IPPNW-Thema: „Divestment: Kein Geld für Atomwaffen“, September 2018

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Foto: Atombombengeschäft

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Divestment: Kein Geld für Atomwaffen

September 2018 internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung


KEIN GELD FÜR ATOMWAFFEN

Kein Profit mit Massenmordwaffen Die aktuelle Studie „Don’t Bank on the Bomb“ zu Investitionen in Atomwaffen

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tomwaffen sind und bleiben die zerstörerischsten Waffen, die je entwickelt wurden. Waffen, die in der Lage sind, Städte zu zerstören, Armeen zu vernichten und Bevölkerungen auszulöschen. Im Juli 2017 hat die Mehrheit der Welt diese Waffen mit der Verabschiedung des Vertrags über das Verbot von Atomwaffen eindeutig abgelehnt. Atomwaffen töten nicht nur unterschiedslos, sind unmenschlich und unmoralisch, jetzt sind sie auch durch einen internationalen Vertrag verboten.

Sogar die Deutsche Bank nimmt Änderungen vor – ebenso wie Finanzinstitute in den USA, Großbritannien und Frankreich. Sie sind nicht perfekt, aber sie bewegen sich in die richtige Richtung. Die Gesamtzahl der Finanzinstitutionen, die seit der Annahme des Atomwaffenverbotsvertrags in Atomwaffenhersteller investieren, ist um acht Prozent zurückgegangen. Die Studie „Don’t Bank on the Bomb“ verfolgt und dokumentiert diese Veränderungen. In der „Hall of Fame“ werden Finanzinstitute vorgestellt, deren umfassende Richtlinien jegliche Art von Investitionen in Atomwaffenhersteller verbieten. In diesem Jahr tritt zum ersten Mal auch ein US-amerikanisches Finanzinstitut in die Hall of Fame ein, der Großteil sind jedoch europäische Institutionen. Der Bericht bietet auch einen Überblick über Unternehmen mit Richtlinien, die zumindest davon abhalten, von der Produktion von Atomwaffen zu profitieren, die aber dennoch Schlupflöcher bieten. Die 41 Institutionen zeigen, dass das Stigma Atomwaffeninvestitionen inzwischen groß genug ist, um das Thema in den eigenen Richtlinien zu berücksichtigen. Nichtsdestotrotz gibt es noch viel zu tun, um die verbleibenden Schlupflöcher zu schließen.

Der Weg zum Ende der Atomwaffen zeichnet sich deutlich ab und beginnt mit dem Verbotsvertrag. Dennoch fühlt es sich oft so an, als wären Atomwaffen ganz weit weg, ein fernes Problem, das Politiker oder Regierungen anderswo schon lösen werden. Es erscheint nicht als Teil unseres täglichen Lebens. Als Bürger*innen können wir uns an unsere Politiker und Regierungen wenden und vehement fordern, dass Atomwaffen verboten und beseitigt werden, aber es gibt auch noch weitere Möglichkeiten sich gegen Atomwaffen stark zu machen.

Fortschritte seit dem Atomwaffenverbotsvertrag Seit der Verabschiedung des Atomwaffenverbotsvertrags haben zwei der fünf größten Pensionsfonds der Welt Änderungen ihrer Beziehungen zu Atomwaffenherstellern angekündigt. Der niederländische ABP, der fünftgrößte Pensionsfonds, hat nun eingestanden, dass Investitionen in Atomwaffen schon seit einiger Zeit ein Dilemma darstellten und verkündete, dass sie aufgrund von „gesellschaftlichen Veränderungen, auch auf internationaler Ebene [...] nicht mehr zu unserer nachhaltigen und verantwortungsvollen Investitionspolitik passen.“ Innerhalb des nächsten Jahres möchte ABP sicherstellen, dass Atomwaffenhersteller keinen Zugang mehr zu ihrem 500 Milliarden-Dollar-Pool (405 Milliarden Euro) haben.

