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Atomwaffen sind jetzt verboten. Halten wir uns daran

Ein Statement aus drei NATO-Mitgliedsstaaten

In Deutschland, Belgien und den Niederlanden lagern US-amerikanische Atombomben. Ein neuer internationaler Vertrag verbietet nun Besitz, Nutzung und solche Stationierungen. Die drei Länder sollten konstruktiv mit dem neuen Abkommen umgehen. Am 22. Januar 2021 ist der der Kernwaffenverbotsvertrag in Kraft getreten. Das neue internationale Abkommen verbietet seinen Mitgliedstaaten Entwicklung, Herstellung, Besitz und Tests von Atomwaffen. Ebenso untersagt ist deren Einsatz und auch die bloße Androhung einer Nutzung. Damit zielt der Vertrag auf die Behebung einer permanenten globalen Bedrohung: Jeder Einsatz von Atomwaffen, selbst von wenigen, hätte katastrophale humanitäre und ökologische Folgen. Bis jetzt sind 52 Staaten dem Abkommen beigetreten, 34 weitere haben ihn unterzeichnet. Der Beitritt zusätzlicher Staaten ist zu erwarten.

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Unsere Regierungen – wir leben in Deutschland, Belgien, und den Niederlanden – sprechen sich gegen das neue Abkommen aus. Lediglich die Niederlande nahmen an der Konferenz zur Verhandlung des Vertrags teil. In öffentlichen Stellungnahmen befürworten alle drei Regierungen zwar eine atomwaffenfreie Welt, wie sie auch der Atomwaffensperrvertrag von 1968 vorsieht. Doch diese wird nicht durch Reden und Stellungnahmen Realität. Stattdessen sind entschlossene, konkrete Schritte notwendig.

Wir setzen uns dafür ein, dass Deutschland, Belgien und die Niederlande den Kernwaffenverbotsvertrag zunächst unterstützen, und ihm zu gegebener Zeit beitreten. Vier Gründe sprechen dafür: Erstens würde ein solches Vorgehen die Rhetorik einer Welt ohne Atomwaffen mit dem konkreten politischen Handeln unserer Länder in Einklang bringen. Zweitens könnten sie so die zukünftige Entwicklung des Vertrags, auch in ihrem Sinne, beeinflussen. Drittens wird der Vertrag von den Bevölkerungen unserer drei Länder befürwortet. Umfragen zeigen dort regelmäßig klare Mehrheiten für einen Beitritt. Und viertens würde ein solcher Schritt auch dazu beitragen, den Atomwaffensperrvertrag zu stärken. Unsere Regierungen sollten sich endlich für einen Abzug der Atomwaffen durch die Vereinigten Staaten einsetzen und damit die potenzielle Mitwirkung ihrer Bürgerinnen und Bürger an einem möglichen Atomkrieg ausschließen.

Eine weitere Besonderheit eint unsere drei Länder. In allen sind derzeit amerikanische Atomwaffen stationiert. Im Rahmen dieser nuklearen Teilhabe ist vorgesehen, dass deutsche, belgische oder niederländische Piloten die Waffen mit nationalen Flugzeugen einsetzen. Regelmäßig wird diese Praxis kritisiert. So haben in allen drei Ländern die Parlamente in entsprechenden Resolutionen den Abzug der amerikanischen Kernwaffen gefordert. Mit dem neuen Kernwaffenverbotsvertrag wäre die Stationierung von Atomwaffen eines anderen Landes verboten. Wir meinen, dass die Kernwaffen in unseren Ländern Relikte des Kalten Kriegs sind – heute ohne militärischen Nutzen. Unsere Regierungen sollten sich endlich für einen Abzug der Atomwaffen durch die Vereinigten Staaten einsetzen und damit die potenzielle Mitwirkung ihrer Bürgerinnen und Bürger an einem möglichen Atomkrieg ausschließen.

