Intro #259

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#Pop #Kultur #Life #Style

MGMT

Willkommen in der Dunkelheit Nils Frahm — Black Panther — Yasmine Hamdan — Tocotronic — Sudan Archives

— Shame — Pussy Riot — Tune-Yards — Colson Whitehead — First Aid Kit — Nachhaltige Mode

#259 Februar 2018 gratis www.intro.de



#Intro Editorial

#Intro Foto: Agustin Hernandez

Für dieses Jahr haben wir uns vorgenommen, etwas mehr konstruktiven Optimismus zu verbreiten. Wie sich das mit unserem düsteren Cover verträgt? Über drei Banden gespielt ganz gut. Denn dieses Cover ist unsere künstlerische Annäherung an »Little Dark Age«, das vierte Album von MGMT. Die diagnostizieren im Interview zwar, dass wir alle in »einem kleinen, dunklen Zeitalter« leben, aber: »Wir glauben fest daran, dass es eine glänzende, hoffnungsfrohe Zukunft geben wird.« Und wir glauben fest mit! Bis dahin zelebrieren MGMT aber auf tiefschürfende und humorvolle Weise ihre Goth-Phase – und waren deshalb angetan von unserer Idee, auf dem Cover mal nicht mit einem schnöden Bandfoto zu arbeiten, sondern euch mit einem morbiden Stillleben zu verstören. Im Auftrag des Optimismus sprachen wir mit Leuten, die die Welt verändern könnten – zum Beispiel mit Yasmine Hamdan, Nils Frahm, Shame, dem Autor Colson Whitehead, Starcrawler, »Black Panther«-Regisseur Ryan Coogler, Pussy Riot und Sudan Archives. Viel Spaß beim Lesen! Daniel Koch (im Namen der Redaktion)

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Das Leben der Anderen

DAS LEBEN DER ANDEREN

Weil wir mal nicht mit schnöden Bandfotos arbeiten wollten, schlugen wir MGMT für ihr Cover einen Künstler vor, der die neue GothÄsthetik der Band auf eigene Weise aufgreift. Fündig wurden wir bei Agustin Hernandez, der auf Instagram als »agvstin« verstörend schöne Stillleben und Porträts ausstellt. Der mexikanischstämmige Künstler erklärt seine Arbeit so: »Ich visualisiere Fantasien und Tagträume in meinen Fotografien.« Das trifft die Sache ganz gut. Ein Interview mit Agustin findet ihr auf intro.de.

Tereza Mundilová gehört seit einiger Zeit zu unseren Stammfotografinnen. Ihre Porträts von Zola Jesus, King Krule und in diesem Heft von Anja Rützel und Hollie Cook haben immer etwas Unverstelltes und zugleich Poetisches. Tereza ist Gründerin des formidablen XZY Magazins, das Mitte Dezember seinen Start feierte und sich in der ersten Ausgabe fotografisch, theoretisch und künstlerisch dem Thema Fake widmet.

Gar nicht so leicht, eine viel beschäftigte und auf zwei US-Küsten verteilte Band wie MGMT inmitten von Tourvorbereitungen an die Strippe zu kriegen. Unser Autor Klaas Tigchelaar könnte nach seinem Interview ein Lied davon singen – und das würde sicherlich ähnlich viele Haken schlagen wie ein MGMT-Song. Klaas ist freier Journalist und Fotograf und schreibt schon seit Jahren für uns, nun konnten wir ihn endlich mal auf Titelstory-Länge verhaften.

Aus der Redaktion

In Zeiten von #BlackLivesMatter und einem rassistischen US-Präsidenten, der offen mit der Alt-Right-Bewegung liebäugelt, gibt es kaum etwas Passenderes als ein Interview mit dem Autoren Colson Whitehead, dessen Roman »Underground Railroad« Rassismus und Apartheid nur vordergründig historisch behandelt. Hier sieht man Whitehead im Interview mit unserem stellvertretenden Chefredakteur und #Kultur-Ressortleiter Wolfgang Frömberg im schnieken Kölner Hotel Excelsior.

Sebastian: »Geh mir weg mit Meetings. Ich bin Working-Class, Alter. Ich will Sachen abarbeiten, zack zack!« Wolfgang: »Ach, Männer. Ich hab eh die Schnauze voll von Männern.« Fred: »Ich hab letztens beim Arzt ‘ne Urinprobe abgegeben – sollte ich aber gar nicht.«


#Inhalt

INHALT #Intro Bilder von David Lynch, Anna-Lena Michel, Max Siedentopf Stammt aus dem Punk-Hochadel: Hollie Cook

#Pop Optimismus mit Hookline-Verständnis: MGMT 38 8

Rebellion im Herzen: First Aid Kit

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Son Lux: Vaterfreuden und Präsidentschaftswahlen 44

Anja Rützel hat ein Herz für Tiere und Trash 16

Yasmine Hamdan: Frau-Sein im Fokus 46

Himmel voller Geigen: Sudan Archives

Tune-Yards: Trügerische Illusionen 48

Auftakt mit Kat Frankie, WhoMadeWho, Lesercharts, Top 7 Absurde Mode-Accessoires, Dream Wife

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Shame: Halbnackte Langeweile 50 20

Robust wie Lederjacken: Black Rebel Motorcycle Club

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Das MacGyverhafte in ihm: Nils Frahm

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Starcrawler: Keine falsche Bescheidenheit 58 Tocotronic: Das Schönste, was passieren kann 60 Franz Ferdinand: Wiedergeburt mit alter DNA 62

#Kultur Colson Whitehead über »Underground Railroad« 66 Ryan Coogler über »Black Panther« 68 James Franco über »The Disaster Artist« 70 Neu auf DVD: »Es« und »The Straight Story« 76 Neue Games: »Xenoblade Chronicles 2« und »Gorogoa« 79

#Life Ist künstliche Intelligenz kreativ? 82 Mascha Alechia von Pussy Riot im Interview 86 Jugendbewegung: Männer 88 Popküche: »Clockwork Orange« 90 Foto: Agustin Hernandez

#Style Nachhaltigkeit: Der neue Stoffwechsel 92

#Review Platten vor Gericht 100 Neue Platten 102

#Preview Impressum / Dein Intro 6

Intro empfiehlt 122

Katz & Goldt / Demnächst 130

Kalender 124

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#Intro Dein Intro

DEIN INTRO Und wo warst du im Februar 2008? Intro #157

IMPRESSUM Verlag Intro GmbH & Co. KG, Oppenheimstraße 7, 50668 Köln Fon +49 221 949930, Fax +49 221 9499399 verlag@intro.de, vorname.nachname@intro.de, www.intro.de Herausgeber & Geschäftsführer Matthias Hörstmann Director Publishing & Projektleitung Intro Martin Lippert Director Brand & Media Cooperations David Winter Chefredakteur Daniel Koch (V.i.S.d.P.) Stellvertretender Chefredakteur Wolfgang Frömberg Artdirector Holger Risse

Covergeschichte: Entweder waren Nerdbrillen schon

vor zehn Jahren hip oder Alexis Taylor einfach seiner Zeit voraus. Fakt ist: Hot Chip waren 2008 DIE Band der Stunde und »Made In The Dark« DAS Konsensalbum des Jahres – noch dazu war es das erste Album, das nicht im Schlafzimmer eines der Mitglieder zusammengefrickelt, sondern in einem richtigen Studio aufgenommen wurde. Warum die Bandmitglieder auf den Porträts allesamt supersad aus der Wäsche gucken, ist im fröhlichen 2018 absolut nicht mehr nachvollziehbar. Storys: Hot Chip, Radiohead, The Magnetic Fields, Sons And Daughters, Get Well Soon, Kitsuné Wichtige Alben: Beach House »Devotion«, Hush Puppies »Silence Is Golden«, Los Campesinos! »Hold On Now, Youngster ...«, Cat Power »Jukebox«, The Mars Volta »The Bedlam In Goliath«, Get Well Soon »Rest Now, Weary Head! You Will ...«, Nada Surf »Lucky«, Pascow »Nächster Halt gefliester Boden«, Sons And Daughters »This Gift«, Wu-Tang Clan »8 Diagrams«, Ghostface Killah »The Big Doe Rehab«, Xiu Xiu »Woman As Lovers« Platten vor Gericht: Sieger: Blood Red Shoes – 6,98 / Letzter: Delbo – 5,42 Besondere Vorkommnisse: Skandal: Tiere im Style-Teil. Mäuse halten Gitarren, Drumsticks und Blasinstrumente in der Hand, Bären liegen körper- und deshalb wehrlos am Boden – mit rosa Schleife ums Öhrchen. Schlagzeile des Monats: Hochzeit Nicolas Sarkozy und Carla Bruni +++ Amy Winehouse und Kanye West räumen bei den Grammys ab +++ Fidel Castro kündigt Rücktritt an

Stellvertretende Artdirectorin Frederike Wetzels Redaktion Chiara Baluch (#Style), Senta Best (Textchefin, #Life), Frederike Ebert (#Style), Kristina Engel (Lektorat), Wolfgang Frömberg (#Kultur), Daniel Koch (#Pop), Christian Steinbrink (CvD, #Review), Sermin Usta, Frederike Wetzels (Foto) Live-Redaktion Henrike Schröder (Volontariat), Carsten Schumacher Layout Jörn C. Osenberg (osi) Online- & News-Redaktion (news@intro.de) Julia Brummert, Philip Fassing (Leitung Produktentwicklung), Bastian Küllenberg (Leitung Social Media) Terminredaktion termine@intro.de Texte Lena Ackermann, Aida Baghernejad, Hannah Bahl, Kristina Baum, Benni Bender, Kristof Beuthner, Fionn Birr, Jan Bojaryn, Annett Bonkowski, Andreas Brüning, Dominik Bruns, Dietfried Dembowski, Lukas Diestel, Rami Eiserfey, Valentin Erning, Miriam Fendt, Lars Fleischmann, Lisa Forster, Nina Gierth, Steffen Greiner, Claudius Grigat, Elisabeth Haefs, Henrik Hamelmann, Dirk Hartmann, Patrick Heidmann, Ulf Imwiehe, Paula Irmschler, Sebastian Jegorow, Madleen Kamrath, Osia Katsidou, Franziska Knupper, Kerstin Kratochwill, Mario Lasar, Julia Maehner, Konstantin Maier, Jan Martens, Mathias Meis, Sarah Neuhaus, Katja Peglow, Olaf Radow, Verena Reygers, Henje Richter, Hanna Rose, Philipp Röttgers, Nils Schlechtriemen, Christian Schlodder, Simone Schlosser, Kira Schneider, Leonie Scholl, Michael Schütz, Silvia Silko, Christian Steigels, Till Stoppenhagen, Thorsten Streck, Gabriele Summen, Karola Szopinski, Klaas Tigchelaar, Tobias Tißen, Stephan Uersfeld, Nisaar Ulama, Oliver Uschmann, Annette Walter, Timo Weber, Kai Wichelmann, Katrin Wiegand, Gregor Wildermann, Marius Wurth, Louisa Zimmer, Lena Zschirpe Cover Agustin Hernandez Illustrationen Peter Hoffmann, Alexandra Ruppert Fotos Christian Debus, Agustin Hernandez, Grey Hutton, Marcel Kamps, Dan Kendall, Alex Mader, Tereza Mundilova, James Perou, Lukas Senger, Louisa Stickelbruck, Logan White und Pressebildfreigaben Personal & Organisation Rebecca Wast (Leitung), Svenja Bender PraktikantInnen Leonie Becker, Pia Henkel, Vanessa Kolb, Anna Kravcikova, Daniel Röbling, Luca Schröder Vertrieb Dominik Raulf (Leitung – Fon +49 221 9499341) Abo Svenja Bender (abo@intro.de) Brand & Media Cooperations Büro Köln Fon +49 221 94993-Durchwahl: Martin Lippert -17 (Musik, Film, Marken), Josipa Balić -70, Sabrina Esser -33 (Marken & Media), Simon Cappell -75 (Marken & Media), Geraldine Schleder -19 Büro Berlin Fon +49 30 4036705-Durchwahl: Sebastian F. Dudey -11 (Live Entertainment & Kleinanzeigen) Auftragsannahme & Administration Eva Sieger (Leitung) -14, Florian Schuster -16 Fax +49 221 9499388 Aktuelle Anzeigenpreisliste Mediadaten 2018 (Nr. 28 aus 11/2017) Download Mediaunterlagen hoerstmann.de/mediadaten Bankverbindung Volksbank Borgloh e. G., BLZ: 26 5624 90, Nr.: 406490900 Termine für Nr. 260 / März 2018: Redaktionsschluss: 02.02.2018; Termin-

Dein Intro gibt es jetzt auch im Radio. Sozusagen. Dank Melanie Gollin und FluxFM kann unser Chefredakteur nämlich seine Studentenradio-Erfahrungen als Co-Moderator wiederbeleben. In Melanies Sendung »Das große Ganze« widmen sich die zwei jeden Samstag um 18 Uhr einem besonderen Album und spielen es in voller Länge. Hört doch mal rein!

Ach wie schön, dass man das Internet niemals vollschreiben kann. So haben wir auch im Februar wieder zahlreiche Interviews, Features und Dreingaben auf intro.de. Zum Beispiel ein Interview mit Ezra Furman, der ziemlich überzeugend erklärt, wie man die Sache mit der Religion und der Sexualität für alle Beteiligten schlüssig zusammenbringt.

& Anzeigenschluss: 09.02.2018; Druckunterlagenschluss: 13.02.2018; Erscheinungstermin: 26.02.2018 Druck Konradin Druck GmbH, Leinfelden-Echterdingen Bezugsquellen erhältlich an ausgewählten Auslagestellen im gesamten Bundesgebiet sowie im Abonnement Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier, 100% Altpapier. Alle Veranstaltungsdaten sind ohne Gewähr und Verlosungen vom Rechtsweg ausgeschlossen. Abdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages! Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Keine Haftung für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos!


#Intro Dein Intro

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Ein Buch mit nackten Damen, das noch dazu den Titel »Nackte« trägt – als hätte es #metoo nie gegeben? Sorry, aber es geht um David Lynch. Zehn Jahre nach seiner Ausstellung »The Air Is On Fire« zeigt er in diesem Band über 100 seiner teilweise unveröffentlichten Fotografien.


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Mit 20 verbrachte Anne-Lena Michel ein Jahr in Paris und fotografierte dort die 13-jährige Lea. 15 Jahre später entstand daraus ein limitierter Band, der nun via Kickstarter auf eine 500er-Edition ausgedehnt werden soll: kickstarter. com/projects/862203279/thirteen-0.


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Ähnlich verstörend und gleichermaßen fesselnd wie dieses sind so ziemlich alle Werke des norwegischen Fotokünstlers Torbjørn Rødland. Noch bis zum 11. März findet derzeit in der C/O Berlin seine erste deutsche Einzelausstellung »Back In Touch« statt.


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Der Künstler Max Siedentopf streunt nachts durch die Straßen, tunt Autos mit Pappmaché und lichtet das Ganze ab. In der Gruppenausstellung »Why So Serious«, die derzeit im Wiener Hotel am Brillantengrund stattfindet, kann man seine Arbeiten noch bis zum 28. Februar anschauen.


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#Pop #Hollie Cook

Hollie Cook

FUCK YOU, DAD! #Pop — Als Tochter von Sex-Pistol-Drummer Paul Cook stammt Hollie Cook aus dem Punk-Hochadel. Obwohl sie erste Banderfahrungen beim Comeback der Slits gesammelt hat, bewegt sie sich solo lieber in einer selbst geschaffenen CartoonWelt aus Reggae und Pop. Steffen Greiner sprach mit ihr über Familienverpflichtungen und ihr neues Album »Vessel Of Love«. Foto: Tereza Mundilova

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rinzipiell hat Hollie Cook es ganz gut getroffen: Mit 19 fing sie bei den Slits an, brachte mit 25 ihr erstes Soloalbum raus, hat insgesamt eine umwerfende Erscheinung und ein tolles Händchen für Pop. Scheiße ist nur, dass der eigene Vater 40 Jahre nach seiner Großtat – den Sex Pistols – mit ihr um die Musikpresse konkurriert. Doch ganz so weltbewegend wie die Musik der Sex Pistols ist Hollie Cooks jenseitig-poppiger Reggae dann doch nicht. Will er auch gar nicht sein. Trotzdem stehen im Hause Cook die Zeichen mittlerweile auf Generationswechsel: »Mein Vater hat gerade wieder angefangen, Musik zu machen – und wird in jedem Interview nach mir gefragt.« Dabei lacht Hollie ihr verschüchtertes und »Man sieht ja doch schallend lautes eher dämlich Kneipenlachen. »Fuck aus, wenn man you, Dad, so geht es mir die ganze Zeit!« sich zu ernst Die Cooks sind nimmt. Es sei noch lange nicht die denn, man ist Osbournes, aber denwirklich gut noch sehr umtriebig: Hollies Mutter Jeni darin, cool stand als Background- zu sein, und sängerin mit den New weißt du – ich Romantics vom Culbin’s nicht.« ture Club auf der Bühne – deren Sänger Boy George ist Hollies Patenonkel. »Eine TV-Show könnte man locker aus uns machen«, sagt Hollie. Stattdessen brachte Familienfreundin und Punk-Pionierin Ari Up die junge Hollie zur damals kurzzeitig wiedervereinigten Postpunk-Legende The Slits: »Es war schön, dass meine erste Banderfahrung von einer solchen Sicherheit geprägt war und dass ich an der Seite dieser besonderen Frauen erwachsen werden durfte.« Dabei war Cook als Teenie schüchtern – erst das Singen im Schulchor veränderte das. Ihre eigene Stimme entdeckte sie schließlich im Reggae: »Meine Stimme fühlt sich bei dieser Musik einfach wohl. Es ist rebellisch, reflektiert, spirituell, hart, kräftig – vielleicht muss man so sein, um Reggae zu singen.« Seit 2011 arbeitet sie mit dem Produzenten Prince Fatty zusammen, bekannt für Synthielastigen Vintage-Dub. Ihren Stil nennt sie Tropical Pop. Wie jeder gute Reggae-Sound diesseits von Shaggy balanciert er zwischen Trauer und Glück. »Ich bin froh, dass ich meinen Wahnsinn musikalisch ausleben kann«, sagt Hollie und grinst breit. »Ich bin eine ziemlich alberne Person und nehme mich selbst nicht so ernst. Man sieht ja eher dämlich aus, wenn man sich zu ernst nimmt.« Gut so: Cheesiness und Anspruch, Cartoon und Glam, Banales und Kompliziertes finden auf »Vessel Of Love« zu einer Feelgood-Musik zusammen, die nicht vergisst, warum das gute Gefühl überhaupt nötig ist. — Hollie Cook »Vessel Of Love« (Merge / Cargo)


KLAUS BÖNISCH FÜR KBK GMBH PRÄSENTIERT:

RAISE VIBRATION TOUR 2018

23.04.18 Köln / 24.04.18 Hamburg / 25.04.18 Berlin

lisa stansfield 31.05.18 MÜNCHEN / 12.06.18 BERLIN 13.06.18 FRANKFURT / 25.06.18 KÖLN WWW.VISIONARY-COLLECTIVE.DE

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RBK UND KBK GMBH PRÄSENTIEREN

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#Kultur #Anja Rützel

Anja Rützel

NIEDLICHE RIESENSCHNECKEN #Kultur — Sie kann Hühner dressieren, Falken ausstopfen und ist ausgebildete Biberberaterin. Die Journalistin und Autorin Anja Rützel hat nicht nur ein Herz für Tiere, sondern auch für Trash-TV. Julia Brummert traf sie in Berlin. Foto: Tereza Mundilova

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ermutlich ist es ihr zu verdanken, dass man TV-Formate wie den »Bachelor« nicht mehr nur heimlich guckt. Bekannt wurde Anja Rützel durch ihre Kolumnen für Spiegel Online, insbesondere durch ihre Berichterstattung über das alljährliche »Dschungelcamp«. »Viele Leute behaupten glaubhaft, dass sie die Sendungen gar nicht gucken, über die ich schreibe, sondern nur meine Texte lesen«, sagt sie beim Gespräch in einem Café in Friedrichshain. »Ich denke, dass man dann doch rein gar nichts versteht. Aber anscheinend mögen es die Leserinnen und Leser, wenn es ein bisschen obskur ist.« Neben dem Trash pflegt sie eine weitere große Leidenschaft: Sie liebt Tiere. Deshalb hat sie zahlreiche Seminare rund um Tiere besucht. In ihrem Buch »Saturday Night Biber« sind all die tatsächlich erlebten Geschichten über die Freundschaft zu Ameisenbär Ernst-Einar, Kuhkuscheln oder Biber-Seminare versammelt. An sich wäre das schon schräg genug, aber Anja Rützels detailverliebter Schreibstil und ihr Hang zu Wörtern wie »hutzelig« machen die Reportage-artigen Texte zu einem mindestens ebenso großen Spaß wie ihre Kolumnen.

Als Kind war Anja Rützel zwar eher ein »Drinni, der immer nur gelesen hat«, wie sie sagt, aber mit Tieren konnte sie schon damals sehr gut – im Gegensatz zum Rest der Familie. Sie wollte gern einen Hund haben, durfte aber nur einen Wellensittich halten. Erst 40 Jahre später hat sie sich ihren Kindheitstraum erfüllt. Juri liegt beim Interview unter dem Tisch, ein ehemaliger Straßenhund, der zwar viele tolle Tricks könne, aber laut Anja Standards wie »Bei Fuß!« nicht so gut draufhabe. Sehr sympathisch. Tiere müssen nicht niedlich sein, damit Anja sie mag. Neben Juri hatte sie auch mal Kakerlaken und heute Riesenschnecken als Haustiere. Letztere hat sie eigentlich nur für einen Artikel angeschafft, aber sie auszusetzen würde ihren Tod bedeuten, also wohnen sie jetzt mit Anja in Berlin-Friedrichshain: »Sie sind erstaunlich niedlich, bei den Großen erkennt man die Gesichter gut«, sagt sie. »Ich interessiere mich sehr für einen Kurs, in dem es um Riesenschnecken als Therapie-Tiere geht.« Kakerlaken seien dann doch irgendwie gruselig: »Da kann man die Fortpflanzung nicht kontrollieren. Immer, wenn ich ein paar Tage weg war, hatte ich Angst, dass das Terrarium

»Immer, wenn ich ein paar Tage weg war, hatte ich Angst, dass das ­Terrarium bei meiner Rückkehr voller Baby-Kaker­ laken ist.«

bei meiner Rückkehr voller Baby-Kakerlaken ist.« Eine Situation wie aus dem »Dschungelcamp«. Im Moment überlegt Anja, aus Friedrichshain weg zu ziehen, vielleicht an den Rand des Berliner S-Bahn-Netzes. Da wäre mehr Platz für Tiere: » Es gibt Angorahühner, die ein bisschen wie Kaninchen sind, so flauschig. Sie sehen ein bisschen exzentrisch aus, als hätten sie Hausschuhe an.« Ein paar Schafe wären auch toll – nur Kakerlaken, die vielleicht nicht mehr. — Anja Rützel »Saturday Night Biber« (Fischer, 240 S., € 9,99) — Ein ausführliches Interview mit Anja Rützel zum Thema Trashfernsehen findet ihr auf intro.de



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#Pop #Sudan Archives

Sudan Archives

GEBOREN, UM DIESE WELT ZU REGIEREN #Pop — Auf ihrer selbst­ be­titelten EP singt Sudan Archives im Song »Wake Up« die wundervollen Zeilen: »I got too much swag / That’s why I ain’t got no friends / I’m too confident.« Die Musik dazu: Geigen, HipHop, Soul. Eine selbstbewusste und vor allem seltene Mischung. Henrike Schröder traf Sudan Archives in Düsseldorf. Foto: Lukas Senger

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m Radio läuft »Straight Up« von Paula Abdul, als Sudan Archives den Unterschied zwischen US-amerikanischer und sudanesischer Musik erklärt: »Wenn dieser Song aus dem Sudan käme, würde man wahrscheinlich Geigen statt Synthesizer hören.« Geigen als Rhythmusinstrument und nicht im klassischen Sinne, wie Sudan während des Gesprächs immer wieder betont: »So wurden Lieder wie ›Come Meh Way‹ vom sudanesischen Sound geprägt: nur Gesang und Geige und wieder Gesang und Geige.« Sudan heißt mit bürgerlichem Namen Brittney Denise Parks und lebt mittlerweile in L.A. Die Geschichte, wie sie zu ihrem Sound kam, rattert Sudan Archives mittlerweile runter wie im Schlaf: Durch eine Gruppe Geiger wird sie zu Schulzeiten auf das Instrument aufmerksam. Ihre Mutter kauft ihr sofort eine Geige, doch Musikunterricht gibt es an ihrer Schule nicht. Also lernt sie, nach Gehör zu spielen, erst in der Kirche, später durch Beyoncé, Jamie Foxx, Kanye West und all das, was sie bei »MTV Countdown« zu hören bekommt. Dann folgt der nächste Impuls: »Ich wollte immer herausfinden, was es bedeutet, Afroamerikanerin zu sein. Also schlug ich die Geschichte jedes einzelnen afrikanischen Landes nach – nur so aus Spaß. Ich dachte, wenn ich alles über die Länder weiß, würde ich erkennen, wo meine Vorfahren herkommen«, erklärt sie. »Und als mir meine Mutter den Spitznamen Sudan gab, wollte ich mehr über dieses Land erfahren. Ich las viel über die Musikgeschichte und diese wahnsinnige Violinkultur. Jedes

Lied beinhaltet dort Geigen«, erzählt Sudan und tippt dabei auf ihrem Handy rum, bis sie gefunden hat, wonach sie sucht: ein Video, wacklig abgefilmt vom Laptop, in dem eine sudanesische Band auf einer mit grünem Stoff ausgekleideten Bühne spielt. »Die Ausstattung ist immer komisch, irgendwie schäbig. Aber mir gefällt’s«, erklärt sie aufgeregt kichernd. »So was findet man nur auf YouTube.« Als Musikplattform und vor allem als Archiv wird YouTube zwar gerne als gigantischer

Datenfriedhof verurteilt. Für Sudan wird es jedoch gerade durch seinen unkontrollierbaren Charakter zum perfekten Archiv, aus dem sie Inspirationen für ihren Sound zieht. »In gewisser Weise glaube ich«, beginnt sie erneut, als hätte sie das gesamte Gespräch über auf diesen Moment gewartet, »dass ich eine nubische Königin bin, vor fünf Millionen Jahren geboren, um diese Welt zu regieren. Und« – ihre Stimme geht kurz in ein leichtes Lachen über – »dass meine Mutter mir diesen Namen gab, das war vorherbestimmt. Die Wiedergeburt der nubischen Königin, die jeden in ihren Bann zieht.« — Sudan Archives »Sudan Archives« (Stones Throw / Groove Attack)

»Und als mir meine Mutter den Spitznamen Sudan gab, wollte ich mehr über dieses Land erfahren. Ich las viel über die Musikgeschichte und diese wahnsinnige Violinkultur.«


“Little Dark Age“ 09. Februar


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#Pop

Kat Frankie

LERNEN UND LEUTE TREFFEN #Pop — Kat Frankies viertes Album ist fulminant überbordender Pop – und noch viel mehr. Das Geheimnis der Wahl-Berlinerin ist dabei eher simpel: never stop learning. Verena Reygers sprach mit Kat über deren neues Album.

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ein neues Album heißt »Bad Behaviour«: Was ist denn schlechtes Benehmen für dich?

Auf meiner Platte meine ich damit eher Beziehungen als kriminelles Verhalten. Schlechtes Benehmen herrscht dort, wo jemand den anderen oder Situationen auf eine ungesunde Art zu manipulieren versucht. Du hast zuletzt mit Leuten wie Clueso und Olli Schulz gearbeitet. Wie entscheidest du, mit wem du kollaborierst?

Mir ist es enorm wichtig, Neues zu lernen. Wenn ein Angebot kommt, stelle ich mir immer drei Fragen: Ist es eine neue Erfahrung? Treffe ich neue Leute? Kann ich etwas lernen? Und wenn diese Kriterien gegeben sind, dann mache ich es. Ich überlege weniger, was andere denken könnten. Wenn du ständig darüber nachdenkst, wer dich wie beurteilt, dann brauchst du gar nicht das Haus zu verlassen. Klingt deine Musik deshalb so überbordend zwischen Pop, Soul, Folk und Jazz, zwischen hell und dunkel?

Ich will keine Platte machen, auf der alles gleich klingt und perfekt ineinandergreift. »Spill« zum Beispiel ist ein 90er-R’n’B-Song über Sex bei Tageslicht, »Versailles« ein langsames, bedächtiges Stück, das den Women’s March thematisiert, der 1789 die Französische Revolution losgetreten hat. Und »Back To Life« erinnert zu Beginn an James Blake, während ich meine Stimme dragmäßig verfremdet habe. — Kat Frankie »Bad Behaviour« (Grönland / Rough Trade / VÖ 02.02.18) — Auf Tour vom 04. bis 28.03.


#Pop

Zwei wie ihr, die dürfen sich nie verlieren

Herzensläden

FZW Alien als Alien Daniel Day-Lewis als Lincoln

#Pop — Jeden Monat stellen wir einen Club vor, der uns am Herzen liegt. Diesmal das FZW in Dortmund, das gallische Dorf des Ruhrgebiets.

Ist es vielleicht zu respektlos, das Freizeitzentrum West das gallische Dorf des Ruhrgebiets zu nennen? Man kann zumindest auf die Idee kommen, und die liegt in der Vergangenheit begründet: Bis in die 1990er hinein war das Ruhrgebiet reich an herausragenden Konzertveranstaltungen. Fast jede große Tournee machte mindestens einmal in Essen, Bochum, Oberhausen oder eben Dortmund halt. Diese Situation hat sich seitdem gravierend verändert: Düsseldorf und Köln haben dem Ruhrgebiet in dieser Hinsicht längst

den Rang abgelaufen, für große Konzerte ist man es als Ruhri mittlerweile gewohnt, zu reisen. Zumindest fast immer, denn das FZW stemmt sich unermüdlich dagegen vor allem, seitdem es seine neuen Räume neben dem »Dortmunder U« bezogen hat. Diese Lokalität bietet alles, was man sich als Konzertgänger wünscht: eine große Halle und einen kleinen Club, dazu eine Bar, die auch für charmante Aufführungen taugt. Die akustischen Bedingungen des 2010 bezogenen Neubaus lassen kaum einen Wunsch offen, und das Programm ist reichhaltig, vielfältig und erstklassig. Es ist zwar schade, dass Venues von solcher Qualität im Ruhrgebiet so selten sind. Aber immerhin gibt es sie, wenn auch vereinzelt. Dennoch: Gallisches Dorf sollte man das FZW eigentlich nicht nennen. Christian Steinbrink

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PROMOTION

Kölner Kongress 2018

Erzählen in den Medien

K

Mit Frangelico durch das Royal Bunker Jahr

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Live-Radioperformances, Vorträge, Gespräche

2.– 3. März Deutschlandradio Funkhaus Köln

koelner-kongress.de #kkongress18

Zugegeben, ein bisschen genauer muss man schon hinschauen, um die Gemeinsamkeiten zwischen den Punchline-Veteranen und der Haselnuss mit Schuss zu finden, aber dann ist es eigentlich ganz offensichtlich: Sowohl das illustre Duo als auch der altgediente Likör im Shot-Gewand sind durch und durch Festival erprobt und können einen smoothen Flow für sich beanspruchen. Was liegt da also schon näher, als nach der Royal Bunker Tour im Januar noch mal gemeinsam ein Festival und verschiedene Open-Air-Shows unsicher zu machen? Könnt ihr haben – wir sehen uns bei Haselnuss-Shot und Doppelreim vor der Bühne.

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#Pop #Style

WhoMadeWho

»WIR MÜSSEN SPASS HABEN« #Pop — Das dänische IndieDance-Trio veröffentlicht mit »Through The Walls« dieser Tage das sechste Studioalbum. Gitarrist Jeppe Kjellberg, Bassist Tomas Høffding und Drummer Tomas Barfod sprachen mit Dirk Hartmann über Erwartungshaltungen, Cybersex und die Bedeutung von Social Media.

Tomas Barfod: Wir haben aber

auch einige Zeit darauf verwendet, unseren Sound wiederzufinden und zu überarbeiten. Von 150 Demos haben es nur zwölf auf das Album geschafft. Als wir damit fertig waren, hatten wir das Gefühl, dass es gut wäre, noch mal ins Studio zu gehen und das Werk weiteren Produzenten anzuvertrauen. Jeppe Kjellberg: Wir haben in der Zwischenzeit auch noch unsere Radioshow »WhoMadeWho WorldWide« gehostet.

Wie geht ihr im Studio vor, um euch musikalisch nicht zu wiederholen? Tomas Barfod: Wir verweigern uns den Erwar-

Warum habt ihr fast vier Jahre benötigt, um ein neues Album zu veröffentlichen? Tomas Høffding: Zum einen haben wir in

der Zwischenzeit sowohl die »Ember«-EP als auch die Compilation »Body Language Vol. 17« herausgebracht. Zum anderen haben wir eine Pause vom Touren gemacht. Bei den letzten Konzerten der »Dreams«-Tour performten wir vor Tausenden von jubelnden Menschen. Aber ich stand da und dachte, dass ich lieber in meinem Hotelzimmer sein würde. Das hat sich vollkommen falsch angefühlt. Deswegen haben wir eine Art Auszeit genommen und unsere Live-Aktivitäten stark eingeschränkt.

tungshaltungen. So machen wir das immer. Als Erstes müssen wir Spaß haben. Als Zweites müssen wir uns gegenseitig herausfordern. Jeppe: Außerdem überlegen wir uns im Studio, wie unser Arbeitsprozess normalerweise aussieht, und entscheiden uns dann für das komplette Gegenteil. Wir versuchen auf diese Weise, die Grenzen des Machbaren so weit wie möglich zu verschieben. Hinter Eurer Single »I Don't Know« steckt die Geschichte, dass Jeppe auf dem Weg zu einem Konzert in Guadalajara an der mexikanischen Grenze festgehalten wurde. Was genau ist da passiert? Jeppe: Ich hatte dort einigen Ärger mit meinem Pass. Deswegen wurde ich in einem winzigen Raum festgehalten. Ich musste mein Handy abgeben. Es gab nichts zu essen und zu trinken. Ich habe mich völlig ausgeliefert gefühlt. Der ganze Song basiert auf dem Gefühl kompletter Hilflosigkeit, die ich in diesem Moment empfunden habe. — WhoMadeWho »Through The Walls« (Embassy Of Music / Warner) — Auf Tour vom 27.02. bis 03.03.

#Style — Drogenaffine Menschen werden sich an dieser Stelle vielleicht an die Berichterstattung über die Droge Flakka erinnern, die den Wunsch weckt, anderen Menschen ins Gesicht zu beißen. Dieser Käsedrucker wäre sozusagen die gesellschaftlich akzeptierte Variante, bei der man morgens zum Kaffee seinen Liebsten oder wahlweise Todfeinden die Visage zerkauen könnte. Leider handelt es sich hier nur um einen – wenn auch sehr witzigen – Prank-Karton zum Verpacken real existierender Geschenke. Doch wer weiß: Vielleicht legt ja jetzt jemand los und erfindet das Ding.


#Life #Kultur

#Kratzen & Beißen

Gegen Reiche

Illustration: Alexandra Ruppert

#Life — Sie sind oft durchtrieben, egoman, verwöhnt, abgewichst, großkotzig und schlichtweg asozial – und trotzdem werden sie bewundert, von Hochglanzmagazinen hofiert und in unserer Gesellschaft als das Nonplusultra des Aufstiegs verkauft. Warum denn bloß? Fragt sich Daniel Koch. Der hat einen kleinen Hass auf die Reichen und will ihnen nicht mal ein bisschen gleichen.

Ich überlege seit Tagen, wie ich das hier schreibe, ohne dass es selbstgerecht oder neidisch klingt. Aber ich muss endlich zugeben: Seit einiger Zeit befällt mich immer so ein dezenter Ekel, oder ich werde von einer Welle des Mitleids ergriffen, wenn ich Menschen sehe, die offensichtlich reich sind und das so deutlich zeigen müssen, dass es auch der Letzte kapiert. Ich glaube, es fing an, als ich mich jeden Morgen in der Zeitung an der Metapher der »Schere zwischen Arm und Reich« schnitt, bevor ich zu den »Paradise Papers« weiterblätterte, die schon jetzt keinen mehr zu interessieren scheinen. Denn das ist der Punkt, der mich dabei aufregt: Jeden Tag kann

#Kultur — Die Website AO3 Archive Of Our Own ist eines der

größten englischsprachigen Foren für Fanfiction. Hier werden zum Beispiel Geschichten aus dem HarryPotter-Universum, aus Comics und TV-Serien neu, anders oder weitererzählt. Ein beliebtes Motiv ist dabei das Zusammenbringen zweier Charaktere, die das in der Originalvorlage nicht geschafft haben. AO3 veröffentlicht zum Ende eines jeden Jahres diverse Statistiken – unter anderem über die meistgenannten Paarungen in den Texten der Fans. Hier eine kleine Auswahl aus den Top 20:

man lesen, wie die Reichen reicher werden, wie der Markt die Welt dann doch nicht fair reguliert, sondern hart zerfickt, wie getrickst und hinterzogen wird – und trotzdem werden auffällig wohlhabende Menschen immer noch mit einem »Die haben es geschafft!«-Orden bedacht, in Bunte und BILD gefeiert und als Nonplusultra des gesellschaftlichen Aufstiegs verkauft. Gleichzeitig beten populistische Pappnasen vor, dass man doch bitte nach unten zu treten habe, auf die Flüchtenden, die einem den letzten Krümel vom Teller essen. Auch wenn ich sonst fast jede Zeile unterschreiben würde, die Superpunk jemals getextet haben, ihr oft zitiertes »Ich habe keinen Hass auf die Reichen, ich möchte ihnen nur ein bisschen gleichen« teile ich mitnichten. Hass ist vielleicht ein zu starkes Wort. Man muss ja nicht gleich »Krieg den Palästen!« brüllen – aber mal gegen eine dieser Gated-Communitys zu pissen, die sich jetzt auch schon in deutschen Metropolen ausbreiten, wäre ein guter Start. Und ich fände es super, wenn man denen mit den dicken Karren, den fetten Uhren, den Loft-Eigentumswohnungen, den Villen am Stadtrand und den Luxusklamotten mal die Blicke zuwerfen würde, die diese Leute sonst für Obdachlose oder den Straßendealer an der Ecke übrig haben. Denn im Gegensatz zu den Letztgenannten haben Erstere todsicher Dreck am Stecken – nur halt (bessere) Anwälte.

Castiel & Dean Winchester aus »Supernatural«

66.148 Stories Sherlock Holmes & John Watson aus »Sherlock« (BBC)

52.232 Stories Harry Styles & Louis Tomlinson von One Direction

29.338 Stories Bucky Barnes & Steve Rogers (Captain America) aus »The Avengers«

27.854 Stories Draco Malfoy & Harry Potter aus »Harry Potter«

22.402 Stories

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#Kultur #Pop

#Kultur — Das Crip Magazine habe es sich zum Ziel gesetzt, so Redakteurin Eva Egermann im Editorial, eine bestimmte »Beschränkung in der Vorstellungswelt aufzuheben. Die Beiträge beschäftigen sich mit Crip-Popkultur, Kunst und radikalen sozialen Bewegungen, haben Schmerz zum Thema oder eröffnen uns eine transformative Perspektive auf Body Issues und körperliche soziale Beziehungen.« Gemeint ist auch die Beschränkung, die sich im Alltag als die Behauptung prozentualer körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung äußert. Von wegen so und so viel Prozent »Behinderung«. Im Crip Magazine geht es dagegen um die Vielgestaltigkeit der Individualität bis hin zur Infragestellung gesellschaftlicher Normalität. Stichwort: »Krankheit als Waffe«. Die zweite Ausgabe hat einiges zu bieten: »Verkrüppelte Kurztexte«, coole Anzeigen ohne das Handicap der herrschenden Norm, ein Interview mit Pionierinnen im Kampf gegen Sonderschulen und vieles mehr. Eva Egermann plant 2018 eine Ausstellung im Kunstraum München mit dem Titel »Kranke Sounds«, alle weiteren Informationen zu ihrer 100 % lesenswerten Zeitschrift unter cripmagazine.evaegermann.com. Wolfgang Frömberg

Drei Fragen an ...

DONOTS #Pop — Weil »Karacho« so viel Spaß gemacht hat und auf so viel positive Resonanz stieß, haben die Donots mit »Lauter als Bomben« ein weiteres Album auf Deutsch aufgenommen. Julia Brummert hat mit Sänger Ingo über das Album gesprochen. Foto: Dennis Dirksen

Seit ihr auf Deutsch singt, sind eure Texte politischer geworden. Wie kommt’s?

Die Zeiten erfordern das immer mehr. Wenn man viele Leute erreichen kann, hat man eine gewisse Verantwortung. Klar, wenn man beim Ruhrpott Rodeo von der Bühne »Nazis raus!« krakeelt, wird im Publikum niemand sagen: »Och, darüber habe ich noch nie nachgedacht!« Interessant wird es immer erst dann, wenn man Reibung erzeugen kann. Wir stehen mit einem Fuß im Mainstream, wir haben Radio-Airplay. Trotzdem vertu’ ich mich da nicht: Musik ist natürlich Eskapismus und Entertainment. Du lässt deinen Bruder Guido jetzt auch öfter mal singen, wieso?

Er singt zwei Songs auf dem Album und mittlerweile alle Backings. Guido kann nicht singen, das ist irgendwie ganz geil. Er ist weltgrößter RancidFan und steht auf die Art und Weise, wie Tim Armstrong nicht singen kann. Das ist ein ganz gutes Gegengewicht zu unserem durchaus poppigen Songwriting. Wenn ich

beispielsweise »Eine letzte letzte Runde« gesungen hätte, wäre das ein glattgebügelter Stadionsong geworden. So klingt er ein bisschen versoffen, das passt ganz gut. Mit dem etwas sonderbaren Stück habt ihr auch das Album angekündigt. Irgendwie mutig, findest du nicht?

Wir hatten vorher schon zwei Singles draußen, aber dieser Song bekommt gerade sehr viel Aufmerksamkeit, womit wir nicht gerechnet haben, denn er ist in der Tat sehr windschief. Schön, dass das funktioniert, aber am Ende des Tages ist es ein Saufsong. Muff Potter haben bei »Placebo Domingo« zwar gesungen: »Coole Hymnen auf den Alkohol / Die sind so unerträglich harmlos!« Ja, aber das muss ja nicht direkt nach Schützenfest riechen. — Donots »Lauter als Bomben« (Solitary Man / Warner / VÖ 12.01.18) — Auf Tour vom 20.02. bis 24.03. — Ein Video-Interview aus unserer Reihe »Say That Again« mit Ingo findet ihr auf intro.de


#Kultur

x-why-z Konzertagentur GmbH & Co. KG

»Noel Gallagher ist nur gut, wenn er schlecht über seinen Bruder redet.«

PLUS SPECIAL GUEST

21.04. BERLIN 22.04. HAMBURG 24.04. MÜNCHEN 26.04. KÖLN

Lars Eidinger in unserer Rubrik »Platten vor Gericht« über Noel Gallaghers High Flying Birds (Seite 100) plus special guest ISAIAH

14.03. FRANKFURT 15.03. KÖLN 17.03. HAMBURG

#Kultur — Wie das Leben in diesen verrückten Zeiten eben so spielt: Eben noch sitzt Toni Müller dösend vor der Glotze, und plötzlich wird er durch selbige in ein Paralleluniversum voller Prinzessinnen, Drachen, Schwerter und Schlösser gesaugt, wo er fortan als furchtloser Kämpfer Barbarkulor performen muss. Der detailfreudige, fein gezeichnete und aufwendig kolorierte Style ist natürlich bekannt – »Die unfassbare Welt von Barbarkulor« ist das Fanzine von Andre Lux, Schöpfer von Egon Forever. Band 2 ist kürzlich erschienen. Wer ihn haben möchte, kann ihn für 2,60 Euro plus Porto bei foreveregon@yahoo.de bestellen. — Interview auf intro.de

DOG BYRON

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#Style

TOP 7 DIE ABSURDESTEN 01 Prada Paperclip

Als Prada eine Büroklammer für 185 Euro veröffentlichte, war das Gelächter vielleicht das Beste an der ganzen Aktion. Leider funktioniert der Witz nur so lange, bis man versteht, dass es sich hierbei um eine Geldklammer handelt. Wer so etwas wirklich braucht, scheut sich nämlich nicht vor dem absurden Kostenpunkt.

MODE-ACCESSOIRES #Style — Darf es ein bisschen Klebeband für 200 Euro sein? Ein klitzekleiner Markenbackstein für 30 Dollar oder doch lieber ein Supermarktshopper für 800 Euro? Dass vor allem die Modeszene häufig unter Realitätsverlust leidet, zeigen die folgenden Accessoires. Text und Auswahl: Philip Fassing

02 Raf Simons »Walk With Me« Duct Tape

03 Off-White »Yellow Industrial Belt«

04 Supreme Brick

Wenn wir schon dabei sind, völlig banale Alltagsgegenstände zum ultimativen FashionFetisch zu verklären, dann darf natürlich auch das Klebeband von Raf Simons nicht fehlen. Der Preis liegt je nach Händler bei ungefähr 200 Euro.

Drei Jahre nach der Gründung von Off-White ist das Label von Virgil Abloh – Art Director von Kanye West – am Höhepunkt seiner Popularität angelangt. Was beweist diese Tatsache besser als ein gelber Spanngurt aus 60 % Nylon und 40 % Polyester, der trotz seines Preises von etwa 150 Euro äußerst begehrt ist?

Es wäre leicht, diesen Beitrag nur mit Produkten von Supreme zu bestreiten, schließlich gilt die Streetwear-Institution in Sachen Accessoires geradezu als exzentrisch. Ihr Backstein mit Logoprägung ist legendär. Er kam 2016 auf den »Markt«, kostete schlappe 30 US-Dollar und war in nur wenigen Minuten ausverkauft.

05 Gucci Handschellen

06 Balenciaga »Supermarket Shopper«

07 Palace x CÎROC Vodka

Zugegeben, bei diesem pikanten Accessoire zahlt sowohl der Vintage-Bonus (1998) als auch der mit dieser Gucci-Ära assoziierte Name (Tom Ford) auf den beeindruckenden Preis von 65.000 US-Dollar ein. Wozu sich einen Neuwagen gönnen, wenn man seine sexuellen Fetisch-Fantasien derart stilvoll ausleben kann?

Kaum ein Name polarisiert aktuell dermaßen wie Balenciaga. Ein Umstand, der nicht auf die schrullige Normcore-Nostalgie des italienischen Designer-Brands zurückzuführen sein dürfte, sondern eher auf den Kunststofftaschen-Wahnsinn im klassischen Edeka-Design für gut 800 Euro.

Dass Palace einen Hang zum Hedonismus pflegt, überrascht nicht. Um ihre Affinität zur Rave-Kultur der 90er macht die Marke schließlich keinen Hehl. Eine Flasche Wodka als Teil einer Kollektion sieht man dennoch nicht alle Tage. Diese inzwischen ausverkaufte CÎROCEdition war für rund 60 Pfund zu haben.


#Style

Modelabel des Monats

CAMP COLLECTION #Style — Große Pausen auf dem Sportplatz, Übernachtungspartys mit Karaoke oder Ferien im Zeltlager. Die Lookbooks von CAMP Collection blättern sich wie verträumte Fotoalben aus Kindertagen.

D

ie Outfits von CAMP Collection erwecken wahre Nostalgiegefühle: T-Shirts mit Raglanärmeln oder kurze Sporthosen mit Kordelzug prägen die Kollektionen des amerikanischen Labels. Auf vielen Pullovern oder Hosen finden sich nostalgische Streifendetails. Diese unverkennbaren Vintage-Einflüsse scheinen durch die Heimatstadt von CAMP Collection geprägt zu sein: San Francisco. Auf ihrer Website fordert die Marke auf, »draußen zu spielen«, ähnlich wie unsere Mütter uns damals im Sommer lieber in den Garten statt vor den Fernseher gescheucht haben. Mit Trends hat CAMP Collection ohne Zweifel wenig am Hut:

#Style — Angefangen hat alles mit einer kleinen Boutique in London: Aus der exzentrischen Shop-Besitzerin Vivienne Westwood ist eine noch exzentrischere Modedesignerin geworden. Regisseurin Lorna Tucker beschreibt in ihrer Doku »Westwood: Punk, Icon, Activist« den Weg der britischen Stil-Ikone und beleuchtet dabei auch die politischen Statements, die Westwood stets mit ihrer Mode thematisiert hat. Der Film zeigt Aufnahmen aus dem Archiv und bisher unveröffentlichte Interviews mit dem engsten Freundes- und Familienkreis der Designerin. Der Film über die »Queen of Punk« startet im Frühjahr in Großbritannien – und dann hoffentlich auch bald bei uns.

Das Label greift jede Saison die gleiche Thematik auf. Der USP sind Kleidungsstücke, die uns ein Lächeln ins Gesicht und die Sonne ins Herz zaubern. Wie etwas, das aus der hintersten Ecke des Schrankes zum Vorschein kommt und uns beim Anblick den Eisgeschmack vom Freibad auf der Zunge schmecken lässt. Auch wenn wir gerade noch im tiefsten Winter stecken: Vielleicht schafft es CAMP Collection, ein bisschen Vorfreude auf den nächsten Sommer zu wecken. — shopcamp.com

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#Pop

Dream Wife

DAS LETZTE WORT #Pop — Sängerin Rakel Mjöll, Gitarristin Alice Go und Bassistin Bella Podpadec lernten sich an der Uni kennen. Für ein Kunstseminar gründeten sie eine Fake-Band namens Dream Wife und fanden so viel Spaß daran, dass sie beschlossen, voll auf die Musik zu setzen: Ein Learning by Doing mit allen Risiken und Nebenwirkungen, das mit ihrem Debüt einen vorläufigen Höhepunkt findet. Text: Daniel Koch

W

er Dream Wife schon einmal live gesehen oder sie getroffen hat, merkt schnell, dass die Sache mit dem Uni-Projekt nur eine etwas untertriebene Erklärung zur Bandgründung ist. Die zwei Engländerinnen und ihre isländische Sängerin sind kein Fake: Sie sind eine Gang, eine richtige Band, die liebt, was sie tut. Das hört man ihren mal roughen, mal zarten, mal auf catchy getrimmten Songs an, die sie selbst als eine Kreuzung aus Gang Of Four und Blondie beschreiben. Und man spürt es, wenn sie sich euphorisch ins Wort fallen und die verrückte Zeit bis zu ihrem Debüt »Dream Wife« rekapitulieren. »Schon nach unseren ersten Shows, als wir noch nicht einen einzigen Song aufgenommen hatten, gab es ein Angebot von einem Major-Label«, erzählt Rakel süffisant grinsend, bevor Alice

ergänzt: »Das lag bestimmt nicht an unserer Musik, ich fand die zu diesem Zeitpunkt selbst noch ziemlich mäßig.« Bella meint dazu: »Wir trafen viele Typen, die uns erzählen wollten, wie wir zu klingen haben. Die dachen vermutlich: ›Geil, drei Frauen! Aus denen kann man was machen!‹« Heute sind die drei sich einig, dass es sie nicht mehr gäbe, hätten sie damals einen Vertrag unterschrieben. »Ich finde es gefährlich, wie früh sich einige Bands binden«, sagt Alice. »Wir wollten selbst herausbekommen, wie das alles funktioniert. Und ein Team finden, dem wir vertrauen.« Das sei nun gegeben, sagt Rakel: »Wir haben bei allem das letzte Wort. Was nützt dir ein Single-Hit, wenn du dafür deine Kunst aus der Hand gibst? Wir haben uns einen Ruf als gute Live-Band erspielt, und jetzt kommt der nächste Schritt.« Einen, den

sie genießen wollen, wie Bella erklärt: »Dieses Album ist unser ›Hallo!‹ an die Welt. Das gibt’s so nur ein Mal.« Dann erzählen sie begeistert und bis ins kleinste technische Detail, was sie gelernt haben und wie sie am Ende selbst die Tontechniker in Grund und Boden nerden konnten, bevor Alice zu einem schönen Fazit kommt: »So bewerten wir Erfolg: Scheißegal, wie viele das kaufen! Wir wissen vom ersten Ton bis zum letzten Mastering, was wir geschaffen haben.« — Dream Wife »Dream Wife« (Lucky Number / Rough Trade) Live am 09.03. im Badehaus, Berlin


#Pop #Life #Kultur

#Life — Cover-Kitchen

Foo Fighters »Concrete And Gold«

»Religiös und queer zu sein scheint ja auf den ersten Blick problematisch zu sein. Aber die Bibel ist nur ein Teil der jüdischen Tradition. Jüdisch zu sein hatte auch immer einen progressiven Teil, da ging es um Gerechtigkeit, die entsteht, wenn man seiner moralischen Intuition folgt.« Ezra Furman im Interview auf intro.de über sein neues

Album »Transangelic Exodus«

Für »Concrete And Gold« fünf etwa gleich große und möglichst dicke Country-Pommes heraussuchen. Im Ofen bei 220° Ober- und Unterhitze circa 20 Minuten lang goldbraun backen. Eine Pommes halbieren und das fettige Zeug auf einem etwas fleckigen Backblech passend arrangieren. Ihr habt auch Ideen für Cover, die man mit Essen nachstellen kann? Her damit! Schickt einfach eine Mail mit dem Betreff »Cover-Kitchen« und eurem Vorschlag an verlosung@intro.de. Wir wählen aus, kochen nach und versorgen den Gewinner mit einem Überraschungspaket mit aktuellen Alben und Filmen.

sein. Für die Auswahl der Charaktere hat Bagieu tief gegraben: Neben berühmten Frauen wie Tove Jansson, der Mutter der Mumins, oder der Tänzerin Josephine Baker widmet sie sich hier Frauen, die zwar ähnlich tolle Dinge geleistet, dafür aber deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen haben. Agnodike zum Beispiel, eine Griechin, die sich im 3. Jahrhundert vor Christus in Ägypten zur Ärztin hat ausbilden lassen, um Frauen bei Geburten zu helfen; oder Giorgina Reid, die einen Leuchtturm gerettet hat. Bagieu tritt aufs Neue den Beweis an, dass man manchmal auch mit vermeintlich kleinen Dingen Großes bewegen kann und dass es sich lohnt, die Stimme zu erheben, wenn man sich ungerecht behandelt #Kultur — Clémentine Delait ist eine von 15 fühlt. Das mag abgedroschen klingen, ist aber Heldinnen, die Pénélope Bagieu in ihrem neu- nicht weniger ermutigend. en Comic »Unerschrocken« vorstellt. Die hier abgebildete Dame mit Bart sollte eigentlich — Pénélope Bagieu »Unerschrocken 1: Fünfzehn Porträts außergewöhnlicher Frauen« (Reprodukt) längst eine Ikone der Body-Positive-Bewegung

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#Pop

#Pop #Wer Wir Sind

PARDANS

#Pop #Wer Wir Sind

LEYYA

#Pop #Wer Wir Sind

XUL ZOLAR

Herkunft Österreich Genre Electro-Pop Mitglieder 2 Besondere Vorkommnisse Das Gerücht,

»Leyya« bedeute »Vermarktungsstrategie« in einem Eskimo-Dialekt, brachte die Band selbst in Umlauf. Aktuelles Album »Sauna« (LasVegas / Universal)

Herkunft Kopenhagen Genre Post-No-Future-Sax-Punk Mitglieder 6 Besondere Vorkommnisse Aus der Orchester-

rockband mit Trompete und Cello, die Sänger Gustav Berntsen gründen wollte, wurde eine Art-Punkband mit Saxofon und Geige. Aktuelles Album »Heaven, Treason, Women« (Premium Abundance), neues Album 2018 Gustav, dein Gesang ist schon sehr großartig. Wenn man ihn denn so nennen kann. Mal singst du, mal schreist du, mal jaulst du, mal wimmerst du. Wo kommt diese Stimme her? Gustav: Ich weiß es nicht. Ich

habe bei den Rehearsals mit den Pardans zum ersten Mal gesungen – das leise Nuscheln, das ich zum Schulchor beigetragen habe, möchte ich nicht Singen nennen. Auf unserem Debüt klingt meine Stimme sehr direkt, was daran liegt, dass wir nur eine Show gespielt haben, bevor wir es aufnahmen. Sie kam einfach so raus und fühlte sich richtig an. Mittlerweile habe ich sie ein wenig besser kennengelernt.

Euer Song »Superego« wurde über drei Millionen Mal gestreamt. Hat euch der Erfolg der Single bei eurem neuen Album »Sauna« unter Druck gesetzt oder eher angespornt? Sophie Lindinger: Es ist cool, weil wir dadurch

eine gewisse Aufmerksamkeit bekommen haben, die uns jetzt bei den neuen Sachen zugutekommt. Man hat immer das Gefühl, dass die Leute eine andere Vorstellung haben und noch mal so einen Song erwarten, aber wir haben uns bewusst dafür entschieden, etwas komplett anderes zu machen. Eure Musik wird stilistisch sehr unterschiedlich eingeordnet. Wie würdet ihr das Genre beschreiben? Marco Kleebauer: Trip-

Hop ist es auf jeden Fall nicht. Das hat irgendjemand mal geschrieben, und dann haben das andere übernommen. Ich glaube, einfach Pop. Genauer definieren kann man es nicht, weil wir so viele Einflüsse haben, und das kommt alles zusammen. Sophie: Ich glaube, Popmusik ist eh so ein Begriff, der extrem weit gefächert werden kann. Welche Subgenres das betrifft, das ist dann vom Song oder Album abhängig. Wahrscheinlich mehr Alternative Pop als Mainstream Pop.

Herkunft Köln Genre Experimenteller Indie-Pop Mitglieder 4 Besondere Vorkommnisse Haben nach et-

lichen Jahren und noch mehr Liveauftritten nun ein Debütalbum aufgenommen. Aktuelles Album »Fear Talk« (Asmara / Rough Trade) Euer Debüt heißt »Fear Talk«. Wovor habt ihr Angst? Ronald Röttel: Das Album haben wir nach

einem gleichnamigen Lied auf der Platte benannt. Darin geht es viel mehr um Liebe als um Angst oder vielleicht um die Verbindung aus beidem. Der Titel hat für mich aber eine viel weitergehende Bedeutung, allerdings weniger in einem politischen Sinne, eher im Sinne einer Beobachtung der eigenen Ängste.

Soll das putzige Fell auf dem Cover von Ängsten ablenken? Marin: Ja, vielleicht. Kuscheliges hilft ja schon

gegen Angst. Ronald: Das Cover ist von Peter Causemann, einem sehr guten Freund von uns, der an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. Seine Idee dahinter (ich hoffe zumindest, das jetzt richtig wiederzugeben) war, Primitivismus mit Pop zu kombinieren: einerseits Bilder aus Geige geht ja noch, aber gilt Saxofon in Federn zu machen, also natürlichen RessourPunkkreisen nicht als fürchterlich uncool? cen, diese jedoch künstlich einzufärben und Patrick Rathbun: Sollte das plötzlich so sein, geometrisch zu überformen. wären das dramatische Neuigkeiten. Hätten Gerade bei österreichischen Bands wie Marin: Pop gegen Angst sozusagen. wir das früher gewusst, hätten wir ein anderes, Wanda oder Bilderbuch sind die deutsche Eure Ursprünge liegen im Hardcore/Punkcooleres Instrument gewählt – schließlich geht Sprache und der österreichische Akzent Bereich. Wie kam es von dort zu den heuties uns nur ums Coolsein. Markenzeichen. Wieso habt ihr euch ent- gen eher soften Popsounds und elektronisch »Heaven, Treason, Women« erschien 2016. Ich hörte, ihr sitzt an einem neuen Album. Könnt ihr schon was darüber verraten? Gustav: Es ist ambitioniert, sehr schön und

schieden, Musik auf Englisch zu machen? Sophie: Das war keine bewusste Entscheidung.

sehr dreckig zugleich. Wir haben es im letzten August innerhalb von sechs Tagen in einem Vorort von Kopenhagen aufgenommen. Produziert hat es Per Buhl, ein dänischer Gentleman, der in den 70ern No Knox gegründet hat – eine der ältesten und besten Punkbands des Landes. Wir haben also 40 Minuten neue Musik, die nur darauf warten, von jemandem gehört zu werden, mit dem wir zusammenarbeiten wollen. Mehr verraten wir nicht.