Was kann ich tun? In der Öffentlichkeit ist das Bewusstsein dafür gestiegen, wie sich Finanzinstitute verhalten und wie sie ihr Geld anlegen. „Divestment“-Kampagnen sind eine großartige Möglichkeit, über Atomwaffen ins Gespräch zu kommen und zu zeigen, dass es konkrete und greifbare Schritte gibt, um etwas für eine atomwaffenfreie Welt zu unternehmen. Banken haben einen großen Kundenstamm, was bedeutet, dass Aktivisten eine große Anzahl potenzieller Unterstützer von Kampagnen finden können. Wenn Menschen sich besorgt zeigen, dass ihre Bank durch Pensionsfonds in Atomwaffen investiert und entsprechende Maßnahmen ergreifen oder Kunden drohen, ihre Gelder abzuziehen und diese bei einer anderen Bank anzulegen, kann dies einen entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung einer Bank haben, sich vom Atomwaffengeschäft zu verabschieden. Schon alleine ein oder zwei Menschen können etwas bewegen, und Social-Media-Kampagnen haben in manchen Situationen bereits zum Erfolg geführt.

Weitere 1.037 Milliarden Dollar (840 Milliarden Euro) werden von den Händen weiterer Atomwaffenhersteller ferngehalten. Der norwegische Pensionsfonds (weltweit der zweitgrößte Pensionsfonds) hat damit die ersten Änderungen in der Anwendung seiner Atomwaffenpolitik seit 2013 angekündigt, das Jahr, in dem die norwegische Regierung die erste Konferenz über die humanitären Folgen von Atomwaffen veranstaltete. Diese Ausschlüsse spiegeln die Einsicht wider, dass nichts was mit der Herstellung von Atomwaffen zu tun hat, akzeptabel ist.

Was erwarten wir von den Finanzinstituten? Die Finanzinstitutionen sollten eine Unternehmenspolitik entwickeln, die alle finanziellen Verbindungen mit Unternehmen, die an der Herstellung von Atomwaffen beteiligt sind, ausschließt. Investitionen machen die Produktion erst möglich. Dies bedeutet, dass die Richtlinie auf ganze Unternehmen angewendet werden sollte. Es spielt dabei keine Rolle, dass Boeing oder Airbus Flugzeuge herstellen – wenn sie Investitionen sichern wollen, sollten sie auf-

Es gibt noch weitere Erfolge zu verzeichnen. Die KBC, eine Bankengruppe mit rund 11 Millionen Kunden, zitierte den Atomwaffenverbotsvertrag mit ihrer Ankündigung, alle finanziellen Beziehungen zu Atomwaffenherstellern zu beenden. Die KBC hat ihren Hauptsitz in einem NATO-Land, in dem Atomwaffen lagern: Belgien.

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Was kann noch getan werden? Es gibt andere, die davon überzeugt werden können, ihre Investitionskraft gegen Atomwaffen einzusetzen. Private Investoren wie Stiftungen, Universitätsstiftungen und kirchliche Fonds vertreten Interessen, die nicht im Einklang mit Atomwaffen stehen. Diese Organisationen haben manchmal große Mengen an Vermögenswerten, und wenn sie diese veräußern, kann das einen signifikanten Unterschied machen. Städte oder lokale Regierungen können ebenfalls etwas bewirken, wenn sie sich dafür einsetzen, dass die von der Stadt/Region gehaltenen Pensionsfonds nicht in atomwaffenproduzierende Unternehmen investieren. Solche lokalen Entscheidungen können helfen, nationale Unterstützung für das Verbot von Atomwaffen zu fördern.

Fazit Am Ende des Tages sind neun Länder im Besitz von Atomwaffen. Neun nicht vertrauenswürdige Länder, die mit der Zukunft der Welt spielen, indem sie ihre Atomwaffen nutzbar machen, neue nukleare Fähigkeiten entwickeln und mehr und mehr Möglichkeiten für den tatsächlichen Einsatz ihrer nuklearen Streitkräfte bekannt geben. Überzeugende Veränderungen erfordern eine Vielzahl von Ansätzen. All jene Finanzinstitute, die vom Atomwaffengeschäft profitieren wollen, werden wie die wenigen Atomwaffenstaaten, zunehmend isoliert und stigmatisiert. Die Bereicherung an der Atomwaffenindustrie zu beenden ist, ein Schritt, an dem wir alle mitwirken können und der uns einer atomwaffenfreien Welt ein Stück näher bringt.

hören, Atomraketen zu bauen. Die Richtlinien müssen auch für alle Aktivitäten gelten: Commercial Banking, Investment Banking und Anlagenmanagement. All diese Aktivitäten unterstützen ein Unternehmen bei der Herstellung von Atomwaffen.

