenkondensator versteht sich als ein Ort der Vermittlung und des expe­ rimentellen, forschenden und prozess­ haften Kunstschaffens mit Schwerpunkt auf Performance und anderen performativen Aus­ drucksformen. ‹Als komplementärer Kunstort› spielt der Kaskadenkondensator im Kontext der Basler Kunst­institutionen eine eigenständige Rolle. Er funktioniert als flexible Struktur, in der Künstler­ Innen und TheoretikerInnen gemeinsam an der Schnittstelle von Kunst und Vermittlung arbeiten und den Dialog zwischen Kunstschaffenden und

Kunstinteressierten anre­ gen. Ein zentrales An­liegen ist es, jungen ­Künst­lerInnen und Kunst­ver­mittlerInnen

Kaskadenkondensator Projektraum für aktuelle Kunst und Performance Warteck PP

‹Freiräume zu gewähren› Burgweg 7

und sie dadurch zu fördern. Weiter sucht und pflegt der Kaskadenkondensator die Vernetzung und Kooperation mit städtischen und regio­nalen Initiativen und Institutionen, mit anderen unab­ hängigen Kunsträumen im In- und Ausland. Der Kaskadenkondensator existiert seit 1994, ist als Verein organisiert und bildet, inhaltlich und ‹finanziell unabhängig›, einen eigenen Mikrokosmos innerhalb des Werk­ raum Warteck pp. Der Vorstand besteht derzeit aus dem Künstler Markus Goessi, der Künstlerin Judith Huber, der Kunstvermittlerin Anna Schürch und der Kulturwissenschaftlerin Anna Pfeiffer. Die Vorstandsmitglieder entwickeln gemeinsam das Konzept und das Jahresprogramm und begleiten als Projektverantwortliche dessen Realisation. Bozena Civic als Koordinatorin ergänzt das Team. Der Beirat mit Eva Bächtold, Kathrin Borer, Pascale Grau, Irene Maag, Florine Leonie Münger, Marion Ritzmann und Isabel Zürcher steht dem Vorstand unterstützend bei.

4058 Basel Telefon +41 61 693 38 37 www.kasko.ch info@kasko.ch

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GEOFF MC FETRIDGE Grafik, Fiktion und Poesie

Kunst ist ein Weg zum Verständnis unserer äus­seren Welt, der Teile der Welt, die uns als fertige Tat­ sachenent­gegentreten und mit denen wir gezwungen sind, uns in irgendeiner Form auseinanderzusetzen.

S

o beschreibt der WerbekünstlerGeoff McFetridge seinen Zugang zu Grafik und Design. Als eine Form der Bedürfnisbefriedigung, der kreativen Begegnung mit der Umwelt. ‹Ich fühle mich mehr wie ein Landschaftsmaler. Meine Bilder reflektieren mein Gefühl vom Aussehen der Welt.› … Bilder erscheinen immer zugänglich, es gibt kein Mysterium, kein Geheimnis. Ein alternativer Pfad im weiten Feld der Erklärung von Umwelten. Fiktionale Cover von Büchern, Stühle, Augen, Gesichter, Tiere, Monster und Hände, die Zeichen geben. Eine stark abstrahierte und subjektive, aber gleichzeitig äusserst ehrliche Sicht auf die Dinge. McFetridge sucht immer nach dem Klischee, von dem noch Keiner gehört hat. ‹Klischees gelten als schreckliche Beleidigung für jeden Werbekünstler, aber für mich sind sie eher ein Teil des Kontinuums der guten Ideen. Das Bild eines Apfels ist schon an sich klischeehaft, trotzdem finde ich es nicht trivial als Künstler zu definieren, wo zum Beispiel der Apfel endet und das Apfelge­häuse anfängt.› Die Sprache, sagt Geoff McFetridge sei nicht in der Lage diese eigentlich simplen Fragen abschliessend zu klären und beschreibt so die Lücke, die er mit graphischen Kommunikationsmitteln zu schliessen gedenkt. Trotzdem hat er kürzlich die Ähnlichkeiten zwischen Grafik und Poesie für sich entdeckt und

