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Für ein völkerrechtliches Verbot von Uranmunition

IPPNW-Weltkongress verurteilt die britische Lieferung von DU-Munition in die Ukraine

Die Folgen des Einsatzes von Uranwaffen sind ein weiteres erschreckendes Beispiel für die langfristige Schädigung von Mensch und Natur im Krieg.

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Der IPPNW-Weltkongress in Mombasa hat den Beschluss der britischen Regierung verurteilt, zusammen mit Challenger-Panzern auch Uranmunition an die Ukraine zu liefern. Die IPPNW fordert die weltweite Ächtung dieser Munition. Jetzt wird erneut die Verseuchung ganzer Landstriche mit uranhaltigem Staub in Kauf genommen. Munition mit abgereichertem Uran ist seit Jahrzehnten Bestandteil vieler Militärarsenale – von Großbritannien, den USA, Russland, Frankreich, Griechenland, der Türkei, Israel, Pakistan, Saudi-Arabien und Thailand. Bereits in beiden Irakkriegen 1991 und 2003, in den Balkankriegen und dem Kosovokrieg 199, zuletzt auch in Afghanistan und in Syrien gab es einen massiven Einsatz dieser Munition mit verheerenden Folgen für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Uranmunition gilt als eine billige und im militärischen Sinne äußerst „effektive“ panzerbrechende Waffe, auf die das Militär im Ukrainekrieg nicht verzichten möchte. Angesichts strategischer Überlegungen „stören“ humanitäre und gesundheitliche Argumente und werden im Interesse der ungestörten Kriegsführung von den Kriegsparteien relativiert.

Das für die Uranmunition verwendete abgereicherte Uran-238 ist ein Abfallprodukt der Urananreicherung. Es fällt sowohl bei der Atomwaffenproduktion als auch bei der zivilen Nutzung der Atomenergie an und ist damit weltweit verfügbar. Natürlich vorkommendes Uran ist ein Isotopengemisch aus 99,3 % Uran-238, 0,7 % Uran-235 und 0,0055 % Uran-234. Da nur das Uran-235 für die nukleare Kettenreaktion genutzt werden kann, wird es dem Isotopengemisch in einem Anreicherungsprozess entzogen. Das übrigbleibende abgereicherte Uran-238 (DU, Depleted Uranium) wird für die DU-Geschosse verwendet. Obwohl Uran-238 ein Alphastrahler ist, können seine Zerfallsprodukte auch Gamma- und Beta-Strahlung aussenden. Uran-238 hat eine unvorstellbar lange Halbwertzeit von 4,468 Milliarden Jahren!

Uranmunition ist eine spezielle konventionelle Waffe, bei der die Geschossspitzen mit abgereichertem Uran 238 gehärtet sind. Wegen seiner extremen Dichte und damit Schwere verleiht es dem Geschoss eine hohe Durchschlagkraft. Es durchdringt Panzer und auch Bunker wie weiche Butter. Beim Aufprall entwickeln die Geschosse eine sehr große Hitze von 3.000-5.000° Grad Celsius und entzünden sich dabei selbst. Die Panzer samt Besatzung brennen aus. Bei der Explosion entsteht ein feines Uranoxid-Ae- rosol mit Partikelgrößen im Nanobereich, das sich in der Umgebung niederschlägt, aber auch mit dem Wind z.B. durch Wüstenstürme über tausende Kilometer weitergetragen werden kann. Die Partikel befinden sich in der Luft, gelangen über Pflanzen in die Nahrungskette und mit Verzögerung auch ins Trinkwasser.

Verharmlosend wird immer wieder eingewendet, Uran sei schwach radioaktiv und habe nur eine Niedrigstrahlung mit kurzer Reichweite von wenigen Zentimetern in der Luft und wenigen Millimetern im Gewebe. Dadurch sei es insgesamt ungefährlich und würde schon z. B. durch Kleidung abgeschirmt. Diese Betrachtungsweise berücksichtigt jedoch nur die physikalische Aktivität, gemessen in Bequerell. Doch für die gesundheitlichen Auswirkungen entscheidend ist die biologische Aktivität, gemessen in Sievert. Sie ist abhängig von der Art der Strahlung, der chemischen Form der Stoffe, der individuellen Strahlensensibilität (Mann, Frau, Kind, Ungeborenes), der biologischen Halbwertzeit im Körper und schließlich von der Art der Aufnahme. Eine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht insbesondere dann, wenn diese Alphastrahler in den menschlichen Körper gelangen, d.h. durch die Atemluft oder mit Nahrung und Wasser inkorporiert werden. Hier genügt auch eine sehr geringe Reichweite der Strahlung, um Zellen zu schädigen.

Uran-238 schädigt die Gesundheit gleich in zweifacher Hinsicht, als hochgiftiges Schwermetall sowie als radioaktiver Alpha-Strahler. In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass sich die Chemo- und Radiotoxizität gegenseitig verstärken, besonders in Bezug auf die Entstehung von Tumoren.