Übersetzung: Edwina Al-Khalil

Schließlich haben gute Richtlinien keine geografische Grenze. Alle Atomwaffen sind dazu bestimmt, wahllos Zivilisten zu ermorden, für eine Richtlinie sollte es daher keinen Unterschied machen, welches Land diese Waffen besitzt. Wie der ehemalige UN-Generalsekretär sagte, „es gibt keine richtigen Hände für die falschen Waffen“.

Susi Snyder ist „Nuclear Disarmament Programme Manager“ bei der niederländischen Friedensoragnisation Pax.

IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer

Bankverbindung: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE39100205000002222210, BIC:

Verantwortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland

BFSWDE33BER

Redaktion: Sabine Farrouh (V.i.S.d.P.), Angelika Wilmen Layout: Samantha Staudte

Sämtliche namentlich gezeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körte­straße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69

der Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke bedürfen der schriftlichen Geneh-

80 74 0, Fax 030 / 693 81 66, E-Mail: ippnw@ippnw.de, www.ippnw.de

migung.

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KEIN GELD FÜR ATOMWAFFEN

Schreiben Sie Ihrer Bank einfach: Ihr Geld könnte in einer Atombombe stecken – wenn Sie Kunde bei einer Volksbank, Raiffeisenbank oder Sparda-Bank sind. Die Gruppe der Volksund Raiffeisenbanken hat den Anspruch an sich selbst, das Geld ihrer Kunden nachhaltig und ethisch zu investieren. Doch Atomwaffen sind weder nachhaltig noch ethisch vertretbar. Durch eine Mail an eine Filiale in Ihrer Nähe wird diesen Banken überall in Deutschland bewusst: Ein Großteil der deutschen Bevölkerung lehnt Investitionen in Atomwaffen ab! Deshalb: Nutzen Sie Ihre Stimme! Ganz einfach unter: atombombengeschaeft.de

Nach wie vor: Ein Bombengeschäft Aktuelle Ergebnisse der „Don’t bank on the bomb“-Studie im Bezug auf die Banken Deutschlands

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CAN, die internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, deckt zusammen mit der Friedensorganisation PAX in der Studie „Don’t bank on the bomb“ Investitionen in Atomwaffen auf. Ziel ist es, Fakten darüber zu veröffentlichen, wer und in welchem Maße in das tödliche Geschäft der Atomwaffen involviert ist. Seit 2014 erhob im Auftrag der beiden NGOs das unabhängige Forschungsinstitut Profundo Daten unter Zuhilfenahme einschlägiger Datenbanken (z. B. Thomson Reuters) und verschiedener öffentlich zugänglicher Quellen, etwa Berichte von Finanzinstituten, Medienmeldungen oder NGO-Informationen, und wertete diese aus. Die aktuelle Studie bezieht sich auf die Zeit seit Januar 2014 und untersucht die Investitionen in 20 Atomwaffenhersteller, die Atomwaffen, Atomsprengköpfe und Atomraketen herstellen und entwickeln und beleuchtet, von welchen Finanzinstitutionen sie Gelder beziehen. Die Firmen sind an der weltweiten Modernisierung nuklearer Arsenale beteiligt, womit sie Fortschritte der Abrüstung verhindern und mitverantwortlich sind, die Gefahr des Atomkrieges aufrechtzuerhalten. Die Weiterverbreitung von Atomwaffen wird befeuert. Jedes der Unternehmen hat direkte und eindeutige Verbindungen zur Herstellung von Atomwaffen. Die bloße Beteiligung an Trägersystemen wie z. B. Bombern, die die Atomwaffen abwerfen können, reicht nicht aus. Es geht um die Atomwaffen selbst. Damit eine Bank durch Aktien und Anlagen in der Studie auftaucht, muss sie mindestens einen 0,5 Prozent Anteil am jeweiligen Unternehmen haben. Die Fakten können als Werkzeug von Individuen, Konzernen und Institutionen genutzt werden, um zur Abschaffung von Atomwaffen beizutragen: Sie können in einen Dialog mit den eigenen Finanzinstitutionen treten, eine Desinvestition fordern oder beispielsweise die Entscheidung zum Bankwechsel ankündigen.

