IPPNW forum 154/2018 – Die Zeitschrift der IPPNW

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ippnw forum

das magazin der ippnw nr154 juni18 3,50€ internationale ärzte für die verhütung des atomkrieges – ärzte in sozialer verantwortung

Foto: Michael Schulze von Glaßer

- Brauchen wir eine neue Entspannungspolitik? - 60 Jahre „nukleare Teilhabe“ - Fukushima: „Unerwünschte“ Ergebnisse

Frieden geht! Nur ohne Rüstungsexporte: Abrüsten statt Aufrüsten


issuu.com/ippnw

Bestellen Sie die Broschüre Im humanitären Bereich hat das Werben um Erbschaften und Nachlässe eine lange Tradition. Der Vorstand der IPPNW hat sich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, diese Möglichkeit den eigenen Mitgliedern, Fördererinnen und Förderern anzutragen. Den Einsatz für Ziele, die Ihnen am Herzen liegen, können Sie durch ein Vermächtnis oder ein Erbe nachhaltig unterstützen. Diese zwölfseitige Broschüre informiert Sie, welche Fragen dabei zu bedenken sind.

Per FAX an 030/693 81 66

Ihr Nachlass gestaltet: Über den Tag hinaus

Ich bestelle ...... Exemplare der kostenlosen Broschüre „Über den Tag hinaus die Zukunft mitbestimmen: Vererben oder vermachen an einen gemeinnützigen Verein“.

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IPPNW Deutsche Sektion Körtestraße 10 10967 Berlin

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EDITORIAL Dr. Jens-Peter Steffen ist Referent für Frieden der deutschen Sektion der IPPNW.

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er fulminante Staffellauf gegen Rüstungsexporte, „Frieden geht!“, hat in Berlin seinen attraktiven Abschluss gefunden. Diese Kampagne hat mit der Aufforderung sich gegen deutsche Rüstungsexporte zu stellen viele Menschen, auch viele Freundinnen und Freunde der IPPNW, buchstäblich auf die Straße gebracht. Das war das Attraktive an dem Konzept: Jeder Einzelne und jede Einzelne konnte lokal oder auch regional aktiv sein und wurde durch die Beteiligung zugleich zu einem Teil einer bundesweiten Aktion, trug zum Gesamterfolg des Staffellaufes bei und gab dem breiten Unwillen der Bevölkerung gegen deutsche Rüstungsexporte und ihre inhumanen Folgen ein Gesicht. Für diesen Einsatz möchte ich allen Beteiligten danken. Über den Staffellauf ist in diesem FORUM einiges zu lesen, u. a. berichtet Sarah Gräber über die ganz besondere Atmosphäre des Laufes. Jan van Aken und Markus Bickel beleuchten in ihren Artikeln die Rolle der deutschen Politik, die mit der Genehmigung von Rüstungsexporten maßgeblich zu Krieg und Leid in dieser Welt beiträgt. Jürgen Grässlins Artikel ist ein Schlaglicht auf die andere Seite: die deutsche Rüstungsfirma Heckler & Koch. Er beschreibt Korruption, illegale Exporte und die Verwicklung deutscher Politiker. Einen globalen Blick auf das Thema Rüstungsexporte und Waffenhandel bietet uns im Schwerpunkt dieser Ausgabe zu guter Letzt Helmut Lohrer, der die internationale Kampagne „Global Net – Stop the Arms Trade“ mit ins Leben gerufen hat.

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ie Breite der weiteren Themen in dieser Ausgabe belegt, mit welchen friedenspolitischen Herausforderungen dieser Welt sich die Mitglieder und Freundinnen und Freunde der IPPNW darüber hinaus ernsthaft auseinandersetzen. Schwerpunktmäßig wird immer wieder der deutsche Beitrag zu friedenspolitischen Bedrohungen thematisiert: So in Bezug auf die Türkei, wo aus Deutschland gelieferte Panzer im Norden Syriens rollen, so in der Forderung, dass Deutschlands Rolle in der Welt keine Militärische sein dürfe, sondern stattdessen die positive Tradition europäischer Entspannungspolitik neu belebt und über Europa hinaus entwickelt werden müsse. Unsere Verantwortung schließt auch ein die Auseinandersetzung mit den Folgen, die „unser“ Energie und Ressourcen verschleudernder Lebensstil für die Welt hat. Zum Abschluss möchte ich auf die Möglichkeit hinweisen, die IPPNW durch eine Schenkung nachhaltig zu bedenken. Auf Anfrage senden wir Ihnen eine Broschüre zu, die Sie über diese Möglichkeiten informiert. 3


INHALT Klimawandel: Neue Allianz zu den gesundheitlichen Auswirkungen

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THEMEN Die Regierung ist eine große Gefahr für das Volk..............................8 Brauchen wir eine neue Entspannungspolitik?.................................10 Klimawandel – auch eine Frage der Gesundheit............................ 12 Gesundheit ein Menschenrecht?...............................................................14 Die atomare Gefahr, über die niemand spricht................................15 Höchste Zeit für ein Ende der „Abschreckung“...............................16 Fukushima: „Unerwünschte“ Ergebnisse............................................. 18

SERIE Die Nukleare Kette: Atomfabrik La Hague......................................... 19

Frieden geht: Rüstungsexporte stoppen

20 SCHWERPUNKT Frieden bewegt.................................................................................................... 20 Deutsche Waffen, deutsches Geld …................................................... 22 Kumpanei mit dem Kronprinzen...............................................................24 Heckler & Koch im Vielfrontenkrieg....................................................... 26 Gemeinsam etwas bewegen........................................................................ 28 Das „Global Net – Stop The Arms Trade“........................................... 29

WELT Indien und Pakistan: 20 Jahre Atomtests

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Einladung nach Breslau/Wrocław............................................................ 30

RUBRIKEN

Foto: Antônio Milena (Agência Brasil), CC BY 3.0 BR

Editorial.......................................................................................................................3 Meinung......................................................................................................................5 Nachrichten..............................................................................................................6 Aktion........................................................................................................................31 Gelesen.................................................................................................................... 32 Gesehen, Geplant, Termine......................................................................... 33 Gefragt..................................................................................................................... 34 Impressum/Bildnachweis.............................................................................. 33


MEINUNG

Dr. Alex Rosen ist Vorstandsvorsitzender der deutschen IPPNW.

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Seit Jahren warnen ExpertInnen vor der Möglichkeit eines atomaren Wettrüstens im Nahen Osten.

it Israel gibt es bislang zwar nur einen Staat in der Region, der über Atomwaffen verfügt, aber die Sorge ist groß, dass Staaten wie der Iran oder Saudi Arabien Atomwaffen entwickeln könnten.

Das Atomabkommen mit dem Iran war ein Glanzstück der internationalen Diplomatie. Mühsam über viele Jahre ausgehandelt, die legitimen Interessen aller Parteien anerkennend und von allen permanenten Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats getragen, stellte das Abkommen eine Blaupause dar, wie atomare Proliferation durch Verhandlungen, gegenseitige vertrauensbildende Maßnahmen und Sicherheitsgarantien verhindert werden kann. Auch im Atomkonflikt auf der koreanischen Halbinsel hätte man sich auf die wegweisenden Mechanismen des Abkommens berufen können.

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och nun hat Donald Trump die Zusagen der USA zurückgenommen und damit streng genommen das Abkommen aufgekündigt. Wohlwollende Versuche vonseiten Chinas, Russlands und der EU, das Abkommen doch noch zu retten, könnten die Regierung im Iran zwar im besten Fall durch weitere wirtschaftliche Zugeständnisse davon abhalten, ihr Atomprogramm wieder hochzufahren, der Schaden wäre dennoch immens – denn wie sollen künftig multilaterale Abkommen abgeschlossen werden, wenn von Anfang an unklar ist, ob sich die USA als mächtigste Militärmacht der Welt daran halten werden? Das Atomabkommen mit dem Iran hatte die Region und damit die Welt ein kleines bisschen berechenbarer und sicherer gemacht. Die einseitige Aufkündigung durch die USA hat genau das Gegenteil bewirkt und spielt zudem den Hardlinern in Teheran in die Hände, die von Anfang an davor warnten, den USA zu vertrauen. Da ist es nur wenig tröstlich, wenn man bedenkt, dass in Washington vor allem innenpolitische Überlegungen hinter Trumps Entscheidung gestanden haben dürften: In wenigen Monaten sind die Halbzeitwahlen im Kongress und Trump wollte unbedingt sein Wahlversprechen umsetzen und „Obamas Iran-Deal“ torpedieren. Die IPPNW setzt sich auch weiterhin für das Atomabkommen ein und wird konkret alle anderen Unterzeichnerstaaten dazu aufrufen, am Abkommen festzuhalten. 5


N ACHRICHTEN

Entschädigung nach Atomausstieg

Abstimmung über Kampfdrohnen im Bundestag

Widerstand am Fliegerhorst Jagel

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Damit setzt der Bund ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um. Es hatte den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2018 das Atomgesetz zu ändern, nachdem das Gericht den Atomausstieg Ende 2016 in einem Urteil zwar gebilligt, einigen AKW-Betreibern aber geringfügige Ausgleichsmaßnahmen zugestanden hatte. Die Höhe der finanziellen Entschädigung ließ das Bundesverfassungsgericht offen, betonte aber: „Der Ausgleich braucht auch nur das zur Herstellung der Angemessenheit erforderliche Maß zu erreichen, das nicht zwingend dem vollen Wertersatz entsprechen muss.“

itte Juni stimmt der Haushaltsausschuss über einen Leasingvertrag mit Airbus für sieben bewaffnungsfähige Heron TP Drohnen aus Israel ab. Die Kosten für das Projekt werden mit mindestens 900 Mio. Euro beziffert. Ob letztlich eine Bewaffnung erfolgen soll, wird gesondert im Laufe der Legislaturperiode entschieden. Die Abgeordneten der SPD sahen das Projekt letztes Jahr noch kritisch und verhinderten kurz vor der parlamentarischen Sommerpause die Vertragsunterzeichnung. Nun, da einige sensible Punkte, wie die Beschaffung von Munition, aus der Vorlage gestrichen wurden, werben Außen- und VerteidigungspolitikerInnen der SPD laut Süddeutscher Zeitung um die Zustimmung in der Fraktion. In dem Artikel heißt es: Ohne dieses Nachfolgemodell „würde ein wichtiger Beitrag zum Schutz von Soldatinnen und Soldaten sowie der Verbündeten im Auslandseinsatz entfallen“. Sie würden „keine sinnvolle Alternative“ zur Anschaffung der Heron TP sehen. Überraschend fällt die Begründung für die Wahl des israelischen Modells aus. Man sei nicht geneigt, sich „auch noch bei Aufklärungsmitteln von US-Technik abhängig“ zu machen.

Die IPPNW hatte die Parteien bereits vor der Bundestagswahl gewarnt, den Konzernen den Atomausstieg weiter zu vergolden. Schon durch andere Entscheidungen und Unterlassungen von Bundesregierung und Landesregierungen seien die Kosten des Atomausstiegs unnötig erhöht worden.

Die Drohnenkampagne, in der die IPPNW Mitglied ist, forderte ihre Mitglieder auf, sich in Protestbriefen und E-Mails an die Abgeordneten des Haushalts- und Verteidigungsausschusses zu wenden. Das Ergebnis der Abstimmung lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.

ach dem 2011 beschlossenen Atomausstieg können die AKW-Betreiber Vattenfall und RWE nun offenbar mit rund einer Milliarde Euro Entschädigung rechnen. Das Bundeskabinett hat im Mai eine Entschädigung für RWE und Vattenfall auf den Weg gebracht. Die genaue Summe steht noch nicht fest. Das Bundesumweltministerium geht davon aus, dass die Kosten für die Steuerzahler „einen niedrigen einstelligen Milliardenbereich nicht überschreiten“ und vermutlich unter einer Milliarde bleiben.

Weitere Informationen: www.drohnen-kampagne.de 6

uf dem Bundeswehr-Fliegerhorst Schleswig-Jagel ist das Taktische Luftwaffengeschwader 51 des deutschen Militärs stationiert. Hauptaufgabe ist das Ausspähen und die Erfassung von Zielkoordinaten mit Tornados und Drohnen. Die BundeswehrsoldatInnen von Jagel sind nach Afghanistan und Irak nun auch in Syrien und Mali im Kriegseinsatz. Die Bundeswehr plant, den Fliegerhorst zum zentralen Ausbildungszentrum der Luftwaffe zu entwickeln. Ab 2019 soll das Geschwader um bewaffnete Kampfdrohnen erweitert werden. Bis 2025 will Deutschland im europäischen Verbund eigene Kampfdrohnen bauen, die dann in Jagel stationiert werden sollen. Seit Sommer 2015 treffen sich in Jagel in etwa monatlichem Abstand Menschen, um gegen die Kriegsführung zu protestieren und organisieren Veranstaltungen. Höhepunkt war im letzten Jahr eine Konzertblockade durch die Musikgruppe „Lebenslaute“. In diesem Jahr führte Mitte Mai der Staffellauf zwischen Husum an der Nordsee und Damp an der Ostsee über die Rollbahn des Fliegerhorstes Jagel, von der sonst Tornados starten. Mehr als 700 Teams waren beteiligt mit Tausenden LäuferInnen. Am 26. Juni 2018 findet ein „Offenes Kriegsatelier“ als Protest gegen die Kriegsführung der Bundeswehr und der NATO statt. Eingeladen sind alle, die ihre kreativen Fähigkeiten vor den Toren des Standortes einsetzen wollen. Weitere Informationen: www.bundeswehrabschaffen.de


N ACHRICHTEN

Deutsche Bank will aus Geschäft mit Atomwaffen aussteigen

Mehrheit der Deutschen gegen Rüstungsexporte

Banken finanzieren atomares Wettrüsten

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ie Deutsche Bank will ihre Geschäftsbeziehungen zu Herstellern von Atomwaffen beenden. Mitte Mai veröffentlichte die Bank kurz vor ihrer Hauptversammlung eine „Richtlinie zu kontroversen Waffen“. Damit reagierte sie auch auf Kritik der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN), die im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreis erhielt. „Die neue Richtlinie ist ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung“, sagt Martin Hinrichs, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland. „Geschäfte mit Massenvernichtungswaffen sind durch nichts zu rechtfertigen.“ ICAN hatte in einer Studie zusammen mit der Friedensorganisation PAX aufgedeckt, dass die Deutsche Bank mehrere Milliarden Euro in Hersteller von Atomsprengköpfen und Atomraketen investiert hatte. Mit der Richtlinie werden erstmals alle Transaktionen mit Firmen ausgeschlossen, die direkt an der Herstellung oder Instandhaltung von Atomwaffen beteiligt sind. Gleichzeitig lässt die Richtlinie weiterhin Raum für Ausnahmen. Aus Sicht von ICAN fehlt außerdem eine Liste mit Firmen, die ausgeschlossen werden. „Erst die praktische Umsetzung zeigt, ob die Richtlinie wirklich etwas verändert. An einigen Stellen ist sie leider noch sehr vage. Wir sind überzeugt: Nur eine konsequente Anwendung auf alle Atomwaffen-Hersteller macht die Richtlinie glaubwürdig“, erklärte Jonathan Seel für ICAN Deutschland vor den AktionärInnen.

ine deutliche Mehrheit von 64 % der Deutschen ist gegen den Verkauf von Waffen und anderen Rüstungsgütern an andere Staaten. Überwältigende 80  % der BundesbürgerInnen lehnen Exporte in Kriegs- und Krisengebiete ab. Nur 9 % befürworten den Verkauf von Waffen dorthin. Besonders stark ist die Ablehnung bei Waffenlieferungen an den NATO-Partner Türkei. 83 % sprechen sich dagegen aus, dass Deutschland Waffen und andere Rüstungsgüter in das Land exportiert. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, die das Bündnis „Frieden geht!“ anlässlich des Staffellaufs gegen Rüstungsexporte im Mai in Auftrag gegeben hat. Dabei ist die Ablehnung eines Verkaufs von Waffen bei Frauen noch stärker. Auch bei den AnhängerInnen von Linken und Grünen ist die Ablehnung von Rüstungsexporten noch höher. „Die Umfrageergebnisse verstehen wir als Aufforderung der Bevölkerung an die Bundesregierung, endlich eine restriktivere Rüstungsexportpolitik umzusetzen und in einem ersten Schritt keine Waffen mehr in Kriegs- und Krisengebiete zu liefern“, erklärt Max Weber, Co-Koordinator von „Frieden geht!“. Das Bündnis von Menschen aus der Friedensbewegung, den Kirchen, Entwicklungsorganisationen, Kulturschaffenden und SportlerInnen fordert einen Stopp deutscher Rüstungsexporte. Die IPPNW gehört zum Trägerkreis. Weitere Informationen: www.frieden-geht.de

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eutsche Kreditinstitute finanzieren mit Milliardenbeträgen die Herstellung von Atomwaffen und beteiligen sich somit am weltweiten nuklearen Wettrüsten. Das geht aus einer Studie hervor, die die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und die niederländische Friedensorganisation PAX im März veröffentlichten. Demnach haben zehn deutsche Finanzdienstleister seit Januar 2014 insgesamt rund 10,37 Milliarden US-Dollar (8,41 Milliarden Euro) den Produzenten von Atomwaffen zur Verfügung gestellt. Die Volks- und Raiffeisenbanken verkaufen das tödliche Investment sogar über den Fonds „UniGlobal“ an Privatanleger. Die im Bericht untersuchten Rüstungsunternehmen produzieren Atombomben, Atomsprengköpfe sowie Atomraketen oder sind mit der Wartung dieser Systeme beauftragt. Ins Auge fällt die Finanzspritze der DZ Bank, die ihre Investitionen in Atomwaffenhersteller von 66 Mio. auf 470 Mio. USDollar massiv erhöht hat. Die DZ Bank ist das Zentralinstitut von rund 1.000 Genossenschaftsbanken in Deutschland, dazu gehören etwa Volks- und Raiffeisenbanken. Die Bank unterstützt die US-amerikanische Rüstungsfirma Northrop Grumman mit mehr als 400 Mio. US-Dollar. Dieses Unternehmen produziert Atomraketen für das US-Arsenal und ist auch am britischen Atomwaffenprogramm beteiligt. Weitere Informationen: www.dontbankonthebomb.com


Die Regierung ist eine große Gefahr für das Volk Reiseeindrücke aus der Türkei im Ausnahmezustand

Eine 8-köpfige Gruppe von Ärztinnen, Pädagoginnen und einem Pfarrer war vom 10. bis 24. März 2018 unterwegs in Istanbul, Diyarbakir, Mardin, Nuseybin, Cizre, Hasankeyf, Dersim und Ankara. Sie führte Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft, der HDP und der Deutschen Botschaft und nahm am Newrozfest in Diyarbakir teil.