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neben dem Zeichnen zu schreiben begonnen. ‹Ich schreibe nur Gedichte, die sich auch reimen. Das reduziert die Anzahl der Worte, die man benutzen kann und letztendlich schreibt man Dinge, die man normalerweise so eben nicht schreiben würde. Wenn es schlecht läuft, dann muss man das passende Wort einfach erfinden. Das Wort Piano zum Beispiel klingt für mich an sich schon sehr musikalisch, sein gegenständliches Design dagegen ist so ziemlich das genaue Gegenteil. Ein grosses Piano sieht aus wie ein Fuss, oder aufrecht gestellt wie ein Kleiderschrank. Wir müssten froh sein, dass kein Grafiker gebeten wurde, das Design des Pianos zu entwerfen, denn das Grossartige an ihm ist, dass es nicht aussieht, wonach es klingt.› Und die Gefahren in der Kunst? ‹Es ist wie die Überquerung eines Flusses und die Steine auf die man dabei tritt sind immer noch weiter voneinander entfernt. Ich muss also aufpassen, wann ich aufhöre weiterzugehen, damit ich nicht gezwungen bin, meine Hosenbeine hoch zu rollen und auf die andere Seite zu waten.› Na, wenn das nicht Poesie ist! Übersetzung: Kai-Holger Eisele

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Soccer Boys

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net check

myspace.com/ muse

am nabel der zeit

für das Guinness Buch aufgestellt wird. Man weiss gar nicht, wo man hinschauen soll in der Welt. Einen Moment geblinzelt und schon hat man etwas verpasst. In der Geschwindig­ keit, mit der die Nachrichten über den Bildschirm des TVs oder PCs bei der Arbeit tickern, fällt es uns Nor­ malsterblichen schwer zu folgen. Was ist in der letzten halben Stunde passiert, da draussen in der Welt? Auf www.mappedup.com werden die aktuellsten News auf einer blinkenden Weltkarte angezeigt. Man sieht Matthew Bellamy, Dominic Howard, Chris Wolstenholme sofort an den gelben und roten PunkAnhand einer aktuellen Studie kann In unsere Zeit ist es manchmal gar ten, wo etwas passiert ist und die bewiesen werden, dass sich die meis- nicht so einfach, den Überblick zu be- Zeitangabe lässt uns wissen, wann ten Menschen im Internet irgendwie halten. Was geschieht wo und wann? wir es verpasst haben. Keine Startseiüber andere Menschen kennen. So Während sich also ein englischer Adli- ten von Emailanbietern ist aktueller was nennt man dann ‹networking› ger auf der Insel von seiner Verlobten als diese Seite voll gepackt mit News und diesem Rechentrick verdanken wir trennt, stirbt in China ein Kind bei aus, im wahrsten Sinne des Wortes, auch Seiten wie eben der überall einem Autounfall in dem Moment, wo- aller Welt. beliebten oder verabscheuten MySpace bei in Neuseeland ein neuer Rekord www.mappedup.com Innovation. Man schliesst Freund­ schaften über den Globus verteilt und kann sich als aufstrebende Band, DJ oder Solo-Künstler eine kleine Fanbase züchten. Werfen wir in dieser Ausgabe also einen neuen Blick auf die Bands im Wirrwarr des MySpace Universums! Von grossen Labels bis hin zu Indie Bands, deren Namen man nicht aussprechen kann. Tops und Flops gibt es überall. Nehmen wir ein Beispiel, wie es die ganz Grossen richtig machen! Muse. Ihre Musik begeistert Tausende Fans auf der ganzen Welt, kein Wunder also, dass sich ihre MySpace Seite in den Top Listen der MySpace Musiker wieder finden lässt. Aber diesmal ist es auch vollkommen zu recht so. Die grossen Hits werden als potenti­ elle Profilsongs angeboten, mit einem einzigen Klick landet man auf einer Downloadseite und kann für wenig Geld den gewünschten Song downloaden. Auch T-Shirts oder Taschen können direkt von dieser Seite bestellt und gekauft werden. Alles, was das Fanherz begehrt, auf einer MySpace Seite, die immer aktualisiert bleibt, Blogeinträge und Fotos added und sich ganz auf die Bedürfnisse der zahlenden Kunden eingestellt hat. Anders als manche Big Names hat sich Muse aber nicht dazu verleiten lassen, möglichst viele Fans in den Top Friends auflisten zu lassen. In den bescheidenen acht angezeigten Friends finden sich Nobodys, die vermutlich eng mit der Band verwoben sind. Keine Spur von Grossspurigkeit bei den musikalischen Genies aus England. Keine bunten knalligen Farben, die jeden Besuch auf der Seite zu einem LSD Trip werden lassen. Klassisch und schick, das hat Stil und bekommt das Prädikat ‹klickenswert›.