Seit 2014 haben 329 Investoren 20 Atomwaffen-Firmen Finanzmittel in Höhe von mindestens 525 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. Atomwaffen sind ein Bombengeschäft. Gleichzeitig haben seit Annahme des UN-Vertrags zum Verbot von Atomwaffen bereits 30 Unternehmen ihre Investitionen in diese Waffen beendet, unter anderem z. B. zwei der größten Investoren der Welt: der norwegische Regierungsfonds und der niederländische Rentenfonds ABP.

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eit Januar 2014 haben zehn deutsche Finanzdienstleister den Atomwaffen-Produzenten insgesamt rund 10,37 Milliarden US-Dollar (8,41 Milliarden Euro) zur Verfügung gestellt. Der größte Investor aus Deutschland und auch der größte Investor weltweit war die Deutsche Bank. Zwischen 2014 und 2017 unterhielt sie Geschäftsbeziehungen zu 13 der 20 Atomwaffenfirmen, die wir in unserer Studie erfasst haben. Im Vergleich zur vorangegangenen Studie sind die Investitionen der Deutschen Bank von 5,15 Milliarden auf 6,62 Milliarden US-Dollar gestiegen. Eines der Unternehmen, dem die Deutsche Bank zwischen 2013 und 2017 Kredite in Höhe von rund 1,4 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt hat, ist die Firma Honeywell International. Honeywell ist Miteigentümer von Savannah River Nuclear Solutions. Savannah River ist eine Einrichtung im amerikanischen Bundesstaat Georgia, in der Tritium, das radioaktive Isotop des Wasserstoffs hergestellt wird. Dieses Material wird zur Herstellung von Wasserstoffbomben benötigt. Die Atombombe von Hiroshima, verglichen mit heutigen Atomwaffen eine sehr kleine Bombe mit einer relativ geringen Sprengkraft von 15 Kilotonnen, reichte aus, um eine ganze Stadt dem Erdboden gleichzumachen, Hunderttausende Menschen zu töten und viele ihr Leben lang krank zu 4


„Geld zu sparen, zu investieren und eine Rendite zu erwarten, heißt, an einer Zukunft interessiert zu sein. Eine Investition in Atomwaffen drückt kein Interesse an der Zukunft aus, sondern ist eine Investition in vermeidbares humanitäres Leid.“ machen. Die Arsenale der meisten Atommächte bestehen heute aus Atombomben mit einer sehr viel größeren Sprengkraft von mehreren hundert Kilotonnen Wasserstoffbomben. Bisher hat noch nie eine solche Bombe eine Stadt getroffen. Die Auswirkungen würden die Katastrophe von Hiroshima in den Schatten stellen. Die Daten, die wir über die humanitären Auswirkungen von Wasserstoffbomben haben, stammen von den Atomtests im Pazifik. Die radioaktiven Wolken zogen Hunderte Kilometer weit. Die Menschen, die auf den Atollen lebten, werden nie in ihre Heimat zurückkehren können. Ihre Inseln sind für die nächsten 24.000 Jahre unbewohnbar. Für Wasserstoffbomben braucht man Tritium, und für Tritium brauchen die USA Honeywell.

len und die Bank vor Reputationsrisiken schützen“. Mitte April fand ein Treffen zwischen ICAN Vorstandsmitgliedern und den aus London angereisten „Managing Direktor“ und „Vice President“ des „Non Financial Risk Manangement“ und der „Media Spokesperson“ der Deutschen Bank aus Frankfurt statt. Ende Mai veröffentlichte die deutsche Bank auf ihrer Website eine neue Richtlinie zu kontroversen Waffen, einen Tag vor der Aktionär*innenhauptversammlung. Demnach will die Deutsche Bank mit Unternehmen, die direkte Verbindungen zu Streumunition, Anti-Personenminen, Chemiewaffen, biologischen Waffen und Atomwaffen haben, „weder eine neue Geschäftsbeziehung eingehen noch bestehende Geschäftsbeziehungen fortführen“. Das könnte helfen, das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes zu senken. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass Veränderungen möglich sind und wie wichtig öffentlicher Druck dafür ist.