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Polizei- und Militärposten gesichert ebenso wie alle öffentlichen Gebäude. Überall sind Überwachungskameras und Richtmikrofone installiert. Öffentliche Veranstaltungen, Presseerklärungen und Versammlungen auf der Straße sind verboten. Es ist ein Land unter Besatzung.

eit dem Ende des Friedensprozesses mit den Kurden 2015 und besonders seit dem Putschversuch 2016 ist die Zivilgesellschaft im ganzen Land unter großem Druck. Jede oppositionelle Arbeit wird verboten und gerichtlich verfolgt. Der Ausnahmezustand ist seit dem Putschversuch fortlaufend verlängert worden und ermöglicht so dem Präsidenten per Dekret zu regieren. Nahezu alle unabhängigen Medien sind verboten, über 100 JournalistInnen in Haft. Die massiven Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst mit nachfolgenden Berufsverboten führen zu großen Engpässen besonders in den Schulen und in der ärztlichen Versorgung. Die Gewaltenteilung ist aufgehoben. Der Präsident gibt dem Parlament die Themen vor, die meisten Abgeordneten der HDP (Halkların Demokratik Partisi, deutsch Demokratische Partei der Völker) sind inhaftiert, die CHP (Cumhuriyet Halk Partisi, deutsch Republikanische Volkspartei) ist eine schwache Opposition, die leicht überstimmt werden kann. Die Justiz ist abhängig vom Präsidenten, viele Richter und Staatsanwälte sind entlassen worden, oder werden entlassen, wenn sie nicht im Sinne der Regierung entscheiden. Die letzte Entlassungs- und Verhaftungswelle wurde durch den Angriff der Türkei auf die nordsyrische Provinz Afrin ausgelöst. Jeder und jede, die sich öffentlich oder in den sozialen Medien gegen den Krieg dort ausspricht, riskiert eine nächtliche Razzia in seiner privaten Wohnung, Entlassung und Verhaftung.

Trotz der eigenen Probleme war bei all unseren Gesprächen der Angriff auf Afrin und die Sorge um die Menschen dort das wichtigste Thema. Hier erfährt man täglich am eigenen Leib, was Besatzung heißt. Auch die brutale Zerstörung von Städten und Infrastruktur und die Ermordung und Vertreibung von unbewaffneten Zivilpersonen sind hier aus 2015/16 noch in böser Erinnerung. Umso perverser die ständigen Bilder des türkischen Fernsehens, die überall in Hotels und Gaststätten laufen, in denen die türkischen Streitkräfte und ihre dschi­ha­dis­tischen Söldner von der Bevölkerung in Afrin als Befreier gefeiert werden.

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frin war – wie auch die beiden anderen Kantone – vor dem Angriff der Türkei kein Kriegsgebiet. Im Gegenteil, es war Zuflucht für viele Flüchtlinge aus den syrischen Kampfgebieten. Die Bevölkerung hatte sich im Laufe des Krieges verdreifacht. Trotz des andauernden Embargos durch die Türkei war es der autonomen Selbstverwaltung gelungen, die Menschen zu versorgen. Die Flüchtlinge aus Aleppo bauten kleine Textilbetriebe auf, andere betrieben Getreide- und Ölmühlen. Die kommunale Verwaltung bezog alle Ethnien und Religionen und Männer und Frauen gleichberechtigt mit ein, die YPG (kurdisch Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten) verteidigte die Dörfer und Städte gegen Angriffe.

Im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes ist die Situation noch verschärft. Die zum Teil mit bis zu 90 % der Stimmen gewählten Bürgermeister und Stadtparlamente wurden entlassen und durch staatliche Verwalter ersetzt. Viele Bürgermeister und HDP-Mitglieder sind in Haft. Alle kommunalen Zentren, auch die Frauenzentren in den Stadtteilen sind geschlossen. Dafür wurden einige Koranschulen für Frauen eröffnet. Alle Ein- und Ausfahrten in Städte und Ortschaften sind durch

Jetzt, nach der sogenannten Befreiung von den Terroristen der YPG liegt die Provinz in Schutt und Asche, wie der Rest von Syrien. Die dschi­ha­dis­tischen Söldner haben gemordet und geplün8


FRIEDEN

Diese Bilder und auch die Bilder von den Zerstörungen und Vertreibungen erreichen die Menschen über kurdische und arabische Sender aus Nordirak und Rojava, die sie trotz der damit verbundenen Gefahr über Satellit empfangen.

dert. Insbesondere die Bewohner der jesidischen Dörfer an der türkischen Grenze sind bedroht von Verbrechen und Übergriffen wie in Sengal (irakische Stadt in der Provinz Ninawa). Mädchen und Frauen werden verschleppt und versklavt, die Männer zur Konversion gezwungen. Der türkische Präsident bestreitet, dass Zivilisten zu Schaden gekommen sind. Er will humanitäre Stützpunkte einrichten und schnell mit dem Wiederaufbau beginnen.

Unsere Forderungen an die Bundesregierung Zum Abschluss unserer Reise hat unsere Gruppe folgende Forderungen an die Bundesregierung formuliert. Wir fordern die Bundestagsabgeordneten und die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass:

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ie so ein Wiederaufbau à la Erdogan aussieht, konnten wir in Nordkurdistan sehen: Ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen, Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung werden Betonblocks hochgezogen, in denen die Wohnungen so teuer sind, dass die früheren Bewohner der zerstörten Städte und Dörfer sie sich nicht leisten können. Die türkischen Besatzer werden versuchen, dort arabische Flüchtlinge aus der Türkei anzusiedeln und so die Zusammensetzung der Bevölkerung in ihrem Sinne zu verändern.

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Mit der Eroberung von Afrin wird die türkische Regierung sich nicht zufriedengeben, die YPG und ihre amerikanischen Verbündeten sollen bis über den Euphrat zurückgedrängt werden. Östlich des Euphrat haben die USA mehrere militärische Stützpunkte. Hier sind die reichen Öl- und Gas-Vorkommen und die Kornkammer Syriens. Sollten sich die Amerikaner, wie Präsident Trump ankündigte, wirklich schnell aus Syrien zurückziehen, könnten die türkischen Truppen ihre Drohung wahr machen und den Krieg auch in die autonomen Gebiete bis zur irakischen Grenze tragen. Auch im Irak drohen sie mit einem Einmarsch bis nach Sengal.

Unsere Gesprächspartner in der Türkei beklagten sich bitter über das Schweigen Europas und besonders Deutschlands, dessen Waffen in diesem völkerrechtswidrigen Angriff zum Einsatz kommen und dessen Waffenlieferungen an den NATO-Partner allen Beteuerungen zum Trotz unvermindert weiter gehen.

alle aus politischen Gründen verhafteten und verurteilten LehrerInnen, JournalistInnen, RechtsanwältInnen, ÄrztInnen und politisch Verfolgte, besonders auch die gewählten BürgermeisterInnen und Abgeordneten freigelassen werden, alle aus politischen Gründen Entlassenen wieder eingestellt werden und das faktische Berufsverbot aufgehoben wird, die Türkei sich aus Afrin zurückzieht und keine weiteren Angriffskriege gegen andere Länder führt, die türkische Regierung stattdessen die Friedensverhandlungen mit der PKK wieder aufnimmt und sich bemüht, sie zu einem erfolgreichen Ende zu bringen, die Bundesregierung sich bemüht ein ehrlicher Mittler zu sein zwischen der türkischen Regierung und den KurdInnen mit ihren VertreterInnen – sowohl der HDP als auch der PKK – und diese VertreterInnen zu einem Friedensgespräch nach Deutschland einlädt, in Deutschland die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung beendet wird und die PKK als eine legitime Vertreterin von KurdInnen anerkannt wird.

Dr. Gisela Penteker war Teilnehmerin der Reise. Sie ist Koordinatorin des AK Flüchtlinge/Asyl und Türkeibeauftragte der IPPNW.

Als Ermutigung wurden die Bilder von den großen Demonstrationen gegen den Krieg in Afrin in europäischen Städten gesehen. 9


FRIEDEN

Brauchen wir eine neue Entspannungspolitik? Die Initiative „Neue Entspannungspolitik jetzt!“

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Der Ausbau der KSZE zur Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) war ein Meilenstein der Beilegung des Ost-West-Konfliktes nach 1990. Nicht verhindern konnte die KSZE/OSZE allerdings eine ganze Reihe von Kriegen und Bürgerkriegen zwischen und in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens und der Sowjetunion. Als Ergebnis dieser Kriege gibt es heute eine ganze Reihe von Gebieten in Europa, deren völkerrechtlicher Sta­ tus umstritten ist. Zu den Traumata des von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieges kamen neue hinzu. Teilweise werden auch ältere, z. T. jahrhundertealte Traumata politisch wieder bedeutsam, die in der Sowjetära oder innerhalb Jugoslawiens nicht verarbeitet werden konnten.

eit spätestens 2011 hat sich das Verhältnis zwischen den USA bzw. den NATO-Staaten und Russland von Jahr zu Jahr verschlechtert. Durch die Annexion der Krim und die erst versteckte, dann offene russische Unterstützung für die Separatisten in der Ostukraine im Jahr 2014 wurde dieser Prozess dramatisch verschärft. Inzwischen ist immer öfter von einem „neuen Kalten Krieg“ die Rede. Ein neuer Rüstungswettlauf in und um Europa droht, bestehende Abrüstungs- und Rüstungskontrollverträge sind in Gefahr, Militäretats werden erhöht und qualitativ neue Waffensysteme entwickelt. Auch etablierte Sicherheitspolitiker warnen zunehmend vor einer unbeabsichtigten Eskalation hin zu einem heißen Krieg, der EUoder NATO-Länder mit betrifft.

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aher ist die Situation nicht die gleiche wie in der Zeit des Kalten Krieges. Es stehen sich – auch wenn man nur die europäischen NATO-Kapazitäten betrachtet – nicht mehr zwei im Wesentlichen gleich starke Blöcke gegenüber. Während in Bezug auf Atomwaffen Russland und die USA jeweils über größere Arsenale verfügen als alle anderen offiziellen und inoffiziellen Atommächte zusammengenommen und sich daher in der Logik der Abschreckungsbefürworter etwa gleich stark gegenüberstehen, sind durch die Auflösung des Warschauer Paktes und der Sowjetunion die Kräfteverhältnisse in Europa deutlich verändert. Russland ist zwar einzeln betrachtet die größte Militärmacht in Europa und ist damit in klassischer sicherheitspolitischer Betrachtung jedem einzelnen europäischen Staat militärisch überlegen. Sowohl in der Höhe der Militäretats als auch in Bezug auf die vorhandenen Waffensysteme und die Zahl der Soldaten sind aber die europäischen NATO-Kapazitäten den russischen überlegen.

Es liegt daher nahe, eine neue Entspannungspolitik zu fordern. Genau dies tut die Initiative „Neue Entspannungspolitik jetzt!“. Sie ist 2016 entstanden und mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit getreten, der von Anfang an auch in den USA Unterstützung gefunden hat. Die Grundprinzipien der Entspannungspolitik wurden in der militärischen und wirtschaftlichen Blockkonfrontation des Kalten Krieges entwickelt. Sie basierten auf der Erkenntnis, dass ein heißer Krieg zwischen den Blöcken durch den Einsatz von Atomwaffen im dritten und letzten Weltkrieg enden würde. Ungeachtet der fundamentalen Unterschiede im Regierungs- und Wirtschaftssystem und im jeweils offiziell verkündeten Wertesystem wurde nach Ansatzpunkten gesucht, den „Kalten Krieg“ nicht zum „Heißen Krieg“ eskalieren zu lassen. Die Elemente der damaligen Entspannungspolitik sind bekannt – von den Ostverträgen Willy Brandts über diverse Rüstungskontrollabkommen und Wirtschaftsverträge bis hin zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) mit der Schlussakte von Helsinki. Zwei wichtige Prinzipien spielten dabei eine entscheidende Rolle: die Suche nach gemeinsamen Interessen und die Bereitschaft, die Welt gelegentlich auch mal aus der Perspektive des Gegners zu betrachten. Im KSZE-Prozess spielten blockfreie europäische Staaten (insbesondere Schweden, Finnland, die Schweiz, Jugoslawien, Österreich) eine wesentliche Rolle.

Eine neue Entspannungspolitik kann daher keine bilaterale Politik zwischen der NATO (oder gar nur Deutschland) und Russland sein. Sie muss die Tatsache einbeziehen, dass sich sowohl innerhalb der NATO als auch in den zwischen der NATO und Russland liegenden Staaten die Bedrohungswahrnehmungen erheblich unterscheiden. Genauso unterschiedlich sind die Bewertungen der dramatischen wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in den Staaten des ehemaligen Ostblocks und Jugoslawiens. Teilweise sehen sich ganze Staaten, teilweise zumindest relevante Bevölkerungsgruppen als „Wendeverlierer“. 10


UNTERZEICHNUNG DES KSZEABSCHLUSSDOKUMENT IN HELSINKI 1975. V.L.N.R.: HELMUT SCHMIDT, BUNDESKANZLER DER BRD, ERICH HONECKER, STAATSRATSVORSITZENDER DER DDR, GERALD FORD, PRÄSIDENT DER USA, BRUNO KREISKY, BUNDESKANZLER VON ÖSTERREICH. Foto: Bundesarchiv, Bild 183-P0801-026/ CC-BY-SA 3.0

Von manchen wird der Ruf nach einer neuen Entspannungspolitik als Wiederauflage einer Appeasementpolitik desavouiert. Wer das behauptet, vergisst, dass die Entspannungspolitik von Willy Brandt ein Jahr nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in Prag entwickelt wurde. US-Präsident Donald Trump hat seit seinem Amtsantritt nach Kräften Konflikte eskaliert und setzt immer mehr auf die Drohung mit Militär als Mittel der Außenpolitik. Dem kann und muss Europa etwas entgegensetzen: eine konstruktive neue Entspannungspolitik.

Die KSZE stellte während des Kalten Krieges einen strukturierten Dialog in drei Themengebieten dar: Sicherheitspolitik, Wirtschaftsbeziehungen, menschliche Beziehungen. Die Schlussakte von Helsinki war rückblickend betrachtet ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ende des Kalten Krieges. Es bietet sich daher an, unter den heutigen Bedingungen erneut strukturierte Dialoge zu initiieren. Welche gemeinsamen Interessen der Regierungen, welche gemeinsamen Interessen der Menschen in den verschiedenen europäischen und postsowjetischen Staaten können in der aktuellen Situation mit Aussicht auf Erfolg thematisiert werden? Im „gemeinsamen Haus Europa“ besteht ein großes Interesse an Reisefreiheit, sei es für Familienbesuche, sei es aus touristischen Gründen oder zum Lernen und Arbeiten. Seit dem Ende des Kalten Krieges sind vielfältige berufliche, familiäre und freundschaftliche Beziehungen zwischen europäischen und postsowjetischen Ländern entstanden. Niemand wünscht sich einen Krieg gegen ein Land, in dem Freunde und Verwandte leben – auch dann nicht, wenn im Einzelfall politische Entwicklungen unterschiedlich wahrgenommen und interpretiert werden. Wirtschaftsbeziehungen, die allen Beteiligten einen Vorteil bringen, stoßen bei den meisten Menschen genauso auf Zustimmung wie akademische und kulturelle Austauschprogramme.

Die IPPNW unterstützt die Initiative und deren Aufruf „Neue Entspannungspolitik jetzt!“ Unterzeichen Sie den Aufruf unter: neue-entspannungspolitik.berlin/aufruf Weitere Hintergrundinformationen zum Thema sowie aktuelle Artikel und Informationen (dreisprachig; deutsch/englisch/russisch): neue-entspannungspolitik.berlin

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ie Bedeutung der OSZE ist durch die Arbeit der Special Monitoring Mission in der Ukraine vielen Menschen wieder bewusst geworden. Sie bietet einen Rahmen für eine Weiterentwicklung von Rüstungskontrolle und sicherheitspolitischer Vertrauensbildung in Europa und für gemeinsames Handeln bei Problemen, die viele oder alle Mitgliedsstaaten betreffen. Dazu gehören Themen wie Terrorismus oder Flucht und Migration. Als Deutsche dürfen wir nicht vergessen, welche Rolle die Erinnerungspolitik im Dialog mit den Staaten spielt, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg überfallen hat. Selbst im Umgang mit den EUund NATO-Staaten der Zeit vor 1989/90 ist dieses Kapitel noch nicht abgeschlossen. Hoch brisant sind verschiedene Interpretationen der Geschichte nach wie vor im Umgang mit den östlichen Nachbarstaaten inkl. der Ukraine, Weißrusslands, des Baltikums, Moldawiens und teilweise auch der Balkanstaaten. Auch hier täte ein strukturierter Dialog gut.