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myspace.com/ randyconstanpeterpan Weise in einer Klinik behandelt und nicht bei MySpace zur Schau ge­ stellt. Randy hingegen nutzt MySpace so, wie es echte Nerds tun. In den ganz grossen Zügen. Bilder seiner ‹Neverland›-Verklei­dun­ gen findet man, ebenso wie selbst aufgenommene Songs mit der Message ‹You believe in Fairy Tails›. Der Song erinnert stark an einen der Songs, den man vielleicht auf dem ‹Love Boat› hätte hören können, der in der Musikszene der Jetztzeit genauso wenig zu suchen hat wie ein erwachsener Mann in grellgrünen Leggins. Wer dachte, Jeremy Jackson hätte die gröbsten MySpace Klischees begangen, der wird sich wundern. Randy toppt auch das noch. Wie viele seiner 2299 Freunde ihn wirklich für voll nehmen, bleibt vermutlich ein Rätsel. Randy Randy Constan ist allerdings ein perfektes Beispiel wie er leibt und seine Fantasien für die skurrile Seite von MySpace, auslebt. denn so köstlich er in öffentlichen Peinlichkeiten badet, so sehr Das Original von Neverland ist ja bekanntlich nicht etwa die Spiel­villa lassen Profile wie seins uns Normalos von Michael Jackson, sondern das doch tatsächlich am Sinn einer Institution wie MySpace zweifeln. magische Land eines Jungen, der Allen Zweiflern zum Trotz wird Rannie erwachsen werden wollte. Und dy bestimmt bald wieder neue genau dorthin entführt uns die MySpace Seite von Randy Constan. Peter-Pan-Look-a-like Bilder hoch Ein erwachsener Mann hält sich laden und uns mit seinem Gesang für Peter Pan, das soll ja bekanntlich nach Neverland entführen. Ge­ vor­kommen, wird aber normaler knebelt natürlich.


rettet die ich bring dich ganz serienwelt gross raus!

Stargate SG-1 Teamfoto aus der 8. Staffel

Musik kaufen, Musik downloaden, Musik überall und doch nie umsonst. Und wenn, dann sehr selten legal. Wer jetzt aber mal einige Stücke der neuen Scheibe seines Lieblingskünstlers hören will, der sollte mal auf www.betterpropaganda.com vor­beischauen. Vielleicht findet man dort nicht Namen wie Madonna oder Robbie Williams, aber Zeitgenossen wie AIR oder Snow Patrol stellen da gerne einige ihrer

Songs zum freien und legen Down­ load bereit, zusammen und un­ zähligen anderen Bands, die nach Genre sortiert dort anzutreffen sind und denen man abseits des Mainstreams eine Chance geben sollte. Und wem die Songs gefallen, der kann losziehen und das Album legal erwerben. Nichts anderes als Werbung für die Bands und kleine Geschenke an die Fans, die gerne kostenlose Songs annehmen. So lernt man endlich auch mal neue Bands kennen und Geld für klei­n­ere Namen ausgeben war schon immer eine gute Sache. So wird das auch was mit der Propaganda. Also losziehen und laden, was das Zeug hält. Legal natürlich. www.betterpropaganda.com

AIr kommen ihren Fans entgegen.