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ns Auge fiel aber auch die Finanzspritze der DZ Bank, die ihr Investment in Atomwaffenhersteller von 66 auf 470 Millionen US-Dollar massiv erhöht hat. Die DZ Bank ist das Zentralinstitut von rund 1.000 Genossenschaftsbanken in Deutschland, dazu gehören etwa Volks-, Raiffeisen- und Spardabanken. Die Volksund Raiffeisenbanken verkaufen das tödliche Investment sogar über den Fonds „UniGlobal“ an Privatanleger. Es handelt sich um den „Vorzeige-Fonds der Volksbanken“ (FAZ) und er richtet sich vor allem an Privatpersonen, zum Beispiel für die Riester-Rente. Die DZ Bank unterstützt die US-amerikanische Rüstungsfirma Northrop Grumman mit mehr als 400 Millionen US Dollar. Dieses Unternehmen produziert Atomraketen für das US-Arsenal und ist auch am britischen Atomwaffenprogramm beteiligt. Die Firmen Airbus, Safran und Thales haben von der deutschen Bank (rund 1,5 Milliarden US-Dollar) und ebenfalls der Commerzbank (440 Millionen US Dollar) Finanzmittel erhalten. Airbus, Safran und Thales produzieren gemeinsam die neueste französische Atomrakete, die M-51-2. Eine solche Rakete trägt acht nukleare Sprengköpfe. Sie wird ausschließlich mit nuklearen Sprengköpfen bestückt und ist somit kein Dual-Use-Produkt. Frankreich will 48 dieser Raketen bauen. Selbst bei einer sehr konservativen Schätzung genug, um 40 Millionen Menschen zu töten.

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rst die praktische Umsetzung wird aber zeigen, ob die Richtlinie wirklich etwas verändert. Die Frage stellt sich vor allem auch, weil die Richtlinie an einigen Stellen bedauerlicherweise noch sehr vage ist. Zudem sieht sie leider Ausnahmen vor, was die folgende Formulierung in der Richtlinie zeigt: „Unter besonderen Umständen darf die Transaktion fortgeführt werden, wenn die betreffende Transaktion selbst nicht direkt mit einem kritischen Waffengeschäft in Verbindung steht.“ Bisher unbeantwortet bleibt auch, ob die Ausnahmen auch für Kredite an das Unternehmen als Ganzes möglich sind oder nur für einzelne Transaktionen, die speziell im Zusammenhang mit anderen Geschäftsbereichen des Unternehmens stehen. Ausnahmen für Kredite an das Gesamtunternehmen würden bedeuten, dass sich an der Geschäftspraktik der deutschen Bank nichts Wesentliches verändert. Eine schriftliche Zusicherung eines Unternehmens, einen Kredit nicht für die Herstellung von Atomwaffen zu verwenden, nützt nichts. Es wird für die Firma ja trotzdem Liquidität frei, die dann auch für Atomwaffen verwendet wird. Der einzige Weg, die Unterstützung der Produktion von Atomwaffen auszuschließen ist es, das ganze Unternehmen auszuschließen. Konkret bräuchte es eine Liste mit Firmen, die ausgeschlossen werden, wie es zum Beispiel auch der norwegische Pensionsfonds handhabt. Geld zu sparen, zu investieren und eine Rendite zu erwarten, heißt, an einer Zukunft interessiert zu sein. Eine Investition in Atomwaffen drückt kein Interesse an der Zukunft aus, sondern ist eine Investition in vermeidbares humanitäres Leid.