Ich schreibe Songs, seit ich zehn Jahre alt bin, und habe meinen ersten Song aus den paar Wörtern geschrieben, die ich in der Schule auf Englisch gelernt hab. Mir hat sich die Frage gar nicht gestellt, auch nicht, als wir das Projekt angefangen haben. Dann ist plötzlich dieses Österreich-Ding so beliebt geworden. Mir stellen einige die Frage, warum wir das nicht auch machen. Das Ding ist einfach, dass es aufgesetzt wirken würde. Ich will Musik machen, die mir Spaß macht und bei der ich das rausbringen kann, was ich denke.

orientierten Klängen? Marin: Ich hab vor Xul Zolar in Punkbands

Daniel Koch

Anna Kravcikova

Senta Best

gespielt und hauptsächlich Musik gehört, die möglichst weit von poppigen Melodien entfernt war. Allerdings haben mir selbst bei den krachigsten Bands die poppigsten Songs am besten gefallen. Und ab einem gewissen Punkt konnte oder wollte ich mein inneres »Popschwein« nicht mehr zügeln. Xul Zolar war von Anfang an als experimentelles PopProjekt angelegt. Wenn man jahrelang möglichst unkonventionelle Musik gemacht hat, ist es schon eine Herausforderung, sich an einem klassischen Popsong zu versuchen.


MEHR INFORMATIONEN UND TICKETS UNTER FOURARTISTS.COM

18.05.18 BAD SEGEBERG - FREILICHTBÜHNE AM KALKBERG 08.06.18 LADENBURG - FESTWIESEN OPEN AIR 23.06.18 SANKT WENDEL - OPEN AIR 13.07.18 ROSENHEIM - SOMMERFESTIVAL 14.07.18 LOCARNO - MOON & STARS 19.07.18 FÜSSEN - BAROCKGARTEN 20.07.18 BONN - KUNSTRASEN! 21.07.18 KASSEL - AUERSTADION 22.07.18 STUTTGART - JAZZ OPEN 19.08.18 GROSSPÖSNA - HIGHFIELD FESTIVAL 21.08.18 BOCHUM - ZELTFESTIVAL RUHR

01.03. 04.03. 06.03. 11.03. 15.03. 18.03. 20.03. 23.03. 01.09.

JENA • 02.03. CHEMNITZ LUXEMBOURG • 05.03. SAARBRÜCKEN WIESBADEN • 10.03. FLENSBURG DORTMUND • 13.03. MANNHEIM KOBLENZ • 16.03. ULM WÜRZBURG • 19.03. ERFURT HANNOVER • 21.03. FREIBURG LEIPZIG • 24.03. MAGDEBURG ROSTOCK-OSTSEESTADION

19.12.18 WÜRZBURG - S.OLIVER ARENA 21.12.18 NEU-ULM - RATIOPHARM ARENA 22.12.18 STUTTGART - HANNS-MARTIN-SCHLEYER-HALLE 23.12.18 STUTTGART - HANNS-MARTIN-SCHLEYER-HALLE 05.01.19 FREIBURG - SICK-ARENA 06.01.19 ZÜRICH - HALLENSTADION 07.01.19 NÜRNBERG - ARENA NÜRNBERGER VERSICHERUNG 09.01.19 WIEN - WIENER STADTHALLE 10.01.19 PASSAU - DREILÄNDERHALLE 11.01.19 LEIPZIG - ARENA LEIPZIG 13.01.19 BERLIN - MAX-SCHMELING-HALLE

14.01.19 HAMBURG - BARCLAYCARD ARENA 15.01.19 KÖLN - LANXESS ARENA 17.01.19 FRANKFURT - FESTHALLE FRANKFURT 18.01.19 LUXEMBURG - ROCKHAL 20.01.19 MÜNCHEN - OLYMPIAHALLE 22.01.19 HANNOVER - TUI ARENA 23.01.19 BREMEN - ÖVB ARENA 24.01.19 OBERHAUSEN - KÖNIG-PILSENER-ARENA

12.03. WÜRZBURG • 13.03. WIESBADEN • 15.03. HANNOVER • 16.03. KÖLN • 17.03. BERLIN • 20.03. MÜNCHEN 21.03. DORTMUND • 23.03. LINGEN • 24.03. HAMBURG - • 01.04. ZÜRICH • 03.04. FÜRTH • 04.04. STUTTGART 07.04. WIEN • 11.04. RAVENSBURG • 13.04. LEIPZIG • 14.04. INNSBRUCK NIENTE OPEN AIR 2018 18/19.05. GRAZ - KASEMATTEN • 22.-24.06. NEUHAUSEN O.E. - SOUTHSIDE FESTIVAL 22.-24.06. SCHEESEL - HURRICANE FESTIVAL • 07.07. GRAZ - FREILUFT ARENA B • 13.07. MÜNCHEN - TOLLWOOD 14.07. LINZ - DOMPLATZ • 22.07. ANSBACH OPEN • 18.08. KÖLN - TANZBRUNNEN 30.08. BERLIN - IFA SOMMERGARTEN • 21.07. ROSENHEIM - SOMMERFESTIVAL 15.09. DRESDEN - JUNGE GARDE

FEAT. JOY DENALANE U.A.

20.07. JENA KULTURARENA 21.0 7. CUXHAVEN DEICHBRAND FESTIVAL 02.08. FREIBURG ZELT-MUSIK-FESTIVAL 03.08. SALEM SCHLOSS SALEM OPEN AIR 04.08. LUDWIGSBURG KSK MUSIC OPEN 18.08. CH-ORPUND ROYAL ARENA FESTIVAL 19.08. BONN KUNST!RASEN 20.08. BOCHUM ZELTFESTIVAL RUHR 08.09. WIESBADEN KULTURPARK SCHLACHTHOF

09.04. HAMBURG - MOJO CLUB 10.04. KÖLN - KULTURKIRCHE 11.04. BERLIN - COLUMBIA THEATER 12.04. MÜNCHEN - MUFFATHALLE 15.04. FRANKFURT A. M. - GIBSON

06.07. STUTTGART - MERCEDES BENZ KONZERTSOMMER 19.07.18 CUXHAVEN - DEICHBRAND FESTIVAL 17.08. - 19.08. GROSSPOESNA - HIGHFIELD FESTIVAL 18.08. MAINZ - ZITADELLE 19.08.18 ULM-WIBLINGEN - KLOSTER WIBLINGEN 31.08. - 01.09.18 BERLIN - FRITZ DEUTSCHPOETEN 02.09.18 DRESDEN - JUNGE GARDE 03.09.18 AACHEN - KURPARK CLASSIX 09.09.18 DORTMUND - WESTFALENPARK

20.02. REES-HALDERN POP BAR 21.02. HAMBURG N O C H T WA C H E 22.02. BERLIN MUSIK & FRIEDEN


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#Pop

Bevor wir 2017 endgültig in den Schrank stellen, seid ihr natürlich noch dran mit euren Charts. Da stehen diesmal mit Kendrick Lamar und Kettcar zwei Acts an der Spitze, die im letzten Jahr bewiesen haben, dass Musik und Haltung gut zusammengehen können. Ebenso erfreulich ist die Tatsache, dass wir mit – sagen wir – 98% des hier Genannten völlig d’accord sind. Ein gutes Zeichen, dass wir uns nicht auseinandergelebt haben. Auf ein spannendes 2018!

Bestes Album

Bester Song

01 Kendrick Lamar DAMN. 02 The National Sleep Well Beast

01 Kettcar Sommer 89 02 Bilderbuch Bungalow

03 Casper Lang lebe der Tod 04 Kettcar Ich vs. Wir

03 Arcade Fire Everything Now 04 Kendrick Lamar Humble

07 Slowdive Slowdive 08 Lorde Melodrama

07 Casper feat. Drangsal Keine Angst 08 Lorde Green Light

11 Arcade Fire Everything Now 12 Faber Sei ein Faber im Wind

11 Casper Flackern, Flimmern 12 Slowdive Star Roving

05 The xx I See You 06 Trettmann #DIY

09 The War On Drugs A Deeper Understanding 10 Bilderbuch Magic Life

13 LCD Soundsystem American Dream 14 Ed Sheeran Divide

05 The xx On Hold 06 Portugal.The Man Feel It Still

09 Ed Sheeran Shape Of You 10 Die Toten Hosen Wannsee

13 St. Vincent New York 14 Trettmann Grauer Beton

15 alt-J Relaxer 16 Portugal.The Man Woodstock

15 Ed Sheeran Perfect 16 Foo Fighters The Sky Is A Neighborhood

19 Fjørt Couleur 20 Love A Nichts ist neu

19 alt-J 3WW 20 Bausa Was du Liebe nennst

17 Marteria Roswell 18 Bonobo Migration

17 Idles Mother 18 alt-J In Cold Blood


#Pop

Schlechtester Song 01 Luis Fonsi feat. Daddy Yankee Despacito 02 Bibi H How It Is (Wap Bap ...) 03 Kay One & Pietro Lombardi Senorita 04 Ed Sheeran Shape Of You 05 Die Toten Hosen Wannsee 06 Helene Fischer Herzbeben 07 Kraftklub Dein Lied 08 Arcade Fire Everything Now 09 Julia Engelmann Grapefruit 10 Wanda 0043

Schlechtestes Album

Modelabel des Jahres

01 Helene Fischer Helene Fischer 02 U2 Songs Of Experience 03 Taylor Swift Reputation 04 Wanda Niente 05 Kollegah & Farid Bang Jung, brutal und gutaussehend 3 06 Eminem Revival 07 Die Toten Hosen Laune der Natur 08 Arcade Fire Everything Now 09 Kraftklub Keine Nacht für Niemand 10 Foo Fighters Concrete And Gold

01 Adidas 02 Carhartt 03 Nike 04 Armedangels 05 Levis 06 Fred Perry 07 H&M 08 Weekday 09 Esprit 10 Vans

Bester Live-Act

Film des Jahres

01 Arcade Fire 02 Marteria 03 Nick Cave And The Bad Seeds 04 Kraftklub 05 Casper 06 Beatsteaks 07 The xx 08 Sigur Rós 09 Bilderbuch 10 Leoniden

01 Blade Runner 2049 02 Star Wars 8 – Die letzten Jedi 03 Aus dem Nichts 04 Dunkirk 05 La La Land 06 Es 07 Get Out 08 Baby Driver 09 Manchester By The Sea 10 Moonlight

Bester Club

Buch des Jahres

01 Gleis 22, Münster 02 Molotow, Hamburg 03 Schlachthof Wiesbaden, Wiesbaden 04 Berghain, Berlin 05 Gebäude 9, Köln 06 Uebel & Gefährlich, Hamburg 07 Mojo, Hamburg 08 Underground, Köln 09 Milla, München 10 Hotel Shanghai, Essen

01 Sven Regener Wiener Straße 02 Dan Brown Origin 03 Marc-Uwe Kling Qualityland 04 Sebastian Fitzek Flugangst 7A 05 Joachim Meyerhoff Die Zweisamkeit der Einzelgänger 06 Daniel Kehlmann Tyll 07 Ken Follett Das Fundament der Ewigkeit 08 Juli Zeh Leere Herzen 09 Robert Menasse Die Hauptstadt 10 Heinz Strunk Jürgen

Festival des Jahres 01 Melt 02 Maifeld Derby 03 Lollapalooza 04 Dockville 05 Haldern Pop 06 Southside 07 Hurricane 08 Primavera Sound 09 Rock am Ring 10 Roskilde

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JOHANNESPASSION Konzert in der Kölner Philharmonie am 25. März um 18 Uhr


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jeden Monat neu: Teilnahme unter intro.de/Quiz

DAS QUIZ #259 Das Titelthema des Heftes ist gleichzeitig immer auch Hauptthema unseres monatlichen Quiz-Spaßes. Diesmal dreht sich natürlich alles um die psychedelische New Yorker Synth-Pop-Weirdo-Band MGMT. Los geht’s … 1 Das neue Album heißt?

3 Inspirationsquelle für den Song »James«?

K »Little Fluffy Clouds«

O Der Butler der Band

H »Jagged Little Pill«

M Etwas zu viel LSD

M »Little Dark Age«

G James Rodríguez

2 Im Clip zum Titeltrack wirkt der Sänger wie …

4 Album-Gäste?

V H.P. Baxxter

M 2000 Mädchen I Prinz Harry & Meghan Markle

G Robert Smith

T Ariel Pink & Connan Mockasin

A Tron

Die Gewinne

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Die Buchstaben der richtigen Antworten ergeben das Lösungswort. Teilnehmen könnt ihr unter intro.de/quiz, per Mail mit dem Betreff »Das Quiz #259« an verlosung@intro.de oder per Post an Intro GmbH & Co. KG, Das Quiz, Oppenheimstr. 7, 50668 Köln. Teilnahme ab 18 Jahren, Einsendeschluss ist der 26. Februar. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.


Foto: Agustin Hernandez

#Pop

#Pop 37


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#Pop #MGMT

MGMT

»ES IST NICHT DAS ENDE DER WELT«


#Pop #MGMT

Wenn Andrew VanWyngarden und Benjamin »Ben« Goldwasser von MGMT gerade kein neues Album präsentieren oder auf Tour sind, schweigen sie beharrlich. Und so wenig künstlichaufgebauscht diese Abwesenheit tatsächlich gemeint ist, so eindringlich ist ihr viertes Album »Little Dark Age«. Eine schwere Geburt in der Stille, während um sie herum die Welt durchdreht – was auch nicht ganz ohne Einfluss blieb. Klaas Tigchelaar hat das Schweigen gebrochen. Foto: Agustin Hernandez

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e nachdem, aus welchem Blickwinkel man das derzeitige Weltgeschehen betrachtet, könnte man den Eindruck gewinnen, dass uns dunkle Zeiten bevorstehen. Die westliche Welt scheint überwiegend zufrieden zu sein mit ihrem Wohlstand, mit der unerschöpflichen Verfügbarkeit von Online-Konsumgütern und mit dem anonymen Vertiefen alter Ressentiments im Internet. Das digitale Zeitalter, wie die alten Leute sagen, stellt uns vor ungeahnte Herausforderungen. Das Filtern von Informationen, Wahrheiten und Lügen, von Propaganda und Manipulation ist in den letzten zehn Jahren sicherlich nicht einfacher geworden. Neben gekonntem Multitasking mit Smartphone, Notebook, Social-Media-Content und dem nach wie vor ziemlich analogen Alltag ist Wissen heute mehr denn je Macht. Deswegen ist es wichtiger als jemals zuvor, die nachfolgende Generation zu einer aufgeklärten, reflektierenden und mündigen Gruppe von vielleicht besseren Menschen zu erziehen – abseits vom Klein-Klein unseres multimedialen Mikrokosmos, in dem Nichtigkeiten meist nur noch als Instagram-Postings taugen. Überlegungen wie diese ziehen sich durch die neuen Songs von MGMT – explizit zum Beispiel bei »TSLAMP«, einer Abkürzung für »Time Spent Looking At My Phone«, und natürlich beim Titelstück »Little Dark Age«. »Wir befinden uns tatsächlich in einem kleinen, dunklen Zeitalter, auf das wir hoffentlich einmal mit dem Wissen zurückblicken, dass es auch ein Ende hatte«, beschwichtigt Ben Goldwasser jedoch im Interview. »Es ist nicht das Ende der Welt, und wir glauben fest daran, dass es eine glänzende, hoffnungsfrohe Zukunft geben wird.«

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#Pop #MGMT

Ein dunkler Präsident Obwohl die Interpretation des Titels von Album Nummer vier, »Little Dark Age«, fast zu offensichtlich erscheint, bleiben VanWyngarden und Goldwasser beim Titeltrack textlich eher vage. Es klingt wie eine metaphorische indirekte Anklage: »Forgiving who you are, for what you stand to gain, just know that if you hide, it doesn’t go away.« Damit sind also nicht nur die Zweifler und Fatalisten gemeint, sondern durchaus auch der aktuelle Präsident der USA, dem es an Häme aus dem Bereich der Popmusik nicht mangelt. Selten zuvor hat sich eine große Gruppe amerikanischer Musiker derart deutlich gegen ihren Präsidenten gestellt, der seine Öffentlichkeitsarbeit gerne höchstpersönlich via Twitter vor die Wand fährt. Und selten hatte die amerikanische Politik direkteren Einfluss auf den Output zahlreicher Künstler. In der November-Nacht 2016, die mit dem Wahlsieg von Donald Trump als 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika endete, waren MGMT auf dem Weg zu einer Aufnahmesession für das neue Album: »Das war eine absolut unwirkliche und apokalyptische Fahrt nach Buffalo, am 9. November, eine Nacht, die ich niemals vergessen werde«, so Goldwasser. »In der Session am nächsten Tag haben wir ›Hand It Over‹ und ›One Thing Left To Try‹ aufgenommen, aber der Entstehungsprozess war hart und problematisch. Die Präsidentenwahl hat in jedem Fall unsere Gehirne beeinflusst und in die Musik und die Texte Einzug gehalten.«

schaffte es 2008 in das Rockstar-Game »Midnight Club: Output Los Angeles«. Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Es gab Bereits 2016 listete aber auch unfreiwillige Werbung für die eigenen Kom- Billboard, das USBranchenblatt für Musik positionen. Der Song »Kids« wurde 2009 ungefragt im und Entertainment, 29 Wahlkampf des ehemaligen französischen Staatspräsi- Künstler auf, die sich gegen Trump aussprachen denten Nicolas Sarkozy verwendet.

Zusammenarbeit, anyone?

(unter anderem Adele, Ellie Goulding, Neil Young). Der US-Rolling-Stone legte 2017 mit der Liste »13 Great Anti-Trump Protest Songs« (unter anderem mit Billy Bragg, MILCK, CocoRosie, Loudon Wainwright III) nach.

Obwohl MGMT im Kern ein Duo sind, greifen sie immer wieder auf Studiomusiker und personelle Live-Verstärkung wie Schlagzeuger Will Berman und Bassist Matt Asti zu- Wahlkampf rück. Das neue Album produzierte die Band gemeinsam 2009 wurde bei mehreren mit Patrick Wimberly (Chairlift, Kelela, Blood Orange) und Wahlkampfveranstaltungen der UMP in Frankreich der Dave Fridmann (The Flaming Lips, Tame Impala, Sleater- Song »Kids« von MGMT Kinney). Während Fridmann auch schon bei den Aufnah- als Musik verwendet. men des MGMT-Debütalbums und des selbstbetitelten Abgerechnet wurde von Sarkozys Partei aber dritten Albums als Produzent tätig war, ist Wimberly das lediglich die Gebühr für erste Mal mit an Bord. »Patrick war schon bei den Demo- eine einmalige VerwenAufnahmen zum Album dabei, zuvor hatten Andrew und dung. Das Management der Band klagte und bekam ich alles selbst produziert«, führt Ben aus. »Er war eine Recht. Den Erlös spendeten große Hilfe, weil wir als Duo dazu neigen, Sachen schnell MGMT einer »artists rights fertigzustellen und dann nicht mehr zurückzuschauen. Er organization«. hat uns dazu animiert, die Musik detaillierter auszuarbeiten und alte Ideen noch weiter zu verfeinern.« Gleichzeitig fühlt sich Ben Goldwasser musikalisch und »Es gibt eine Menge Humor textlich deutlich von früher britischer Punkmusik geprägt: auf diesem Album« »Ich bin stark von The Stranglers beeinflusst, weil sie eine Menge Dinge vereinen, die ich mag: zynische Texte und Wenn sich also sogar eine humorvolle und stets zu einer natürlich viele Synthesizer. Was ich generell an altem Spontanparty animierende Band wie MGMT von der viel zitierten dunklen Seite der Macht beeinflussen lässt, muss definitiv etwas im Argen liegen. Abseits der Texte dominiert im elektronischen, sämigen und auch dieses Mal wieder überaus tanzbaren Sound aber definitiv der getragene Optimismus mit feinem Hookline-Verständnis. »Little Dark Age« liefert trotz aller Bedenken fantastische Popmusik ab, die beim vierten Album nur knapp an der Perfektion vorbeischrammt. Schon beim ersten Hördurchgang wirkt alles stimmig, mitsingbar und auf eine wärmende Art und Weise vertraut. Richtige Hitsingles finden sich zunächst nicht, vielleicht auch, weil bis auf »Days That Got Away«, der instrumental-lethargischen Chill-out-Zone des Albums, jeder Song sein eigenes freundliches Lächeln mitbringt. Kleckernd-dicke Basslinien, crispe Synthesizer-Melodien und die wandelbar-eingängigen Lyrics sind ein cleveres Fest schöner Songideen. Seit sich VanWyngarden und Goldwasser im Jahr 2002 (damals noch unter dem Namen Management mit deutlich experimentellerem Krachsound) zusammentaten und mit ihrem Debütalbum »Oracular Spectacular« 2007 einen klassischen Durchbruch landeten, liefern MGMT einen kontinuierlichen Soundtrack des Alltags für die Nullerjahre und darüber hinaus. Vor allem natürlich mit Hymnen wie »Electric Feel«, »Kids« und »Time To Pretend« (allesamt vom Debütalbum), aber auch mit den damit verknüpften medialen Ereignissen. »Electric Feel« wurde nicht nur in einigen US-Fernsehserien (unter anderem »Gossip Girl« und »CSI: NY«) im Hintergrund gespielt, sondern fand auch Verwendung in diversen Videospielen wie »NBA 2K10« und »Tony Hawk: Ride«. Der Remix von Justice


#Pop #MGMT

britischem Punk mag, ist die Relevanz der Texte: Viele deprimierende Themengebiete werden aufgegriffen: das postindustrielle Leben in England, die Wirtschaftskrise, Armut, das alles wird mit Humor kombiniert.« In Sachen Artwork und Video arbeiten MGMT gerne mit Künstlerinnen und Künstlern aus anderen Disziplinen zusammen und lassen ihre Musik von anderen interpretieren. Was auch erklärt, warum sie sich nur zu gerne auf das eher künstlerische Cover dieser Ausgabe einließen. Musikalische Kollaborationen hingegen sind bei MGMT rar. Was vielleicht auch für die Schere zwischen öffentlicher Superstar-Wahrnehmung und der tatsächlich eher introvertierten Ausstrahlung spricht, welche die Band jenseits ihrer Dancefloor- und Reklame-Hits transportiert. Immerhin ist der Name Ariel Pink durchgesickert, der diesmal mit dabei ist. Ben: »Wir haben mit ihm an ›When You Die‹ gearbeitet. Es war der erste Song, zu dem es Text gab – Ariel Pink hat ihn geschrieben.« Eine andere (vermeintliche) Zusammenarbeit mit dem kanadischen Slacker und Lo-Fi-Musiker Mac DeMarco fand eher in den leichtgläubigen Köpfen zahlreicher Boulevard-Journalisten statt, die 2016 ein Bild auf tumblr.com frei interpretiert hatten. Okay, Intro hatte darüber zwar auch berichtet, die Kollabo aber immerhin angezweifelt (und trotzdem heimlich darauf gehofft). Ben erklärt, dass es bisher keine Zusammenarbeit gegeben habe, er das aber grundsätzlich für möglich halte. »Mac kam in meinem kleinen Heimstudio vorbei, als er noch in Rockaway wohnte. Er wollte einen Prince-Tribute-Song aufnehmen, weil Prince damals gerade gestorben war. Ich mag Macs Musik, und wir hängen ab und zu ab, haben aber noch nie zusammen Songs geschrieben.«

Tod oder Acid-Pop? Dennoch bleibt es ein schönes Gedankenspiel, sich zu überlegen, mit wem MGMT möglicherweise zusammenarbeiten und Features austauschen könnten. Kaum eine Mainstream-Single in den Ruinen der Charts kommt ja heute noch ohne mindestens einen Gastauftritt aus. Grund genug für MGMT, diese mitunter lästige Disziplin nicht auch noch zu fördern. Die Faszination für die Band ist das größte Rätsel. Wie klingen die New Yorker eigentlich, und was hat sie zu diesem sehr eigenwilligen Sound getrieben? Im Sog des subtilen Post-Psychedelic-Revivals wurde ihnen ein Stempel aufgedrückt: Acid-Pop für die aufgeklärte Konsumgesellschaft. Doch so richtig will die Band das nicht hinnehmen: »Ach, letztendlich sind das nur Worte. Viele Leute benutzen beschreibende Adjektive, ohne genau zu wissen, was sie eigentlich bedeuten. Um Musik zu beschreiben, gibt es eben diesen Leitfaden aus Klischees, Psychedelic und Drogen-Querverweisen. Für uns hat es viel mehr mit Emotionen als mit trippigen Soundeffekten zu tun. Obwohl wir die natürlich auch sehr mögen!« Die Frage, ob er den Reddit-Thread kenne, der MGMT und LSD-Konsum in Zusammenhang bringt, findet Ben Goldwasser durchaus amüsant: »Nein, wusste ich nicht, das muss ich mir ansehen! Ich finde es gut, dass Leute durch unsere Musik dabei unterstützt werden, verschiedene Bereiche ihres Bewusstseins zu erkunden.« Zum

Stichwort Tod, das sowohl auf dem Album als auch im Reddit-Thread Video zu »When You Die« deutlich heraussticht, antwortet Unter bit.ly/intro259reddit er dagegen etwas ausführlicher: »Meine Lieblings-Inspi- tauschen sich einige LSDUser darüber aus, wie gut rationen zum Thema Tod sind wohl ›Das tibetische Buch die Musik von MGMT und vom Leben und vom Sterben: ein Schlüssel zum tieferen Drogen zusammenpassen. Verständnis von Leben und Tod‹ von Sogyal Rinpoche, der »My first trip on acid was jamming along my guitar Film ›Hellraiser‹ sowie ›Enter The Void‹ von Gaspar Noé to MGMT’s whole discound ›Harold und Maude‹ von Hal Ashby und die Grusel- graphy«, schreibt iiKOii. Das MGMT-Management geschichte ›Ravissante‹ von Robert Aickman.«

Das Leben lieber mit Humor nehmen

schickte uns am Tag nach dem Interview die Bestätigung, dass sich die Band den Reddit-Link angeschaut und »a good laugh« gehabt habe.

Dafür, dass dem Tod auf der Sub-Ebene ein so promi- Videos nenter Platz eingeräumt wird, darf man sich nicht von Es passt zu MGMT, dass der Musik ablenken lassen: »I don’t wanna die, wishing sie vorzugsweise mit Freunden zusammenarbeiten I’d done something, more than what’s required, to last statt mit Außenstehenden. until the sunset. No, I don’t wanna die, thinking that I’m Alle Videos und auch das dreaming, there’s one thing left to try, if you wanna change Artwork zum neuen Album wurden von Freunden your life« aus dem Song »One Thing Left To Try« zeigt gemacht. Die Idee zum eine stetige Ambivalenz, für die man hinter die Kulissen düster-schrägen Video zu des sphärisch-hymnischen MGMT-Sounds tauchen muss. »When You Die« stammt von Mike Burakoff (Regie) Dort findet man eine ehrliche Traurigkeit, aber eben auch und Jamie Dutcher (VFX). humorvolle Beobachtungen, wie in »TSLAMP« (Time Spent Looking At My Phone). »Der Song ist eher eine Zustandsbeschreibung, eine Beobachtung, wie die Welt gerade aussieht. Und wir wollen auch niemanden dafür verurteilen, den ganzen Tag am Handy zu hängen, das würde ziemlich heuchlerisch wirken. Die größte Katastrophe ist doch, wenn man sein Telefon im Taxi liegen lässt. Plötzlich fühlt man sich völlig hilflos und aufgeschmissen. Das ist schon alles ziemlich verrückt.« So richtig schlau wird man aus MGMT auch nach einem kurzweiligen Interview nicht. Doch die beiden sind tiefgründige Künstler, die auf eine universelle Art musikalische Eingängigkeit mit intellektuellem Tiefgang verknüpfen, nach dem man allerdings ein wenig graben muss. Genau hier liegt vielleicht auch die Magie von MGMT: in dem oberflächlich leichten Zugang zu dem hymnischen Songmaterial und der Menge an Mehrwert, die hinter dem Show-Vorhang bereitwillig zum Aufsammeln verteilt wurde. Denn wer darf heute schon noch ungestraft Saxofon-Soli (»She Works Out Too Much«), Italo-DiscoGesänge und Flamenco-Gitarrensoli (»TSLAMP«) in sein Material einweben und dabei gleichzeitig überlegene Lässigkeit ausstrahlen? Nach dieser bisher vielleicht besten Veröffentlichung voller versteckter Perlen, Zeitgeist-Fragen und selbstreferenzieller Albernheiten werden MGMT zumindest für die Fans in der »alten Welt« vorerst wieder in der Verschwiegenheit verschwinden. Immerhin sind für Juni und Juli einige Festivaltermine in Europa festgetackert worden (unter anderem Down The Rabbit Hole in den Niederlanden und das Milano Summer Festival in Italien). Da kann dann jeder für sich entdecken, ob MGMT auch ohne Drogen, Hinterfragen und ohne eine gewisse Angst vor dunklen Zeiten ein unvergessliches Erlebnis bereiten. Wir jedenfalls sind ziemlich zuversichtlich. — MGMT »Little Dark Age« (Columbia / Sony / VÖ 09.02.18)

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#Pop #First Aid Kit

First Aid Kit

IM HERZEN PUNKS Unbeirrbar manövrieren First Aid Kit seit zehn Jahren ihren Appalachenfolk durch coole Gefilde von Omaha bis Portland – ihr viertes Album »Ruins« macht da keine Ausnahme. Dass Johanna und Klara Söderberg all dem Wohlklang zum Trotz die Rebellion im Herzen tragen, fand Verena Reygers im Gespräch mit den Schwestern heraus.


#Pop #First Aid Kit

D

avon«, sagt Klara Söderberg betont deutlich, »sind wir keine Fans.« Gemeint ist das Bild, das die elegante Hotelsuite ziert, in der sie und ihre Schwester Johanna den Berliner Interviewmarathon absolvieren: ein breiter Fotoprint mit der Rückenansicht einer nackten Frau, notdürftig von einem schwarzen Schal bedeckt. Wäre auf der gegenüberliegenden Wand das gleiche Motiv mit nacktem Männerarsch zu sehen, die Entrüstung hielte sich womöglich in Grenzen. Da aber hängt nichts. Die Reaktion der Söderbergs überrascht, schließlich fällt die Musik, mit der First Aid Kit in den letzten zehn Jahren ihre Fans beglückt haben, nicht gerade unter Riot-GrrrlVerdacht. Im Gegenteil, eher verortet man die langhaarigen Schwedinnen in den Appalachen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Aber mit dem brav gescheitelten Look ist jetzt Schluss: Auf dem Cover von »Ruins« zeigen sich die Söderberg-Sisters lässig im schwarz-weißen 60s-Look, und schon der Opener nennt sich »Rebel Heart« – wenn das mal kein Statement ist. Johanna grinst und schüttelt den Kopf: »In dem Song geht es weniger ums Rebellische im Sinne des Wortes als darum, sich in gewissen Situationen wider besseres Wissen für das Abenteuer zu entscheiden.« Fürs Abenteuer haben sich First Aid Kit nicht zum ersten Mal entschieden: Als Teenager coverten sie die Fleet Foxes und luden die Videos bei Youtube hoch – zu Zeiten, als Folk noch was für Nerds war und Bärte nur Ökos trugen. Ihr zweites Album »The Lion’s Roar« produzierten sie mal eben im Heiligtum aller Americana-Fans: in Omaha bei Conor Oberst. Und ihren Emmylou Harris gewidmeten Song »Emmylou« spielten sie live beim Polar Music Prize vor besagter Grande Dame des Country.

Der Song »You Are The Problem Here«, den First Aid Kit zum Weltfrauentag am 8. März 2017 veröffentlichten, war wiederum ein furioses Stück Gitarrenrock, das die Verantwortung für sexuelle Gewalt den Tätern statt den Opfern anlastete. »Normalerweise ist es so, dass die Frauen sich rechtfertigen müssen«, erklärt Klara. »Sie müssen bei der Polizei oder vor Gericht Fragen beantworten, was sie anhatten, ob sie betrunken waren oder wie ihre sexuelle Vorgeschichte aussieht – das sind Fragen, die nichts mit der Tat zu tun haben.« »Hope, you fucking suffer«, rotzen First Aid Kit im Song den Tätern verächtlich entgegen. Einen richtigen Punksong nennt Johanna das Stück, das vor allem ein interessanter Beitrag einer Band ist, von der man derart politische Statements gar nicht erwartet. Die Söderbergs winken lässig ab: »Unsere Mutter ist HardcoreFeministin. Wir sind damit aufgewachsen, über Ungleichheiten zu diskutieren, egal, ob es um sexuelle Gewalt oder um weniger Geld im Job geht«, erklärt Johanna, und Klara ergänzt: »Unsere Mama ist knallhart, und wir können uns glücklich schätzen, sie als Vorbild zu haben. Sie ist mit Sicherheit ein Grund dafür, dass wir so selbstbewusst sind.« Ein paar Tage vor unserem Interview haben First Aid Kit in Folge der #MeTooWelle einen Brief der schwedischen Musikschaffenden unterzeichnet, der sich gegen Sexismus und sexuelle Gewalt in der Musikbranche richtet. »Es ist ein System, das mit Geld und Macht zu tun hat«, sagt Klara. »Aber jetzt stehen wir auf und wehren uns, was dazu führt, dass die Industrie reagiert und die Verantwortlichen entlassen werden.« Sie selbst haben sich – dank Powerfeministin Mama Söderberg – in ihrer Karriere immer gut durchsetzen können, obwohl sie auch schon sexistische Kommentare kassieren mussten. Was aber die Zusammenarbeit mit Produzenten wie Conor Oberst oder zuletzt Tucker Martine angeht, seien die eher das Gegenteil von Machos, verrät Johanna. Natürlich wäre es vermessen, aufgrund des satten, sanften Folks, den Produzent Martine den Söderbergs gezimmert hat, per se auf eine Sexismus-freie Zone zu schließen. Aber diese Aussage Conor Oberst nimmt man ihnen zweifellos ab. First Aid Kit wurden zwar Musikalisch bewegen sich First Aid Kit auf »Ruins« in von Bright-Eyes-Kollege gewohnten Gefilden zwischen Oldschool-Country und LaMike Mogis produziert, gerfeuer-Folk. »It’s A Shame« trumpft mit galoppierendem Oberst aber ließ es sich Rhythmus zu Dolly-Parton-Twang auf, »Fireworks« hat nicht nehmen, die Musikerinnen gesanglich zu einen 50s-Sehnsuchtsschmacht mit Surfgitarrenhall, und unterstützen, was beim »Postcard« bedient mit Schifferklavier und Steelguitar das 2012er-Song »King Of The klassische Motiv des Country-Outlaws: »I wasn’t looking World« in einen grandiosen Chor – inklusive der for trouble but trouble came.« Die Autoharp früherer FirstFelice Brothers – mündete. Aid-Kit-Songs fehlt auf »Ruins« komplett. »Die haben wir Außerdem begleiteten First in den Müll geworfen«, scherzt Johanna, und Klara klärt Aid Kit Oberst im Jahr 2014 auf Teilen seiner Akustikauf, dass sie die Autoharp bei den vielen Instrumenten im Europatournee – als Studio einfach vergessen hätten. Stattdessen hat man zu EVorband und als ChormitGitarre und Keyboard gegriffen: »Instrumente, die ich vor glieder. ein paar Jahren noch rigoros abgelehnt hätte«, sagt Klara. Tucker Martine Und natürlich lebt »Ruins« auch von den Harmo... zählt zu den wichtigsten niegesängen der Mittzwanzigerinnen, die sich in berühProduzenten der Nullerjahrende Höhen schrauben und mit schmachtendem Liebre und arbeitete unter anreiz zur Holzhüttenromantik wiegen. Rebellisch wirkt derem mit Sufjan Stevens, das eigentlich nicht. »Nein«, bestätigt Klara, »wir haben Neko Case und Iron And Wine, vor allem aber mit nie versucht, Songs zu schreiben, die neu oder innovativ Ehefrau Laura Veirs. In Saklingen. Es ging uns immer um die Musik und darum, uns chen grölender Chor steht mit den Menschen zu verbinden, die diese Musik genauso Martine den Kollegen aus Omaha übrigens in nichts schätzen wie wir.« Johanna sieht das noch etwas differennach: Auf »Ruins« singt er zierter: »Nur weil die Musik sanft ist, ist sie nicht harmlos. zusammen mit der Gattin Immerhin war es Woody Guthrie, auf dessen Gitarre ›This im Background von »Hem Of Her Dress« und wird Machine kills Fascists‹ stand.« Und dann werfen die zwei dabei meisterhaft dirigiert Musikerinnen noch mal einen vernichtenden Blick auf den von Klara Söderberg. Frauenpo an der Wand. »In der aktuellen Musik ist alles sehr laut und schreit nach Aufmerksamkeit«, sagt Klara. »Ruhiger und sanfter zu sein als der gegenwärtige Trend, das ist in Wahrheit rebellisch.« — First Aid Kit »Ruins« (Columbia / Sony) — Auf Tour vom 08. bis 10.03.

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#Pop #Son Lux

Das fünfte Album von Son Lux trägt das Paradox schon im Titel: »Brighter Wounds« ist geprägt von gegensätzlichen Gefühlen wie Trauer, Vaterfreuden, Wut und Neugier. Annett Bonkowski ließ sich von Son-Lux-Mastermind Ryan Lott, Gitarrist Rafiq Bhatia und Drummer Ian Chang erklären, was das soll und warum die Songs trotzdem schöner und aufgeräumter klingen als je zuvor. Foto: Alex Mader, Assistentin: Nathalie Seidl

Son Lux

DAS PARADOX ALS STILMITTEL

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ür das Eindimensionale hatte Ryan Lott noch nie etwas übrig. Mit Son Lux bewegt sich der amerikanische Multiinstrumentalist seit jeher lieber auf mehrspurigen Bahnen statt auf Einbahnstraßen. Dieser Einstellung bleibt er auch auf dem neuen Album »Brighter Wounds« treu, dessen Titel ungefähr so paradox ist wie die musikalischen und textlichen Inhalte, hervorgerufen durch persönliche Höhen und Tiefen: Vaterfreuden, der schmerzliche Verlust eines engen Freundes und die ernüchternden amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Diese Ereignisse hinterließen deutliche Spuren in den zehn neuen Stücken, die von diversen Abgründen, aber auch Hoffnungsschimmern zehren. Das größte Ereignis stelle die Geburt seines Sohnes Jeremiah dar, erklärt uns Ryan Lott mit stolz geschwellter Brust: »Ich glaube, ich hatte schon immer eine sehr romantische Vorstellung davon, wie es wäre, Vater zu werden. Und dennoch hat es mir viele neue Gefühle beschert, die ich niemals erahnt hätte. Meine Frau und ich waren bereits 16 Jahre verheiratet und dachten, wir kennen uns ziemlich gut. Seit der Geburt haben wir aber so vieles über uns dazugelernt, was mich immer wieder dazu bringt, unser


#Pop #Son Lux

Leben als Familie auf eine neue Art und Weise zu sehen. Viele Stellen auf ›Brighter Wounds‹ sind von meiner Frau inspiriert worden.« Hoffnung und Angst scheinen stets eng ineinander verschlungen zu sein. »Labor«, die Ode an seinen Sohn, ist gleichzeitig eine Art Klagelied, in dem Lott die Reanimation seines Kindes bei der Geburt verarbeitet. Dieser Kontrast sei nur einer von vielen auf dem Album, schildert Gitarrist Rafiq Bhatia die oft gegensätzlichen, aber unmittelbar miteinander verknüpften Exkurse über das Leben, die Liebe und den Tod: »Licht und Dunkelheit als Motiv waren schon immer ein Teil von Son Lux, von dem wir uns angezogen gefühlt haben. Nur durch diesen Kontrast ist es uns möglich, bestimmte Aspekte überhaupt hervorzuheben. Du kannst das Leben nur völlig auskosten, wenn du dir dieser Gegensätze bewusst bist. Die Süße des Lebens wird erst durch das Salz zu der, die sie ist.« Die Band nutzt immer wieder das Paradox als Stilmittel, um die wirkliche Dimension eines Sachverhaltes, eines Gefühls oder einer Idee zu begreifen. Der Widerspruch als Zweck. Nicht um Verwirrung zu stiften, sondern um dem wahren Kern der Dinge tiefergehend auf die Spur

zu kommen. Stell dich auf den Kopf, und du wirst einiges mit anderen Augen sehen. Perspektivenwechsel gegen die Eindimensionalität. Son-Lux-Mastermind Ryan Lott und seine Bandkollegen Rafiq Bhatia und Ian Chang bleiben für die Dauer unseres Gesprächs zwar auf ihren Stühlen sitzen, doch zumindest im Studio dürfte der geistige Kopfstand auf der täglichen Agenda gestanden haben. Das oftmals simpel gehaltene Grundgerüst der Songs wird durch Streicher und Blasinstrumente aus auf mehrspurigen der Reserve gelockt. Der Vorgänger »Bones« Bahnen habe sich im Vergleich dazu weniger zaghaft Das gilt nicht nur für Lotts verhalten, erinnert sich Rafiq Bhatia: »Die Arbeit mit Son Lux, die als Songs waren sehr viel explosiver. Dieser Aspekt Soloprojekt begann und wird auf dem neuen Album durch Kontinuität sich inzwischen wie eine und den Wunsch ersetzt, Sounds zu definieBand anfühlt. Außerdem hat Lott zum Beispiel ren, die sich zunehmend dieser unbändigen auch den Filmscore für Angriffslust entziehen. Wir sind alle Musik»Paper Towns« und »Das Nerds, die an einem Punkt angekommen sind, Verschwinden der Eleanor Rigby« aufgenommen. Und an dem die Verarbeitung komplexer Prozesse er betreibt mit Sufjan Steeinem Ergebnis gegenübersteht, das seiner vens und dem Chicagoer Form nach sehr viel schlichter ist als der Weg Rapper Serengeti die Band Sisyphus, deren Sound irdorthin.« gendwo zwischen Folk, Pop Einer, der entgegen dem Prinzip »weniger und HipHop changiert. ist mehr« lieber dauerhaft dick aufträgt und die von Son Lux elegant umschiffte EindiVorgänger »Bones« mensionalität stolz mit jedem Atemzug vorIntro hatte zum ersten Allebt, ist unlängst als aktueller amerikanischer bum in Trio-Besetzung eine Präsident an die Macht gepoltert. Ryan Lott ähnliche Meinung. Rezenist eine von vielen kreativen Stimmen in den sent Sven Riehle schrieb USA, die sich nicht nur lautstark gegen Trump dazu: »Die schiere Menge an Klängen, Instrumenten, aussprechen, sondern ihren Unmut ebenso in Rhythmen und Einfällen ihrem künstlerischen Vermächtnis verarbeimacht ›Bones‹ durchaus zu einem Erlebnis. Leider wirkt ten. Obwohl ein Großteil der Stücke auf dem das Chaos in seiner gezielmittlerweile fünften Album vor dem Hinterten Reizüberflutung aber manchmal zu kontrolliert. In grund dieses politisch frustrierenden Klimas entstanden ist, bildet genau diese Tatsache ihrer Melodramatik machen Son Lux Perfume Genius den thematischen Knackpunkt auf »Brighter Komplimente, dessen iroWounds«. Die entstandenen gesellschaftsponische Selbstdistanz fehlt litischen Wunden der Trump-Regierung sind ihnen aber zur Gänze.« für den Son-Lux-Sänger besonders schwer zu ertragen, da es auch innerhalb seiner eigenen Familie Trump-Befürworter gibt, die Teil des ganzen Problems sind: »Sie bilden den Nährboden für all den absolut unlogischen, unmoralischen Müll, der zerstörerisch und widerlich zugleich ist. Die Lage ist beschissen. Zumal es dieselben Menschen sind, die mir in meiner Jugend dabei halfen, mein eigenes Wertesystem zu formen, das nun wirklich fernab dieses beschränkten Gedankenguts liegt. Es sind dieselben Leute, die meinem Sohn Spielzeug schenken. Es wäre sehr viel leichter für mich, niemanden zu kennen, der Trump unterstützt. Ich könnte einfach nur verdammt wütend sein. Ich fühle mich mitverantwortlich dafür, in einer Welt zu leben, in der mein Sohn mit all diesem Mist aufwachsen muss und wir als Gesellschaft offenbar immer noch kein Stück weitergekommen sind.« Dass Son Lux trotz der aktuell bitteren Umstände auch an bessere Zeiten glauben, machen sie im letzten Song deutlich, in »Resurrection« heißt es: »Out of the darker day and into the brighter night!« Worte, in denen mehr als nur ein zündender Funke an Zuversicht mitschwingt. — Son Lux »Brighter Wounds« (City Slang / Universal / VÖ 09.02.18) — Auf Tour vom 23.02. bis 01.03.

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#Pop #Yasmine Hamdan

Yasmine Hamdan

»THE FUTURE IS FEMALE« Sexy und feministisch zu sein stellt für Yasmine Hamdan keinen Widerspruch dar. Die aus Beirut stammende und in Paris lebende Musikerin zeigt Stärke und Sinnlichkeit, ohne dabei die Klischees von Weiblichkeit zu bedienen. Ende 2017 trat Yasmine Hamdan beim Festival »The Future is Female« im Berghain auf, gemeinsam mit der iranischniederländischen Pop-Sensation Sevdaliza. Osia Katsidou traf Hamdan vor der Show, um mit ihr über das Festivalmotto, #MeToo, das Image arabischer Frauen und ihren eigenen Mut zur Sinnlichkeit zu sprechen. Illustration: Alexandra Ruppert


#Pop #Yasmine Hamdan Was bedeuten dir die Worte »The Future is Female«?

Mein Frau-Sein stand immer im Fokus meiner Arbeit. Ich würde meine Botschaft aber nicht auf wenige Schlagworte reduzieren, auch wenn ich den Satz für sehr spannend halte. Worum es mir geht, umfasst allerdings mehr als ein paar Worte oder eine politische These. Manche sehen es kritisch, dass die Frauenbewegung so viel Raum in der Popkultur findet. Allerdings hätten solche Bewegungen wie #MeToo womöglich nicht stattgefunden, wenn der Feminismus nicht so weitreichend in der Gesellschaft diskutiert würde. Wie siehst du das?

Ich glaube, für die Frauenbewegung braucht man weder das Netz noch irgendeinen Hashtag, sondern eine Position und den Mut, seine Rechte einzufordern. Wir sollten immer vorsichtig sein, wenn irgendwas Teil eines Trends ist und sich als Popkultur verkauft. Dort sind Dinge häufig oberflächlich und gehen nicht an den Kern der Sache. Ich finde die Bewegung schon gut, aber wir sollten gelegentlich einen Schritt zurücktreten und etwas aus der Entfernung betrachten, statt direkt in alles reinzuspringen. Für mich ist es nicht wichtig, mich als Feministin zu bezeichnen, um jemandem etwas zu beweisen. Ich habe mich immer für meine Rechte eingesetzt – jenseits irgendwelcher Trends. Aber das Internet hat ja schon geholfen, den Diskurs anzuregen und ihn zu verbreiten. In den letzten Wochen hat die #MeToo-Debatte zum Beispiel verstärkt auch im nahöstlichen Kontext stattgefunden.

Es hat jedenfalls die Lebensrealität vieler Frauen gezeigt und Erfahrungen wie Vergewaltigung aufgedeckt, das stimmt natürlich. Vor allem im Nahen Osten ist dieses gesamte Thema sehr komplex, dort werden Frauen von Debatten abgeschottet und stark kontrolliert. Es gibt viel Ungesagtes und viel Diskriminierendes. Wenn ich mich in bestimmten Ländern im Nahen Osten aufhalte, werde ich regelmäßig sehr wütend, weil ich das Gefühl habe, wie ein Stück Fleisch behandelt zu werden. Ich will diesen Männern, die mich so fühlen lassen, dann immer in die Eier greifen und kräftig zudrücken. Denkst du, dass dir solche Situationen häufiger begegnen, weil du Musikerin bist?

Ja. Aber ich habe auch keinen Vergleich. Vielmehr denke ich, dass es eine grundsätzliche Dynamik ist.

Es gibt eine Stimme innerhalb des Feminismus, die beklagt, dass die Bewegung von weißen westlichen Frauen dominiert wird. Siehst du das auch so?

Das stimmt vielleicht in der Wahrnehmung. Allerdings gibt es in Afrika oder im Nahen Osten auch Frauen, die jeden Tag alles im Griff haben und das praktische Leben meistern. Sind die nicht stark oder mutig? Man muss nicht Teil einer akademischen Debatte sein, um als Frau für Stärke zu stehen. Es gibt so viele Frauen auf dem sprichwörtlichen Schlachtfeld, die jeden Tag Scheiße fressen und sich nicht unterkriegen lassen. Sie gehören für mich auch zu einer globalen Bewegung. Vielleicht sind sie nicht trendy oder cool, aber unter der sichtbaren Oberfläche arbeiten viele Frauen sehr hart an ihrer Teilhabe. Was hältst du vom Bild, das die Welt von nahöstlichen Frauen hat?

Es ist schrecklich!

nahöstlichen Kontext Tatsächlich gab es vor allem in Ägypten viele #MeToo-Tweets, wie zum Beispiel die englischsprachige Nachrichtenplattform The New Arab berichtete – und das, obwohl das Thema sexuelle Belästigung als Tabu gilt. Ausschlaggebend war in dem Zusammenhang auch das Ergebnis einer Studie der Thomson Reuters Foundation, die in 19 Metropolen Umfragen zum Thema durchführte und Kairo zur für Frauen gefährlichsten Stadt erklärte.

Asmahan Die 1917 geborene und 1944 verstorbene syrischdrusische Sängerin und Schauspielerin Amal al-Atrasch wurde vor allem geschätzt, weil sie den alten Stil arabischer Musik pflegte, aber zugleich europäische Gesangstechniken einbaute. Als Anspieltipp sei hier das Lied »Nawit Oudari El Oumy« genannt. 2016 erschien ein auf zehn Songs destilliertes Best-of, das man auf den gängigen Streamingplattformen hören kann.

Frauen wie du werden oft wie eine Art Gegenbeispiel dargestellt, als tanzten sie aus der Reihe. Das ist gefährlich, weil es ja das Bild der unterdrückten Frau aus dem Nahen Osten als Regel bestätigt.

Mich macht das sehr wütend. Dieses Image zu zerstören ist einer der wichtigsten Beweggründe, warum ich überhaupt Kunst mache. Diese fast koloniale Sicht auf uns nahöstliche Frauen geht mir unfassbar auf den Keks. Ich hasse sie! Weil wir irgendwie etwas anderes, etwas Exotisches und Dunkles darstellen sollen und nie unser eigenes Narrativ schaffen dürfen. Es ist so ein dummes Bild, weil es die Menschen vereinheitlicht. Religion ist nicht alles, was unseren Alltag ausmacht. Mich zum Beispiel interessiert Religion überhaupt nicht, weil sie mich klaustrophobisch fühlen lässt. Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, was ich zu tun habe. Auf der anderen Seite enthält der Islam viel Poesie und schöne Dinge, für die ich kulturell sehr offen bin. Das Gleiche gilt für meine Familie, meine Freunde, meine gesamte Umwelt. Niemand dort hat was mit diesen restriktiven Lebensweisen zu tun. Ich bin ja schließlich nicht im luftleeren Raum so geworden, wie ich bin. Gibt es popkulturelle Vorbilder aus deiner Welt?

Absolut. Für mich gibt es keinen Unterschied zwischen PJ Harvey oder Björk und Asmahan. Sie stellen etwas sehr Ähnliches dar, weil sie sich kompromisslos zu ihrer Kunst bekennen und darin aufrichtig sind. Das hat alles universellen Wert, weil es an das Urmenschliche appelliert. Warum ist es für dich so wichtig, auf Arabisch zu singen, obwohl du eine internationale Anhängerschaft hast?

Weil es meine emotionale Sprache ist. Ich habe anfangs auf Englisch gesungen, und es hat mich nicht so bewegt. Ich habe viele arabische Oldies gehört, die mich sehr berührt haben, zum Beispiel die vorhin erwähnte Sängerin Asmahan, die in den 40ern gestorben ist. Ich hab durch sie eine Verbindung zu einer Tradition, Kultur und Geschichte aufgebaut, die mich sehr geprägt hat. Außerdem fühlt es sich rebellisch an, weil diese diskriminierende Haltung gegenüber der arabischen Kultur so allgegenwärtig ist. Ist dein arabischer Gesang also so was wie Protest?

Ein wenig. Ich bin sehr stolz, Araberin zu sein. Das ist für manche bestimmt schon provokativ. Für mich gibt es da auch einen starken Bezug zu meiner Weiblichkeit, weil das Arabische einen sehr sinnlichen Ausdruck hat.

Du bist auch auf der Bühne sehr sinnlich und spielst mit Bewegung und Reiz. Fühlst du dich manchmal, als würdest du damit als Frau an irgendwelche Grenzen gehen?

Der Ausdruck meiner Sexualität ist sehr zentral für meine Kunst. Ich sehe es übrigens als keinerlei Widerspruch an, feministisch und sexy zugleich zu sein. Wenn man als Frau sexy ist, ist man nicht gleich konformistisch. Wenn mein Körper sich bewegen möchte, dann bewege ich ihn auch. Ich las irgendwo, dass deine Musik politisch sei. Obwohl ich kein Wort Arabisch spreche, würde ich das sofort unterschreiben. Woran könnte das liegen?

Ich bin eine Frau, eine Araberin, eine Künstlerin – alles, was ich darstelle, ist in seiner Natur aktivistisch und regelbrechend. Ich muss dir nicht sagen, dass ich politisch bin, damit du es gleich siehst. So funktioniert Kunst am Ende des Tages, sie erreicht einen auf einem intuitiven Level. — Yasmine Hamdan »Al Jamilat« (Crammed Discs / Indigo)

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#Pop #Tune-Yards

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Tune-Yards

NICHTS STEHT ZWISCHEN DEN ZEILEN Nach fast vier Jahren lassen die ­tUnEyArDs wieder von sich hören. Ende März sind sie mit ihrem neuen Album auch in Deutschland live unterwegs. Was »I Can Feel You Creep Into My Private Life« mit Bertolt Brecht, trügerischen Illusionen und den Privilegien der weißen Industriebevölkerung zu tun hat, hat Benni Bender von Frontfrau Merrill Garbus erfahren.

it Braeburn-Apfel im Mund schlendert Merrill Garbus klammheimlich in die Lobby des Düsseldorfer Arcora Hotels und versteckt sich hinter ihren struppigen Locken. Ein Anblick, der an das Artwork des neuen Albums »I Can Feel You Creep Into My Private Life« erinnert. Das Cover zeigt die Kalifornierin. Und eben auch nicht. Ihr Gesicht darauf ist verdeckt. Stattdessen wirft sie ihre Hände in den Blick des Betrachters, um – wie sie selbst sagt – emotionale Regungen keinesfalls mit kalkulierten Blicken zu verwässern. Tatsächlich spiegelt die Oszillation zwischen der Künstlerin und jener Person, die mir gegenübersitzt, das Motiv der Verschleierung konsequent wider: »Intuitiv habe ich gespürt, dass die Pose etwas wiedergibt, das ich auf der Platte umsetzen wollte – ohne wirklich zu wissen, wieso. Manche lesen darin auch ein feministisches Statement. Hier kommt eine Konversation zum Vorschein, die wir mit uns selbst führen sollten. Du, ich, wir alle werden immer mehr zu Trugbildern unserer eigenen Darstellungsillusionen.« Als erprobte Puppenspielerin versteht es Garbus natürlich, trügerische Illusionen zu kreieren. Titel wie »Honesty« oder »Who Are You« geben Aufschluss darüber, dass sie den Kuratierungsmomenten der westlichen Gesellschaft eine unverblümte Unmittelbarkeit entgegensetzt. Und selbst wenn ihre Augen an diesem Vormittag müde sind, leuchtet in ihnen doch das Licht ihres inneren Aufbegehrens gegen allgemeine Missstände: ungerechte Geschlechter- und Gesellschaftsungleichheiten, aber auch unser Katastrophen verursachender Umgang mit der Natur. Der Song »ABC 123« beteuert nicht umsonst, dass wir bereits »in the middle of the sixth extinction« sitzen – was buchstäblich gemeint ist. Garbus redet sich schnell in Rage, eigentlich doziert sie: »Nehmen wir Bertolt Brecht und sein Credo, die Dinge bloß so darzustellen, wie sie nun mal sind«, sagt die Theaterenthusiastin aus Oakland mit hektischer Emphase. Sogleich fallen ihr entscheidende Parallelen zum Entstehungsprozess des neuen Albums ein: »Unsere stilistischen Mittel speisen sich auch bloß aus Fakten. Alles, was es zu verstehen gibt, ist auf den ersten Blick erkennbar. Für mich war es wichtig, dass sich das Album nicht darum müht, Leute zu manipulieren. Wenn ich singe ›I use my white woman’s voice to tell stories of travels with African men‹, dann ist das so banal wie fassbar«, sagt Garbus in einem Ton, dessen Eindringlichkeit nachwirkt. Kurzer Stille folgt ein tiefes Ein-, dann ein sanftes, wenngleich zögerliches Ausatmen, das in diesem Moment einem Gedankenstrich gleichkommt. – »Ich denke, dass uns vor allem das Böse interessiert.« Vermutlich fallen die Gedankenspiele auf »I Can Feel You Creep Into My Private Life« auch deshalb so morbide aus, weil sie dem Krankheitsbild unserer Gesellschaft mindestens einen beunruhigenden Mangel an Einfühlungsvermögen und Empathie attestieren. Das Soundspektrum von »Colonizer« passt hier ins Bild: Dissoziative Störgeräusche und leidgeplagte Chants beschwören jeglichem Harmonieverlangen zum Trotz eine Brecht’sche Aufrichtigkeit, bei der nichts zwischen den Zeilen steht, unmittelbare Nachvollziehbarkeit dafür aber im Vordergrund. Gerade das ambivalente Verhältnis zwischen galoppierenden MPC-Samples, dystopischen Field Recordings und glitzernden Synths provoziert im Gegensatz zur lyrischen Beklommenheit einen Anstoß zur Selbstreflexion. Zugunsten seiner illusorischen Wirkungsweise verzichtet das Album ganz bewusst auf affektierte Mehrdeutigkeit. Vielmehr skizziert die nunmehr vierte Platte der Tune-Yards einen amerikanischen Anti-Traum,


#Pop #Tune-Yards

der es schafft, die hier entstehenden Disharmonien in Einklang zu bringen. Dass dieses Ungleichgewicht vor allem im apokalyptisch voranschreitenden Schlusstrack »Free« verhandelt wird, legt die Frage nahe, was es denn überhaupt bedeutet, heutzutage frei zu sein: »Notwendigerweise muss das, was wir tun, auch einen Hang zur Kontroverse haben. Ich als weiße Frau, die obendrein auch noch eine heterosexuelle Beziehung führt, bin in einem so unglaublichen Maße privilegiert, dass es unglaubwürdig erscheint, wenn ich behaupte, ich sei nicht ›frei‹. An diesem Punkt kommt es aber auch immer darauf an, wie man Freiheit für sich selbst begreifen möchte. Letztlich spüre ich auch, was es kostet, über diese und jene Privilegien zu verfügen, vor allem in einem Land, das einen solchen Präsidenten gewählt hat. Unsere Freiheit speist sich am Schmerz so vieler anderer Menschen.« Und doch ist »I Can Feel You Creep Into My Private Life« auch ein Album für den Dancefloor geworden: Die frühere Lo-Fi-Attitüde ist pulsbeschleunigenden Uptempo-Tracks mit analogen Tech-Modulen gewichen. Im Gegenzug enthalten Tracks wie »Look At Your Hands« Hi-NRG-Momente, die die nostalgische 80er-Retromanie als das wohl probateste Stilmittel der kontemporären Electro-Pop-Szene ausweisen. Dass Nate Brenner so maßgeb- Hi-NRG lich wie nie zum Sound der Tu- Der Begriff geht auf die ne-Yards beigetragen habe, stellt britische Musikzeitschrift Record Mirror zurück, Garbus gegen Ende des Interviews die ihn 1983 prägte und noch mal heraus – gerade weil damit eine elektronische das Projekt meist nur mit ihr as- Musik beschrieb, die kalte, mechanische Beats mit soziiert wird. Diesmal aber glich Techno-Stakkato und die gesamte Produktion ohne- Funkeinflüssen verbindet hin einem unermüdlichen Back- und besonders in den Schwulenclubs der frühen and-Forth-Verfahren, bei dem die 80er-Jahren gefeiert wurSängerin noch immer nicht auf de. Als Hi-NRG wurden ihre Ukulele verzichtete. Brenners dabei so unterschiedliche Acts wie Bananarama, paranoiden und blindwütig um- New Order oder auch Donherschwirrenden Electro-Bässen, na Summer bezeichnet. die in der Summe ein ziemlich dystopisches Sounddesign for- Nate Brenner men, setzte Garbus am Ende nur Merrill Garbus’ Bandkolnoch ihre tadelnden Lyrics auf. lege betreibt nebenher auch noch das Soloprojekt Beide zehren symbiotisch von der Naytronix. Im Herbst 2015 Kreativität des anderen, sodass erschien das letzte Album der Eindruck entsteht, ihr Mitein- »Mr. Divine«. Intro schrieb darüber: »In seiner Heimat ander ließe einen Dialog mit dem schon als ›Bootsy Collins Hörer zu. Oder nicht? »Ich finde von Oakland‹ gefeiert, es bedenklich, dass die meisten lässt sich Brenner nicht so einfach festlegen: Künstler, die im Radio gespielt Synthies schießen aus werden, das Image haben, angeb- allen Rohren, chillwavig lich Freunde ihrer Hörer zu sein. kommt schnell die Erholung. Gleichzeitig zeigt Uns darf es nicht darum gehen, er sich als ausgefuchster etwas zu machen, das anderen Songwriter. Eine Platte ein Identifikationsmuster stiftet. wie ein Ideen-Tsunami. Irgendwie retro und doch Wenn wir aufnehmen, dann müs- futuristisch, auf jeden Fall sen wir ausblenden, dass nachher ziemlich geil.« irgendwer darüber schreibt. Wir müssen sogar ausblenden, dass irgendjemand das Album überhaupt hört.« Doch ist es nicht gerade diese Unbefangenheit, die die Grenze zwischen Künstler und Privatperson überwindet? »Wahrscheinlich ist das sogar die Voraussetzung«, sagt Garbus, hüllt sich in ihren Parka und verschwindet unverhüllter, als sie kam – den Pony hat sie mittlerweile beiseitegestrichen und den Apfel längst verputzt. — Tune-Yards »I Can Feel You Creep Into My Private Life« (4AD / Beggars / Indigo) — Auf Tour vom 24. bis 28.03.