Uran ist wie alle Schwermetalle ein Zellgift. Es ist in der Lage, Chromosomenschäden zu verursachen. Es schädigt insbesondere die Nieren. IPPNW-Mitglied Prof. Ulrich Gottstein hat in den 90er Jahren im Rahmen der Irak-Kinderhilfe in Basra viele Kinder mit Niereninsuffizienz gesehen. Diese Kinder lebten in DU-verseuchten Gebieten und hatten die zerschossenen Panzerwracks als Spielplatz genutzt. DU ist neurotoxisch, schädigt das Nervensystem und auch das Gehirn, da es die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Ein großer Teil des Schwermetalls wird in den Knochen gespeichert und kann dadurch Leukämie auslösen. Durch die Alphastrahlung wirkt Uran außerdem mutagen und karzinogen. Es erzeugt so typische Chromosomenschäden, dass diese als biologische Indikatoren für ionisierende Niedrigstrahlung angesehen werden können. Die veränderten Chromosomen müssen als Krebsvorstufen betrachtet werden. Sowohl bei den Balkankriegs-Veteranen, den Golfkriegs-Veteranen, als auch bei der Zivilbevölkerung kam es zu einem deutlichen Anstieg von Leukä- mien, Lymphomen und anderen Krebserkrankungen. Uran wirkt sowohl teratogen als auch mutagen – es ist embryo- und genschädigend. Bei den Kindern von Golfkriegsveteranen, so wie auch bei Kindern in Basra und Falludschah traten gehäuft Fehlbildungen wie Neuralrohrdefekte, Herzfehler und Missbildungen an den Extremitäten auf. Italien hat 2009 den kausalen Zusammenhang von DU-Munition und bestimmten Krebserkrankungen anerkannt und für erkrankte Soldaten einen Entschädigungsfond bereitgestellt.

Allein im Balkankrieg 1999 wurden durch die NATO nach eigenen Angaben ca. zehn Tonnen abgereichertes Uran verschossen, der größte Teil davon im Kosovo (ippnw.de/bit/icbuw). Im Irak stand die Stadt Falludscha 2004 unter wochenlangem Beschuss durch die US-Armee – Auskunft über die eingesetzten Waffen haben die USA bis heute nicht gegeben. Zwischen 2004 und 2009 hatte sich hier die Krebsrate bei Kindern um das Zwölffache erhöht, schwere angeborene Fehlbildungen um das 15-fache. Die Häufigkeit von Lymph- und Gehirntumoren ist gestiegen. Leukämie erhöhte sich um das 38-fache und Brustkrebs um das Zehnfache.

Das Militär weiß um die Gesundheitsgefährdung durch Uranmunition. So erhalten Bundeswehrsoldat*innen z.B. detaillierte Schutzvorschriften (Handschuhe, Atemschutzmasken), wenn sie in betroffene Gebiete geschickt werden. Die Bevölkerung jedoch ist dem Uranstaub schutzlos ausgeliefert.

Bei einer Halbwertzeit von knapp 4,5 Milliarden Jahren erübrigt sich eine „natürliche Dekontamination“ der Gebiete. Eine Entsorgung der strahlenden und toxischen Rückstände ist so gut wie unmöglich. Wie sollen die in die Umwelt gebrachten uranhaltigen Nanostäube wieder eingefangen werden?

Inzwischen arbeiten Militärs weltweit an Alternativen zu der „kostengünstigen und effektiven“ Uranmunition, obwohl diese Waffe nach eigenen Angaben absolut unbedenklich sei. Vielfach wird jetzt Wolfram verwendet, ein ebenfalls toxisches Schwermetall, das aber nicht radioaktiv ist. Die Bundeswehr verfügt nicht über Uranmunition, hatte aber bis vor kurzem panzerbrechende „Milan-Raketen“ in ihrem Arsenal, die sie 2016 an die kurdischen Peschmerga geliefert hat. Diese Raketen enthalten anstatt des Urans radioaktives Thorium, ebenfalls toxisch, aber etwas schwächer radioaktiv – mit einer Halbwertzeit von unvorstellbaren 14,05 Milliarden Jahren! Die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind ähnlich. Erst vor kurzem lieferte die Bundeswehr ihre alten Marder-Panzer, die üblicherweise mit Milan-Raketen ausgerüstet waren, an die Ukraine. Genaue Informationen zur gelieferten Munition sind nicht verfügbar.

Zwar beteuern viele Regierungen, sie würden jetzt auf die Produktion von Uranmunition verzichten. Sie verschweigen, dass sie ihre Altbestände beibehalten und bevorzugt in die Kriegsgebiete der Welt schicken. Das geschieht zur Zeit in großem Maßstab im Ukrainekrieg in Form von „Ringtauschen“. Auch dazu gibt es keine verlässlichen Informationen. Der Bestand an Uranmunition ist unbekannt.

Seit langem fordern die IPPNW und die Internationale Koalition zur Ächtung von Uranwaffen (ICBUW) deren völkerrechtliches Verbot. Den Opfern muss geholfen werden und die Umweltschäden, sofern möglich, müssen minimiert werden. Leider gibt es – anders als beim von ICAN initiierten Atomwaffenverbotsvertrag der UNO – noch kein Vertragswerk, das diese Waffengattung ächtet und verbietet. Der Einsatz von Uranmunition verletzt Standards des humanitären Völkerrechts, des internationalen Menschenrechtsschutzes und des Umweltrechts. „Der Einsatz von DU-Waffen gehört zu den besonders verabscheuungswürdigen Formen der Kriegführung, die den Krieg für unabsehbare Zeit in den Frieden hinein verlängern“, so ICBUW.

Weiterlesen:

IPPNW-Resolution: ippnw.de/bit/weltkongress

IPPNW/ICBUW-Report zu den gesundheitlichen Folgen von Uranmunition: ippnw.de/bit/DU-Report

Ute Rippel-Lau ist Vorstandsmitglied der deutschen IPPNW.

Ute Rippel-Lau ist Vorstandsmitglied der deutschen IPPNW.