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ie französische Nukleardoktrin sieht zudem den Ersteinsatz von Nuklearwaffen vor. Ein sogenannter „Warnschuss“ mit Atomwaffen soll Entschlossenheit demonstrieren, nach dem Motto „eskalieren, um zu deeskalieren“. Eine irrsinnige Politik, die unsere Zukunft aufs Spiel setzt. Nach Veröffentlichung unserer Studie kontaktierten uns Mitarbeiter der Deutschen Bank und baten um ein Treffen. Das zeigt, dass sich mit Evidenz zivilgesellschaftlicher Druck aufbauen lässt, insbesondere dann, wenn die Fakten in der Presse Resonanz bekommen, wie es dieses Jahr wahrscheinlich auch dank des Friedensnobelpreises für ICAN der Fall war. Wir konnten die Geschäfte mit Atombomben einer größeren Öffentlichkeit bekannt machen. Eine Motivation für „Divestment“ der Banken ist unter anderem auch die Vermeidung der schlechten Schlagzeilen, was auch ein Zitat der Website der deutschen Bank zeigt: „Die Deutsche Bank hat klare Richtlinien, die ein verantwortungsvolles geschäftliches Handeln sicherstel-

Aino Ritva Weyers ist Medizinstudierende im 10. Semester und Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland und IPPNW-Mitglied. 5


KEIN GELD FÜR ATOMWAFFEN

Stigma Atomwaffen Wie das Verbot nuklearer Waffen die Welt verändert hat

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er UN-Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen ist ein Jahr alt geworden. Aber gibt es Grund zu feiern? Wurde wegen des Vertrages eine einzige Atomwaffe abgerüstet? Die Antwort lautet Nein. Nach wie vor gibt es weltweit ca. 15.000 Atomwaffen. Die Atomwaffenstaaten rüsten auf und investieren jährlich Milliarden von Dollar in ihre Erneuerung und Aufrüstung. Außerdem haben die Besitzerstaaten von Atomwaffen deutlich gemacht, dass sie dem Vertrag nicht beitreten werden.

spielte. Am deutschen Atomwaffenstützpunkt Büchel waren die Kirchen in diesem Jahr am Jahrestag der Verabschiedung des Atomwaffenverbots erstmals mit einer großen Kundgebung mit ca. 600 Menschen beteiligt. US-Friedensaktivist*innen gelang es zweimal, sich Zugang zu der Bundeswehr-Militärbasis verschaffen. In Großbritannien forderten Aktivist*innen

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er Vertragsprozess hat die Debatte über Atomwaffen verändert. Nicht mehr die Sicherheitspolitik steht im Vordergrund, sondern die humanitären Folgen dieser Massenvernichtungswaffen. Neue Perspektiven und Stimmen waren zu hören. Thematisiert werden nun auch die Macht- und Autoritätsansprüche der Atomwaffenstaaten, Rassengerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung, wirtschaftliche Gerechtigkeit und eine Gleichberechtigung der Geschlechter.

Dennoch zeigt der Verbotsvertrag nach nur einem Jahr erste Ergebnisse, die Mut machen. Die Strategie, Atomwaffen zu stigmatisieren, ihre Unmenschlichkeit und Immoralität zu zeigen und den Status Quo der Atomwaffenstaaten in Frage zu stellen, geht auf. Abgeordnete setzen sich in den Parlamenten für den UN-Vertrag ein, Journalisten sprechen sich in Meinungsartikeln für das Verbot von Atomwaffen aus und Finanzinstitute geraten unter Druck, Investitionen in Atomwaffenhersteller zu beenden.

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o ist die Gesamtzahl der Finanzinstitutionen, die in Atomwaffenhersteller investieren, seit der Verabschiedung des UN-Vertrags bereits um acht Prozent zurückgegangen. Zwei der fünf größten Pensionsfonds der Welt haben Änderungen ihrer Geschäftspolitik im Bezug auf Atomwaffenhersteller angekündigt. Und auch die Deutsche Bank nimmt Änderungen ihrer Geschäftspolitik vor. Sie sind zwar nicht perfekt, aber sie gehen in die richtige Richtung. Und mehr noch: Der Verbotsvertrag hat der Anti-Atomwaffen-Bewegung neuen Schwung verliehen. In der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Nuklearwaffen (ICAN) beteiligte sich eine neue Generation von Aktivist*innen. Letztes Jahr wurde ICAN mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Dieser lenkte die mediale Aufmerksamkeit auf das Thema Atomwaffen. In ganz Europa gab es politische Proteste, in denen der UN-Verbotsvertrag eine Rolle

