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bis der letzte Staat beigetreten ist

Wir werden nicht ruhen, bis der letzte Staat beigetreten ist!

Das erste Treffen der Vertragsstaaten – ein Überblick

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Vom 21.-23. Juni 2022 nahmen wir – eine zwölfköpfige IPPNW-Gruppe – an der ersten Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) der UN in Wien teil und einen Tag davor an der Humanitären Konferenz zu Nuklearwaffen, die das österreichische Außenministerium ausrichtete. Beeindruckend und uns höchst motivierend war die positive Energie, die von den vielen Delegierten aus aller Welt ausging, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen, beeindruckend auch die Offenheit der Konferenz: Jeder konnte jeden ansprechen, egal ob Vertreter*innen eines Staates, der zahlreichen NGOs oder Angehörige der Presse. Redebeiträge, die vorher angemeldet werden mussten, kamen auch von Beobachterstaaten wie Deutschland, von Atomwaffenopfern aus Hiroshima und Nagasaki oder der Atombombentests im Pazifik – immer wieder aufwühlend – und von NGO-Vertreter*innen.

Zunächst wurden Statements der teilnehmenden Staaten zum AVV abgegeben (66 Staaten haben den Vertrag inzwischen ratifiziert), später zu Inhalten des Vertrages, z.B. zu der Frage, wie eine weitere Verbreitung erreicht werden kann oder eine weitere Forschung zu nuklearen Fragen. Zur friedlichen Nutzung der Atomkraft kamen auch positive Statements.

Unverkennbar war der Stolz der Pazifikstaaten und der mittelamerikanischen Staaten auf ihre atomwaffenfreien Zonen. Deutschlands Vertreter betonte unmissverständlich, dass die Bundesregierung den AVV nicht unterschreiben werde, sondern zur „nuklearen Teilhabe“ der NATO stehe. Ebenso äußerten sich die Beobachterstaaten Niederlande und Norwegen, letzteres ohne nukleare Teilhabe. Im deutschen Redebeitrag sahen einige dennoch einen kleinen positiven Schritt in Richtung AVV in der Aussage, Deutschland stehe Schulter an Schulter mit denen, die Abrüstung als Ziel hätten. Außerdem könne eine Beteiligung an einem Fond zur Entschädigung der Atombombenopfer, auch der Atombombentestopfer, diskutiert werden, wenn diese Beteiligung außerhalb des AVV stattfinden könne.

In Europa haben den Vertrag bis jetzt nur Österreich, Irland, Malta und der Vatikan ratifiziert. Doch sein Einfluss wächst: in Südamerika, Afrika, eventuell auch in Australien. Japan als einziges Land mit dem Schicksal eines Atombombenabwurfs war staatlich offiziell nicht vertreten, dafür durch einzelne Parlamentarier*innen, die Atomwaffenopfer und durch viel Presse.

Am Vortag der AVV-Konferenz wurden auf der Humanitären Konferenz zu Nuklearwaffen durch Expert*innen erneut die katastrophalen Folgen eines – selbst eines begrenzten Atomschlages durch eine sogenannte „kleine“ Bombe – dargestellt: Es gäbe nicht nur hunderttausende Tote und Verletzte, die keine Hilfe erhalten würden (in Hiroshima und Nagasaki waren 1945 mindestens 80 % des medizinischen Personals selbst betroffen). Auch die Infrastruktur eines noch so gut organisierten Landes würde völlig zusammenbrechen, das heißt, auch die Nahrungsmittelversorgung.

Im Falle eines nuklearen Schlagabtausches droht ein nuklearer Winter mit massiven Temperaturabsenkungen bis hin zu einer Eiszeit, mit Veränderungen der Niederschläge und starker Verminderung der Sonneneinstrahlung, was wiederum einen Ausfall der landwirtschaftlichen Produktion mit Hungersnöten zur Folge hätte (siehe auch S. 28f.). Mit Strahlungsfolgen bei den Überlebenden wäre zu rechnen: Krebs, Strahlenkrankheiten der Haut, des Magendarmtraktes, des vaskulären Systems, Aborte, Fehlbildungen, usw. „Die Überlebenden werden die Toten beneiden“. E in Vortrag beschäftigte sich mit Studien zu gender-abhängigen Strahlungsfolgen: nicht nur Kinder bis fünf Jahren sind am meisten betroffen, da am empfindlichsten, sondern auch Erwachsene nach Geschlecht unterschiedlich, Frauen zu Männern im Verhältnis drei zu zwei.

Immer wieder wurde auf die Gefahr eines Atomkrieges in der jetzigen politischen Situation hingewiesen, nicht nur durch den Ukrainekrieg, sondern auch durch die vorher schon begonnene Aufrüstung. Die Drohungen mit Atomwaffen stellen einen Tabubruch dar. Das aus einer anderen Zeit stammende System der Abschreckung schützt uns in keiner Weise, sondern stellt eine riesige Gefährdung dar. Darüber hinaus machen die Atomwaffenstaaten im globalen Norden die atomwaffenfreien Staaten erpressbar und halten damit koloniale Strukturen aufrecht.

Bis jetzt ist ein Atomkrieg durch einen Fehlalarm, wie er schon oft drohte, nur durch die mutige und kluge Reaktion von fähigen Mitmenschen vermieden worden, aber nicht durch staatliche Kontrollsysteme. Die Unterzeichnerstaaten des AVV waren sich einig, dass der existenziellen Gefahr, die von Atomwaffen ausgeht, nur durch ihre Abschaffung begegnet werden kann.

Sigrid KloseSchlesier ist Mitglied der IPPNW-Regionalgruppe Hamburg.