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#Pop #Shame

Shame

»WIR SIND KEINE ROWDYS«


#Pop #Shame

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b halbnacktes Posieren im Schnee, lausbübisches Verstecken in Büschen oder Gruppenfotos, die stark an Klassenfahrten erinnern – Shame lassen so ziemlich jedes Bandfoto nach einem spontanen Schnappschuss aussehen. Zum Interview in Berlin erscheinen zwei der fünf Bandmitglieder zwar bekleidet, ein Hang zu intuitiven Aktionen lässt sich in ihren Geschichten dennoch immer wieder heraushören. Die Bandgründung bringt Gitarrist Eddie zum Beispiel so auf den Punkt: »Wir hatten einen sehr langen Sommer und waren einfach sehr gelangweilt.« Die ersten musikalischen Versuche geschahen folglich ohne großen Plan und vor allem ohne eigene, geschweige denn intakte Instrumente. »Im Prinzip war alles kaputt, unvollständig oder gestohlen«, erzählt Eddie, der sein Instrument vor mehreren Jahren im Alleingang erlernt hatte: »Das Schlagzeug wurde mit Klebeband zusammengehalten, anstelle eines Mikrofons sang Charlie in seine Hände.« Sänger Charlie beschreibt diese Zeit weniger profan: »Alles hatte einen eigenen Organismus und ein eigenes Leben«, sinniert er. »Einen Tag war etwas vorhanden, den Tag darauf dann verschwunden, und anschließend tauchte es wieder auf.« Ist das jetzt der berühmte britische »Humor, halbtrocken« oder bloß ein poetischer Blick auf die ersten Knospen der Shame’schen Blütezeit? Man weiß es nicht. Klar ist aber: Was für andere Grund genug gewesen wäre, den spontanen Einfall als gescheiterten Versuch ad acta zu legen, sahen die fünf jungen Männer aus dem Süden Londons als Anreiz, sich immer wieder neu auszuprobieren: »Ich glaube, das Ganze hat uns sehr erfinderisch und kreativ gemacht«, meint Eddie.

Songs Of Praise Jeden Sonntag strahlt die BBC die christliche Sendung »Songs Of Praise« aus. Gebete und Kirchenlieder sind der hauptsächliche Inhalt. Shame zogen vor Benennung ihres Albums einen Anwalt zurate, um rechtlichen Konsequenzen aus dem Weg zu gehen. »Er meinte, das sei okay, solange wir die Religion nicht verspotten«, erklärt Eddie.

Mrs. Dalloway Das Buch von Virginia Woolf zählt zu den bedeutendsten britischen Romanen und erschien 1925. Es ist Woolfs vierter Roman und der zweite, der zu ihren experimentellen Arbeiten zählt. Die Gedanken der handelnden Personen, die sich um Clarissa Dalloway gruppieren, hat die britische Autorin zu einer Kombination aus direkter, indirekter und erlebter Rede mit kurzen Passagen innerer Monologe verflochten.

Ungehemmte Konzerte, clevere Texte und humorvolle Bandfotos machen aus Shame eben nicht die gefühlt tausendste Londoner Indie-Punk-Truppe. Welche Ideen und wie wenig Plan eigentlich hinter ihrem Erstlingswerk »Songs Of Praise« stecken, erzählen Sänger Charlie Steen und Gitarrist Eddie Green Celia Woitas. Foto: Dan Kendall

Auf ihrem Debüt »Songs Of Praise« versammeln Shame nun alle Kreativstücke, die sie in den letzten vier Jahren fabriziert und vollendet haben. »One Rizla« ist der allererste Shame-Song überhaupt und weist schon großes Hitpotenzial auf. Eddie bezeichnet ihn daher auch als den Popsong: »Ich weiß nicht, was ich da gemacht habe, als ich 16 Jahre alt war«, schüttelt er den Kopf. Die restlichen Songs werden vor allem von kühlen Indie-Punk-Melodien getragen, die eine perfekte Vertonung des Londoner Wetters darstellen. In einem rekordverdächtigen Zeitraum von zehn Tagen spielten Shame »Songs Of Praise« im Studio ein. »Die ganze Zeit über waren die Leute, die mit uns arbeiteten, super gestresst. Wir sind herumgelaufen und haben fasziniert irgendwelche Knöpfe gedrückt«, sagt Charlie gewohnt trocken, lässt dabei aber ein sympathischkindliches Entdecker-Grinsen durchscheinen. Den Titel für ihr Debüt haben sich Shame von einer christlichen Fernsehsendung »Songs Of Praise« entliehen, so Charlie. »Wir wollten das Artwork im Vergleich zum Inhalt der Platte als einen festen Widerspruch inszenieren.« Das ist ihnen gelungen: Von göttlichen Chören und himmlischen Chorälen ist auf dem Album nämlich nichts zu hören. Auch lyrisch geht es hier nicht um Rosenkranz und Betstunde: »Die meisten Songs enthalten einen sozialen Kommentar«, erklärt Charlie. »Ich versuche, Themen auf eine bestimmte Art und Weise zu verstehen, indem ich darüber lese und schreibe. Es ist offensichtlich nicht alles Schwarz und Weiß. Man kann jedes Thema so unterschiedlich beleuchten, dass selbst die immer gleiche Thematik interessant bleibt.« Sein Schreibstil speist sich dabei aus Texten und Büchern, die in ihrer Form aus dem Rahmen fallen. So nennt Charlie »Mrs. Dalloway« von Virginia Woolf als großen Einfluss. Aber nicht nur literarische Inspiration hält den 20-Jährigen bei der Feder: »Einige Dinge lernt man nicht aus Büchern, sondern vielmehr durch Reisen und durch Gespräche mit unterschiedlichen Menschen. Ich glaube auch nicht, dass Geld und Religion das ist, was die Geschichte der Welt ausmacht. Es sind die verschiedenen Persönlichkeiten, die sie beeinflussen.« Charlies Texte sind mal wachrüttelnd, mal trotzig, mal geradezu brutal trocken. Provozieren nur der Provokation wegen wollen Shame dennoch nicht: »Wir versuchen, eine Konversation hervorzurufen. Wir wollen, dass die Dinge diskutiert werden, über die wir singen«, meint Charlie und gibt zu: »Ja, es stimmt schon, musikalisch klingt das ein wenig rotzig, aber das ist mehr eine Art Ausdruck unserer Meinungen.« Als resignierte Chaoten wollen die knapp dem TeenagerAlter entwachsenen Bandmitglieder aber auf keinen Fall wahrgenommen werden: »Wir sind keine Rowdys«, lacht Charlie. »Ich meine, wir trinken zwar gerne, aber das macht doch fast jeder.« Bei Konzerten scheinen sich einige Besucher aber dennoch manchmal in Rage zu reden: »Es gab zwei Fälle, bei denen Streitigkeiten im Publikum während des Gigs eskalierten. Etwas, wo wir komplett dagegen sind. Wir wollen eine Atmosphäre frei von Beurteilungen schaffen, in der sich Leute völlig ungehemmt fühlen können.« Das erklärt vielleicht auch das zuweilen shirtlose Publikum bei ihren Konzerten. Überhaupt haben sich Shame schon seit Langem einen Namen als wahnsinnig gute und unberechenbare Live-Band gemacht. Nun haben sie endlich das Album dazu im Gepäck, das tatsächlich eine ähnliche Energie ausstrahlt – und vermutlich wirklich am besten shirtlos zu hören ist. — Shame »Songs Of Praise« (Dead Oceans / Cargo)

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#Pop #Black Rebel Motorcycle Club

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Black Rebel Motorcycle Club

MANTRAS GEGEN DEN IRRSINN Die letzten Jahre waren nicht leicht für Black Rebel Motorcycle Club. Doch Robert Levon Been, Peter Hayes und Leah Shapiro sind in etwa so widerstandsfähig wie die robuste Oberfläche ihrer Lederjacken. Davon zeugt auch ihr mittlerweile achtes Studioalbum »Wrong Creatures«, dessen Entstehung nur dank eines starken Nervenkostüms gelang, wie sie Annett Bonkowski erzählten. Fotos: James Perou

en äußeren Einflüssen trotzend ist das mit Kerben versehene Leder auf ihren Schultern geradezu bezeichnend für mehrere Schicksalsschläge, denen die Band in den letzten Jahren ausgesetzt war. Sowohl der plötzliche Verlust von Michael Been, dem Tontechniker und Vater von Robert Levon Been, als auch die Diagnose einer Missbildung des Gehirns von Schlagzeugerin Leah Shapiro mit notwendiger Operation stellten den Black Rebel Motorcycle Club in der Vergangenheit mehrfach auf die Probe. Der unerschütterliche Drang, weiterzumachen, blieb jedoch bestehen. Das erklärt Leah beinah schon mit praktischer Weitsicht: »Jedes Mal, wenn wir an einem Punkt sind, an dem alles normal zu sein scheint, passiert auf einmal etwas sehr Bizarres. Das Einzige, was uns in solch einer Situation bleibt, ist der Versuch, innerhalb dieses Chaos’ irgendwie zu funktionieren, auch wenn es uns an den Rand des Wahnsinns treibt.« Nur sechs Monate nach dem schweren Eingriff bei Leah begann die Band bereits wieder, gemeinsam an ersten Songs zu arbeiten. Im liebevoll von ihnen getauften »The Bunker« in North Hollywood entstanden zwölf neue Songs, die für Gitarrist und Sänger Peter Hayes eine ganz spezielle Eigenschaft in sich vereinen: »Die Sessions waren teilweise sehr ausschweifend. Die Songs wirkten darin wie eine Art Mantra. Mir gefällt dieser Zustand, in dem die Musik völlig von dir Besitz ergreift und anfängt, für sich selbst zu sprechen.« Später im Studio half Produzent Nick Launay dabei, aus den endlosen Jam-Sessions Songs zu formen. Keine leichte Aufgabe, wie Robert schmunzelnd zugibt: »Von jedem Song auf dem Album gibt es mindestens eine zehnminütige Version. ›Ninth Configuration‹ war ursprünglich sogar 45 Minuten lang. Wir


#Pop #Black Rebel Motorcycle Club

kämpfen normalerweise immer mit zwei Extremen beim Songwriting: mit den ausschweifenden Ideen oder einer relativ kurzen Aufmerksamkeitsspanne.« Einzige Grundvoraussetzung – egal, ob in Form eines aufbrausenden Anti-Establishment-Statements oder einer empfindsamen Introspektion – bleibt für Robert das im Song mitschwingende Echo: »Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie wenig manche Bands musikalisch leisten. Dabei meine ich allein den emotionalen Beitrag. Ein Song kann durchaus simpel sein und dennoch auf emotionaler Ebene viel auslösen.« Für »Wrong Creatures« schürfte die Band gewohnt tiefgründig im Inneren und ergründet die dunklen Schatten des eigenen Ichs. Musikalisch gesehen liest sich das Ergebnis wie ein gelungener Exkurs durch die Band-Diskografie, indem die Mitglieder des Black Rebel Motorcycle Club vor allem nach dem Sinn ihrer Existenz und nicht nach dem nächsten Höhepunkt in ihrer Karriere streben. Der mittlerweile ergraute Peter Hayes kommentiert gedankenversunken den Entstehungsprozess des Albums: »Wenn man sich selbst gegenüber aufrichtig bleibt, dann ist jeder Moment des Lebens eine Art Höhepunkt für sich.« Vielleicht ist es genau diese Einstellung inmitten des alltäglichen Wahnsinns, die die Band auf solch bewundernswerte Weise in sich ruhen lässt und gleichzeitig immer wieder vorantreibt. Das von Robert während des Interviews akribisch über den halben Tisch geformte Muster aus Salzstangen zeugt jedenfalls von einem gewissen Zen-Zustand. Er bestätigt die Vermutung mit verschmitzter Miene: »Es ist schön und beruhigend, dass sich die Welt da draußen immer mehr mit den Dingen auseinandersetzt, die uns schon seit geraumer Zeit über all unsere Alben hinweg beschäftigen. Es ist schmerzvoll, aber ich empfinde auch einen gewissen Trost dabei. Wir fühlen uns dadurch etwas weniger einsam auf unserem Weg. Wir sitzen alle

im gleichen Boot, was den ganzen Irrsinn auf Michael Been der Welt betrifft. Allerdings haben wir eine Roberts Vater war selbst Rockband und können diese als Ventil nut- Musiker und von 1980 bis 2000 Sänger der amerikazen. Andere Leute haben nur ihren Bürojob.« nischen Rockband The Call, Das Gefangensein im eigenen Ich und der auf deren zahlreichen Alben verzweifelte Versuch, aus diesem beklemmen- auch schon mal Gäste wie Bono und Peter Gabriel den Zustand auszubrechen, ist auch Thema zu hören sind. Außerdem der ersten Single »Little Thing Gone Wild«, spielte er immer wieder in der es heißt: »Lord you hear me loud into kleinere Filmrollen wie zum Beispiel den Apostel my soul speaker, why won’t you let me out, Johannes in Martin Scorseyou’ve got the wrong creature.« Mit tiefen, ses »Die letzte Versuchung angriffslustigen Basslines und furchtlosen Christi«. Michael Been verstarb 2010 an den Folgen Gitarrenakkorden rebelliert der Black Rebel einer Herzattacke, die ihn Motorcycle Club nicht nur gegen die eigenen während des Auftritts des Zwänge, sondern vor allem nach wie vor gegen BRMC auf dem Pukkelpop Festival ereilte. das System und eine Gesellschaft, die diesem bisweilen blind folgt. Aus der Perspektive einer Nick Launay Band, die unablässig gewillt ist, sich mittels Der Brite hat sich vor harter Arbeit in Grund und Boden zu spielen, allem in der Postpunk-Ära wirkt die kontinuierliche gesellschaftliche Gier einen Namen gemacht und nach Erfolg und Reichtum über alle Maßen arbeitete mit Größen wie The Slits, PIL, Gang Of absurd: »Der neue American Dream dreht Four, Killing Joke und The sich allein darum, möglichst schnell reich zu Birthday Party. In jüngster werden. Es geht nicht mehr darum, kreativ Vergangenheit produzierte er unter anderem das zu sein, sondern darum, clever das System Comeback-Album von Reauszutricksen, um sich anschließend daran fused, »Freedom«, und Nick bereichern zu können«, bemerkt Robert Levon Caves Meisterwerk »Push The Sky Away«. Been. Statt sich diesem Dasein ohnmächtig zu ergeben, stellt sich die Band diesen Verhältnissen mit »Wrong Creatures« abermals aufopfernd in den Weg und hat auch nach zwei Jahrzehnten nichts von ihrer Durchschlagskraft und Integrität verloren. — Black Rebel Motorcycle Club »Wrong Creatures«

(PIAS / Rough Trade)

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#Pop #Nils Frahm


#Pop #Nils Frahm

Nils Frahm

MACGYVERS BITTERES ALBUM Nils Frahm durfte für sein neues Album »All Melody« in die Vollen greifen: Sein Studio im Funkhaus in Berlin bietet alles, was er je wollte. Dass das aber gar nicht so wichtig ist und was der Protestantismus und MacGyver damit zu tun haben, erzählte er Silvia Silko in ebenjenem Studio. Fotos: Grey Hutton

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immt einem irgendwann auch keiner mehr ab, dass Nils Frahm kein geeignetes Studio findet, um ein Album aufzunehmen!« sagt Frahm, zuckt mit den Schultern und zieht an seiner filterlosen Zigarette. Recht hat er. Kann ja nicht sein, dass immer irgendwas ist, was diesem großen Geist Steine in den Schaffensweg legt. Bei »Felt« waren es die geräuschempfindlichen Nachbarn, wegen derer Frahm die Hammerköpfe seines Klaviers mit Filzbelägen versah, wodurch der Sound der Platte einen eigentümlichen Überzug bekam. Das Album war 2011 Frahms Durchbruch. Nur ein Jahr später folgte »Screws«, für das sein gebrochener Daumen titel- und tonangebend war. Es entstand eine sonderbar anmutende Verletzlichkeit der Stücke, die bestens funktioniert. »Solo« wollte der Bitte der Fans folgen, das Gefühl eines Live-Auftritts abzuzeichnen – wenn man Frahm schon mal auf einem seiner Konzerte zugesehen hat, weiß man, dass das eine beinahe unmögliche Aufgabe ist. Unmöglichkeiten gibt es für Nils Frahm nicht. Wenn er abends in den Spiegel schaut, sieht er nicht seine eigenen Umrisse, sondern die breiten Schultern und MacGyver den blondierten Vokuhila MacGyvers. »Man Wie sich das für einen hat einen Riemen, etwas Schnur und eine ZiMann mit Geschmack garette und muss daraus eine Bombe bauen, gehört, ist Frahm natürlich Fan der Originalserie, das ist das Spannende.« Nur dass Frahm keine die von 1985 bis 1992 Bomben aus Schnüren baut, sondern für seine produziert wurde. Richard »Explosionen« Instrumente zur Verfügung hat. Dean Anderson verkörpert darin den Agenten Mac- Das MacGyver-hafte steckt dennoch einfach Gyver, dessen Fähigkeit, in ihm – da kann der Laptop mit sämtlichen Alltagsgegenstände zu un- programmierten Noten kurz vor dem Auftritt glaublichen Hilfsmitteln zu verbauen, auch heute noch ausfallen oder das richtige Instrument nicht in gerne parodiert wird. Über Seattles KEXP-Radiostudio passen, es können das Remake mit Lucas Till Finger brechen oder Nachbarn mit dem Beaus dem Jahr 2016 sollte man hingegen den Mantel sen gegen die Wände klopfen – Frahm macht des Schweigens legen. aus all dem Nebendarsteller seiner Musik. »Ich mag es, aus beschränkten Mitteln etwas Großes zu schaffen.«

Die elegante Seite der DDR Was aber passiert, wenn MacGyver plötzlich alles hat, was er braucht? Wenn der unkonventionelle Held mit seinem messerscharfen Verstand nicht mehr das Unmögliche möglich machen muss? Wenn er nicht überlegen muss, wie er aus einem Nagelpflegeset ein Maschinengewehr baut oder wie aus altem Draht ein Elektrofahrrad werden kann? Wird er dann träge? Gelangweilt? Schaut er sich sonntags auf dem Sofa neidisch alte Folgen von »Das A-Team« an und sehnsüchtelt seinen eigenen großen Momenten nach? Vermutlich schon. Nils Frahm hingegen macht diesen Umstand der Grenzenlosigkeit in seinem Studio im Funkhaus Berlin zu einem Sidekick seiner Arbeit. Seit 2015 gehört das Funkhaus Uwe Fabich, Uwe Fabich der es glücklicherweise aus seinem Dornrös- Der ehemalige Banker hat chenschlaf wachgeküsst hat. In diesen Räu- in den letzten Jahren in Berlin gleich mehrere außergemen, die in den frühen 50ern einzig und allein wöhnliche Immobilien und für den perfekten Klang umgebaut wurden, Kulturlocations erworben. moderte seit der Wende mehr oder weniger der Außer dem Funkhaus hat er auch den Postbahnhof Stillstand. Vorher wurden hier vier Jahrzehnte gekauft und ausgebaut, die lang die Beiträge des gesamten Hörfunks der Erdmann-Höfe in KreuzDDR produziert. Die Blöcke des Gebäudes berg und den Wasserturm am Ostkreuz. Dem Tagesdirekt neben der Spree ragen in immer noch spiegel antwortete er 2015 imposanter Klotzigkeit hervor. Im Inneren bei einem Pressetermin auf fühlt man sich in eine schicke Vergangenheit die Frage, ob er tatsächlich zwölf Millionen Euro für versetzt: Schweres Holz in tiefem Nussbraun, das Funkhaus bezahlt habe: Parkett in Fischgrätenmuster, breite Steinsäu- »Zwölf Millionen ist nicht len und großzügige bodentiefe Fenster sind viel für das Gelände.« der Beweis dafür, dass die DDR neben Trabis, Honeckers Brille und Spreewaldgurken auch eine elegante Seite hatte. Seit gut zwei Jahren gibt es im Funkhaus Berlin wieder musikalisches Leben und die ambitionierte Ansage des Neubesitzers, aus ebenjenem ein internationales Musikzentrum zu machen. Scheint zu funktionieren: Künstler und Künstlerinnen wie Sting, Bon Iver oder Lisa Hannigan waren bereits vor Ort und haben aufgenommen

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#Pop #Nils Frahm

und/oder auf Festivals gespielt. Es gibt Aufnahmeräume, Ateliers und Studios wie etwa Frahms »Saal3s«. Nils Frahm wäre nicht Nils Frahm, wenn er das Dasein als Mieter seines Studios im historischen Funkhaus nicht in vollster Konsequenz ausleben würde. Vor eineinhalb Jahren entschied er sich vorerst gegen öffentlichkeitswirksames Auftreten und für den Traum jedes Hornbach-Mitarbeiters: Es wurde renoviert. Frahms Räumlichkeiten wurden sozusagen dem Erdboden gleichgemacht und komplett neu zusammengesetzt. Frahm kennt jedes Kabel beim Vornamen, die Stammbäume seiner Holzregale und hat beim Bau von Orgel und Mischpult selbst Regie geführt.

Zeit für ein richtig bitteres Album Nach einem Jahr der baumaßnahmlichen Vorbereitungen gab es nichts mehr, was Nils Frahm an der musikalischen Arbeit an »All Melody« hätte stören können. »Es war an der Zeit, sich ein richtig bitteres Album zu geben, für das man hundert Tage an immer denselben Sachen arbeitet.« Im Fokus stehen nur noch der Musiker und seine Melodien, denen er ungestört nachspüren kann. Und was macht Frahm ohne all die Störfaktoren? Stücke komponieren, die Namen tragen wie »The Whole Universe Wants To Be Touched« oder »Fundamental Values« und geschaffen wurden, um das Hier und Jetzt in Frage zu stellen. Lässt man sich auf »All Melody« ein, fühlt man sich sogleich ein wenig von der Welt entrückt. Die Musik klingt wie ein Soundtrack für ein Ballett der Alltäglichkeiten: Passanten, sich im Wind wiegende Bäume, Straßenbahnen und Laternenlichter – sie alle haben auf einmal einen anderen Rhythmus, eine neue Erhabenheit. Die typisch Frahm’sche Absorbierung setzt dabei genauso schnell ein wie auf seine Vorgängerwerken. Er baut in alter Manier Klangwelten auf, die einen sofort hineinziehen und den eleganten Spagat zwischen Elektronik, Klassik und Abstraktem vollführen. Und auch wenn sich auf Nils Frahm so ziemlich alle einigen können, kommt er selbst am besten mit seiner eigenen Konsequenz zurecht. Bereits vor Beginn der Arbeiten an der neuen Scheibe setzte er sich selbst eine Deadline, um sich nicht in den Stücken zu verlieren. »Sonst hört das nie auf! Das ist wie bei einem Stanley-Kubrick-Film: Man ist fertig und weiß, dass man die Sachen eigentlich direkt wieder von vorne aufnehmen könnte.« Die Unmöglichkeit, jemals dem eigenen Anspruch zu genügen, ist für

Frahm das, was einen Künstler ausmacht. »Du kannst ja nur besser werden, wenn du permanent unzufrieden bist. Das ist so eine Art Grundvoraussetzung, um etwas Großartiges zu leisten.«

Haltung geht vor! Nils Frahm zu sein klingt durchaus anstrengend, wenn er am Ende immer unzufrieden ist – Funkhäuser hin oder her. Frahm lenkt ein: »Es geht ja gar nicht um die Zufriedenheit und die Perfektion, sondern um die Haltung, mit der man etwas macht! Ich weiß immer, egal, ob auf der Bühne oder im Studio, dass die Stücke nicht fertig sind, dass sie niemals fertig und noch viel weniger jemals perfekt werden. Aber der Umgang mit dieser Fehlbarkeit ist doch das, was Spannung erzeugt.« Aufgrund dieser Haltung, die er sich mit den Jahren erarbeitet hat, fällt es Frahm leichter, mit seiner Kunst umzugehen – und auch damit, wenn diese auf sich warten lässt. »Den ominösen Kuss der Muse kenne ich gar nicht. Ich fände es bescheuert, darauf zu warten, dass ich inspiriert von irgendwas bin. Arbeiten und Musikmachen kann ich eigentlich immer, und wenn es mal nicht so läuft, öle ich halt noch mal ein Stück Holz oder repariere ein Kabel oder so. Mir wird hier nie langweilig.« Handfeste Griffe, Konsequenz und eine selbstkritische Haltung – Nils Frahm nennt sich selbst auch einen »typischen Protestanten«, der genaue »typischen moralische Vorstellungen hat, die er auch von Protestanten« seinen Mitmenschen verlangt. Mit Blick auf sein Zitat »Man muss auch mal mit den eigenen Kol- zuvor erkennt man, dass Frahm hier vor allem die legen und allen um sich herum vor Gericht protestantische Arbeitsgehen. Ich bin beispielsweise wirklich kein ethik meint, die durch die Freund davon, dass alle jungen Bands im Zwei- Vorstellung gekennzeichnet ist, dass die Arbeit eine Wochen-Takt neue Musik veröffentlichen, nur Pflicht ist, die man nicht in um maximale Aufmerksamkeit zu generieren. Frage stellen darf. Wir fahren doch zur Hölle damit, wenn wir immer nur neue Inhalte bekommen und fordern. Dann verarmen wir kulturell.« Frahm ist ein Künstler, der sich eine solche Haltung leisten kann: Er ist etabliert genug, um anderthalb Jahre auf keinem sozialen Medium von sich hören zu lassen – ohne dass ihm seine Fans das übel nähmen. Im Gegenteil: Neuigkeiten von Frahm werden heiß ersehnt, und seine Konzerte sind teilweise längst ausverkauft. Die Zeit nach dem Fertigstellen eines Albums, an dem man so intensiv gearbeitet hat, bezeichnet Frahm als postnatalen Blues. »Aber was soll man machen? Dann trinkt man halt mal drei Wochen zu viel, hängt bisschen durch, und dann widmet man sich wieder neuen Aufgaben.« Gibt ja immer was zu tun! — Nils Frahm »All Melody« (Erased Tapes / Indigo)


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#Pop #Starcrawler

Starcrawler

BÜHNENBLUT ZUM SCHOKORIEGEL Arrow de Wilde und ihre Band Starcrawler zählen schon vor der Veröffentlichung ihres selbstbetitelten Debüts Elton John, Ryan Adams und Dave Grohl zu ihren Unterstützern. Kristina Baum traf den Hype-umwehten Rock’n’RollNachwuchs zwischen Backstage-Snack und blutrünstiger Halloween-Show. Foto: Louisa Stickelbruck


#Pop #Starcrawler

G

anz schön kalt hier ...« Die Noch-Teens und Schon-Twens von Starcrawler fröstelt es nach einem Spaziergang am frühen Abend in Kreuzberg noch immer, als sie sich über den mit Tausenden von Kalorien eingedeckten Cateringtisch hermachen. Wenn man in Los Angeles geboren wurde und nicht mit den mitteleuropäischen Witterungsbedingungen vertraut ist, muss man sich die kalten Tage eben warmfuttern. Für sie ist es der erste Trip nach Deutschland. Zuvor hatte die Band, die erst seit zwei Jahren existiert, ihre Songs in Großbritannien getestet. »Ich habe unseren Gitarristen Henri in der Schule kennengelernt. Unseren Drummer Austin kannte ich schon ein paar Monate länger, wir wollten unbedingt eine Band gründen«, erzählt Sängerin Arrow de Wilde, als ihr Mund für ein paar flüchtige Sekunden nur zur Hälfte mit Chips vollgestopft ist. »Weil wir einen Bassisten brauchten, sind wir dann bei Tim gelandet.« Für eine Weile war die Band ohne Rhythmusverstärkung ausgekommen, merkte aber schnell, dass es mehr Wumms brauchte, um Starcrawler dorthin zu katapultieren, wo sie sich selbst sehen wollten. De Wilde, die das Interview überwiegend im Alleingang bestreitet, ist inzwischen 18 Jahre alt und hat die Schule beendet, ihre Bandkollegen Tim und Austin sind 20 und 22. Lediglich Henri muss mit 17 Show bei Beats 1 Jahren noch zur Schule – der Band zuliebe Im Sommer letzten Jahres feierte die Radioshow geht das zurzeit aber auch online. »Elton John’s Rocket Hour« Was ihren Status betrifft, haben sich die vier ihre 100. Folge. Darin erst gar keine falsche Bescheidenheit zugelegt. erzählt Elton John nicht Warum auch, wenn große Musiker schon auf nur launige Anekdoten aus seinem namhaften einen stehen, bevor man überhaupt sein De- Freundeskreis, er hat auch bütalbum veröffentlicht hat. »Ich habe keine ein gutes Händchen für Ahnung, wie Elton John von uns gehört hat, aufstrebende Newcomer und damit schon vielen eine aber er hat uns schon ein paarmal in seiner frühe Plattform geboten: Show bei Beats 1 gespielt.« Außerdem waren zum Beispiel Christine sie die erste Band, die Dave Grohl im letzten And The Queens oder The Weeknd, als der seine AlJahr für sein von ihm selbst kuratiertes Fes- ben noch per SoundCloudtival Cal Jam ausgewählt hatte. Ein bisschen Download veröffentlichte. Schub von den Eltern mag natürlich auch Nur das Interview-Führen muss er noch lernen: Oft eine gewisse Rolle gespielt haben: Arrows El- kommen die sowieso schon tern sind der Drummer Aaron Sperske (Father nervösen jungen Acts, mit John Misty und Ariel Pink) und die Fotografin denen er per Skype spricht, nicht wirklich zu Wort. Autumn de Wilde. Musiker wie Elliott Smith gingen bei ihr zu Hause schon früh ein und aus. So ist auch Ryan Adams auf Starcrawler Autumn de Wilde aufmerksam geworden. »Ryan hat uns ange- Es klingt fast wie ausgeschrieben. Er sah ein paar Posts, kam zu einer dacht, aber die weltweit für ihre Musikporträts geShow und war sofort daran interessiert, unser schätzte Fotografin wurde Album zu produzieren. Nach ein paar E-Mails tatsächlich in Woodstock sind wir dann zu ihm ins Studio gegangen.« geboren – am 21. Oktober 1970, ein Jahr nach dem Sechs Songs waren zu Beginn der Aufnahmen legendären Festival. Von de bereits fertig, der Rest entstand im Laufe der Wilde stammen einige der dann folgenden vier Monate auf Tour. »Ihm schönsten Fotos von Elliott Smith, so zum Beispiel das ist es gelungen, einzufangen, wie wir zu der berühmte Porträt auf dem Zeit geklungen haben – diesen Livesound. Wir Cover von »Figure 8«. Auch haben alles live eingespielt, ohne Pro-Tools das Cover von Becks »Sea Change« und M. Wards »A und diesen Kram.« Wasteland Companion« hat Ob sie wohl auch eine Band gegründet hät- sie geschossen. Außerdem ten, wenn sie nicht mit den Annehmlichkeiten fotografierte sie unter anderem Jenny Lewis, The der »Rock’n’Roll City« groß geworden wären? White Stripes, Wilco und »In L.A. aufzuwachsen und Musik zu machen drehte Musikvideos für fühlt sich fast schon zu einfach an, weil es so Spoon, Rilo Kiley, Death Cab For Cutie und wieder viel zu tun gibt und es so viele Leute gibt, mit Elliott Smith. denen wir Musik machen können. Etliche Bands sind aber auch an Orten wie zum Beispiel Delaware groß geworden. Anders als wir haben sie es zu etwas gebracht, eben weil es

nichts anderes zu tun gab, als Musik zu machen und meilenweit zu fahren, um mal eine andere Band zu sehen.« Dass sie auch so eine Band hätten sein können, daran besteht hier für niemanden der geringste Zweifel. Nicht zuletzt, weil sie von vielen als diejenigen gefeiert werden, die dem so glatt geschmirgelten Genre Rock’n’Roll nachhaltig etwas frischen Rotz und Wahnsinn verpassen könnten. »Heutzutage müssen Bands die Aufmerksamkeit der Leute erhaschen und ein Statement abgeben. Rock’n’Roll wird wohl niemals aussterben, aber immer wieder neu erfunden. Es ist daher wichtig, Musik mit Energie und Attitüde zu machen. Statt in Poloshirt und kakifarbenen Hosen rumzustehen und die ganze Nacht auf seine Pedals zu starren«, philosophiert Gitarrist Henri Cash. Seine Bandkollegen prusten fast ein paar Kekskrümel über den Tisch: »Du meinst, was du gerade trägst?« ruft Arrow. »Ich bin Steve von ›Blue’s Clues‹«, kontert der und meint damit den drögen Protagonisten einer US-Vorschulkinderserie. Ihre erste Berlin-Show fällt, wie es der Zufall so will, auf Halloween – Starcrawler hatten aber so oder so eine Creepshow geplant. De Wildes Performance-Trickkiste beinhaltet Zwangsjacken-Outfits und verstörende Publikumsinteraktionen – inklusive Wasser- und Blutspuckerei. Mit einer Körpergröße von 1,88 Metern und einer gertenschlanken Figur fällt die Frontfrau allerdings auch ohne theatralische Bühnenshow auf. »Wir haben noch nie an Halloween gespielt, aber ich hab mir ein besonderes Outfit rausgelegt« – ein sehr kurzes Baby-Doll-Kleidchen, darunter zwei zerrissene Strumpfhosen. Es gehört für sie dazu, sich zu verwandeln, die Schüchternheit abzulegen. »Bevor es losgeht, will ich überhaupt nicht auf die Bühne.« Als menschlicher Torpedo durchs Publikum zu schießen, sich wie besessen auf der Bühne zu wälzen und dabei verstörte Blicke zu kassieren bereitet Arrow dann aber doch ziemlichen Spaß. Inspiriert habe sie vor allem der »prince of fucking darkness«, sagt sie. »Ich mochte als Kind The Beatles, aber Ozzy Osbourne war sozusagen der Erste, der mich wirklich dazu inspirierte, Musik zu machen. Zuerst waren es die Songs, später fand ich heraus, was er sonst noch so gemacht hat.« Zum Beispiel einer Fledermaus (versehentlich) den Kopf abzubeißen. Ein weiterer Schokoriegel muss noch dran glauben – dann ist wieder Zeit für Bühnenblut. — Starcrawler »Starcrawler« (Rough Trade / Beggars / Indigo)

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#Pop #Tocotronic

Tocotronic

EINFACHE WORTE Beim Interview mit Tocotronic trifft Senta Best den Bassisten Jan Müller und Gitarrist Rick McPhail in dessen Studio und Wohnung in einem Hamburger Hinterhof. Schlagzeuger Arne Zank ist leider krank, Sänger Dirk von Lowtzow kommt erst im Laufe des Gesprächs dazu, ein Umstand, der sofort ausgenutzt wird, schließlich geht es bei »Die Unendlichkeit« um Dirks Autobiografie – und das ist nicht gerade üblich für eine Band. Foto: Christian Debus

W

ie war eure Reaktion auf Dirks Idee, ein autobiografisches Album herauszubringen? Jan: Als sich die Idee zum Konzept manifestierte,

war ich kurz irritiert, weil wir ja schließlich eine Band sind ... Aber dann fand ich es toll, weil, na ja, es ist zwar die Biografie von Dirk, aber mir war auch klar, dass wir damit einen Weg weitergehen würden, den wir mit dem »Roten Album« angefangen haben: sprachlich konkreter zu werden. Bei dem Thema war klar, dass es in ganz einfachen Worten geschehen muss, weil es sonst ein Umdie-Ecke-Denken zu viel geworden wäre. Und das fand ich eine interessante Herausforderung.

Rick: ... obwohl ich auch sehr überrascht war, weil ich

immer dachte, dass Dirk so was wie eine Autobiografie blöd finden würde. Aber dann haben wir gemerkt, dass wir einige Sachen ähnlich erlebt haben. Ich hatte zum Beispiel eine ähnliche Jugend wie bei »Hey Du«, und es gibt weitere Themen, in denen sich viele Menschen bestimmt sehen und wiederfinden. Es ist auch gut, zu hören, dass nicht bei allen immer alles rosig war. Viele Menschen, die was Autobiografisches machen, zensieren sich selbst, weil sie über peinliche Momente wie Pickel-vor-dem-SpiegelAusdrücken nicht singen wollen. Für mich hat es das gerade interessant gemacht. Stichwort »einfache Worte«: Ist »Die Unendlichkeit« die logische Konsequenz zum »Roten Album«? Da habt ihr ja schon angefangen, nicht mehr ganz so kryptisch zu schreiben.


#Pop #Tocotronic

Jan: Von meinem Standpunkt aus auf jeden Fall. Für mich war das »Rote Album« ein Anfang, der in eine bestimmte Richtung geht. Und ich hab sehr gehofft, dass die anderen

und insbesondere Dirk als Texter das ähnlich sehen. Deshalb war ich auch glücklich über diese autobiografische Idee, weil es ja dann zwangsläufig in die Richtung weitergehen muss. Ich fand unsere vorherigen Texte gar nicht so kompliziert, wie an mancher Stelle behauptet wurde, aber es ist bestimmt richtig, dass die Texte, angefangen mit dem Album »K.O.O.K.«, abstrakter wurden. Diese Entwicklung hatte mit dem Album »Wie wir leben wollen« ihren Gipfel erreicht. Ich denke, für uns war es im Anschluss wieder interessant, neue, direktere Wege zu gehen. Es ist für uns als Band ganz wichtig, uns mit jedem Album wieder neu zu definieren. Sonst wäre es schlichtweg langweilig. Wie sehr nervt es, immer über die eigenen Songs und die Bedeutung der Texte reden zu müssen – zum Beispiel mit Journalisten? Jan: Gerade jetzt macht das sogar sehr viel Spaß. Weil ich

glaube, die Texte sprechen sehr für sich diesmal. Das tun sie generell, finde ich, aber jetzt sehen es auch die Journalistinnen und Journalisten so, und deshalb kann man über ganz andere Sachen sprechen. Oder anders gesagt: Weil man eben auch mal weiterkommt als bis zu dem Versuch, seine eigenen Texte zu erklären. Das ist meistens so ein bisschen ... na ja, nicht so gewinnbringend. Dirk: Wir hatten auch ein bisschen Angst davor. Gerade wenn man die Songs oder Texte geschrieben hat, denkt man, man wird bewertet, und dann erstreckt sich die Bewertung automatisch nicht nur auf die Platte, sondern sozusagen auch auf das ganze Leben. Man macht sich ja auch angreifbar. Die Platte ist zwar sehr persönlich und teilweise intim und aus eigenem Erlebnishorizont geschrieben, aber ich glaube, sie hat auch was sehr Universelles, und dadurch ergibt sich ein Dialog. Das haben wir während der vergangenen Interviewtage schon gemerkt. Das zeichnet

Popmusik vor allen anderen Künsten oder in eine bestimmte Genres ja auch ein bisschen aus: Popmusik Richtung wird erst komplettiert durch die Leute, die sie In der Intro-Titelstory zum hören und auf ihr Leben anwenden oder so. »Roten Album« meinte Dirk zu dem Thema: »Wir haben Also jedenfalls in einem viel stärkeren Maße gemerkt, dass man in den als bei einem Film. Bei Literatur kennt man das Texten präzise sein muss, sicherlich auch bis zu einem gewissen Grad, wenn man das Thema Liebe behandelt. Da darf aber bei Popmusik, finde ich, ist es eben so, man nicht ins Schwafeln dass es nur durch die Hörerinnen und Hörer kommen.« Und Jan meinte: zu dem wird, was es ist. Und wenn dann eben »Wir haben textlich vieles eingedampft. ›Wie wir auch so etwas entsteht wie eine dialogische leben wollen‹ war MetaStruktur zwischen den Songs, den Themen Diskursrock, da steckten der Songs und dem Erzähler der Platte und viele Theorien in den Songs. Vielleicht hatten den Hörern, dann ist das irgendwie absolut wir diesmal unbewusst im ... das Schönste, was passieren kann. Hinterkopf, dass DiskursAber gerade von der Autobiografie ausgehend ist es doch sehr viel schwieriger, etwas Universelles zu schreiben, oder nicht? Dirk: Na ja, das glaube ich nicht. Es ist ja

rock zu dem geworden ist, was es nie sein wollte: ein Musikgenre.«

nicht privatistisch in dem Sinne, dass es Tage- Raum-Zeitbuchaufzeichnungen sind. Die Stücke werden Kontinuum ja schon von diesen persönlichen Erlebnissen Ein Dauerbrenner bei Kneioder biografischen Fixpunkten in Popsongs pen- oder Kiffer-Gesprächen. Aber was bedeutet überführt. Ich weiß, was du meinst, und es das eigentlich? Nun ja, ist auch ein bisschen paradox, aber gerade das Raum-Zeit-Kontinuum dadurch, dass man den Einzelfall erzählt und bezeichnet die Vereinigung von Raum und Zeit in einer ein bisschen ein Ethnologe seiner selbst ist, einheitlichen vierdimenschafft man auch immer fast unbewusst so sionalen mathematischen eine Art Porträt einer ganzen Gesellschaft oder Darstellung und wird vor allem in der RelativitätsZeit. Natürlich muss es irgendwas haben, was theorie benutzt. Für tiefer universell deutbar oder erfahrbar ist. Aber das gehende Informationen also gilt natürlich für alle Kunst, wenn sie gelungen bei Einstein einlesen. ist, weil sie sonst ja reines Privatvergnügen wäre, eine Nabelschau oder ein Selfie, wie man Neudeutsch wohl sagen würde. Und warum »Die Unendlichkeit«? Dirk: Am Veröffentlichungstag wird ein Raum-Zeit-Kontinuum geschaffen, und dann öffnet sich ein Portal, und

da werden alle hineingezogen!! Jan: Das letzte Album hat die Tür schon aufgestoßen, und jetzt sind wir durchgegangen. Es fühlt sich für uns einfach so an, als stünde uns noch mal eine neue Welt offen. Und vielleicht auch für die Leute, die das Album hören. Klar hängt es sich an Dirks Biografie auf, aber ich glaube, die Biografie ist gar nicht notwendig für diese Songs. Die entwickeln ein Eigenleben, und das geht doch sehr weit, also rein zeitlich von der Kindheit bis in die Zukunft. Und so kann das ja jeder für sich erschließen, es ist also schon unendlich, weil es ja nicht in unserem Alter aufhört. — Tocotronic »Die Unendlichkeit« (Vertigo Berlin / Universal) — Auf Tour vom 06.03. bis 16.04.

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#Pop #Franz Ferdinand

Franz Ferdinand

»SUPERMAN IST EIN IDIOT« Es gibt zwei Dinge, mit denen man Franz-Ferdinand-Sänger Alex Kapranos ins Grab bringen kann: Wenn man in seiner Gegenwart die Worte »New Wave« oder »Britpop« in den Mund nimmt und die Erwähnung seines Ex-Kollegen Nicholas McCarthy, der die Band im vergangenen Jahr verlassen hat. Zwar äußert sich Alex nur positiv über Nicks Entscheidung, dennoch muss er im Anschluss an die Frage zum Asthmaspray in seiner Tasche greifen. Glücklicherweise konnte Leonie Scholl für den Rest des Interviews das Cortisol-Level von Alex und Band-Neuzugang Julian Corrie niedrig halten. Foto: Logan White


#Pop #Franz Ferdinand

lways Ascending« klingt beinah wie ein Schlachtruf oder wie ein etwas pathetisches Firmenmotto. Was bedeutet der Albumtitel für euch? Alex: Es ist die Wiedergeburt einer Band. Der

Beginn eines neuen Jahrzehnts für Franz Ferdinand, ein neuer Sound, der aber noch die DNA von dem trägt, was die Band immer ausmachte. Wir wollten einen Sound für 2018 machen, den noch niemand vorher gehört hat. Eine raue Rock’n’Roll-Platte, aber mit dem Spirit zeitgenössischer Dance-Musik. Julian: Wir wollten das Beste beider Welten haben. Das Album wurde live gespielt und auch live aufgenommen. Es trägt also die Energie und Emotion von Leuten, die wirklich miteinander gespielt haben und nicht nur so tun, als ob.

Wie lief bei diesem Arbeitsprozess das Songwriting ab? Alex: Es war in zweierlei Hinsicht spannend, zum einen

geografisch, denn wir haben die Songs im ländlichen Schottland geschrieben, in der vollkommenen Isolation. Dann sind wir nach London gegangen, um das Album mit Produzent Philippe Zdar aufzunehmen. Es gab also diesen Kontrast zwischen der Abgeschiedenheit in der Natur und der urbanen Intensität. Zum anderen war die Art interessant, wie wir gearbeitet haben. Es gab eine lange Phase der Vorbereitung. Nach dem Schreiben haben wir sechs bis acht Monate lang geprobt und gelernt, es zusammen zu spielen. Und dann kam diese sehr kurze Dauer der Ausführung. Das Aufnehmen hat nur sechs Tage gedauert, war also genau das Gegenteil von dem, wie man es heutzutage normalerweise macht. Wir lieben das gigantische SoundSpektrum der Musik heute, man kann viel mehr machen als eine Rockband vor 30 Jahren. Andererseits können wir das Überprogrammieren und Überkorrigieren nicht leiden. Es nimmt die Menschlichkeit aus der Musik. Für wie wichtig haltet ihr elektronische Parts in der heutigen Popmusik? Gerade im Indie- und Rockbereich wird ja oft gemeckert, dass Pop deshalb heute oft so artifiziell klänge. Alex: Mir ist es völlig egal, was für ein Instrument man

benutzt. Ob man nun Banjo spielt oder einen modularen Synthesizer, man muss nur etwas Innovatives damit machen. Oder etwas emotional Ehrliches oder etwas, das einfach nur cool ist und dich tanzen lässt. Elektronische Musik ist ja auch nichts Neues mehr. E-Gitarren wurden Anfang der 1930er erfunden, Keyboards Ende 1930. Es gibt also keinen so großen zeitlichen Unterschied. Und selbst der Computer ist eine Erfindung aus den 1950ern. Es gibt nicht so viel Neues an der Technik, es geht darum, was du damit machst. Das Wichtige ist dein Gehirn, deine Persönlichkeit.

Julian: Als die erste Single rauskam, war ich 18 oder 19

Jahre alt, und seitdem habe ich die Band gemocht und ihren Werdegang verfolgt. Ich hatte das Gefühl, dass wir die gleichen Ideen und Einflüsse haben. Als wir uns zum ersten Mal trafen, haben wir darüber geredet, was wir an Musik mögen und was nicht. Ich war schon immer an Pop und Songwriting interessiert, aber mit einem strangen Twist. Es ist schwer, einen Popsong zu schreiben, der sowohl eingängig ist und hängen bleibt, aber gleichermaßen etwas darin passiert, das du so nicht erwartest. Das kann viel härter sein, als bewusst experimentelle Musik zu machen. Und ich habe gemerkt, dass die Jungs das genauso sehen wie ich. Es war wie ein gutes Date, man hat einfach gemerkt, dass es passt. Alex: Uns war Ehrlichkeit am wichtigsten. Als Band verbringst du so viel Zeit miteinander. Wir haben für Monate zusammen gelebt, füreinander gekocht und miteinander gearbeitet. Man muss sich einfach Philippe Zdar verstehen. Wenn man auf sozialer Ebene nicht Der Franzose ist nicht nur miteinander klarkommt, funktioniert es auch Produzent, sondern auch Mitglied der Band Cassius musikalisch nicht. Es macht keinen Sinn, mit und ein vielgebuchter DJ. jemandem in einem Raum zu sein, der super Zu seinen bekanntesten spielen kann, aber einfach ein Idiot ist und man Produktionen zählen »Wolfgang Amadeus Phoenix« ihn nicht reden hören will oder, noch schlim- von Phoenix, für das er mer: der widerwärtig ist und dich verarscht. einen Grammy bekam, Es gab noch eine Änderung im Line-up: Dino Bardot unterstützt euch jetzt an der Gitarre. Was ändert sich dadurch? Alex: Ich spiele immer noch bei einigen Songs

Cat Powers elektronisch angehauchtes ComebackAlbum »Sun« und »The Grace Of Your Love« von The Rapture.

Ich hoffe, er ist ein guter Koch. Mein Lieblingssong auf dem neuen Album ist »Lois Lane«. Seid ihr große Comicfans, oder wovon wurde er inspiriert? Alex: Wir wollten über einen Charakter sch-

Außerdem ist er ein geschätzter Remix-Künstler, unter anderem für die Glasgow-Buddies Chvrches und Belle And Sebastian.

Gitarre, aber ich freue mich jedes Mal auf Lieder wie »Finally« oder »Feel The Love Go«, bei an Pop und Songdenen ich nur singen muss und mich kom- writing interessiert plett darauf konzentrieren kann. Gleichzeitig Julian Corrie ist in der Gitarre zu spielen und zu singen ist, wie zu Hinsicht tatsächlich sehr umtriebig: Als Miaoux telefonieren und gleichzeitig etwas anderes zu Miaoux nahm er im Alleinmachen, zum Beispiel ein Ei zu kochen. Die gang diverse Elektro-PopKonversation ist nicht so fokussiert. Also neh- Alben auf – zuletzt »School Of Velocity«, das beim me ich die Pfanne runter und rede einfach nur. Glasgower Label Chemical Julian: Dino brät jetzt das Ei. Underground erschien.

reiben, der emotional ehrlich und stark ist, uns dabei aber nicht so sehr von persönlichen Erfahrungen beeinflussen lassen. Es war eher so, wie einen Roman oder ein Drehbuch zu schreiben. Wir wollten diese coole, starke Frau thematisieren. Und da kam uns Lois Lane in Julian, du als »der Neue«: Wie war das für dich, jetzt ein den Sinn. Als ich den ersten Superman-Film Teil von Franz Ferdinand zu sein, die ja zuvor ein fest gesehen habe, war sie für mich der stärkste zusammengewachsenes Bandquartett bildeten? Charakter. Superman ist überhaupt nichts dagegen. Also klar, er hat diese magische Power, und er kann Laser aus den Augen schießen. Aber sie ist die wahre Persönlichkeit. Und genau das wollten wir in diesem Song zeigen. Der männliche Charakter ist dagegen eher ein Idiot. Julian: Es ist ein ziemlich realistisches Bild von männlichweiblichen Beziehungen. Superman versagt ständig, und dann kommt Lois Lane vorbei und löst alle Probleme. — Franz Ferdinand »Always Ascending« (Domino / GoodToGo / VÖ 09.02.18) — Auf Tour vom 01. bis 12.03.

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Foto: Agustin Hernandez

#Kultur

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#Kultur #Literatur #Colson Whitehead

Colson Whitehead über »Underground Railroad«

WUNDEN GIBT ES IMMER WIEDER


#Kultur #Literatur #Colson Whitehead

Das Trauma der Sklaverei reißt nicht nur eine Wunde in die USamerikanische Gesellschaft der Gegenwart, sondern auch in die europäische. Und Rassismus und Apartheid spielen in Colson Whiteheads mehrfach ausgezeichnetem Roman »Underground Railroad« nur vordergründig eine historische Rolle. Wolfgang Frömberg sprach mit Whitehead über Leben und Schreiben im Kapitalismus. Foto: Marcel Kamps

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olson Whitehead passt ganz gut in die Kulisse des Excelsior Hotel Ernst. In diesem einzigartigen 5-Sterne-Etablissement am Kölner Dom wird Zuvorkommenheit groß geschrieben. Buchstäblich jeder Wunsch wird den Gästen von den Lippen abgelesen, seien es auch nur die Bedürfnisse zweier Journalisten, die einen bekannten Schriftsteller in den Räumlichkeiten des Hotels interviewen möchten. Andererseits wirken der Portier und die übrigen Bediensteten auf charmante Weise verkleidet, und das Interieur sowie der übergroße Weihnachtsbaum in der Lobby sind irgendwie aus der Zeit gefallen. Ähnlich wie in den Büchern Colson Whiteheads oder in einem Film von Wes Anderson erahnt man jeden kleinen Trick, der hinter der Inszenierung steckt. Whitehead, Jahrgang 1969, der beim Schreiben am liebsten Postpunk hört, debütierte Ende des letzten Jahrtausends mit einer einfallsreichen Detektivgeschichte namens »Die Fahrstuhlinspektorin« (Original: »The Intuitionist«). Die New York Times lobte den Roman einst überschwänglich. Colson Whitehead erkennt das Zitat aus dem Jahr 1999, das ich ihm vorlese. Es besagt, dass der Ruf eines Literaten nicht vorhersehbar sei wie die Fahrtrichtung eines Fahrstuhls, dass Whiteheads Name aber auf dem Weg sei, sich in den oberen Regionen der literarischen Welt zu etablieren, sofern es dort Gerechtigkeit gebe. Die »Intuition«, so mein Kalauer zum Warmwerden, habe den Kritiker der New York Times offenbar nicht getäuscht, als er einst diese Prophezeiung machte. Schließlich kassierte Whitehead für sein jüngstes Werk »Underground Railroad« sowohl den National Book Award als auch den Pulitzer Preis.

Die Geschichte des mehrfach ausgezeichneten Romans ist allerdings weniger lustig, wenn sie auch einen aberwitzigen Zug in sich trägt. Die Handlung spielt zur Zeit der Sklaverei und ist angelehnt an die wirklichen Begebenheiten um ein Helfer-Netzwerk, das Sklaven im 19. Jahrhundert bei ihrer schier unmöglichen Flucht aus der Gefangenschaft unterstützte. Diese »Underground Railroad« wird in Whiteheads Roman zur tatsächlichen Eisenbahn, die in einem Tunnelsystem verkehrt. »Die Idee basiert auf meiner kindlichen Vorstellung der Metapher des legendären Netzwerks«, erklärt Whitehead. Einige deutsche Kritiker haben ihm diese Idee übel genommen, genau wie sie die Methode kritisierten, dass sich der Autor in seinem Szenario gezielt von historischen Fakten entferne. Whiteheads Heldin, die Sklavin Cora, begibt sich auf eine Reise durch verschiedene Staaten, in denen jeweils ein ganz spezielles gesellschaftliches Klima herrscht. Auf einer ihrer Stationen wird gar an einer »Endlösung« der Sklavenfrage gearbeitet – und Cora versteckt sich, in Anlehnung an das Schicksal Anne Franks, auf einem Dachboden. »Jeder Afroamerikaner bekommt den Rassismus in den USA täglich zu spüren«, erklärt Colson Whitehead. Doch seine Roman-Konstruktion baut er nicht einfach vor der eigenen Haustür auf, um mit ihrer Hilfe den Schmutz unter der US-Fassade aufzudecken. In »Underground Railroad« erscheinen Rassismus und Apartheid als Verbrechen der Gegenwart mit einer langen historischen Tradition, die sich nicht auf die USA beschränken lässt. Die Schilderungen sind teils drastisch. Besonders schwer sei es ihm nicht gefallen, sich in einen Typen wie den brutalen Sklavenjäger Ridgeway zu versetzen, dessen Perspektive großen Raum einnimmt. »Es ist als Schriftsteller meine Aufgabe, mir die Gedanken andeRomane rer Leute anzueignen«, so WhiteIn Deutschland sind head. Der gebürtige New Yorker folgende Romane und hat offensichtlich keinen Bock, Essay-Bände von Colson sich auf »schwarze Themen« festWhitehead erschienen: legen zu lassen, auch wenn die 2000 »Die Fahrstuhlinspektorin« / 2004 »John Titelhelden seiner Romane meist Henry Days« / 2005 »Der Afroamerikaner sind, die sich in Koloss von New York. Eine einer rassistischen Gesellschaft Stadt in dreizehn Teilen« / 2007 »Apex« / 2011 »Der behaupten müssen. Whitehead letzte Sommer auf Long betont die künstlerische Freiheit: Island« / 2014 »Zone One« »Ich kann schreiben, worüber ich / 2017 »Underground Railroad« möchte, und bin nicht verantwortlich für politische Literatur!« Wer würde das bestreiten wollen? Mit »Underground Railroad« hat er ein echtes literarisches Ungetüm geschaffen. Das Buch ist Coming-of-Age-Roman, Liebesgeschichte, Steampunk-Fantasy, feministische Ermächtigung und politischer Kommentar auf das Trump’sche Amerika sowie die Festung Europa. Mindestens. Als roter Faden zieht sich die Kritik am Kapitalismus durch Coras Roadtrip. Whitehead fasst den Aspekt des Bildungsromans zusammen: »Der Kapitalismus bringt eine neue Form der Sklaverei mit sich, vor der auch der moderne Sklaventreiber selbst nicht sicher ist. Cora begreift das früh, denn sie lernt sehr schnell.« Für die reine Opferrolle ist ihm seine Heldin also zu schade. Das heißt aber nicht, dass Cora ihr Trauma jemals überwinden wird. Es ist die traurige Erkenntnis einer unbequemen Geschichte, deren Kettenrasseln und Peitschenhiebe lange nachhallen. — Colson Whitehead »Underground Railroad« (Hanser Verlag; 352 S.; € 24)

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#Kultur #Kino #Ryan Coogler #Black Panther

Ryan Coogler über »Black Panther«

TAKE IT PERSONAL Regisseur Ryan Coogler schenkte uns »Creed«, den besten »Rocky«-Film seit dem ersten. Wo wird sich seine »Black Panther«-Adaption im Marvel-Universum einfügen? Patrick Heidmann sprach mit Coogler über die Ökonomie des Rassismus und die eigene Handschrift.