Regierung zum Beitritt zum Verbotsvertrag zu bewegen. Am 28. August 2018 forderte der Senat von Kalifornien die US-Regierung auf, den UN-Vertrag für ein Verbot von Atomwaffen zu unterzeichnen. In Deutschland unterstützen bisher knapp 300 Bundestags- und Landtagsabgeordnete die Erklärung. Im letzten Jahr hat die bremische Bürgschaft den Berliner Senat aufgefordert, sich auf Bundesebene für eine deutsche Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrages einzusetzen.

Der UN-Vertrag zum Verbot von Atomwaffen wurde am 7. Juli 2017 von 122 Staaten beschlossen. 60 Staaten haben ihn bereits unterzeichnet, 15 Staaten haben ratifiziert (Stand 9/2018). Deutschland unterstützt den Vertrag bisher nicht.

die Regierung auf, den UN-Vertrag zu unterzeichnen, indem sie sich an das Geländer des House of Commons ketteten. Auch hier unterstützt die Kirche in Form der Church of England das Verbot.

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Staaten haben den Vertrag bereits unterzeichnet, 15 Staaten haben ratifiziert. Sobald 50 Ratifikationen erreicht sind, tritt er in Kraft. Die Ratifizierungsrate für den Verbotsvertrag läuft derzeit schneller als für jedes andere multilaterale Massenvernichtungswaffen-Abkommen. Die nächste Unterzeichnungszeremonie findet am 26. September 2018 in New York statt. Schon 950 Parlamentarier in mehr als 30 Ländern haben sich verpflichtet, ihre 6

Der Verbotsvertrag hat die Debatte um Abrüstung ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt. Unsere Bundesregierung weigert sich, gemeinsam mit den Atomwaffenstaaten beharrlich dem Abkommen beizutreten und die US-Atomwaffen aus Büchel abzuziehen. Deswegen müssen wir weiter öffentlich Druck machen. Die Petition an die Bundesregierung „Unterzeichnen Sie das Atomwaffenverbot“ haben bereits 60.000 Menschen unterzeichnet. Es müssen noch viel mehr werden. Unter nuclearban.de können Sie unterschreiben. Im Oktober werden wir den Text als Anzeige in einer überregionalen Zeitung abdrucken. Auch dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.

Angelika Wilmen ist Pressesprecherin und Koordinatorin der Öffentlichkeitsarbeit der IPPNW.


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Foto: attac

Wie ethisch ist meine Bank? Interview mit Dr. Katja Goebbels zum Bankenwechsel

Deutsche Kreditinstitute finanzieren mit Milliardenbeträgen nicht nur die Herstellung von Atomwaffen, sondern investieren auch in Atomenergie und Rüstungsproduktion, bieten Wetten auf Nahrungsmittel an oder haben Tochter-Unternehmen in sogenannten Schattenfinanzplätzen oder „Steueroasen“. Nur ein Prozent der Bürger*innen legt ihr Geld nach ökologischen und ethischen Standards an. Dabei sind Girokonto und Geldinvestitionen ein wirkungsvoller Hebel, um Druck auf die Finanzinstitute zu machen. IPPNW-Ärztin Dr. Katja Goebbels hat ihr Konto zu einer Alternativbank umgezogen und den Wechsel bisher nicht bereut.

In welche Projekte investiert die GLS Bank? Goebbels: Von den 20.000 jährlich finanziell geförderten Projekten entfällt etwa ein Drittel auf den Bereich der Erneuerbaren Energien, ein Viertel auf nachhaltiges Bauen und 20 Prozent auf nachhaltige Landwirtschaft. Weitere Gelder fließen in soziale Projekte und Bildungsprojekte, etwa in freie Schulen und Kindergärten, Einrichtungen für behinderte und für alte Menschen. Gibt es andere ethische Banken, die nicht mit Nahrungsmitteln spekulieren und nicht in Atomenergie, Atomwaffen oder Rüstungsgeschäfte investieren, die für Dich ebenfalls in Frage gekommen wären? Goebbels: Ja, die anderen drei Alternativbanken: Triodos Bank, Umweltbank und EthikBank. Inzwischen gibt es auch bei diesen unterschiedliche Angebote, z. B. kostenloses weltweites Abheben oder Ähnliches, sodass sich ein Vergleich lohnt.

