IPPNW-Thema: „Nukleare Aufrüstung in Europa: Höchste Zeit für das Atomwaffenverbot“, September 2019

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Sept ember 2019 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

Nukleare Aufrüstung in Europa: Höchste Zeit für das Atomwaffenverbot!


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Ende der Abrüstung Das Aus für den INF-Vertrag: ein neues Wettrüsten ist im Gange

Am 2. August 2019 ist mit dem INF-Vertrag eine Ära der europäischen Sicherheit zu Ende gegangen.

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er 1987 geschlossene Mittelstreckenraketenvertrag war nicht nur ein Verdienst von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow, sondern auch der Protestbewegung der 1980er Jahre. Durch diesen wurde eine gesamte Waffenkategorie verboten und abgerüstet. Er ebnete den Weg für eine Reihe weiterer Abrüstungsabkommen und Rüstungskontrollverträge, die Europa seitdem schützten. Nun, kaum zwei Wochen nach dem Auslaufen des Vertrages, gab es die ersten Toten. Ein Unfall bei der Entwicklung einer neuen atomgetriebenen Rakete in Russland tötete mindestens fünf Menschen und ließ Radioaktivität frei. Das Wettrüsten des Kalten Krieges verursachte eine Vielzahl kleiner Katastrophen, die Mensch und Umwelt verseuchten. Das Testen neuer Technologien bringt häufig Opfer mit sich und dieser neue Unfall mahnt uns, das nicht zu vergessen. Nur ein Paar Tage nach dem russischen Atomunfall testeten die USA einen neuen Marschflugkörper, der unter dem INFVertrag verboten gewesen wäre. Zudem wurde als Startvorrichtung das System verwendet, das Russland als einen Verstoß gegen den INF beklagt hat und die USA stets als „nur defensiv“ bezeichnet hat, weil sie für die Raketenabwehr in Rumänien und Polen stationiert ist. Damit ist

es wohl bestätigt, dass diese Startsystem auch offensiv verwendet werden kann. 2021 geht mit dem Auslaufen des letzten Abrüstungsvertrages zwischen den USA und Russland „New START“ auch die Abrüstung zu Ende. Es gibt keine Anzeichen, dass der, von Obama 2013 angebotene, nächste Vertrag tatsächlich entstehen wird. Donald Trump und Wladimir Putin haben andere Ideen. Laut SIPRI bauen alle Atomwaffenstaaten ihre Arsenale aus – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Aber auch wenn die asiatischen Atomwaffenstaaten (Nordkorea, China, Indien und Pakistan) immer mehr Atomwaffen anschaffen, erreichen sie lange nicht die Größe der Arsenale der beiden großen Atomwaffenstaaten. Die USA und Russland besitzen nach wie vor mehr als 90 Prozent des weltweiten Atomwaffenbestandes.

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eltweit gibt es noch 13.865 Atomwaffen. 3.750 davon sind betriebsbereit und fast 2.000 werden auf höchster Alarmstufe (Launch on Warning) gehalten. 10.115 befinden sich entweder im Lager (sind aber teilweise auch schnell wieder einsetzbar) oder sind bereits für die Abrüstung vorgesehen. Das Ende der Abrüstung wird womöglich dazu führen, dass mindestens 11.500 dieser Atomwaffen weltweit erhalten bleiben. Kehrt sich der aktuelle Trend nicht um, wird diese Zahl womöglich sogar wachsen. 1

Die USA kaufen im großen Stil ein Schon unter Obama wurde ein massives Modernisierungsprogramm beschlossen. Angeblich war dieser Beschluss notwendig, um den NEW-START-Vertrag überhaupt durch den US-Kongress zu bekommen. Alle alten Atomwaffensysteme in der Triade – land-, see- oder luftgestützt – sowie alle Trägersysteme (Raketen, U-Boote und Flugzeuge) und Sprengköpfe sollten durch neue, verbesserte Systeme ersetzt werden. Dazu sollte das Befehls- und Kontrollsystem überholt und die gesamte Infrastruktur erneuert werden. Bereits dabei war die sogenannte Life Extension Programm der B61 – die Atombombe, die in Büchel lagert. Die neue B61-12 geht demnächst in Serienproduktion und alle Atombomben in Europa sollen bis 2024 ausgetauscht werden. Die B61-12 braucht ein neues Trägerflugzeug, um die neuen digitalen Eigenschaften einzusetzen. Darüber streitet jetzt die Politik in Deutschland (siehe Artikel von Gerhard Piper, auf S. 28f.). Die Kosten für das Modernisierungsprogramm belaufen sich über die nächsten 30 Jahre laut Congressional Budget Office 2017 auf 1,2 Billionen US-Dollar. Rechnet man die Inflation ein, sind es eher 1,7 Billionen. Nein, das ist kein Schreibfehler, es sind tatsächlich Billionen. Mit Trumps neuer Atomwaffendoktrin werden diese Kosten nicht mehr einzuhalten sein. Denn er will nicht nur die alten Atomwaffen ersetzen, sondern zusätzlich neue