Dr. Ute Finckh-Krämer ist Co-Vorsitzende des SprecherInnenrats der „Plattform Zivile Konfliktbearbeitung“. 11


SOZIALE VERANTWORTUNG

Klimawandel – auch eine Frage der Gesundheit Die IPPNW ist Teil der „Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit“, die sich 2017 gründete

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eit etwa 10 Jahren wird der Klimawandel zunehmend als zentrale Gesundheitsfrage begriffen. Der Klimawandel sei „die entscheidende gesundheitliche Herausforderung unseres Jahrhunderts“ (Magaret Chan, WHO), aber auch „auf den Klimawandel zu reagieren könnte die größte Chance für die globale Gesundheit im 21. Jahrhundert sein“ (Lancet Commission). „Klimawandel muss neu als Gesundheitsfrage verstanden werden“ und „Gesundheitsfachkräfte müssen beim Klimawandel eine führende Rolle übernehmen“, so die Titel zweier Editorials im British Medical Journal (2018 und 2016). Im deutschen Gesundheitssektor, der Ärzteschaft und ihren Publikationsorganen wie in der Öffentlichkeit hat sich diese internationale Debatte, im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern – von Nischen abgesehen – bisher kaum abgebildet. In Großbritannien z. B. lösten der IPCC-Bericht von 2014 und die beiden Berichte der Lancet Commission on Health and Climate Change von 2009 und 2015 eine große Resonanz aus und führten zu zahlreichen Initiativen im Gesundheitssektor. Die führenden Fachjournale „The Lancet“ und das „British Medical Journal“ berichten regelmäßig und ausführlich zum Thema und spielen eine proaktive Rolle im Agendasetting. In den letzten Jahren haben sich immer mehr nationale Ärzteverbände und zahlreiche medizinische Fachgesellschaften zum Klimawandel positioniert – deutsche fehlen meines Wissens bislang – und es entstanden zunehmend nationale und internationale Health and Climate Allianzen im Gesundheitssektor.

Im Oktober 2017 hat die Versammlung des Weltärztebundes eine Erklärung zu „Health and Climate Change“ verabschiedet, die weitreichende Empfehlungen an die Politik, die Gesundheitsorganisationen und die nationalen Ärzteverbände enthält. Sie ruft die Mitgliedsverbände dazu auf, Klimawandel als vorrangiges Thema auf ihre Agenda zu setzen. Diese Erklärung fand auch die Unterstützung der Bundesärztekammer. Aber weder das Deutsche Ärzteblatt hat darüber berichtet, noch liegt bisher die Erklärung in deutscher Sprache vor. Allerdings – und das ist erfreulich – hat sich der Präsident der Bundesärztekammer, FrankUlrich Montgomery, im März in einem Interview mit der Zeitschrift Movum zum Thema Klimawandel öffentlich geäußert.

Das bisherige Engagement der IPPNW in der Klimafrage Bei „Medact“, unserer britischen Schwesterorganisation, ist Klimawandel einer ihrer vier Schwerpunktthemen, bei den „Physicians for Social Responsibility“ (PSR) ist „Environment and Health“ eines von drei Schwerpunkten. Medact hat die Debatte in Großbritannien stark mit geprägt. Die deutsche IPPNW hat sich seit etwa drei Jahren zunehmend dem Thema Klimawandel geöffnet. Sie hat 2016 den bundesweiten Divestment-Appell von ÄrztInnen an die ärztlichen Versorgungswerke mit unterstützt. Auch im „Medical Peace Work“ Projekt spielt die Klimakrise eine Rolle. Die IPPNW Global Health Summer School hatte 2017 „Climate Change, Violence and Health“ als Schwerpunkt. Vor allem junge IPPNWlerInnen sind am Thema interessiert und engagiert. 12

Die Gründung der Allianz Die „Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit“ ist ein im Oktober 2017 gegründetes Bündnis von Akteuren aus dem Gesundheitsbereich. Mehrere IPPNW-Mitglieder waren an der Gründung der Allianz beteiligt. Von den 7 Mitgliedern der Steuerungsrunde sind vier IPPNW-Mitglieder. Inspiriert durch Beispiele ähnlicher Allianzen, insbesondere aus den angelsächsischen Ländern, will es Grundlagen für ein langfristiges Engagement des Gesundheitssektors im Klimaschutz schaffen und somit einen Beitrag zur Begrenzung des globalen Klimawandels leisten. Die Allianz fühlt sich aus Gründen des Gesundheitsschutzes den deutschen und internationalen Klimaschutzzielen verpflichtet und möchte zu deren Erreichen beitragen, indem: »» Der Klimawandel von einer kritischen Menge von Gesundheitsorganisationen und Einzelpersonen als wichtige Herausforderung für den Gesundheitssektor anerkannt wird; »» Klimaschutz im Gesundheitswesen unter Priorisierung der damit verbundenen Gesundheitschancen umgesetzt wird; »» Der Gesundheitssektor Verantwortung in der gesamtgesellschaftlichen Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft übernimmt. Die Allianz versteht sich als ein Netzwerk von Aktiven (bisher etwa 35–40) und Organisationen. Diese kommen aus unterschiedlichen Bereichen des Gesund-


Foto: AG Klimawandel und Gesundheit der Kritischen MedizinerInnen

heitswesens: Wissenschaft, Gesundheitsorganisationen, Behörden, und Einzelpersonen. Viele der Aktiven sind in NGOs wie IPPNW, GermanWatch und HEAL verankert. Die Health and Environmental Alliance Europe (HEAL) war wesentlicher Geburtshelfer bei der Allianzgründung. Demnächst werden wir an weitere Organisationen als Allianzpartner herantreten. IPPNW-Studierende arbeiten in der AG Klimawandel und Gesundheit der kritischen MedizinerInnen mit. Diese waren am Weltgesundheitstag im April mit ihrem Positionspapier Gesundheit braucht Klimaschutz, der Forderung nach einem Kohlausstieg bis 2030, einer Kundgebung und einem Flashmob in die Öffentlichkeit getreten. Die IPPNW und andere Medizinerorganisationen und Umweltverbände hatten diese Aktion, die auf ein reges Medienecho stieß, unterstützt.

Die bisherige Entwicklung der Allianz Wir haben eine Gründungserklärung erarbeitet und zwei Stiftungen (Mercatorstiftung und European Climate Foundation) für die Finanzierung einer Teilzeit-Stelle einer Projektleiterin gewinnen können. Es gab einen Aktivenworkshop Ende Januar 2018 mit weiteren 15 Aktiven, die sich alle „verpflichtet“ haben, aktiv zu werden. Dort wurden die sieben Themencluster (s.u.) der Allianz erarbeitet. Drei Regionalgruppen (Berlin, Stuttgart, München) sind im Aufbau oder bereits aktiv. Die Stuttgarter Gruppe plant ihr Gründungstreffen für den Sommer. Mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e. V. (FÖS) haben wir

Aktiv werden Neue MitstreiterInnen sind herzlich willkommen! Bitte schreiben Sie an: kontakt@klimawandel-gesundheit.de Weitere Informationen unter: www.klimawandel-gesundheit.de

uns auf die Rechtsträgerschaft unserer Allianz verständigt. FÖS ist auch der Rechtsträger der Deutschen Klimaallianz. Zum 1. Mai 2017 wurde eine Journalistin als Projektleiterin eingestellt, die zum Thema Klimawandel und Öffentlichkeitsarbeit viel Erfahrung, Kompetenz und Engagement mitbringt. Einzelne haben Vorträge auf Kongressen gehalten. Wir haben viele Gespräche geführt, um das Feld zu sondieren und Kontakte für die kommende Arbeit geknüpft. Die Berliner Regionalgruppe der Allianz und die der IPPNW, sind inzwischen dem Bündnis Kohleausstieg Berlin beigetreten. Auf ein gemeinsames Schreiben der Allianz (mit HEAL) mit der Bitte um ein Gespräch und einem Kooperationsangebot hat Herr Prof. Montgomery positiv reagiert. Zwei von uns initiierte und von Delegierten eingebrachte Anträge zum Klimawandel an den Deutschen Ärztetag wurden zur weiteren Beratung an den Vorstand der BÄK verwiesen.

Maßnahmen in thematischen Clustern, Berufs- oder Sektorgruppen und/oder Regionalgruppen. Zielgruppen sind u. a.: Akteure im Gesundheitsbereich, die geeignete Botschafter für Klimaschutz sind und von politischen Entscheidungsträgern als relevant wahrgenommen werden, politische Entscheidungsträger und die allgemeine Öffentlichkeit. Die thematischen Cluster der Allianz haben wir wie folgt definiert: »» Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks im Gesundheitssektor »» politische Willensbildung (u.  a. Kohleausstieg, Klimaziele) »» Aus- und Fortbildung für Gesundheitsberufe, Forschung »» Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation »» Lebensstilwandel und gesundheitliche Co-benefits »» internationale Vernetzung »» Klimawandel und Gesundheit als Schwerpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit »» Aktive können sich diesen oder den Regionalgruppen zuordnen.

Unser strategischer Fokus Zentraler strategischer Fokus der Allianz ist die Entwicklung eines Netzwerkes von Aktiven. Aktive können Einzelpersonen, Verbände oder Organisationen sein. Sie stehen hinter der Gründungserklärung und arbeiten als selbst organisierte Gruppen an der Umsetzung definierter 13

Dr. Dieter Lehmkuhl ist langjähriges IPPNW-Mitglied und aktiv in der Allianz Klima & Gesundheit.


SOZIALE VERANTWORTUNG

Gesundheit ein Menschenrecht? Zu Hürden und Risiken medizinischer Versorgung für „Menschen ohne Papiere“

Alle in Deutschland lebenden Menschen haben ein Recht auf gesundheitliche Versorgung. Zumindest auf dem Papier ...

nicht gleichgestellt. Für sie, wie auch für AsylbewerberInnen und geduldete Menschen, sind Gesundheitsleistungen über das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geregelt. Es wurde 1993 im Zuge einer restriktiveren Asylpolitik eingeführt. Über das AsylbLG werden medizinische Leistungen eingeschränkt. Beispielsweise wird eine ärztliche und zahnärztliche Behandlung bei akuter Krankheit und akuten Schmerzzuständen gewährt, nicht aber alle Leistungen des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen.

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s ist sehr kalt am Abend des 20. März 2018. Fast ein Dutzend Einsatzbusse medizinischer Hilfsorganisationen stehen vor dem Brandenburger Tor und bilden einen Halbkreis. Im Halbkreis befinden sich etwa 200 Demonstrierende und hören den Redebeiträgen des Bündnisses „Gesundheit ein Menschenrecht“ zu, an dem auch die IPPNW beteiligt ist. „Dass Gesundheit ein Menschenrecht ist, sollte man in Deutschland nicht mehr betonen müssen“, heißt es dort gerade, während ein paar AktivistInnen Kartons aufeinanderstapeln. Die Kartons bilden eine symbolische Mauer zwischen Gesundheitspersonal in weißen Kitteln und Kasacks auf der einen und den PatientInnen auf der anderen Seite. „Verständigungsprobleme“, „Einschränkungen nach Asylbewerberleistungsgesetz“ oder „Zu hohe Versicherungsbeiträge“ steht auf den Bausteinen. Nach der Kundgebung werden von beiden Seiten die Barrieren abgerissen. Applaus brandet auf. Doch frenetisch ist dieser nicht. Die Teilnehmenden wissen, dass diese Barrieren in Deutschland nach wie vor viele Tausende Menschen ohne ausreichende Gesundheitsversorgung lassen.

Das AsylbLG untergräbt das eigentlich garantierte Recht auf Gesundheit. Für „Menschen ohne Papiere“ wird aber auch dieser eingeschränkte Zugang nicht gewährt. Dazu trägt auch der sogenannte „Denunziationsparagraf“ bei. Alle öffentlichen Stellen sind demnach verpflichtet die Ausländerbehörden davon in Kenntnis zu setzen, wenn sie von einem gesetzwidrigen Aufenthalt in Deutschland erfahren.

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enn Menschen ohne Papiere in Deutschland in einer ärztlichen Praxis medizinische Leistungen in Anspruch nehmen wollen, müssen sie bei der zuständigen Sozialbehörde einen Antrag auf die Erstattung der Leistungen stellen und können erst danach mit einem sogenannten „Krankenschein“ eine Arztpraxis aufsuchen. Diese rechnet dann die erbrachten Leistungen mit dem Sozialamt ab. Zumindest in der Theorie, denn zur Ausstellung eines „Krankenscheines“ benötigt die Sozialbehörde Informationen zu Name, Adresse, Aufenthaltsstatus und der Bedürftigkeit der Person. Diese Daten muss sie dann, wie bereits oben beschrieben, an die Ausländerbehörde weitergeben. Dadurch würde der unerlaubte Aufenthaltsstatus der Person aufgedeckt werden, die PatientInnen laufen Gefahr, abgeschoben zu werden. De facto besteht also hier kein Zugang zur Gesundheitsversorgung.

Foto: Walter Wetzler

Um diese Probleme anzugehen, brauchen wir weiterhin die zahlreichen MediNetze und Medibüros, die mit ihrer ehrenamtlichen Unterstützung versuchen, den Menschen wenigstens ein Mindestmaß an Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Vor allem aber dürfen wir nicht aufhören uns zu empören, darüber, dass in Deutschland Menschenrechte nicht verwirklicht werden und staatliche Aufgaben von ehrenamtlichen Strukturen übernommen werden. Nächste Treffen das AK Flüchtlinge und Asyl am 30.6. und 15.9. in Kassel, Interessierte sind sehr willkommen!

Im deutschen Grundgesetz werden die körperliche Unversehrtheit und ein menschenwürdiges Existenzminimum zugesichert. Dazu muss auch eine Versorgung im Krankheitsfall gezählt werden. Doch davon ist die Realität weit entfernt. Betroffen sind häufig Menschen, deren Lebensbedingungen ohnehin ihre Gesundheit beeinträchtigen und die Lebenserwartung senken. Denn Armut macht krank.

Ausführlicher Artikel unter: www.ippnw.de/bit/einmenschenrecht

Carlotta Conrad (links) ist Mitglied des Vorstandes der deutschen IPPNW.

Besonders prekär ist die Situation bei Menschen ohne Aufenthaltstitel in Deutschland. Denn sie werden in Deutschland in Bezug auf die Gesundheitsversorgung deutschen StaatsbürgerInnen

Maren Janotta (rechts) ist Referentin für Soziale Verantwortung der IPPNW. 14


ATOMWAFFEN

Die atomare Gefahr, über die niemand spricht 20 Jahre Atomwaffentests in Indien und Pakistan

Während die globale Diplomatie sich im Kreis dreht und internationale Medien sich mit der Frage beschäftigen, ob Nordkorea auf dem Weg der Abrüstung bzw. der Iran auf dem Weg zur Atommacht sei, ist es still um die einzigen beiden atomar ausgerüsteten Nachbarn mit anhaltenden Konflikten, die im Mai diesen Jahres 20-jähriges Jubiläum ihrer Atomwaffentests feiern.

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chon ein Blick auf die letzten 20 Jahre würde die sorgfältig kreierten Mythen um Atomwaffen ausräumen. Anstatt der Region Sicherheit und Stabilität zu verschaffen, haben Atomwaffen beide Länder in ein unaufhörliches Wettrüsten – atomar sowie konventionell – getrieben. Seit dem ersten Test in der Wüste Pokharan durch Indien am 11. und 13. Mai 1998 und in den Chagai Hills durch Pakistan am 28. Mai 1998 haben beide Länder große Ressourcen aufgewandt, um ihre militärische Infrastruktur auszubauen. Laut SIPRI-Report 2018, ist Indien diesjährig Weltmarktführer im Import konventioneller Waffen, Pakistan folgt an 9. Stelle. Die Sicherheit, die Atomwaffen angeblich versprechen, bleibt dabei auf verdächtige Weise abwesend. Im Bezug auf die Größe des nationalen Rüstungsetats nimmt Indien im internationalen Vergleich den 5. Platz ein.

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ie grausam dieser massive Militarismus ist, wird deutlich, wenn man ihn mit der wachsenden Wohlstandsdifferenz und den stark abnehmenden staatlichen Investitionen in Bereiche wie Gesundheit oder Bildung vergleicht. Mehr als 194 Millionen Inder müssen täglich hungern; 37 % der Todesursachen sind zurückzuführen auf „Arme-Länder-Krankheiten“ wie Tuberkulose und Malaria. Selbst Indiens Mittelschicht, Fahnenträger des atomaren Nationalismus, ist laut neusten Daten eigentlich als arm zu bezeichnen. Auch 22 % der pakistanischen Bevölkerung hungern; Pakistan wurde im Ranking der 118 Entwicklungsländer auf Platz 107 des Globalen Hungerindexes eingeordnet. Auch in anderen Bereichen, wie der Unterernährung von Kindern, Mortalitätsraten, Bildung und Hygiene sind sowohl Indien als auch Pakistan im internationalen Vergleich in den unteren Rangplätzen zu finden.

Im Durchschnitt haben Indien und Pakistan seit 1998 pro Jahr eine atomwaffenfähige Rakete getestet.

Mit zunehmendem politischen Nationalismus und damit verbundenem religiösen Fanatismus in beiden Staaten ist das Risiko eines Krieges gestiegen. Die offenen gegenseitigen atomaren Bedrohungen durch politische und militärische Anführer beider Seiten haben den Glauben in eine strategische Stabilität in den letzten Jahren unterminiert. 2016 beispielsweise gab der indische Verteidigungsminister Manohar Parrikar ein gefährliches und leichtfertiges Statement über die Überarbeitung der indischen atomaren Grundsätze des „Verzichts auf den Ersteinsatz“ und der „glaubhaften minimalen Abschreckung“ ab. Sein pakistanischer Konterpart sorgte international für Aufruhr mit der Drohung eines Nuklearschlags gegen Israel – ausgelöst durch eine vorherige Falschmeldung. Es überrascht nicht, dass die atomaren Spannungen zwischen Indien und Pakistan in der Doomsday Clock der letzten 2 15

Jahre angeführt wurden. Die Weltuntergangsuhr steht knapp vor Mitternacht – knapper als je zuvor. Zwar stimmten die Vereinten Nationen im letzten Jahr dem Atomwaffensperrvertrag und dem Verbot von Atomwaffen zu und man kann einen Fortschritt in Richtung Abrüstung feststellen. Indien und Pakistan jedoch wurden zu Atomwaffenstaaten (NWS) und boykottierten sowohl Verhandlungen als auch Abstimmung. Indiens sorgfältig erarbeiteter Ruf als nur widerwillig atomar bewaffnete Nation bekam hierdurch Risse. Zuvor hieß es, Indien sei bereit zur Abrüstung, wenn man den Atomwaffensperrvertrag weltweit ernsthaft verfolge. Zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) blieben Diplomaten aus Indien und Pakistan fern, unter Angabe fadenscheiniger Ausflüchte.