Warum hast Du Dich von deiner alten Bank getrennt und bist zu einem anderen Finanzinstitut gewechselt? Katja Goebbels: Wie sicher viele andere IPPNW-Mitglieder auch, war ich früher bei der Deutschen Apotheker- und Ärzte-Bank, die ja schon Medizinstudierende ködert. Irgendwann habe ich aber angefangen, mich damit auseinanderzusetzen, was die Banken mit meinem angelegten Geld anfangen. Ich wollte keine Investitionen in die Rüstungs- oder Atomindustrie unterstützen. Daraufhin habe ich mir die Alternativbanken angesehen, die mit dem Geld ihrer Kunden ökologisch, sozial und ethisch verträglich wirtschaften. Das Angebot der GLS Bank „Gemeinschaft für Leihen und Schenken“ hat mir am besten gefallen.

Bist Du rückwirkend mit deiner Entscheidung zufrieden? Goebbels: Ja, im Großen und Ganzen. Das Konto kostet monatlich 5 Euro plus Kontoführungsgebühr, was es mir aber wert ist. Als Mensch ohne viel Erspartes ist Mitreden allerdings nicht so einfach, um Mitglied bei der GLS zu werden, muss man mindestens fünf Anteile à 100 Euro zeichnen. Das ist mir bisher noch zu viel gewesen. Auch kostet eine Kreditkarte nicht unerheblich, daher benutze ich bei außereuropäischen Reisen immer noch ein Konto der Deutschen Kredit Bank (DKB). Dass man überall bei Volks- und Raiffeisenbanken abheben kann, ist prima und der Online-Service klappt auch sehr schnell.

Welche Investments schließt deine neue Bank aus? Goebbels: Sie „stellen sicher, dass ihr Geld nicht in Atomenergie, Rüstung, Agrochemie oder Kinderarbeit investiert wird.“ In der vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift „Bankspiegel“ werden die Kredite aufgelistet, die vergeben wurden. Als Kundin kann man mitentscheiden, in welchem Bereich das angelegte Geld fließen soll, ob in die ökologische Landwirtschaft oder in erneuerbare Energien. Wie die GLS die Einlagen anlegt, wird auf der Homepage der Bank transparent erklärt.

Weitere Informationen zum Bankenwechsel gibt es in der urgewald Broschüre „Was macht eigentlich mein Geld?“ urgewald.org/shop/broschuere-umwelt-ethik-bankgeschaeften Interview: Angelika Wilmen, IPPNW

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KEIN GELD FÜR ATOMWAFFEN

Weiterführende Informationen zu Investitionen in Atomwaffen und Atomwaffen unter: • dontbankonthebomb.com • atombombengeschaeft.de • atomwaffena-z.info • icanw.de • atomwaffenfrei.de

Sie wollen mehr? Die Artikel dieses Heftes stammen aus unserem Magazin „IPPNW-Forum“, Ausgabe Nr. 155, September 2018. Im Mittelpunkt der Berichterstattung des IPPNW-Forums stehen „unsere“ Themen: Atomenergie, Erneuerbare Energien, Atomwaffen, Friedenspolitik und soziale Verantwortung in der Medizin. In jedem Heft behandeln wir ein Schwerpunktthema und beleuchten es von verschiedenen Seiten. Darüber hinaus gibt es Berichte über aktuelle Entwicklungen in unseren Themenbereichen, einen Gastkommentar, Nachrichten, Kurzinterviews, Veranstaltungshinweise und Buchbesprechungen. Das IPPNW-Forum erscheint vier Mal im Jahr. Sie können es abonnieren oder einzelene Ausgaben in unserem Online-Shop bestellen.

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