bauen. Es soll mindestens einen neuen Langstrecken-Marschflugkörper und eine neue ballistische Rakete mit geringer Sprengkraft geben. 2019 hatte die TrumpAdministration für Atomwaffen schon ein Budget von elf Milliarden US-Dollar. Das sind fast 20 Prozent mehr als im Jahr 2017 unter Obama. Zudem will er neue konventionelle Mittelstreckenraketen bauen lassen, die für den „Prompt Global Strike“ (PGS) einsetzbar wären. Der PGS soll es ermöglichen, dass die USA jedes beliebige Ziel weltweit binnen kürzester Zeit zerstören kann. Für dieses Programm war es auch wichtig, dass der INF-Vertrag und die damit einhergehenden Verpflichtungen eliminiert wurden. Auch wenn diese Raketen nur konventionelle Sprengköpfe tragen sollen, sehen sie aus wie Atomraketen und könnten wegen der Launch-onWarning-Stellung bewirken, dass ein Fehlalarm einen Atomkrieg auslösen würde. Der Vizevorsitzende des Stabchefs, General Selva, erklärte dem Kongressausschuss für Streitkräfte im März 2017, dass die USA qualitativ im Vorteil seien, obwohl Russland und China ihre Modernisierungsprogramme fortsetzten. Technisch haben die USA also weiterhin die Nase vorne. Russland will strategische Stabilität Auch wenn Russland sein gesamtes Atomwaffenarsenal ebenfalls modernisiert, steht dort wegen der finanziellen Krise deutlich weniger Geld zur Verfügung als in den USA. Auch hier werden alle drei Komponenten der Triade ausgetauscht. Das Ziel des Programms ist jedoch vor allem das nukleare

Gleichgewicht und damit die „strategische Stabilität“ beizubehalten. Sie interessieren sich für eine glaubwürdige Abschreckung durch den massiven Vergeltungsschlag und haben keine Erstschlagstrategie. Die US-Raketenabwehr ist ein treibender Faktor für die Aufrüstung Russlands, das sich seit dem Ausstieg der USA aus dem ABM-Vertrag im Juni 2002 bedroht fühlt. Wladimir Putin sucht Wege, um das USRaketenabwehrsystem zu überwinden. Die neue „Sarmat“-Interkontinentalrakete mit Mehrfachsprengköpfen wurde explizit dafür entwickelt. Auch das neue „Boost-Glide“Vehikel „Awangard“, das in der Stratosphäre Überschallgeschwindigkeiten erreichen sollte, wurde in den 1980er Jahren ursprünglich als Antwort auf Reagans „Star Wars“-Programm konzipiert und nun wegen der Raketenabwehr wiederbelebt. Putin stellte diese Waffe im März 2018 vor und erklärte, damit einen technischen Durchbruch erreicht zu haben. Die Waffe soll die russische Zweitschlagfähigkeit sichern. Atomwaffenindustrie heizt Wettrüsten an Sowohl in den USA als auch in Russland ist die Industrie ein starker Player. Das russische Verteidigungsministerium wird im Prozess der Entwicklung von Rüstungsprogrammen weniger durch strategische Gedanken als vielmehr durch die Industrie geleitet, die neuen Projekte vorschlägt. Das Ministerium entscheidet daraufhin, hauptsächlich aus finanziellen oder innerpolitischen Gründen, ob es diese Projekte bewilligt. 2

In den USA ist die Beziehung zwischen Industrie und Politik noch verzwickter. Laut dem ARD-Dokumentarfilm „Das Atomwaffenkartell“ finanzieren wichtige Rüstungskonzerne Think Tanks wie den „Atlantic Council“ und das „Center for a New American Security“, die an der Atomwaffendoktrin der Trump-Administration mitarbeiten. So entstehen Rüstungsprogramme, die diesen Konzernen Milliardenbeträge einbringen. Leider bringt Abrüstung diesen Firmen keinen Gewinn. Auch bei der Anschaffung von Atomwaffensystemen spielt die Industrie eine nicht unerhebliche Rolle.

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abei wird deutlich, dass neue Vorstöße für atomare Abrüstung sicherlich nicht aus den USA oder aus Russland kommen werden. Wir müssen daher weiterhin auf die atomwaffenfreien Staaten setzen, die ein Atomwaffenverbot unterstützen und mehr Regierungen dafür gewinnen. Die Arbeit zur Verhinderung eines Atomkrieges ist wichtiger als je zuvor und muss als Pflicht der Bundesregierung ernst genommen werden. Die IPPNW schlägt als ersten Schritt ein Verbot von Mittelstreckenraketen in Europa vor.

Xanthe Hall ist Atomwaffencampaignerin und Leiterin der Geschäftsstelle der deutschen IPPNW.

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DIE US-AMERIKANISCHE DELEGATION BEIM AKTIONSFESTIVAL IN BÜCHEL.