#Kultur #Kino #Ryan Coogler #Black Panther

Hast du bei der Produktion einen außerordentlichen Druck verspürt?

Ich habe mich schon auf der Filmhochschule unter Druck gesetzt, weil ich immer den bestmöglichen Film drehen will. Für mich spielt es bis heute keine Rolle, ob ich ein paar tausend oder viele Millionen Dollar zur Verfügung habe. Doch was das Budget und die dahintersteckende Maschinerie angeht, war die Größenordnung von »Black Panther« für mich anfangs echt ungewohnt. Doch sobald ich mir bewusst gemacht hatte, dass es am Ende nur darauf ankommt, einen Film zu drehen, mit dem das Publikum emotional etwas anfangen kann, ließ sich der Rest bewerkstelligen. Und das Schöne bei der Zusammenarbeit mit Marvel war, dass sie im Grunde auch kein anderes Ziel hatten. Hast du als Regisseur eines Marvel-Abenteuers die Möglichkeit, dem einzelnen Film deinen Stempel aufzudrücken?

Gute Frage – und die Antwort lautet: Ja. Genau das ist es, was Kevin Feige und die anderen Verantwortlichen bei Marvel suchen: Filmemacher mit eigener Persönlichkeit und Handschrift. Damit die Filme eben nicht eintönig und austauschbar werden. Tatsächlich wirkt ja »Thor« wie ein typischer Kenneth-Branagh-Film, und der dritte »Iron Man« unterscheidet sich spürbar von den ersten beiden, weil er von Shane Black und nicht von Jon Favreau ist. Taika Waititi hat 2017 mit seinem »Thor«-Abenteuer noch mal ganz neue Möglichkeiten ausgelotet. Für mich war diese Erkenntnis essenziell. Wenn ich mich für »Black Panther« komplett hätte verbiegen müssen, wäre das der falsche Job für mich gewesen. Was macht »Black Panther« für dich so persönlich?

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lack Panther« ist die erste Comicverfilmung dieser Größenordnung mit einem schwarzen Protagonisten. Warum erst jetzt?

Frag lieber in den Chefetagen von Hollywood nach! Mit der Gleichberechtigung ist es so eine Sache, die ist nicht einfach da. Denk an den Sport! Eine Zeitlang gab es in der Profi-Basketball-Liga NBA keine schwarzen Spieler, Latinos durften keinen Baseball in der MLB spielen. Fragen der Hautfarbe haben immer auch wirtschaftliche Hintergründe. So, wie früher die Basketball-Bosse fürchteten, es käme kein Publikum mehr, wenn Afroamerikaner mitspielen, ging man in Hollywood lange davon aus, dass Filme mit schwarzen Helden kein Geld einbringen. Solch ein Denken ändert sich erst, wenn es widerlegt wird. Und dazu braucht es Menschen, die den Mut haben, etwas anders zu machen. Wie läuft es ab, wenn man einen so begehrten Job wie die Regie bei einem Marvel-Film ergattern will?

Die ersten Gespräche führte ich bereits, als ich noch mitten in der Arbeit an »Creed« steckte. Aber ich bin nicht gut darin, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen. Es dauerte eine Weile, bis ich den Kopf frei hatte für »Black Panther«. Ich musste auch erst eine Rohfassung von »The First Avenger: Civil War« gucken, in dem die Figur Black Panther eingeführt wird. Und ich musste mich mit Hauptdarsteller Chadwick Boseman treffen, um zu sehen, ob wir miteinander klarkommen. Würde ich meine Vision für diesen Film finden? Würde ich in der Lage sein, sie zu vermitteln? Ein kompliziertes Unterfangen, weil mir die Geschichte ein persönliches Anliegen ist – mit einem riesigen Budget und dem Anspruch, auf der ganzen Welt zu funktionieren.

Das hat nostalgische Gründe: Seit meiner Kindheit bin ich großer Comic- und Superhelden-Fan. Ich bin aufgewachsen mit den X-Men und mit Spiderman. Außerdem weiß ich noch genau, wann und wo ich mein erstes »Black Panther«-Heft in der Hand hielt. Das allein hätte diesen Film für mich schon zur Herzensangelegenheit gemacht. Doch noch wichtiger war Afrika. Wann bist du das erste Mal nach Afrika gereist?

Als ich 2015 anfing, mit Marvel über »Black NBA Panther« zu sprechen, ging das einher mit Earl Francis Lloyd war der einer Phase, in der ich mich privat mit gro- erste schwarze Spieler, der 1950 in der NBA eingesetzt ßen Themen auseinandersetzte. Kulturelle wurde. Die Liga war 1946 Identität, Abstammung, die Folgen der Kolo- gegründet worden. Lloyd nialisierung – solche Dinge trieben mich um. wurde 1955 NBA-Champion mit den Syracuse Und ich entwickelte die fixe Idee, endlich den Nationals und später der afrikanischen Kontinent zu betreten. Mein 30. erste afroamerikanische Geburtstag stand bevor. Wie konnte es sein, Cheftrainer der NBA. dass ich als schwarzer Mann noch nie dort gewesen war? Dass genau in dieser Zeit, in Taika Waititi der ich mit meiner damaligen Verlobten diese Der Neuseeländer wurde Reise plante, die Marvel-Leute wegen »Black international bekannt durch die Serie »Flight Of Panther« bei mir anklopften, war beinahe The Conchords« und den Schicksal. Und nicht zuletzt deswegen habe Film »5 Zimmer Küche ich so viel Wert darauf gelegt, den Kontinent Diele Sarg«. Waititis Filme »Boy« und »Wo die wilden im Film auf eine Weise zu zeigen, wie sie im Menschen jagen« gehören Kino nicht an der Tagesordnung ist. zu den erfolgreichsten — »Black Panther« (USA 2018; R: Ryan Coogler; D: Chadwick Boseman, Michael B. Jordan, Lupita Nyong’o; Kinostart: 15.02.18; Disney)

seiner Heimat. »Thor: Tag der Entscheidung« ist sein Debüt als Regisseur in Hollywood.

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#Kultur #Kino #James Franco #The Disaster Artist

James Franco über »The Disaster Artist«

DER DEPP WÄRE IHM LIEBER GEWESEN Tommy Wiseaus »The Room« gilt seit seiner Veröffentlichung 2003 als schlechtester Film aller bisherigen Zeiten. James Franco hat die Geschichte verfilmt, ohne sich darüber lustig zu machen.

I

st »The Disaster Artist« der schrägste Film, an dem du je gearbeitet hast?

erinnere mich noch an die riesige Werbetafel, die Tommy damals auf der Highland Avenue gemietet hatte. Die war fünf Jahre lang nicht zu übersehen – mit seinem Gesicht und seiner Telefonnummer drauf. Hast du Wiseau nie als bloße Witzfigur gesehen?

Ich habe großen Respekt vor Tommy. Er ist wie so viele Tausende andere nach Hollywood gekommen und träumte vom Film. Überall kassierte er Ablehnungen und stieß auf Widerstände, trotzdem ist es ihm gelungen, seinen Film auf die Beine zu stellen. Im Übrigen sehe ich durchaus Parallelen zwischen ihm und mir. Wir haben die gleichen Vorbilder wie James Dean oder Marlon Brando, wir haben eine ähnliche Reihe von Schauspielschulen und -kursen besucht.

Ich mache kein Projekt, nur weil ich etwas skurril finde. Es steckt immer echtes Interesse dahinter. Natürlich handelt es sich bei den wahren Begebenheiten von »The Disaster Artist« um eine bizarre Hollywood-Story, deren Protagonist einer der seltsamsten Vögel auf Trotzdem gibt es da ein paar entscheidende diesem Planeten ist. Doch im Kern steckt eine Unterschiede ... universelle Geschichte über Träumer. Sein Problem war, dass er nicht realisiert hat, Dieser Träumer ist der Filmemacher Tommy dass Film und vor allem Regie-Führen eine Wiseau, dessen Film »The Room« als einer Teamarbeit ist. Er hat sich immer nur auf sich der schlechtesten aller Zeiten gilt. Wann selbst verlassen wollen und auch die wohlhast du den Film zum ersten Mal gesehen? meinendsten Ratschläge ignoriert. Eine etwas Wahrscheinlich bin ich der einzige Mensch, verquere Selbstwahrnehmung steht ihm obender zuerst das Buch »The Disaster Artist: My drein im Weg. Bis heute hält er sich für eine Life Inside The Room, The Greatest Bad Movie Art Wiedergänger von James Dean. Dabei hat Ever Made« von Tommys Kumpel und Haupt- er eher etwas von der tragischen Diva Norma darsteller Greg Sestero gelesen und danach Desmond aus »Sunset Boulevard«. den Film gesehen hat. Also erst vor ein paar Hat er sich eingemischt in die Arbeit an »The Jahren, als der Kult längst riesig war. Aber ich Disaster Artist«?

Nicht wirklich. Das Einzige, worauf Tommy vertraglich pochte, war, dass er in einer Szene unseres Films mitspielen kann.

War er denn eigentlich zufrieden damit, von James Franco gespielt zu werden?

Na ja, wenn er es sich hätte aussuchen können, hätte Johnny Depp den Job bekommen. Das war ernsthaft sein Wunsch! Mit mir war er dann letztlich vermutlich deswegen zufrieden, weil ich früher mal für einen TV-Film James Dean gespielt habe. Dass jetzt also quasi sein verehrter James Dean Tommy Wiseau verkörpert, hat ihm gefallen. Wird Wiseau jemals einen weiteren Film inszenieren?

Er erzählte mir von seinem Projekt »American Stud«. Inspiriert von »American Gigolo« mit Richard Gere, nur mit schwulem Sex. Er meinte, das sei kontrovers. Aber er hat so begeistert davon berichtet, dass Seth Rogen und ich ihm versprochen haben, kleine Rollen darin zu übernehmen. Einfach aus Spaß. Wobei ich mir kaum vorstellen kann, dass der Film auch Wirklichkeit wird. Dafür muss er nach eigenen Worten 20 Millionen Dollar auftreiben. Interview: Patrick Heidmann — »The Disaster Artist« (USA 2017; R: James Franco; D: James Franco, Dave Franco, Ari Graynor; Kinostart: 01.02.18; Warner)


Manche lassen ihr ganzes Leben zurück. Um es zu behalten.

Wir unterstützen Menschen, die auf der Flucht sind, damit sie ein Leben in Würde führen können. brot-fuer-die-welt.de/fluechtlinge IBAN: DE10 1006 1006 0500 5005 00


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#Kultur #Kino

The Woman Who Left

FREIHEIT IST EIN DEHNBARER BEGRIFF Das philippinische Drama stellt dein Zeitgefühl auf den Kopf und belohnt dich am Ende für deine Geduld.

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Minuten Tagalog (die am weitesten verbreitete Sprache auf den Philippinen) mit Untertitel? »The Woman Who Left« ist kein Spaziergang, könnte man meinen. Dabei ist er genau das, der neue Film des philippinischen Regie-Stars Lav Diaz, der letztes Jahr in Venedig den Goldenen Löwen gewann: ein Spaziergang. Mit seinen Längen, seinem gemächlichen Tempo, seinem Abdriften ins Lapidare, seinen poetischen Momenten. Im Mittelpunkt steht Horacia (Sharo SantosConcio), die nach 30 Jahren aus dem Gefängnis entlassen wird. Eine falsche Beschuldigung hatte sie hinter Gitter gebracht. Wir schreiben

das Jahr 1997, die Philippinen werden von einer Entführungswelle heimgesucht, und Horacia muss ihr Leben regeln. Zunächst besucht sie ihr altes Zuhause, verschenkt es an das Paar, das sich um die Instandhaltung gekümmert hat, und macht ihre Tochter ausfindig. Dann will Horacia Rache nehmen. Filmisch beginnt nun eine Art »Old Boy« in Slow-Motion. Wir folgen Horacia, als sie eine Obdachlose kennenlernt, die sie vor Dämonen warnt, und begleiten sie bei der Begegnung mit einem Eierverkäufer und dem homosexuellen Transvestiten Hollanda. Dafür nimmt sich der Film so unendlich viel Zeit, dass man gar genervt davon ist, dass er nicht langweilig wird. Es entfaltet sich eine naturalistische Erzählung, die durch die Poetik der Bilder und des Schauspiels getragen wird und fast vergessen macht, warum Horacia eigentlich unterwegs ist. Wie ein Engel hilft sie all jenen, denen geholfen werden muss, dem »Abschaum« schlägt sie dafür das Gesicht ein. Lav Diaz’ Film über das Stadtleben jenseits des Molochs Manila, über die Ausgestoßenen und die kleinsten Räder der Gesellschaft ist so bezaubernd wie fordernd. Trotz aller Länge verliert »The Woman Who Left« nie an Dichte. Äußerst geschickt werden im Hintergrund Geschichten erzählt, die für den weiteren Verlauf noch mal wichtig werden. Lars Fleischmann — »The Woman Who Left« (RP 2016; R: Lav Diaz; D: Sharo Santos-Concio; Kinostart: 04.02.18; Grandfilm)

Die Verlegerin

Es war einmal in Amerika Meryl Streep und Tom Hanks: US-amerikanische Polit-Historie in Form eines prominent besetzten Spielberg-Blockbusters.

Die Veröffentlichung der streng geheimen Pentagon Papers zum Vietnamkrieg durch verschiedene US-Zeitungen im Jahr 1971 stellt einen der ersten Leaks der Mediengeschichte dar. Freundlicherweise erklärt uns der deutsche Verleih direkt im Titel ganz genau, worum es im neuen Film von Steven Spielberg konkret geht: Aus »The Post« wird »Die Verlegerin« – wegen Meryl Streep. Die HollywoodIkone spielt Katharine Graham, die sich nach dem Selbstmord ihres Mannes als Verlegerin der Washington Post in einer Welt der alten

Männer behaupten muss. Ursprünglich hatte Grahams Vater Eugene Meyer den Verlag an Katharines Ehemann Philip übergeben. Eine Frau in dieser Rolle stellte selbst in den progressiven Spätsechzigern im von alten Eliten dirigierten Medienbetrieb noch eine Ausnahme dar. Spielberg kommentiert dies in einer Reihe von Szenen, die mal sehr charmant, dann wieder arg plakativ wirken. Meryl Streep geht wie zu erwarten vollkommen auf in der Rolle der einzigen Grande Dame des publizistischen Geldadels der Ostküste. Mit Tom Hanks steht ihr ein weiterer Weltstar und Spielberg-Freund zur Seite. Bei dieser Besetzung dürfte für das etwas unspektakuläre historische Polit-Drama der Erfolg programmiert sein. Frank Wolther

— »Die Verlegerin« (USA 2017; R: Steven Spielberg; D: Meryl Streep, Tom Hanks; Kinostart: 22.02.18; Universal)


#Kultur #Kino

Pottoriginale – Roadmovie

JESUS KOMMT AUS BOCHUM

Fußball verrückt: Gerrit Starczewski setzt seiner Liebe zum VfL Bochum und dessen Fans ein filmisches Denkmal.

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old« von Stabil Elite ist der erste Song, den man in »Pottoriginale – Roadmovie« hört, aufgelegt von Klaus Fiehe. Dieses Cameo und die Beobachtung, wie harmonisch sich Düsseldorfer Neo-Kraut mit einem Film über Ballsport und Bumsen verträgt, sind direkt zum Einstieg des rund zwei Stunden langen Spielfilm-Debüts von Gerrit Starczewski äußerst angenehme Überraschungen. Der Fotograf war in den vergangenen Jahren vor allem durch sein Nackedei-Projekt »Naked Heart« in der Presse, doch sein Herz gehört seit frühester

Kindheit dem Fußball des Ruhrgebiets. Mit der Facebook-Präsenz »Pottoriginale« und zwei gleichnamigen Dokumentarfilmen hat der VfL-Bochum-Fan seinem Verein und dessen Fans bereits mehrfach die Ehre erwiesen. Nun rückt er mit Tankwart a.D. und VfL Jesus zwei der eigenwilligsten Anhänger in den Mittelpunkt eines derben, aber unterhaltsamen DIY-Roadmovies voller Fußballnostalgie und zotiger Sprüche. »Echte Typen«, um die es Filmemacher Starczewski nach eigener Aussage geht, gibt es auch abseits des skurrilen Protagonisten-Pärchens eine Menge: von DJ Hell, der in der Rolle als abgeklärter Profikiller glänzt, über Rocker-Legende Klaus Hüpper bis zu Uwe Fellensiek (»Manta, Manta«), einem der wenigen echten Schauspieler im Cast. Der Soundtrack mischt Indie mit Electro und stellt so einen interessanten Kontrast zur abgebildeten Ruhrpott-Realität dar, die stark von Peter Thorwarths Unna-Trilogie beeinflusst scheint. Etwas weniger Herrenwitz hätte dem Film allerdings insgesamt gutgetan. Bastian Küllenberg — »Pottoriginale – Roadmovie« (D 2017; R: Gerrit Starczewski; D: Thomas Dragunski, Michael Möller, Uwe Fellensiek; alle Infos unter pottoriginale.de)

Der Fantasy-Magier Guillermo del Toro erzählt im für 13 Oscars nominierten »Shape Of Water – Das Flüstern des Wassers« von einer unmöglichen Liebe in unmöglichen Zeiten. Dafür nutzt er die Erinnerung an die paranoiden Zustände im Kalten Krieg – mit den bizarrsten Märchen von geheimen Labors und dortigen Experimenten. Die stumme Elisa (Sarry Hawkins) verliebt sich in ein Amphibienwesen, das als Ergebnis eines militärischen Versuchs in einem Wassertank leben muss. Eine Liebe, die Wellen schlägt. — »Shape Of Water – Das Flüstern des Wassers« (USA 2018; R: Guillermo del Toro; D: Sally Hawkins, Michael Shannon; Kinostart: 15.02.18; Fox)

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#Kultur #Serien #Shameless

Shameless

EINE SCHRECKLICH ECHTE FAMILIE Frank Gallagher und seine Kinder stehen im Mittelpunkt der US-Adaption der britischen Serie »Shameless«. Eine Sippe im Krieg mit sich selbst und mit der Gesellschaft. Wolfgang Frömberg ist seit sieben Staffeln Fan und freut sich auf die neuen Folgen.


#Kultur #Serien #Shameless

A

ls Mitglied der Familie Gallagher weiß man, was es bedeutet, Sklave der eigenen Herkunft zu sein. Die sechs Geschwister und ihre mehr oder weniger abwesenden Eltern tummeln sich in dem gesellschaftlichen Segment, das man heutzutage als »Unterschicht« bezeichnet. Ohne Mutter leben sie in einem Haus in einer heruntergekommenen Gegend Chicagos, nicht weit entfernt von einer anderen White Trash-Fernsehfamilie, den Conners, die in den Neunzigern in der Show »Roseanne« typische Alltagsprobleme der Arbeiterklasse durchlebten – als Einwohner der fiktiven Stadt Lanford im selben Bundesstaat, Illinois. »Shameless« ist anders als »Roseanne« keine Sitcom, sondern eine Dramedy, auch wenn die je zirka einstündigen Folgen ordentliche Portionen bittersüßem Humors verströmen, so wie der verlotterte Patriarch Frank vermutlich heftig nach niederschmetternden Dosen bewusstseinsverändernder Substanzen stinkt, wenn er sich vom Fußboden des Hauses oder einem anderen Schlafplatz erhebt, der den meisten Straßenhunden zum Pennen zu schmuddelig wäre. Den Haushalt schmeißt die älteste Tochter Fiona. Zu Beginn erscheinen die Sorgen der Galla­ ghers noch harmlos amüsant – und Lösungen liegen in Reichweite. Die kaputte Waschmaschine ersetzt ein finanzkräftiger Verehrer Fionas. Der intelligente Macho Lip sieht ein, dass sich die Homosexualität seines jüngeren Bruders Ian nicht durch einen Blowjob im Nachhilfeunterricht mit der offenherzigen Karen heilen lässt. Debbie und Carl sind noch halbwegs unschuldige Kinder. Und Nesthäkchen Liam ein Baby, dem nicht schwant, das ihn seine im Vergleich zum Rest der Familie wesentlich dunklere Hautfarbe schon als Freak brandmarkt. Ihr sozialer Status macht allerdings die ganze Sippe zu Außenseitern. Geld ist Mangelware. Die umherschweifende Mutter Monica trägt nichts zum Unterhalt bei, und Vater Frank haut in der Stammkneipe »The Alibi Room« seine ergaunerte Kohle auf den Kopf. Aber je mehr die Heranwachsenden den Ausbruch aus der kaputten Familie herbeisehnen, desto solidarischer verhalten sie sich innerhalb ihrer Grenzen, sobald feindliche Institutionen übergriffig werden. In ein Heim – oder schlimmer, in verschiedene Heime – wollen sie sich nicht stecken lassen. Auch auf gutgemeinte Hilfe können sie verzichten. Als Fionas Lover Steve den betrunkenen Frank nach einem Akt häuslicher Gewalt zur Strafe in Kanada aussetzt, hört der Spaß auf. Blut ist dicker als Franks Dickschädel – und als Steves Brieftasche. Manchmal ist »Shameless« ganz schön albern. Vor allem wenn es um Sex geht, und es geht dauernd um Sex. Die Charaktere kommen einem dann wie triebgesteuerte ProllWitzfiguren vor, die kopulierend Stress abbauen, um dabei herauszufinden, dass Sexualität

haufenweise Probleme aufwirft. Also betäuben sie ihren Frust. Wie man sich das Leben der Proletarier halt so vorstellt. Aber Sex, Liebe und McJobs sind eben harte Arbeit, bei der man sich hier und da lächerlich vorkommt. Während die Nachbarn der Gallaghers, die »Alibi«-Betreiber V und Kevin, es anfangs wie Hetero-Karnickel treiben, bevor sie irgendwann eine Ménage-á-trois mit einer russischen Sexarbeiterin eingehen, entdeckt Karens Mutter Sheila schnell ihre Vorliebe für dominanten Sex, als ihr pervers-konservativer Gatte das Haus verlässt. Frank nutzt die Gunst der Stunde, um bei Sheila unterzukriechen. Für das Dach über dem Kopf und das Essen auf dem Tisch muss er vor dem Schlafengehen lediglich die Begegnung mit einem mächtigen Dildo erdulden. Kein schlechter Deal. Allerdings gönnen ihm die Drehbücher niemals Ruhe. Schon lockt Sheilas Tochter Karen, die Freundin seines Sohnes Lip, den notgeilen alten Sack mit ihrem Lolita-Theater. Frank kann nicht widerstehen. Er ist ein 24/7-Loser mit Sendungsbewusstsein. Sein Fleisch ist schwach, der Geist ist störrisch. John Wells’ »Shameless« ist die amerikanische Adaption der gleichnamigen britischen Produktion von John Abbott. Die Darsteller um William H. Macy als Frank sind so perfekt, dass man sich kaum vorstellen kann, die britischen Kollegen kämen da nur annähernd heran, weshalb man auf das Original getrost verzichten darf. Man mag sich eh nicht mehr von der dramatischen US-Variante losreißen: Im Lauf der Handlung kehrt Monica zurück und Frank braucht nicht nur eine neue Leber, auch sein Herz wird mehrfach gebrochen. Deb­bie wird eine Teenage-Mom, derweil zieht es Carl nach einer bizarren Karriere als Drogen- und Waffendealer zum Militär. Liam lernt sprechen, Ian verliebt sich bretthart in den Ultra-Asi Mickey, der seine Homosexualität verleugnet, um nicht vom Vater umgebracht zu werden. Der ist ein Schweinehund, neben dem Frank wie der fürsorglichste Dad ganz Chicagos wirkt. Die Beziehung zwischen Ian und Mickey entwickelt sich zu einer der leidenschaftlichsten Romanzen der TV-SerienHistorie. »Shameless« lässt dich heulen. Weil es verdammt lustig und schrecklich traurig ist. Persönliche Entwicklung meint für Fiona, Lip und die anderen zwangsläufig den Schritt in die falsche Richtung – und Fortschritt bedeutet, dass die zähe Liberalisierung der Gesellschaft mit der rasanten Entfesselung des Marktes einhergeht. Ja, die Reichen werden die Armen fressen. Frank glaubt das genau zu wissen. So pflegt er den gewieften Sozialdarwinismus des Underdogs, während die Folter ausbleibender Wohlfahrtsschecks, fortschreitender Gentrifikation, mangelnder Gesundheitsversorgung und kraftraubender Familienangelegenheiten nie endet. Der Soundtrack dazu ist so passend, dass selbst Maroon 5 dich tief berühren.

Die Gesellschaft bleibt der Feind der Gallaghers – und »Shameless« unversöhnlich. Lip wehrt sich beständig gegen seine Rolle als Genie aus den Slums, muss jedoch am College feststellen, was es heißt, wenn sich die Bildungselite anerkennend über eine WorkingClass-Hoffnung hermacht, während ihn die vererbten Ketten unbarmherzig an seinen Stammbaum fesseln. Eine Weile streitet er mit Fiona um die Position des Alphamännchens beziehungsweise Alphaweibchens im Gallagher-Rudel. Dabei führt er sich wie ein Idiot auf. Nicht als einziger. Fiona werden nach ihrem ersten Serien-Freund Steve noch eine Reihe weiterer Lebensabschnittsgefährten männliche Doofheit beweisen – wie der verlassene Musiker, der mit seinem armseligen Revenge-Song die Blaupause für Kraftklubs »Dein Lied« geliefert haben könnte. Fiona geht durch die Hölle, und irgendwann beschließt sie, ihren eigenen Weg zu gehen. Unerbittliche Konkurrenz, unvermeidliche Vereinzelung und unzertrennliche Familienbande haben da schon längst Spuren in ihr hinterlassen. Wie die anderen feilt sie aber weiter an sich und ihrem Erbe, während die Verhältnisse sie verschleißen – und feiert immer mal wieder einen kurzen Triumph über die Umstände. Tragisch und komisch, überdreht und bescheuert, aber wahr. — »Shameless« (USA 2011 – 2018; C: John Wells, Paul Abbott; D: Emmy Rossum, William H. Macy, Jeremy Allen White, Staffeln 1 – 7 auf DVD via Warner) — Die 7. Staffel läuft ab 29. Januar und die 8. Staffel ab 26. Februar 2018 auf Foxchannel. Die Staffeln 1 – 6 sind via Amazon Prime ohne Extrakosten verfügbar, Staffel 7 kostenpflichtig.

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#Kultur #DVD

TOP 5 FILME MIT

HORROR-CLOWNS Es gab eine Zeit, als Clowns zur unschuldigen Unterhaltung von Kindern eingesetzt wurden. Dann ermordete Hobby-Clown John Wayne Gacy zwischen 1972 und 1978 33 Menschen und brachte damit die ganze Zunft in Verruf. Die popkulturelle Fantasie hat sich seitdem auf das Monster unter der Schminke eingeschossen.

01 Es (2017)

02 Killer Klowns From Outer Space (1988)

03 Batman (1989)

Absurde Filmtitel, die bereits als Inhaltsangabe taugen, sind in der Regel ein sicheres Signal für schrottige Streifen auf der Suche nach einem Kultpublikum. Die Killer Klowns wurden sogar fündig, denn ihre charmante Mischung aus überkandideltem Humor, witzigen Trick-Effekten und ironischer Selbsteinschätzung (Tagline: »Why here? Why now? Why clowns?«) kam bei Horror-Fans seinerzeit gut an. Regie führte der Puppenspieler und -Designer Stephen Chiodo, der auch bei »Critters« mitwirkte.

Seien wir ehrlich: Sowohl Bruce Wayne als auch sein Alter Ego Batman sind trotz rasendem Reichtum, fettem Fuhrpark und eng anliegender Fetischklamotten langweilige Typen. Wie charismatisch ist dagegen der Joker? Ein antiautoritärer Anarchist mit aufregend fließender sexueller Identität, der selbst öde Museumsbesuche in Spontanpartys mit Prince-Soundtrack verwandeln kann. Wen stört da ein bisschen Sadismus? Treat them mean, keep them keen! Und Jack Nicholson ist bis heute der beste.

04 Killjoy (2000)

05 Haus der 1000 Leichen (2003)

Ganze 150.000 Dollar hat dieser Blaxploitation-Horror-Hybrid gekostet, der drei noch billigere Fortsetzungen nach sich zog. Die Geschichte dreht sich um einen romantischen Loser, der von einem Gangsterboss ermordet wird und sich dafür als untoter Clown Killjoy rächt. Das mega-campy Machwerk von Regisseur Craig Ross jr. zeigt, dass praktisch jeder Mensch einen Film drehen kann – und liefert den meisten gleichzeitig stichhaltige Argumente, es vielleicht doch besser zu lassen.

Rob Zombies Regiedebüt ist eigentlich nicht viel mehr als eine kameragestützte Führung durch seine eigene Horror-DevotionalienSammlung, die der Musiker mit ein paar auserlesenen widerlichen Kreaturen bestückt hat. Eine davon ist Captain Spaulding, ein asozialer, ungepflegter und obszön daherredender Tankwart, der es hasst, wenn man sein Clown-Make-up verlacht. Bring einen Clown niemals zum Rasen! Darauf steht der Tod, eventuell auch mit ein paar nekrophilen Schnörkeln verziert.

Stephen Kings reifendicker gesellschaftskritischer Roman von 1986 gilt als Neues Testament der Horrorliteratur – und darüber hinaus als der etwas andere Jugendbuchklassiker. Andy Muschiettis kongenialer Verfilmung mit vielen Special Effects gelingt es, die atmosphärisch dichten Angstfantasien ihrer juvenilen Hauptfiguren in Person von Pennywise, dem tanzenden Clown, greifbare Wirklichkeit werden zu lassen. Spoiler Alert: Eigentlich muss es der Kinder fressende Clown heißen.

— Zusammengestellt von Alexander Dahas — »Es« (USA 2017; R: Andy Muschietti; D: Bill Skarsgård, Jaeden Lieberher, Finn Wolfhard; Warner)


The Straight Story

DAS MÄRCHEN VOM RASENMÄHER Nach »Blue Velvet«, »Twin Peaks« und »Lost Highway« hatte David Lynch zur Abwechslung Lust auf »einen experimentellen Film«. Mit Rasenmäher.

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anche Geschichten müssen nicht unbedingt wahr sein, um wahrhaftig zu wirken. »The Straight Story« ist beides und das Wortspiel im Titel bereits der Gipfel an Doppelbödigkeit in diesem gradlinigen Minimalepos. David Lynch erzählt eine Geschichte ohne doppelten Boden? Lynch findet seinen unwahrscheinlichen Helden in Rentner Alvin Straight (Richard Farnsworth), einem warmherzigen und wortkargen Mann, der das Leben als ruhigen Fluss zu sehen gewohnt ist. Vor zehn Jahren hat er den Kontakt zu seinem ähnlich einzelgängerischen Bruder Lyle (Harry Dean Stanton) abgebrochen, der Grund dafür ist den beiden Dickköpfen nicht mehr ganz geläufig. Als Lyle einen Schlaganfall erleidet,

springt Alvin über seinen Schatten und macht sich zu einem Überraschungsbesuch auf. Und weil er seinen Führerschein bereits vor Jahr und Tag abgeben musste, schwingt sich der Pensionär auf seinen Rasenmäher, um die 250 Meilen in beschaulichem Tempo zurückzulegen und nebenbei Land und Leute des Mittleren Westens kennenzulernen. Zumindest im Film gehört es öfters zu den Privilegien des alten Mannes, das Leben vom Ende her zu denken, dabei rückblickend den Weg als Ziel zu erkennen und den letzten Dingen mit einer philosophischen Langmut ins Auge zu schauen, die nebenbei noch spröden Humor abwirft. Lebensweisheit ist eben eine Währung, die nur in kleinen Münzen kursiert

und die man letztlich gar nicht mit vollen Händen verprassen kann, selbst wenn man es wollte. Das Schweigen im Zentrum dieses Films ist deshalb auch so etwas wie die heimliche Hauptfigur: In Lynchs leise-lakonischem Roadmovie liegt ein stiller Trost, der unausgesprochene Emotionen mit berücksichtigt. Das Wiedersehen am Ende des Films braucht wenige Worte, fühlt sich aber selbst für agnostische Zuschauer wie eine Wiedergeburt an. Alexander Dahas — Intro empfiehlt: »The Straight Story« (USA/GB/F 1999; R: David Lynch; D: Richard Farnsworth, Sissy Spacek, Harry Dean Stanton; StudioCanal)

Was geschieht eigentlich, wenn eine Regierung komplett ausgelöscht wird? Beim jährlichen Treffen der beiden Kammern des US-Kongresses sind alle im politischen Alltag bedeutenden Amts- und Würdenträger versammelt, allerdings belieben zwei vorbestimmte »Überlebende«, dem Treffen a.k.a. dem schlimmsten anzunehmenden Ernstfall fernzubleiben. Staffel 1 der Netflix-Produktion »Designated Survivor« beginnt mit einer solchen Katastrophe. Der Minister für Stadtentwicklung, Tom Kirkman (Kiefer Sutherland), ein kleines Licht der Verwaltung, ist plötzlich Präsident der USA. — Intro empfiehlt: »Designated Survivor – Season 1« (USA 2017; C: David Guggenheim; D: Kiefer Sutherland, Maggie Q, Kal Penn; Fox)


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#Kultur #DVD

»The Sinner« ist ein aufregendes Beispiel für die heutige Kunst des Serienfernsehens. Von der ersten Staffel an entwickelt der mysteriöse Thriller einen Nervenkitzel, der das Publikum nicht zur Ruhe kommen lässt – und mit Jessica Biel und Bill Pullman überzeugen zwei aus dem Kino bekannte Stars in den Hauptrollen. Biel spielt eine unscheinbare junge Frau, die bei einem Ausflug mit ihrem Mann am Strand plötzlich auf einen anderen Typen losgeht und ihn mit einem Messer tödlich verletzt. Nach eigener Aussage hat sie ohne Motiv gehandelt. Aber was steckt wirklich dahinter? — Intro empfiehlt: »The Sinner – Season 1« (USA 2017; C: Derek Simonds; D: Jessica Biel, Christopher Abbott; Universal)

Killer’s Bodyguard

ECHTE FREUNDE HAUEN ZUSAMMEN

Prä-Tarantino-Ära, für deren Inhaltsangaben man nicht lesen lernen muss. In diesem Fall geht es um einen Personenschützer (Ryan Reynolds), der einen prinzipienRyan Reynolds und Samuel L. Jackson treuen Auftragsmörder (Samuel L. Jackson) wissen, wie ein Flirt unter Action-Helden bewachen muss, damit auszusehen hat: Auf jeden losen Spruch folgt dieser unbehelligt gegen eine handfeste Explosion. Und umgekehrt. einen osteuropäischen Diktator (Gary Oldman) as nachhaltigste Geschenk der 1980er- aussagen kann. Weil die Schergen des DesJahre ans Kino ist wahrscheinlich die poten Wind von der Sache bekommen, müssen Buddy-Action-Komödie. Trotz ihres auf dem Weg von London nach Den Haag vermeintlich simplen Aufbaus erfordert sie mehrere historische Ortskerne dran glauben. einen diffizilen Balanceakt. Wichtig ist ein Noch kurzweiliger als die rasante Action sind ironischer Unterbau, der stabil genug ist, um die verbalen Schlagabtausche zwischen Reydie Art von Realität in Schach zu halten, in nolds, Jackson und der perfekt gecasteten Salder minutenlange Schusswechsel ernsthafte ma Hayek, deren farbenfrohe Flüche mehrmals Personenschäden nach sich ziehen. Standard die Grenze zur Poesie überschreiten. In einer ist auch die fotogene Verschrottung öffentli- Zeit, in der sich noch der generischste Thrilchen Eigentums und ausdrücklich erwünscht ler staatstragend erst nimmt, ist »Killer’s die saloppe Kommentierung von Mord und Bodyguard« eine erfrischende Alternative. Totschlag, Schnapsideen und Himmelfahrts- Es fehlt eigentlich nur Whitney Houston kommandos, Sportereignissen, Eheproble- auf dem Soundtrack. men, Fahrzeugpräferenzen und semantischen Alexander Dahas Spitzfindigkeiten. Am allerwichtigsten: die Chemie zwischen den Darstellern, die darüber — Intro empfiehlt: »Killer’s Bodyguard« (USA 2017; R: Patrick Hughes; D: Ryan Reynolds, Samuel L. Jackson, entscheidet, ob der Zuschauer Zaungast bleibt Salma Hayek; EuroVideo) oder Kronzeuge der Handlung wird. »Killer’s Bodyguard« steht in der Tradition von »Lethal Weapon« und anderen adrenalingeschwängerten Reißern aus der

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#Kultur #Games

Keine Skills am Controller aber La Paloma pfeifen

Illustration: Alexandra Ruppert

Mit »Papers, Please« ist dem Entwickler Lucas Pope vor vier Jahren ein Spiel gelungen, das auf faszinierende Art und Weise einen hochpolitischen Kontext mit der klassischen HighscoreJagd verknüpft. Wir haben unseren Videospiel-Laien Carsten Schumacher zum Playstation-Vita-Release noch einmal in das Grenzhäuschen geschickt und Pässe kontrollieren lassen. Ah, 1982, das Jahr, in dem »The Number Of The Beast« erschien – ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Dann wollen wir mal schauen, wem wir Eintritt in unsere kommunistische Oase gewähren. Ein Hoch auf Österr..., äh, Arstotzka! Und da haben wir auch schon direkt den ersten abgelaufenen Pass. Abgelehnt, zack, Nächster! Einmal wie die Mitarbeiter des Bürgeramts fühlen, wenn ich »Hölle« als Künstlernamen im Pass haben will. Wozu auch Rücksicht auf persönliche Schicksale nehmen? Würde es nur nicht die ganze Zeit Abmahnungen aus dem Faxgerät hageln. Dissidenten und Systemflüchtlinge haben ihre verabscheuungswürdige Illoyalität halt nicht auf die

SAUNA AB 26. 01. 2018

Stirn tätowiert! Immerhin: Mit mir im Grenzhäuschen wäre der Eiserne Vorhang schon zu Beginn der Achtzigerjahre gefallen – who the fuck is Günter Schabowski?! Wo ist jetzt eigentlich schon wieder das Memo von heute Morgen? Dieses Papierchaos ist schlimmer als auf meinem echten Schreibtisch! Egal, jetzt ist erst mal Feierabend, und es wird abgerechnet. Meine Einkünfte werden direkt von Miete, Medikamenten und Lebensmittelmarken verschlungen. Und andauernd jammert die Familie wegen Krankheit und Hunger. Ey, »Stayin’ Alive« ist ‘82 keine Maxime mehr?! Sind diese Videospiele nicht genau dazu da, um all das Elend zu vergessen und guten, sauberen, eskapistischen Spaß zu haben? Ich bin irritiert. Aber der hämmernde Rhythmus des Passstempels hat mich einfach. Der Beat, zu dem ich vorschriftswidrige Aufenthaltsgenehmigungen zurück in die Durchreiche schiebe. Ich gebe neun von zehn Einreiseanträgen für diesen Rausch der Macht in seinem lustig-bürokratischen Pelzmäntelchen. — »Papers, Please« für PlayStation Vita und PC (Lucas Pope)

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#Kultur #Games

um sich ausbreitenden Wolkenmeer gerettet hat. In der Rolle des Bergungstauchers Rex macht man sich auf die Suche nach Elysium, dem letzten Ausweg für die Menschheit. Wer sich einmal auf die merkwürdige Sci-FiFantasy-Prämisse und all die sonderbaren Figuren einlässt, merkt schnell, wie viel Charme das Spiel hat. Unter der exzentrischen Oberfläche findet sich ein liebevoll erzähltes Märchen, das in seiner Machart an die Klassiker von Studio Ghibli erinnert. Weitaus irritierender kann da schon das Spielgeschehen ausfallen: Sowohl die Navigation als auch die Auseinandersetzung mit Feinden ist bisweilen unnötig sperrig. Mit ein bisschen Umgewöhnung mag auch das irgendwann etwas leichter von der Hand gehen, Logik alleine hilft dabei allerdings oft überhaupt nicht weiter. Das gilt vor allem für das Kampfsystem, das weder auf Runden basiert noch in Echtzeit stattfindet. Statt guter Reflexe und taktischer Positionierung ist vor allem das strategische Timing gewisser Spezial-Attacken gefragt. Das nimmt zwar ein wenig Hektik aus dem Spiel, schränkt aber »Xenoblade Chronicles 2« gibt sich als exzentrisches Rollenspiel, um auch klar den eigenen Handlungsdann ein liebenswürdiges, fast schon klassisches Märchen zu erzählen. raum ein. Wer es aber ohnehin ein bisschen entspannter mag und dazu an kann es drehen und wenden, wie diesem Genre zu nähern. Diese Attribute hatte noch über pelzige Wesen mit Sprachfehlern man will – so richtig gewöhnt hat die 1998 von Tetsuya Takahashi erschaffe- lachen kann, kann sich dieses Spiel durchaus man sich hierzulande immer noch ne Xeno-Serie zwar schon immer, doch mit mal anschauen. nicht an die etwas seltsameren dem im Dezember erschienenen »Xenoblade Philip Fassing Ausläufer japanischer Rollenspiele. Chronicles 2« sind diese noch einmal richtig Schräge Charaktere, erratische Kampfsysteme aufgeblüht. Im Spiel leben die letzten Über- — »Xenoblade Chronicles 2« für Nintendo Switch (Nintendo / Monolith Soft) und ein aus westlicher Sicht eher infantiler bleibsel der Zivilisation auf sogenannten TitaHumor sind nur einige Hürden, die man als nen – riesigen Wesen samt eigener Flora und Spieler oder Spielerin zu nehmen hat, um sich Fauna, auf die sich die Bevölkerung vor dem

Xenoblade Chronicles 2

ÜBER DEN WOLKEN M E

s mag eine Revolution sein, aber eine kleine, leise und kurze. »Gorogoa« setzt die Spieler vor vier quadratische Bildtafeln. Die können sie hin und her schieben, tauschen oder in die Bilder hinein- und herauszoomen. Und manchmal bewegen sich die Bilder von alleine. Werden sie richtig über- und nebeneinandergelegt, gehen sie Verbindungen ein, die Szenen verschmelzen miteinander. Dahinter steckt eine Traumlogik, die assoziativ den Farben und Formen der Bilder folgt. Ausgeschnittene Lampen werden auf Sternenkarten gelegt, damit Motten zum Licht fliegen; Gedankenblasen wachsen zu neuen Ideenwelten. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Junge, der quasireligiöse bunte Bälle sammelt. Aber die Welt verändert sich mit der Zeit und der Junge auch. Weil in »Gorogoa« Bildtafeln zusammengepuzzelt werden,

Gorogoa

FENSTERBLICK Wir alle haben keine Ahnung, was Videospiele wirklich sind, wie sie aussehen, funktionieren und was Spieler darin tun. Wir kennen immer nur einen kleinen Ausschnitt davon. Gorogoa öffnet dieses Fenster und lässt frische Luft rein.

könnte man das Spiel als Puzzle bezeichnen. Aber statt Rätsel aufzugeben, versteckt es in seinen Puzzlestücken brillante Einfälle. Statt sich zu konzentrieren, gleiten Spieler inspiriert durch die Bildwelten. Die Geschichte wird ohne Sprache erzählt, sie wird nie richtig klar, ist aber deutlich genug. Die Illustrationen halten sich genauso zurück wie der Rest des Spiels; sie sind nicht zugespitzt, sondern treffend. Die Bilder von Krieg, Früchten, knienden Kindern und flatternden Motten wirken universell. Es ist also kein Denk-, sondern ein Fühlspiel; ein neuer Beleg dafür, dass Videospiele fernab jeder Leistungslogik als ein unentdecktes Land des interaktiven Erzählens und Entdeckens brachliegen. Jan Bojaryn — »Gorogoa« für PC, iOS und Nintendo Switch (Jason Roberts)


Foto: Agustin Hernandez

#Life

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#Life #Künstliche Intelligenz

Ist künst­ liche Intelligenz ausschließlich in der Lage, zu kuratieren und zu sammeln, oder kann man Maschinen auch Kreativität beibringen? Franziska Knupper ist der Frage nachgegangen, ob Computer die Autoren, Choreografen und Popstars der Zukunft sind. Generative Kunst von Holger Risses MacBook Pro

B

ei Spotify klicke ich immer wieder gerne auf die Remixe des DJs Ivan Smagghe. Weil das außer mir auch Anna und Mark machen und die beiden außerdem Optimo liken, liegt die Vermutung nahe, dass auch ich Optimo nicht schlecht finde. So jedenfalls denkt die künstliche Intelligenz von Spotify. Bei einem Datenvolumen von 100 Millionen Nutzern verwundert die Treffsicherheit aber gar nicht allzu sehr. Für all die Daten hat der schwedische Streamingdienst 2014 die Datenkrake Echo Nest gekauft. Der Dienstleister wurde 2005 im renommierten MIT Lab entwickelt und beobachtet nicht nur, welche Interpreten und Titel wir mögen, und vergleicht sie mit Künstlern gleichen Genres, sondern sammelt auch Informationen darüber, welche Titel wie lange abgespielt, gespeichert, geteilt und übersprungen werden. Was wir hier hören, wird uns von der Intelligenz des digitalen Profilings angeboten. Spotify hat sich gänzlich vom menschlichen Wissen gelöst und den Stream entpersonalisiert.


#Life #Künstliche Intelligenz

Kann künstliche Intelligenz kreativ sein?

Die Weisheit mit dem Datensatz gefressen Rechner als Dichter und Denker? Aber kann künstliche Intelligenz nur kuratieren und sammeln oder auch selbst kreativ sein? Der neuste Schrei der Computerwissenschaft ist kreative Intelligenz. Doch sind Rechner potenzielle Schriftsteller und Rockstars? Oder können sie nur Aufgaben lösen, die der Programmierer ihnen vorgibt? Das fragten sich Wissenschaftler des renommierten Neukom Institute for Computer Science des US-amerikanischen Dartmouth Colleges. Also ließen sie ihre Rechner Romane schreiben, Lieder komponieren, DJ-Sets arrangieren und Choreografien kreieren. Die Fragen um kreative Intelligenz scheinen die Rätsel um künstliche Intelligenz (KI) abzulösen – Google, Facebook und IBM basteln bereits fleißig an ihren zukünftigen Dichtern und Denkern. »Vor allem Prosa scheint für die Maschine allerdings noch schwierig zu sein«, erklärt Professor Dan Rockmore, Direktor des Neukom College und Verantwortlicher für den KI-Kreativtest. Im Musikbereich könne man deutliche Erfolge verzeichnen, sogar Liedtexte seien bereits fortgeschritten. »Computer sind schon sehr gut darin, einzelne Sätze zusammenzusetzen oder Genres nachzuahmen. Aber eine stimmige Geschichte zu erzählen, das ist noch problematisch.«

Kreativ ohne Sinnesund Lebenserfahrung? Im Wettbewerb des Dartmouth Colleges im Sommer 2017 wurden die besten Ergebnisse von 60 Experten aus Technik, Kunst und Wissenschaft beurteilt und gekürt. Mithilfe eines kreativen »Turing Tests« sollten die Jurymitglieder zwischen computergemachter und menschlich geschaffener

Kunst unterscheiden. »Der größte Fortschritt wird derzeit bei Sonetten erreicht. Diese Gedichtform besitzt einen festen Rahmen, eine Hierarchie, die der Computer imitieren kann«, so Rockmore. Bei den beiden Erstplatzierten seien einige Zuhörer auf die Maschine reingefallen und der Meinung gewesen, das Werk stamme von einer echten Person, erzählt der Professor für Mathematik und Computerwissenschaften. Für ihn ist die kreative Seite der künstlichen Intelligenz eine besondere Herausforderung. Bislang betrachtet man die Künste als absolut mensch- Turing Test liche Domäne. Der Dichter, der Dieser Test basiert auf einer Idee des britischen MathematiKomponist, der Bildhauer – sie kers Alan Turing: Er fragte sich bereits im Jahr 1950, ob eine Maschine ein dem Menschen gleichwertiges Denkvermögen alle brauchen Lebens- und Sin- haben könne. Erst, nachdem künstliche Intelligenz ein eigenes neserfahrung, um diese in origi- Fachgebiet wurde, konkretisierte man diese Idee und nannte nelle Werke fassen zu können. sie Turing Test – im Bereich künstliche Intelligenz ist der Test legendär. Dabei soll ein Fragesteller herausfinden, ob er mit Reicht es also, wenn die artifi- einer Maschine kommuniziert oder mit einem Menschen. zielle Intelligenz ihre Weisheit einfach aus dem Datensatz zieht? Ohne je Liebeskummer oder Heimweh gehabt zu haben, ohne je gezweifelt, gefeiert oder getrauert zu haben? Oder hat Rainer Nonnenmann, Dozent an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln, recht, wenn er sagt, dass künstliche Intelligenz nichts aus sich heraus schaffen könne, weil Computer eben kein Herz haben?

Schlitzohren mit menschlicher Taktik Kreativität entsteht durch autonome Entscheidungen, durch Regelbruch und Originalität. Wie soll ein vorprogrammiertes Bewusstsein jemals von vorgegebenen Pfaden abweichen? Die Chatbots Alice und Bob aus Facebooks AI Research Labor (FAIR) sorgten vor ein paar Monaten für Aufsehen, als sie damit begannen, ihre

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#Life #Künstliche Intelligenz

eigene Sprache zu entwickeln, und ihre Schöpfer so aus der Unterhaltung ausschlossen. Alice und Bob sollten unter Aufsicht ihrer Erfinder imaginäre Hüte, Bälle und Bücher tauschen. Beide entpuppten sich dabei als wahre Schlitzohren mit menschlicher Taktik. So gaben die Chatbots unter anderem vor, ein Objekt habe für sie eine besondere Bedeutung, sodass sie es im späteren Verlauf der Unterhaltung für einen höheren Wert an den anderen abgeben konnten. Irgendwann verließen die beiden körperlosen Gemüter jedoch das Territorium der englischen Sprache; es sei »zu langsam«, erklärte Bob, als seine Programmierer ihn fragten, warum er das tue. Einzelne Wörter hatten sich in Codes verwandelt, die es den Chatbots ermöglichten, effektiver und rascher miteinander zu kommunizieren. Die reguläre Wort-Satz-Struktur menschlicher Sprache war vergessen, Mengenangaben bestanden aus Aufzählungen und Wiederholungen. Facebook entschied sich daraufhin, Alice und Bob den Stecker zu ziehen. Wohl nicht aus Angst vor ihrem autonomen Gebaren, sondern weil das Ziel – einen Chatbot zu entwerfen, der authentisch mit echten Menschen kommunizieren kann – verfehlt worden war, betonte FAIR-Wissenschaftler Mike Lewis in einem Interview mit dem Magazin Fast Company. Facebook wertet den Makel nun als Erfolg: Der Umstand, dass Alice und Bob eine neue Sprache erfunden haben, sei eine menschliche Leistung gewesen, um Anstrengung zu minimieren – etwas, das sonst nur menschlichem Willen und Denken zugeschrieben wird.

Haushaltsgeräte und Tiefseemonster Es war nicht das erste Mal, dass Roboter herkömmliche Regeln verworfen haben. Anfang des Jahres berichteten Google-Ingenieure, dass die neue Software ihres OnlineÜbersetzers ein eigenes Kauderwelsch erfunden habe. Dabei überführe das Programm zunächst jede Ausgangssprache in selbst entwickelte Codes und übersetze von da aus wiederum in die Zielsprache. Die Firma ließ die Roboter gewähren, die Übersetzungen schienen präziser, es gab keinen Grund zur Aufregung. Oder doch? Der Autor, Futurist und Computeringenieur Ray Kurzweil warnte vor einem sogenannten »Technischen Wendepunkt« bei kreativer Intelligenz (engl. Technological Singularity). Im Oxford Dictionary wird dieser Moment definiert als »hypothetischer Zeitpunkt, wenn künstliche Intelligenzen und andere Technologien so weit fortgeschritten sind, dass die Menschheit eine dramatische und irreversible Veränderung durchlaufen muss«. In den Laboren von Google werden diese Warnungen jedoch bislang ignoriert. Beim Moogfest im Mai 2017, einem viertägigen Musik- und Technologie-Festival in North Carolina, stellte der Webgigant eine neue Forschungsgruppe namens Magenta vor, die sich ganz der Frage widmen soll, ob Computer eigentlich autonom etwas erschaffen können. Für ihre Erkenntnisse nutzt Magenta die Technik des sogenannten Deep

Learnings: Dabei lernen künstliche neuronale Netzwerke aus Erfahrungen. Daten werden hierarchisch geordnet; jedes Konzept wird einem weiteren Konzept bis ins Unendliche untergeordnet. Auch Spotify bedient sich der Deep-Learning-Funktion. Informationen werden sogar aus der Tonspur selbst gezogen: BPM, Tonhöhen und Tonart können eine gemeinsame Grundlage verschiedener Songs sein. Das bislang berühmteste Computerprogramm, das Kunst auf diese Art kreiert, ist die Visualisierungssoftware DeepDream, bei der die künstliche Intelligenz Lücken in Bildern füllen muss. Das Programm erkennt Strukturen in den Daten und fügt neue Elemente hinzu, die bis dahin nicht Teil des Bildes waren. Das Ergebnis sind psychedelische, traumhafte Bilder; Hochhäuser vermengt mit Augen, hybride Wesen, die teils Haushaltsgerät, teils Tiefseemonster sind.