Auf der Strasse wird man häufig angesprochen, gebeten eine Petition zu unterschreiben. Manchmal sind sinnige Anfragen dabei, da nimmt man sich die Zeit und unterschreibt den Wisch gerne, fühlt sich dann als Retter der Erde oder der Tiere oder einer Institution, die nicht einem neuen Bürokomplex weichen darf. Aber jetzt geht alles einfacher. Unter www.ipetitions.com hat man die Möglichkeit, weltweit an Peti­ tionen teilzunehmen oder selber welche zu starten. Vollkommen egal wie ernst gemeint sie sind. Man fin-

det eine Liste, die jedes Petitionsherz höher schla­gen lässt. Ob es nun um den Abzug der US Soldaten aus dem Irak geht oder um die Rettung verschiedener TV Serien, hier findet man alles. Und man kann alles starten. Die Petition wird dann automatisch an die zuständige Stelle geschickt, nachdem Tausende unterschrieben haben. Die Macht des World Wide Web ist eben doch noch immer unterschätzt. Also, unterschreibt für die Rettung von Stargate 1. www.ipetitions.com

myspace.com/makeida1 Wie wichtig es doch ist, MySpace als perfekte Plattform zur Selbstdar­ stellung zu nutzen, haben wir am Beispiel Muse erfolgreich gesehen. Nun ab in die Kategorie: Thema verfehlt oder voll vergeigt. Vor allem als Sänger sollte man doch auf die bemerkenswerte Stimme hinweisen. Trägt Frau den Namen Jennifer Lopez, kann man natürlich auch auf heisse Kurven hinweisen. Heisst man Makeida und ist eher unbekannt bei den Zuschauern der Grammy Verleihung, sollte man das nicht tun. Sich selbst im knappen Rock und grossen Hupen als Hintergrundbild zu wählen ist daher eher unangebracht. Bevor man überhaupt einen

Kommentar hinterlassen kann, scrollt man an unzähligen Portraits der Sängerin vorbei, die alle aus­ sehen, als wären sie von einem ‹Hi Baby, ich mach dich berühmt› Fotografen gemacht worden. Natürlich gibt es auch hier den obligatorischen Shop, der den Fan der Sängerin mit allem versorgt, was man so braucht, zum Beispiel Klingeltöne. Zielgruppe schnell erkannt. Der Hinweis, man könne den Shop besuchen, und Poster oder T-Shirts wird übrigens an die zehnmal wieder­ holt, bevor man die wichtigen Teile der Seite überhaupt erreicht hat. Die Musik ist zweitrangig und – welch Überraschung - auch zweitklassig.

Das MySpace Layout ist drittklas­ sig und über die Qualität der Fotos

lässt sich vermutlich streiten. Aber alles in allem ist das eine Seite, die im grossen weiten MySpace Universum einer qualitativ hochwertigen Seite den Platz wegnimmt. 195000 Freunde zeigen aber, dass dieser Style bei den Leuten leider auch immer noch ankommt. Ihre Musik vermutlich nicht. Nicht täuschen lassen – der Hinweis auf ihre Homepage mit dem verlockenden .com Ende ist nur ein Trick. Man landet auch nach wiederholtem Klicken wieder auf der MySpace Seite. Vermutlich die einzige Bühne auf der Makeida für immer ein Star sein wird.

Makeida R&B Singer/Songwriter UK

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versammelt Der Sammeltrieb ist wie ein geheimnis­ voller Virus, der jeden befallen kann. kinki stellt seine prächtigs­ ten Exemplare aus. Name, Vorname

Karrer, Ruedi www.jeansmuseum.org Wohnort

Zürich Beginn der Sammel­tätigkeit

Sammle seit 1973 Erstes Stück

2 Levis Jeans von ca. 1950 als Second Hand von reicher Familie von Prilly ca. 1965 als Kleiderspende geschenkt erhalten Letztes Stück

Je eine Edwin Greenville sowie Nudie Regular Ralf ungewaschene Raw Denim Jeans Teuerstes Stück

Second Hand: Ungewaschene Original G-Star US-Lumber Raw Denim Jeans 80 Fr. Neu: Ungewaschene Edwin ED-47 Rainbow Selvage Raw Denim Jeans 200 Fr. Beste Fundorte

Secondhandläden, Flohmärkte, Abfall­ deponien, Texaid, seit 1999 hauptsächlich Internet (Ebay, Farley,...) Gesamtzahl

ca. 3500 Jeansjacken, sowie 6500 Jeanshosen von 1930 bis heute Sammelgewohnheiten

Schwerpunkte sind ungewaschene Raw Denim Jeanskleider, krass totgetragene Kleider, egal wie zerfetzt, oder schmutzig, mit möglichst vielen Abnutzungsspuren und unzähligen Geschichten, sowie alle Sachen vor 1980

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