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Zwei Jahre Atomwaffenverbot Deutschland muss sich für Abrüstung einsetzen

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ei ihrer Predigt auf dem Aktionsfestival zum zweiten Jahrestag des Atomwaffenverbots in Büchel sagt Margot Käßmann mit Blick auf Aussagen von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Trump: „Angesichts solcher Aussagen von Menschen, die Verantwortung tragen, muss es uns doch gruseln. Da ist Widerspruch gefragt.“ Die Worte der Theologin geben den Aktivist*innen, Kirchenvertreter*innen und Abgeordneten, die sich seit Jahren für den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen einsetzen, neuen Enthusiasmus. Der Vertrag, im Juli 2017 durch die UN verabschiedet, verbietet erstmals unter anderem den Einsatz aber auch die Drohung mit Atomwaffen sowie deren Stationierung. Zwei Jahre nach Verabschiedung haben bereits 25 Staaten den Verbotsvertrag ratifiziert, darunter Österreich, Südafrika und der Vatikan. Insgesamt 70 Staaten haben unterschrieben. Drei Monate nach der 50. Ratifikation tritt der Vertrag in Kraft. Doch auch in Ländern, die einen Beitritt weiterhin ablehnen – unter anderem Deutschland – verändert sich die Debatte. Beispielsweise wird die Finanzierung von Atomwaffenkomponenten nicht mehr grundsätzlich als legitim angesehen – so hat unter anderem die Deutsche Bank ihre Richtlinie zu Investitionen in Atomwaffen geändert. Diesen Ankündigungen müssen allerdings noch Taten folgen. Außerdem ist das Atomwaffenverbot auf der kommunalen Ebene angekommen. Von

München bis Kiel entscheiden Städte und Bürgermeister*innen, deutschlandweit bisher 43, das Atomwaffenverbot zu unterstützen und die Bundesregierung zum Beitritt aufzufordern. 507 deutsche Abgeordnete auf Landes- Bundes- und EUEbene haben bis jetzt die ICAN-Abgeordnetenerklärung unterschrieben.

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ennoch hält die Bundesregierung an ihrer Doppelmoral fest: Einerseits bekennt man sich zu Global Zero und mahnt Nordkorea und Iran zur Abrüstung. Andererseits heißt es im Jahresabrüstungsbericht der Bundesregierung 2018 „Gleichzeitig hält sie [die Bundesregierung] angesichts der sicherheitspolitischen Realität ein sofortiges Verbot von Nuklearwaffen auch weiterhin für nicht geeignet (…)“. Statt eine wirkliche Debatte zum Verbotsvertrag anzuregen und diesen als Impuls und Bestärkung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) zu interpretieren, blockiert man den Ächtungsprozess weiterhin. Das ist umso bedenklicher, da 2020 die nächste NVV-Überprüfungskonferenz ansteht. Mit den drei Säulen – Nichtweiterverbreitung, Abrüstung und Zivile Nutzung der Kernenergie – bildet der NVV seit 1968 die grundlegende Rüstungskontrollarchitektur. Doch mit der Aufkündigung des Iran-Abkommens und dem ungelösten Nordkorea-Konflikt stehen die Zeichen für die nukleare Nichtverbreitung derzeit eher schlecht. Auch konnten einige der seit 2010 beschlossenen konkreten Abrüstungsschritte – u.a. die Konferenz zur Massen3

vernichtungswaffenfreien Zone im Nahen Osten – nicht umgesetzt werden. Gleichzeitig werden die Atomwaffenarsenale unter anderem in Indien und China ausgebaut, in den USA und Russland laufen „Modernisierungsmaßnahmen“, um bestehende Waffensysteme einsatzfähiger zu machen. Das verstößt gegen den Geist des NVV und frustriert die Mehrheit der Staatengemeinschaft zunehmend.

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mso wichtiger ist es, dass Deutschland seine Rolle für die anstehende Überprüfungskonferenz neu definiert. Oft wurde behauptet, der Verbotsvertrag spalte die internationale Gemeinschaft und damit die Mitglieder des Nichtverbreitungsvertrages. Dieses Argument ist nicht haltbar. Die durch den Verbotsvertrag sichtbar gewordene Spaltung der internationalen Gemeinschaft in Atomwaffenbefürworter und Gegner ist nur ein Symptom der bereits seit Jahrzehnten bestehenden Spannungen. Deutschland sollte sich bemühen, als Mediator zu agieren und eine ehrliche Debatte zur Atompolitik anzuleiten. Denn nur durch Ehrlichkeit erwächst Vertrauen – und das ist schließlich die Grundlage für Abrüstung.

Anne Balzer ist Referentin für Öffentlichkeitsarbeit bei ICAN Deutschland.