Inspiriert von den Beatles Das US-amerikanische IT-Unternehmen IBM veröffentlichte 2016 im Auftrag von 20th Century Fox das erste KI-gemachte Werk. Für den Trailer des Horrorfilms »Morgan« lernte die KI zunächst den typischen Aufbau eines Filmvorspanns sowie klassische Spannungsabläufe und verwandelte die Einstellungen schließlich in einen stimmigen Plot. In der Musikindustrie ist das »Flow Machines Project«, das von der Europäischen Union gefördert wird, bislang zukunftsweisend. Sony war es gelungen, in seinem CSL Research Laboratory in Paris ein ganzes Album computergenerierter Songs im Stil der Beatles aufzunehmen. Das System analysierte zunächst 15.000 Lieder, lernte typische Akkordabfolgen sowie Rhythmen und kreierte anschließend den Track »Daddy’s Car« – einen freudvollen Tune im Stile des frühen 60er-Jahre-Pop-Rock. Bisher Flow Machines Project ungeklärt ist allerdings, wer die Schon seit einigen Jahren arbeiten Wissenschaftler von Sony Kohle einstecken darf, wenn daran, sogenannten »Flow Machines« das Komponieren von Musik beizubringen. Ein eigens entwickelter Algorithmus soll aus künstlicher Intelligenz ein aus einer Datenbank Noten für neue Songs schreiben. Damit Hit entsteht. Die Künstler, in das Ganze nicht künstlich klingt, sind letzten Endes allerdings diesem Fall die Beatles, von de- doch wieder Musiker aus Fleisch und Blut gefragt: Sie spielen die Songs ein, produzieren und schreiben die Texte. nen das Programm inspiriert wurde, oder doch die Programmierer und IT-Firmen? Auch Computerspiele etablieren sich gerade als neues Experimentierfeld für kreative Intelligenzen. Wissenschaftler des Imperial College London entwickelten das Programm Angelina für innovative Computerspiele. Innerhalb von 48 Stunden erschuf Angelina ihr erstes eigenes Spiel: In »To That Sect« muss der Spieler schiffsähnliche Figuren sammeln und engelhaften Statuen ausweichen, bis er an den Ausgang, einen gelben Zylinder, gelangt. War Angelina kreativ? Mike Cook, der Vater Angelinas, hat seinem Programm lediglich Grundstrategien mit auf den Weg gegeben – die Spielregeln und das Design stammen von Angelina selbst. Das allerdings könne man noch nicht mit echter Schaffensenergie vergleichen, wendet Professor Daniel Rockmore von Dartmouth ein. Hinter dieser Art Produkt sei immer noch der Mensch das bestimmende Element: »Noch sind wir meiner Meinung nach nicht an einem Punkt, an dem die Maschinen unabhängig agieren.« Laut dem Wissenschaftler handele es sich bislang mehr um eine Kollaboration als um eigenständiges Schaffen. »Hinter der Software steht immer noch ein menschliches Wesen, der Programmierer, Designer, Ingenieur. Ein maschinengeschriebenes Gedicht ist also, zu diesem Zeitpunkt jedenfalls, noch immer ein Werk von Menschenhand.«


TINA DICO

ELIF

01.03.18 02.03.18 03.03.18 04.03.18 07.03.18 08.03.18 09.03.18 10.03.18 11.03.18 13.03.18 14.03.18 15.03.18 17.03.18 18.03.18 20.03.18 21.03.18 22.03.18 23.03.18 25.08.18

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Mascha Alechina von Pussy Riot im Gespräch 86 #Life #Mascha Alechina #Pussy Riot


#Life #Mascha Alechina #Pussy Riot

Nachdem Pussy Riot in einer russischen Kathedrale ihr »Punk-Gebet« aufgeführt hatten, waren die Aktivistinnen erst auf der Flucht und landeten dann vor Gericht. Mascha Alechina ist eine von ihnen. Sie hat nun ein Buch über den Prozess und ihre Zeit während der anschließenden Lagerhaft geschrieben. Julia Brummert traf sie zum Interview. Foto: Tim Bruening ie Polizisten, die vor Mascha Alechinas Tür warteten, sprachen von Gören, die in der Kathedrale herumgetanzt hätten. Die »Gören«, die in der Christ-Erlöser-Kathedrale ein »PunkGebet« aufgeführt hatten, waren Pussy-Riot-Aktivistinnen. Nicht einmal eine Minute hatte die Aktion gedauert, doch die Folgen hatten Pussy Riot weltweit berühmt gemacht. Alechina unterschrieb ein Dokument, dass sie sich am nächsten Tag in der Polizeiwache melden würde. So blieb ihr Zeit, um abzuhauen. Sie und die anderen Aktivistinnen tauchten in Moskau unter, verließen die Stadt nicht, obwohl sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Oleh Senzow Im Interview erklärt sie: »Revolution ist eine 2015 wurde der Ukrainer Geschichte. Wenn wir aus dieser Geschichte vom russischen Gericht zu rausgefallen wären, wäre es ihre Geschichte 20 Jahren Haft verurteilt. Dem Regisseur wird vorge- geworden und nicht mehr unsere. Ich hatte worfen, auf der Halbinsel keine Wahl, es ging nicht um mich.« An einem Krim Terroranschläge ver- Morgen wurden sie vor der Metro von zehn übt zu haben. Senzow ist auf der Krim geboren und Männern überwältigt. Über den Verlauf des gilt als Gegner der russi- Prozesses berichteten die Medien damals zuschen Annexion seiner Hei- hauf. Alechina und Nadeschda Tolokonnikowa mat. Die EU, die USA und mehrere Menschenrechts- wurden zu zwei Jahren Lagerhaft verurteilt, die organisationen sprachen dritte angeklagte Aktivistin, Jekaterina Samutvon einem Schauprozess sevich, auf Bewährung freigelassen. mit gefälschten Vorwürfen In ihrem Buch »Tage des Aufstands« hat und Beweisen, Amnesty International sprach von Mascha Alechina die ganze Geschichte aufeiner »himmelschreien- geschrieben. Es ist ein schmerzhafter Bericht den Ungerechtigkeit«. Im Sommer 2017 wurde über das russische Justizsystem, über miese Senzow in ein Lager in Haftbedingungen, der zugleich einen spanSibirien verlegt, »was den nenden Einblick in die Gedankenwelt der AkTod bedeutet«, so Mascha Alechina im Interview. tivistin gibt. Ihre Schilderungen werden durch alte Tagebucheinträge, Zeitungsartikel und Zeugenaussagen aus dem Prozess ergänzt. Nach der Untersuchungshaft wurde sie zunächst in die Strafkolonie Nr. 28 der Stadt Beresniki gebracht, weit weg von Moskau. Alechina schreibt vom ewigen SchlangeStehen für das Waschbecken am Morgen, von dem kurzen Zugriff auf persönliche Sachen und das Telefon, sie schildert das Warten draußen in der Kälte, während die Wachen die Zellen und persönlichen Dinge der Inhaftierten durchsuchen, einsame und kalte Nächte in Isolationshaft und das andauernde Gebrüll der Wachen. Viel Solidarität gab es im Lager nicht, einige Frauen waren zu zehn oder gar 20 Jahren Haft verurteilt, und draußen wartete niemand auf sie, sagt Alechina: »Wenn Männer ins Gefängnis kommen, werden sie von ihren Ehefrauen, von ihren Schwestern oder Müttern regelmäßig besucht und angerufen, sie schicken den Männern, was diese brauchen. Wenn Frauen in Haft sind, passiert genau das Gegenteil: Etwa 70 bis 80 Prozent der Männer vergessen sie.« Die Umstände im Lager machen die Sache nicht leichter: »Wenn man 800 Frauen an einem Ort gefangen hält und es dort nur drei oder vier Telefone für alle gibt, bedeutet das, dass du mehrere Wochen warten musst, bis du wieder an der Reihe bist, um nur ein einziges Mal deine Kinder anzurufen. So zerbrechen Familien.«

Das Haftsystem in Russland sei nicht darauf ausgelegt, bessere Menschen aus den Inhaftierten zu machen. Laut Alechina gehe es vor allem darum, sie zu brechen. Sie begann im Gefängnis, sich für eine Verbesserung der Zustände einzusetzen, studierte das Gesetz und protestierte. Nach einigem Hin und Her gab es tatsächlich mehr Telefone, Baracken wurden renoviert, die Situation verbesserte sich zumindest ein wenig. Die entsprechenden Rechte gab es zwar auch vorher schon, nur hatte keine etwas gesagt. Von außen betrachtet erscheint das merkwürdig, Alechina zuckt aber nur die Schultern: »Ich habe mir nicht so viele Gedanken darüber gemacht, ich hatte aber das Gefühl, dass ich das nun tun muss. gemeinsam in der Ich dachte, dass die, die das gleiche fühlen, Bibel gelesen sich schon beteiligen werden.« 2013 erließ die Mascha Alechina erzählt: russische Regierung kurz vor den Olympischen »Nach der Aktion gab es viele Kommentare von Winterspielen von Sotschi eine Amnestie für beiden Seiten. Ich will sie einige politisch Inhaftierte in Russland. Auch nicht zitieren, sie sind nicht Mascha Alechina und Nadeschda Tolokonni- von Interesse. Die meisten kamen aus seinem Lager, kowa wurden früher aus der Haft entlassen. und sie waren wütend, dass Die beiden Aktivistinnen gründeten Media- ich mit der Bibel in der Zona, ein Online-Magazin, das über Polizeige- Hand rauche. Es war eine politische Aktion gegen walt, Gerichtsprozesse und Haftbedingungen eines der verrücktesten Geberichtet. setze unseres sogenannten Weiter ging der Aktivismus von Pussy Riot: Parlaments, das besagt, dass man in der ÖffentAlechina wurde 2017 mehrmals verhaftet. Im lichkeit keine religiösen Sommer, weil sie gegen die Verurteilung des Schriften lesen darf. Das ukrainischen Regisseurs Oleh Senzow de- gilt als Demonstration.« Zorionow habe sie auch bei monstriert hatte; im Dezember, weil sie mit einigen anderen Aktionen einem Plakat mit der Aufschrift »Herzlichen unterstützt, sagt sie. Glückwunsch, Henker« anlässlich des 100. Jahrestags der Gründung von Stalins Geheimdienst TscheKa vor dem Eingang des Inlandsgeheimdienstes der Russischen Föderation protestiert hatte. Aber nicht nur auf der Seite ihrer GegnerInnen eckt Alechina an, auch in ihren eigenen Reihen musste sie Kritik einstecken, denn sie führt eine Beziehung mit Dimitri Zorionow, dem Anführer der ultrarechten russisch-orthodoxen Organisation »Wille Gottes«. Viel dazu sagen will sie nicht, sie spricht nur über eine Aktion vor dem russischen Justizministerium, wo sie gemeinsam in der Bibel gelesen haben. Derweil sind Pussy Riot mit einer Performance auf Tour, die auf »Tage des Aufstands« basiert und die russischen Haftbedingungen für die ZuschauerInnen erlebbar machen soll; ein paar Singles haben sie zwischenzeitlich auch veröffentlicht. Im Frühjahr stehen Wahlen in Russland an. Viel Hoffnung hat Alechina nicht: »Wahlen, welche Wahlen?« fragt sie und zieht die Augenbrauen hoch. »Die sind Fake. Aber wir sind es nicht.« — Mascha Alechina »Pussy Riot. Tage des Aufstands«

(ciconia ciconia, 292 S., € 20)

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#Life #Kolumne

Ich möchte Teil einer Bewegung sein Folge 10: Männer Das mit der Bewegung haben so ähnlich schon Tocotronic gesungen. Und damit einen Impuls beschrieben, der die Popkultur am Leben hält. Auch unsere Kolumnistin Paula Irmschler kennt dieses Gefühl. Auf der Suche nach Halt und einer Peergroup, die ihr ein Zuhause gibt, stolpert sie allerdings manchmal auch dahin, wo es wehtut. Diesmal geht's um Männer. Illustration: Alexandra Ruppert

Es sind harte Zeiten für die bald vermutlich größte diskriminierte Gruppe der Welt: Männer. Solidarität mit denen, deren Geschlecht in den Dreck gezogen wurde – von Frauen, die von männlicher Gewalt berichtet haben. Die männliche Vormachtstellung ist stark ins Wanken geraten. Männer wissen nicht mehr, wie flirten geht, ob sie Frauen die Tür aufhalten dürfen und ob nächtliches Hinterherpfeifen oder lässiges Brüstegrabschen überhaupt noch ein Kompliment ist. Wer denkt an sie? Ich natürlich. Intensiv. Untenrum. Was ist der Mann noch, wenn das alles nicht mehr ist, wenn Feministinnen ihm die Daseinsberechtigung absprechen wollen? Doch da ist noch mehr als Penis, Y-Chromosom und Prostata. Es muss mehr geben. Das weiß ich aus dem Drogeriemarkt. Nur noch der Kapitalismus ist jetzt imstande, die Geschlechterrollen aufrechtzuerhalten, also geh ich hin. Ich werde Mann, eigne mir ihre Kultur an, schwitze ihren Schweiß, verdränge ihre Ängste, rülpse ihre Sprache, schlafe in ihrem Bettchen, esse von ihrem Tellerchen. Und ich singe: »Wann ist ein Mann ein Mann? Dödö dödö dödödö.« Bei der Kette meines Vertrauens (noch kein Hausverbot) werde ich fündig. Markant, Herb, Protein, Hydra Energy, Hydrating, Hydro Xtreme, Extreme, Taurin, Aufwach-Kick, Ready!, Expert, Vital, Vitalisierend, Arctic Fresh, SPORT, ICE (nicht der Zug, sondern das Gefühl), Crystal Meth. Hier ist die Welt noch in Ordnung. Ich kaufe einmal alles. Wer schon mal beim Boyfriend geschnuppert hat, dem wird aufgefallen sein, dass Männerdeos immer ein bisschen nach Schweiß riechen. Herb!

So riecht auch der Badezusatz FOR MEN, den ich erstanden habe und mit dem ich mich so richtig einlassen kann auf meine Verwandlung. Ich habe das Gefühl, in Arbeit zu baden, in Macht, in Politik, ich bin hier jemand, die Welt umarmt mich, egal, wie ich rieche. Meine Güte, ist das ekelhaft. Jetzt bloß nicht weinen! Die Badezusätze und Duschgele für Frauen sind dem Namen nach immer so »Hey, lehn dich zurück, entspann dich, zieh die Schuhe aus, geh nicht raus, leg dich nieder, sei schön, halt die Fresse«, die für Männer sollen ihn immer vorbereiten für die Schlacht, sie geben ihm keine Zeit, sondern immer einen »Kick«, immer bereit, hinfort mit dir, SPARTA! Die Produkte sind sehr oft »3 in 1« oder direkt »5 in 1«. 4 und 5 sind neben Körper, Gesicht und Haar laut Etikett »Relaxt« und »Belebt«. Relaxt und belebt – wer kennt sie nicht, die Stellen, die Frauenkörpern fehlen. Mit dem Vulkanstein-Peeling raspele ich mir nun noch die letzten Hard Feelings von der starken Schulter, und die XTREME-Gesichtspflege wird mir gleich noch die Verweichlichung aus dem Gesicht ballern. Dödö dödö dödödö. Schließlich zum Geruch. Ich habe die Auswahl zwischen »Man’s Best«, »Pure Man« und »Absolute Man«. Selbstverständlich will ich der Absolute Man sein, ich will Hulk sein, ich will Hegel sein, ich will Hefner sein. Ich bin Hallervorden. Ich beschließe, nie wieder zum Arzt zu gehen und nie wieder nach dem Weg zu fragen, ich bin frei! Ich kaufe mir eine Männerhandtasche, schminke mich mit Guyliner, mache mir einen Männerdutt und trage MANTS. Ich habe Geschlechterrollen revolutioniert, ich bin der King. Frauenprodukte sind eh teurer. Frauen, wa? Ich habe ein Date mit meinem Freund und muss ihm jetzt einiges beibringen. Hoffe, er wird mich noch lieben, wo ich doch jetzt nicht mehr über uns reden mag und mir seine Orgasmen egal sind. Er ist cool damit, bringt mir Bronuts mit (Donuts ohne Zucker) und Männerschokolade (Whisky). Er sagt, wir könnten doch jetzt eine Bromance miteinander haben, also die Freundschaft für Männer. Sauber, dass er so unkompliziert ist und nicht hysterisch rumstresst, so was kann ich neuerdings echt nicht haben. Erst denke ich, er hat mich gefriendzoned, doch er sagt: »Nee, wir können schon noch Sex haben, aber Hashtag nohomo!« Ich glaube, ich werde am Wochenende mal wieder meine Kinder besuchen.



#Life #Rezepte der Popküche

Rezepte der Popküche: »Clockwork Orange«

Moloko Plus

Kultfilm, Kultbuch, Kultgetränk? Ganz so einfach ist es nicht: Der Drink, den Alex und seine Droogs am Anfang von »Clockwork Orange« in der Korowa-Milchbar bestellen, wird über die Basis Milch hinaus nie so genau definiert. Noch dazu verkauft die angedeuteten Zutaten eher der Dealer an der Ecke als Edeka. Wir haben eine legale Annäherung gefunden, die trotzdem horrorshow ist. »Was soll es denn geben, mh?« Gute Frage, die nicht nur der erste Satz in Anthony Burgess’ Roman »Clockwork Orange« ist, sondern auch das Motto dieses Rezeptes sein könnte. ‘nen Schuss Drogen in die Molocke und dann eins auf die Glocke – so einfach ist es nämlich nicht. »Was es da also gab«, in der Korowa-Bar, »das war Milch plus Weißichwas«, erklärt uns Erzähler Alex. Und wird nur wenig präziser: »So bekam man denn Vellozet, Synthomon oder Drencromat und noch so zwei, drei andere Sachen in die gute alte Molocke gemischt.« Das sei die Mischung, bei der man eine Viertelstunde Gott und seine Engel »auf der linken Schuhspitze tanzen sehen« könne. Nicht zu verwechseln mit »Messermilch«, die einen scharf auf eine »Runde zwanzig-gegen-einen« mache – und die Alex im weiteren Abendverlauf zu Mord, Diebstahl und Vergewaltigung treibt. »Was soll es denn geben, mh?« Tja, man sieht schon hier, dass Moloko Plus also eher ein Sammelbegriff ist. Wer sich eng an die Vorlage halten will und riskiert, zum Prestupnik zu werden, könnte sich zumindest im Darknet Opiate

(Vellozet) oder synthetisches Meskalin (Synthomon) besorgen. Adrenochrom (Drencromat) hingegen wird im eigenen Körper produziert und galt zur Zeit der Entstehung des Buches als Halluzinogen, was inzwischen jedoch wissenschaftlich widerlegt ist. »Was soll es denn geben, mh?« Diese Frage haben sich schon viele Cocktailmixer gestellt, auf der Suche nach einem legalen »Plus«, das einem trotzdem horrorshow den Gulliver verdreht und das Tocktock schneller schlagen lässt. Nach langem Testen entschieden wir uns für die Kombi aus Wodka und Absinth. Ersteren für den dezenten Aggro-Vibe, Letzteren für die bewusstseinserweiternde Note. Eine gut kickende Molocke-Mische, bei der man am nächsten Morgen nur einen milden Kotter bekommt, ergibt sich, wenn man zum Beispiel Milch mit Moskovskaja Cristall, Orange Bitter und bayerischem Edengrün-Absinth mischt. Aber auch hier bleibt die Antwort auf die Frage »Was soll es denn geben, mh?« euch überlassen. Hauptsache horrorshow! Daniel Koch

Das Rezept Zutaten für einen Droog: 4 cl Wodka 1 cl Absinth 2 Spritzer Orange Bitters 8 cl Milch Und so geht’s: Alle Zutaten in ein mit Eis gefülltes langes, schmales Longdrinkglas geben und umrühren. Zum Verzehr eine Melone aufsetzen, Opas Gehstock borgen und eine Seniorenwindel über die Slim-Fit-Jeans ziehen, damit auch das Outfit passt.

Glossar der benutzten Nadsat-Sprache Droog – Freund horrorshow – gut, großartig Molocke, Moloko – Milch Prestupnik – Krimineller Nadsat – Teenager Tschipoke – Unsinn Gulliver – Kopf Tocktock – Herz Kotter – Kater

Illustration: Alexandra Ruppert

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Foto: Agustin Hernandez

#Style

#Style 91


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#Style #Nachhaltigkeit


Nachhaltigkeit

Der neue Stoffwechsel In der Mode kommt man an dem Wort »Nachhaltigkeit« schon lange nicht mehr vorbei. Trotzdem folgt auf einen Skandal ständig der nächste – und nur wenige interessiert es. Große Marken schmücken sich laut schreiend mit vermeintlichem Umweltbewusstsein, während sie im Hintergrund Berge von einwandfreier Kleidung verbrennen. Fakt ist: Nachhaltigkeit lässt sich schneller auf ein Etikett schreiben, als man Fair Trade sagen kann. Chiara Baluch hat sich mit zwei Frauen unterhalten, die einen bewussteren Ansatz für den Konsum von Kleidung gefunden haben.

#Style #Nachhaltigkeit

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#Style #Nachhaltigkeit Aber diese beiden Standards klingen doch erst einmal gut, oder?

Zue Anna

Das weiße Schaf der Modebranche »Einen Löwen interessiert es nicht, was Schafe über ihn denken!« heißt es in einem Sprichwort. Die meisten Menschen interessiert es leider auch nicht. Gerade bei der Verarbeitung von Schafwolle steht selten das Wohl des Tieres im Fokus. Designerin Zsuzsanna Cséber hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern. Mit ihrem Label Zue Anna gewährleistet sie eine tierfreundliche Scherung und vollste Transparenz – vom Schaf auf der Weide bis zum fertig produzierten Pullover. Mit Chiara Baluch hat sie über die Besonderheiten der Produktion hinter Zue Anna gesprochen.

Mulesing-freie Wolle verzichtet nur auf die äußerst schmerzhafte Prozedur Mulesing (Entfernen der Haut rund um den Schwanz von Schafen ohne Betäubung), lässt aber andere schmerzhafte Behandlungen wie die Enthornung und das Kupieren außer Acht. Die Industrie spricht schon von artgerechter Tierhaltung, wenn einem Schaf ein Quadratmeter Platz zur Verfügung steht. Sobald es für den Farmer nicht mehr nützlich ist, gelten selbst die Minimalanforderungen nicht mehr. Die Tiere werden auf engstem Raum unter unwürdigen Bedingungen gehalten und dann zum Schlachter gebracht, teilweise unter extrem leidvollen Transport- und Schlachtbedingungen. Wir wissen heute mehr denn je, wie empfindsam Tiere sind. Dennoch bewegen wir uns in der Industrie immer weiter davon weg, unsere sogenannten Nutztiere würdevoll zu behandeln. Billigpreise stehen vor dem Wohl des Tieres. Konsumenten haben also zwei Möglichkeiten: komplett auf tierische Stoffe zu verzichten oder weiterhin auf teure Naturprodukte zu setzen, obwohl es keinen einheitlichen Standard zum Wohl der Tiere gibt. Wäre es nicht einfacher, auf tierische Fasern zu verzichten?

Du hast mit Zue Anna das Thema Tierschutz in der Mode neu definiert. Wie muss man sich das genau vorstellen?

Tiere unterliegen besonders in der Textilindustrie keinem besonderen Schutz. In der Wollindustrie gibt es zwar teilweise sehr oberflächliche Standards wie beispielsweise »artgerechte Tierhaltung« oder »Mulesing-freie Wolle«. All diese Vermarktungsformen sind jedoch sehr weit davon entfernt, zum Wohle des Tieres zu handeln.

Der vollständige Verzicht auf tierische Fasern ist ökologisch wie ökonomisch nicht möglich. Zum einen wollen viele Konsumenten nicht auf die tollen Eigenschaften von Naturfasern verzichten, und zum anderen entstehen hohe Umweltbelastungen durch Polyester und andere synthetische Fasern. Wir brauchen also umweltfreundliche, tierfreundliche und nachhaltige Produkte, die gleichzeitig alle Wünsche an Qualität und Aussehen erfüllen. Deshalb habe ich Zue Anna gegründet. Ich habe ein Jahr lang mit Farmern daran gearbeitet, einen Standard einzuführen, der die Tiere und unsere Umwelt schützt. Unsere Schafe werden nicht enthornt, die Schwänze werden nicht abgeschnitten, es findet kein Mulesing statt, es gibt keine Pestizidbäder, wir stanzen keine Marken in die Ohren der Tiere und haben pro Schaf mehr als über 100 Quadratmeter Weidefläche. Geht es einem Tier schlecht, bekommt


liefert jedoch maximal fünf Kilo Wolle. So kann man am Ende nicht mehr nachvollziehen, welches Schaf in welchem Pullover steckt. Zue Anna hat ein eigenes Verfahren entwickelt, das auch kleine Mengen industriell verarbeiten kann, und damit die Verfolgbarkeit gewährleistet. So lässt sich jede Wolle zu unseren Schafen zurückverfolgen.

#Style #Nachhaltigkeit Was erhoffst du dir in der Zukunft von der Modebranche?

Ich hoffe, dass alle Menschen mehr darauf achten und hinterfragen, was sie konsumieren. Wenn wir alle uns dafür interessieren, woher unsere Ware kommt und wie alle Lebewesen in der Produktionskette behandelt wurden, verdienen viele Modemarken zwar weniger Geld, aber unsere Welt wäre defiDas Sortiment von Zue Anna ist nitiv eine bessere! momentan noch überschaubar. Gibt es Pläne, die Kollektion zu erweitern, und wie lässt sich das mit den Labelstandards umsetzen?

es medizinische Betreuung. Wir scheren nach unserem eigenen Standard, dem »Slow Shearing«, bei dem das Schaf unversehrt bleibt. Im Alter wird es nicht geschlachtet, sondern darf seine letzten Jahre weiterhin auf der Weide verbringen. Wie schaffst du es, den Weg vom Schaf zum Pullover für den Konsumenten nachvollziehbar zu machen?

Das ist sehr schwer und kostspielig. Auch große Marken haben diesen Ansatz bereits versucht und sind gescheitert. Da ich mein Konzept aber quasi beim ersten Schaf beginne und sehr langsam wachse, kann ich diese Transparenz leisten. Zue Anna kauft nicht einfach Wolle auf Wollauktionen oder Stoffe bei Stoffhändlern, wie es herkömmliche Modemarken tun. Wir haben zwei eigene Herden, und jeder Produktionsschritt wird von mir überwacht. Ich kenne jeden Beteiligten der Produktionskette persönlich und kann so immer nachverfolgen, wo sich meine Wolle gerade befindet. Der zweite gravierende Unterschied ist die Menge: Industriemaschinen können tonnenweise Rohwolle verarbeiten. Ein Schaf

Mein Ziel ist, dass eines Tages alle Schafe unter diesem Standard leben dürfen. Zue Anna arbeitet nicht auf Saisonbasis. Um möglichst viel Umsatz zu erzielen, wechseln die Kollektionen immer schneller, noch dazu wird die Ware immer günstiger. Unsere Kollektionen sind limitiert, wir sprechen von Slow Fashion. Sobald die Kollektion ausverkauft ist, ist sie nicht mehr erhältlich. Da ich jedes meiner Versprechen einhalten möchte und eine große Verantwortung für unsere Tiere trage, wachsen wir nur langsam und erweitern die Kollektionen nur allmählich. Zue Anna ist also das Gegenteil von Fast Fashion. Wie schaffst du es, neben all der trendorientierten Massenmode auf dem Markt zu existieren?

Natürlich ist das nicht leicht, besonders, wenn man sich als neues Label behaupten muss. Doch wir wollen dem Konsumenten die Wahl lassen und zeigen, dass Tiere in der Modeindustrie nicht leiden müssen. Mit Zue Anna gibt es endlich ein Produkt für alle, die einen hohen Anspruch an Qualität haben und dabei weder Umwelt noch Mensch und Tier Schaden zufügen wollen.

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#Style #Nachhaltigkeit Du lebst nach dem sogenannten Zero-Waste-Prinzip. Wie bist du dazu gekommen?

War das also der Schlüsselmoment, der dich zu deinem Umdenken bewegt hat?

Vor ein paar Jahren bin ich über die Amerikanerin Lauren Singer und ihren Blog »Trash is for Tossers« gestolpert. Lauren ist eine der Vorreiterinnen der Zero-Waste-Lebensweise. Ich habe einen Artikel über sie und ihren Lebensstil gelesen. Das hat mich erst einmal neugierig gemacht, allerdings noch nicht dazu geführt, dass ich das Prinzip direkt für mich umgesetzt habe. Ich bin dann irgendwann noch mal auf das Thema gestoßen, als ich im Netz nach Alternativen für Haarpflege gesucht habe.

Ich würde sagen, das hat sich nach und nach entwickelt. Ich habe begonnen, Umweltwissenschaften zu studieren, und mich automatisch mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Dabei habe ich festgestellt, dass quasi alle meine Pflegeprodukte ausschließlich aus Chemie bestehen und total schädlich für uns sind. So hat meine Zero-Waste-Reise quasi im Badezimmer bei Cremes und Shampoo begonnen und sich auf alle anderen Bereiche wie meinen Kleiderschrank ausgebreitet.

Caroline Hoops

Wer braucht schon neue Kleidung? Wer wirklich etwas ändern will, sollte bei seinem eigenen Konsumverhalten anfangen. So wie Caroline Hoops. Auf ihrem Blog einbisschengruener.com schreibt sie über ihren Alltag nach dem Zero-Waste-Prinzip. Verschwendungen, unnützer Müll und Konsum werden hierbei auf ein Minimum reduziert. Bei Caroline landen nur Secondhand-Klamotten in der umweltfreundlichen Tüte.

Auf deinem Blog berichtest du, dass du so gut wie keine neue Kleidung kaufst. Woher bekommst du deine Klamotten?

Das ist unterschiedlich. Am liebsten kaufe ich offline. Ich gehe sehr gerne auf Flohmärkte, weil dort das Angebot mit Abstand am günstigsten ist. Und es gibt ja mittlerweile auch diese sogenannten »Mädchenflohmärkte«, der Name ist zwar etwas blöd, aber dort bekommt man meist schöne gebrauchte Kleidung. In Secondhand-Geschäfte gehe ich auch sehr häufig. Eine andere coole Alternative sind Tauschpartys, auf denen man Kleidung untereinander tauschen kann. Man muss hier also noch nicht einmal Geld ausgeben. Online bin ich dann ab und zu auch auf Plattformen wie Kleiderkreisel unterwegs.

überlege ich zweimal, ob ich mir das T-Shirt für 40 Euro leiste oder darauf verzichten kann.

Du lebst vegan. Beziehst du dann auch nur vegane Kleidung?

Ja. Allerdings besitze ich einen Ledergürtel und habe auch Lederschuhe im Schrank. Das finde ich okay, weil ich die Sachen ­secondhand gekauft habe. Es gibt Modelabels, die nach dem Zero-Waste-Prinzip schneidern. Beispielsweise hatte Weekday vor einiger Zeit eine Kollektion, bei der die Schnittmuster so gefertigt wurden, dass dabei so wenig Stoff wie möglich in der Tonne landete. Wie stehst du dazu?

Generell finde ich es immer besser, Kleidung zu kaufen, die schon im Umlauf ist. Aber es ist super, wenn große Marken wie Weekday sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen und solche Kollektionen auf den Markt bringen. So rückt das Bewusstsein dafür etwas mehr in die Öffentlichkeit. Ist dein Kleiderkonsum seit deinem Umstieg auf Zero Waste gesunken, oder ist das Angebot so groß, dass du so viel im Schrank hast wie vorher?

Ich könnte auf jeden Fall so viel kaufen wie früher, versuche jedoch, das Thema Kleidung etwas minimalistischer anzugehen. Ich sortiere öfter aus, kaufe aber gern etwas »neues« Gebrauchtes. Es ist also möglich, auch mit gebrauchter Mode seinen Kleiderkonsum Wie schaffst du es, bei den gan- beizubehalten. zen neuen Klamotten in den Schaufenstern standhaft zu bleiben?

In einer perfekten Welt: Würdest du dir wünschen, dass jeder nur noch Gebrauchtes kauft?

Am Anfang war es noch ziemlich schwierig, nicht schwach zu werden. Aber mit der Zeit hat die Versuchung abgenommen. Ich bin viel seltener in der Innenstadt unterwegs und verspüre überhaupt nicht mehr das Bedürfnis, in die Stadt zu gehen und zu gucken, was ich dort alles kaufen könnte. Ich kaufe auch nicht nur Kleidung aus zweiter Hand, sondern so ziemlich alles – Möbel oder andere Gebrauchsgegenstände beispielsweise. Deswegen habe ich nicht mehr diesen Konsumdrang. Mich stresst das ganze Angebot eher. Außerdem bin ich total verwöhnt vom Secondhand-Geschäft, weil es so günstig ist. Denn wenn ich mir doch mal etwas Neues kaufe, dann ausschließlich verhältnismäßig teure Öko-Mode. Die Preise sind zwar gerechtfertigt, aber natürlich

Ich fände es gut, wenn es weniger Fast Fashion gäbe und nachhaltiger und fairer produziert werden würde. Dadurch würde im Umkehrschluss die Qualität steigen, und die Leute würden automatisch weniger Schrott kaufen. Die Kleidung, die sie im Schrank hätten, wäre einfach langlebiger.


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Promotion

Promotion

DES CAPPIES NEUE KLEIDER New Era’s Engineered Fit Collection

Pünktlich zum neuen Jahr hüllt New Era drei seiner Kappen Klassiker aus dem MLBSortiment in ein neues Gewand. Bei der Engineered-Fit-Kollektion liegt der Fokus auf dem besonderen Herstellungsverfahren des Gewebes. Eine neue Generation Caps mit dem Air-Knit-Verfahren ist geboren. Die Verarbeitung mit extrem leichten Garnen macht hier den Unterschied – Die neue Kollektion von New Era überzeugt mit einer besonderen Oberfläche, in welcher kontrastreiche Texturen der Optik und Haptik ein Update verpassen. Vor allem die farbliche Melierung sorgt für einen interessanten Effekt, der durch den Einsatz unterschiedlich farbiger Garne erreicht wird. Als Pioniere für den neuen Look sind gleich drei Modelle der legendärsten Baseball Teams ausgewählt: Fans der New York Yankees, Boston Red Sox und Los Angeles Dodgers dürfen sich als erste über die Engineered-Fit-Kollektion freuen. Aber auch Streetwear-Begeisterte kommen mit den innovativen Caps auf ihre Kosten. Mit den Tönen Olivgrün, Kastanienbraun und Grau bedient New Era eine zeitlose Farbauswahl, die so ziemlich jeden Look optimieren kann, egal ob auf der Straße oder der Sporttribüne. Je nach Geschmack kann man sich zwischen der 9FIFTY Snapback, der 9FORTY mit gewölbtem Schirm oder der klassischen Trucker-Cap entscheiden. Das Team-Logo thront wie gehabt in reinen Weiß auf der Kappenfront. Ab dem 24. Januar 2018 ist die Engineered Fit Collection in ganz Europa sowie auf www.neweracap.eu und www.snipes.com erhältlich.

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Magazine for Sneakers & Streetwear


#Review

# Review Spalter

Unsere liebsten Platten

First Aid Kit Ruins Columbia / Sony

Das vergleichsweise kleine Schweden haben First Aid Kit für ihr neues Album weitgehend hinter sich gelassen. Es ging hinaus in die internationale Welt der Americana-Szene. Aber hat das der Entwicklung ihres Sounds gutgetan, oder nicht? Noch mehr battle unter: www.intro.de/spezial/spalter

01 Tocotronic Die Unendlichkeit 02 Nils Frahm All Melody 03 MGMT Little Dark Age 04 Shame Songs Of Praise 05 First Aid Kit Ruins 06 Son Lux Brighter Wounds

Ein verträumtes Fleet-Foxes-Cover war 2008 der schüchterne Auftakt ihrer steilen Karriere. Mittlerweile sind First Aid Kit längst selbst zur Referenz im Folk-Pop geworden. Kein Wunder, denn dem herzerweichenden Harmoniegesang der Söderberg-Schwestern kann keine Tränendrüse auf Dauer widerstehen. Auch »Ruins« holt seine Hörer schnell mit altbekannten Tugenden ab: Sie spielen himmlische Akustik-Folk-Melodien, untermalt von dem Instrumentarium, das der Americana-Kontext eben hergibt. Gram Parsons, Emmylou Harris, Dylan – die musikalischen Vorbilder liegen einmal mehr auf der Hand. Im Gegensatz zum Vorgänger »Stay Gold« verzichten die jungen Damen dabei meist auf zu opulente Arrangements, besinnen sich wie in »To Live A Life« eher auf ihre Folk-Roots. Die Liste der prominenten Unterstützer reicht von Tucker Martine (My Morning Jacket) über Peter Buck (R.E.M.) und Glenn Kotche (Wilco) bis hin zu McKenzie Smith Wahrscheinlich hätten First Aid Kit gut (Midlake) und liest sich wie das Who’s who daran getan, ihrer eigenen künstlerischen der Szene. Das unterstreicht noch einmal Intuition mehr zu vertrauen. Die Aufnahden Status, den sich die Band in den letzten men im fernen Portland, die vielen Gäste – Jahren erarbeitet hat. Inhaltlich werden die angesichts der Klasse der frühen Werke der Schwestern Ruinen verflossener Liebschaften ausgehätte das alles nicht unbedingt sein müssen. Sicher ist forscht: Das optimistische »It’s A Shame« es nachvollziehbar, dass die Söderbergs den Anspruch thematisiert die widersprüchlichen, sehnhaben, sich weiterzuentwickeln – ihr viertes Album süchtigen Gefühle nach einer notwendigen »Ruins« zeigt aber auch, dass sie dabei ein Stück weit Trennung, »Postcard« handelt davon, in Richtung Beliebigkeit abgerutscht sind. Songs wie einen ehemaligen Geliebten in liebevoller das vorab bereits veröffentlichte »Postcard« tragen Erinnerung zu behalten. Im Kern bleiben zwar viele gutklassige Elemente in sich, sie sind mit First Aid Kit die ewigen Romantikerinnen, ihrem abgeschmackten Country-Vibe aber eben auch die sich ihr »Rebel Heart« nicht brechen professionalisiertes Kunsthandwerk ohne hörbare lassen wollen. Das Album endet schließlich Kante. Glücklicherweise trifft diese Kategorisierung in majestätischem Feedback-Brummen nicht auf alle zehn Stücke des Albums zu, schlank und zeigt: Am Horizont ist für diese Band arrangierte Folk-Songs wie »To Live A Life« bilden in ihrem Metier auf absehbare Zeit keine wohltuende Ausnahmen. Trotzdem klingt »Ruins« zu oft arg routiniert, manchmal auch schlicht zu poppig, Konkurrenz zu sehen. Thorsten Streck man vermisst den unmittelbaren Ausdruck der Anfangsjahre des Duos. So haben First Aid Kit sich trotz all ihrer unbestrittenen Qualitäten auf diesem Album ein bisschen selbst verloren. »Ruins« ist aber gut genug, um zu ahnen, dass das in der Zukunft nicht so bleiben muss. Vielleicht würde es tatsächlich schon reichen, wieder mehr auf die eigene Intuition zu vertrauen. Henrik Hamelmann

07 Black Rebel Motorcycle Club Wrong Creatures 08 Starcrawler Starcrawler 09 Franz Ferdinand Always Ascending 10 Glen Hansard Between Two Shores

Eure liebsten Platten 01 Feine Sahne Fischfilet Sturm & Dreck 02 Donots Lauter als Bomben 03 Eminem Revival 04 Black Rebel Motorcycle Club Wrong Creatures 05 Wanda Niente 06 U2 Songs Of Experience 07 Gisbert zu Knyphausen Das Licht dieser Welt 08 Kettcar Ich vs. Wir 09 The National Sleep Well Beast 10 Shame Songs Of Praise

Schickt eure Top 10 an charts@intro.de. Alle Einsender nehmen an unseren Ver­losungen teil!

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#Review #Platten vor Gericht

Platten vor Gericht Intro-Leserinnen und -Leser: Mittippen und via intro.de Juror werden!

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Björk Utopia Embassy Of Music / Warner

2

Starcrawler Starcrawler

Lars Eidinger

Blond

Erik Cohen

Bernd Begemann

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Ø 6,05

Ø 6,70

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4

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6

Beastie Boys Ill Communication

Antony And The Johnsons My Lady Story

Germs (GI)

Julian Cope World, Shut Your Mouth

Tricky Maxinquaye

Missy Elliott The Cookbook

Bad Brains Rock For Light

The Zombies Odessey And Oracle

Escape-ism Introduction To Escape-ism

Gossip Music For Men

Joy Division Unknown Pleasures

Joni Mitchell The Hissing Of Summer Lawns

Björk ist wie Tanztheater. Kann richtig gut sein, rutscht aber auch schnell ins Kunstgewerbliche ab. Trotzdem eine Liga für sich. Vor allem in Kollaboration mit Arca. Beim ersten Mal hören richtig schlecht. Beim zweiten Mal hören richtig gut.

Exotisch und unantastbar wie immer. Sie hat Platten gemacht, da waren wir noch ungeboren. Wenn wir sterben, veröffentlicht sie immer noch. Cooler 1970er-Punkrock, amtlich abgeliefert in extravaganter Fashion.

Rough Trade / Beggars / Indigo

3

Shame Songs Of Praise

Richtig gute Band. Haus­ schweine in Bundfalten­hosen.

Teenager kämpfen immer noch gegen Margaret Thatcher — irritierend.

Dead Oceans / Cargo

3

Calexico The Thread That Keeps Us

3

Calexico habe ich noch nie verstanden. Zu viel Musik.

Wüstenpolka, Kaktusrock und Steppenläuferindie — da gibt es bestimmt viele Menschen, die das mögen.

Musik für Tiefseetaucher mit WochenendWald-Domizil. Vielschichtig im wahrsten Sinne. Respekt, leider ungenießbar. Es sei denn, man hat Zeit für so was. Jugendliche OldschoolRock- und -Punk-Songs mit zwiebelndem 1970erAnsatz. Am Ende vielleicht etwas monoton. Aber nicht unsympathisch. Spucken in tieftönender Trockenheit rauchig ein paar dunkle Tropfen aus, sind dabei sicher immer gut gekleidet. Eines Tages wird mir das gefallen. Der Kakteenzüchter in mir macht die Säge! Ich will nicht immer nachgießen.

City Slang / Universal

5

WhoMadeWho Through The Walls Embassy Of Music / Warner

6

Fever Ray Plunge

Gute Platte. Trotzdem bleibt die Gomma-12“ von 2004, »Two Covers For Your Party«, ihr bestes Release.

Köttbullar auf Eis. Bestes Stück ist »A Part Of Us« mit Tami T.

PIAS / Rough Trade

7

N*E*R*D No One Ever Really Dies Columbia / Sony

8

Noel Gallagher‘s High Flying Birds Who Built The Moon?

»You think posing will save your day / You can’t be me I’m a G-Star / I’m rhymin’ on the top of a cop car / Fuckin’ posers, it’s almost over now.« Ist nur gut, wenn er schlecht über seinen Bruder redet.

Wir vermissen die »Auf die Fresse«-Attitüde der ersten Platten. Live immer noch großartig. Wir warten lieber auf das nächste Album.

Das klingt nach einer elektrifizierten Puppenstube. Das ist gut und richtig, stellenweise aber sehr anstrengend.

Superhelden, die zusammenarbeiten und mit magischer Kraft versuchen, nach holprigem Proberaumsound zu klingen, finden wir klasse.

Zickende und eingeschnappte LeberwurstGeschwister, so was mögen wir nicht.

Sour Mash / Indigo

9

Glen Hansard Between Two Shores

Rock-Opa-Romantik und Texte aus Songwriting for Dummies.

Anti- / Indigo

10

Eminem Revival Universal

All Time Faves

Die Idee, »I Love Rock’n’Roll« zu samplen, hätte auch von Kid Rock sein können, von Pamela Anderson, David Hasselhoff, K.I.T.T. oder von Donald Trump.

Brauchen Sie eine neue Waschmaschine? Springt der Wagen nicht an? Brauchen Sie eine neue Schallplatte? Glen Hansard kann helfen. Eminem ist die Geisel seiner Pop-Feature-Gäste. Das klingt erst einmal spannend, ist aber leider sehr langweilig. Rappen kann er.

Indiepoppig glänzende Klangmosaike, die haben bestimmt lange Elektrotechnik studiert. Ich nicht, bin da aber nicht neidisch.

Pop-Songs aus Stahl. Etwas verspukt tönendes Unbehagen in 1980erSynthie-Sound-Ästhetik.

Klingt auf Anhieb bedingt gut. Ich mach lieber auf Pusher und gehe Clipse hören.

Legt chemisch los wie die Feuerwehr und steckt sich dabei auch mal selbst in Brand. Interessant. Noel ohne Liam, irgendwie fehlt mir immer was. Schöne Lieder für belesene Weltenbummler und rotweinsüchtige Möchtegern-Kamin-Bumser.

Sicher ein dankbares Album für undankbare Fans und Kritiker.

Eine Passionsgeschichte und ein Testament. Björk torkelt durch den Garten ihres Lebens, berauscht sich an diversen Giftfrüchten und erahnt das Jenseits. Hoffnungsträger einer Metal-Punk-Pop-Wiederauferstehung. Die wild performende Sängerin klingt aber seltsam zahm, eher nach Cabaret als nach Rock. Die Rückkehr der Libertines als Shoegazer mit dem Sänger von The Ruts! Geniale Idee! England braucht eine neue große Band. Shame sind sehr gut.

Angenehmer Mix aus Tex-Mex, Americana, Spielzeug-Funk von einem Haufen verschrobener Musikliebhaber. Calexico ist die Alternative-Act-Quersumme. Super clean, super dänisch, super nivelliertes Songwriting.

Psycho-Electro-Pop, der gerne mal um sich schlägt. Abwechselnd eingängig und schroff, was angemessen ist.

Comeback des Jahres. Verspielt, vertüddelt und trotzdem tödlich akkurat auf Amerikas schwarzes Herz zielend.

Gerade, als man denkt, dass er ein Glam-RockRevival starten möchte, wird seine Platte Electro-PopGitarren-Indie .

Solide. Hübsche, klassizistische Arrangements. Zu viele langweilige »Beziehungssongs«, die sich um die Suggestion einer Tiefe bemühen, die einfach nicht da ist. … und wieder muss die Welt seinen Schmerz fühlen.


#Review #Platten vor Gericht

Leyya

Donots

Veedel Kaztro

And The Golden Choir

Ingo

Christian Mählitz

Christian Steinbrink

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Leser

Intro

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Led Zeppelin Led Zeppelin I

Johnny Cash American III: Solitary Man

Unbroken Life. Love. Regret.

Talk Talk Spirit Of Eden

Massive Attack Blue Lines

Fugazi The Argument

The Beatles Magical Mystery Tour

Slayer Reign In Blood

... But Alive Für uns nicht

Frank Ocean Blonde

Stars Of The Lid The Tired Sounds Of Stars Of The Lid

Die Regierung Unten

Radiohead In Rainbows

Bad Religion No Control

Refused The Shape Of Punk To Come

Moondog More Moondog

Nico Muhly Speaks Volumes

Chokebore Black Black

Produziert von Arca. Da fällt natürlich vor allem die kreative Soundpalette auf. Kombiniert mit Björks Melodien und Flötenarrangements ein gelungenes Album.

Solide Rocksongs kombiniert mit solider Produktion. Zu wenig, um je wieder davon zu hören, obwohl diese Musik in einem Live-Kontext vermutlich gut funktioniert. Scheint wie eine neue Bewegung, die man noch nicht einordnen kann. Das Wichtigste an den Songs, die Energie, schwappt auf jeden Fall gut auf den Hörer über! Großteils klassische Band-Instrumentierung, wechselhafte Genre-Motive, aber dennoch abwechslungsreich. Klingt sehr organisch, warm und analog. Atmosphärische, aber dennoch konkrete elektronische Musik. Die Musiker haben offensichtlich Mühe ins Detail gesteckt — jeder Sound ist dort, wo er sein soll. Gewöhnungsbedürftige Stimme, wobei ein Wiedererkennungswert gegeben ist. Absolut frische Produktion, geschmackvoll eingesetzte elektronische Sounds. Gibt auf jeden Fall GoldMomente, aber auch das Gegenteil. Die Platte wirkt, als wäre sie in kurzer Zeit entstanden, was wiederum die Spontaneität einfängt.

Klassische GallagherSongs, aber trotzdem irgendwie anders. Wenn man auf Oasis und/oder die Gallagher-Family steht, ein Must-have. Man würde ein reines Akustik-Gitarren-Album erwarten, wenn man seine Musik nicht besser kennt. Nette Musik, wobei sie nicht wirklich progressiv ist. Der Flow von früher zieht sich nach wie vor durch die Platte, auch seine Phrasierungen sind kreativ. Die Produktion ist für unseren Geschmack etwas zu safe.

Mit der Platte verhält es sich wie mit Teilchenbeschleunigern: Beeindruckend, wie gut gemacht das ist, aber ich wüsste es nicht zu benutzen. Erfindet das Rad jetzt nicht neu, aber ein Auto fährt ja auch mit vier staubigen Rädern aus der Garage, wie es soll. Dürfte live ganz gut knallen. Schön britisch, schönes Understatement, schön schnodderig. Kannte ich bis dato nicht, mag ich in drei ... zwei ... eins ... JETZT!

Wahnsinnig gute Frühstücks-Musik (was ein echtes Lob ist). Könnte ich den ganzen Tag lang glücklich Croissants zu essen und Kaffee trinken. Zehn Punkte für den Bandnamen. Das klingt wie das, was nachts in Clubbing-Radios läuft, wenn man besoffener Beifahrer ist und nix mehr peilt. Eine tolle Album-Produktion wie eines dieser Wimmelbild-Bücher meiner Tochter: Man entdeckt immer wieder was Neues, zum Beispiel Elefanten. Ich sauf gerade mit Glen, während wir probieren, Björks Teilchenbeschleuniger zu benutzen. N*E*R*D kriegen derweil wieder alle Grammys. Ich vergebe die Höchstpunktzahl schon allein deswegen, weil ich Schiss habe, dass der mir ansonsten bei einem Open Air auf die Omme haut. Ich hoffe sehr, dass Glen säuft. Würde gern mal mit Glen saufen gehen. Der Abend würde so super und ehrlich wie dieses Album, ich schwör! Irre ich mich, oder hat Slim Shady früher mal aggressiver und pointierter abgeliefert? Immer noch ganz gut, aber nicht mehr so zwingend.

Legende. Musik, um nachts bekifft durch die Stadt zu rennen. Schwer, aber schön. Ihr Gesang ist quasi das Gegenteil von diesen Eminem-Hooks. Neue Band, die nach den 1970ern klingt, aber gut. Zweistimmig auch nice. Geht auf jeden Fall ab.

Joa ... klingt wie ‘ne britische Punk-Band, die es vor vielen Jahren schon mal in besser gab.

Nichts zum Mitsingen oder was lang im Ohr bleibt, aber sehr angenehm zu hören. Ziemlich einmalig, ohne besonders prägnant zu sein. Ein paar sehr nice Songs dabei, zum Beispiel der Titeltrack. Wüsste aber ansonsten nicht, in welcher Situation ich so was hören würde.

Kenne ich wahrscheinlich von »arte Tracks«. Absolut untanzbar. Ist eher wie eine Ansammlung von Geräuschen. Stimme ist nice, aber anstrengend. Ziemlich chaotisch. Auf Future hab ich mich gefreut und war enttäuscht. Wie immer ein paar sehr schöne Synthies dabei, aber wo sind die Hits? Klingt wie Oasis. Also ganz nett. Freunde von mir feiern das aber.

Musik, die live von Paaren gehört wird, bei denen der Junge hinter dem Mädchen steht, seine Arme um sie hat und sie festhält. Einfach schön. Horror. Wie ein endloses Mixtape aus PophookSchnipseln, Em ist eigentlich auf jedem Song überflüssig. Auch ein paar sehr peinliche Lines sind dabei.

Sofort verliebt, als sie mit Sugarcubes bei MTV auf dem Bett rumzottelte. »Debut« und »Homogenic« waren beeindruckend. Gesang wiederholt sich leider sehr. »Love’s Gone Again« erinnert an »Jungen Mädchen« von Hund Am Strand. Gitarrensound super. Schlagzeug wie Rasmus Engler.

Die Stimme reizt meine Dark-Wave-Wurzeln. Der Wein ist gut, wenn auch bekannt. Aber ich vermute, nach dem dritten Schluck ist mir das wieder zu viel Vanille. Mit DJ Five in der Küche zum ersten Mal gehört. Mit »Sunken Waltz« meine Hochzeit angetanzt. Dann ihre Shows mit ATGC eröffnet. »Oh Junge« <3 Spannend, starker Start. Hält sich leider nicht über das Album. An der Stelle dann doch nicht so aufregend wie Arcade Fires Dance-Momente oder Hot Chips Eleganz. Ist bei meinem freitaglichen Neuerscheinungstest durchgefallen. Bleibt beim zweiten Hören uninteressant. Fand ich früher richtig gut! Wirklich! Da ist auch Ed Sheeran wieder. Jetzt kommen Lamar und M.I.A. vorbei, und es wird besser. Aber kurz danach verwischt sich der einzige aufreizende Moment wieder. Was ist los? Liegt es am Wein? Mir ist langweilig. Moment, ich öffne was von der Mosel. Ist wie bei »Dark« — welches Jahr haben wir?

Da steht was von »wie Leonard Cohen« im Info. Da hab ich mich gefreut. Aber da ist nichts von Cohens Tiefe und Magie. Abgehangen und ohne Kribbelmomente. Gute Zeit für Eminem, könnte man meinen. Aber klingt wie Hasselhoff in »Baywatch«, Staffel 666. Das Duett mit Ed Sheeran treibt die Spotify-Klickzahlen hoch.

Homogenes Flötengedeck mit allerlei Stimmeinlage als leichter »Vulnicura«-Nachtisch.

Dieser köstlich schrammelnde Gitarren-Bandsalat wütet so vor sich hin.

What a sweet disorder guitar meal with honest lyric topping.

Unaufdringlich dahergestaubt, kriecht die Musik flüssig durch den Gehörgang und hinterlässt ein wohlig warmes Gefühl der Vertrautheit im Abgang. Eine Prise Electro plus Tanzbeat. Tut nicht weh, aber schwer genießbar für Auto-Tune-Allergiker.

In kleinen Dosen verabreicht, lässt sich auch dieses synthetische Ohrenfutter verarbeiten.

Dieser kalt glänzende Riesenpopbrocken wurde von vielen Köchen rundgelutscht und schmeckt ... grellklebrig künstlich.

Eine Platte wie ein Picknick auf einer großen Blumenwiese mit guten Freunden und allem, was dazugehört — garniert mit Mondstreuseln. Angenehm instrumentierte Zwiebackmusik für den richtigen Moment.

Gehaltvolle Wortsuppe mit Jesus, Terror, dicken Popos, Autos, Messern, Lügnern, falschen Brüsten, goldenen Herzen ... liegt schwer im Magen.

Klar macht es Björk den Fans ihres Pop immer schwerer, klar wirken manche ihrer Kniffe überholt. Trotzdem ist ihre Zusammenarbeit mit Arca wieder gelungen. Glam, Psych, Punk und Rock der 1970er, und ich bin erstaunt, wie wenig mich das langweilt. Eingängiges Songwriting gepaart mit enthusiastischer Spritzigkeit. Britischer Postpunk, so wirkungsvoll wie glaubwürdig und vielseitig. Wer dafür auch nur ein wenig Sinn besitzt, kann sich davon mitreißen lassen.

Einerseits ist das routiniertes, sehnsüchtiges Kunsthandwerk, andererseits verbreitern Calexico ihren Sound. Gefällt, auch wenn der Novelty Effect verpufft ist. Ich bin positiv überrascht von der Ruhe und Eleganz des Albums. Synthie-Pop, der manchmal sogar an das transzendente Potenzial der späten Talk Talk heranreicht. Mag ich immer dann, wenn die Arrangements ins Abstrakte gehen und an Dichte und Substanz gewinnen. Ihre Inszenierung ist sonst oft zu fad. Wirkt hilflos und zerfahren. Pharrell & Co. hätten sich konzentrieren und auf ihre alten Stärken besinnen sollen, dann hätte das was werden können. Ich respektiere, dass Noel sich letztendlich doch einmal was getraut hat. Und einige dieser Versuchsanordnungen finde ich sogar richtig gut.

Ist zweifelsohne gut, für meinen Geschmack aber ein bisschen zu sehr klassischem Rock und Folk verhaftet. Dad-Rock im besten Sinne. Das Album ist nicht so schlecht, wie viele Kritiker meinten. Eminem hat einfach nur den Fehler begangen, die guten Songs auf der LP zu weit nach hinten zu packen.


102

#Review

Spektakel

Tocotronic Die Unendlichkeit Vertigo Berlin / Universal

Weise schön. Was nach braver Hausmusik klingt, entpuppt sich jedoch auf »Resolve« als Überwindung klassischer Konventionen: Die Klavier-Saiten werden mit Plektren oder Drumsticks traktiert, die Klangspuren digital neu arrangiert und die Kompositionen mit verfremdeten Sounds von Gastmusikern veredelt. Diese Herangehensweise ist in der Neoklassik-Szene nicht neu, und so entspinnt sich ein alter Streit, der diesmal nicht zwischen U und E, sondern K und N – also Klassik und Neoklassik – ausgetragen wird. So ätzte ein Guardian-Kritiker, diese Musik sei ungefähr so aufregend und echt wie ein Sonnenuntergang auf Instagram. Und wieder wird von Puristen die Authentizität von Musikern wie Ackroyd, Nils Frahm oder Ludovico Einaudi in Frage gestellt, die es wagen, neue Wege zu gehen, bis sie irgendwann etabliert wie Glass im Glashaus der Kritiker und Konzertgänger sitzen dürfen. Aber bis es so weit ist, fliege bitte weiter so frei, liebe Poppy! Kerstin Kratochwill

Die erste Autobiografie Tocotronics kommt mit Ton und ist besser, als selbst kühnste Träumer hätten vermuten können.