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ährend die Welt Fortschritte macht in der Kriminalisierung von Atomwaffen, erscheint in diesem Monat ein Bollywoodfilm, der Atomwaffentests verherrlicht durch das Gedenken der Tests von Pokharan im Jahr 1998.

Solch eine Abwesenheit von gesundem Menschenverstand verheißt nichts Gutes für die Region und ruft auf zur dringend notwendigen Aufmerksamkeit der internationalen Zivilgesellschaft. Unterstützen Sie die Petition „Dear India and Pakistan, Disarm NOW! Stop the War Drums in South Asia!“ unter www.dianuke.org Ausführlicher Artikel unter: www.ippnw.de/bit/indienpakistan20

Kumar Sundaram ist Redakteur von DiaNuke und war ICAN-Campaigner in Südostasien.


ATOMWAFFEN

Höchste Zeit für ein Ende der „Abschreckung“ 60 Jahre „nukleare Teilhabe“ Deutschlands sind genug

Nukleare Teilhabe“ bezeichnet die Beteiligung von NATO-Mitgliedern an Planung, Vorbereitung und Übung des Einsatzes von US-Atomwaffen. Heutzutage gibt es zwei Varianten der Teilhabe: »» erstens, die politische Teilhabe durch die Teilnahme an der nuklearen Planungsgruppe der NATO, wo Einsatzplanung, Strategie und Stationierung von Atomwaffen diskutiert werden; »» zweitens, die technische Teilhabe, bei der NATO-Staaten Stützpunkte, Flugzeuge und Personal zur Verfügung stellen und Piloten den Einsatz von Atomwaffen üben.

Der NATO-Beschluss 1957 Auf dem NATO-Gipfel im Dezember 1957 wurde beschlossen, dass die USA taktische Atomwaffen in Europa stationieren werden. Diese sollten unter US-amerikanischem Verschluss gehalten werden und weiter Eigentum der USA bleiben, aber den europäischen NATO-Streitkräften zur Verfügung gestellt werden. Der Start der ersten „Sputnik“-Satelliten-Rakete ins All am 4. Oktober 1957 beunruhigte die NATO. Damit hatte die Sowjetunion unter Beweis gestellt, dass sie die ballistische Raketentechnologie so weit entwickelt hatte, dass sie auch die USA angreifen konnte.

Die atomare Bewaffnung Deutschlands Adenauer und der damalige Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß waren überzeugt, man müsse mit Atomwaffen in Europa die Glaubwürdigkeit der Abschreckung untermauern. Der Widerstand in Deutschland gegen diese Pläne war groß. Bereits im April 1957 sprachen sich 18 Wissenschaftler in der „Göttinger Erklärung“ gegen eine atomare Bewaffnung Deutschlands aus. Sie mahnten vor den Folgen: „Taktische Atomwaffen haben die zerstörende Wirkung normaler Atombomben. Jede einzelne taktische Atombombe oder -granate hat eine ähnliche Wirkung wie die erste Atombombe, die Hiroshima zerstört hat. […] Als ‚klein‘ bezeichnet man diese Bomben nur im Vergleich zur Wirkung der inzwischen entwickelten ‚strategischen‘ Bomben, vor allem der Wasserstoffbomben.“

„This is the Enemy“, MCANW, Poster, 1980s Quelle: wellcomecollection.org/ CC BY 4.0

der NATO bleiben, so wie auch andere Nationen in ihr sind, ohne atomar bewaffnet zu sein.“

Der Bundestagsbeschluss für die Stationierung von Atomwaffen kam am 25. März 1958 durch eine Mehrheit der konservativen Koalition zustande. Die Opposition protestierte in der Debatte heftig. Die Begründung Adenauers für die atomare Bewaffnung war die angebliche Expansionspolitik der Sowjetunion. Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß behauptete vor dem Plenum, dass die Sowjetunion kurz vor einem atomaren Angriff auf Deutschland stehe.

Die Protestbewegung „Kampf dem Atomtod“, unterstützt von SPD, FDP, den Gewerkschaften, der Kirche, den Universitäten und SchriftstellerInnen, organisierte Massendemonstrationen.

Stationierung der Atomwaffen in Deutschland Bereits ab Herbst 1953 begann die Stationierung der ersten Atomwaffen der westlichen Alliierten in der BRD. Erst 1957 wurde die deutsche Öffentlichkeit über ihre Existenz informiert. Insgesamt waren sie auf 100, später mehr als 150, Standorte verteilt. Zwischen 1958 und 1963 begann auch die Sowjetunion Atomwaffen in der DDR zu stationieren. Die Zahl der Lager wir auf um die 30 geschätzt. Sie standen unter sowjetischer Kontrolle. Ab 1968 wurden auch NVA-Verbände mit atomaren Trägersystemen ausgerüstet und die westliche „nukleare Teilhabe“ kopiert.

Die SPD wandte sich entschieden gegen eine atomare Bewaffnung Deutschlands. Der Abgeordnete Gustav Heinemann warf der Bundesregierung vor, die Frage der nuklearen Bewaffnung an die NATO-Zugehörigkeit zu koppeln, weil Aufrüstung in der Bevölkerung so unbeliebt war. „Auch wenn wir keine Aufrüstung der Bundeswehr vollziehen, kann die Bundesrepublik gegenwärtig in 16


„Entweder schaffen wir die Atomwaffen ab, oder sie schaffen uns ab!“ (Beatrice Fihn, ICAN-Direktorin bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an ICAN im Dezember 2017) Die nukleare Teilhabe der NATO wurde in Deutschland durch Luftwaffe und Heer umgesetzt. Die Bundeswehr stellte Personal für den Einsatz von ADM-Minen, Artillerie und Transporte der Atomwaffen zur Verfügung. Später erhielt die Bundeswehr auch atomare Artillerieraketen und -geschütze. Die Luftwaffe bekam atomwaffenfähige Luftabwehrraketen und nukleare Fliegerbomben. Die USA sollten jedoch die Hoheit über die Atomsprengköpfe behalten – die USA fürchteten einen nicht-autorisierten Einsatz durch deutsche Soldaten. Später wurden die Bomben mit einem Sicherheitssystem ausgestattet und mussten durch US-Personal mit einem Code entsperrt werden. Die Verfügung über die Massenvernichtungswaffen sollte aber an die Deutschen weitergegeben werden, falls diese sie mit Flugzeugen einsetzen müssten. Diese potenzielle Verfügungsübergabe wird oft als Verletzung der Bestimmung des Nichtverbreitungsvertrags kritisiert, der jegliche Weitergabe von Atomwaffen explizit untersagt.

Reduzierung der Atomwaffen in Europa Nach Ende des Kalten Krieges wurde die Zahl der Atomwaffen in Europa sukzessiv verringert. In den 60ern und 70ern gab es in Europa mehr als 7.000. Die erste große Abrüstungsrunde kam nach Abschluss des INF-Vertrages 1988, als alle Mittelstreckenraketen aus West- und Ostdeutschland abgezogen wurden. Die heutige Zahl von Atomwaffen liegt schätzungsweise bei 150, nach einer letzten Reduzierungsrunde unter Präsident Obama. Über die Jahre hat sich die Zahl der Lagerorte für Nuklearwaffen in Europa und die Zahl der Staaten, die aktiv mit Flugzeugen bei der nuklearen Teilhabe mitmachen, immer weiter verringert. Rund 60 % der verfügbaren Lagerstätten für Atomwaffen in Europa wurden stillgelegt.

Nukleare Teilhabe heute Aktuell sind vier Länder in Europa an der technischen Teilhabe beteiligt: Belgien (Kleine Brogel), Italien (Ghedi Torre), Niederlande (Volkel) und Deutschland (Bü-

chel). Zudem werden US-Atomwaffen auf dem US-Stützpunkt in Aviano in Italien gelagert. Bis vor dem versuchten Putsch in der Türkei waren auch US-Atomwaffen auf dem US-Stützpunkt in Incirlik stationiert. Es ist unklar, ob sie bereits abgezogen wurden. Lagerorte und Anzahl von Atomwaffen in Europa unterliegen der Geheimhaltung, sodass alle Daten nur Schätzungen sind.

Politische Entscheidung notwendig Schätzungsweise 20 B61-Atombomben befinden sich in Deutschland. Obwohl sich die schwarz-gelbe Bundesregierung 2009 im Koalitionsvertrag für deren Abzug einsetzen wollte und der Bundestag 2010 das Ziel fraktionsübergreifend bekräftigte, sind wir heute weit davon entfernt. Stattdessen gibt es Pläne für die Stationierung einer neuen Version der Atombombe, der B6112. 2020 soll in den USA die Serienproduktion dieser Bombe beginnen. Sie soll viel mehr Möglichkeiten zum Einsatz bieten: Sie kann digital gesteuert werden und sie wird nicht mehr abgeworfen, sondern ist durch ein neues Heckteil lenkbar. Die B61-12 soll damit als „Präzisionswaffe“ einsetzbar sein. Die wählbare Sprengkraft erlaubt eine Atomexplosion mit niedriger oder hoher Zerstörungskraft. Mit der Stationierung der B61-12, die in den nächsten Jahren beginnen soll, wird auch die Frage eines Ersatzes für die Trägerflugzeuge Tornado aufgeworfen, denn die Nutzungsdauer der Tornados läuft in den 2020ern aus. Im neuen Koalitionsvertrag wird die Strategie des Aussitzens fortgesetzt. Deutschland handelt nicht, sondern setzt auf die Großmächte USA und Russland – in der Hoffnung, dass sie irgendwann Gespräche über taktische Atomwaffen führen und die Atombomben in Europa abrüsten. Doch es sieht nicht mehr so aus, als ob das in naher Zukunft geschehen werde. ICAN fordert daher die Bundesregierung auf, sich aktiv an der Abrüstung zu beteiligen und die US-Atomwaffen aus Deutschland abziehen zu lassen. Die Regierung wiederholt den Fehler der 80er, wenn sie 17

die Neustationierung von Atomwaffen in Europa als Drohmittel nutzt, um Russland zu Verhandlungen zu zwingen. Beteiligt sich Deutschland damit an einer Art neuem „NATO-Doppelbeschluss“? Gerade angesichts des Bröckelns des INF-Vertrags zu Mittelstreckenraketen ist eine solche Strategie gefährlich. Damit kehren wir zum Wettrüsten des Kalten Kriegs zurück. Wie im Jahr 1958 sollte zumindest der Bundestag über eine Neustationierung von Atomwaffen entscheiden, inklusive des Kaufs eines teuren neuen Atomwaffenträgers. Damit würde auch die Öffentlichkeit informiert und könnte entsprechend reagieren. Im Koalitionsvertrag steht: „Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.“ Aber auch ohne US-Atomwaffen hierzulande kann Deutschland an der nuklearen Planungsgruppe der NATO teilnehmen. Das ist jedem Mitglied möglich. Die US-Atomwaffen in Deutschland erfüllen keinen militärischen Zweck mehr, sind nur Druckmittel und Zeichen der Bündnistreue. Dennoch haben sie eine unvorstellbare Zerstörungskraft. Und: Die Atombomben machen Deutschland zum potenziellen Ziel eines nuklearen Angriffs. Nach 60 Jahren „nukleare Teilhabe“ ist es an der Zeit, die atomare Abschreckung infrage zu stellen. Wollen wir mit der wieder stärker werdenden Angst leben, dass Atomwaffen eingesetzt werden könnten? Oder wollen wir uns mit dem neuen UNVertrag zum Verbot von Atomwaffen weltweit für Abrüstung und damit für eine nachhaltige Sicherheit einsetzen?

Xanthe Hall ist Atomwaffenexpertin der IPPNW Deutschland.


ATOMENERGIE

Foto: Ian Thomas Ash, www.documentingian.com

„Unerwünschte“ Ergebnisse Schilddrüsenkrebsfälle bei Kindern in der Präfektur nehmen weiter zu

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m 5. März 2018 veröffentlichte die Fukushima Medical University (FMU) die neuesten Zahlen ihrer laufenden Schilddrüsenuntersuchungen. Sieben Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima werden die gesundheitlichen Folgen für die Menschen in den verstrahlten Gebieten immer deutlicher. Seit dem Jahr 2011 stellte die FMU in Reihenuntersuchungen bei 197 Kindern in der Feinnadelbiopsie Krebszellen fest. 161 von ihnen mussten aufgrund eines rasanten Tumorwachstums, einer ausgeprägten Metastasierung oder einer Gefährdung vitaler Organe mittlerweile operiert werden. In 160 Fällen bestätigte sich die Verdachtsdiagnose „Schilddrüsenkrebs“, in nur einem Fall lag ein gutartiger Tumor vor. 33 Kinder warten weiterhin auf eine Operation.

en Verantwortlichen der FMU scheinen diese Daten unangenehm zu sein, widersprechen sie doch der seit Beginn der Atomkatastrophe verbreiteten These, dass der mehrfache SuperGAU zu keinen zusätzlichen Krebserkrankungen führen würde. Die FMU steht seit Beginn der Atomkatastrophe unter großem politischen Druck vonseiten der atomfreundlichen Zentralregierung und der mächtigen Atomindustrie im Land. Auch erhält sich finanzielle und logistische Unterstützung der internationalen Atomlobby in Form der IAEO, die an der Gestaltung der Schilddrüsenkrebsstudie beteiligt ist. All dies stellt die wissenschaftliche Unabhängigkeit der FMU infrage. Zahlreiche BeobachterInnen und JournalistInnen in Japan kritisieren aktuell die Bestrebungen der FMU, die Schilddrüsenuntersuchungen zu reduzieren und ggf. ganz einzustellen. So sollen die Untersuchungsintervalle entgegen ursprünglicher Pläne und Ankündigungen ab dem 25. Lebensjahr von 2 auf 5 Jahre ausgeweitet werden. Zudem wurde bekannt, dass MitarbeiterInnen der Fukushima Medical University Schulen besuchen, um dort Kinder über deren „Recht auf Nichtteilnahme“ und „Recht auf Nichtwissen“ aufzuklären. Es wird neben Schilddrüsenkrebs auch mit einem Anstieg weiterer Krebsarten und anderer Erkrankungen gerechnet, die durch ionisierte Strahlung ausgelöst oder negativ beeinflusst werden. Die Schilddrüsenuntersuchungen der FMU stellen die einzigen wissenschaftlichen Reihenuntersuchungen dar, die überhaupt relevante Aufschlüsse über die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima liefern können. Und sie laufen derzeit Gefahr, von den Befürwortern der Atomenergie in Japan unterminiert zu werden.

Besorgniserregend ist vor allem die Tatsache, dass zwischen Erst- und Zweituntersuchung, also in einem Zeitraum von nur zwei Jahren, 52 neue Krebsfälle detektiert wurden. Bei einer bislang untersuchten Bevölkerung von rund 270.000 Kindern entspricht dies einer Neuerkrankungsrate von etwa 9,6 Fällen pro 100.000 Kindern pro Jahr. Laut Datenbank des Japanischen Krebsregisters betrug die Neuerkrankungsrate (Inzidenz) von kindlichem Schilddrüsenkrebs vor der Atomkatastrophe rund 0,35 pro 100.000 Kinder pro Jahr. Bei einer pädiatrischen Bevölkerung von rund 360.000 wären in der Präfektur Fukushima somit ca. eine einzige Neuerkrankung pro Jahr zu erwarten gewesen. Noch stehen mehr als 30 % aller Ergebnisse aus; sollte sich dieser Trend jedoch bestätigen, würde dies einem rund 27-fachen Anstieg der Neuerkrankungsrate entsprechen. Dieses Ergebnis lässt sich aufgrund der eindeutigen Voruntersuchungen aller Patienten nicht durch einen Screening-Effekt erklären oder relativieren. Auch zeigt sich mittlerweile eine geografische Verteilung der Schilddrüsenkrebsfälle in Fukushima, mit den höchsten Raten an Neuerkrankungen in den Regionen, die 2011 am stärksten radioaktiv verstrahlt wurden.

Quellen: • FMU: „Report of Third-Round Thyroid Ultrasound Examinations“, 5. März 2018. http://fmu-global.jp/download/report-of-third-round-thyroid-ultrasoundexaminations-second-full-scale-thyroid-screening-program/?wpdmdl=4131 • NHK: „Thyroid cancer relapses in some Fukushima children“, 01.03.2018. https://www3.nhk.or.jp/nhkworld/en/news/20180301_24/

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childdrüsenkrebs ist trotz der relativ guten Behandlungsmöglichkeiten keine Bagatellerkrankung und geht mit schwerwiegenden Einschränkungen der Lebensqualität und der Gesundheit einher. Laut einer Studie der japanischen Stiftung für Kinder mit Schilddrüsenkrebs hatten zudem bereits knapp 10 % der operierten SchilddrüsenkrebspatientInnen Rezidive, also neue Krebsgeschwüre, die erneut operativ entfernt werden mussten: Bei 8 von 84 betreuten Kindern aus der Präfektur Fukushima kam der Krebs innerhalb weniger Jahre wieder.

Dr. Alex Rosen ist Kinderarzt und Vorsitzender der deutschen IPPNW. 18


SERIE: DIE NUKLEARE KETTE

La Hague Die Emissionen der Wiederaufbereitungsanlage kontaminieren kontinuierlich Atmosphäre und Meer

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Folgen für Umwelt und Gesundheit

a Hague ist eine Wiederaufbereitungsanlage an der Küste der Normandie. Sie wurde 1966 durch die staatseigene französische Firma Areva für die Herstellung von Plutonium für atomare Sprengsätze in Auftrag gegeben. 1969, als das französische Militär genügend Plutonium für sein Waffenprogramm hergestellt hatte, begann La Hague mit der Wiederaufarbeitung von zivilen Brennstäben aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Japan, Belgien und den Niederlanden. La Hague verarbeitet bis zu 1.600 Tonnen Atombrennstoff pro Jahr und ist der weltgrößte Produzent von abgetrenntem Plutonium. Auf der Anlage lagern 50 Tonnen pulverisiertes Plutonium, welches, chemisch aufbereitet, ausreichen würde, um mehr als 5.000 Atomsprengköpfe zu bestücken. Jedes Jahr werden mehr als zehn Tonnen Plutonium durch Frankreich transportiert. Das Proliferationsrisiko, das durch Produktion, Aufbereitung, Lagerung und Transport entsteht, sollte in Zeiten des globalen Terrorismus nicht unterschätzt werden. Die Produktion von plutoniumhaltigen Mischoxid-Brennelementen (MOX) hat diese Gefahr nur erhöht, da diese technisch einfacher zu handhaben sind und waffentaugliches Plutonium daraus leicht herausgetrennt werden kann.