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Angeklagt: Atomwaffen Aktivist*innen wehren sich gegen juristische Verfolgung für ein Go-In

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iviler Ungehorsam und gewaltfreier Widerstand gegen Unrecht und gewalttätige Politik werden in unserer Gesellschaft wieder populärer. Die Anti-Atom-, die Klimaschutzbewegung und antimilitaristische Bewegungen haben gezeigt, dass dieses politische Instrument ein notwendiges und wichtiges Werkzeug zum Umdenken in der Gesellschaft und bei politischen Entscheidungsträgern ist. Das gilt auch für die Atomwaffenpolitik der Bundesregierung, die seit Jahren trotz drohender atomarer Aufrüstung in eine Lethargie verfallen ist und an einem überkommenden Sicherheitsdenken ideologisch festhält. In vielen Fällen verzichtet die Staatsanwaltschaft auf die juristische Verfolgung der Regelübertretung, aus Legitimationsgründen, Kapazitätsgründen oder einfach aus der Überlegung, solche Aktionen ins Leere laufen zu lassen. Nur da, wo es den militärischen Strukturen wirklich wehtut bzw. ihre Legitimation direkt in Frage gestellt wird, z.B. beim unbefugten Betreten ihres abgeschotteten Geländes, möchte man offensichtlich durch Kriminalisierung den Kreis der Aktivist*innen niedrig halten, um den Schein der Legalität des praktizierten Unrechts aufrechtzuerhalten. Die Prozesskampagne „Wider§spruch“ begreift sich als Teil des gewaltfreien Widerstandes gegen die Atomwaffen in Büchel und der völkerrechtswidrigen Atomwaffenpolitik der deutschen Bundesregierung. „Wider§spruch“ wurde gegründet, nachdem eine Gruppe von neun Aktivist*innen

2016 aus Protest gegen die atomare Teilhabe die Landebahn besetzten, um so den völkerrechtswidrigen Übungsbetrieb für einen Atomwaffenabwurf zu stören. Solche und ähnliche Go-In-Aktionen hat es vor- und auch nachher immer wieder gegeben. In den nachfolgenden Prozessen wurden alle (bis auf einen) zu Geldstrafen verurteilt. Sieben Aktivist*innen haben beschlossen, die Geldstrafe nicht zu begleichen, sondern ihren Widerstand durch alle Gerichtsinstanzen fortzusetzen, um vielleicht beim Bundesverfassungsgericht endlich die notwendige Anerkennung der völkerrechts- und verfassungsrechtswidrigen Atomwaffenpolitik zu erlangen. Vorbild sind die Blockadeprozesse der 80er Jahre gegen die Mittelstreckenraketen in Mutlangen, die schließlich zu dem für uns positiven Blockadeurteil des Bundesverfassungsgerichtes geführt haben.

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as auf zivilrechtlichem Wege offensichtlich mit der Nichtannahme der Verfassungsklage von Elke Koller blockiert ist, soll nun über die strafrechtliche Schiene bis in die höchsten Instanzen getragen werden. Die Prozesskampagne hat mittlerweile die notwendigen Strukturen zum Durchhalten dieses „steinigen“ Weges geschaffen. In mehreren Fachtagen haben wir uns mit Völkerrecht und Strafrecht auseinander gesetzt und uns fortgebildet. Wir holen uns rechtlichen Rat bei Rechtsbeistand, Rechtsanwälten und der IALANA. Wir sammeln Geld, um Sicherheiten für den Einzelnen zu schaffen. „Niemand wird 4

mit den Kosten alleingelassen.“ Wir haben öffentlichkeitswirksame Kampagnen geführt, zum einen zu den Prozessen, zum anderen zur Umschuldung der zu bezahlenden Tagessätze. Bisheriger Höhepunkt in diesem Jahr war die Organisation einer „Mahnwache hinter Gittern“ in Hildesheim. Zur gemeinsamen Vorbereitung der Prozesse haben wir entsprechende Beweisanträge erarbeitet, uns in unseren persönlichen Stellungnahmen abgesprochen und ergänzt und eine Prozess-Choreographie überlegt. Die Prozesse werden durch regelmäßige Mahnwachen begleitet und beobachtet. In mehreren Städten haben wir öffentliche Veranstaltungen mit örtlichen Initiativen durchgeführt und werden das auch in Zukunft weiter tun. Juristisch knüpfen wir an den „rechtfertigenden Notstand“ (§34 StGB) und „Notwehr“ (§32 StGB) an und begründen dies mit dem humanitären Völkerrecht, der fortgesetzten Verletzung des NPT-Vertrages sowie des 2+ 4-Vertrages (Wiedervereinigungsvertrages) und verweisen dabei u.a. auch auf das IGH-Gutachten von 1996. Wir begründen unseren Zivilen Ungehorsam mit den ungeheuerlichen existentiellen Bedrohungen für uns selbst, unser Land, unsere Gesellschaft, die Menschheit, und den gesamten Planeten – in einem demokratischen Staat nicht hinnehmbar. Unsere Utopie ist, dass wenn viele so handeln wie wir, wir den militärischen Übungsbetrieb zum Atomwaffenabwurf für 24 Stunden, eine Woche, einen Monat, ja für immer lahmlegen und ihm dadurch die Legitimation entziehen. Wir können die Befürchtung wahrmachen, die der Amtsrichter Michel einem Aktivisten gegenüber geäußert hat: Die Justiz mit unseren Prozessen zu verstopfen und sie damit zu zwingen, gegen das politische Unrecht mit ihren Mitteln vorzugehen – und so die gegenwärtige Atomwaffenpolitik auf die Anklagebank zu bringen. Das würde unsere verfasste demokratische Gesellschaft nur stärken, nicht schwächen. Der Anfang ist gemacht.