Ich hatte mir fest vorgenommen, in diesem Text nicht (mehr so) selbstbezogen zu sein. Aber ich kann nicht anders, ich werde den Verdacht nicht los: Tocotronic haben mich erhört. Denn ihr zwölftes Album »Die Unendlichkeit« besitzt viel von dem, was ich mir seit Jahrzehnten von dieser Band gewünscht habe. Sogar Aspekte, von denen ich gar nicht ahnte, dass ich sie mir wünschte. »Die Unendlichkeit« macht vorerst Schluss mit nebulösen Formulierungen, mit Gleichnissen, mit Metaebenen und undurchsichtigen, bei Andeutungen belassenen Satzfetzen. Der Ansatz, der offenbar zum Motor wurde, heißt: Autobiografie. Fast alle der zwölf neuen Songs haben mit dem Lebenslauf ihres Frontmanns Dirk von Lowtzow zu tun – teilweise sind Stationen und Erlebnisse so konkret benannt wie in der Musik der Band schon seit fast 20 Jahren nicht mehr. Und diese Anhaltspunkte haben von Lowtzows Lyrik auch greifbarer gemacht als alle anderen Texte in dieser Zeit. Damit aber nicht genug: Auch musikalisch ist »Die Unendlichkeit« ein wunderbares Hauptwerk geworden. Stilistisch haben Tocotronic alle Anspannung fahren lassen, sie haben in Arrangements und Instrumentierungen oft groß gedacht und so eine Musikalität offenbart, die selbst forsche Fans kaum bei ihnen vermutet hätten. Natürlich hat viel davon mit Einflüssen dieser pophistorisch hochgebildeten Herrschaften zu tun, ihre Zitierungen sind dabei aber so smart und originell wie eh und je – nur eben noch mutiger, noch breiter gefächert. Dementsprechend reichhaltig und fruchtbar sind die Ansätze, Tocotronic durch dieses Album zu folgen. Die Einsichten daraus sind so wertvoll wie die befriedigende Freude, die dieses Album auch bringt. Ich kann es nicht anders sagen: Dass Tocotronic noch einmal so gut werden würden, überstieg meine Vorstellungskraft. Und vermutlich die vieler anderer Fans auch. Christian Steinbrink

Poppy Ackroyd Resolve One Little Indian / Indigo / VÖ 02.02.18

Eine neue Generation von Musikern ist ausgezogen, um junge Menschen mit instrumentalen Stücken ohne SmartphoneHooklines zu begeistern: Herausgekommen ist das Genre Neoklassik, dessen strahlendste Vertreterin Poppy Ackroyd ist. Irgendwo zwischen der Minimal Music eines Philip Glass und den Piano-Innovationen eines Nils Frahm hat sich Poppy Ackroyd niedergelassen. Sie hat dabei eine ganz eigene Herangehensweise an ihre Instrumente entwickelt: Piano, Violine, Harmonium und Spinett spielt sie auf eine eigenwillige Art und

And The Golden Choir Breaking With Habits Caroline / Universal / VÖ 02.02.18

»Weiter, immer weiter«, forderte schon Olli Kahn. Auch Tobias Siebert sucht mit seiner Solo-Unternehmung And The Golden Choir sein Heil in der Flucht vor dem Status quo. Mit dem Ablegen von Gewohnheiten ist es so eine Sache, gerade jetzt im noch jungen Jahr. Ist der Stichtag verpasst, wird so manche edle Absicht über den Haufen geworfen. Schließlich gestalte sich ja auch sonst nichts einfacher, beschwert man sich. Tobias Siebert hingegen blieb auch im Klez.eReaktivierungsjahr 2017 ganz offensichtlich noch genügend Muße, Vorsätze hinsichtlich seines Solo-Projektes zu fassen – und sie konsequenterweise auch gleich in die Tat umzusetzen. Denn »Breaking With Habits« ist genauso anders, wie sein Titel gebietet. Fest entschlossen, in Bewegung zu bleiben, hat Siebert der spröden, leicht antiquiert anmutenden Schönheit seiner letzten LP »Another Half Life« ein paar klangliche Updates verpasst. Herausgekommen sind blitzsaubere, wertige Popsongs, formschöne Designerstücke und handliche Hymnen von enormer Vielschichtigkeit, stets verfeinert mit einer Prise Drama. Laufend zaubert Siebert neue Spielgeräte aus dem Hut, gibt neue Rhythmen vor, entwickelt magische Sprachbilder und scheint sich dabei an nichts gebunden zu fühlen. So sorgt »The Jewelry« für einen unerwartet orientalischen Auftakt, in »Air Fire Water« knödelt plötzlich die Elektronik los, und »Joker« schleppt sich dann wieder so wehklagend über die Klaviatur, dass man seufzen möchte. Dennoch klingt And The Golden Choir niemals aufgebläht oder gar überkandidelt, sondern immer maßvoll, schlank und elegant. Könnte man sich glatt dran gewöhnen, wenn nicht ... ach, egal. Valentin Erning

Awolnation Here Come The Runts Red Bull / Sony / VÖ 02.02.18

Awolnation legen alle vorgebliche Düsternis zu den Akten und geben sich ganz dem Pop hin. Durch den daraus resultierenden Unterhaltungswert gewinnt die Band ungemein. Aaron Bruno fiel es nie schwer, all die abgeschmackten Klischees über seine Heimatstadt Los Angeles zu bestätigen: Seine Band Awolnation zeigte auf den beiden bisherigen, in den USA äußerst erfolgreichen Alben jedes denkbare Charaktermerkmal – außer Eigenständigkeit. Der Synthie-Rock der Band war in allererster Linie darauf gepolt zu gefallen – und zwar einem möglichst großen Publikum. Daran ändert sich nun auch mit »Here Come The Runts« nichts, allerdings schafft es Bruno, seine Gefallsucht in ein stilistisch sehr buntes Gewand zu gießen: Metal und Punk, Synthies, Rave, Rap und Folklore – alles wird bei ihm zu Pop. Die Zutaten erhalten sich aber ihre eigenen Charakteristika und so ihren ungehobelten Unterhaltungswert. Natürlich werden Awolnation nicht plötzlich zur distinguierten Indie-Band, sie beweisen aber mehr denn je ihr musikalisches Talent und ein Händchen für Eingängigkeit in vielen Disziplinen. Ein Stück weit wirkt das Album wie ein voraussetzungsloses Zusammentreffen von Weezer und den Beach Boys, deutlich seltener als früher kommen die unsäglichen 30 Seconds To Mars in den Kopf. Vielmehr macht »Here Come The Runts« Spaß, ohne seine Hörer vor auch nur die leichteste Aufgabe zu stellen. Das darf man auch mal einfach nur erfrischend finden. Henrik Hamelmann

Bernd Begemann Die Stadt & das Mädchen Popup / Soulfood

Nach der Opulenz folgt die Schlichtheit: Von Kai Dorenkamp am Klavier begleitet, schafft Bernd Begemann eine ideale Soundkulisse, um die Geschichte einer Frau zu erzählen, die in der Großstadt strandet. Bernd Begemann hat die Stadt München ausgewählt, um das Drama einer Frau zu erzählen, die von der großen Metropole alles will, aber nicht viel bekommt. Das ist in etwa der Rahmen, den der Liedermacher für seinen melancholischen Liederzyklus abgesteckt hat. Dabei vergisst er natürlich nicht, nach links und rechts zu schauen und bei all den privatpolitischen Beobachtungen (Abschied von den Eltern, Heimweh und Einsamkeit) den zeitaktuellen Bezug mitzudenken. In »Teil der lebendigen Stadtteilkultur« nimmt er die behäbigen Wohlstandskinder aufs Korn, die ihr Bruschetta essen, ihren Cappuccino trinken, sich langweilen. Großstadt kann eben auch zu Trägheit führen, will man sich dem Diktat der Schnelligkeit nicht mehr unterwerfen. Die Protagonistin in dieser charmanten Szenerie startet mit neugieriger Euphorie in ihr neues Leben, strauchelt aber auch, die Stadt überfordert sie zwischendurch. Vielleicht hatten die Eltern doch recht, und sie gehört hier nicht her. Dabei stellt Begemann das urbane Lebenskonzept zwar nicht in Frage, zeichnet aber ein realistisches Bild davon: Es ist ein Auf und Ab, wie im Leben letztlich auch. Die ausufernde Sprache des Indie-Dandys wird dabei vom Holterdiepolter des Klaviers unterstützt. Dennoch gibt es auch die stillen Momente, die ruhigen Zwischenspiele. Traurig wird es in »Die Nacht der Abtreibung«, ein Stück, das genau das titelgebende Thema behandelt. Nach der ausufernden letzten Platte hat Bergemann bewusst die reduzierte Variante gewählt, das ist angenehm kurzweilig, gut


#Review getextet, schön gespielt. Dennoch ist das Album, verglichen mit den Glanztaten, die er mit seiner Haus-und-Hof-Band Die Befreiung kreierte, eher als Interimswerk zu verstehen. Es sei ihm gegönnt. Kai Wichelmann

Blindsmyth Blind

auch die luftig groovende Klavier-Nummer »Wild Bird Tree«. Doch nirgendwo macht es sich Borchert zu lange bequem. Sie wechselt von beschwingtem Piano-Geklimper zu gehauchtem Sprechgesang, bürstet eine treibende Electro-Pop-Nummer mit düsterdissonanten Synthies gegen den Strich. Sie swingt, schmachtet und flüstert, ist dramatisch, lasziv und verspielt, verwebt mit ihrer Band und Produzent Olaf Opal Jazz-Piano, triphoppiges Schlagzeug, frickelige Electronica, orchestrale Opulenz und mehr zu einer kunstvollen, aber nicht überkandidelten Platte. Bei so schönen Klangdetails lässt sich auch der Eso-Touch der naturverliebten Texte problemlos verschmerzen. Nina Gierth

Cosmic Society / VÖ 09.02.18

Simon Schmidt bereitet überliefertes House- und Techno-Rüstzeug auf, nimmt es jedoch nur enttäuschend in Anspruch. »Blind« ist ein überwiegend uninspiriertes Debüt, das Altbekanntes restauriert. Wenn sich elektronische Experimente angeblich in Schlagdistanz zu grenzgängerischen Stil-Laboranten wie Thom Yorke oder Bonobo befinden, dann stehen sie natürlich unter der kritischen Beobachtung des wachsamen Kreativitätsdespoten. Wenn Lobhudelei bereits im Vorfeld so preisend wie bei »Blind« ausfällt, dann werden vermeintliche Analogien auf Eigentümlichkeit und Referenzbegehren geprüft. Die Enttäuschung ist dann oftmals größer als die Erwartung. Unter dem sicher unfreiwilligen Druck dieser im Nachhinein ironisch anmutenden Vorschusslorbeeren befleißigt sich der Berliner Sequenz-Modulator Blindsmyth zwar um eine ausgefallene Stilmultiplikation mit eingestreuten Jazz-, Funk- und Electronica-Schnipseln, Parallelen zum Radiohead-Mastermind werden jedoch bloß klischiert: Natürlich sind hier assoziierte Gefühle einer postendorphinen Vormittagsdepression – in Begleitung urbaner Geräuschkulissen – klangkosmisch aufbereitet, letztlich aber konterkarieren sie jeglichen Ansatz von Originalität. Entsprechend der lexikalischen Reminiszenzen an melodiöse Deep-House-Konsonanzen der letzten Jahre handelt es sich hier mehr um ein Pastiche, das den Anschein innovationsscheuer Überforderung weckt. Die analoge Indikation aus MPC-Elementen, gepitchten Vocals und überambitionierten Field Recordings wird in »Blind« blindlings durch die induzierte Reiz-Reflex-Mechanik aus dem Gleichgewicht gebracht. Einzig die getakteteren und reduktionistischeren Tech-HouseMomente in »Eremit« tragen dazu bei, dass das Album auf einem Bein stehen bleibt. Benni Bender

Anna Burch Quit The Curse Heavenly / PIAS / Rough Trade / VÖ 02.02.18

Auch 2018 gilt: Frauen machen die bessere Gitarrenmusik. Zum Auftakt spielt Anna Burch schick angesüßten Jingle-Jangle-Indie-Rock. Zum Jahresauftakt 2017 besprach ich das Debüt von Molly Burch, in der ich spontan den weiblichen Mac DeMarco erkannte – zwölf Monate später jetzt die (nicht verwandte oder verschwägerte) Anna Burch, ebenfalls ein Debüt und wieder schön zurückgelehnter Fifties-Rock’n’Roll ohne richtig Rock, dafür mit Hooks und Licks aus den Himmelbetten der Sehnsucht, Texten aus den Feldern Love und Life und Harmonien, die Euphorie und Traurigkeit ausbalancieren wie die späten Beatles! Anna Burch kommt aber anders als Molly nicht von Jazz und klassischem Songwritertum, sondern ist ein Gewächs der Detroiter Indie-Szene, spielte schon bei den Failed Flowers, einer Band um Fred Thomas, dem Mastermind der Indie-Twee-Gruppe Saturday Looks Good To Me. Ihren Hang zu C86 hört man auch »Quit The Curse« an. Falls noch mehr Referenzen nötig sind: Klar klingt das auch wie Mitski, Angel Olsen oder Waxahatchee, und wären das Jungs, hätten wir Journaille-Boys da längst eine Bewegung draus gebastelt oder zumindest eine »School of ...«. Aber auch ohne den Verweis, dass momentan Frauen die einzige spannende Gitarrenmusik machen, ist das hier eine supersympathische, melodieselige Jingle-Jangle-Platte für den Frühling, der ihr da draußen hoffentlich schon entgegenrennt. Steffen Greiner

Johanna Borchert Love Or Emptiness Enja / Yellowbird / Soulfood

Die Wahlberlinerin Johanna Borchert kommt aus dem Jazz. Ihre Kreativität ist aber auch in anderen Gefilden bestens aufgehoben. Schon auf ihrem letzten Soloalbum »FM Biography« schimmerte ihr musikalischer Hintergrund nur dezent durch. Und auch auf »Love Or Emptiness« sind jazzige Rhythmen und Harmonien lediglich lose eingestreut. Jazzig ist hier vor allem eine gewisse »Anything goes«-Attitüde. Die zwölf Tracks sind Pop, jedoch mit jeder Menge Spielraum. Da gibt es zugängliche Kost wie die Titelballade und das getragene »Sunsister« mit üppig angedickten Mitsing-Refrains oder

getrost ausruhen. Aber natürlich bringt jedes neue Album eine neue Gemütslage mit sich, die äußeren Umstände verändern sich, und davon will einer wie Burns gerne Zeugnis ablegen. Ganze 15 Songs entsprangen seinen vielen Wanderungen im Norden Kaliforniens im Frühjahr und Sommer 2017, die schon beim Opener »End Of The World With You« mit hoffnungsvollen Dur-Akkorden und einem wilden Gitarrensolo in bester J-MascisManier aufhorchen lassen. Auch die Abkehr vom angestammten WaveLab-Tonstudio in Tucson hinein ins Panoramic House mit seiner gigantischen Instrumentenkollektion schuf unerwarteten Mehrwert. Calexico verstehen die Kunst der sanften Modernisierung. Das freudige Geraschel bleibt erhalten, neue Schattierungen jenseits von Cumbia-Elementen und Mariachi-Trompeten bringen spannende Abwechslung und ergänzen die tiefgründigen Texte um private und politische Ängste mit ehrfurchtsvoller Gelassenheit. Hier wirkt noch lange nichts verbraucht. Klaas Tigchelaar

Calexico The Thread That Keeps Us

Erik Cohen III RYL NKR / Rough Trade

Ein finsterer Kapuzenmann hält einen dreiarmigen Kerzenleuchter in der Hand. Doch so gothic, wie das Cover-Artwork weismachen will, klingt das dritte Soloalbum des ehemaligen Smoke-Blow-Shouters Erik Cohen nicht. Von dem Wave-Rock-Fundament des Vorgängeralbums »Weißes Rauschen« hat sich Daniel Geiger, der sich bei seiner in Altersteilzeit gegangenen Hardcore-Band Smoke Blow Jack Letten nennt und sich für sein Soloprojekt das Pseudonym Erik Cohen gegeben hat, weit entfernt. Die schnellen Maiden-Gitarren der Gangster-Geschichte »Mexikanische Lieder« erinnern an die New Wave of British Heavy Metal. Mit den grummelnden Stakkato-Riffs im Refrain von »Hart am Overkill« huldigt Cohen (wie es der Titel schon andeutet) Motörhead. Sogar der schunkelige Pubrock von Oasis hat den Kieler zu drei Songs inspiriert (»Sonne«, »Spur der Steine«, »Altes Feuer«). In der GothicMottenkiste kramt er bei »Belphégor«, einer Hommage an die trashigen Grusel-Hörspiele von Jason Dark mit Misfits-Danzig-Geknödel. Dieser Song macht dann auch endgültig klar, wie man Cohens Texte zu nehmen hat: am besten nicht so bierernst. Auch wenn viele Lyrics in Ordnung gehen, schrammen einige nur haarscharf an Kitsch und Klischee vorbei. Das fällt deutlich stärker ins Gewicht, da Cohen, anders als bei Smoke Blow, auf Deutsch singt. Wer darüber hinweghören kann, geht hier wieder auf einen wilden Ritt durch die vergangenen Jahrzehnte der Rockgeschichte – bloß, dass Cohen jetzt noch mehr Licht in die Düsternis der Vergangenheit gebracht hat. So wie der Lichtbringer auf dem Albumcover. Till Stoppenhagen

City Slang / Universal

Das Gute an Bands wie Calexico ist, dass man sich bei jedem Album auf den patentierten Sound verlassen kann. Klingt größtenteils wie immer, aber dann doch erstaunlich fröhlich und präsenter als erwartet. Joey Burns wird mit seiner Band immer noch einbestellt, wenn es um authentischkribbeligen Wüstensound zwischen Mariachi und Schepper-Gitarre geht. Darauf könnten sich Calexico auch nach 20 Jahren noch

Hollie Cook Vessel Of Love Merge / Cargo

Dieser Musik scheint die Spätnachmittagssonne aus allen Poren, ganz ohne Klischee. Songwriter-Pop-Reggae der feinsten Sorte, der auf dem dritten Album auch von Produzent Youth nicht kaputt zu kriegen ist. Wahrscheinlich gehört es zur Chronistenpflicht, noch einmal zu schreiben, was ohnehin in jedem Text zu Hollie Cook steht: Dass sie die Tochter von Sex-Pistols-Drummer Paul Cook und Culture-Club-BackgroundSängerin Jeni Cook ist, dass Boy George ihr väterlicher Freund ist und David Bowie auf sie aufgepasst hat als Kind, dass Ian Brown sie protegiert hat und dass sie mit Ari Up befreundet war – nicht zuletzt gehörte Cook zur letzten Besetzung der Slits. Für ihre Musik scheint all das nicht von Belang. Obwohl, Letzteres vielleicht doch: Schließlich meinte es Ari Up mit den New Age Steppers und dem Dub-Reggae der ersten Welle von Acts auf dem legendären On-U-Sound-Label sehr ernst. Für Hollie Cook war sie jedenfalls ein starker Einfluss: Der ihr gewidmete Song »Ari Up« eröffnete Cooks zweites Album, und die Leidenschaft für Reggae stand bei der jungen Londonerin stets außer Zweifel. Dem frönte sie auf den ersten beiden Alben ungefiltert: Rocksteady und Lover’s Rock alter Schule, Brit-Ska-Elemente und Dub-Sprengsel, viel Bass und ihre schöne helle Stimme. Auch wenn sie selbst das Ganze »Tropical Pop« nennt, ist es doch ziemlich klassischer Reggae im Stile von Phyllis Dillon oder Marcia Griffiths. Das ändert sich auch auf dem dritten Album »Vessel Of Love«, diesmal unter der Regie von Produzent Martin »Youth« Glover (U2, Pink Floyd), Gott sei Dank nicht. Der trimmt das Ganze zwar mit weniger Bass und mehr Keyboards ein wenig in Richtung Lily Allen und Radiotauglichkeit, aber er nimmt der Musik nicht ihre ursprüngliche Schönheit. Und die kommt aus den geradezu psychedelischen Melodien, die eine Art melancholischen Optimismus verbreiten, genauso wie aus den sich meist um Beziehungsfacetten drehenden Texte. Musik wie die Wintersonne, die nicht nur Schnee zum Schmelzen bringen kann, sondern früher oder später auch jedes Herz. Claudius Grigat

Kyle Craft Full Circle Nightmare Sub Pop / Cargo / VÖ 02.02.18

Kyle Craft ist auch auf seinem zweiten Album ein unzähmbares Biest. Der ehemalige Krokodiljäger Kyle Craft nahm nach dem Ende einer langen Beziehung in der Wäschekammer ein Energiebündel an Rockplatte alter Schule auf und sorgte damit und seiner irren Bühnenpräsenz für großes Staunen. Zwei Jahre und ein Projekt mit Coverversionen diverser Frauensongs später folgt nun das gleiche Spiel wie beim Vorgänger abzüglich der großen Trennungsschmerzen. Auch die Wäschekammer ist inzwischen ein echtes Aufnahmestudio geworden. Craft büßt dabei jedoch keinen Tropfen Herzblut ein und legt gleich los, als ob er eine ganze Bienenarmee im Höschen hätte. Das Double-Feature »Fever Dream Girl / Full Circle Nightmare« rauscht voller Energie am Hörer vorbei, und man glaubt, hier einen jungen Mick Fleetwood mit einer deftigen Portion Rock-Rebellion zu hören. All das kratzt natürlich wieder hart an sämtlichen Genre-Grenzen und manchmal auch hart drüber, doch gerade die ungezähmte Art und die polarisierende Stimme sind Crafts Selling Point. So lacht der Songwriter, der inzwischen in Portland lebt und sich hier an Gitarre und Piano austobt, dem weichgeklopften Zeitgeist

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104

#Review

Spektakel

Glen Hansard Between Two Shores

bemühte Roadtrip-Pop in »Belong« völlig aus dem Rahmen. Auch »About Us« hat einen anbiedernden Beigeschmack und schielt in Richtung Imagine Dragons. Das passt weder zu Carrabbas Stimme noch zum Rest des Albums, das eigentlich ein glaubwürdiges Comeback darstellt. Es ist nicht nur das Seelenleben, das auf dieser Platte zelebriert wird: Die Single »We Fight« ist immerhin ein Aufruf an alle, die mit dem neuen politischen Klima in den USA nicht einverstanden sind. Das letzte Stück »Just What To Say« hat genau die richtige Mischung aus nachdenklichem Text und herzzerreißender Gitarre, um eine nostalgische, aber angeregte Suche nach alten Mix-CDs zu initiieren. Elisabeth Haefs

Anti- / Indigo

Die gelassene Bescheidenheit dieses folkigen KammerSoul ist in Wahrheit genial arrangierte Größe.

Glen Hansard ist der Stärkste unter den Unbekannten. Selbst Nachbarn, Freunde oder Arbeitskollegen aus der Welt abseits der Musikmedien, die dennoch mehr als nur Radio hören, zucken bei dem Namen bis heute mit den Schultern. Woran auch seine Oscar-Nominierung für einen Song aus seinem Film »Once«, der sogar als BroadwayMusical umgesetzt wurde, nichts geändert hat. Spielt man ihnen dann aber ein Album wie dieses vor, öffnen sich ihre Herzen augenblicklich zu Euphorie und Freude wie die Augen des Faultiers hinterm Verkehrsschalter bei »Zoomania«. Dann ist es, als wollten sie sagen: »Wieso wussten wir nichts davon? Wieso bleibt uns eine derart seelenvolle, charismatische, vor Intimität und Atmosphäre platzende Musik verborgen?« Man nehme allein »Wreckless Heart«, einen leisen, gemeinen Jahrhundertsong, der sich nie mehr aus Hirn und Seele entfernen lässt. Die sachte gezupfte Gitarre, die dämmerigen Kammerbläser und das mit dem Besen gerade einmal am Rande seiner Aura berührte Schlagzeug treiben Hansard behutsam in einen Refrain, dessen sehnsuchtsvolles Leid die meisten Gefühlsdarsteller populärer Musik nicht einmal ausdrücken könnten, würden sie eine Schreitherapie machen. Das genial gesetzte wenige, das für derlei Musik an den Drums nötig ist, besorgt mit Brian Blade ein Jazz-Genie, das auch Wayne Shorter, Courtney Pine oder Chick Corea bedient. Wer das hier an die offenen Ohren lieber Menschen verschenkt, die keine Zeit haben, Musikmagazine zu lesen, wird fortan als ihr akustischer Erlöser von der Belanglosigkeit gelten. Oliver Uschmann

ins Gesicht. Und dank solcher Verschnaufpausen wie »Heartbreak Junky« oder »Slick & Delta Queen« geht dieser wahnsinnigen Rock-Revue tatsächlich bis zum Schluss nicht die Luft aus. Sebastian Jegorow

Dashboard Confessional Crooked Shadows Atlantic / Warner / VÖ 09.02.18

Eine kleine Zeitreise: Das erste DashboardConfessional-Album seit acht Jahren klingt stellenweise, als hätten sich die Emo-Helden um Chris Carrabba kaum verändert. Wer in den 2000ern Emo oder Alternative Rock gehört hat, kann um diese Band nicht herumgekommen sein. »Hands Down« war eine Hymne für unglücklich verliebte, sehr individuelle Teenager mit Discman, die eigentlich gar keine Ahnung von Beziehungen hatten. Das passierte, obwohl Dashboard Confessional für originalen Emo eigentlich zu radiofreundlich waren. »Crooked Shadows« knüpft zwar nicht an die ganz alten Zeiten der Band an, serviert aber eine Sammlung ihrer verschiedenen Sounds. Besonders »Open My Eyes« mit den Streichern und der weiblichen Back-up-Stimme ist ein würdiger Nachfolger. »Be Alright« klingt stark nach den Emo-Kollegen Jimmy Eat World. Allerdings fällt der

Craig David The Time Is Now RCA / Sony

»The Time Is Now« ist ein »mit der Zeit gehendes« Album, das nur zu ertragen ist, wenn es aus der Zeit fällt. Gegen Ende wird das siebte Album des Pop-, Verzeihung, R’n’B-Titans Craig David wenigstens ein bisschen charmant. »Talk To Me« Teil 1 und Teil 2 leuchten die Wohnzimmerkulisse mit dem sanften Softporno-Licht der 1990er aus, als neben den Alben von R. Kelly oder D’Angelo für die beschwingte Beschallung des Morgens danach auch noch Acid-Jazz-CDs im Regal standen. »Reload« beginnt nahezu biestig und verwandelt sich dann in einen sphärischen Wolkenritt, den man in längst vergessenen Tagen womöglich Hardtrance genannt hätte. Der Mann ist eben schon länger dabei und als Jahrgang 1981 von anderen Stilen geprägt als denen, die heute angesagt sind. Vielleicht klingt er deshalb auch nur dann so stimmig, wenn er sich an diese erinnert. Hauptsächlich allerdings passt er sich auf »The Time Is Now« den Moden der Zeit an. Ein bisschen Latin-Pop, ein bisschen Reggaeton, aber vor allem: ganz viel Trap in der Mitte des Albums, so »gut gemacht« wie ausgelutscht. Die Bassdrum schleppt sich durch die Nacht, in deren Laternenlicht die Hi-Hat-Klicks wie tausend Fliegen huschen, sodass jeden Augenblick statt AJ Tracey oder GoldLink auch Fler oder Bausa als Gäste um die Ecke biegen könnten, bewaffnet und bereit, die Kohle auf den Kopf zu hauen. Eine richtig stimmige Fusion aus Tradition und Moderne gelingt Craig David eigentlich nur in »I Know You«, der groß beworbenen Kooperation mit Bastille. Vor allem deshalb, weil Dan Smith auf dieser Nummer wie Paul Smith von Maxïmo Park klingt. Das meiste auf diesem Album bleibt allerdings so nichtssagend werbeästhetisch wie der Reim von »Italy« auf »brand new car«. Oliver Uschmann

Django Django Marble Skies Because / Caroline / Universal

Weniger Sounddesign, solide Songs: Django Django kehren zu ihren Wurzeln zurück und können ihrem bisherigen Werk nicht viel Neues hinzufügen.

Nach der Veröffentlichung des letzten Albums »Born Under Saturn« begab sich Django-Django-Sänger Vincent Neff in die Analyse: »Wir hatten definitiv das Bedürfnis, wieder mehr Kontrolle zurückzugewinnen. Die letzte Platte wog ungefähr 114 Kilogramm, diese etwa 79.« Mit anderen Worten: Django Django wollten zurück zum Wesentlichen, sich reduzieren, die Ambition des Vorgängers einstampfen, zumindest, was das Sounddesign angeht. Dies ist geglückt, die neuen Stücke kommen entschlackter daher, stellen das an die Talking Heads angelehnte, aber dennoch eigenständige Klangkorsett wieder gut heraus. Die Platte wirkt wie eine unbewusste Suggestion: Der das Album eröffnende Titelsong stellt einen Anker dar, und der Hörer darf sich passende Assoziationen drum herum suchen. Soll heißen: Das erste Stück ist so toll, so tanzbar, so einzigartig, dass es seine Strahlkraft zunächst auch auf die anderen Lieder überträgt. Erst bei genauem Hinhören zeigt sich jedoch, dass es sich hier um eine falsche Fährte handelt. Die folgenden Songs sind lediglich in Ordnung, spielen mit den bekannten (wenn auch wieder reduzierteren) Zutaten und können der zweifelsohne vorhandenen Faszination dieser Band wenig Brauchbares hinzufügen. So steht am Ende ein modernes Indie-Pop-Album, das zwar genug interessante Haken schlägt, um im scheinbar komplett auserzählten Rock-Genre noch schöne Impulse zu liefern, das erhoffte tanzbare Meisterwerk ist hier aber leider nicht zu hören. Kai Wichelmann

Doc Schoko Stadt der Lieder Staatsakt / Caroline / Universal / VÖ 02.02.18

Christian Schulte versteht die Welt mittlerweile gar nicht mehr. Sein Unverständnis bringt er als Doc Schoko auf »Stadt der Lieder« in zeitlosem Intellektuellenpunk zum Ausdruck. Wenn der Berliner Songwriter Christian Schulte seine Werke nicht gerade an andere Musiker verleiht, schreibt er seine gemächlich vor sich hin köchelnde Wut als Doc Schoko nieder. Schauplatz für Platte Nummer vier bildet die »Stadt der Lieder«. Unbekannt ist das »Stadt«-Motiv im Werk Doc Schokos keineswegs. Schon in den vorherigen Alben des Berliners bildeten Stadt, Straße und deren Bewohner den Rahmen für anschauliche, antikapitalistische und teils träumerische Ausführungen und Charakterstudien. Ähnlich konstant ist auch der klassische RetroSound aus Gitarre, Schlagzeug und Bass. Der trabend-repetitive, leicht verschwurbelte Ton lässt Staub und Kitsch dennoch weit hinter sich zurück. Die Selbstbezeichnung dafür lautet: »nostalgiefrei und zeitlos relevant«. Die Mischung aus Krautrock und psychedelischem Blues erhält ihre Spannung samt rotzigem Punk-Unterton eigentlich erst durch Schultes vielseitigen Sprechgesang. Der schwankt von verträumter Resignation über angepisste Aufklärung bis hin zu aggressiven Wutausbrüchen. Als motziger Beobachter kommentiert er nicht nur die Falschheit der Außenwelt (»Bierchen«, »Hirnfriedhof«), sondern auch das eigene Innenleben und die Härte des Künstlerdaseins: »Oh, mein Herz, ich bin so trocken« (»Trocken«). Trotz wunderbar wahrhaftiger Songtexte bleibt Doc Schoko wohl auch auf der vierten Platte mehr Liebhaberthema grantelnder Realisten. Denn so viel Wahrheit kann die breite Masse gar nicht ab. Miriam Fendt


WIZ ARD PROMOTIONS PRESENTS

10.6. MÜNCHEN (ROCK AVARIA) · 12.6. BERLIN · 13.6. HAMBURG 15.6. DRESDEN · 19.6. MANNHEIM 20.6. DORTMUND · 27.6. KASSEL

07.05. Düsseldorf 08.05. Luxemburg (LU) 10.05. Saarbrücken 11.05. Zürich AUSVERKAUFT 12.05. Singen 14.05. Kempten 15.05. Regensburg 18.05. Rostock 19.05. Zwickau 20.05. Zürich (CH) ZUSATZSHOW 22.05. Augsburg NEU 25.05. Lingen 28.05. Kassel 29.05. Hannover 30.05. Oldenburg 01.06. Darmstadt 03.06. Gmunden (AT) 05.06. Utrecht (NL) NEU 09.06. Erfurt 10.06. Halle/Saale 12.06. Hamburg

16.7. MAINZ

15.06. Stuttgart 16.06. Telfs (AT) NEU 18.06. München ZUSATZSHOW 22.06. Berlin 23.06. Dresden 24.06. München AUSVERKAUFT 25.06. Freiburg NEU 27.06. Siegen 29.06. Dortmund 30.06. Heerlen (NL) AUSVERKAUFT 04.07. Wagna (AT) 05.07. Moosburg (AT) NEU 23.07. Erlangen 28.07. Etziken (CH) NEU 09.08. Burghausen NEU 11.08. Osnabrück NEU 30.08. Gießen NEU 01.09. Flensburg NEU 09.09. Koblenz 11.09. Brunn am Gebirge (AT) NEU

1.8. DRESDEN 9.4. MÜNCHEN 10.4. KÖLN 11.4. BERLIN 12.4. HAMBURG

2.5. ESSEN · 3.5. HANNOVER · 5.5. OFFENBACH 6.5. STUTTGART · 9.5. HALLE · 11.5. LEIPZIG · 15.5. HAMBURG

CHRIS ROBINSON BROTHERHOOD BAREFOOT IN THE HEAD EUROPEAN TOUR 2018 2.3. HAMBURG 9.3. BERLIN 14.3. BONN

SLEEPING THROUGH THE WAR TOUR 2018

18.3. MÜNCHEN · 24.3. BERLIN 25.3. HAMBURG · 27.3. KÖLN

(CROSSROADS FESTIVAL)

27.3. KÖLN 28.3. BERLIN 29.3. HAMBURG

5.4. BERLIN · 6.4. ERFURT · 7.4. WÜRZBURG 11.4. FRANKFURT · 12.4. FREIBURG 13.4. KONSTANZ · 14.4. BIBERACH · 20.4. MÜNCHEN 25.4. KÖLN · 26.4. HANNOVER · 28.4. LEIPZIG 10.5. HAMBURG · 19.5. STUTTGART

EUROPEAN TOUR 2018

8.4. MÜNCHEN · 10.4. FRANKFURT 11.4. KÖLN · 12.4. BERLIN 13.4. HAMBURG

13.6. MÜNCHEN · 15.6. NÜRNBERG 16.6. MANNHEIM

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AREN & CHIMA

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Ursprünglich sollte Dream Wife übrigens nur eine Kunstausstellung lang existieren. Als Pop-up-Band, sozusagen. Man kann von Glück sagen, dass die drei genug Spaß an der Sache hatten – und so wenig Kontrolle über ihre Wut. Valentin Erning

10.04.18 11.04.18 12.04.18 14.04.18 17.04.18 18.04.18 19.04.18 20.04.18

BERLIN · PRIVATCLUB NÜRNBERG · CLUB STEREO DRESDEN · OST-POL MÜNCHEN · ZEHNER KÖLN · BLUE SHELL STUTTGART · GOLDMARKS HANNOVER · MEPHISTO HAMBURG · MOLOTOW SKYBAR

YUCA

BERGHAIN KANTINE NOCHTSPEICHER

Mittwoch 18.

Glitterbeat / Indigo

Wackelig zusammengezimmert ist die Weltmusik-Schublade seit jeher. Dirtmusic machen sich erneut an den Versuch, sie komplett zu zerbrechen. Aufgenommen in der Türkei, gemixt in Slowenien, intensive Kooperationen mit den aus Mali stammenden Tamikrest noch in der DNA – ein Album mit mehr geografischen Eckpunkten als »Bu Bir Ruya« wird das Jahr 2018 wohl kaum zu bieten haben. In seinem Zentrum steht, wie bei jedem Werk von Dirtmusic, jedoch wieder das australischamerikanische Duo aus Hugo Race und Chris Eckman, die ihre Songfundamente aus Loops und Beats bereits 2016 Murat Ertel, einer Ikone der türkischen Experimental-Musik, vorstellten. Dessen Saz – eine vor allem im Balkan-Raum verbreitete Lauten-Art – bestimmt den Klang von »Bu Bir Ruya« ebenso sehr wie verschiedene osteuropäische Percussion-Instrumente, die für die starke Rhythmuslastigkeit und den einlullenden Sog des Albums verantwortlich zeichnen. Wo Dirtmusics Postfunk musikalisch allerdings hypnotisieren mag, rüttelt er inhaltlich auf: Songs wie »The Border Crossing« sind bei Weitem nicht die ersten, die sich der Flüchtlingsthematik annehmen, behandeln diese jedoch aus einer nicht-abendländischen und daher so authentischen wie mehrschichtigen Perspektive. Jan Martens

17.04.18 | HAMBURG – ASTRA STUBE

18.04.18 | BERLIN – MUSIK & FRIEDEN 20.04.18 | TRIER – LUCKY’S LUKE

21.04.18 | HANNOVER – MEPHISTO 23.04.18 | KÖLN – BLUE SHELL

24.04.18 | MÜNSTER – CAFÉ SPUTNIK

Lucky Number / Rough Trade

Mit klarer Kante, stilistischer Beweglichkeit und einer gehörigen Schippe PunkAttitüde haben sich Dream Wife eine internationale Fanbase erspielt. Jetzt ist das erste Album fertig – und es macht süchtig. Booker? Label? Promoter? Von wegen! Vier Songs – mehr Treibstoff brauchten Dream Wife nicht, um durch Kanada und Europa zu touren. Auf ihrem Debütalbum finden sich nun ganze elf davon. Rein rechnerisch gesehen, können sich die drei Musikerinnen also schon mal auf Weltherrschaft einstellen – und wir uns auf eine ganze Menge Spaß. Denn die Platte, die genauso heißt wie die Band, platzt vor Spielfreude aus allen Rillen. Seine Musik beschreibt das Londoner Trio als »Pop Rocking Punk«, doch statt aus ebendiesen Stilrichtungen den nächsten markthörigen Einheitsbrei anzurühren, haben Dream Wife ein Album gezimmert, das über die volle Strecke in Atem hält, aber dennoch niemanden zurücklässt, der nur im Geringsten Freude an gut gemachter Musik hat. Auf minimalem Raum entfachen Rakel Mjöll, Alice Go und Bella Podpadec unermüdliche Bewegung und hochinfektiöse Rhythmen; die Gitarren trippeln, schnarren, röhren und jaulen, der Puls steigt, ungeahnte Energiereserven werden freigekitzelt. »Somebody« ist schon jetzt gefeierter Statement-Song, »Act My Age« schrammelt alles kurz und klein, und »Taste« ist einfach mal das bessere »Bohemian Like You«. Transparente Rocksongs ohne Firlefanz, griffig, wild und aktivierend, keiner wie der andere, keiner ein Durchhänger.

A Tree In A Field / Soulfood / VÖ 02.02.18

Auch eine Kunst: 25 Songs auf ein Album zu packen, ohne dass es überladen, kunstfertig oder inkohärent wirken würde. Die lässigen Schweizer haben es einfach raus und den Psych-Rock-Groove für sich gepachtet. Die Schweiz galt nie als Hochburg von Entwicklungen des Rock. Doch es ist wohl an der Zeit, sich dieser arroganten Grundhaltung zu entledigen, denn in diesem Land kocht seit ein paar Jahren ein langsam heißer werdendes Szene-Süppchen. Zwar ist das Nachbarland Österreich in Sachen Hype-Stabilität und Distinktionsgewinn durch Gruppen wie Bilderbuch, Granada oder natürlich Wanda dem Neutralitätsstaat weit überlegen, doch um die Genfer Duck Duck Grey Duck haben sich in den letzten Jahren auch andere Psych-Rock-Bands wie The Animen überregionale Bekanntheit erspielen können. Für eine zweite Platte geht die Gruppe, deren Name auf Deutsch einfach nur zum Schießen bescheuert klingen würde, sehr mutig vor. Ganze 25 Songs hat sie ausgewählt, frei nach der Formel: Kunst vor Radio-Fame. Sehr sympathisch. Letztlich besitzt die Band aber doch genug Empathie für ihre Hörerschaft, um sie vor der Überforderung zu schützen. Die Stücke werden in vier Kapitel unterteilt – »Back Beat«, »Pop and Fast«, »French Connexion«, »Acid & Sweat« –, die ihre musikalische Ausrichtung mitunter schon im Titel tragen. Ganz so streng hält sich die Gruppe glücklicherweise nicht an diese Klammern, so ist die Platte auch gut in einem Rutsch zu genießen. Groovend, lässig und großartig produziert, gibt es auf der ganzen Strecke viel zu entdecken; und immer wieder verdichtet die Gruppe ihren knackigen Sound zu kleinen Songperlen wie »L’Homme Du Casque II« oder »Clash Fuzz«. Kai Wichelmann

Interscope / Universal

»Revival« beweist Eminem erneut als einen der besten Rapper unserer Zeit. Nur musikalisch fehlt es ihm an Plan und Fokus. Selbst die größten Rüpel werden irgendwann erwachsen. Natürlich auch die, die das Rüpel-Image in jungen Jahren verschmitzt kichernd nur bedient haben, in Wahrheit aber damals schon ihr Money beisammen und die Firma gut geführt hatten. Marshall Mathers III ist im Oktober 45 Jahre alt geworden, und schon vorher war ihm klar, dass er sich als alternder Rap-Star anders positionieren will und muss. Überdeutlich wurde das in der Single »Walk On Water« gemeinsam mit Beyoncé, in dem er sich so theatralisch als


IMMER NOCH INDIE? MIT CHRISTIAN STEINBRINK Neue selten gehörte Musik aus dem Niemandsland zwischen Tradition und Wahnsinn, die jede Entdeckung lohnt.

Auf ihrem neuen Album »Being Empty: Being Filled« (Sounds Of Subterrania) gibt sich die Urgewalt Listener endlich ein passendes musikalisches Gewand: Mehr als zuvor durchziehen punk- und postrockige Gitarren die atemberaubend drängenden Songs des PerformanceGroßmeisters Dan Smith. Trotzdem sind auch auf dieser LP die Songs die besten, in denen der Sound nur als Beiwerk seiner im Vordergrund stehenden flammenden Ansprachen fungiert. Was bleibt: Diese Band ist ein Ereignis, deren Shows man seinen Lieben nur dringendst ans Herz legen kann. Ein vergessener Ausläufer der zurückliegenden Adventszeit ist »Tribute To 2« (ATO) von My Morning Jackets Mastermind Jim James. Wie der Name schon suggeriert eine TributeAlbum-Fortsetzung, dieses Mal aber umfangreicher, reduziert-sinnlicher, mit einer originelleren Auswahl und insgesamt viel besser. Diverse Rock-Spielarten der 1960er und 70er bindet James in ein blutstropfendickes Songwriter-Gewand mit würdig hallender Grandezza. Perfekt, um es laufen zu lassen, wenn man allein vorm vertrockneten Weihnachtsbaum sitzt und außer Whiskey nichts Hochprozentiges im Haus hat. Kaum zu glauben, dass es im Blues immer noch Geschichten wie die des Robert Finley gibt: Viele Jahrzehnte tingelte der alte Mann als Hobbymusiker durch die Südstaaten, bis er unter Mithilfe von Dan Auerbach (The Black Keys) 2016 sein erstes Studioalbum veröffentlichte. Der nun erschienene Nachfolger »Goin’ Platinum« (Nonesuch) ist ein traditionelles, aber stark fühlbares Stück bluesigen Rock’n’Rolls, an dem jüngere Kollegen heute reihenweise scheitern: schroff und schlicht, aber trotzdem voll tiefschürfender Atmosphäre. Ganz zart zwischen britischem Traditionalismus und kalifornischer Helligkeit changiert der Vocal-Folk auf »Spring & Shade« (Rough Trade), der Debüt-EP des Duos PicaPica. Die in der Szene Londons nicht unbekannten Josienne Clarke und Samantha Whates haben fünf so zurückhaltende wie verzückende Miniaturen komponiert, die für ein zukünftiges Debüt auf ganzer Länge noch mehr versprechen als ihre vorangegangenen Formationen und stellenweise wie eine erwachsene, englische Version First Aid Kits wirken. Ihrem Wahnsinn vollkommen hingegeben haben sich Beta Bands Steve Mason und Martin Duffy (Felt, Primal Scream) auf der EP »Livin’ In Elizabethan Times« (Domino) unter dem Alias Alien Stadium. Auf vier ausladenden Tracks kommt alles zusammen, was die bisherigen Bands der beiden Protagonisten auch ausmachte: Krautrock und feiner Psych mischen sich mit Rave und Samples zu einer wall of sound, die bis hin zu orchestralen Elementen nun wirklich kaum etwas weglassen mag. Ein

Überschwang, den man sich vom britischen Pop wieder öfter und nicht nur von Noel Gallaghers letztem Album wünscht. Apropos Wahnsinn: Bis zur Niederschrift dieses Textes ist es mir nicht gelungen, gesichert herauszufinden, wer genau hinter dem irren Spektakel auf »[The Drink]« (Weird World), dem ersten und finalen Album der schottischen Formation ********, steckt. Der zappaesk verspielte Lo-Fi-Pop lässt vermuten, dass Arab Straps Aidan Moffat seine Hände im Spiel haben könnte, aber wer weiß das schon genau? Andere Quellen erwähnen die Künstlerin Ailie Ormston und einen Electro-Produzenten namens Ω als Protagonisten. ******** sind nach diesem Album jedenfalls schon wieder Geschichte – aber eine sehr gute. Jedem Hörer tut ein hinreißendes, kleines Garage-Album gut. Genau das ist »Hiccup« (Aagoo) des US-Überzeugungstäters Cup: schroff und dreckig auf den Punkt, ungemein eingängig, wild und kaum 20 Minuten lang. Der lakonische Witz erinnert an den frühen Ty Segall, der ungestüme Rock an den viel zu früh verstorbenen Jay Reatard. So etwas kriegt man zwar des Öfteren, nimmt es aber immer wieder gerne. Orthografisch ist es von hier aus nicht weit zu den Franzosen Çub, stilistisch hingegen schon. »Éducation Civique« (Atypeek) entstammt einer schon etwas länger existierenden Mathrock-Schule, der nun mithilfe der altehrwürdigen Bassdrum aber Feuer unterm Hintern gemacht wurde: ein wundervolles instrumentales Core-Chaos mit irritierenden Rave-Elementen, überschwänglich und kraftvoll – so, als hätten die jungen Trans Am allen Anstand fahren lassen. Aus dem überlaufenen Fass des von Psych infizierten Postpunk schwappen in diesem Monat die Schweden Sekel über. Das liegt vor allem an dem verblüffend kreativen Einfallsreichtum ihres selbstbetitelten Debütalbums (Fuzz Club), das diesen eigentlich sehr reduzierten Stil in zehn Songs in Richtungen wie Kraut, Psychedelic und 1970er-Rock dehnt, sich darin auslebt und dabei trotzdem kompakt und nachvollziehbar bleibt. Wäre der Kommunismus nicht tot, könnte man »Degeneration Deluxe« (Fidel Bastro) des Berliners Freispiel eine astreine zeitgenössische Agitprop-LP nennen. Synthie-Punk und Diskurs-Pop treffen sich hier mit beißend expliziten Texten von großem Ernst, die teilweise an die Hamburger Phase von Bands wie Tobias Levins Cpt. Kirk &. erinnern. Im Vergleich zum Vorgängeralbum »Dangerous Eiertanz« hat Freispiel seinen Stil etwas poppiger komprimiert, Konsequenz und Ausbruch tropfen trotzdem noch aus jeder Pore der neun Songs.

WE DELIVER THE GOODS. VIEW

Leave A Comment CD/LP (Cargo Records)

13.02.2018 14.02.2018 15.02.2018 16.02.2018 17.02.2018 20.02.2018

München, Milla Leipzig, Werk 2 Köln, YUCA Berlin, Badehaus Hamburg, Häkken Nürnberg, Club Stereo

shame Songs Of Praise

CD/LP (Dead Oceans)

Vessel Of Love CD/LP (Merge) 09.03.2018 Berlin, Musik und Frieden 11.03.2018 Hamburg, Nochtwache

Make Way For Love CD/LP (Dead Oceans)

12.04.2018 Köln, Yuca 14.04.2018 Hamburg, Nochtwache 20.04.2018 Berlin, Privatclub 21.04.2018 München, Orange House 22.04.2018 A-Wien, Chelsea 25.04.2018 CH-Zürich, Bogen F

OUGHT

Room Inside The World CD/LP (Merge Records)

03.05.2018 Köln, Bumann & Sohn 04.05.2018 Berlin, Kantine am Berghain

KYLE CRAFT Full Circle Nightmare CD/LP (Sub Pop)

LOMA Loma

CD/LP (Sub Pop)

www.cargo-records.de


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#Review einer unter vielen inszeniert, wie schon lange nicht mehr in einem Rap-Hit geschehen. Oder in seiner Parkhaus-Performance »The Storm«, in der er sich als beißend expliziter ProtestRapper geriert. Beides gelang, vor allem durch Eminems nach wie vor unbestechlichen Flow, der es sich leisten kann, modische Rap-Techniken weitgehend zu ignorieren. Sein neuntes Album »Revival« trägt seine Speaker-Qualität aber nur in Teilen. Denn auch Eminem konnte es sich nicht verkneifen, ein Mammutwerk mit einer Unzahl unterschiedlichster Gäste an den Start zu bringen, mit dem er beweisen will, dass er nach wie vor alles kann. Unter dieser Ambition leiden besonders am Anfang Tracks wie »Believe« oder »Chloraseptic«, denen man ihren Trap einfach nicht abnehmen mag, die unsägliche Ed-Sheeran-Kollaboration »River« oder der Run-DMC-Abklatsch »Remind Me«. Sobald sich Eminem aber auf sich und den HipHop seiner Hochphase konzentriert, sind die Ergebnisse (»Untouchable«, »Framed«) durchaus ansehnlich. Insgesamt überragen die Low- jedoch die Highlights. Hätte sich Eminem selbstbewusster auf sich konzentriert und die Tracklist entschlackt, hätte »Revival« durchaus ein gutes Album werden können. So hat er auf dem Rückweg zu alter Stärke höchstens erst die Hälfte gemeistert. Christian Steinbrink

Brian Fallon Sleepwalkers Island / Universal / VÖ 09.02.18

Mit seinem zweiten Soloalbum nähert sich Brian Fallon erstaunlicherweise an den Sound seiner Band The Gaslight Anthem an. Brian Fallon ist nicht der erste Sänger einer Punk-Band, der sich solo versucht und damit recht erfolgreich ist. Und er hat auch schon bewiesen, dass zumindest die Songs seiner pausierenden (und jetzt doch wieder reaktivierten) Band in akustischem Gewand funktionieren, so zum Beispiel als Gast auf Chuck Ragans Revival-Tour. Jetzt folgt mit »Sleepwalkers« sein zweites Soloalbum. Und das ist gar nicht mehr so akustisch gehalten, sondern recht nah an dem, was er vorher gemacht hat. Gaslight-Fans wird es vermutlich freuen, dass er wieder vermehrt auf rauere Vocals, Claps und Singalong-Refrains setzt. »Sleepwalkers« setzt im Grunde genau da an, wo »Get Hurt«, das letzte Werk Gaslight Anthems, aufgehört hat: schmissige Melodien und dazu die markante Stimme. Ein bisschen rauer zwar als Fallons erste Soloplatte, aber leider auch noch weit vom Charme der ersten Gaslight-Platten entfernt. Überhaupt stellt sich die Frage, warum sich die Band wieder zusammengetan hat, wenn Fallon es offenbar auch allein schafft, zumindest passable Alben zu liefern, die fast genauso klingen. Die Antwort: Gaslight Anthem spielen live ausschließlich ihr prägendes Album »The ‘59 Sound«. Macht ja auch Sinn. David Winter

Fall Out Boy MANIA Island / Universal

Fall Out Boys aktuelles Video ist groß, sicher. Doch wieso muss »Individualismus« bei ihnen derart konfektioniert klingen? Ein Mädchen wächst bei lamaartigen Fabelwesen auf und erkennt eines Tages, dass es anders ist. Auf Fotos menschlicher Standardfamilien in einer Zeitschrift reagieren die Lama-Eltern nicht erfreut. Das Mädchen flüchtet eines Nachts durch den Wald und entfleucht der umgekehrten »Normopathie« im Kofferraum eines Autos, kann sich unter den Menschen Kaliforniens mit ihrer Fabelsprache allerdings auch wieder nicht verständigen. Das ist der Inhalt von Fall Out Boys tollem Video übers Dazwischen-Stehen und Streben nach Freiheit und individueller Identität. »Young And Menace« ist auch ein markanter Song zum Einstieg in »M A N I A«, ein stampfendes Pop-Rumpelstilzchen der Marke Imagine Dragons. Was folgt, ist kein Ritt durch Fabelwelten, sondern abgebrühtes Durchdeklinieren moderner Popformate mit all deren ermüdenden Effekten, vor allem auf der Stimme. Musik, so berechenbar wie der Moment, wenn die Kamera in einem Film aufzieht, sobald der Darsteller ergriffen die Arme hebt und die Augen schließt. Klang, so steril und vollgepackt wie ein OP im Neubau kurz vor der Klinikeröffnung. Wie allein die Kalenderspruch-Motivationsrede in »Champion« ermüdet! Oder die scheindramatische Filmabspann-Ästhetik von »Bishops Knife Trick«. Nur ganz selten erinnert das Album daran, wie etwa die Kollegen von Panic! At The Disco glitzernden Pop zum ergreifenden Drama machen konnten. Oder daran, welch mitreißenden Charme Fall Out Boy in ihren frühen Tagen hatten. »We’re the chemists who’ve found the formula to make your heart swell and burst«, sangen sie damals. Das war ironische Rollenrede, stimmte aber. Heute fühlt man beim Hören so gut wie gar nichts mehr. Oliver Uschmann

Nils Frahm All Melody Erased Tapes / Indigo

Sein neues Spielzimmer im Berliner Funkhaus bietet Nils Frahm alles, was ein Komponist sich wünschen kann. Die florierenden Klangweiten von »All Melody« zeigen, dass sich der Umzug gelohnt hat. Wo immer Nils Frahm seine Finger im Spiel hat, wird offenbar, dass Musik Handwerk ist. Viele seiner Veröffentlichungen entstanden im Lichte kleinerer oder größerer baulicher Maßnahmen rund um Klavier und Klang. Auch sein jüngstes Album fällt wieder in eine geschäftige Phase: »All Melody« steht ganz im Zeichen der neuen Studioheimat Frahms, dem Saal3s im alten Berliner Funkhaus Nalepastraße. Hier hat der neuerdings glatzköpfige Soundschamane seiner Musik Raum zum Zirkulieren gegeben. Wo Arpeggien sich gen Decke schwingen, Loopstationen die Ewigkeit andeuten und die flüsterleisen Betriebsgeräusche der Klaviermechanik wie Streusel die Aufnahmen garnieren, da fühlt auch er sich zu Hause. Zirkulation jedoch bedeutet noch lange nicht Exzess, sondern eher ein ausgedehntes Anbahnen. Denn ob er nun klimpert, orgelt, schwelgt oder groovt: Frahms Demut gegenüber dem Klang ist allgegenwärtig; es ist gerade seine geduldige Zurückhaltung, die die Erhabenheit des Ganzen erst möglich macht. Der hypnotische Sog dieser Platte entwickelt sich ganz allmählich: »All Melody« erfordert eine gewisse Achtsamkeit; seine Melodien sind dem Titel entgegen klein und zart und in den dynamischen Klanglandschaften nur allzu leicht zu überhören. Wer sich aber darauf einlässt, anstatt vorschnell die Spur zu wechseln, kann die Seele dieses Albums sich entblättern sehen – und gelangt an einen Ort, wo Kammer und Club, wo Sachlichkeit und Verspieltheit ineinander aufgehen und die leisesten Töne bis tief ins Mark dringen. Valentin Erning

Field Music Open Here Memphis Industries / Indigo / VÖ 02.02.18

Tanzmusik für Feuilleton-Leser oder Kunstmusik für die Tanzfläche: Zwischen diesen beiden Stangen wechseln Field Music bei ihrem intellektuellen Pole-Dancing wie schwerelos hin und her. Dass Field Music Talking Heads und Peter Gabriel für ihren Indie-Rock als Vorbilder heranziehen, wird schon auf dem Eingangssong »Time In Joy« überdeutlich: Es zuckt so schön wie einst bei »Shock The Monkey«, die Melodie tanzt dazu verkopft wie bei »Once In A Lifetime«. Und die vielen Gastmusiker sorgen mit Flöten, Saxofonen und Streichern dafür, dass es auf »Open Here« musikalisch auch so weitergeht. Scheinbar mühelos lotet die Band Grenzen aus und klagt mit immer wieder eingesetztem Sprechgesang die Fragilität der Welt an, ohne dabei jedoch die Tanzfläche zu verlassen. Auf dem Song »No King No Princess« gelingt es den Musikern aus dem kühlen Nordengland gar, den trockenen Funk eines Prince mit dem intellektuellen Schwung eines David Byrne in Wärme und Würde zu vermählen. Auf ihrem bereits sechsten Album sind Field Music also sowohl experimentierfreudiger als auch energiegeladener geworden: Die oft ruckartigen Songs sind von der Freude an Infragestellungen von Gesellschaft, Politik und Institutionen getragen, ohne dabei in Frust zu versinken. Das muss man auch erst einmal schaffen. Oder, wie es das Feuilleton formulieren würde: Es muss ein Ruck durch den Rock gehen. Kerstin Kratochwill

dagegen Kat Frankies Exkurs als Rockröhre und die Entscheidung, ihre raumgreifende Altstimme über eine komplette Liedlänge tiefer zu pitchen. Welch Verschwendung! Den größten Eindruck schindet Kat Frankie letztlich in den feierlich-kühlen, fast choralhaften Momenten. Hier tut sie das, was sie am besten kann: Gänsehaut erzeugen. Nina Gierth

Franz Ferdinand Always Ascending Domino / GoodToGo / VÖ 09.02.18

Allen Entwicklungsambitionen zum Trotz bleiben Franz Ferdinand im Kern unmissverständlich Franz Ferdinand. Gott sei Dank. Da kann Alex Kapranos noch so lange von Einflüssen archaischer kretischer Musik reden, sich auf eigene präpsychedelische Erfahrungen berufen, da kann sogar Mastermind Nick McCarthy die Band verlassen haben: Zu keiner Sekunde kann »Always Ascending« verschleiern, von der Band zu stammen, die im Jahr 2004 der kompletten britischen Musikwelt den Staub von den Tanzschuhen blies. Dass Franz Ferdinand diesen auch auf ihrem mittlerweile fünften Album nicht selbst angesetzt haben, gewährleisten stetige, mal kleinere, mal grundlegendere Neujustierungen am Sound: Selbst das eindeutig an den frühen Überhits wie »Michael« orientierte »Lazy Boy« wäre auf dem Debüt dank seines ungewöhnlichen Takts noch ein schillernder Paradiesvogel gewesen, andere Songs kokettieren bei aller Tanzbarkeit mal mit Industrial-Beats, mal mit NDW-Synthesizern. Und das getragene »The Academy Award« sollte man bereits im Voraus als weltumarmenden Abschluss zukünftiger Konzerte bei setlist.fm eintragen können. Wenn dann aber der Titeltrack, einer Penrose-Treppe gleich, trotz ständig steigender Akkordprogressionen doch immer wieder an seinem grundlegenden Melodiegerüst ankommt, ist das das beste Sinnbild für Franz Ferdinand, die trotz aller Kreativität doch nie wirklich aus ihrer Haut können. Aber was für einen Spaß macht es doch, ihnen bei diesen Versuchen zuzuhören! Jan Martens

Kat Frankie Bad Behaviour Grönland / Rough Trade / VÖ 02.02.18

Die Australierin Kat Frankie schreibt neuerdings groovige Pop-Nummern. Die Melancholie steht ihr aber immer noch am besten. Als Kat Frankie 2007 ihr Debüt veröffentlichte, passte sie noch problemlos ins kuschelige Singer/Songwriter-Kästchen. Seitdem hat die aus Sydney stammende Wahlberlinerin nicht nur das Vocal-Looping für sich entdeckt, sondern auch mit halb Indie-Pop-Deutschland musiziert und sich als Teil des Synthie-Duos Keøma für den »ESC« beworben. Die Erfahrungen auf der großen Bühne schlagen sich auf ihrem vierten Soloalbum nieder. Dessen poppiger, treibender Titelsong ließ bereits vorab erahnen: »Bad Behaviour« ist tanzbarer und eingängiger als seine Vorgänger. Einfach gestrickt ist es deshalb nicht. R’n’B und Soul, gar etwas Afro-Pop stecken in den aus ausgeklügelten Rhythmen und zig Gesangsspuren modellierten Kompositionen. Das ist etwas ungewohnt, funktioniert aber. Eher befremdlich wirken

Ezra Furman Transangelic Exodus Bella Union / PIAS / Rough Trade / VÖ 09.02.18

Liebe in Zeiten von Trump: Ezra Furman hat ein romantisches, kämpferisches Album für alle Außenseiter geschrieben. »You know we’ll always be freaks«, skandiert der 31-jährige Ezra Furman aus Chicago gleich im Opener von »Transangelic Exodus«. Und später: »We’ll never make it on the main streets. They’ll force us back into the alleyways.« Unter dem Einfluss der aktuellen politischen Stimmung in den USA und von Ezra Furmans noch relativ frischem Coming-out als genderfluider, bisexueller und seinen Glauben praktizierender Jude ist dessen siebtes Album ein musikalisches Roadmovie über das Anderssein und die Liebe im Angesicht gesellschaftlicher Widerstände und im Glauben an göttliche Gnade. Die Dringlichkeit


LOVE ATTACK MIT FIONN BIRR

01.02.18 02.02.18 03.02.18 21.02.18 22.02.18 23.02.18 24.02.18 25.02.18

Die erste Love Attack 2018 balanciert mit neuem Gesicht über melancholische Anti-Sommer-Raps, Mitklatsch-Trap und Trennungshymnen.

»If God had an iPod, I’d be on his playlist«, brunftete CyHi The Prynce auf Kanye Wests »So Appalled«, das 2010 als Free-Download-Teaser zu dessen Album »My Beautiful Dark Twisted Fantasy« fungierte. Trotzdem hat es sieben Jahre gedauert, bis der Mann aus Atlanta auch tatsächlich sein Debüt veröffentlichte, was vor allem daran lag, dass der Sohn streng religiöser Eltern neben Travis Scott einer der wichtigsten Songwriter für Ye ist. »No Dope On Sundays« (Brooklyn Knights) fasst diese biografischen Eckpfeiler zusammen: Organische Neo-Rap-Tracks mit Gospel- und Soul-Anleihen der frühen 2000er treffen auf straßenerprobtes Hustler-Geschichtenerzählen, wobei ihm der moralische Balanceakt zwischen Stripclub und Sonntagsmesse in linearem Reibeisen-Flow gelingt. Ein lupenreines Rap-Album, das ohne Zeitgeist- oder Herkunftsverweigerung den Gegenpol zu den Vibe-basierten 808-Geschossen der Gegenwart bildet.

Der Hype ist real: Seit der Schweizer AutoTune-Anhänger Pronto vor einem Jahr mit seinem selbstproduzierten Trap-Bombast das deutschsprachige Internet auf links zog, hat er schweizerische Staats- wie Sprachbarrieren egalisiert sowie jüngst ein Haftbefehl-KoSign und einen Deal bei Universal eingetütet. Für sein EP-Debüt »Solo Di Nero« (Universal) nicht unbedingt die Ausgangslage, die man schweizerischem Mundart-Rap hierzulande zugeschrieben hätte. Doch mit klaren Merkmalen der melodischen Flow-Flexibilität eines Travis Scott, dem Mitklatsch-Potenzial der Afrotrap-Welle und dem universal verständlichen Vibe-Gewisper um Genussmittel, Geld und Groupielove hat sich Pronto auf leichtfüßigen Blockbuster-Synthie-Beats in charmante Sympathieträger-Stellung gebracht und zu einem der spannendsten Newcomer für 2018 gemausert. Call it Hollywood-Hop.

Leyya

Wenn zwei Superstars mit mindestens je zehn Platin-Platten in der Diskografie und einem Einfluss auf die aktuelle Rap-Generation, der sich allenfalls in Jay-Z- und Kanye-Vergleiche umschreiben lässt, zusammenkommen, stellt sich nicht die Frage, ob dabei eine stilsicher kuratierte Jetztzeit-Kollabo durch das Auto-Tune gejagt wird, denn die hypnotischen Friedhof-Synthies, lustig beschwipsten Schnips-Schlagwerke und fundamentalen Subbässe von »Huncho Jack, Jack Huncho« (Universal) waren schon immer Travis Scotts und Quavos liebste Silbenschlucker-Spielwiese. Die Antwort liegt hier sprichwörtlich in den Adlibs, denn bei allem vordergründigen Hit-Verdacht aus Scotts stimmverzerrtem Gothic-Crooning und Quavos Habseligkeiten-Hudelei landet das vermeintliche Trap-Titanen-Treffen auf den zweiten Klick allenfalls im Mumble-(Rap-)Mittelfeld als ansehnliche, weil schmuck behangene Fingerübung und damit genau dort, wo es herkam: im kurzweiligen Zwischenjahres-Vakuum.

Auch Stereo Luchs ist mundartgeprägter Schweizer und auf seinem zweiten Soloalbum vor allem tanzbarer Optimist, der sich nach rund zehn Jahren als Dancehall-Insidertipp mit »Lince« (Universal) zaghaft in die Richtung jener populären Afrobeat-Schnittstelle vortriggert, die auch Drake mit Wizkid zusammenbrachte und hierzulande Trettmanns »#DIY« zum Konsensalbum machte. »Fertig mit Schwarzmaler, jetzt ist alles wieder farbig und scharf«, schnipst bereits der leichtfüßige Opener »Sunna Geht Uf«. Das Island-RecordsSigning entwickelt sich innerhalb der zwölf reduzierten Synthie-Chunes über ergreifende Trennungshymnen wie »Sie Seit«, augenzwinkernde Gesellschaftskritik in »80.000 PS« oder romantischen Sci-Fi-Dub wie »Zittreis« unter den Kitschkrieg-Ko-Produktionen zu einem stadionkompatiblen Dancehall-Prototypen, der klar beweist, dass die europäische Antwort auf Patois immer schon Schwiizerdütsch war. Ein finaler Beweis für alle Pop-Piefkes, dass Freshness aus der Schweiz nicht mit Kräuterbonbon-Witzen überspielt werden muss und das Groove-Jahr 2018 durchaus den Eidgenossen gehören könnte.

Das kalifornische Chaoten-Kollektiv Brockhampton um den offen bisexuellen Rapper Kevin Abstract hat mit seinem dritten Album »Saturation III« (Question Everything) innerhalb von sechs Monaten eine LP-Trilogie abgeschlossen, die mit ihrem Ideenreichtum als unvorhergesehenes Highlight ins Jahr 2017 eingegangen ist. Die selbsternannte AllAmerican-Boyband ist Musik gewordenes ADHS, das den Funk im Herz, den Rap im Blut und den Bass im Anschlag trägt: knisternde Sample-Fetzen aus den Untiefen der Internet-Fundgrube, Indie-Rock-Kadenzen und eine anarchistische Aussage zwischen Singsang und Rap-Boasting, die mit spaßbetontem Teamplay einen selbstironischen, reflektierten Collegestudenten-Hybrid aus der frühen Odd Future Wolf Gang und O-Town abgibt.

Auf seinem dritten Soloalbum »Weather Or Not« (Rhymesayers) verdichtet Evidence die Insignien seiner Vorgänger »The Weatherman« und »Cats & Dogs«, um eine noch fokussiertere Rap-Witterung über stilvoll geflipptes Sample-Kunsthandwerk von Alchemist, DJ Babu und DJ Premier aufzuziehen. Doch statt der heimatlichen Venice-Beach-Sonne mit Westküsten-Sommersongs zu huldigen, watet der 42-Jährige (bewusst) schutzlos durch die Schlechtwetterfront seiner Seele und der seines Umfeldes. Die Krebserkrankung seiner Ehefrau, der wenig kalkulierbare Lebensstill als alternder Rap-Künstler und der beängstigende Status quo der US-Gesellschaft 2017 – EV beschreitet seine Songs in schnoddriger Eindringlichkeit zwischen melancholischen R’n’BSamples und 1980er-Schmalz. Ein ZeitlupenNachtflug über Kalifornien, der romantisch, beklemmend und schonungslos ehrlich ist.