La Hague verseucht das Umland auf zwei Wegen: Zum einen werden radioaktive Gase wie Krypton-85 in die Atmosphäre freigesetzt. So fand Greenpeace 93.000 Bq/m³ Krypton-85 in der Luft über La Hague. Normale Werte bewegen sich zwischen ein bis zwei Becquerel pro Kubikmeter. Zum anderen werden jedes Jahr ca. 230 Millionen Liter radioaktiv kontaminiertes Wasser aus der Wiederaufbereitungsanlage ins Meer gekippt. Nach dem atomaren Niederschlag durch die weltweiten Atomtests und dem Super-GAU von Fukushima sind die Emissionen der Atomanlagen von Sellafield und La Hague die größte Quelle radioaktiver Verschmutzung der Weltmeere und übertreffen dabei sogar die Atomkatastrophe von Tschernobyl. Die Konzentration von radioaktivem Cäsium-137 im südlichen Atlantik beträgt 0,6 Bq/m³. Dagegen ist die Konzentration im englischen Kanal nahe La Hague mit acht Becquerel pro Kubikmeter mehr als zehn Mal höher. Greenpeace konnte 1997 die radioaktive Belastung von Wasser, Meerestieren und Sediment um La Hagues Abwasserleitungen nachweisen und fand in Proben zahlreiche radioaktive Substanzen wie Americium, ein Nebenprodukt von Plutonium, Kobalt und Cäsium sowie eine Beta-Aktivität von mehr als 200 Millionen Bq/l. Zum Vergleich: Die normale Meereswasseraktivität liegt bei etwa 12 Bq/l.

La Hague, Frankreich Atomfabrik Die Wiederaufbereitungsanlage von La Hague stellt Plutonium und Uran aus verbrauchten Atombrennstäben her. Große Mengen von Atommüll und Spaltmaterialien werden gelagert, was die Gefahr der Proliferation von Plutonium stark erhöht. Zudem verschmutzt radioaktiver Müll das Meer und die Atmosphäre. Schon haben mehrere Studien eine erhöhte Inzidenz von Leukämie bei Kindern im Umkreis von La Hague gezeigt.

Unabhängige Studien fanden zudem eine erhöhte Leukämierate bei Kindern im Alter von fünf bis neun Jahren im Umkreis von zehn Kilometern um La Hague. Zusätzlich veröffentlichte eine Fall-Kontroll-Studie im British Medical Journal eine signifikante Korrelation von Leukämie bei Kindern aus der Region mit der Benutzung lokaler Strände und dem Konsum lokaler Meerestiere.

Hintergrund

La Hague ist eine atomare Wiederaufbereitungsanlage an der Küste der Normandie. Auf der Anlage lagern 50 Tonnen pulverisiertes Plutonium, welches, chemisch aufbereitet, ausreichen würde, um mehr als 5.000 Atomsprengköpfe zu bestücken. Foto: duvalmickael50 / creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

La Hague ist eine atomare Wiederaufbereitungsanlage an der Küste der Normandie. Sie wurde 1966 durch die staatseigene französische Firma Areva für die Herstellung von Plutonium für atomare Sprengsätze in Auftrag gegeben. 1969, als das französische Militär genügend Plutonium für sein Waffenprogramm hergestellt hatte, begann La Hague mit der Wiederaufarbeitung von zivilen Brennstäben aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Japan, Belgien und den Niederlanden. La Hague verarbeitet bis zu 1.600 Tonnen Atombrennstoff pro Jahr und ist der weltgrößte Produzent von abgetrenntem Plutonium.1 Auf der Anlage lagern 50 Tonnen pulverisiertes Plutonium, welches, chemisch aufbereitet, ausreichen würde, um mehr als 5.000 Atomsprengköpfe zu bestücken.2 Jedes Jahr werden mehr als zehn Tonnen Plutonium quer durch Frankreich transportiert. Das Proliferationsrisiko, das durch die Produktion, Aufbereitung, Lagerung und den Transport von Plutonium entsteht, sollte besonders in Zeiten des globalen Terrorismus nicht unterschätzt werden.3 Die Produktion von plutoniumhaltigen Mischoxid-Brennelementen (MOX) hat diese Gefahr nur erhöht, da MOX-Brennstäbe technisch einfacher zu handhaben sind und waffentaugliches Plutonium daraus leicht herausgetrennt werden kann.4

Folgen für Umwelt und Gesundheit

La Hague verarbeitet bis zu 1.600 Tonnen Atombrennstoff pro Jahr und ist der weltgrößte Produzent von abgetrenntem Plutonium. Foto: UMP Photos / creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

La Hague verseucht das Umland auf zwei Wegen: Zum einen werden radioaktive Gase wie Krypton-85 in die Atmosphäre freigesetzt. So fand Greenpeace 93.000 Bq/m³ Krypton-85 in der Luft über La Hague. Normale Werte bewegen sich zwischen ein bis zwei Becquerel pro Kubikmeter.5 Zum anderen werden jedes Jahr ca. 230 Millionen Liter radioaktiv kontaminiertes Wasser aus der Wiederaufbereitungsanlage ins Meer gekippt.1 Nach dem atomaren Niederschlag durch die weltweiten Atomtests und dem Super-GAU von Fukushima, sind die Emissionen der Atomanlagen von Sellafield und La Hague die größte Quelle radioaktiver Verschmutzung der Weltmeere und übertreffen dabei sogar die Atomkatastrophe von Tschernobyl.6 Die Konzentration von radioaktivem Cäsium-137 im südlichen Atlantik beträgt 0,6 Bq/m³. Dagegen ist die

Konzentration im Englischen Kanal nahe La Hague mit acht Becquerel pro Kubikmeter mehr als zehn Mal höher.6 Greenpeace konnte 1997 die radioaktive Belastung von Wasser, Meerestieren und Sediment um La Hagues Abwasserleitungen nachweisen und fand in Proben zahlreiche radioaktive Substanzen wie Americium, ein Nebenprodukt von Plutonium, Kobalt und Cäsium sowie eine Beta-Aktivität von mehr als 200 Millionen Bq/l. Zum Vergleich: Die normale Meereswasseraktivität liegt bei etwa 12 Bq/l.1 Unabhängige Studien fanden zudem eine erhöhte Leukämierate bei Kindern im Alter von fünf bis neun Jahren im Umkreis von zehn Kilometern um La Hague.7 Zusätzlich veröffentlichte eine Fall-Kontroll-Studie im British Medical Journal eine signifikante Korrelation von Leukämie bei Kindern aus der Region mit der Benutzung lokaler Strände und dem Konsum lokaler Meerestiere.8

Ausblick Entgegen allen Erkenntnissen zu Umwelt- und Gesundheitsfolgen atomarer Verschmutzung sowie der Nutzlosigkeit der Wiederaufbereitung von Atommüll für die Energieproduktion und trotz internationaler Kritik an La Hague aufgrund der Proliferationsgefahr von atomwaffenfähigem Material, setzt Frankreich die Abspaltung von Plutonium fort und exportiert es sogar an Staaten in Afrika. So steigt das Risiko, dass neben den Kindern aus der direkten Umgebung noch mehr Menschen weltweit durch La Hague zu Opfern der Atomwirtschaft gemacht werden – zu Hibakusha.

Ausblick Entgegen allen Erkenntnissen zu Umwelt- und Gesundheitsfolgen atomarer Verschmutzung sowie der Nutzlosigkeit der Wiederaufbereitung von Atommüll für die Energieproduktion und trotz internationaler Kritik an La Hague aufgrund der Proliferationsgefahr von atomwaffenfähigem Material, setzt Frankreich die Abspaltung von Plutonium fort und exportiert es sogar an Staaten in Afrika. So steigt das Risiko, dass neben den Kindern aus der direkten Umgebung noch mehr Menschen weltweit durch La Hague zu Opfern der Atomwirtschaft gemacht werden – zu Hibakusha.

Weiterführende Lektüre: Das europäische Parlament hat einen Bericht über die gesundheitlichen und ökologischen Folgen der atomaren Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield und La Hague publiziert, nachzulesen unter: www.wise-paris.org/english/reports/STOAFinalStudyEN.pdf

Quellen 1 Greenpeace Netherlands. „La Hague: Water samples are radioactive“. Press release, 04.07.1997. http://archive.greenpeace.org/comms/97/nuclear/reprocess/saveour06.html 2 Marignay et al. „Plutonium stockpiling – a signal for proliferation“ in „Nuclear power, the great illusion. Promises, setbacks and threats“. Global Chance, October 2008. http://global-chance.org/IMG/pdf/GC25english-p73to75.pdf 3 National Policy Research Institute. „Beyond Nuclear Fact Sheet – Nuclear Power and France: Setting the Record Straight“. 16.09.2008. www.psr.org/nuclear-bailout/resources/nuclear-power-in-france-setting.pdf 4 Dolley S. „Ploughshares or swords? Why the MOX Approach to Plutonium Disposition is Bad for Non-Proliferation and Arms Control“. Nuclear Control Institute, Washington DC, 28.03.97. http://www.nci.org/i/ib32897a.htm 5 Greenpeace Germany. „Wiederaufarbeitung in La Hague: Schleichende radioaktive Verseuchung und illegale Einleitungen“. Press release, 06.05.2000. http://www.greenpeace.de/themen/energiewende-atomkraft/atommuell/wiederaufarbeitung-la-hague 6 IAEA. „Worldwide Marine Radioactivity Studies (WOMARS)“ Vienna, 2005. http://www-pub.iaea.org/MTCD/publications/PDF/TE_1429_web.pdf 7 Guizard et al. „The incidence of childhood leukemia around the La Hague nuclear waste reprocessing plant“. J. of Epid. Com. Health 2001; 55:469–474. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8711281 8 Pobel et al. „Case-control study of leukemia among young people near La Hague nuclear reprocessing plant“. BMJ 1997. 314:101. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9006467

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus der IPPNW-Posterausstellung „Hibakusha Weltweit“. Die Ausstellung zeigt die Zusammenhänge der unterschiedlichen Aspekte der Nuklearen Kette: vom Uranbergbau über die Urananreicherung, zivile Atomunglücke, Atomfabriken, Atomwaffentests, militärische Atomunfälle, Atombombenangriffe bis hin zum Atommüll und abgereicherter Uranmunition. Sie kann ausgeliehen werden. Weitere Infos unter: www.hibakusha-weltweit.de

Anti-Atomproteste in Paris vor der Zentrale des Atomkonzerns Areva anlässlich des Tschernobyl-Jahrestages 2008. Foto: Philippe Leroyer / creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0

Hibakusha weltweit

Eine Ausstellung der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e. V. (IPPNW) Körtestr. 10 | 10967 Berlin ippnw@ippnw.de | www.ippnw.de V.i.S.d.P.: Dr. Alex Rosen

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Weitere Fotos des Staffellaufs „Frieden geht!“ unter: www.flickr.com/photos/140010041@N08

Frieden bewegt Durch ganz Deutschland mit einer Botschaft: Frieden geht!

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Fotos: linke Seite: Frank Chudova, rechte Seite: u.l. Max Weber, u.r. Helmut Lohrer, o.r. Frank Chudova

100 Kilometer, 13 Tage, mehr als 80 Etappen und das Wichtigste: über 2.500 Menschen. Das sind die Eckdaten des – von der IPPNW im Bündnis mit 17 weiteren Trägerorganisationen auf die Beine gestellten – Staffellaufs „Frieden geht!“. Von Oberndorf, wo am Pfingstmontag der Startschuss fiel, bis Berlin, wo der Lauf am 2. Juni seinen Abschluss feierte, liefen, gingen oder radelten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch Deutschland mit der Botschaft: „Frieden geht!“ und der Forderung: „Kriegswaffen und Rüstungsgüter dürfen nicht exportiert werden!“ Ziel des Laufes war Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und gemeinsam Druck auf die deutsche Politik auszuüben. Denn die Bundesrepublik Deutschland ist weltweit der drittgrößte Exporteur von Kleinwaffen und der viertgrößte Exporteur von Großwaffensystemen. Deutsche Waffen werden an menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten exportiert. Mit ihnen werden Menschenrechtsverletzungen verübt und Millionen in die Flucht getrieben oder getötet. Menschen aus allen gesellschaftlichen Bereichen haben mit ihrer Teilnahme am Lauf „Frieden geht!“ ein starkes, sichtbares Signal gesendet: „Wir lehnen diese Politik ab!“

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FRIEDEN GEHT

Deutsche Waffen, deutsches Geld … Über die Rolle der deutschen Politik

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ie schlechten Nachrichten zuerst. Die Waffenexporte steigen unaufhörlich, noch nie wurden so viele Rüstungsgüter exportiert wie in den letzten vier Jahren. Sigmar Gabriel, der noch im Wahlkampf 2013 gegen Waffenexporte wetterte, hatte dann als Wirtschaftsminister mehr Exportgenehmigungen zu verantworten als jeder andere Minister vor ihm. Im Jemen wird mit deutschen Waffen getötet, in Syrien, in Mexiko – auch blutigste Kriege und schlimmste Menschenrechtsverletzungen können den Siegeszug der deutschen Waffenschmieden nicht stoppen. Selbst nach dem völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei in Nordsyrien verkauft Deutschland weiter hemmungslos Waffen an die Türkei. Das alles klingt sehr nach dem Satz, den Franz-Josef Strauß mal gesagt haben soll: „Wie, keine Waffenexporte in Kriegs- und Krisengebiete? Wohin denn sonst?“ Das ist brutal, aber auch sehr klarsichtig. Waffen werden gekauft, um Kriege zu führen, zu schießen und zu töten.

bot, Waffen in Kriegs- und Krisenregionen zu verkaufen? Ich dachte über viele Jahre, das wäre ein zentraler Grundsatz in Deutschland. Ist es aber nicht, eine solche Regelung gibt es nicht und gab es nie.

Die Gründe für den stetigen Anstieg der Waffenverkäufe sind vielschichtig. Zum einen ist da ein Genehmigungsverfahren, das so gut wie keine Grenzen setzt. Haben Sie auch geglaubt, es gäbe ein Ver-

Nur ein Beispiel, wie löchrig die Regelungen tatsächlich sind: Bei Waffenexporten unterscheidet die Bundesregierung zwischen EU- und NATO-Staaten auf der einen Seite und sogenannten Drittstaaten.

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s gibt auch kein Verbot, Waffen an Menschenrechts- oder Völkerrechtsverletzer zu verkaufen. Ja, Menschenrechte sind als ein Kriterium in den „Politischen Grundsätze der Bundesregierung zum Export von Kriegswaffen“ ausdrücklich erwähnt. Aber eben nur als ein Kriterium von vielen, die gegeneinander abgewogen werden. In der Praxis hat das eine ganz schlichte Konsequenz: Am Ende verlieren immer die Menschenrechte, fast alle Exportanträge werden genehmigt. In Zahlen ausgedrückt: Von rund 12.000–15.000 Ausfuhranträgen im Jahr werden gerade mal 100 (in Worten: Hundert) abgelehnt, alles andere wird durchgewunken. „Besondere außenpolitische Interessen“ wiegen halt schwerer als Pressefreiheit und Demokratie.

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In letztere sollen nach den „Politischen Grundsätzen“ nur in Ausnahmefällen Kriegswaffen geliefert werden. Liest sich auf dem Papier ganz gut, in der Praxis ist davon aber leider gar nichts zu sehen: Mittlerweile gehen weit mehr als die Hälfte aller Rüstungsexporte an Länder außerhalb von EU und NATO. Keine Ausnahme sondern die Regel. Und alles legal. Wer trotz alledem immer noch behauptet, die „Politischen Grundsätze“ seien restriktiv, wenn man sie nur richtig anwenden würde, hat das Kleingedruckte nicht gelesen. Dazu kommt, dass die Bundesregierung selbst ein erhebliches Interesse an bestimmten Rüstungsausfuhren hat. Natürlich spielen auch wirtschaftliche Interessen und der Druck der Rüstungslobby eine Rolle – bei einigen Deals geht es immerhin um Milliardensummen. Aber diese Regierung setzt genauso wie alle ihre Vorgängerinnen auf Waffenexporte als Mittel der Außenpolitik, zur Beziehungspflege. Ländern wie Saudi-Arabien oder der Türkei, auf die deutsche Regierungen seit Jahrzehnten als strategische Partner setzen, werden nur ungern Waffenexporte verweigert, um die guten Beziehungen nicht zu gefährden. Menschenrechte spielen dann keine Rolle mehr.


Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass die neue Bundesregierung (von „Großer Koalition“ mag ich gar nicht sprechen, so wie die zusammengeschrumpft sind) von sich aus hier etwas ändern wird. Mit einer Küsten-SPD, die ihre Werften mit Rüstungsprojekten am Leben halten möchte. Mit einem Volker Kauder, der in seinem Wahlkreis über Heckler & Koch wacht. Mit einer Kanzlerin, die ihre Auslandsreisen kühl-berechnend nutzt, um große Waffendeals einzufädeln.

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nd doch bin ich optimistisch. Seit Jahren werden die Proteste und Skandale immer lauter, und sie beginnen, Wirkung zu zeigen. Es gibt erste Risse in der SPD und sogar in Teilen der CDU. Unser erstes Ziel ist ein Verbot des Exportes von sogenannten Kleinwaffen, von Sturmgewehren, Handgranaten, Panzerfäusten. Diese Waffen, so hat es Kofi Annan einmal gesagt, sind die Massenvernichtungswaffen unserer Zeit. Denn tatsächlich wird die große Mehrheit der Opfer in den heutigen Kriegen nicht durch Raketen oder Panzer getötet, sondern durch diese sogenannten Kleinwaffen. Gerade aus der Perspektive der Opfer ist ein Kleinwaffenexportverbot dringend notwendig. Und auch wenn es Sie jetzt überrascht: Ich bin mir sicher,

dass wir so ein Verbot mit vereinten Kräften in den nächsten Jahren auch durchsetzen können.