Ernst-Ludwig Iskenius ist IPPNW-Mitglied und hat die Aktionen in Büchel mit organisiert.


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Kreditinstitute finanzieren Aufrüstung Deutsche Bank investiert fast sieben Milliarden Euro in Atomwaffen

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eutsche Kreditinstitute pflegen Geschäftsbeziehungen zu Herstellerfirmen von Atomwaffen und investieren in diese. Darüber wurde in einem früheren Artikel bereits berichtet. ICAN und Pax Christi veröffentlichten dazu im letzten Jahr die Studie „Don’t Bank on the Bomb“, die Investitionen von Banken in die 18 führenden Atomwaffenproduzenten untersuchte. Im Juni 2019 erschien die daran anknüpfende Studie „Shorting our security – financing the companies that make nuclear weapons“. Diese deckt Investitionen in Höhe von 748 Milliarden US-Dollar von 325 internationalen Finanzdienstleistern in Produzenten von Atomwaffen auf – in einem Zeitraum von Januar 2017 bis Januar 2019. Darunter sind elf deutsche Banken, die Atomwaffenherstellern insgesamt 11,67 Milliarden US-Dollar (10,36 Milliarden Euro) zur Verfügung stellen. Damit haben die Banken ihre Investitionen gegenüber den Vorjahren (8,41 Milliarden Euro) sogar noch gesteigert.

der, ist erkennbar, dass von den zehn Banken aus dem Bericht von 2018 sieben ihre Investitionen erhöht haben, während nur drei Banken ihre Investitionen in Atomwaffenhersteller reduziert haben (Allianz, Siemens und Munich Re). Zu den Atomwaffenherstellern, die von dem Geld deutscher Banken profitieren, gehören Unternehmen wie Northrop Grumman, Honeywell, Boeing und Airbus. Die Studie geht also auch auf in Deutschland tätige Unternehmen ein, denn: im Rahmen der nuklearen Teilhabe der NATO stationieren die USA in fünf europäischen Ländern etwa 180 Atomwaffen des Typs B61. Darunter ist auch Deutschland, wo circa 20 dieser Atombomben unterirdisch auf dem Fliegerhorst Büchel gelagert sind. Derzeit laufen die Modernisierungsmaßnahmen, um die B61 mit der neueren B61-12 zu ersetzen. Geplant sind 480 Bomben dieser Art für das US-Nukleararsenal, die alle bereits bestehenden nuklearen Freifallbomben ersetzen sollen. Die B21-12 sollen durch Satellitennavigation treffsicherer als ihre Vorgänger sein. Unter anderem produziert das Unternehmen Boeing Heckbauteile für die in den Teilhabestaaten der NATO stationierten Bomben, mit einem Auftragsvolumen von 163 Millionen Euro. Diese sollten im Mai 2019 auftragsgemäß fertiggestellt werden. Unklar bleibt allerdings, wann die modernisierten Waffen in die europäischen Stützpunkte geliefert werden.

Mit Abstand an erster Stelle steht die Deutsche Bank mit 6,757 Milliarden US-Dollar. Die Deutsche Bank versprach noch im Mai 2018, dass sie alle Geschäftsbeziehungen mit Herstellern von Atomwaffen beenden werde. Dennoch haben sich ihre Investitionen im Vergleich zum vorherigen Report sogar noch erhöht. Platz zwei nimmt die DZ-Bank mit 1,5 Milliarden Dollar ein, gefolgt von der Commerzbank mit 1,3 Milliarden Dollar. Die DZ Bank, Zentralbank für alle Volks- und Raiffeisenbanken, sticht am meisten heraus, denn sie hat die Finanzierung von Atomwaffensystemen von 470 Millionen US-Dollar (Januar 2014) auf 1,5 Milliarden Dollar (Januar 2017) gesteigert. Zusätzlich dazu sind, wie auch in dem Bericht vom Vorjahr, folgende Banken als Investoren in Atomwaffenhersteller aufgedeckt worden: Allianz mit 936 Mio. Dollar, BayernLB mit 518,6 Mio. Dollar, Landesbank Hessen-Thüringen mit 148,1 Mio. Dollar, die KfW mit 115,1 Mio. Dollar, die Landesbank Baden-Württemberg mit 115,1 Mio. Dollar, Siemens mit 114,1 Mio. Dollar und Munich Re mit 43 Mio. Dollar. Neu eingestiegen ins Atomwaffengeschäft ist die IKB Deutsche Industriebank mit einer Investition in Airbus in Höhe von 163,2 Millionen Dollar. Vergleicht man die einzelnen Beträge der zwei Studien miteinan-

Im Anschluss an die im letzten Jahr veröffentlichte Studie rief ICAN eine Mailaktion ins Leben, bei der sich Kund*innen der genossenschaftlichen DZ Bank an ihre Filiale wenden und ein Ende der gefährlichen Investitionen fordern konnten. Trotz reger Teilnahme seitens der Kund*innen verwehrte sich die DZ Bank den Forderungen der Kampagne, alle Investitionen in Unternehmen, die an der Herstellung und Wartung von Atomwaffen beteiligt sind, zu beenden und dazu eine öffentliche Richtlinie zu verabschieden, die solche Investitionen ablehnt und ausschließt. Stattdessen wurde ein Termin, den ICAN bereits vor der Kampagne mit der DZ Bank vereinbart hatte, wieder abgesagt. Somit wurde ein Dialog verhindert.