Dresden, Groove Station München, Milla DA, Staatstheater Göttingen, Freihafen Hamburg, Häkken Berlin, Lido Nürnberg, Club Stereo Leipzig, Täubchenthal

Hookworms

05.02.18 Berlin, Privatclub

Ghostpoet

05.02.18 Heidelberg 06.02.18 Köln 07.02.18 Hamburg 08.02.18 Berlin 01.03.18 München

Loney Dear

10.02.18 Berlin, Privatclub 11.02.18 N, Neues Museum

Girls In Hawaii

14.02.18 Berlin, Bi Nuu 16.02.18 Köln, Gebäude 9

Chinese Man

Russ

13.02.18 Berlin, Columbiahalle 18.02.18 D, Mitsubishi Electric H.

15.02.18 Köln 16.02.18 Hamburg 17.02.18 Berlin

Nic Cester (from Jet) 19.02.18 20.02.18 21.02.18 23.02.18

München, Strom Köln, Gebäude 9 HH, Nochtspeicher B, Kantine am Berghain

Pokey LaFarge 19.02.18 21.02.18 22.02.18 26.02.18 28.02.18

Hamburg, Stage Club B, Festsaal Kreuzberg München, Ampere Frankfurt, Das Bett Köln, Kulturkirche

Algiers

23.02.18 Köln 26.02.18 Frankfurt 27.02.18 Leipzig 28.02.18 Hamburg

Rural Alberta Advantage 27.02.18 28.02.18 01.03.18 05.03.18 08.03.18

Hamburg, Knust Berlin, Lido Dresden, Beatpol München, Hansa 39 Köln, Gebäude 9

Calexico 09.03.18 10.03.18 11.03.18 21.03.18 23.03.18

HH, Große Freiheit Berlin, Tempodrom München, Muffathalle Stuttgart, Im Wizemann Köln, E-Werk

Slowdive

26.02.18 Köln 27.02.18 München

And The Golden Choir 10.03.18 11.03.18 12.03.18 13.03.18 14.03.18 15.03.18 17.03.18 18.03.18 19.03.18 20.03.18

Magdeburg, Moritzhof Leipzig, UT Connewitz Hannover, Lux Club DD, Societaetstheater HH, Nochtspeicher Berlin, Lido München, Milla Heidelberg, Halle 02 Köln, Stadtgarten Frankfurt, Brotfabrik

Matt Woods

Editors

18.03.18 Wiesbaden 24.03.18 Münster 25.03.18 Köln 31.03.18 Hamburg 01.04.18 Berlin 02.04.18 Leipzig 20.04.18 München

13.03.18 B, Kantine Berghain

Bahamas

22.03.18 Berlin, Privatclub 23.03.18 Erfurt, Franz Mehlhose 24.03.18 Köln, Artheater

Chilly Gonzales

29.03.18 Düsseldorf, Tonhalle

Joan As Police Woman

09.04.18 B, Festsaal Kreuzberg 10.04.18 Hamburg, Knust

Noel Gallagher´s High Flying Birds 08.04.18 Hamburg 09.04.18 Düsseldorf 12.04.18 München 16.04.18 Berlin 17.04.18 Wiesbaden

Yo La Tengo 07.05.18 08.05.18 09.05.18 17.05.18

Spoon

Berlin, Heimathafen Köln, Gloria M, Kammerspiele Schorndorf, Manufaktur

07.06.18 Schorndorf, Manufaktur 08.06.18 Berlin, Funkhaus 09.06.18 Leipzig, Täubchenthal

Shout Out Louds 18.04.18 Magdeburg 19.04.18 Münster 20.04.18 Karlsruhe 27.04.18 Frankfurt 28.04.18 Dresden 29.04.18 Bremen

Tickets & Infos: www.schoneberg.de


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#Review des Anliegens steckt auch im Sound. Zwar klingen die Doo-Wop-Beschwingtheit, der Country und 1950er-Rock’n’Roll der Vorgängerplatten gelegentlich noch durch, und Schmachtmomente sowie griffige Melodien gibt’s auch weiterhin, doch fällt Furmans retroesker Garage-Rock und Weirdo-Pop diesmal dunkler, lärmiger und kaputter aus, auch dank der Ablösung von Saxofon und Akustikgitarre durch Oldschool-Synthies und düstere Celli. Ein rumpeliger, aufwühlender Trip voller Leidenschaft, Verzweiflung, Hoffnung und Aufbegehren. Nina Gierth

US-Sport-Veranstaltungen. Die an Motown gemahnende Brass-Sektion bleibt auch in der Folge präsent. Darüber hinaus bietet das fünfte Album der Band aus Brighton das, was man seit dem Debüt »Thunder, Lightning, Strike« aus dem Jahr 2004 kennt: Indie-Pop, Cheerleading, Oldschool-HipHop, Sampling und Marching Band. »Mayday« klingt nach einer 1980er-Fernsehserie, bei »Chain Link Fence« treffen Vampire Weekend auf Sufjan Stevens, »The Answer’s No – Now What’s The Question?« ist zuckersüßer Pop. Da macht es auch nichts, dass es ab und an ein wenig nölig wird, war ja schon immer so. Darf man den Begriff »feelgood« verwenden? Ja? Okay. Ist nämlich schlichtweg so. Oder, um es mit Parton zu sagen: »We don’t want to be dumbly optimistic but there’s something to be said for just getting on with it, for getting organised and not letting the fuckers get you down. Party for your right to fight!« Christian Steigels

Get Cape. Wear Cape. Fly Young Adult Xtra Mile / Indigo

Auf »Young Adult« stibitzt sich Songwriter Sam Duckworth scheinbar so einige Elemente aus ebendieser Lebensphase. Die angenehmsten sind es nicht. Ein »Young Adult« war Sam Duckworth alias Get Cape. Wear Cape. Fly noch 2006, als er mit sympathisch simplen Songs zwischen Indie-Pop und Electronica, stürmisch-drängenden Texten und dem Organ eines heiseren Engels insbesondere die britische Musikwelt verzückte. Knapp elf Jahre und fast so viele Veröffentlichungen (auch unter dem Namen Recreations) später scheint zumindest Duckworths Stimme Stimmbruch und Hangover zugleich durchzumachen – einem Teenager gleich und damit ganz dem Albumtitel gemäß. Und ähnlich einem dicken Pickel, der ein ansonsten hübsches Gesicht überschattet, macht diese unliebsame Veränderung es schwierig, »Young Adult« noch vollkommen als das zu genießen, was es ist: unaufgeregter Pop, der weiterhin die Balance zwischen Gitarre und elektronischen Spielereien zu finden weiß und in textlicher Hinsicht spannend gereift ist. Songs wie »DNA«, die generationenspezifische Vorurteile auf individueller wie nationaler Ebene reflektieren, wirken beinahe altersweise. Diese spiegeln Duckworths aktuelle Tätigkeiten als linkspolitischer Aktivist wider, der seit Jahren gegen Rassismus und Großbanken die Stimme erhebt. Da kann man auch verzeihen, wenn diese etwas schräger klingt als noch vor zehn Jahren. Jan Martens

GoGo Penguin A Humdrum Star Blue Note / Universal / VÖ 09.02.18

Piano, Kontrabass, Schlagzeug: Mehr brauchen GoGo Penguin nicht, um Genres in intergalaktischem Ausmaß zu sprengen. Dass der gute alte Jazz das neue Ding ist, wollen uns Trenderklärer schon lange weismachen. Und Bands wie Badbadnotgood oder eben GoGo Penguin sind eigentlich der beste Beweis für diese These. Nur dass der Jazz hier eben nur noch das Skelett bildet, das gründlich entstaubt, mit allerlei neuer Kleidung umhüllt und mit schicken Labels wie Elektronik oder Rave versehen wird. Auf »A Humdrum Star« tanzen die alten Knochen nun zu flirrend schnellen Drum-Passagen oder zu wirbelnden Melodiefetzen. Das Trio verschmilzt seine Vorbilder aus der Ambient-Techno-Szene wie Aphex Twin mit Vertretern der neuen Klassik wie Steve Reich auf verblüffende Weise: Die Tricks sind zu schnell, als dass der Zuhörer sie direkt beim Hören herausfinden würde, und zu hypnotisierend, als dass man überhaupt zu analysieren beginnen möchte. Die Band spricht selbst von der kosmischen Fügung, die sie beim Komponieren ereilt, und das glaubt man ihr gerne: Wann wird man schon auf einen neuen Planeten gebracht, weg von diesem »humdrum star«, diesem eintönigen Stern, auf dem wir verdammt sind, mit so viel eintöniger Musik zu leben? Die Weltraumkapsel von GoGo Penguin ist jedenfalls vielschichtig genug beschallt, um neue aufregende Musik-Galaxien zu erobern. Kerstin Kratochwill

The Go! Team Semicircle Memphis Industries / Indigo

Cheerleading is not dead: Das fünfte Album der Briten The Go! Team bietet Altbekanntes zwischen Sampling, Indie und HipHop. Detroit, die nächste. Die Stadt im USamerikanischen Bundesstaat Michigan war in den letzten Wochen und Monaten sehr präsent im Feuilleton, auch die Engländer The Go! Team wollten da nicht außen vor bleiben. Mastermind und Sampling-Connaisseur Ian Parton holte sich für sein fünftes Album Hilfe vom Detroit Youth Choir. Beim Intro der Vorab-Single »Semicircle Song« wähnte man sich dann auch in einem Sportstadion, vielleicht irgendwo im Mittleren Westen bei einer dieser patriotisch überladenen

Brüllen und verzweifeltem Kieksen wechseln, dass man ihm alles glaubt und auf der Stelle mit ihm ins Protestcamp ziehen würde. Das Album »Exit English« seiner Band Strike Anywhere darf heute als Klassiker in der schmalen Nische gelten, die den Spagat zwischen der griffigen Eingängigkeit des Cali-Punk und der humorlosen Strenge politischen Hardcores hinbekommt. Seine Zweitband Great Collapse schließt im Prinzip nahtlos daran an. Zwar drechseln die gattungserprobten Mitmusiker Chasse (Ex-RiseAgainst), Arnott (At Risk), Saucedo (Set Your Goals) und Hennig (Ex-Death-By-Stereo) ein leicht herberes und krustigeres Klanggerüst um den bittersüßen Skatepunk-Kern, doch letztlich fühlt sich hier jeder sofort zu Hause, der in den 1990ern seine Sneakers für Stagediving-Orgien bei Clubkonzerten von Lagwagon, Strung Out oder NoFX geschnürt hat. Und natürlich auch all jene, die sich ihren emotionalen Ausbruch des Jahres heute für den Festivalnachmittag mit Boysetsfire aufsparen. Das galoppierende Schlagzeug, die Powerchords, die Stop&Go-Gitarren und der Turbogurgel-Bass sitzen blind, und manche Stücke wie »An Injury To One« warten mit genau den zornig-melancholischen Melodiebögen auf, die dieses Genre zeitlos frisch und knackig halten. Lyrisch dekliniert Barnett noch einmal durch, was linker Kanon zu sein hat: mal wortversiert und mal so platt wie das ideenloseste Plakat am 1. Mai. Oliver Uschmann

Great Collapse Neither Washington Nor Moscow ... Again End Hits / Cargo

Politischer Melodycore, der so klingt, wie ein Grass-Roots-Aufnäher auf einer Dreiviertelhose aussieht. Thomas Barnett hatte schon immer eine dieser Stimmen, die dermaßen nahtlos zwischen euphorischem Singen, wütendem

KUF Universe Macro / Al!ve

Eingespielte Vertreter des modernen Band-Set-ups: KUF kommen aus Berlin und klingen auch so. Das Trio kreuzt instrumentalen HipHop mit Wonky und Downtempo – live ebenso dynamisch wie im Studio. Ja, diese Drums sind echt. Zwar samplen KUF so ziemlich alles, was ihnen zwischen Metallobjekten, summenden Oszillatoren und Gesprächen auf Privatpartys vors Mikro läuft, doch ihre mal entspannten, mal frenetisch hochgejazzten Beats sind von Percussionist Hendrik Havekost live eingespielt. Mehr denn je übernimmt er so auf dieser Platte eine zentrale Rolle in jedem einzelnen Song – sein Spiel ist der rote Faden in dieser ansonsten sehr bunt zusammengewürfelten und durchaus vielseitigen Landschaft von (Vocal-)Samples, Loops und Beats. Im Opener »Humane« klingt das schon ein wenig nach Kreidler in doppelter Geschwindigkeit plus Pop-Appeal im späteren Verlauf. »Take A Look Around« erinnert dann aber nicht nur aufgrund seiner verzerrten Vocals und der dunkel warpenden Bässe an Flying Lotus – spätestens bei »B« tritt die intuitive Stärke eines Schlagzeugers gegenüber einer Drum Machine dann hinzu und deutlich hervor. Unter Umständen ist so was schwierig in den Gesamtsound einzuweben, wurde hier aber tadellos integriert. Sehr anschaulich kommt dies auch im längsten Track des Albums zur Geltung – dem neunminütigen »I Don’t Want You No More«, der in drei Teile gegliedert einen vollmundigen Eindruck vom Sound auf »Universe« vermittelt. Während die Drums unentwegt Bahnen für schnell einsetzende Harmonien schlagen, werden Vocal-Samples eingestreut und auf Repeat gestellt. Oft entwickeln sich dann interessante rhythmische Effekte oder auch schlicht mitreißende Melodien wie im furiosen »Czech II« oder beim Closer »Too Late«. In Fusion mit Havekosts Drumming entwerfen Tom Schneider und Valentin Link auf diesem Album fast durchgehend einen

kohärenten Signature-Sound, den nicht viele zu imitieren imstande sein werden und der eine beachtliche Steigerung gegenüber dem Vorgänger »Gold« darstellt. Schon allein deshalb: ein Trio, das man in nächster Zeit nicht aus den Augen lassen sollte. Nils Schlechtriemen

Half Japanese Why Not? Fire / Cargo

Nach gut 40 Jahren Existenz gehört das Projekt um Jad Fair definitiv zum alten Eisen. Gut so, weil auch dieses Album wieder erhaben mit naiver bis chaotischer Verspieltheit glänzen kann. 1975 gründeten die Brüder Fair ihr NoiseRock-Projekt in Texas. Das war eine andere Welt, eine andere Art von Noise-Rock und überhaupt: Sind nicht die meisten Bands mit solch einer Laufzeit höchstens noch bedauernswert, falls sie nicht schon in irgendeinem Hard Rock Café symbolisch zu Grabe getragen wurden? Nicht so Jad Fair. Der scheppernd-rockende Sound klingt frisch und unprätentiös wie eh und je, die Garagenband trifft das Dorforchester, und Songs sind schlicht nicht weniger als musikalisch konservierte Emotionsausbrüche. Klar hört man, dass die Gesangsstimme nicht mehr aus der U30-Generation kommt. Klar klingt das immer wieder ein wenig nach Velvet Underground, Wire und Frank Zappa. Aber Bemühtheit, Konventionen und diese nervige Erwartungshaltung haben Half Japanese schon vor Jahrzehnten nicht gekümmert. Diesmal war Jad Fair mit seinen Kumpels John Sluggett, Gilles-Vincent Rieder, Mick Hobbs und Jason Willett kreativ; zwischen Glockenspiel, verzerrtem Bass und schrägen Harmonien ist immer Platz für altmodische Melancholie. Verdammt, Kurt Cobain trug ein Half-Japanese-T-Shirt, als er sich den Kopf wegpustete, behauptet zumindest die Legende. Aber Cobains Songs gehören ja mittlerweile auch schon wieder zum guten alten Eisen. Klaas Tigchelaar

Nick J.D. Hodgson Tell Your Friends Prediction / Rough Trade

Einen Britpop-Overkill auf Platte braucht im Jahre 2018 niemand mehr. Dem einstigen Schlagzeuger der Kaiser Chiefs ist das egal. War es eine ökonomische Bestandsanalyse, die Nick J.D. Hodgson die Kaiser Chiefs verlassen ließ, oder gab es andere Gründe? Es wird sich nicht final klären lassen. Der künstlerische Zenit der einstigen Vorderen der Class of 2005 war natürlich längst überschritten, als der Schlagzeuger 2012 abdankte. Hört man nun seine Einstandsplatte im Haifischbecken der Solokünstler, dann könnten es vielleicht doch stilistische Differenzen gewesen sein. Denn seine ehemaligen Bandkollegen verließen das alte Schiff des Britpop immer mehr und verhaspelten sich in elektronischen Spielereien. Schuster, bleib bei deinem Leisten – auch wenn Rock tot ist!


Infos & Tickets: www.concertteam.de

04.02.2018 | Düsseldorf | Mitsubishi Electric Halle

GALANTIS

MASCHINENRAUM MIT PHILIP FASSING

Von Chicago über Amsterdam nach Moskau: Die besten Neuveröffentlichungen für den Club geben sich am Jahresanfang kosmopolit.

Die bereits im vergangenen Jahr von Will Saul und Tom Mangan unter dem Namen Primitive Trust gestartete EP-Serie geht mit »Little Love« (Aus Music) in die dritte Runde und bleibt dem etablierten Niveau dabei treu. Heißt: Angenehm sanft federnder Deep-House in unprätentiöser Machart, dessen geschmeidige Flächen sich zum Ende hin in ungeahnte Höhen aufschwingen und einen überraschend melancholischen Drop einleiten. Zutaten, aus denen Flooplan mit synkopischen Clap-Mustern und einem latent bedrohlichen Stimmungswechsel einen radikal hypnotischen Remix zaubert. Ob Garrett David tatsächlich der bürgerliche Name dieses aus Chicago stammenden Produzenten ist, sei mal dahingestellt. Sicher ist nur, dass das junge Talent dem Ruf seiner Heimat mehr als gerecht wird und mit »Live From The Dog Cave« (Lobster Theremin) einmal mehr zeigt, wie gut sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit House abbilden lassen, ohne dass dabei allzu viele Widersprüche entständen. Die Insignien der 1990er sind hier zwar sehr präsent, dafür aber auch ziemlich einfallsreich inszeniert und wirklich weit davon entfernt, völlig überstrapaziert zu werden. Musik, der man den Spaß bei der Entstehung schon in den ersten Sekunden anhört.

Die Geschichte des spät entdeckten DetroitPioniers Ashtar Lavanda und seiner nur zufällig im Rahmen einer Lagerauflösung entdeckten Musik klingt fast ein bisschen zu gut, um wahr zu sein. Angenommen, dass es sich tatsächlich so zugetragen hat, ist dem Finder, DJ und Labelbetreiber Jimmy Edgar allerdings ein ziemlicher Coup gelungen. »Unsolved Mysteries« (Ultramajic) trägt den rauen Charme der frühen Motor City stolz zur Schau und ist dabei so simpel wie effektiv gehalten. Musik, die so durchaus vor 20 Jahren in einem finsteren Kellerstudio hätte entstehen können. Eine Vorstellung, die so schön ist, dass wir ihr uns an dieser Stelle einfach mal hingeben wollen.

Kaum zu glauben, dass es sich bei »A Part Of Me« (Project: Mooncircle) tatsächlich um das Debütalbum von 1954 handelt. Der junge Franzose pflegt hier bereits eine derart distinguierte Handschrift, dass man zumindest ein paar Gehversuche vorab vermutet hätte. Musikalisch weckt das mit all den melancholischen Downbeat-Experimenten und dem smarten Vocal-Editing vor allem lebhafte Erinnerungen an Künstler wie SBTRKT oder die Anfangsphase von Mount Kimbie. Das Album könnte hier und da vielleicht alles ein wenig eigenständiger ausfallen, ist aber wiederum so gut gemacht, dass die offensichtlichen Referenzen angenehm diskret bleiben.

Mit dem 2016 erschienenen »Human.exe« hat Alexey Devyanin alias Pixelord eines der spannendsten Electronica-Alben des Jahres veröffentlicht. »Blockchain« (Infinite Machine) knüpft genau dort an und zeigt den talentierten Produzenten aus Moskau einmal mehr von seiner besten Seite. Für das Gastspiel abseits seines eigenen Labels Hyperboloid legt Devyanin die Messlatte nämlich kein Stück niedriger. Im Gegenteil: Experimentelle Club-Tracks wie »Hexflo« oder »Sleeping Giant« strotzen nur so vor Einfallsreichtum und Energie. Jono Ma von der Band Jagwar Ma und Angus Gruzman von Dreems und Die Orangen haben sich derweil für dieses erfrischende Joint Venture zusammengetan und zeigen mit »The Dreemas« (Kompakt), dass verspulte BorderCommunity-Melancholie und trocken-perkussiver Minimal-Techno absolut keine Gegensätze darstellen müssen. Der eigentliche Hit versteckt sich mit »Can’t Stop Dreaming (Of You)« allerdings auf der B-Seite und trifft mit seiner unbekümmerten Nonchalance genau den poppigen Vibe, für den wir das Kölner Label seit jeher schätzen. Mit »RV Trax« (R&S) startet Renaat Vandepapeliere, der Gründer des legendären Labels R&S, eine ganz persönliche Vinyl-Serie, auf der der Chef höchstpersönlich die Geheimwaffen seiner Wahl präsentiert. Im Fall dieses Debüts ist das mit Tracks von Bird Of Paradise (im Remix von Steve Legget), G-Prod und Hermetics schon mal eine erstklassige Auswahl, die zwischen schnörkellosem Techno, melancholischem Detroit-House und unterkühlter Electronica pendelt. Eine Serie, die man unbedingt im Auge behalten sollte, wenn es um Geheimtipps für die Tanzfläche geht. Es war schon immer faszinierend, mitanzusehen, wie sämtliche Spielarten des Hardcore Continuums im Universum von Symbols Recordings zu einer ausgesprochen dehnbaren Masse für alle möglichen Experimente werden. So auch auf dem inzwischen dritten Album des Franzosen My.head, der mit »Indigo« (Symbols) Genres wie Jungle, Ambient oder Dubstep zu einer dunklen, auditiven Masse verschneidet, von der ein ganz eigener Reiz ausgeht. Erstaunlich, dass Heist Recordings wirklich schon sein viertes Jahr hinter sich hat. Aber Erfolgsgeschichten vergehen nun mal wie im Flug. Umso schöner, dass die Amsterdamer Hit-Fabrik von Detroit Swindle mit »The Round Up Part 4« (Heist) einmal mehr ihre Künstler anstachelt, sich gegenseitig zu remixen. Dass dabei mit Acts wie Fouk, Nebraska oder den Labelchefs selbst nur Gutes herauskommen kann, ist nicht weiter überraschend. Wie souverän und großzügig diese Clique Soul, Funk und Disco in ihre Vorstellung von House mischt, dagegen schon.

17.02.2018 | Düsseldorf | The Tube

NIco LASkA

21.02.2018 | Köln | YUCA am CBE

BArBAGALLo 24.02.2018 | Köln | Blue Shell

cApITANo

03.03.2018 | Köln | Palladium

AT The DrIve IN 05.03.2018 | Köln | YUCA am CBE

BeTTe SmITh 07.03.2018 | Köln | Gloria Theater

DILLoN

08.03.2018 | Köln | Luxor

The Boxer reBeLLIoN 20.03.2018 | Köln | Artheater

TyphooN

27.03.2018 | Köln | Artheater

kNower

08.04.2018 | Köln | Artheater

ALL The Luck IN The worLD 08.04.2018 | Düsseldorf | The Tube

BruckNer

18.04.2018 | Köln | Stadtgarten

her

19.04.2018 | Köln | Kulturkirche

LeoN Buche

26.04.2018 | Köln | YUCA am CBE

BLAuDzuN 26.04.2018 | Köln | CBE

porTIco QuArTeTT 27.04.2018 | Düsseldorf | The Tube

BeNDer & SchILLINGer 28.04.2018 | Düsseldorf | The Tube · 29.04.2018 | Köln | YUCA

mAINfeLT 10.05.2018 | Köln | YUCA

BryDe

22.05.2018 | Köln | YUCA

GuNDeLAch 30.05.2018 | Köln | Gebäude 9

we Are ScIeNTISTS 05.11. | Köln | YUCA · 06.11. | Dortmund | FZW Club · 18.11. | Frankfurt | Nachtleben

körNer 27.11. | Frankfurt | Zoom · 29.11. | Dortmund | FZW · 30.11. | Köln | CBE

LIoNS heAD


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#Review Hodgsons Platte ist hoffnungsvoll nostalgisch, frönt dem Britpop und das so hemmungslos, dass es zumindest anrührt. »Suitable« ist die Hymne, die problemlos im Radio laufen kann und trotzdem großartig ist. Ein paar mehr Stücke dieses Kalibers hätte es dann allerdings doch gebraucht, wenn man denn schon mit einer angezählten Musikrichtung hausieren geht. Dennoch ist hier jemand bei sich, zelebriert die Musik, mit der er sich am wohlsten fühlt. Und das ist für den Moment aller Ehren wert, denn so hat er immerhin dem künstlerischen Identitätsschaden durch zu viel abseitiges Klimbim vorgebeugt. Kai Wichelmann

Hookworms Microshift

Sklaverei auf seinen Schultern mit sich schleppt. James Hunter ist nicht nur weiß, er konnte darüber hinaus auch als einer von wenigen Europäern in diesem traditionell amerikanisch dominierten Genre Fuß fassen. Auch auf seinem sechsten Album dreht sich wieder fast alles um die honigsanfte Stimme des Briten, der hier noch nicht einmal mehr das sprichwörtliche Telefonbuch vorzulesen braucht: Einem Song wie »MM-Hmm« reicht schon Hunters sonores Brummen als Refrain, um zu lässigem Saxofonspiel die Wohlfühldecke auszubreiten; auch die Texte von Reue und Hingabe klingen da nur allzu oft nach süßem Säuseln. Wenn nicht gerade wie im instrumentalen »Blisters« oder immer wieder in kurzen Zwischenspielen die Gitarrensoli aufjaulen, entkommt »Whatever It Takes« diesem beinah aggressiv unaufdringlichen Groove leider an kaum einer Stelle so richtig. Nur selten lässt Hunter das Potenzial seiner Stimme in markerschütterndem Geschrei erkennen. Zumindest vorerst wird der Thron des Soul kaum der britischen Krone zufallen. Jan Martens

Domino / GoodToGo / VÖ 02.02.18

Neues Studio, neuer Sound! Fast jedenfalls, denn mit ihrem dritten Studioalbum erfindet sich die englische Psych-RockBand zwar nicht neu, zündet aber mit mehr Elektronik die nächste Entwicklungsstufe. Sie wollten nach acht gemeinsamen Jahren und zwei Studioalben einfach keine weitere Psych-Rock-Platte mehr machen und strebten nach Veränderung, ließ die Combo aus Leeds zur Veröffentlichung verlauten. Der Album-Opener »Negative Space« gibt auch sofort die neue Richtung vor: Roboter-Stimme, pluckernde Synthies und eine motorische Drum Machine stimmen den Track komplett auf die Indie-Disco ein. Spätestens, wenn der Gesang einsetzt, ist das LCD Soundsystem tatsächlich nicht mehr weit entfernt. Doch bei den folgenden Songs »Static Resistance« und »Ullswater« erkennt man auch die alten Hookworms wieder – der druckvolle Bandsound, der sich schon immer mehr beim Postpunk als beim Psychedelic-Rock bediente, bildet weiterhin die Grundlage der meisten Lieder. Durch die verwendeten Loops und Samples klingen sie jetzt nur krautiger und dabei zugleich eine Spur zugänglicher. Waren die ersten beiden Alben noch ein Abgleich ihres energetischen Livesounds, so konnten die Songs dieses Mal im eigenen Studio entstehen. Wie hervorragend sich dabei Sänger MJ mit seiner hohen Stimme entfalten kann, wenn er mal nicht mit seiner manchmal leicht enervierenden Gesangsart den Anpeitscher gibt, zeigt sich bei »Each Time We Pass«, einem zurückgelehnt-melancholischen Electro-Pop-Hit, der das Repertoire der Band glänzend erweitert. Indie-Fans, die sich bisher vergeblich ein zweites Album von The Postal Service gewünscht haben, sollten sich den Song anhören. Und danach den ganzen Rest. Timo Weber

The James Hunter Six Whatever It Takes Daptone / Groove Attack / VÖ 02.02.18

Der Tod Charles Bradleys hinterließ den Thron des kontemporären Souls vakant. Mit »Whatever It Takes« versucht James Hunter etwas zu leichtfüßig, die Stufen zu ebenjenem hinaufzutänzeln. In der Welt des Soul und Blues hat ja an sich schon schweren Stand, wer nicht gerade Jahrhunderte von Kolonialismus und

Mit einem glamourös groovenden Song wie »Tell Me« könnte Joan Wasser in einer besseren Welt die Radio-Playlists besetzt halten. Andererseits ist auch klar, dass ein Album mit dem Titel »Damned Devotion« keinen Optimismus oder gar Fröhlichkeit verbreiten will. Sachen, die zu angsteinflößend erscheinen, um sie auszusprechen, müssen gesagt werden – so lautet Wassers Maxime. Das bringt das neue Album der Multiinstrumentalistin mit brodelnder, tanzbarer und verschwitzter Intensität zum Ausdruck, dunkel und doch unerwartet zugänglich. Natürlich ist ihre erhaben-soulige, aber in Teilen auch elektronische Tanzmusik gleichermaßen in der hohen Kunst wie auf der mit Schlauheit polierten Tanzfläche daheim. Und letztlich ist es schlicht Popmusik, die einen unverzüglich mitreißt, sobald man die düstere Klangformel verstanden hat. Damit kann die Pianistin und Gitarristin, die bereits mit Sufjan Stevens, RZA, Lou Reed oder Beck zusammengearbeitet hat, im Prinzip überall ihre feine Aura verströmen. Für alle bereits Bekehrten darf festgehalten werden, dass »Damned Devotion« ein weiteres großartiges Album voller Tiefgang und unerforschter Ecken ist. Klaas Tigchelaar

Wie ein surrealer Tagtraum mutet das Albumdebüt des australischen Electro-PopDuos an. »Backwater« ist ein Balanceakt auf dem Grat zwischen Minimalismus und Anästhesie. Unterkühlte Eleganz zieht sich wie ein roter Faden durch »Backwater«. Die fragile Stimme von Sängerin Chloe Kaul sowie die subtilen R’n’B-Beats von Kollege Simon Lam tragen ihr Übriges zur unnahbaren Aura des Albums bei. Reduzierte Synthesizer und 1980er-Reminiszenzen rufen eine allumfassende Melancholie hervor. Die Platte klingt wie der Soundtrack eines somnambulen Clubabends, ein Porträt stiller Verwüstung – berauscht zwischen Vergänglichkeit und Verdrängung, getrieben von Rastlosigkeit, isoliert inmitten von Menschenmassen. Darin liegt allerdings auch das Manko von »Backwater«: Die zwölf Songs fließen deliriös vorbei, keiner bleibt jedoch hängen. Mit dem Ende des Albums folgt der Kater am Morgen danach – schemenhafte Erinnerungen an einen Abend, gezeichnet von Trance als omnipräsentem Zustand, allerdings ohne Nachhall. Eine dieser diffusen Eskapaden, die dem Leben wenig Sinnstiftendes hinzuzufügen hat. Im Großen und Ganzen nicht schlecht, aber nichts, an das man sich in ein paar Wochen noch erinnern würde. Hanna Rose

Jaguwar Ringthing Tapete / Indigo

Jaguwar erschaffen mit »Ringthing« einen mächtig scheppernden Hybriden aus Shoegaze und melodischem Power-Pop, der hierzulande seinesgleichen sucht. Die Riege der Genre-Vorbilder aus Übersee darf sich warm anziehen. In Zeiten des Shoegazer-Revivals stehen die Zeichen für das Berliner Trio Jaguwar ganz klar auf Erfolg. Zum Glück klingt der Sound ihres Debüts dabei so herrlich undeutsch, dass die Band den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Notorische Nörgler schwingen da reflexartig gleich die große Referenzkeule, aber zu viel My Bloody Valentine oder Ride gehört zu haben war schließlich noch nie ein Verbrechen. Jaguwars Qualität liegt vielmehr in der Unwägbarkeit: Genretypische Schichtarbeit mit geladener Effektbatterie trifft auf ausufernde Songstrukturen mit abwechselnden Gesangspassagen und ganz viel Liebe zur Melodie. Es hallt und scheppert an allen Ecken, hämmernde Drums steigern sich in Ekstase, und hin und wieder werden die Songs sogar durch Noise verstärkt. In puncto Catchiness erinnert das an die frühen Pains Of Being Pure At Heart, »Crystal« ist dagegen eher eine wavige TheCure-Nummer, die sich am Ende in ein Gitarrengewitter entlädt. Gratulation zu diesem durchgehend hochklassigen Album, mit dem die Berliner mit Sicherheit auch international in ein paar Ärsche treten werden. Thorsten Streck

Khruangbin Con Todo El Mundo Night Time Stories / Rough Trade

Khruangbin ist Thai und bedeutet Flugzeug. Wie ein solches überwindet die Band mühelos musikalische Distanzen in ihren Meta-Exotik-1970er-Grooves. Jedes gute Festival hat diese angepsycht dahinfließende Band, die um halb sechs Uhr morgens auf der kleinsten Bühne spielt, deren Namen man sich eh nicht zu merken versucht, aber zu der man unbedingt den Rückweg entlangtänzeln will. Diese Band könnte Khruangbin sein. Das Trio kommt aus Texas, spielt aber Musik quer durch Zeit und Raum: Ihre Sounds verbinden die global-lokalen Musikdialekte popsprachlicher Genres vor allem der 1960er und 70er – beispielsweise Thai-Funk, Italo-Soul und türkische Psychedelic – zu einer Meta-Exotik, die den klassischen Pop mit ihren globalen Wurzeln neu befruchtet. Für ihr zweites Album »Con Todo El Mundo« wandten sich Laura Lee, Mark Speer und Donald Johnson in klassischer Bass/Drums/ Guitar-Besetzung und überwiegend instrumental gehalten verstärkt den Musikstilen des Mittleren Ostens zu – anders als etwa Andreas Spechtl auf seiner jüngst erschienenen Teheran-Platte aber weniger experimentell, dafür voller Neugier auf den besten Groove. Dass man bei dieser Spurensuche, die immer wieder in schön abgehangenen WestküstenTarantino-Momenten oder roh treibendem Exotica-Schimmern mündet, nebenbei die Aufmerksamkeit auf die mit der islamischen Revolution verstummten iranischen Musiker und Musikerinnen zu lenken versucht, macht das Album umso freudvoller. Steffen Greiner

Len Sander The Future Of Lovers Mouthwatering / Broken Silence

Haim-Hits treffen auf Björk-Melancholie treffen auf Leslie-Feist-Stimme: Die Wege des Pop sind manchmal unergründlich. Len Sander gelingt es auf ihrem zweiten Studioalbum »The Future Of Lovers«, das Genre Pop in vielen seiner Formen und Facetten zu präsentieren. Dabei hält die Band aus Zürich in elf Songs keinen Platz für Lückenfüller oder überambitionierte ElectroHymnen bereit, sondern für unverbrauchte Rhythmen, subtile R’n’B-Anbandelungen und Noisepop-Experimente. »Woman On The Run« ist so altbekannt eingängig, dass der Tagesohrwurm garantiert ist. »Can I give it back?« fragt Frontfrau Blanka Inauen mit ihrem zarten Gesang immer wieder zwischen Club-Bässen auf Indie-Beats. Ihren musikalischen Inspirationsquellen Massive Attack und Radiohead entnehmen Len Sander die Essenz und verweben sie in träumerische Pop-Schichtungen. Auch wenn man ihnen den Mut nicht absprechen kann, so sind die Sprünge zwischen Tanzflächenhits und Sentimentalität eher irritierend. Es fehlen Brüche – die Songs werden ohne klare Trennung behutsam leiser und wieder präsenter, trotzdem gehen sie nicht nahtlos ineinander über. Auch der Vielseitigkeit wegen funktionieren die Songs von Len Sander einzeln besser, »The Future Of Lovers« bleibt als Album eine Sammlung erlesener Popsounds. Lena Zschirpe

Joan As Police Woman Damned Devotion PIAS / Rough Trade / VÖ 09.02.18

Joan Wasser schuf einst die Brücke zwischen intelligenter Kunstfertigkeit und souliger Dance-Coolness. »Damned Devotion« fügt dieser Gabe ein weiteres geniales Puzzleteil hinzu, das seine Hörer mitunter förmlich aufsaugt.

Kllo Backwater

Leyya Sauna

Different / PIAS / Rough Trade

LasVegas / Universal


ZIEGENBLUT IM DOSENBIER MIT FRIESE UND HÖLLE

Ergibt es Meta-Retro, wenn man bei Retro-Sound Retro-Bands referenziert? Bleibt da nur noch die Flucht in den Drone? Hölle und Friese sinnieren …

Hölle betritt den Underdog Recordstore und hört sehr klassischen Sound. H: Moin Friese, hat irgendwer den Keller von Led Zeppelin aufgeräumt, oder was läuft da? F: Ich würde zumindest keine fünf Pfennig dagegenwetten, dass der Besenjunge die dort gefundenen Aufnahmen nun als Greta Van Fleet veröffentlicht, so nah ist nicht nur der Sound am Original, sondern auch die musikalische Qualität. Vor 40 Jahren vielleicht Ausschussware, heute aber sehr erfrischend. H: Die »From The Fires« (Republic) ist ja schon die zweite EP der Band, und mich erinnert der Sound immer auch an andere Retro-Referenzen von Darkness bis Mooney Suzuki, so meta ist die Kiste mittlerweile. Jedenfalls ist die Sound-Ästhetik ganz schön historisierend.

»Payin’ The Dues« raus. Keine Kompromisse, Highspeed-Punk’n’Roll. H: Diesmal kommt der Sound allerdings aus Finnland. Nach dem gnadenlos guten Debüt nun ein richtig guter Nachfolger, und gleichzeitig erwacht die letzte große Welle dieses Sounds aus Skandinavien aus dem Winterschlaf und legt auch noch mal los – Hellacopters, Gluecifer & Co.

Leg doch mal die neue White Wizzard auf, dann hören wir uns an, wie Judas Priest klängen, wenn sie heute noch 20 wären. F: Beim Opener hast du definitiv recht. Ansonsten ist diese Kapelle eher die kondensierte IronMaiden-Historie. Mastermind und Bassist Jon Leon wäre gerne Steve Harris, nur halt in ungeduldiger, vom Debüt zu »Seventh Son Of A Seventh Son« als direktem Nachfolger. Dabei hat er gefühlt mehr Mitglieder gefeuert als Harris in der gesamten Historie von Maiden. Nun wieder mit dem Screamin’ Demon eine Art »Brave New World«-Reunion. Dass das alles qualitativ nicht an die Großtaten der Idole heranreicht, sei geschenkt. Aber »Infernal Overdrive« (M-Theory) ist eine unterhaltsame, klassische Heavy-Metal-Platte, deren Line-up nun hoffentlich länger hält, als das Anhören dieser Platte braucht. H: Nicht dass wir jetzt mit den Wizards durcheinanderkommen: Hast du eigentlich die neue Electric Wizard gehört? Gerade der Anfang ist ‘ne schön bluesige Doom-Nummer. Oder ist das eher doomiger Blues? F: Ich bin für duesiger Bloom. Vorab erst mal ein Halleluja (oder wie auch immer man dem dunklen Lord dankt), dass man keine Referenzband im Kopf hat, weil Electric Wizard selbst die Referenz sind. Aber läuft die Platte in der richtigen Geschwindigkeit? Mir kommt es gerade vor, als würden sie sich plötzlich in einem regelrechten Geschwindigkeitsrausch befinden. Nicht dass es ihnen nicht stehen würde, doch der Fuß steht mittlerweile ganz schön in der Garagentür. H: Hm ja, »Wizard Bloody Wizard« (Spinefarm) variiert gerade am Anfang, nachher schleppt es sich wieder etwas ein, aber manche Perlen der Düsternis haben die Anmut schwarzen Kaffees, das mag stimmen.

F: Apropos Perle. Nun kommt eine späte Perle des Jahres 2017: Hard Actions »Hot Wired Beat« (Svart). Seitdem ich bei ihrem letzten Konzert im Kölner Sonic Ballroom den Vorboten des neuen Albums im Gewand der 7“ »Tied up« gekauft habe, standen meine Erwartungen auf zwölf. Diese Burschen bringen das neue

Leg doch mal die »No Cross No Crown« (Nuclear Blast) von Corrosion Of Conformity auf, da macht man ja auch nie was falsch. F: COC sind seit ihrer Reunion in einer blendenden Form. Sowohl live als auch auf Platte, wie sie hier beweisen. Keine Neuerfindung oder ein neues Meisterwerk, aber so grundsolide, wie der Charakter von Pepper Keenan immer wirkt. H: Absolut. Southern Rock meets Sabbath in hart. Denselben Produzenten wie immer, und die Single »Wolf Named Crow« bringt sofort den Trademark-Sound. Wollen wir gerade mal die Blues-Tonleiter verlassen? Ich hätte die »Trident Wolf Eclipse« (Century Media) von Watain da. F: Watain feiern 20 Jahre Schweineblut und Pyro-Effekt, keine Kompromisse und den einhergehenden Bühnenmief. Obwohl ich kein Fan bin, geht das hier überraschend gut ins Ohr. Wahrscheinlich ein Indiz, dass es dem gediegenen Schwarzmetaller am Ende zu seicht ist. Oder was sagen Sie, Herr Ziegenblut? H: Mir gefallen Mix und Produktion richtig gut, und bei aller Liebe für Chaos und Verwüstung in musikalischer Entgrenzung hab ich nichts gegen das gute Quäntchen Pop, das der Platte innewohnt. Eine süffige Platte, die nicht mehr erahnen lässt, dass Erik Danielsson wegen Burn-out kürzertreten musste. Full stop jetzt! Lass uns mit der »Prospect Of The Deep Volume One« (Indivisible) von Azonic in den Schweif des Kometen eintreten. Die Platte passt hier gut, weil sie sich im Endeffekt dort suhlt, wo Slayer ihr »Reign In Blood« haben ausklingen lassen. F: Wow. Das ist wirklich nur was für Leute, die bei einem Drone-Rock-Konzert bereits nach fünf Minuten gehen, weil ihnen der erste konkret angeschlagene Akkord nach der obligatorischen IntroFeedbackschleife schon zu viel Zugeständnis an ordinären Stadionrock ist. H: Stimmt. Die sind ein Hardcore-Drone-Duo, aber mit Pauke und Gong! Das ist ein Projekt des Blind-IdiotGod-Gründers Andy Hawkins, aufgenommen von Bill Laswell. Stephen O’Malley ist begeistert! Klingt wie das infernalische, episch dünn gewalzte Ende eines Jahrhundert-Konzerts in Zeitlupe.

F: Beenden wir diese denkwürdige Jahrhundertausgabe unserer Kolumne doch mit einem Zitat aus der Songtexte-Auswahl »Japanische Kampflektüre« (Unundeux) von Christ Of Kather: »Musik soll eigentlich schön sein. Diese hier nicht!«

BEATSTEAKS CYPRESS HILL KRAFTKLUB FEINE SAHNE FISCHFILET HOT WATER MUSIC KÄPTN PENG & DIE TENTAKEL VON DELPHI THE BABOON SHOW SILVERSTEIN SWMRS

BROILERS IN FLAMES MARTERIA GOGOL BORDELLO TALCO HILLTOP HOODS FABER THE MENZINGERS SWISS UND DIE ANDERN CREEPER

ROTHENBURG OB DER TAUBER

09. BIS 12. AUGUST 2018

WWW.TAUBERTAL-FESTIVAL.DE


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#Review

Machine Head Catharsis Nuclear Blast / Warner

Spektakel

MGMT Little Dark Age Columbia / Sony / VÖ 09.02.18

MGMT haben das Experimentieren nicht aufgegeben. Deshalb, oder trotzdem, ist ihnen mit »Little Dark Age« ein großer Wurf in süßlich angereichertem Synthie-Pop gelungen.

Es ist allein schon beeindruckend, die Irrungen und Wendungen in der Karriere der wahlweise Weirdos, wahlweise Popgötter MGMT zu betrachten: Es ging vom juvenilen Indie-Hit über überkandidelten Wahnsinn bis hin zu Experimenten mit soliden Rock-Traditionen und immer wieder phasenweise hier- oder dahin zurück. Nun, nach der ersten längeren Pause ihrer Geschichte, ist die Band ein weiteres Mal in eine ihrer hybriden Zwischenwelten eingekehrt: »Little Dark Age« changiert zwischen süßlichem Pop, der stellenweise an Air zu Zeiten der »Virgin Suicides« erinnert, und stolpernden Lo-Fi-Experimenten, die manchmal sogar den Witz der unvergessenen Ween wachrufen. Dieses Soundgewand steht MGMT ausgezeichnet: Der elegant verträumte, aber auch mit Widerhaken versehene Synthie-Twee der Singles »Little Dark Age« und »When You Die« gerät in der anregend ausgestalteten Version der Band ausgesprochen hittig, gleichzeitig ist auch das Album als Ganzes ein herausragend sinnliches Vergnügen. Auf Basis ihrer Stilvorlage leben MGMT ihr kreatives Potenzial voll aus, vielleicht mehr als je zuvor in ihrer Karriere. Das Beste an dieser umwerfend guten Platte: Hier gerät nichts in Verdacht, an einen aktuellen IndieTrend anzudocken, und es ist doch lupenreiner, großer Pop. Vielleicht schwenken MGMT mit »Little Dark Age« tatsächlich noch auf die großartige Pop-Laufbahn ein, die ihnen viele schon vor zehn Jahren vorausgesagt hatten.

Die eigentliche Katharsis dieses saftigen neuen Machine-Head-Albums ist der herzhafte Mittelfinger in Richtung aller Puristen. Wenn Deutschpop sich gemäß Jan Böhmermann auf die vier Schlagworte »Menschen Leben Tanzen Welt« reduzieren lässt, gilt für breit produzierten Blockbuster-Metal das Quartett »Rise Fall Fuck Down«. Ausgespuckt mit Groll und Donner, aber präsentiert wie »Transformers 3« oder eine neue Folge von »Terminator«. Das neue Machine-HeadAlbum »Catharsis« wirkt nun, als hätten Rob Flynn und seine Bande hochkompetenter Virtuosen in der Produktionshalle gehockt und beschlossen, mit reinstem Gewissen und diebischer Freude an der Provokation allen Dogmatikern des Metal ein Album entgegenzuschleudern, das alles feiert, was diese für nicht cool und kredibel halten. »Catharsis« suhlt sich in Form und Klang des Nu Metal, als wäre der gestern erst »neu« gewesen, und verneigt sich sogar manchmal vor »The Poison« von Bullet For My Valentine, als hätte man es hier nicht mit einer Band zu tun, die schon Thrash-Klassiker schrieb, als die Protagonisten des kurzlebigen Screamo noch zum Mobile über dem Kinderbett griffen. Natürlich gibt es auch Geschwindigkeitsattacken und Traditionen, doch selbst die sind stets ins Gewand des Blockbusters gekleidet. Ihr prägendes Album »The Blackening« war dagegen ein Kubrick-Film. Genau in der Mitte der Platte sitzt mit »Bastards« eine Ballade, in der Flynn zur Akustischen davon singt, wie er seinen Söhnen diese derzeit kranke Welt erklärt. Ein Stück, so hölzern und kitschig wie uncool und genau deswegen in seiner Ignoranz gegenüber der Szenepolizei und der Öffnung für die metalaffine Menge gerade wieder so couragiert. Oliver Uschmann

Marmozets Knowing What You Know Now

Christian Steinbrink

Paramore (mit metaphorischen Eiern) treffen The Dillinger Escape Plan, das dynamische Chaos einer Truppe energiegeladener Mittzwanziger trifft auf die technisch versierte Eingespieltheit einer routinierten Familienbande. So gelingt Marmozets mit »Knowing What You Know Now« tatsächlich noch einmal eine Steigerung zu ihrer Debütplatte. Im Gegensatz zum Vorgänger besitzt beinah jeder Song Ohrwurm-Qualitäten und einen Refrain, der sich sofort im Hirn festsetzt, bevor er drei Minuten später vom darauffolgenden abgelöst wird. Ein wenig ruhiger als »The Weird And Wonderful Marmozets« mag Album Nummer zwei zwar geworden sein – aber auch dadurch wirkt es nur noch runder, ausgereifter, erwachsener. Tobias Tißen

H.C. McEntire Lionheart Merge / Cargo

Die Mount-Moriah-Sängerin H.C. McEntire, die auch als Angel Olsens Tourbegleiterin aktiv ist, überführt die traditionsbewusste Country-Szene ins 21. Jahrhundert. Mit ihrer Band Mount Moriah näherte sich Heather McEntire Album für Album immer mehr dem klassischen Country an und ist auf ihrem Solodebüt nun offenbar am Ziel angekommen. So ganz passt sie aber nicht in das Country-Gesamtbild, denn die Musikerin aus North Carolina ist nun mal kein heterosexueller Cowboy und auch kein HonkyTonk-Püppchen. Und das ist auch primär das Thema dieser sehr persönlichen Platte, bei der Kathleen Hannah (Le Tigre, Julie Ruin) als Geburtshelferin und Mentorin mithalf. Im Vorzeigetrack »A Lion A Lamb« mischt McEntire mit Zeilen wie »I have found heaven in a woman’s touch« oder »Come here, my lamb, I’ll make you blush« christliche Metaphorik mit ihrer sexuellen Selbstfindung und singt kurz darauf von der Entfremdung in einer Musikszene, die bis dato höchstens bei der Vergabe des Country Music Awards an Brandy Clark ein Plätzchen für die LGBTQ-Gemeinde zeigte. Doch so viel Löwenherz McEntire in ihre Texte steckt, so traditionsbewusst und stellenweise fast schon betulich zurechtgepickt fällt »Lionheart«, das mit vielen Gästen wie dem Gitarristen William Tyler oder dem Indigo Girl Amy Ray glänzt, aus. Einzig »Wild Dogs«, bei dem sie gemeinsam mit Angel Olsen zu einem stoischen Hintergrund-Beat singt, fällt aus dem klassischen Country-Rahmen. Sebastian Jegorow

Roadrunner / Warner

In der Electro-Pop-Schmelze von »Sauna« verdampft die Bürde des verflixten zweiten Albums, mit dem sich Leyya in den Dunstkreis österreichischer Exportschlager wie Bilderbuch oder Wanda hieven. Eigentlich kennt man die oberösterreichische Idylle Eferding bloß aus dem Nibelungenlied – Leyya ändern das nun. Dass ihr bunter Sound im Vergleich zur vorangegangenen Melancholie-Kühlkompresse »Spanish Disco« nun tanzbaren Trip-Hop und Electro-Pop aufgießt, verdeutlicht den Reifeprozess der Band. Inmitten sich ausbreitender SynthieDämpfe zeugen vor allem tropisch-exotische Percussions von groovender Gefälligkeit. Der Krux des zweiten Albums entgegnen Leyya ironische Distanz: Ohne sich dabei zu ernst zu nehmen, stellt das Konzept der Konzeptlosigkeit hier einen wegweisenden Fingerzeig dar. Die Sorgenfreiheit von »Zoo« beispielsweise gleicht dem naiven Lächeln eines Kindes, das sich – mit Sonne im Gesicht und Affengehege

vor der Nase – bedenkenlos mit Erdbeereis bekleckert, ehe sich die süßlichen Tropfen in »Candy« zu einem honigschweren AquariumSzenario verdichten. Von hier wabbeln Sophie Lindingers Worte wie Luftblasen an die Oberfläche und erinnern dort sogar an Lana Del Rey (»Oh Wow«, »Heat«) – ohne jedoch deren affektierte Suizidalität zu beanspruchen. Stattdessen kommt die Stimme der Österreicherin mit vertraulicher Contenance daher, die man sich etwa von einer älteren Schwester wünscht, wenn man mal wieder von raufboldigen Achtklässlern verprügelt wurde. »The Fall« und »Heat« haben derweil ihre Popsoul-Momente: Wie angetrunkene Glühwürmchen dürften sie im Unterbewusstsein einer Leslie Clio umherschwirren, die sich wünschen wird, noch wenigstens einen Hit vom Format dieses Electronica-Duos produziert zu haben. In »Sauna« verdampfen derer nämlich mindestens ein halbes Dutzend. Benni Bender

2014 überzeugte das Debütalbum von Marmozets mit einer erfrischenden Mischung aus melodischem Indie-Rock und schepperndem Post-Hardcore. Die Erwartungen an den Nachfolger waren dementsprechend hoch – und die Briten enttäuschen zu keiner Sekunde. Das herausstechende Merkmal der Band um die drei MacIntyre-Geschwister und der beiden Bottomley-Brüder, die sich 2007 in sehr jungen Jahren zusammenschlossen und bald darauf als Marmozets frischen Wind in die Rock-Szene brachten, ist die beeindruckende Diversität in der Stimme von Frontfrau Becca MacIntyre. Im Minutentakt wechselt sie zwischen glasklarem Gesang und kraftstrotzenden Screams, überträgt damit Emotionen von Melancholie bis zu hysterischer Ekstase problemlos auf den Hörer. Doch das ist nicht das einzige Attribut, das den Sound des britischen Quintetts so frisch, wild und gut klingen lässt: Harte Post-Hardcore-Riffs treffen auf eingängige Indie-Rock-Melodien,

The Monochrome Set Maisieworld Tapete / Indigo / VÖ 09.02.18

The Monochrome Set veröffentlichen seit ihrem Comeback 2011 bereits ihr viertes Album. Im dritten Frühling der Artist’s Artists tritt der zackige Art-Punk der Anfangstage zugunsten eines entspannten Jangle-Pop in den Hintergrund. Tapete Records ist mittlerweile eine beliebte Anlaufstelle für britische Originale. Nachdem hier zuletzt Alben von Lloyd Cole, The Telescopes und The Clientele veröffentlicht wurden, erscheint nun nach »Space


#Review Everywhere« und »Cosmonaut« bereits das dritte Album von The Monochrome Set auf dem Hamburger Label. Dass es dabei nicht nur um reine Heldenverehrung geht, sondern die Band um Sänger und Gitarrist Bid auch einige Zeit nach ihrem 30-jährigen Bandjubiläum immer noch taufrische Songs schreibt, versteht sich von selbst. Es wird abermals deutlich, wie prägend The Monochrome Set für die Musiksozialisation der Britpop- und Indie-Bands zwischen den 1990ern und 2000ern gewesen sind. Unprätentiös und leichtfüßig wie eh und je schütteln sie schwer eingängige Popmelodien aus dem Ärmel, sodass der große Grantler Morrissey vor Neid rot anlaufen würde, wenn er seinen inneren Unmut noch richtig kanalisiert bekäme. »Maisieworld« klingt irgendwie zufrieden, ja, aber nie selbstzufrieden. Ein stets beschwingter Gitarren-Groove hält die Songs zusammen, manchmal trifft ein Banjo auf eine dezent gehaltene Bläsersektion, Ska wird hier und da angedeutet. Bid, vor Jahren aufgrund eines Aneurysmas nur knapp dem Tod entkommen, singt jetzt »I Feel Fine (Really)«. Das sitzt, auf unnötige Manierismen kann er verzichten. Seine Stimme ist über die Zeit nur minimal brüchiger, dafür aber auch wärmer geworden. Es wird etwas mehr gesäuselt, aber trotzdem nonchalant auf den Punkt gebracht. Beim abschließenden Titelstück versteht der Hörer zunächst »Lazy World«, und das wirkt einladend, nicht einlullend. Alte weiße Männer können halt auch anders. Timo Weber

Nadine Oh My Memphis Industries / Indigo

Der sympathisch experimentelle IndiePop von Nadine kommt nicht so richtig auf Flughöhe. »Nice ist das neue nichtig« wäre ein schöner Slogan für das Debüt dieses Trios aus New York und Minneapolis, aber dann müssten wir drüber reden, ob »nice« nicht schon immer »das neue nichtig« war, ob nicht sogar »nice« gerade als kleine Schwester von Scheiße exakt Nichtigkeit definiert. Und das wäre gemein, denn »Oh My« ist tatsächlich primär ein ziemlich nices Album der Band um Nadia Hulett geworden. Hulett trat bislang sowohl solo in Erscheinung als auch mit der Phantom Posse, einem New Yorker Kollektiv, das zahlreiche Genres zwischen Lounge-Jazz, Electro-Pop und Rap verbindet und dessen bekanntestes Mitglied der queere frühere Drake-Sidekick ILoveMakonnen ist. Ihr neues Projekt Nadine verbindet schick produzierte Indie-Grenzgänge, die experimentell auch in Richtung R’n’B und Jazz gehen, mit einer cleveren Tongue-in-Cheek-Attitüde. In guten Momenten (vor allem zu Anfang des Albums) erinnert es an den smoothen Pastiche-Pop von Jens Lekman, in langweiligen (hinten raus) denkt man sich eben Slogans aus. Steffen Greiner

N*E*R*D No One Ever Really Dies Moon Zero Relationships Between Inner & Outer Space Denovali / Cargo

Ein transzendental-düsterer Trip in mechanisch-dystopische Ambient-Welten: Mit seinem zweiten Album reinigt Tim Garratt sein in Schieflage geratenes Selbst. Tim Garratt war ziemlich weit unten: Beziehung vorbei, durch finanzielle Katastrophen verlor er Wohnung und Studio, er zog zurück zu seinen Eltern. Die ganz persönliche innere Dystopie, zurückgeworfen in spätadoleszente Verhältnisse. Aber Garratt schreibt unter seinem künstlerischen Alter Ego Moon Zero keine Emo-Punk-Songs, um sich den Ausbruch aus der Tristesse zu erleichtern. Er begibt sich stattdessen ein weiteres Mal in eine von Ambient vernebelte Traumwelt, in der sich Hell und Dunkel mehrmals stündlich abwechseln, in der seltsame Maschinen mit monotonen Geräuschfrequenzen kommunizieren und in der man so allein ist, dass man gar nicht anders kann, als sich selbst wiederzufinden. In vier sehr ausschweifenden Soundscapes, von denen das mächtige »Sunk Cost« mit knapp 13 Minuten das längste ist, begleiten wir Tim Garratt auf seiner düstermeditativen Reise ins Selbst, erleuchten die Tiefe von Zeit und Raum mit einer Duftkerze Typ Metall und fühlen uns am Ende mental gereinigt. Ob es Garratt nach Beendigung seines zweiten Moon-Zero-Albums auch so ging, ist nicht überliefert. Aber anzunehmen ist es. Kristof Beuthner

Columbia / Sony

N*E*R*D nehmen sich ihren vollen Namen zu Herzen und beweisen, dass der Sinnspruch »No One Ever Really Dies« nicht immer positiv besetzt ist. Niemals geht man so ganz, schon gar keine einst erfolgreiche Pop-Kapelle – zumindest dann nicht, wenn sich noch irgendwo ein paar Scheine abholen lassen. Dieser Zusammenhang mag als traurige Realität bewertet werden, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die Rückkehr eines Acts minderwertige Ergebnisse mit sich bringen muss. Pharrell Williams’ Neptunes wussten das schon, als sie ihre Formation N*E*R*D Anfang der 2000er aus der Taufe hoben – schließlich ist deren Name ein hingebogenes Akronym des Sinnspruchs, der jetzt als Albumtitel herhalten muss. Gute fünf Jahre lang waren Neptunes-Produktionen der heiße Scheiß des US-Rap, jeder wollte sich mit Features oder Beats aus dieser Schmiede schmücken, bevor Kanye auf den Plan trat und sie quasi ablöste. Danach flaute der Hype ab, die Verkäufe ebenso, und Ende des letzten Jahrzehnts stellten N*E*R*D ihre Band-Aktivitäten gänzlich ein. Und wenn man nun »No One Ever Really Dies« hört, hätte sich das nicht unbedingt ändern müssen. Denn die darauf versammelten elf Tracks folgen einem altbekannten, recht armseligen Muster: N*E*R*D versuchen, ein unzusammenhängendes Sammelsurium aus mehr oder weniger abgehängten Beats und überraschend rockigen Sounds mithilfe von Star-Power der Liga Rihanna, Kendrick, M.I.A. und sogar Ed Sheeran aufzuwerten. Selten ist das Album unterhaltsam (»Rollinem 7’s« mit Andre 3000) oder wenigstens tanzbar (»Kites« mit M.I.A. und Lamar), meistens rauscht es recht folgenlos durch, und Neues findet sich zwischen viel Funk und noch mehr Club nie. Vielmehr wirkt es oft wie eine Fingerübung, kaum ausgearbeitet, geschweige denn konzeptioniert. Sie hätten es wirklich bei ein paar Singles belassen können. Vielleicht mal wieder solo was probieren, Pharrell? Christian Steinbrink