Als NATO-Mitglieder sind Deutschland, Belgien und die Niederlande in die weiteren Nuklearplanungen des Bündnisses eingebunden. Mit der Drohung des Einsatzes von Kernwaffen zu Verteidigungszwecken versuchen unsere Regierungen, Sicherheit mittels Massenvernichtungswaffen von verheerender Wirkung zu garantieren. Eine solche Politik kann auf Dauer keine Sicherheit bieten. Es ist nötig, dass das Verteidigungsbündnis beginnt, wirksame nicht-nukleare Abschreckungsstrategien zu diskutie-

FEIER UND DEMONSTRATION FÜR DAS ATOMWAFFENVERBOT, VOR DEM KANZLERAMT IN BERLIN, 22. JANUAR 2021

ren. Darüber hinaus sollten die USA und Russland den „New START“-Vertrag verlängern und bilaterale Verhandlungen über einen Nachfolgevertrag aufnehmen, der auch taktische Atomwaffen einschließt.

Leider gibt es aus den Reihen unserer Regierungen vor allem Kritik am Verbotsvertrag. So wird argumentiert, der Vertrag hätte allenfalls symbolischen Wert, oder sei eine Gefahr für die internationale Sicherheit. Aus unserer Sicht sind diese Argumente schlichtweg falsch. Der Vertrag ist ein wirksames völkerrechtliches Instrument und bindet alle Vertragsstaaten, die entsprechenden Verbote zu befolgen. So ist der Vertrag auch die erste gültige Vereinbarung zum Verbot von Atomtests. Der Kernwaffenteststopp-Vertrag, der dies eigentlich garantieren soll, ist seit nunmehr 25 Jahren nicht in Kraft getreten – auch weil die USA und China ihn bisher nicht ratifiziert haben. Der Verbotsvertrag und der existierende Nichtverbreitungsvertrag sind auch rechtlich nicht inkompatibel. Dies bestätigte gerade der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages und sieht beide Verträge als Teil einer gemeinsamen Abrüstungsarchitektur.

Darüber hinaus entfaltet der neue Vertrag bereits konkrete Wirkung. Finanzakteure wie Pensions- und Investmentfonds – etwa in den Niederlanden – sowie Banken, darunter auch die Deutsche Bank, berücksichtigen das Kernwaffenverbot schon jetzt in ihren Investitionsentscheidungen. So wird eine Beteiligung an Unternehmen, die an der Produktion von Atomwaffen beteiligt sind, ausgeschlossen. Zu guter Letzt bestätigt das Verhalten der Vertragsgegner die wirkliche Bedeutung des Abkommens. So hat etwa die NATO im Dezember 2020 ihre Fundamentalopposition gegenüber dem Vertrag noch einmal in einer deutlichen Erklärung wiederholt. Warum diese Haltung, wenn der Vertrag doch angeblich nur symbolischen Wert hätte? statt. Deutschland, Belgien und die Niederlande sollten diese Gelegenheit nutzen und als Beobachter teilnehmen. Ein solcher Austausch würde unsere Länder zunächst zu gar nichts verpflichten. Sie könnten jedoch mit diesem Schritt eine Abkehr von ihrer bisher ablehnenden und teils abwertenden Haltung signalisieren. Die Belgische Regierungsvereinbarung von September 2020 ist hier ein Beginn. Internationale Diplomatie profitiert von konstruktivem Engagement. Auch die anstehende Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags würde davon profitieren.

Der Kernwaffenverbotsvertrag ist ein deutliches Zeichen, dass eine wachsende Zahl von Staaten das Versprechen einer kernwaffenfreien Welt ernst nimmt. Westeuropa sollte sich diesem Ansinnen nicht verschließen. Deutschland, Belgien und die Niederlande sollten gemeinsam am Abzug der amerikanischen Kernwaffen arbeiten und dem Verbotsvertrag möglichst bald beitreten. Damit könnten sie ihren bisherigen Worten auch Taten folgen lassen.

Der Beitrag ist am 22. Januar auf Spiegel Online und in den Tageszeitungen De Volkskrant (Niederlande), De Morgen und Le Soir (Belgien) erschienen.

Jan Hoekema ist der Vorsitzende von Pugwash Niederlande und ehemaliger Botschafter, Bürgermeister und Abgeordneter. Tom Sauer ist Professor für Internationale Politik an der Universität Antwerpen. Er engagiert sich bei „Pugwash Conferences on Science and World Affairs“. Moritz Kütt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Auch er engagiert sich bei „Pugwash Conferences on Science and World Affairs“.