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it den Ergebnissen der Studien konfrontiert, versuchen sich die Banken regelmäßig durch irreleitende Statements aus der Verantwortung zu ziehen. So erklären Commerzbank und DZ Bank in ihren offiziellen Nachhaltigkeitsrichtlinien, dass sie nicht in Unternehmen investierten, deren „Kerngeschäft“ im Rüstungsbereich liegt. Für Unternehmen, bei denen die Herstellung von Rüstungsgütern und Atomwaffen nur einen kleineren Teil des Gesamtumsatzes ausmacht, gilt diese Richtlinie also nicht. So kann es sein, dass ein Unternehmen wie Airbus Group, dessen Kerngeschäft im Bereich Zivilflugzeuge liegt, von den Banken finanziert wird, obwohl es gleichzeitig das zweitgrößte Rüstungsunternehmen Europas ist.

von diesen Atomwaffenunternehmen, mit denen keine Geschäftsbeziehungen eingegangen werden. Die niederländische Volksbank und viele andere internationale Banken haben dies bereits umgesetzt. Die Zeit für deutsche Banken ist gekommen, diesen Vorbildern zu folgen. Shorting our security – Financing the companies that make nuclear weapons: www.dontbankonthebomb.com/2019-hos

Weitere Informationen zum Geschäft mit Atomwaffen: www.atombombengeschaeft.de

Im letzten Jahr hat sich nach der Veröffentlichung der Studie „Don’t Bank on the Bomb“ viel Widerstand gegen die Investitionen der Banken in Atomwaffenhersteller geregt. Geäußert hat sich dieser besonders in den Protest-Mails der DZ-Kund*innen. Eine Umfrage vom Juli 2018 bestätigt, dass 72 Prozent der Bevölkerung Investitionen von Kreditinstituten in Atomwaffenhersteller ablehnen. Doch statt dies als Anreiz zu nehmen, die eigene Politik zu verändern, investieren die Banken mehr als zuvor in Atomwaffenhersteller.

Lara Fricke studierte Politikwissenschaft in Hamburg und begleitete im Zuge eines Praktikums bei ICAN die DivestmentMailaktion „Keinen Cent für Atomwaffen.“

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abei gibt es Maßnahmen, die Banken ergreifen könnten, um dem nuklearen Wettrüsten ihre Unterstützung zu entziehen: Richtlinien, die Investitionen in alle Hersteller von Atomwaffen ausschließen und eine öffentliche Ausschlussliste mit den Namen

IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer

Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE39100205000002222210, BIC:

Verantwortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland

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Redaktion: Ute Watermann (V.i.S.d.P.), Angelika Wilmen, Regine Ratke Layout: Regine Ratke, Samantha Staudte

Sämtliche namentlich gezeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körte­straße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69

der Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke bedürfen der schriftlichen Geneh-

80 74 0, Fax 030 / 693 81 66, E-Mail: ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de

migung.

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Neue Atombomber für die Bundeswehr? Nukleare Teilhabe: Neue Rüstungsprojekte sollen Ersatz für die Tornados in Büchel schaffen

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n Büchel fand im Juli 2019 wieder das „International Action Camp“ der Friedensbewegung statt, mit tatkräftiger Unterstützung von Mitgliedern der IPPNW. Büchel ist das letzte von einstmals 130 US-Atombombenlagern in der BRD. Hier lagern noch schätzungsweise 15 bis 22 US-Wasserstoffbomben der Typen B61-3 und B61-4. Sie stammen aus den siebziger Jahren und sind mittlerweile in die Jahre gekommen. Mit der B61-12 wird ab März 2020 ein Nachfolgemodell eingeführt. Die Entwicklungskosten für die weltweit 400 Bomben summieren sich auf über zehn Milliarden Dollar. Damit ist die B61-12 die teuerste Bombe überhaupt. In Büchel ist nicht zufällig das „Taktische Luftwaffengeschwader 33“ der Bundesluftwaffe stationiert. Seine Tornados sollen im Falle eines Atomkrieges die Wasserstoffbomben aus dem benachbarten US-Depot über Zielen in Russland abwerfen. Auch die Tornados sind in die Jahre gekommen, stammen sie doch aus den achtziger Jahren. Die Sollstärke der beiden Geschwaderstaffeln umfasst insgesamt 32 Tornados, aber wieviele Maschinen sind tatsächlich einsatzbereit? Dies ist keine unbedeutende Frage, schließlich ist der Tornado als einziger atomarer Jagdbomber das schlagkräftigste Waffensystem im deutschen Militärarsenal. Die gesamte Tornadoflotte der Bundeswehr leidet an Ersatzteilmangel und hohen Betriebskosten. Die Materialdepots der Bundeswehr sind zum Teil leergeräumt. Dringend benötigte Ersatzteile können manchmal nicht mehr beschafft werden,

weil die Firmen, die diese Produkte vor Jahrzehnten produziert haben, heute nicht mehr existieren. Daher ist es kein Wunder, dass die Bundeswehrführung die Einsatzbereitschaft der atomaren Tornadoflotte streng geheim hält. Schließlich möchte Annegret Kramp-Karrenbauer nicht, dass sich herumspricht, dass ein Teil ihrer Atombombenträger im Falle eines Atomkrieges doof in der Garage stehen bliebe.