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s zeigen sich bereits erste Risse in den konservativen Parteien. Wer hätte denn vor wenigen Jahren gedacht, dass eine Koalition aus SPD und Union sich auf eine Regelung einigen würde, nach der es keine Neuzulassungen von Waffenexporten an die Staaten geben wird, die im Jemen Krieg führen. Ja, diese Bestimmung ist mehr als löchrig, und die neue Regierung sucht bereits nach allen möglichen Schlupflöchern, um sie zu auszuhebeln. Aber die Tatsache, dass so eine Regelung überhaupt Eingang in einen konservativen Koalitionsvertrag gefunden hat, lässt aufhorchen. Auch auf anderen Ebenen gerät die Waffenindustrie unter Druck. So beginnt im Mai in Stuttgart der Prozess gegen Heckler & Koch wegen möglicher illegaler Waffenverkäufe nach Mexiko. Gegen den direkten Konkurrenten Sig Sauer wurde im April Anklage erhoben, mit ähnlichen Vorwürfen. Nach vielen Jahren des Protestes, im Parlament und außerhalb, nach unzähligen Skandalen und einer weiterhin hohen Medienaufmerksamkeit kommt langsam etwas in Bewegung.

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Jetzt liegt es an uns, daraus auch eine Bewegung zu formen. In der „Aktion Aufschrei“ sind seit einigen Jahren viele große und kleine Initiativen aktiv und tragen das Thema in die Öffentlichkeit. Am 21. Mai startete der große Staffellauf gegen Rüstungsexporte durch (fast) ganz Deutschland. Die Zeit ist reif für eine neue, breite Bewegung für Frieden und Abrüstung, sie könnte sich gerade an den Rüstungsexporten entzünden, denn Rüstungsfirmen gibt es überall in Deutschland, die Waffen werden über diverse Häfen und Flughäfen in alle Welt verschafft – es gibt viele, viele Orte für bunte und kreative Aktionen. Nutzen wir sie!

Jan van Aken ist Politiker und IPPNWBeiratsmitglied.


JEMEN, SANA'A, KINDER LAUFEN AUF DEN TRÜMMERN DES DURCH EINEN BOMBEN­ ANGRIFF ZERSTÖRTEN NACHBARHAUSES. DIE NACHBARN KAMEN BEI DEM ANGRIFF UM. Foto: © UNHCR/Mohammed Hamoud

Kumpanei mit dem Kronprinzen Deutsche Rüstungsexporte befeuern eine der größten humanitären Katastrophen unserer Zeit

Trotz des im Koalitionsvertrag verankerten Exportverbots an die Kriegsparteien im Jemen, genehmigt die Bundesregierung die Auslieferung von Rüstungsgütern an Saudi-Arabien.

Union und SPD hatten sich in den Koalitionsverhandlungen auf einen Exportstopp für alle Länder verständigt, die „unmittelbar“ am Jemen-Krieg beteiligt sind. Dass das zumindest auf SaudiArabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zutrifft, deren Luftwaffen die Speerspitze der Allianz bilden, ist unstrittig. Doch die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag macht deutlich, wie wenig sich Schwarz-Gelb an die eigene Geschäftsgrundlage gebunden fühlt. „Die Beteiligung der einzelnen Länder an der Koalition“ erfolge „in unterschiedlicher Art und Weise“, so der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Matthias Machnig, im April. „Die Frage der Länder und ihrer Beteiligung erörtert die Bundesregierung derzeit intensiv.“

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ie neue Bundesregierung macht dort weiter, wo die alte aufgehört hat. So erteilte der von Bundeskanzlerin Angela Merkel geleitete Bundessicherheitsrat im März die Genehmigung für die Lieferung von acht Patrouillenbooten an Saudi-Arabien. Die Entscheidung fiel ungeachtet des Beschlusses im Koalitionsvertrag, wonach Waffenexporte an Staaten, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, ausgesetzt werden sollen. Auch die bereits 2016 vom Europaparlament verabschiedete Aufforderung an die EU-Regierungen, einen Auslieferungsstopp an die Mitglieder der arabischen Militärallianz zu verhängen, ignorierte die dritte Große Koalition unter Führung Merkels.

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in Eruierungsprozess ohne praktische Folgen, wie die Auslieferung der Patrouillenboote an das Königshaus in Riad zeigt. Und das, obwohl die saudische Marine im Golf von Aden seit mehr als drei Jahren verhindert, dass die nötige humanitäre Hilfe in den Jemen gelangt. Gemeinsam mit Ägypten und anderen Partnern der neun Staaten starken Militärallianz versucht der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman die Wiedereinsetzung des bereits 2015 ins Exil nach Riad geflohenen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi zu erzwingen.

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FRIEDEN GEHT

Bislang ohne Erfolg: Der vom Iran finanziell und militärisch unterstützten Ansar-Allah-Bewegung – besser bekannt als Houthis – ist seitdem die Ausweitung ihres Einflusses gelungen. Diese sind Zaiditen, ein schiitischer Zweig des Islams, und eroberten im September 2014 Jemens Hauptstadt Sanaa. Im März 2015 dann begann die von Saudi-Arabien geführte Militärallianz ihre Luftangriffe; mit der Seeblockade wird zudem versucht, den Nachschub an die Houthis zu unterbinden.

ist wegen der Menschenrechtslage in dem autoritären Königreich seit Langem umstritten – doch mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Bestandsschutz dürfte die Produktion bis 2022 gesichert bleiben. Schwesig hatte bereits im Herbst 2017 die Linie vorgegeben, mit der auch die Bundesregierung künftig argumentieren dürfte: „Es handelt sich um Patrouillenboote und nicht um Kriegsschiffe.“ Dass diese in Saudi-Arabien nachgerüstet und bewaffnet werden können, wird dabei unterschlagen. Der Bau der Boote war bereits 2015 vom Bundessicherheitsrat genehmigt worden.

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as Ergebnis: eine der größten humanitären Katastrophe unserer Zeit. Mehr als 10.000 Menschen sind seit 2015 getötet worden, 20 der 27 Millionen Jemeniten auf humanitäre Hilfe angewiesen, sieben Millionen von Hungersnot bedroht, drei Millionen innerhalb des Landes auf der Flucht. Hinzu kommen Hunderttausende Cholera-Erkrankte, mehr als die Hälfte davon Kinder. „Saudi-Arabien ist mit seiner Seeblockade mitverantwortlich für die schreckliche Hungersnot im Jemen“, kritisierte im Frühjahr die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger. „Der Pseudo-Rüstungsstopp der Großen Koalition ist das Papier nicht wert, auf dem er steht.“

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üstungsexporte werden zweifach vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat genehmigt, einmal vor der Vertragsunterzeichnung, um dem Unternehmen Planungssicherheit zu geben, und dann endgültig kurz vor der Auslieferung. Dazwischen können Jahre liegen – so wie jetzt auch bei den Patrouillenbooten, von denen mehrere noch unter der alten Regierung ausgeliefert wurden. Und auch die Genehmigung zum Export von Leopard-2Kampfpanzern nach Katar, die das Gremium bereits 2013 erteilte, bleibt durch den im Koalitionsvertrag enthaltenen Bestandsschutz unberührt – obwohl das Emirat ebenfalls der Militärkoalition im Jemen angehört.

Das liegt auch daran, dass Lobbyorganisationen wie der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) während der Koalitionsverhandlungen erheblichen Druck ausübten, Ausnahmeregelungen durchzusetzen, um bereits abgeschlossene Rüstungsverträge nicht zu gefährden. „Firmen erhalten Vertrauensschutz, sofern sie nachweisen, dass bereits genehmigte Lieferungen ausschließlich im Empfängerland verbleiben“, heißt es in der euphemistisch „Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik“ betitelten Abschnitt auf Seite 151 des Koalitionsvertrags.

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n seiner Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken machte Staatssekretär Machnig deutlich, dass nicht menschenrechtliche Belange die deutsche Rüstungsexportpolitik bestimmen, sondern wirtschaftliche. So habe die Bundesregierung „nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem parlamentarischen Fragerecht und den verfassungsrechtlich geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen“ entschieden, „dass im Hinblick auf diese Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse eine Beantwortung der Frage nicht in offener Form erfolgen kann“. Die nackten Zahlen freilich sprechen eine deutliche Sprache: Seit Beginn des Jemen-Kriegs genehmigte der Bundessicherheitsrat Rüstungsexporte an Saudi-Arabien in Höhe von 1,05 Milliarden Euro. Ägypten erhielt Militärgüter im Wert von 850 Millionen Euro und die Vereinigten Arabischen Emirate für 474 Millionen Euro.

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intergrund für die Einführung des Bestandsschutzes sind die bereits angelaufenen Lieferungen von Patrouillenbooten aus Mecklenburg-Vorpommern. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte sich während der Koalitionsverhandlungen für den Erhalt der 300 Arbeitsplätze in der Peene-Werft in Wolgast stark gemacht. Nach Abschluss der Gespräche zwischen Union und SPD sagte sie im Februar: „Die Frage des Vertrauensschutzes ist wichtig für die vielen Arbeitskräfte auf der Werft“, deshalb sei es richtig, „dass im Koalitionsvertrag hierzu Klarheit geschaffen wird. Es ist eine gute Nachricht für die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass das nun gelungen ist.“

Markus Bickel ist Chefredakteur des Amnesty Journals und Autor des Buches „Die Profiteure des Terrors. Wie Deutschland an Kriegen verdient und arabische Diktaturen stärkt“.

Die zur Bremer Lürssen-Gruppe gehörenden Schiffbauer an der Ostseeküste fertigen insgesamt 33 Patrouillenboote für die saudische Küstenwache. Der rund 1,5 Milliarden Euro schwere Auftrag 25


START DES STAFFELLAUFES „FRIEDEN GEHT!“ VOR DEN TOREN DER RÜSTUNGSSCHMIEDE HECKLER & KOCH IN OBERNDORF. Foto: Frank Chudoba

Heckler & Koch im Vielfrontenkrieg Korruption, illegale Geschäfte, negative Bilanzen

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as neue Sturmgewehr HK433 wird von Experten als „spektakulär“ bezeichnet. Geschossen werden soll zukünftig mit dem neuen Sturmgewehr von Abertausenden Bundeswehrsoldaten also auf den Schlachtfeldern in aller Welt. Für das Unternehmen geht es dabei um viel. Sowohl Umsatz als auch der Bilanzgewinn von H&K sind 2017 gegenüber 2016 gesunken. Und das Unternehmen steht „mit gut 330 Millionen Euro in der Kreide“, wie der Südkurier weiß. Für Heckler & Koch ist der Erfolg bei der Ausschreibung für das neue Sturmgewehr zur Existenzfrage geworden.

Bundeswehr geforderten technischen Anforderungen seien eindeutig auf H&K ausgerichtet. Unabdingbare Voraussetzung für den Positiventscheid des lukrativen HK433-Geschäfts bleibt jedoch eine juristisch reine Weste beim Waffenhandel. Genau hier könnte sich der Prozess gegen zwei frühere H&K Geschäftsführer und vier weitere vormalige Mitarbeiter zur Gefahr entwickeln. Der Vorwurf gegen die beiden früheren Geschäftsführer Peter Beyerle und Joachim Meurer vor dem Landgericht Stuttgart trifft hart: Sie sollen am illegalen Geschäft mit Abertausenden von G36-Sturmgewehren in mexikanische Unruheprovinzen beteiligt gewesen sein. Noch aber ist H&K Hauptgesellschafter Andreas Heeschen ganz außen vor – und damit das so bleibt, scheint die Stuttgarter Justiz Peter Beyerle schonen zu wollen.

Der G36-Nachfolgedeal soll quasi das Überlebensgeschenk von Angela Merkel, Bundeskanzlerin (CDU), und ihrem Dauergehilfen Volker Kauder, Fraktionsvorsitzender (CDU/CSU) und H&K-Wahlkreisabgeordneter in der Region Rottweil sein. Immerhin geht es beim kommenden Gewehrgeschäft um den größten Auftrag der deutschen Streitkräfte in der jüngeren Geschichte. Die 120.000 Sturmgewehre sollen knapp 250 Millionen Euro kosten.

Der illegale Mexikodeal Seit der Eröffnung des Strafprozesses am 15. Mai 2018 stehen sechs frühere Beschäftigte von Heckler & Koch weltweit im Fokus medialer Beobachtung und Berichterstattung. Mit dem neu gegründeten GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE (GN-STAT), ist es uns gelungen, Journalistinnen und Journalist in aller Welt über das Geschehen am Landgericht Stuttgart zu informieren. Weltweit genießt der Fall große Aufmerksamkeit, allein in Mexiko berichteten bislang mehr als 20 führende Zeitungen, Zeitschriften und Internetportale über das, was in den Jahren 2006 bis 2009 geschah.

Die Oberndorfer Waffenbauer dürfen sich auf einem – aus ihrer Sicht – gewohnt guten Weg sehen. Auch wenn die Ausschreibung für die G36-Nachfolge formal noch im Gange ist, steht der Gewinner bereits so gut wie fest. Beim Bund hat man immer schon mit H&K-Gewehren geschossen und will auch weiterhin und immerdar mit H&K-Gewehren schießen, allen Exportskandalen und Finanzkrisen zum Trotz. Im Herbst 2017 stieg Sig Sauer aus der Ausschreibung aus. Bemerkenswert die Begründung: Die von der 26


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Nachdem mir ein Whistleblower in geheimen Treffen mitgeteilt hatte, dass – mit Wissen der H&K Führung – mehr als 4.700 G36-Sturmgewehre widerrechtlich in die mexikanischen Unruheprovinzen Chiapas, Chihuahua, Jalisco und Guerrero verbracht worden waren, erstattete ich 2010 Strafanzeige gegen H&K Beschäftigte. Mein Rechtsanwalt Holger Rothbauer ergänzte diese Strafanzeige um eine zweite gegen mitverantwortliche Vertreter des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle und des Bundeswirtschaftsministeriums. Doch ungeachtet der Beweislage stellte der Stuttgarter Staatsanwalt Peter Vobiller die Ermittlungen gegen die Behördenvertreter bereits im Folgemonat ein.

tikfreundin. Überdeutlich wurde dessen Rolle, als ihm der H&K Hauptgesellschafter Andreas Heeschen bei einer Pressekonferenz – wohlgemerkt kurz vor der Bundestagwahl 2009 – persönlich für die Unterstützung der Rüstungsexportgeschäfte dankte. Volker Kauder ist jedoch weder Beschäftigter des Bundeswirtschaftsministeriums noch Mitglied im Bundessicherheitsrat. Dafür ist der Rottweiler quasi die rechte Hand von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die als Vorsitzende des Bundessicherheitsrats die Exporte beförderte und befördert. Kein anderes Unternehmen erhielt im Bundessicherheitsrat bzw. Vorbereitenden Ausschuss mehr einzelne Exportgenehmigungen als H&K. Die Spur führt also nach ganz oben. Was Watergate in den USA war, könnte sich zukünftig zu „Heckler-Gate“ in Deutschland entwickeln.

Immerhin ist die Strafanzeige gegen führende H&K Vertreter erfolgreich: Im Mai 2016 erfolgte der Eröffnungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart. Der vormalige Rottweiler Landgerichtspräsident und spätere H&K Geschäftsführer Peter Beyerle wurde „als Mitglied einer Bande“ wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen Kriegswaffengesetz und Außenwirtschaftsgesetz in zwölf Fällen angeklagt.

Heiße H&K-Hauptversammlung 2018 in Oberndorf Bei der kommenden Hauptversammlung am 26. Juni 2018 erwartet die Geschäftsführung ein Feuerwerk an Fragen der Kritischen AktionärInnen Heckler & Koch. Allen voran werden sich Vorstand und Aufsichtsrat zu teilweise illegitimen und teilweise illegalen Geschäftspraktiken des Unternehmens verantworten müssen: Zum einen geht es dabei um die widerrechtlichen G36Gewehrlieferungen in verbotene Unruheprovinzen Mexikos. Zum anderen um den dringenden Tatverdacht, dass Peter Beyerle mittels Parteispenden Einfluss auf für H&K positive Exportentscheidungen für Mexiko genommen hat.

Die Strategie der Verteidiger ist für Prozessbeobachter augenscheinlich: Schuld sollen andere gewesen sein. Beispielsweise der damalige Vertriebsleiter Axel Haas, der mittlerweile verstorben ist. Schuld könnte der Koordinator der Heckler & Koch Geschäfte in Mexiko, Markus Bantle, gewesen sein. Bantle ist mexikanischer Staatsangehöriger und könnte versuchen, sich einer Bestrafung zu entziehen. Schuld sollen die Vertreter der Rüstungsexportkontrollbehörden Bundeswirtschaftsministerium und Bundesausfuhramt sein, die nach Vobillers beamtenfreundlichem Vorgehen und dem Ablauf der Verjährungsfrist nicht mehr verklagt werden können.

Und nicht zu vergessen: Bis zu meiner Strafanzeige vom April 2010 und noch kurz danach waren die skrupellosen Bemühungen von Heckler & Koch von Erfolg gekrönt, das Drogenland Mexiko mit weiteren Sturmgewehren zu versorgen. Danach wirkte meine Strafanzeige, ein weiterer Transfer von Kleinwaffen nach Mexiko wurde nicht mehr genehmigt. Seither gilt das Exportverbot für deutsche Kleinwaffen in das größte mittelamerikanische Land.

Von der Provinz-Posse zum hochbrisanten HecklerGate? Am 22. Mai 2018 veröffentlichte das TV-Politikmagazin REPORT MAINZ (ARD) eine vertrauliche E-Mail-Korrespondenz im Hause Heckler & Koch. Darin wird der Verdacht geäußert, dass H&K mittels Spenden an Parteibüros der damals in Berlin regierenden christlich-liberalen Koalition die politischen Entscheidungsträger Volker Kauder (CDU), Ernst Burgbacher (FDP) und Elke Hoff (FDP) zur Unterstützung weiterer Exportaufträge für Gewehre nach Mexiko mobilisieren wollte.