schinen den Himmel beherrschen. Mit der F-35A verwischt die Grenze zwischen Jagdflugzeug und Jagdbomber. Sie kann Bomben, Raketen und Marschflugkörper einsetzen. Außerdem wird die Maschine wie ein kleiner fliegender Gefechtsstand eingesetzt und leitet so Flugroboter als „unbemannte Wingmen“, mit denen sie in einer digitalisierten „Air Combat Cloud“ (ACC) verbunden ist.

Der Bundeswehrführung ist längst klar, dass für den Atombombenträger Tornado ein Ersatz beschafft werden muss, allerdings tut sich die Luftwaffe schwer bei der Auswahl eines entsprechenden Modells, schließlich haben alle zur Auswahl stehenden Typen Vor- und Nachteile. Dabei geht es nicht nur um rein technische Fragen, sondern auch um rüstungspolitische und bündnispolitische Aspekte.

Allerdings ist die Entwicklung und Beschaffung der F-35 mit zahlreichen Problemen behaftet, die man von anderen militärischen Großprojekten kennt – mangelnde Leistungsfähigkeit, Verzögerungen bei der Entwicklung und Kostenexplosionen: So weist das Flugzeugmodell zahlreiche Macken auf, von denen 18 als so schwerwiegend eingeschätzt werden, dass sie jederzeit zu einem Absturz führen können. Durch den aktuellen Lieferboykott der USRegierung gegen den F-35-Partner Türkei kommt es zu einer weiteren Verzögerung der Auslieferung der bestellten F-35 um circa zwei Jahre, da für 400 Bauteile, die bisher ausschließlich in der Türkei produziert wurden, nun ein Ersatzhersteller gefunden werden muss. Nicht zuletzt ist die F-35 mit Gesamtkosten in Höhe von 1,5 Billionen Dollar über ihre geplante „Lebensdauer“ von 50 Jahren das teuerste Kampfflugzeug der Geschichte!

F-35A Lightning II? Die F-35A scheint auf den ersten Blick eine gute Wahl zu sein, schließlich haben sich alle anderen europäischen NATOStaaten, die am „NATO Nuclear Sharing“ teilnehmen (Niederlande, Belgien, Italien und Türkei), für dieses Modell entschieden. Dieser „Joint Strike Fighter“ ist ein Stealth-Kampfflugzeug der fünften Generation, also das Neueste vom Neuesten. So haben sich die gesamten US-Streitkräfte – angeblich um Kosten zu sparen – auf diesen Flugzeugtyp als Kampfflugzeug festgelegt. Insgesamt will man 2.443 Stück beschaffen, von denen bereits 400 Exemplare ausgeliefert wurden. In den kommenden fünfzig Jahren sollen die Ma7

Insofern war die Führung der Bundeswehr gut beraten, dieses Flugzeugmodell nicht beschafft zu haben. Allerdings darf ein wichtiger Aspekt nicht übersehen werden. Die neuen deutschen Trägerflugzeuge sollen dazu dienen, amerikanische Nukle-


arwaffen einzusetzen. Und allein die USRegierung kann darüber entscheiden, welches Flugzeugmodell sie mit einem Aircraft Monitoring and Control System (AMAC) zur Eingabe der PAL-Atomcodes technisch ausstattet. Außerdem werden die Atomwaffen ausschließlich von US-Einheiten bewacht, so dass die US-Regierung das militärpolitische Monopol über ihren operativen Einsatz behält. Nicht zuletzt bleibt fraglich, ob die Amerikaner – angesichts der „America first“-Politik, die am Export von US-Kampfflugzeugen in alle Welt verdienen will, überhaupt ein ausländisches Konkurrenzmodell akzeptieren werden. Alternativtypen Um die bezeichneten Risiken bei der Entwicklung eines völlig neuen Kampfjets zu umgehen, könnte man stattdessen auf die Modernisierung eines bestehenden Modells zurückgreifen. In Frage kommt der Eurofighter Typhoon. Dieser war ursprünglich ein Jagdflugzeug, wurde aber in den letzten Jahren zu einem konventionellen Jagdbomber umgerüstet. Man könnte diese Entwicklungslinie fortführen und die Maschine mit Atombomben ausrüsten. Allerdings waren von den 128 Eurofightern der Luftwaffe 2017 nur 39 Exemplare tatsächlich einsatzbereit. Offen bleibt die Frage einer amerikanischen Lizenzvergabe. Dieses Problem könnte man dadurch umgehen, dass man auf einen schon vorhandenen US-Atombombenträger zurückgreift. In Frage kommen die Jagdbomber Boeing F/A-18 E/F Super Hornet und F-15 E Strike Eagle, die derzeit modernisiert werden sollen. Allerdings würde dadurch wiederum die technologische Abhängigkeit von den USA zementiert. Wenn es die US-Amerikaner nicht schaffen, mit der F-35 ein hypermodernes Kampfflugzeug fertig zu entwickeln, dann vielleicht die Europäer. Dies dachten sich die Regierungen in Berlin, Paris und Madrid und entwickeln zur Zeit einen eigenen Stealth-Jet der fünften Generation, der ebenfalls als Zentrum einer „air combat cloud“ agieren soll. Es handelt sich um das Future Combat Air System (FCAS), das im Französischen als „Système de combat aérien du futur“ (SCAF) bezeichnet wird. Produziert werden soll die Maschine von Airbus in Kooperation mit Dassault. Die Entwicklungskosten werden zur Zeit auf mindestens 80 Milliarden Euro taxiert. Als eine

EIN TORNADO STARTET IN BÜCHEL Attrappe des geplanten Jets im Juni auf der Luftfahrausstellung in Paris erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war die äußere Ähnlichkeit zur amerikanischen F-35 augenfällig. Für die drei Staaten macht es durchaus Sinn, ein eigenes Flugzeug zu entwickeln: Deutschland will die F-35 nicht, die Franzosen besitzen eigene Atomwaffen und suchen nach einem Nachfolger für ihren Atombombenträger Rafále Biplace, und Spanien hat keinen Nuklearwaffenträger, braucht aber einen neuen konventionellen Jagdbomber. Allerdings löst FCAS/SCAF nicht das akute Problem eines Ersatzmodells für den Tornado, sondern wäre bestenfalls ein Nachfolger für den Nachfolger frühestens ab dem Jahr 2040. Die deutschen NATO-Nuklearstrategen können aber die Frage nicht beantworten, welchen „Sinn“ es hat, für ein oder zwei Dutzend Atombomben ein eigenes Flugzeug zu bauen. Die Zeiten eines massenweisen Einsatzes von taktischen Atombomben in Europa sind mit dem Ende des Kalten Krieges vorbei. Angesichts der begrenzten Stückzahl der Nuklearbomben käme „nur“ ein selektiver Einsatz in Frage, dessen Bedeutung für den Ausgang eines Krieges fragwürdig wäre. Sogar die US-Regierung scheint das Interesse am „Nuclear Sharing“ verloren zu haben: Aufgrund ihres Boykotts der F-35 wird die Türkei zukünftig kein atomares Trägerflugzeug mehr besitzen, dann müssten die 8

US-Streitkräfte folgerichtig ihre schätzungsweise 50 alten Atombomben aus Incirlik abziehen. Die Frage bleibt, ob dadurch das US-Atomarsenal in Europa insgesamt um schätzungsweise ein Viertel bis ein Drittel reduziert wird oder ob die freien Lagerkapazitäten an den anderen Atomstandorten, wie z. B. in Büchel, entsprechend aufgefüllt werden sollen. Dabei hatte sich die „Große Koalition“ in ihrem Koalitionsvertrag vom 14. März 2018 doch für „eine nuklearwaffenfreie Welt“ ausgesprochen. Gerhard Piper ist Mitarbeiter beim Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS). Im August 2012 veröffentlichte er zusammen mit Otfried Nassauer und mit Unterstützung der IPPNW eine längere Studie zur neuen Wasserstoffbombe B61-12: www.bits.de/public/pdf/rr-12-1.pdf Im April 2019 erschien bei Telepolis sein Aufsatz zur Frage der Tornadonachfolge: www.kurzlink.de/atombombentraeger

Weitere Informationen zum Thema und zur Kampagne „Atombomber – nein Danke!“: www.atombomber-nein-danke.de

Foto: Neuwieser CC BY-SA 2.0

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Foto: ICAN

Weiterführende Informationen zu Atomwaffen: •

www.ippnw.de/atomwaffen

www.atomwaffena-z.info

www.icanw.de

www.atomwaffenfrei.de

www.nuclearban.de

www.atombomber-nein-danke.de

www.atombombengeschaeft.de

Sie wollen mehr? Die Artikel und Fotos dieses Heftes stammen aus unserem Magazin „IPPNW-Forum“, Ausgabe Nr. 159, September 2019. Im Mittelpunkt der Berichterstattung des IPPNW-Forums stehen „unsere“ Themen: Atomenergie, Erneuerbare Energien, Atomwaffen, Friedenspolitik und soziale Verantwortung in der Medizin. In jedem Heft behandeln wir ein Schwerpunktthema und beleuchten es von verschiedenen Seiten. Darüber hinaus gibt es Berichte über aktuelle Entwicklungen in unseren Themenbereichen, einen Gastkommentar, Nachrichten, Kurzinterviews, Veranstaltungshinweise und Buchbesprechungen. Das IPPNW-Forum erscheint vier Mal im Jahr. Sie können es abonnieren oder einzelne Ausgaben in unserem Online-Shop bestellen.

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