Wir freuen uns über Helferinnen und Helfer, die persönlich an Prozesstagen teilnehmen und unsere Prozessbeobachtung für das GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE aktiv unterstützen. Und wir brauchen Friedensfreundinnen und -freunde, die unsere Tagesprotokolle in andere Sprachen übersetzen können: www.gn-stat.org/deutsch/fälle/mexiko-prozessbeobachtung

Schlüsselfigur bei Heckler & Koch war laut REPORT MAINZ-Recherchen Peter Beyerle, der nach seiner Pensionierung als Landgerichtspräsident in Rottweil bei H&K tätig wurde und augenscheinlich die politische Ebene nutzen wollte mit dem Ziel weitere Exportgenehmigungen für G36-Sturmgewehre ins Krisen- und Kriegsgebiet Mexiko herbeizuführen. Dieser TV-Bericht offenbart einen tiefen Einblick in ein Lehrstück für Korruption durch einen hemmungslos agierenden Rüstungsproduzenten und -exporteur und für eine Staatsanwaltschaft, die – einmal mehr! – zum Wohle des führenden deutschen Kleinwaffenexporteurs agiert zu haben scheint.

Jürgen Grässlin zählt zu den profiliertesten Rüstungsgegnern Deutschlands. Er ist Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“ und und Mitbegründer der Kritischen AktionärInnen Heckler & Koch (KAH&K).

Mehr als spannend ist ein Blick in die wohlwollenden Beschlüsse des geheim tagendenden Bundessicherheitsrats. Dieser wurde während des entscheidenden Zeitraums 2006 bis 2010 konstant von Bundeskanzlerin Angela Merkel geleitet, Kauders enger Poli27


Foto: Ralf Schlesener

FRIEDEN GEHT

Gemeinsam etwas bewegen Der Staffellauf gegen Rüstungsexporte „Frieden Geht!“

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Kundgebungen und Kinoabenden beigetragen. An allen Staffelübergabepunkten wurden die Teilnehmer begeistert in Empfang genommen, verköstigt und angefeuert. Überall haben die Menschen vor Ort etwas auf die Beine gestellt und so „Frieden geht!“ über zwei Wochen eine einzigartige Atmosphäre verliehen. Besondere Highlights waren die elektrisierende Kundgebung in Freiburg, der Einlauf von 250 Joggern in Karlsruhe und der Empfang durch den gut gelaunten Ministerpräsidenten Ramelow in Erfurt.

er Staffellauf gegen Rüstungsexporte „Frieden geht!“ war ein bisher einzigartiges Projekt, dass sicher vielen Menschen noch lange in Erinnerung bleiben wird. 13 Tage, 83 Etappen und über 1.100 Kilometer galt es zu absolvieren. Ziel war, ein deutliches Zeichen gegen eine Praxis zu setzen, zu der die Mehrheit der Deutschen eine ganz klare Meinung hat: 64 Prozent sind gegen den Verkauf von Waffen und anderen Rüstungsgütern ins Ausland. Besonders stark ist die Ablehnung mit 83 Prozent bei Waffenlieferungen an den NATOPartner Türkei. Das ist das Ergebnis einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov.

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ie Abschussveranstaltung in Berlin war der krönende Abschluss dieses besonderen Projekts, das auch in den Medien erfreulich positiv aufgenommen wurde. Neben toller Musik von „The Jamie Dark Band“ und „Zweierpasch“ wurde durch eindrucksvolle Reden die Bedeutung des ganzen Unterfangens nochmals betont. „Wer – wie der Bundessicherheitsrat im Bundeskanzleramt – Kriegswaffenexporte an menschenrechtsverletzende Staaten genehmigt, der leistet Beihilfe zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Und wer – wie der Bundessicherheitsrat unter Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel – Kriegswaffenexporte an Krieg führende Staaten genehmigt, der leistet Beihilfe zu Mord“, kritisierte Jürgen Grässlin.

Man sollte annehmen, dieses eindeutige Ergebnis, würde die Politik dazu bewegen, eine restriktivere Rüstungsexportpolitik umzusetzen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Kaum war die neue Bundesregierung im Amt, genehmigte der Bundessicherheitsrat im März die Lieferung von acht Patrouillenbooten an Saudi-Arabien. Und das, obwohl im Koalitionsvertrag steht, dass Waffenexporte an Staaten, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, ausgesetzt werden. Das ist nur ein Beispiel für die lasche Rüstungsexportkontrolle, der sich die 18 Trägerorganisationen von „Frieden geht!“ entgegenstellen. Beteiligt waren nicht nur Friedensorganisationen, sondern auch Kirchen, Entwicklungsorganisationen, Kulturschaffende und Sportler.

Die euphorischen Reaktionen der Läuferinnen und Läufer haben die OrganisatorInnen tief beeindruckt. Der Staffellauf bot eine Möglichkeit, sich als Einzelner klar gegen Rüstungsexporte zu positionieren und als Teil einer großen Gruppe tatsächlich etwas zu bewegen. Am 6. Juni 2018 wurde die Resolution mit unseren Forderungen, die im Inneren des gläsernen Staffelstabs von Oberndorf bis in die Hauptstadt getragen wurde, vor dem Paul-Löbe-Haus an Abgeordnete des Wirtschaftsausschusses übergeben. Was die Politik daraus macht, bleibt abzuwarten. Die Beteiligten sind sich jedenfalls einig: Sie werden gemeinsam weiterkämpfen. Wenn es nötig ist, auch mit einem weiteren Staffellauf!

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m 21. Mai 2018 startete der Lauf in Oberndorf, wo die Waffenfirma Heckler & Koch ihren Sitz hat, mit einer großen und bunten Auftaktveranstaltung. 350 Menschen versammelten sich, um den Reden von Jürgen Grässlin und Andrew Feinstein sowie Musik von der Gruppe „Lebenslaute“ zu hören und die erste Läufergruppe anzufeuern. Zurückgelegt wurde die Strecke der nächsten Tage bis zum Bundestag in Berlin im Gehen und Joggen sowie in Form von Halbund Marathonläufen und teilweise mit dem Fahrrad. Passiert wurden unter anderem Furtwangen, Freiburg, Offenburg, Karlsruhe, Mannheim, Frankfurt, Fulda, Kassel, Eisenach, Erfurt, Jena, Halle, Wittenberg sowie Potsdam. Insgesamt haben sich 2.500 Sportler – und damit mehr als doppelt so viele wie erwartet – daran beteiligt, den Staffelstab bis nach Berlin zu bringen. Mehrere Hundert Menschen haben außerdem zur Durchführung vor Ort mit Versorgungsstationen,

Sarah Gräber ist Co-Koordination und Ansprechpartnerin für „Frieden geht!“. 28


FRIEDEN GEHT

Dem globalisierten Waffenhandel muss eine international vernetzte Zivilgesellschaft entgegentreten.

Das „Global Net – Stop The Arms Trade“ Die neue internationale Kampagne gegen Waffenhandel

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er Handel mit Kriegswaffen vollzieht sich heute in international verwobenen, für Außenstehende kaum durchschaubaren Netzwerken. Das Kampfflugzeug Tornado wird von einer Firma mit Sitz in Oberbayern gebaut, die explizit dafür durch die Firmen BAE aus Großbritannien, Fiat (heute Leonardo S.p.A.) aus Italien und die deutsche Firma MBB (heute Airbus Defence ands Space) gegründet wurde. Über die Herstellung von Komponenten sind noch viele andere Firmen daran beteiligt. So z. B. die Firma Rheinmetall, die in ihrem Werk in Oberndorf am Neckar (früher Mauser) die Bordgeschütze produziert. Der Export, wie in diesem Fall nach Saudi Arabien, kann nun aus demjenigen Land erfolgen, das für das betreffende Geschäft die geringsten Handelshemmnisse vorhält. Dieses Prinzip wurde zuletzt noch weiter perfektioniert. So unterhält die Firma Rheinmetall auf Sardinien über ihre 100 %-ige Tochter RWM-Italia S.p.A. eine Fabrik. Von hier werden Bomben u. a. nach Saudi-Arabien exportiert, von wo aus sie nachweislich im völkerrechtswidrigen Krieg gegen Jemen eingesetzt werden. Aus Deutschland wäre dieser Export verboten. Die Bundesregierung fühlt sich für das Geschäft aber nicht zuständig, da die Fabrik in Italien steht. Italien verweist darauf, dass Rheinmetall eine deutsche Firma ist. Ebenso perfide ist die Geschäftsbeziehung nach Südafrika. Rheinmetall kaufte 51 % der dortigen Firma Denel. Über diese wer-

den ganze Produktionsanlagen für Mörser und Granaten vertrieben, u. a. nach Saudi-Arabien. Nun ist sogar der Bau von insgesamt 38 Munitionsfabriken weltweit geplant. Da sie aus Südafrika geliefert werden, greifen die vergleichsweise strengen Richtlinien Deutschlands nicht. Ein anderes Beispiel: Die Firma Heckler & Koch, Kleinwaffenfabrikant aus Oberndorf am Neckar, sieht im zivilen (!) Waffenmarkt in den USA einen ihrer wichtigsten Wachstumsmärkte. Um ihre Absatzchancen zu erhöhen, und nicht zuletzt um gegen die Abschottungsmaßnahmen von US-Präsident Trump gewappnet zu sein, wird nun eine Fabrik zur Kleinwaffenproduktion in den USA gebaut.

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ie Rüstungsindustrie agiert also zunehmend global. Zwar gibt es internationale Organisationen wie die IPPNW oder das IPB (International Peace Bureau), die aber ein breites Spektrum von Themen abdecken. Internationale Bündnisse bedienen meist einen Teilaspekt, wie z. B. IANSA (International Action Network on Small Arms), das sich sehr für den ATT (Arms Trade Treaty) eingesetzt hat, oder sind regional begrenzte, lockere Zusammenschlüsse wie ENAAT (European Network Against the Arms Trade). Sehr effektive, nationale Bündnisse wie „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ können dagegen nur begrenzt international agieren. Einige Aktivisten haben sich nun entschlossen, ein globales Netzwerk gegen den Waffenhandel aufzubauen. Initiiert von einer kleinen Gruppe um Jürgen Grässlin, dem Lehrer und Buchautor aus 29

Freiburg, traf man sich im Herbst 2017 in London zu einem Planungstreffen mit Andrew Feinstein, dem weltweit wohl renommiertesten Aktivisten gegen Waffenhandel und Korruption.

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uf der Internetseite „www.gn-stat. org“, die am 5. April im Rahmen einer Pressekonferenz online gegangen ist, sind bisher zwei „Fälle“ eklatanten Rüstungsexports in mehreren Sprachen beschrieben: der Export von Mausergewehren zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die schließlich beim Völkermord gegen die Armenier zum Einsatz kamen, und der illegale Export von G36-Geweren in Unruhe-Provinzen von Mexico. Auch der Prozess vor dem Landgericht in Stuttgart, bei dem mehrere frühere Manager von Heckler & Koch wegen genau dieses Skandals vor Gericht stehen, wird auf der Homepage veröffentlicht, u. a. auf Spanisch. Zunächst ist geplant, die eklatantesten Fälle von Rüstungsexporten weltweit in den wichtigsten Sprachen zu veröffentlichen. Und darüber AktivistInnen, KünstlerInnen, AutorInnen, FotografInnen, AnwältInnen und JournalistInnen in aller Welt effektiv zu vernetzen, sodass sie in Zukunft gemeinsam gegen die globalisierte Rüstungsindustrie agieren können.

Dr. Helmut Lohrer ist International Councillor der deutschen IPPNW und Mitbegründer der Initiative „Global Net“.


WELT

Einladung nach Breslau/Wrocław Das europäische IPPNW Treffen und europäische IPPNW-Studierendentreffen in Polen

Vom 21.–23. September 2018 findet in Breslau das Treffen der europäischen IPPNW-Sektionen gemeinsam mit dem diesjährigen europäischen Studierendentreffen statt.

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eim diesjährigen Europakongress der europäischen IPPNW-Sektionen werden sich ÄrztInnen und Medizinstudierende in Breslau (Wrocław) treffen, wohin uns die neu gegründete StudierendenGruppe aus Polen einlädt. Breslau im Zweiten Weltkrieg – das bedeutete die komplette Bombardierung der Stadt durch die deutsche Wehrmacht, die mehrere 1.000 Bomben über dem Stadtgebiet abwarf. Die abgeworfenen Phosphorbomben zerstörten durch die vielen Brände letztlich die gesamte Stadt. Breslau heute – die historische Altstadt wurde nach dem Krieg längst wieder aufgebaut, es ist inzwischen zu einer der schönsten Städte in Polen geworden. Westeuropäische und osteuropäische Einflüsse aus der Geschichte treffen hier aufeinander. Hier wollen wir uns kennenlernen und neue Ideen, Motivation und Energie holen. Das Programm verspricht spannend und abwechslungsreich zu werden. Im Mittelpunkt stehen unsere Ideen für eine gemeinsame europäische Arbeit zur Förderung des Atomwaffenverbotsvertrags, der eine Politik im Geiste von Friedenslogik voranbringt.

Fragen, die wir bearbeiten wollen Jetzt, nach der Aufkündigung des IranAtomabkommens durch die Regierung der USA, hat der US-Außenminister Mike Pompeo eine vollkommene strategische Neuausrichtung des Regimes im Iran gefordert, und damit für einen „regime change“ plädiert. Eine kriegerische Eskalation des Nahost-Konflikts scheint damit vorprogrammiert zu sein. Was können wir als ärztliche Friedensorganisation dagegen tun? Wie können wir gemeinsam unsere europäischen Regierungen überzeugen, noch mehr und konkretere Schritte für das Iranabkommen zu tun, sowie dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten? Wie verbinden wir das mit unserer ärztlichen Friedensarbeit? Welche Abgeordnete im Europaparlament können wir für das Atomwaffenverbot gewinnen? Wie können wir gemeinsam die gute Nachricht, dass die Deutsche Bank aus der Finanzierung von Atomwaffenherstellern aussteigt, nutzen, um andere Banken zu überzeugen, das Gleiche zu erklären? Wie können wir ICAN in Europa stärken und eventuell auch ICAN-Gruppen in den osteuropäischen Ländern aufbauen? Das sind nur einige Fragen, um die es in Breslau gehen wird. Gleichermaßen wollen wir uns auch mit der Frage beschäftigen, was Frieden 30

und Versöhnung aus west- und aus osteuropäischer Perspektive bedeutet. Aus diesem Grund planen wir auch TeilnehmerInnen aus Russland, der Ukraine und Weißrussland einzuladen. Darüber hinaus soll es thematische Workshops zu Klimawandel und Krieg, Medical Peace Work, Hibakusha weltweit, und zum Balkan-Projekt „Bridges of Understanding“ geben. Bohdan Wasilewski, Psychiatrieprofessor aus Warschau und Dominik Stosik, europäischer Studierendensprecher von der Universität Breslau organisieren den Kongress auf der polnischen Seite. Eva Lauckner, ebenfalls europäische Studierendensprecherin, Jehona Krasniqui aus Kosovo, Xanthe aus unserer Geschäftsstelle und ich sind ebenfalls dabei. Wir vom Orga-Team hoffen, dass wir viele Medizinstudierende und ÄrztInnen in Breslau wieder treffen werden. Herzlich, Angelika Claußen

Dr. Angelika Claußen ist IPPNWVizepräsidentin für Europa.


AKTION

Macht Frieden Aktion vor dem Kölner Dom Die IPPNW engagiert sich seit Beginn des Syrienkrieges für zivile Lösungen und fordert von der Bundesregierung, völkerrechtswidrige Militärschläge weder militärisch noch politisch zu unterstützen. Stattdessen solle sie sich durch diplomatischen Druck auf alle Seiten für deeskalierende Maßnahmen und eine Stärkung des Völkerrechts einsetzen und jegliche Lieferung deutscher Waffen in die Region sofort zu unterbinden. Diesen Forderungen verliehen IPPNW-Mitglieder im Rahmen des IPPNW-Jahrestreffens mit einer öffentlichen Aktion Ausdruck. Unter dem Motto „Deeskalation jetzt – Nein zum Krieg in Syrien“ forderten sie am 6. Mai 2018 auf dem Bahnhofsvorplatz vor einer bunten Fotoleinwand der Kampagne „Macht Frieden – Zivile Lösungen für Syrien“ und mit großen Buchstaben eine friedliche Lösung für die Menschen in Syrien.

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G ELESEN

Gefangene im Funknetz

Überlebenswichtig

Dr. Christine Aschermann und Dr. Cornelia Waldmann-Selsam berichten in ihrem Buch über die prekäre Lebenssituation von elektrosensiblen Menschen, die oft von Umfeld, Ärzten und Behörden nicht ernst genommen werden.

Der Bericht ist, so der Umschlag, „das Debattenbuch zur Frage des Überlebens der Menschheit.“ Er macht Hoffnung, in dem er an vielen Beispielen und mit Vorschlägen an die Politik den Weg in eine nachhaltige Zukunft aufzeigt.

en meisten Platz nehmen die Falldarstellungen ein, eindrucksvoll geschilderte Begegnungen mit elektrosensiblen Personen, die über ihre Leidens- und Lebenswege in Interviews berichten. Es wird deutlich, dass jeder Fall anders liegt und individuelle Maßnahmen braucht – es ist schwer, das Krankheitsbild zu fassen. Jahrelange Arztbesuche mit immer neuen Diagnosen sind die Folge. Es sind immer wieder andere Faktoren wie Unverträglichkeit von Chemikalien und Amalgamfüllungen, Allergien oder Borreliose, Pestizide, Farben, Düfte, Kleidung, Heizöl, Abgase etc., die Elektrosensibilität begünstigen bzw. auslösen. Es werden auffällige Laborwerte gefunden, Depressionen, Blutdruck-, Schlaf- und Herzrhythmusstörungen. Menschliche Tragödien scheinen unlösbar, weil man der Strahlung nicht entkommen kann, will man nicht alle sozialen Kontakte aufgeben.

leich vorweg: Es ist ein sehr wichtiges Buch, das Beste, was ich zu dem Thema kenne. Thematisch ist der Bericht breit angelegt. Er ist klar und verständlich geschrieben und die beiden Hauptautoren – neben 33 weiteren, die mitgewirkt haben – sorgen für Einheitlichkeit und Zusammenhang. Er greift alle wichtigen progressiven Ansätze der letzten 10–20 Jahre auf und führt sie zusammen.

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G

Der erste Teil des Buches ist eine Beschreibung der gegenwärtigen nicht nachhaltigen Trends. Er handelt u. a. von den unterschiedlichen Krisentypen und dem Gefühl der Hilflosigkeit, von den planetaren Grenzen, dem Anthropozän, von der Klima-Herausforderung und andere Bedrohungen wie gefährlichen Technologien und Atomwaffen, Handel gegen Umwelt und die Agenda 2013 der UN. Kaum ein wichtiges Thema zum Verständnis der heutigen Problemlagen ist ausgelassen.

Im Kapitel „Was sagt die Wissenschaft“ und „Was gilt als Beweis“ geht es um Manipulation, Desinformation und das Zustandekommen der Grenzwerte, wobei militärische Interessen und nicht die Gesundheit der Menschen Thema waren.

Der zweite Teil „Auf dem Weg zu einer neuen Aufklärung“ – nach Aussagen der Autoren der revolutionärste und auch für mich der zentrale – ist eine Kritik der dominierenden theoretisch-philosophischen Grundlagen unseres derzeitigen Weltverständnisses. Eine grundlegende Neuorientierung unserer Sicht auf die Welt sei nötig und brauche eine Art „neue Aufklärung“, statt eines „erneuerten Rationalismus“. In kurzen Kapiteln wird u. a. eingegangen auf: die Fehlentwicklungen des Kapitalismus, das Scheitern der reinen Marktlehre, die philosophischen Fehler des Marktdogmas und die Flachheit und Unzugänglichkeit einer reduktionistische Philosophie. Es brauche eine Philosophie der Balance, nicht des Ausschlusses.

In den Kapiteln „Die Verflechtungen von Industrie, Wissenschaft, Politik und Medien“ wird deutlich, wie wenig sich geändert hat. Elektrosensible Personen werden durch Ignoranz in Behörden und Politik weiterhin enttäuscht, ihre Probleme nicht ernst genommen. Viele Ärzte sind uninformiert, Therapiemöglichkeiten oft nicht bekannt. Für alle Menschen, die sich ein Bild machen wollen, ist das Buch eine sehr informative Lektüre und erst recht für solche, die nichts von der Tatsache Elektrosensibilität wissen wollen. Das Zitat „Die einen spüren die Strahlung, die anderen nicht – gefährdet sind beide auf lange Sicht“, bringt es auf den Punkt.

Der dritte Teil (eine Reise zur Nachhaltigkeit) schlägt die Brücke zwischen Gegenwart und Zukunft, indem Wege aufgezeigt werden, wie schon heute eine sozio-ökologische Transformation gelingen kann. Denn wir haben nicht die Zeit, zu warten, bis sich eine neue Aufklärung durchsetzt – für die Erste hat es etwa 200 Jahre gebraucht.

Aschermann, Christine (Hrsg.), Waldmann-Selsam, Cornelia: Elektrosensibel – Strahlenflüchtlinge in einer funkvernetzten Gesellschaft, Shaker Media Dezember 2017, 326 S., 18,90 €, ISBN 978-3-95631-622-7

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Anders Wijkman: Wir sind dran. Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Gütersloher Verlagshaus, 388 S., 25,99 €, ISBN: 978-3-579-08693-4

Isabel Wilke (Gekürzte Fassung der Rezension aus dem ElektrosmogReport 4/2018)

Dieter Lehmkuhl 32


GESEHEN

TERMINE

The Shadow World

JUNI 23.6.–1.7. Stopp Ramstein AirbaseAktionswoche, Ramstein

Die geheime Welt des internationalen Waffenhandels Der Film SHADOW WORLD von Johan Grimonprez, nach dem Buch „The Shadow World“ von Andrew Feinstein, gewährt erschreckende Einblicke in eine sonst verborgene Welt. Er erzählt die Geschichten einiger der größten und korruptesten Waffengeschäfte, indem diejenigen zu Wort kommen, die selbst daran beteiligt waren: PolitikerInnen, Dealer, ErmittlerInnen und JournalistInnen. Er klärt uns über die wahren Kosten des Krieges auf und darüber, dass der weltweite Handel mit Waffen die Sicherheit der Menschen nicht erhöht, sondern sie dramatisch infrage stellt. Aber der Film zeigt auch Alternativen, indem er FriedensaktivistInnen, Kriegsreporter und den 2015 verstorbenen südamerikanischen Schriftsteller Eduardo Galeano zu Wort kommen lässt. Der 2016 erschienene Film wurde in einer neuen Version mit deutschen Untertiteln erstmals im Rahmen des Staffellaufs gegen Rüstungsexporte „Frieden geht!“ gezeigt. IPPNW-Mitglieder, die den Film gerne im Rahmen einer Veranstaltungen zeigen möchten, können ihn als Blue-Ray in der Geschäftsstelle ausleihen. Anfragen bitte an: kontakt@ippnw.de

30.6. Demonstration mit Aktionen und Abschlussfeier, Ramstein

JULI 7.7. Globaler Aktionstag zum ersten Jahrestag des UN-Vertrages für ein Atomwaffenverbot, Aktionen in Büchel und Berlin 8.7. Flaggentag der Mayors for Peace

AUGUST 4.8. Alumnikonferenz der Global Health Summer School: „Ethical implications on climate change and health“, Berlin 6.–12.8. Internationales Anti-AtomSommercamp, Südfrankreich 6.8. Hiroshima-Gedenktag 7.–.11.8. „Atomares Erbe: Herausforderungen für die nächste Generation“, Sommerakademie des Projekts Atommüllreport, Karlsruhe

SEPTEMBER

GEPLANT Das nächste Heft erscheint im September 2018. Das Schwerpunktthema ist:

15.9. Symposium „Die Welt vor dem Atomkrieg – wo bleibt der Widerstand?“, Berlin

Deinvestition: Kein Geld für Atomwaffen

16.9. IPPNW-Benefizkonzert zugunsten der IPPNW und ICAN, Berlin

Der Redaktionsschluss für die Ausgabe 155/September 2018 ist der 31. Juli 2018. Das Forum lebt von Ihren Ideen und Beiträgen. Schreiben Sie uns: forum@ippnw.de

22.9. Atommüllkonferenz, Göttingen

IMPRESSUM UND BILDNACHWEIS Herausgeber: Internationale Ärzte für die Verhü-

Redaktionsschluss

tung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verant-

31. Juli 2018

wortung e. V. (IPPNW) Sektion Deutschland

Gestaltungskonzept: www.buerobock.de, Layout:

Redaktion: Sabine Farrouh (V.i.S.d.P.), Angelika

Samantha Staudte; Druck: DDL Druckereidienst-

Wilmen, Samantha Staudte

leistungen Berlin; Papier: Recystar Polar, Recyc-

Anschrift der Redaktion: IPPNWforum, Körte-

ling & FSC

straße 10, 10967 Berlin, Telefon: 030 / 69 80 74

Bildnachweise: S. 6 li.: „Mehr Demorkatie“, CC

0, Fax 030 / 693 81 66, E-Mail: ippnw@ippnw.de,

BY-SA 2.0; Mitte: Deutsches Zentrum für Luft und

www.ippnw.de, Bankverbindung: Bank für Sozial-

Raumfahrt, CC BY 3.0 de, re.: Lebenslaute; S. 7

wirtschaft, IBAN: DE39100205000002222210,

re.: Deutsche Bank; li.: ICAN; nicht gekennzeich-

BIC: BFSWDE33BER

nete: privat oder IPPNW.

für

das

nächste

Heft:

Informationen und Kontaktdaten: www.ippnw.de/aktiv-werden/termine

NEIN ZU DROHNEN

Kein Krieg von deutschem Boden!

Das Forum erscheint vier Mal im Jahr. Der Bezugspreis für Mitglieder ist im Mitgliedsbeitrag

AKTIONSWOCHE

enthalten. Sämtliche namentlich gezeichnete Artikel entsprechen nicht unbedingt der Meinung der

23. Juni – 1. Juli 2018 www.ramstein-kampagne.eu

Redaktion oder des Herausgebers. Nachdrucke bedürfen der schriftlichen Genehmigung. 33


G EFRAGT

6 Fragen an … Foto: arbeiterfotografie.com

Jeff Halper

Israelischer Friedensaktivist und Autor, Professor (em.) für Anthropologie und Mitbegründer des Israelischen Komitees gegen Hauszerstörungen (ICAHD)

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Sie setzen sich vehement für gewaltfreie Strategien zur Lösung von Konflikten ein. Was sind Ihre Erfahrungen mit Krieg? Meine Erfahrungen beruhen v.a. auf Recherchen. Mein Buch „War Against the People“ handelt davon, wie Israel das System Besatzung exportiert. Aber es geht nicht nur um Krieg, es geht um „Sicherheit“, um Polizeieinsätze. Es geht nicht mehr um Krieg von Armeen gegen Armeen auf Schlachtfeldern, sondern Krieg kapitalistischer Armeen gegen die Bevölkerung. Mein Fokus richtet sich darauf, dass Israel hier bedeutende Waffentechnik, Taktiken und Modelle der Bevölkerungskontrolle und Überwachungssysteme bereitstellt und entwickelt – auf dem Rücken der Palästinenser. Wenn wir uns die besetzten Gebiete ansehen, die Israel seit 50 Jahren als Laboratorium zur Entwicklung von Waffentechnologie und Überwachungseinrichtungen benutzt und an der palästinensischen Bevölkerung testet, dann verstehen wir, warum Israel eine weltweite Führungsrolle in der Spitzentechnologie einnimmt, die schließlich zu unserer eigenen Kontrolle angewendet werden wird.

Sie befürworten jetzt eine Ein-Staaten-Lösung. Wo liegt Ihre Hoffnung in einem gemeinsamen Staat? Israel hat immer nur einen Staat eingerichtet. Es kontrolliert das gesamte Gebiet vom Mittelmeer bis zum Jordan. Deshalb ist die Zweistaatenlösung vom Tisch. Also sagen wir zu Israel: Wir akzeptieren Euren „One-State“, aber wir akzeptieren nicht die Apartheid. Was wir verlangen, ist, dass der „One-State“, den Israel kreiert hat und der ein ApartheidStaat ist, zurückgebaut wird und zu einem demokratischen Staat mit gleichen Rechten für all seine dort lebenden Bewohner.

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Und weiterhin kapitalistisch? Unglücklicherweise muss ich sagen, dass auch wenn die Palästinenser einen eigenen Staat hätten oder sich anschließen, sie ein neoliberales Modell bevorzugen, wie es in Israel vorherrscht. Nehmen wir Leute wie Salam Fayyad, Premierminister, der sich das ganze kapitalistische System zunutze macht. Ein Grund, warum die Palästinenser heute domestiziert sind, ist, dass er Kreditkarten einführte. Heute haben alle Palästinenser Kreditschulden, weil sie über ihre Verhältnisse leben. Sie machen sich Sorgen, wie sie am Ende des Monats auskommen. Meiner Meinung nach war das Absicht, damit die Leute sich mit ihrer individuellen Finanzsituation befassen, statt mit grundsätzlichen Folgen des Neoliberalismus. Unglücklicherweise verhält sich die palästinensische Führung teilweise ähnlich feindlich gegenüber ihren eigenen Leuten, wie sich die israelische Führung gegenüber den Palästinensern verhält.

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Also auch zur Kontrolle der Deutschen? Die Deutschen und alle, die sich dem Kapitalismus widersetzen, werden zu Palästinensern, die der Besetzung Widerstand leisten. Die Unterstützung Israels bedeutet nichts anderes, als die Unterstützung des kapitalistischen Systems. Israel ist ein mächtiger Verfechter des Kapitalismus mit seinen Waffen und der Beziehung zu den herrschenden Klassen der ganzen Welt. Israel ist eine der führenden militärischen Kräfte, die den Kapitalismus antreiben.

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Was kann dann noch Hoffnung geben? Dass Menschen grundsätzlich eine Abneigung gegen Ungerechtigkeit, kapitalistische Unterdrückung und Besatzung haben. Wir alle sind Gegner des Kapitalismus. Das Positive ist doch: Die meisten Menschen in der Welt sind Linke. Mag sein nicht ideologisch, aber die meisten Menschen wollen das, was die Linken wollen: Bildung, Sicherheit, ein Gemeinwohl, Freiheit. Unsere Herausforderung ist, wie wir diese Art von System benennen, um die Menschen an Bord zu bringen.

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Wie können wir das kapitalistische System überwinden? Beim Kapitalismus handelt es sich um einen globalen Streit. Wenn wir effektiv gegen Imperialismus und Kapitalismus (Neoliberalismus) auftreten wollen, müssen wir deren Macht begreifen. Wir müssen das militärische Vorgehen betrachten und auch, wie sie die Polizeikräfte gegen uns einsetzen. Das war gut zu beobachten bei den G7, G8 und den G20-Gipfeln in Genua (2001) und an anderen Orten. Solange wir nicht begreifen, wie die kapitalistischen Mächte ihr Militär, ihre Polizei und ihre „Sicherheitskräfte“ gegen uns einsetzen, können wir keinen Widerstand leisten und das System nicht überwinden.

Interview: Gekürzte Fassung eines Interviews von Anneliese Fikentscher mit Jeff Halper erschienen unter: www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=24395 34


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Start der neuen Ausbildung im November 2018

Bücher für die Wirklichkeit

Campaigning for Peace

„Wer die aktuelle Debatte zur deutschen Rüstungspolitik in allen Facetten begreifen will, kommt an seinem Buch nicht vorbei.“ Deutschlandfunk Andruck

Qualifizierung zur CampaignerIn und ModeratorIn in Kampagnen • • • •

Gewaltfreier Widerstand Kampagnenplanung Soziale Bewegungen Moderationstechniken

sechs Module von jeweils 2 Tagen

Teilnehmen kann jede*r, der oder die in der Friedensbewegung in Kampagnen aktiv ist oder gerne werden möchte.

Kontakt für Fragen und Anmeldungen: ursula.gramm@wfga.de Ausführliche Beschreibung unter www.wfga.de/aus-und-fortbildungen

„Ein packendes Buch ... ein kluger, sachlicher Beitrag zu einer längst überfälligen Debatte.“ Der Freitag

„Wer sich für die Kollateralwirkungen der Verquickung deutscher Außenpolitik mit militärisch motivierter Wirtschaftspolitik interessiert, findet im Buch von Bickel fundierte Information und gediegene Analysen.“ Süddeutsche Zeitung

Aktuelle Kommentare, Leseproben, portofreie Lieferung ab 25,– Euro und vieles mehr auf: westendverlag.de

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IPPNW Peace-Academy 7.–9. Dezember 2018 in Berlin Ein Wochenende lang wollen wir mit euch über Frieden reden. Was verstehen wir eigentlich unter Krieg und was verstehen wir unter Frieden? Wie ist die Friedensbewegung entstanden und was gibt es für aktuelle Aktionsmöglichkeiten, um auf gewaltfreie Konfliktlösungen aufmerksam zu machen? Gemeinsam wollen wir uns über zivile Konfliktbearbeitung informieren sowie konstruktive und schlüssige Argumentationsketten aufbauen, um Menschen von unserem Anliegen, der friedlichen und fairen Konfliktbearbeitung, zu überzeugen.

Fragen und Kontakt: kontakt@ippnw.de

Für Studierende und junge Ärztinnen und Ärzte

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Foto: Valentine Burkart/IPPNW

Symposium & Benefizkonzert

Eine gemeinsame Veranstaltung von IPPNW-Concerts, Berliner Festspiele/Musikfest Berlin und der Stiftung Berliner Philharmoniker

15. September 2018 | 15–18 Uhr Ausstellungsfoyer Kammermusiksaal der Philharmonie

16. September 2018 | 11 Uhr Kammermusiksaal der Philharmonie

SYMPOSIUM „DIE WELT VOR DEM ATOMKRIEG – WO BLEIBT DER WIDERSTAND?“

IPPNW-BENEFIZKONZERT

ZUGUNSTEN DER IPPNW (INTERNATIONALE ÄRZTE FÜR DIE VERHÜTUNG DES ATOMKRIEGES) UND ICAN (INTERNATIONALE KAMPAGNE ZUR ÄCHTUNG VON ATOMWAFFEN) Einführung 10:00 Uhr

Moderation und Einleitung: Aino Weyers (IPPNW)

Begrüßung: Dr. Alex Rosen (IPPNW) „Die Welt vor dem Atomkrieg – wo bleibt der Widerstand?“

Ute Finckh-Krämer („Neue Entspannungspolitik jetzt“): Wie nah steht die Welt aktuell wirklich vor einem Atomkrieg?

Leoš Janácek [1854–1928] Suite für Streichorchester [1877]

Knut Fleckenstein (Außenpolitischer Sprecher der Sozialdemokratischen Fraktion im EP): Was tut Europa gegen nukleare Aufrüstung und wie wird die EU zur Friedensmacht?

Josef Haydn [1732 – 1809] Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 C-Dur Hob VII b: 1 [1783]

Anne Balzer (ICAN Deutschland): Die Notwendigkeit des Atomwaffenverbots

Dmitri Schostakowitsch [1906–1975] Kammersinfonie c-Moll op. 110a Orchestrierung von Rudolf Barschai [1960]

Prof. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Club of Rome/World Future Council): Weshalb ist angesichts der aktuellen fundamentalen Bedrohungen, der die Menschheit ausgesetzt ist (Klimawandel, Atomkrieg) ein neues Denken notwendig?

METAMORPHOSEN BERLIN WOLFGANG EMANUEL SCHMIDT VIOLONCELLO UND LEITUNG Empfang nach dem Konzert im Ausstellungsfoyer des Kammermusiksaals

Eintritt frei. Anmeldung erbeten: kontakt@ippnw.de oder +49 30 698074-0

Karten unter: www.ippnw-concerts.de oder www.berlinerfestspiele.de zu „Musikfest Berlin“


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