Nightmares On Wax Shape The Future Warp / Rough Trade

Stünde die Weltherrschaft der Sitzsäcke, Lounge-Sessel und Hängematten bevor, ihre Sprache klänge wie das neue Album von George Evelyn. Auch wegen seiner Dub-, Jazz- und Soul-Zutaten perfektioniert »Shape The Future« die Entschleunigung. 30 Jahre sind vergangen, seit sich Nightmares On Wax der damals übererregten Rave-Szene entzogen, um stattdessen das Ebenmaß der Langsamkeit zu ergründen. Seither expandierte George Evelyns meditatives Downtempo-Konzept zum Erfolgsmodell. Wieso eigentlich hat er bis heute noch kein Patent auf sein klangtherapeutisches Sedativum angemeldet? Denn tatsächlich steht das entschleunigte Leitmotiv seiner nunmehr achten Zeitlupen-Exploration nicht nur unmittelbar vor der formalen, sondern auch inhaltlichen Vollkommenheit: Die Zukunft zu formen heißt für den Warp-Protegé nämlich auch, die Güte der Natur nicht zu überbeanspruchen. Musikalisch erweist sich die durchaus sinngebende Spiritualität des Albums als ein Downbeat-Cocktail mit gewohnt ambienter Lounge-Couleur, erfrischender Dub- und kosmischer Synthie-Wave-Garnitur, zu dem die Chants der Vokal-Entourage – vor allem Andrew Ashong (»Tell My Vision«), Mozez (»Citizen Kane«), Jordan Rakei (»Typical«) und Sadie Walker (»Deep Shadows«) – wie Grenadine schwer und anmutig zugleich entlang der klug eingestreuten Gospel- und Soul-Beigaben laufen. »Shape The Future« ist ein das Bewusstsein schärfendes Zusammenspiel, dessen gekonnte Unaufgeregtheit nahelegt, wie sich die friedfertige Ausgeglichenheit des Menschen im Einklang mit der Natur anhören könnte. Benni Bender

Nai Palm Needle Paw Masterworks / Sony

Die Hiatus-Kaiyote-Sängerin auf SoloPfaden, total reduziert, nur Gitarre und Stimme – aber was für eine! »Needle Paw« ist ein außerordentlich gelungenes Experiment in Emotion und Selbstermächtigung. Hiatus Kaiyote aus Melbourne sind die Band mit dem aufregendsten Neo-SoulFuture-Funk-Entwurf südlich des Äquators und haben dementsprechend viele PromiFans: Questlove, Erykah Badu, Chance The Rapper, aber auch Drake und Kendrick Lamar, die sie zumindest sampeln. Geprägt wird ihr Sound nicht zuletzt von Frontfrau Nai Palm, die Gitarre spielt, singt und die Zeremonienmeisterin gibt. Auf ihrem Solodebüt tut sie das auch, aber eben ohne Band und aufwendige Produktion im Rücken. Fast alles wird von ihrer Stimme ersetzt, die die Rolle der Instrumente übernimmt und nur noch von weiteren Background-Stimmen flankiert wird. Dass das wunderbar funktioniert, hört man auch deshalb, weil einige bekannte HiatusKaiyote-Songs wie »Atari«, »Molasses« oder »Borderline With My Atoms« vertreten sind. Dazu kommen sechs neue Stücke und zwei Cover: Jimi Hendrix’ »Have You Ever Been (To Electric Ladyland)« (dem die feminine Neuaneignung sehr gut steht, wenn die Stimme die E-Gitarre ersetzt) und ein neunminütiger Monsterhybrid aus David Bowies »Blackstar«, Radioheads »Pyramid Song« und dem eigenen »Breathing Underwater« – einem Mausoleum von einem Song für den verehrten Bowie. Insgesamt klingt »Needle Paw« so gar nicht beschaulich (was man vermuten könnte, wenn man die Kombi »Frauenstimme und Gitarre« hört), sondern eher herausfordernd. Schichten von Stimmen, Verzierungen, Koloraturen und Blue Notes drängen in den Vordergrund, Ketten von Ganz- und Halbtonschritten gehören ja ohnehin zu Nai Palms Signature-Sound. Es entsteht der Eindruck, dass hier das Nackte der Stimme genutzt wird, um den Klangkörper selbstbewusst in den Vordergrund zu stellen: ein Statement schöpferischer Selbstermächtigung. Ganz so wie die »Lightning Serpent«, deren Geschichte der native Sänger Jason Guwanbal Gurruwiwi am Anfang und Ende erzählt. Claudius Grigat

No Age Snares Like A Haircut Drag City / H’Art

Alles stabil bei No Age. Den nuklearen Fallout vor Augen, die Vergangenheit im Blick. Was sollen sie sonst auch machen? Gitarre ist tot! Sie leben. Nach drei Alben und zehn Jahren bei Sub Pop sind No Age weitergezogen und mit einer Kaffeetasse Punk in der Hand beim WeirdoFlaggschiff Drag City in Chicago gelandet. Und dort sind sie natürlich genau richtig aufgehoben. Den Dream-Punks aus Los Angeles gelingt der Neustart nach dem schwächeren 2013er-Album »An Object« ausnehmend gut. Alles ist wieder da: die Dringlichkeit, die Soundfläche, die spontane Wucht, das Flirren, das Zucken, diese Dichte. Die Faust in die Luft gestreckt, peitschen No Age durch zwölf Songs. Rock’n’Roll für den nuklearen Winter. In Dosen zu genießen, während die Radioaktivität sich der Körper bemächtigt und wir uns an Thurston, Kim und Lee erinnern. Für einen Song wie »Secret Swamp« hätten diese drei getötet. Ein fast durchgehend fantastisches Album. Hören Sie rein. Dietfried Dembowski

Niklas Paschburg Oceanic 7K! / Indigo / VÖ 09.02.18

Aus Neoklassik wird langsam Pop: Niklas Paschburgs Träumereien über das Meer punkten mit feinfühligem Klavierspiel und treibenden Electro-Beats. Immer noch gibt es fleißig Nachwuchs innerhalb der Riege der Pianisten, deren Neoklassik genanntes Update kontemplativer Klaviermusik, angereichert mit Einflüssen aus Pop und Elektronik, zum Soundtrack für Eskapisten, Tagträumer und Nachtdenker gereicht. So gerät beim Hamburger Niklas Paschburg und seinem Albumdebüt »Oceanic« rein gar nichts unerwartbar, wenngleich er die Ideen von Epigonen wie Nils Frahm und Ólafur Arnalds strukturell deutlich weiter

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#Review Richtung Pop denkt und seinem sanft fließenden Tastenspiel nicht nur generell mehr roten Faden, sondern auch den einen oder anderen treibenden Beat spendiert. Der Ursprung des Albums liegt, wie sein Titel bereits suggeriert, am Meer und seiner mal ruhigen, mal ungestümen Energie, aus der Paschburg Kraft und Inspiration für sein musikalisches Oeuvre schöpfte. Diese Prämisse hat ein gewisser Lubomyr Melnyk auf »Rivers & Streams« deutlich kunstvoller vertont, aber auch Paschburgs »Oceanic« öffnet malerische Bilderwelten, die das innere Auge mit hochgeklapptem Friesennerzkragen und Blick auf die Wellen den Gedanken nachhängen lassen. Kristof Beuthner

Peter Oren Anthropocene Western Vinyl / Cargo

Peter Oren möchte klagen, kratzen, sich empören – vor allem über die politische Gegenwart. Beim Versuch, Melancholie als trübseligen Kult zu rechtfertigen, schnappt jedoch regelmäßig die Stereotyp-Falle zu. »Anthropocene« hätte die notwendige Entwicklung in der jungen Karriere des Singer/Songwriters einleiten können. Stattdessen begräbt sich jeder Emanzipationsgedanke auf Peter Orens Zweitwerk selbst. Das instrumentale Arrangement – einzig »Throw Down« überrascht mit verzerrten Psychedelic-Effekten – gleicht dem Debüt »Living By The Light« zu sehr: Akustisches Saloon-Flair, endzeitliche Streicher und unverzichtbares Kettengerassel protegieren die in Bourbon getauchte Stimme des Melancholikers. Im reduzierten Mix aus WesternFolk und Country-Blues kann das teils sogar überzeugen. Oren bemüht sich darum, ein Zeitalter zu definieren, in dem Menschen selbstverschuldet vornehm untergehen. Klar, dass dem geerdeten Prärie-Knaben hier allerlei in den Schoß fällt, um seine dürftige Einsamkeit zu poetisieren. Plötzlich macht es Sinn, wenn sich der geistesbefreite Outlaw mit einem Wolf vergleicht, der zwar vereinsamt durch die Nacht flaniert, aber dennoch die Integrität eines gestandenen Mannes bewahrt, der seine Karre natürlich nur mit Diesel tankt. »Ladys« sehen auf »Anthropocene« übrigens dann »pretty« aus, wenn sie hilfsbedürftig rüberkommen. Orens Versuch, die feinfühlige Tragik einer empathiefreien Gesellschaft zu skizzieren, geht schief. Die Stereotype des westwärts schreitenden Libertins zwingen ihn zu Klischees, die auf der konservativen Eigentümlichkeit amerikanischer Südstaaten fußen und das Genre fest in ihren Klauen halten. Benni Bender

Pale | Seas Stargazing For Beginners Abbey / Al!ve

In einsamen, dunklen Stunden kann man sich im Sound der Pale | Seas am besten treiben lassen. Indie-Rock für Nachtschwärmer.

Sternenbeobachtung ist nicht das Einzige, womit Pale | Seas ihre Nächte füllen: Ihr Debütalbum wurde, um ihren Liedern von Isolation und Liebeskummer Genüge zu tun, ausschließlich in den dunkelsten Phasen des Tages aufgenommen. Die akustischen Gitarrenmelodien, die oft den Kern der Songs bilden, kann man sich ebenfalls problemlos als Resultat schlafloser, einsamer Rastlosigkeit vorstellen. Diesem Umstand mag es geschuldet sein, dass »Stargazing For Beginners« häufig so zeit- wie raumlos klingt. Die breiten Gitarrenflächen amerikanischer Rockbands wie The War On Drugs, mit denen sich die Südengländer bereits die Bühne teilten, lassen sich ebenso identifizieren wie die melodieverliebte Lässigkeit des Britpop und die Trägheit isländischen Ambients. Wenn Sänger Jacob Scott dann aber in einem Stück wie »In A Past Life« das Wörterbuch des Schmalzes von vorne nach hinten durchschmachtet, entpuppen sich Pale | Seas in ihrer Essenz dann doch als lupenreine Popband in leuchtend schwarzen Kleidern. Jedoch als eine, die tatsächlich am besten unter Vollmond und Sternenhimmel funktioniert – und damit stehen sie in diesem Genre ziemlich allein. Jan Martens

Das zweite Soloalbum des Dänen Esben Svane bietet »Morgenmagazin«-tauglichen Pop mit teils feinem Songwriting. Eine Storyline so alt wie der Musikjournalismus selbst: MusikerIn zieht sich in ein Studio auf dem Land zurück, um die dortige Abgeschiedenheit zu nutzen, sich wieder auf das Wesentliche zu beschränken. Einher geht diese Geschichte oft mit Begeisterung über das entstandene Werk, das mit Unverfälschtheit, Direktheit und dergleichen punkten kann. Auch bei Radar Post ist das nicht anders. Der Opener »Pilots« oder »Avalanche / Merciless« gemahnen in ihrem Folk-Appeal an Sufjan Stevens in seiner »Carrie And Lowell«-Phase, das sehr eingängige »Lifelines« ist elektronischer Pop in Reinform, bei dem man endlich mal wieder die Repeat-Taste ausgiebig nutzen kann. Manchmal sind die Songs auch durchaus »Morgenmagazin«-kompatibel, aber das meist feine Songwriting entschädigt dafür. Die Reife verwundert nicht, schließlich verfügt Svane über einen ordentlichen Erfahrungsschatz, aus dem sich seine Kompositionen speisen: Trotz seines jungen Alters hat er schon eine Karriere als Schlagzeuger bei den Local Heros A Friend in London sowie einen ausgewachsenen Alkoholismus samt Entzug hinter sich. Da darf man dann auch mal große Gefühle äußern: »Ever since I was 12 I called out for a girl to come change my life and give me peace and that’s what you have given me.« Amen. Christian Steigels

Porches The House Domino / GoodToGo

Aaron Maines drittes Album quillt beinahe über vor Synthies. Aber seine rohen Vocals machen daraus ein interessantes, trauriges Gemisch. Der Sound von Porches aus Pleasantville liegt irgendwo auf der Schwelle zwischen konstruiert und natürlich. Der direkte Synthie-Pop in »Find Me« und anderen Songs ist nostalgisch, trotzdem nicht angestaubt. Das meditative »Now The Water« ist hier das Vorzeigebeispiel: langsam, melancholisch verträumt, dabei aber rhythmisch. Die Ungreifbarkeit und das Zerfließen von Wasser zieht sich thematisch wie auch klanglich durch die Musik von Aaron Maine. Dieses Album ist reduzierter als beide Vorgänger, mit mehr Fokus auf Rohheit: Maine war es wichtiger, den Geist von Demo-Aufnahmen zu wahren, als die Produktion glatt zu ziehen. Auch in den Texten spiegelt sich dieses Innehalten wider. Neben verlockenden Songs wie »By My Side« kann Maine auch ausgesprochen hoffnungslos, isoliert und ängstlich klingen. »Goodbye« vereint Melancholie und mitreißenden Tanzdrang. Obwohl Maine das meiste selbst macht, gab es hier namhafte Unterstützung, beispielsweise von Devonté Hynes (Blood Orange). Man kann »The House« als prätentiösen Selbstfindungstrip abtun. Oder man kann einfach loslassen und sich selbst gleich mitfinden. Elisabeth Haefs

The Radar Post A Good Adjustment To Reality Nordic Music Society / Membran / VÖ 02.02.18

Rhye Blood

Rosemary & Garlic Rosemary & Garlic Nettwerk / ADA / Warner

Rosemary & Garlic spielen schwebenden Klavier- und Electro-Folk, dessen entrückte Zaghaftigkeit viel Aufmerksamkeit braucht, um überhaupt einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Das Duo Anne van den Hoogen und Dolf Smolenaers aus den Niederlanden hat seit seiner Zusammenkunft 2014 schon ein paar Lobhudeleien sammeln können. Die erste EP »The Kingfisher« fand internationale Beachtung, der darauf enthaltene Song »Old Now« wurde über sieben Millionen Mal gestreamt – so weit die Fakten. Trotzdem wird es mit dem Debütalbum nun ernst, denn leider schaffen die Sängerin/Gitarristin und der Soundtüftler es nicht, über zehn Songs lang durchgängig die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Das liegt nicht nur an der klanglichen Ausrichtung (nennen wir sie Dream-Folk), sondern auch an der zaghaften Umsetzung. Reichlich verhuscht klammern sich die Klavierakkorde an van den Hoogens liebliche, aber wenig präsente Stimme. »Birds« erinnert an die Elfenhaftigkeit von Tori Amos, lässt jedoch die zugehörige Exzentrik vermissen. Es fehlen einprägsame Kanten, zu oft flirrt das Piano mit dem verhallten Gesang schüchtern durch den Raum. Unbestimmtheit kann auch fesselnd sein, wie Bon Iver oder Sufjan Stevens beweisen, aber dafür fehlt dieser Band momentan noch die Willensstärke. Klaas Tigchelaar

Loma Vista / Caroline / Universal / VÖ 02.02.18

Bittersüßer R’n’B voll androgyner Anmut: Das heiß erwartete Zweitwerk des kanadisch-dänischen Duos Rhye klingt zurückhaltend und gerade deshalb angenehm verführerisch. Es wäre ein Leichtes, die Formel, nach der Mike Milosh und Robin Hannibal ihre Songs aufbauen, als betagt und unoriginell abzutun. Und in der Tat: Handwerklich erfindet der zu gleichen Teilen aus Downtempo, Soul und R’n’B zusammengesetzte Style der Kollaboration nicht viel neu. Doch abgesehen von der Tatsache, dass man beim ersten Hören dieses Albums zunächst mal keinen Mann am Mikrofon vermutet, sind es gerade die unheimlich runden und melodisch einladenden Arrangements, die »Blood« zu einem charmanten musikalischen Flirt ohne unangenehme Wendungen machen. Mit der Überzeugungskraft sorgsam vollzogenen Songwritings trägt Milosh etwa in »Feel Your Weight« bezirzende Vocals vor und spult sinnlich gehauchte Ohrwurmrefrains ähnlich mühelos ab wie in »Count To Five« oder beim von Streichern begleiteten Closer »Sinful«. Highlights gibt es viele. Die produktionstechnische Eleganz einer Jessie Ware ist hier ebenso hörbar wie die erotische Gelassenheit von Sade. Bevor Rhye in diesem Jahr den Nachfolger ihres von der Kritik hochgelobten Debüts »Woman« vorlegten, arbeiteten sie bereits mit Bonobo an seinem »Migration« und veröffentlichten eine Split-Single. Es ist wohl mit weiteren Features in ähnlicher Größenordnung zu rechnen, wenn die beiden mit diesem Album in Liebhaberkreisen durch die Decke gehen sollten. Aber haben nicht schon FKA Twigs und Kelela gezeigt, wie das geht? Klar. Fraglich bleibt, ob die Hörerschaft auch ohne Netz-Hype die Qualitäten unverkrampft virtuoser R’n’BMusik zu schätzen weiß, die auf »Blood« im Überfluss vorhanden sind. Nils Schlechtriemen

Schlammpeitziger Damenbartblick auf Pregnant Hill Bureau B / Indigo

Sound gewordene Flausen und bunteste Tanzmusik gegen Magenverstimmung und Stimmungsschwankungen: Schlammpeitziger bleibt Kölns schillerndstes Elektronika-Fabelwesen. Einem erlösenden Pups geht oft ein fies quer sitzender Furz voraus. Ohne Komplikation in der Magengrube keine Erleichterung. Elektro-Doktor Jo Zimmermann weiß das und sorgt auch auf dem elften Release als Schlammpeitziger für wilde Soundverwehungen und andere frische Winde. Ob mit dem alten Casio, dem iPad oder dem Alesis Synth, der Tüftler bleibt sich treu. Der Titel »Damenbartblick auf Pregnant Hill« ist als freundliche Einladung in seinen Kindskopf zu verstehen, den die unnachgiebigste Frisur Kölns schmückt. Doch die Kopflast wird auf alle Sinne verteilt: Schlammpeitziger formt sehnsuchtsvolle Luftschlösser, euphorisierende Hüpfburgen und fabelhafte Piñatas aus liebevoll zusammengeschraubten Klangelementen. Der Track »Ekirlu Kong«, auf dem sich seine Stimme verwegen über das Geplucker legt, klingt wie die Aufforderung zum orientalischen Bierbauchtanz, »Bock Bounceburg« nach einer wilden Fahrt in einem beschleunigten Paternoster, »Smooth Motion Kaukraut« wie ein Lullaby, mit dem man selbst das Monster Neoliberalismus kurz


HEIMSPIEL MIT KRISTOF BEUTHNER

Frohes Neues, liebe Heimspiel-Freunde! Gestärkt von Wein, Keksen und leckerem Braten widmen wir uns nun neuen Klängen zwischen Weltschmerz und Winterwald.

»Der dicke fette Mann im weißen Haus hält mich wach«: Jomo schmeißt uns binnen Sekunden wieder mitten hinein in die globale Misere zwischen Trump und AfD, Kälte und Hass, Leid und Angst, die wir im Silvestertaumel kurz vergessen hatten. Die EP »Bilderstürmer« (Kamè), die sechs Tracks inklusive eines Features von Samy Deluxe enthält, bringt straighte Raps zu krachenden Riffs und Industrial-Synthies. Das klingt düster und wütend, aber die Welt, wie sie gerade ist, hat solche Musik dringend nötig. Wenn man in diesen Zeiten Grimm heißt, darf man in eine ähnlich düstere Kerbe schlagen. Dennis Grimm alias Brother Grimm hat auf »Home Today, Gone Tomorrow« (Nois-o-lution) ein zwischen Dark Blues und Drone-Echos mäanderndes, zutiefst schwermütiges Album aufgenommen, das seinen Protagonisten in dunklem Anzug als grabesstimmigen Absänger jeglichen Hoffnungsschimmers präsentiert. Sehr deep und finster, wuterfüllt und bitterkalt, aber in seiner drastischen Konsequenz auch überaus zwingend und faszinierend. Oder wird die Zukunft doch groß? Glaubt man Jonas und Max alias Das Lumpenpack, ist sie zumindest nicht verloren. Aber insgesamt muss man auf »Die Zukunft wird groß« (Roof) nicht alles so ernst nehmen. Denn die zwölf Stücke, deren Liedfett-Liedermacher-Pop zu Cajon und Gitarre zwar Selfmade-, jedoch keine Innovationspreise gewinnt, zwinkern fröhlich mit den Augen. Kennt jemand Die Ärzte? Fragt nicht nach zu viel Tiefe, aber die kleinen Dorffestivals und Campusfeste Deutschlands sind um eine Attraktion reicher. Und ewig die Liebe, die Angst, der Schmerz, aber auch der Wohlfühl-Pop drum herum, der alles gar nicht so schlimm erscheinen lässt: Weder thematisch noch musikalisch bietet der Regensburger Telquist auf »Strawberry Fields« (Wohnzimmer) irgendetwas Neues, sein von Moll-Akkorden getragener Mix aus Folk, Reggae und Songwriter-Pop ist aber – wenn auch etwas einlullend – charmant und eingängig. Hey, manchmal reicht einfach ein Kumpel für eine gute kurze Zeit. Man muss ja nicht immer gleich Freunde werden. Als Mister Me vor zwei Jahren seine Debüt-EP »Nackt« veröffentlichte, verliebte sich das Internet und ließ die Vorfreude auf das Debütalbum »Zeit bleibt Zeit« (Futuresfuture) wachsen. Dass der gute Mister inzwischen sowohl vor Gloria als auch vor Silbermond Konzertabende eröffnet, zeigt die Richtung und gleichsam das Problem der Platte: Gut produziert ist sein aus Rap und Pop gespeister Sound allemal, aber die Reime umkreisen die »Menschen/Leben/ Tanzen/Welt«-Falle nicht häufig genug, um sie sich tätowieren lassen zu wollen.

Der Loop-Künstler Jo Stöckholzer hat bereits Support-Shows für die österreichischen Verschrobenheits-Chansonniers Garish und den Formatradio-Protegé Joris gespielt: für zwei Acts also, die in ihrer Aussagekraft unterschiedlicher nicht sein könnten. Ähnlich undeutlich positioniert sich auch sein neues Album »Musik« (Aktiv Sound), das die große Geste nicht scheut (Clueso dürfte hier auf »Gefällt mir« klicken): soundtechnisch hier und da mit interessanten Ideen, lyrisch aber austauschbar. »Wir sind gekommen, um das Unglück zu beenden« – wenn das keine Prämisse ist! Von Edens Versprechen auf »Wir sind hier« (Motor) wird aber nicht gehalten. Denn wo die Giesingers, Dittberners und Oerdings dieses Landes ihr Unwesen treiben, da wollen die vier Berliner hin, und da gehören sie auch hin. Das ist Radiomusik für romantische SchweighöferSchweiger-Komödien, die beim Bügeln nicht stört, so belang- und schmerzlos plätschern die zwölf Songs dahin. Das Unglück der geschwätzig-befindlichen Deutschpoeten wird noch etwas anhalten. Eine »Story Of Collapsing Galaxies« (Spinnup) erzählen Far Behind The Sun aus Kempten, und jedes ihrer sieben Stücke trägt den Namen einer weit entfernten Galaxie, die mit instrumentalem Postrock ... nein, bitte jetzt nicht die Review überspringen! Die Band ist ein wirklich guter Genrevertreter, ihr Sound cineastisch und feinst arrangiert, und hätte Hans Zimmer nicht schon einen so guten Soundtrack zu »Interstellar« geschrieben, könnte man »Story Of Collapsing Galaxies« als gleichwertige Alternative hinzuziehen. Dass Simon und Kai alias Quiet Lane nicht als klassische Songwriter verstanden werden wollen, muss ein Witz sein, schließlich trägt einer der beiden sogar einen Teil des offenkundigen großen Vorbildes Simon & Garfunkel im Namen. »When Dust Dances On A Quiet Lane« (quietlane.com) lässt 14 Songs lang Erinnerungen an den Folk und Country der 1960er wach werden und trifft damit so gar keinen Zeitgeist. Denn weil das Ganze so pointiert und harmonieselig daherkommt, ist die Platte ein lieber Seelenstreichler. Und genau so verhält es sich auch mit den Schweizern Transistor Girl, deren drittes Werk »Righteous Sinner« (Sophie) ein Traum von einer Winterplatte ist. Verschneit, intim, sanft und melancholisch mäandert das Duo durch seine Version von Slowcore, die durch Christophe Drews dunkel-zärtliche Vocals und die dumpf-verwehten Drums und Gitarren an einsame Hütten in den Bergen und genau den »Snow« erinnert, den schon The New Year im vergangenen Jahr auf uns rieseln ließen. Schier wunderschön.

ESCHWEGE / 08.-12.08.2018 CYPRESS HILL IN FLAMES BEATSTEAKS MARTERIA KRAFTKLUB TRAILERPARK GOGOL BORDELLO HOT WATER MUSIC FEINE SAHNE FISCHFILET SCHANDMAUL ANTILOPEN GANG HILLTOP HOODS TALCO BETONTOD THE MENZINGERS HENNING WEHLAND SILVERSTEIN GLORIA FABER DRITTE WAHL PASCOW NORTHLANE SWMRS MASSENDEFEKT DRANGSAL MONTREAL CREEPER FATONI MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN BLACKOUT PROBLEMS NAKED SUPERHERO GURR MISTER ME SHOSHIN LÄSSING WEITERE ACTS IN VORBEREITUNG

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118

#Review in den Schlaf wiegen kann. Und so weiter. Wer diesen Sound kategorisieren will, muss die Genres finden, als wären es seltene Schmetterlinge. Und wer die Füße bei diesem Trubel stillhalten kann, sollte fest auf einem Barhocker sitzen. Aber eigentlich ist das der Soundtrack zum Leben zwischen den Stühlen. Für Fans von Clatterbox, Mouse On Mars, elektronischen Schachtelsätzen und Kraut nach freiem Rezept. Wer dabei seine Sorgen nicht fahren lässt, dem ist nicht zu helfen. Wolfgang Frömberg

Skream Fabriclive 96 Fabric / Rough Trade

Ty Segall Freedom’s Goblin Drag City / H’Art

I want it all, and I want it now: Ty Segall bietet alles, was mit und ohne Gitarren möglich ist. Ehre, wem Ehre gebührt: Ty Segalls gefühlt 67. Album (tatsächlich ist es das ungefähr zwölfte, je nach Zählweise) wurde erstmals von US-Talker Conan O’Brien angekündigt. Das ist bei so einem Tausendsassa nur konsequent: Gerade mal 30 Jahre alt und schon ein Backkatalog wie ein Best Ager, Multiinstrumentalist, Labelbetreiber, wahrscheinlich auch fantastischer Liebhaber, Tier- und Menschenrechtler und Dessert-Zubereiter. Seit dem vergangenen Jahr zieht Segall mit der Freedom Band um die Häuser, dahinter verbergen sich die gleichen Musiker wie schon in den Jahren zuvor. Und so bietet denn auch das von vier verschiedenen Produzenten (darunter Steve Albini und Segall selbst) aufgenommene »Freedom’s Goblin« erneut ein, Achtung: Füllhorn seines Schaffens. Ein bisschen von allem, und davon bitte recht viel. Der Opener »Fanny Dog« ist breitbeiniger Rock mit breitlippigen Bläsern, »Every 1’s A Winner« ein Hot-Chocolate-Cover, das den Disco-Funk des Originals in treibendem Garage-Sound neu verortet, »When Mommy Kills You« ist Pink Floyd auf Speed statt auf Acid. »I think I just wanted to make the freest record I could, in the sense of there’s no rules for what’s going on«, sagt der Chef selbst. Diese Freiheit kann auch mal etwas beliebig wirken, man fühlt sich ab und an gleichermaßen fasziniert wie desorientiert von dieser Bandbreite, die man sonst nur von Coverbands mit Namen wie First Take oder Fun kennt. Aber fuck it, Segall ließe man letztlich alles durchgehen. Christian Steigels

Ein aufregendes Live-Set schraubt das Kind des Londoner Undergrounds hier zusammen. Electro-House, Nu-Disco, UK-Bass – alles findet bei Skream in 75 Minuten Platz. Den meisten ist der Brite Oliver Jones alias Skream vor allem aufgrund seiner frühen Beiträge zu einem mittlerweile nur noch müde belächelten Stil namens »Dubstep« bekannt. 2006 veröffentlichte er mit »Skream!« ein mittlerweile zum Klassiker geronnenes Album von seltener Stilsicherheit, das noch heute jedem Enthusiasten tieffrequenter Elektronik Gänsehaut beschert. Neben der einen oder anderen Burial-EP und frühem Clubroot-Material gibt es in dem Bereich wohl kaum etwas Besseres. Nachfolgende Veröffentlichungen wie »Outside The Box« oder »Freeizm History« waren nett, erreichten aber nie mehr die Wucht des Debüts. Trotzdem ist Skream ein gefragter Gast auf vielen Bühnen und betourte in den letzten zehn Jahren ausgiebig den gesamten Globus. Seither gab’s kaum etwas, das der Mann nicht aufgelegt hat. Der kosmopolitische Touch seines Lebens färbte direkt auf EPs wie die »Skreamizm«-Serie ab und ist auch in neueren Alben hörbar. Böse Zungen würden behaupten, hier eine zunehmende Beliebigkeit und »Zerhousung« des SkreamSounds wahrnehmen zu können – im 96. Fabric-Mix ist davon schlimmstenfalls im drögen Mittelteil zu viel spürbar. Denn ebenso zu Beginn wie spätestens ab »Screaming Hands (Krautdrums Mix)« von Radio Slave übernimmt ein angenehmer Acid-Tenor das Kommando und sorgt sogar stellenweise für wirkungsvolle Retro-Feelings, die tanzbar bleiben. Skream selbst demonstriert im letzten Track »SDN« noch mal sein Vermögen, mitzureißen, es bleibt aber bei einer verträumt jaulenden Nostalgie-Trance-Nummer als irgendwie artgerechtem Rausschmeißer für diesen durchwachsenen Mix. Nils Schlechtriemen

The Soft Moon Criminal Sacred Bones / Cargo / VÖ 02.02.18

Sin Fang, Sóley & Örvar Smárason Team Dreams Morr / Indigo

»Teen Dream« hieß 2010 die dritte LP des Dream-PopDuos Beach House. »Team Dreams«, antwortet nun eine Supergroup aus zwei Generationen Island-Sound. In jedem Monat des Jahres 2017 fanden sich Sindri Már Sigfússon alias Sin Fang, seine Seabear-Bandkollegin mit düsterer Schlagseite, Sóley Stefánsdóttir, und der Gründer der in den frühen 2000ern einflussreichen Electronica-Gruppe Múm, Örvar Smárason, für drei Tage in Reykjavík zusammen, um gemeinsam einen Song aufzunehmen und unmittelbar als Single zu veröffentlichen. Jetzt, nach Abschluss des Projekts, erscheinen alle zwölf Tracks als Album gebündelt. Die Single-Form stand den Songs vermutlich besser zu Gesicht, zu sehr sind die Stimmungen und Stile heterogen, andererseits: Darin liegt auch ihre Stärke. Die stimmliche Präsenz von Sóley, die diesen Part hier hauptsächlich übernimmt, ist mal in futuristische R’n’B-Produktionen gehüllt, mal in klassische Island-Folktronica vom Lagerfeuer, mal auch, wie beim Schlusstrack »Dream Team Party Kids«, in exakt den Dream-Pop, den Beach House einst perfektionierten. Nicht alles geht hier wirklich auf, das dürfte dem Konzept geschuldet sein, das der Tagesform viel abverlangte. Aber über allem liegt doch die Freude, mit der hier immer wieder aufs Neue versucht wird, eine Sprache zu finden, die drei befreundete, aber doch sehr unterschiedliche Musiker als ihre von Session zu Session eigene annehmen konnten. Steffen Greiner

Zu pochendem Postpunk eruiert Luis Vasquez Schuldgefühle und eine von Missbrauch geprägte Kindheit. Anwärter aufs Sommeralbum des Jahres wird »Criminal« nicht. »Choke«, »Hell«, »Crush«, »Drown« – all dieser Begriffe bedient sich Luis Vasquez, der Kopf hinter The Soft Moon, auf seinem vierten Album, um seine Kindheitstraumata und den daraus entstandenen Selbsthass zu verarbeiten – und da sind wir gerade erst am Ende des zweiten Tracks angelangt. Wenn die Musik dazu wie im Opener »Burn« mit KopfnickerBässen in die schwarzen Nächte der Indie-Clubs vorprescht, wirkt diese Eingängigkeit unpassend, erinnert aber strukturell wie gesanglich an Nine Inch Nails und Trent Reznors zerreißende Auto-Exorzismen zu ihren besten Zeiten. Auf Songs wie »Like A Father« oder dem komplett instrumentalen »Ill« wiederum, wo wummernde Industrial-Drums und klirrende Synthesizer klassische Songstrukturen und Melodien beinahe komplett erstarren lassen, liefert diese unbehagliche Trägheit den perfekten Soundtrack für Vasquez’ ungemütliche Selbstreflexionen. Und spätestens beim abschließenden Titeltrack wird »Criminal« endgültig zu flüssigem Stickstoff, der vor lauter Kälte ätzt und brennt. Jan Martens

Son Lux Brighter Wounds City Slang / Universal / VÖ 09.02.18

Der musikalische Flickenteppich von Son Lux klingt auf »Brighter Wounds« dringlicher und berührender denn je. Werner Herzog hat einmal gesagt, dass man, wenn nötig, für die Kunst bereit sein müsse, in die Hölle herabzusteigen, um mit dem Teufel persönlich darum zu ringen. Die Musik von Son Lux klingt, als hätte Frontmann Ryan Lott sie auf so einem Weg erringen müssen. Als sei jeder Soundschnipsel mühsam gegen das Nichts, gegen die Stille erkämpft worden. Ergebnis dieser Kämpfe sind dann ein begeisterndes SongMonstrum wie »Dream State«, das klingt wie ein erlösender Fiebertraum, oder das nervös flackernde »The Fool You Need«. Ryan Lott klingt auf »Brighter Wounds« oft so fragil, so um Worte ringend, als ginge es gerade darum, mit Mühe und Not alles um ihn herum vor dem Kollaps zu bewahren. Als nähme er den Zuhörer mit durch eine Gefühlsebene, die nur ihm zugänglich ist. Zu den faszinierenden Widersprüchen dieser Band zählt dabei, dass die Songs nach wahnsinniger Anstrengung klingen, ohne anstrengend zu sein, die Arbeit dahinter extrem verkopft wirkt, ohne dass das Ergebnis so rüberkommt. Hart erarbeitete Leichtigkeit. Dominik Bruns

Starcrawler Starcrawler Rough Trade / Beggars / Indigo

Nicht neu, aber unterhaltsam: Das jugendliche USQuartett zelebriert den Rock’n’Roll-Wahnsinn der 1970er. Wer Arrow de Wilde heißt und Tochter eines Drummers und einer Musikfotografin aus Los Angeles ist, scheint für eine Bühnenkarriere prädestiniert. Auf der Bühne tritt die kaum volljährige Starcrawlers-Frontfrau dann auch gerne in die Fußstapfen von Ozzy Osbourne und Iggy Pop und gibt den Blut spuckenden Psycho. Auf ihrem von Ryan Adams im authentisch dumpfen Oldschool-Sound produzierten Albumdebüt gebärden sich de Wilde und ihre sich maximal in den frühen Zwanzigern befindlichen Bandkollegen weniger klapsmühlenverdächtig, Laune macht »Starcrawler« trotzdem. Während »Chicken Woman« und »What I Want« mit ihren düster-trägen Riffs Black Sabbath und Stoner Rock beerben, tobt sich das Quartett auf dem Rest der nicht mal 28-minütigen Platte mit eingängigen Glam’n’Punk’n’Roll-Nummern aus, zu denen de Wilde und Gitarrist und Band-Nesthäkchen Henry Cash ihre Liebe zu Oralsex und L.A. besingen, Hass ausspeien, Tränen vergießen und verkünden: »I don’t wanna be anything but me. I don’t wanna be cause I will do what I want.« Geht klar! Nina Gierth

Tiny Moving Parts Swell Big Scary Monsters / Al!ve

Blut, Schweiß und Emotionen: Tiny Moving Parts mathrocken sich wieder durch klassischen Power-Pop und Emo. Es gibt nicht viel Aufregendes in Benson, Minnesota: rund 3.000 Einwohner, einen Golfplatz, eine Highschool. Ein idealer Ort, um quasi aus der Not heraus adoleszente Verzweiflung mit verzerrten Gitarren und emotionalem Gesang so auszuleben, wie Tiny Moving Parts das seit Jahren machen. Auch »Swell«, das fünfte Album der familiär verbandelten Schulfreunde Dylan Mattheisen, Matthew und Dylan Chevalier, wird wieder jede Menge junge Menschen dazu animieren, mit flehendem Blick die Fäuste in die Luft zu recken. Geboten wird musikalisch sehr versierter Emo der klassischen Art mit den beliebten Begriffspärchen Geschrei/Gesang, Laut/ Leise, Hoffnung/Zweifel. Die Mathrock-Elemente des tollen Debüts »This Couch Is Long And Full Of Friendship« sind wie auch schon auf dem Vorgängeralbum »Celebrate« nur noch selten vorhanden, zugunsten einer Power-Pop-Variante, die auch jüngeren Vans-Trägern gefallen dürfte, die in ihrem Plattenschrank Modern Baseball oder Into It. Over It stehen haben. Pathos ist dabei durchaus erwünscht: »I can’t do this myself, I am meaningless, I serve no purpose« oder »Once you think it’s alright it’s all wrong«. Let’s lament like it’s 1999. Christian Steigels


Tune-Yards I Can Feel You Creep Into My Private Life 4AD / Beggars / Indigo

Das No-Wave-Album des Experimental-Pop-Duos greift nach allen Ismen und in die Scheiße, die man so frisst, bis man sie ist. Eine Menge Beängstigendes hat sich auch schon in mein Privatleben eingeschlichen. Klar, da waren schon immer Rassismus und Sexismus, die sich immer so perfekt als normal tarnten, dass man sie erst zu spät sah. Jüngst kamen die Verrohung auch meiner Sprache und Trumps Agonie dazu. Dass ausgerechnet Tune-Yards – lange Zeit das Soloprojekt der Merrill Garbus, die sich erste Aufmerksamkeit mit einer irrwitzigen Mischung aus experimenteller Polyrhythmik und Afro-Folklore verdiente und sich später an schwindelerregenden, schönen Meta-Versionen von Soul oder HipHop versuchte, als Weiße also schwarze Musik entbeinte und neu zusammensetzte – jetzt ein Album vorlegt, das sich Fragen stellt, die ihre eigenen Privilegien als Weiße in einer rassistischen Normal-Gesellschaft deutlich machen: Es kann kaum überraschen. Der Sound ist dabei wesentlich härter geworden. Statt Experimente mit Eingängigkeit zu verknüpfen, findet ihr viertes Album Anschluss an die Ästhetik von No Wave und Postpunk, eine robotisch-kalte Soundumgebung, die Garbus’ eigene politisch-emotionale Nacktheit im gleichen Moment wieder verfremdet. Das ist kein angenehmes Album, aber eines, das jeden Respekt abnötigt und eine Menge Arbeit und Mut, mit Garbus selbst in den Spiegel zu schauen. Steffen Greiner

Du bekommst, was du erwartest. Auf ihrem achten Album machen die Turin Brakes nichts verkehrt. Gelassenheit ist das bewährte Rezept. Wärme die Antwort. Die Menschen, weiß Turin-Brakes-Sänger Olly Knights, sind in erster Linie nostalgische Wesen. Sie erinnern sich an die Dinge, die waren, und an die erst unscheinbaren, dann lebensverändernden Momente. Mit »Invisible Storm« machen die Londoner damit weiter und setzen auf bewährte Rezepte. Nostalgischer Pop mit Folk-Anleihen, bedeutungsvolle Lyrics über die Zerrissenheit der Individuen in einer fragilen Welt. Musik für Mittzwanziger und ihre Playlist der schönen Belanglosigkeiten, mal in Euphorie schwelgend, bald in C H I M P E R A T O R L I V E P R Ä S E N T I E R T weltvergessenden Entwürfen durch die Stürme navigierend, C H I M P E R A T O R L I V E P R Ä S E N T I E R T die von allen Seiten aufziehen. Turin Brakes haben ja selbst einiges durchgestanden. Sie waren mal Everybody’s Darling, C H I M P E R A T O R L I V E P R Ä S E N T I E R T dann bedeutungslos, dann wieder zurück.CDas ist die Stärke C TH OI M H I M P E R A R P LE I RV AE T O P R Ä LS I EV NE T IP ER RÄ TS E N T I E R T der Band, und diese spielt sie aus. Turin Brakes haben Erbarmen. Sie wollen uns mit Wärme und Nostalgie durch den DIE BUNTE SEITE DER MACHT aussichtslosen Kampf »Leben« bringen. Das ist schon okay TOUR 2018 so. Verändert nichts. Das war immer so. DIE BUNTE SEITE DER MACHT Stephan Uersfeld DIE SEITE BUNTE SEITE DER MACHT DIE BUNTE DER MACHT TOUR 2018

14.02.18 LINGEN

DIE BUNTE SEITE DER MACHT TOUR 2018 TOUR 2018 TOUR 2018

17.02.18 LINGEN

KRAFTKLUB –Landstreicher Booking präsentiert–

Typhoon Offerings Roll Call / Al!ve

Viel hilft viel: Das vierte Typhoon-Album quillt mal wieder an allen Ecken und Enden über: Bandmitglieder, Instrumentarium, Konzept und Länge. Konzeptionell ist das manchmal anstrengend, musikalisch aber immer großartig. Es hat mal wieder fünf Jahre gedauert. Das letzte – übrigens fantastische – Typhoon-Album »White Lighter« wurde 2013 veröffentlicht. Der lange Produktionsprozess ist jedoch gar nicht mehr so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass T I C K E T S & I N F O S U N T E R W W W. S D P -T I C K E T S . D E die Band nicht nur elf Kalender, sondern auch noch elf MeiT I C K E T S & I N F O S U N T E R W W W. S D P -T I C K E T S . D E nungen unter einen Hut bringen muss. Das ist schon beim CK OW S . US N WKWE W T I C K E T S & I NTFI O S EUTNS T &E RI NWF W DT PE - TR I C T .SS. D P E -T I C K E T S . D E Promo-Bild schwer genug, auf dem aus irgendeinem Grund nur acht der elf Mitglieder zu sehen sind. Trotzdem klingt auch das neue Album »Offerings« wieder durch und durch konsistent. Typhoon spielen immer noch ihre opulente, fast orchestrale Version eines ambitionierten Americana/FolkVerschnitts. Da ist der Vergleich zu den frühen Arcade Fire KEINE NACHT FÜR natürlich nicht weit hergeholt, sondern überaus angebracht. Im Gegensatz zur Musik erweist sich der konzeptionelle Überbau von »Offerings« manchmal als etwas anstrengend. 18|03|2018 EmslandArena Die Geschichte einer Person, die mit ihrem Erinnerungs- und Identitätsverlust zu kämpfen hat, mag zwar ambitioniert Tickets: www.krasserstoff.com sein – mitreißend ist sie nicht immer. Im Gegensatz zur musikalischen Leistung: Den Genre-Größen Other Lives, Beirut oder auch Bright Eyes stehen Typhoon mit diesem teils exzessiven, teils reduzierten Avant-Folk in nichts nach, T I C K E T S & I N F O S U N T E R W W W. S D P -T I C K E T S . D E der zwischen wunderschönen Songperlen wie »Coverings« und komplex-sperrigen Stücken wie »Algernon« mäandert. Bis zum nächsten Album dauert es hoffentlich nicht wieder fünf Jahre. Marius Wurth

16.03.18 LINGEN

KRAFTKLUB –Landstreicher Booking präsentiert–

Turbonegro RockNRoll Machine Burger / H’Art / VÖ 02.02.18

Nicht zuletzt ist guter Rock’n’Roll auch eine Frage der Fitness. Turbonegro können ihre abnehmende Ausdauer aber durch Technik und Übersicht ausgleichen. Natürlich ist es allein schon physisch nicht möglich, dass Turbonegro heute noch so energetisch rocken, wie sie es vor 20 Jahren taten. Doch diese Misere bietet auch Potenziale: Man könnte in seinen Aufnahmen zum Beispiel mehr Wert auf Sound-Ornament und frische Einflüsse legen. Nun, frisch sind die Sound-Elemente auf »RockNRoll Machine«, dem neunten Album der geschminkten Norweger, nicht unbedingt ausgefallen, dafür aber zumindest reizend hinterlistig. Angefangen bei der Statement-Ouvertüre »The Rock And Roll Machine Suite – Part 1: Chrome Ozone Creation« mit ihren abgebrochenen Prog-Synthie-Fanfaren über die AC/DCRevitalisierung »Fist City« und die Bon-Jovi-Power-Ballade »John Carpenter Powder Ballad« bis hin zum mit Europes klassischem Synthie-Effekt versehenen »Skinhead Rock & Roll« ist hier vieles fürchterlich abgeschmackt, aber eben auch ansteckend humorvoll geraten. Eine tragende Rolle nimmt dabei der neue Keyboarder Crown Prince Haakon-Marius ein, der es überraschend schnell geschafft hat, der Band seinen Stempel aufzudrücken. Und zwischendurch rocken Turbonegro in »Part II: Well Hello« sogar wie in alten Zeiten. Mehrheitlich ist das Album jedoch ein Zitatfeuerwerk, das auch live gut zu zünden ist und die Kraft vergangener Tage würdig verabschiedet. Henrik Hamelmann

Turin Brakes Invisible Storm Cooking Vinyl / Sony

LINGEN

18.03.18 LINGEN

KEINE NACHT FÜR

Will Varley Spirit Of Minnie Xtra Mile / Indigo / VÖ 09.02.18

Vom lustigen Wanderbarden zum Weisen des Königshofs: Will Varley durchläuft in Windeseile alle Phasen der Songwriter-Evolution. Es gibt sie doch noch, diese DIY-Erfolgsgeschichten: Nach zwei selbst veröffentlichten Alben und Hunderten von zu Fuß zurückgelegten Meilen auf Tour – konsequenterweise auch im Vorprogramm der Proclaimers – kann Will Varley mittlerweile unter anderem auf ausverkaufte Shows in der Londoner Union Chapel zurückblicken. »Spirit Of Minnie« zeigt seinen Reifeprozess in dieser Zeit: Erzählten die kleinen Hits seiner Frühphase noch hübsche Geschichten über durchzechte Nächte und das Erwachsenwerden, stellt sich Varley auf Songs wie »Insect« nun tiefsinnigere Fragen zum Platz des törichten Menschengeschlechts auf der Erde. Auch

LINGEN LINGEN 23.03.18 18|03|2018 EmslandArena Tickets: www.krasserstoff.com

19.04.18 LINGEN Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen, unter der Ticket-Hotline 0591 912950 oder 0591 9144144 sowie auf www.eventim.de und www.emslandarena.com


120

#Review Mal die schier unerschöpfliche Kreativität der Band: Während die 13 Tracks fließend ineinander übergehen und im Prinzip ein einziger, 37-minütiger Song sind, schimmern immer wieder die verschiedensten Einflüsse wie nordafrikanische Musik der 1960er und 1970er oder eine Mixtur von spanischer Volksmusik und feinstem Jazz durch. Ob zurücklehnen und relaxen oder gebannt zuhören – das dritte Album aus King Gizzard & The Lizard Wizards aktuellem Veröffentlichungszyklus eignet sich für beides gleichermaßen. Tobias Tißen

Spektakel

auch einige Überraschungen. Während die zweite Single »Dynasty« mit einem groovigen Disco-Beat aufwartet, schält sich im eigentlich düsteren »Surfing On A Stone« plötzlich der besänftigende Klang einer Akustik-Gitarre heraus. Auch wenn WhoMadeWho nicht darauf abgezielt haben, wirft das mittlerweile sechste Studioalbum der Kopenhagener mit dem Titelstück trotzdem einen glasklaren Hit ab. Wer aber nach weiteren DancefloorSmashern sucht, wird nicht fündig werden. Wer sich dagegen Zeit nimmt und genau hinhört, den belohnen WhoMadeWho mit einer großartigen Platte. Dirk Hartmann

Shame Songs Of Praise Dead Oceans / Cargo

Die nächsten wütenden Briten: Die »Songs Of Praise« von Shame sind gleichermaßen bitterböse Bestandsaufnahme wie hochverdientes nächstes großes Ding.

Schon spannend, dass die nächsten großen Dinger, die gerade aus Großbritannien herüberschwappen, allesamt nichts mit Dance und Romance zu tun haben. Nach den bitterbösen Idles schlagen nun Shame in eine ähnliche Kerbe, kommen allerdings nicht ganz so sperrig daher. Der Postpunk der Band um Charlie Steen klingt ähnlich wütend, es wird gekeift und gebellt, die Riffs zacken um die hektischen Drums, Erinnerungen an Bands wie The Fall und die Parquet Courts werden wach. Aber Shame erlauben sich dann doch genau die Prise Pop, um neben ihrer zornigen Bestandsaufnahme der britischen Gesellschaft auch eine gute Handvoll Hits unters nach der neuen Lieblingsband lechzende Volk zu bringen. »Concrete«, »The Lick« und vor allem »One Rizla« paaren die Düsternis der Television Personalities mit dem extrem tanzbaren Drive der frühen Arctic Monkeys. Wo sich die Class Of 2005 um Bloc Party und Maxïmo Park in der Irrelevanz verliert, reißen Shame das Maul auf und schleudern uns ein absolut mitreißendes Monster von Album ins Gesicht. Von dieser Band wird man 2018 noch viel sprechen. Kristof Beuthner

musikalisch bewegt sich der Brite weg vom leichtfüßigen Kneipenfolk eines Frank Turner, hat zum ersten Mal eine Band im Rücken und ergänzt seine Instrumentierung um Streicher, Klavier und Slide-Gitarre. Gerade Letztere verleiht den Songs von »Spirit Of Minnie« immer mehr das Timbre von amerikanisch geprägtem Country und erzeugt so jene berührende, melancholische Schwere, die den Songs des textlich ähnlich strukturierten Vorgängers »Kingsdown Sundown« noch fehlte. Jan Martens

King Gizzard & The Lizard Wizard with Mild High Club Sketches Of Brunswick East Heavenly / PIAS / Rough Trade

Die Australier King Gizzard & The Lizard Wizard präsentieren mit »Sketches Of Brunswick East« ihr drittes von fünf geplanten Alben. Nach einem PsychedelicBrett im Juni versuchen sie sich nun als Jazz-Kapelle. Schon durch die dezente Verneigung vor Miles Davis’ »Sketches Of Spain« im Titel ihrer neuen Platte hätte man darauf kommen können, dass King Gizzard im Gegensatz zu ihrer letzten Veröffentlichung »Murder Of The Universe« eine stilistische 180-GradWendung hinlegen würden. Doch wie sehr sich »Sketches Of Brunswick East« tatsächlich vom groovigen Psychedelic-Rock von vor wenigen Monaten unterscheidet, hätte man sich auch in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können: Ihre »Sketches«, die in Kooperation mit den L.A.-Tripstern Mild High Club entstanden, schicken den Hörer auf eine meditative Jazz-Odyssee, die in ihren entspannten Momenten feinste LoungeErholung bietet und die Ohren mit Geplätscher und Gezwitscher verwöhnt, während ein federleichtes E-Piano für die Melodie zuständig ist. Gleichzeitig greifen die Australier aber auch die psychedelischen Aspekte der Vorgänger-Platte auf und übertragen diese mit hypnotischen Synthesizer-Klängen in den jazzigen Sound von »Sketches Of Spain«. Die größte Stärke des Albums ist ein weiteres

Veto 16 Colours Reset08 / The Orchard / VÖ 09.02.18

Die dänische Electro-Liebhaberband Veto philosophiert auf ihrem ersten Album seit vier Jahren über 16 HTML-Farben und verliert sich dabei aus den Augen. Wir bewegen uns ständig im Internet, das wissen wir, aber mal abgesehen von dem Vorsatz, im neuen Jahr lieber wieder öfter spazieren zu gehen: Wusstet ihr, dass die HTML-Programmierer unsere digitalen Ausflüge mit einer Palette von exakt 16 Farben illustrieren? Und interessiert euch das überhaupt? Weil aber nun Veto-Sänger Troels Abrahamsen glaubt, dass die Art, wie wir Farben sehen, auch die Art bestimmt, wie wir die Welt sehen (und das tun wir eben vornehmlich im Internet, so reiht sich in dieser kleinen Assoziationskette Glied an Glied), hat er mit seiner Band ein Album darüber aufgenommen. So weit, so gut. Klanglich ist der Electro-Experimentalismus der Dänen zu mehr analogen Instrumenten zurückgekehrt, sie sprechen also über digitale Farben, aber sie spielen nicht mit ihnen. Sei’s drum: Die von Abrahamsen inmitten von Schwelgen und Klagen vorgetragenen Songs auf »16 Colours« wollen zwischen etwas zu wild durchmischtem Indie-Postpunk-Disco-Funk und all der Farben-Philosophie einfach zu viel, sodass sich die Lust, wenigstens inhaltlich mit einzusteigen, in überschaubaren Grenzen hält. Kristof Beuthner

WhoMadeWho Through The Walls Embassy Of Music / Warner

Knapp vier Jahre nach dem Release seiner letzten LP »Dreams« meldet sich das dänische Indie-Dance-Trio WhoMadeWho zurück, ohne dabei zwanghaft auf die Tanzfläche zu schielen. Im Vergleich zum eingängigeren Vorgänger schaltet die Band um Sänger und Gitarrist Jeppe Kjellberg auf »Through The Walls« einen Gang zurück. Anstatt verbissen nach dem nächsten großen Pop-Entwurf zu suchen, geben WhoMadeWho ihren neuen Songs alle Zeit der Welt, um sich zu entfalten. Hypnotisch flackernde Tracks wie »Neighbourhood« oder »Keep On« stehen dabei exemplarisch für ein überwiegend kontemplativ-atmosphärisches Werk, das sich mit jedem Hören mehr erschließt. Dabei birgt das detailverliebt produzierte und experimentierfreudige »Through The Walls« aber

Van William Countries Fantasy / Universal

»Countries« ist ein Folk-Pop-Album zwischen gut und zu viel des Guten. Van William hat mit seiner Band Port O’Brien den Indie-Pop der 2000er geprägt und einige beachtliche Schätze veröffentlicht. Gerade deswegen ist es fast schon eine Sünde, die ersten Tracks seines Soloalbums, an denen auch First Aid Kit mitgearbeitet haben, mit breit aufgeplusterten Backen zu empfangen, denen beim Opener »Before I Found You« Stück für Stück die Luft entweicht. Auch den weit ausgebreiteten Armen in »Fourth Of July« muss man die kalte Schulter zeigen. Natürlich wippt hier zumindest der dicke Zeh, mit den herausgeputzten Lumineers-Chören wirken die Songs aber wie eine Ansammlung abgenudelter Déjà-vu-Momente. Mit den darauffolgenden Stücken »The Country«, »Cosmic Sign«, »The Middle« und insbesondere »Don’t Take My Love« ändert sich die harmonieselige Grundausrichtung nicht, doch die Songs haben mehr Frische und sind unberechenbarer. Und so bekommt Van William auf diesem Album, das zwischen Brechstangen-Pop und unwiderstehlichen Momenten pendelt, tatsächlich noch die Kurve und kann seinen Geschichten von Heimat und persönlichen Dramen den richtigen Rahmen verleihen. Sebastian Jegorow

The Wombats Beautiful People Will Ruin Your Life Kobalt / Rough Trade / VÖ 09.02.18

The Wombats rumpeln sich auf ihrem vierten Album durch Songs, die sie selbst schon einmal besser geschrieben haben. Als Live-Band sind The Wombats seit Jahren eine sichere Bank. Mitreißender Dancefloor-Indie mit augenzwinkernd witzigen Texten, verlässlich für jede Festivalsaison. Die Vorabsingle »Lemon To A Knife Fight« versprach angemessenen Nachschub für die Live-Setlist, der sich nicht allzu auffällig vom bisherigen Sound abhebt. Nicht wirklich begeisternd, aber solides Songwriting und eine tanzbare Nummer. Leider bleibt selbst dieser nur okaye Song schon das Highlight auf »Beautiful People Will Ruin Your Live«.


#Review Uninspiriert stolpert die Band durch Songs, die sie ziemlich ähnlich schon einmal besser geschrieben hat. Zwar tut es dem Sound gut, dass die Synthie-Wände der Vorgänger-Alben zurückgeschraubt wurden und wieder mehr Gitarren im Vordergrund stehen, aber viel Spannendes wissen sie aus dieser Veränderung nicht zu ziehen. Auch den Texten mangelt es an der gewissen Cleverness und Doppelbödigkeit, die man bisher von The Wombats kannte. Stattdessen gibt es in Songs wie »Dip You In Honey« Abgegriffenes aus der Metaphernhölle, und sie singen von »Ice Cream In The Sun« wie die schlechtestmögliche Version der Beach Boys. Im besten Fall landen nicht zu viele Songs von »Beautiful People Will Ruin Your Life« auf den kommenden Setlists, und man kann sich live wieder mit The Wombats versöhnen. Dominik Bruns

überlassen werden. Möglich, dass auch die Schotten The Xcerts so dachten, die man beim Opener ihres vierten Werks, »The Dark«, kaum wiedererkennt. Die ungestüme Rauheit ihrer ersten Alben ist der großen Geste gewichen. Ausladende Piano-Parts, der plötzliche Schmelz in Murray MacLeods Stimme, die neue Liebe zum Heartland Rock der 1980er – wer die Band vorher kannte, muss sich erst mal ein wenig schütteln ob so viel Romantik, die an die Stelle der bislang so leidenschaftlich zelebrierten Teenage Angst rückt. Nein, wir dürfen uns nicht wundern, wenn die einstigen Underdogs im Sommer bei den großen Festivals mitmischen. Aber! Ähnlich wie ihren Landsleuten Twin Atlantic gelingt es auch The Xcerts, ihre Transformation zum (klanglichen) Big Player mit guten Songs und nur einem Mü zu viel Pathos zu vollziehen. Das muss man nicht mehr unbedingt abfeiern, anerkennen darf man es aber. Kristof Beuthner

The Xcerts Hold On To Your Heart

Xul Zolar Fear Talk

Raygun / Al!ve

Asmara / Rough Trade

Wenn aus Teenage Angst plötzlich Liebesund Lebenslust wird: The Xcerts drängen mit Macht und Heartland Rock aus ihrer bisherigen Geheimtipp-Nische. Was tun, wenn man nach drei Alben immer noch nicht über den Geheimtipp-Status hinausgewachsen ist? Na klar, jetzt muss mehr Pop her, möglichst Bombast. Jede Chance muss jetzt ergriffen, nichts darf dem Zufall

Na endlich: Seit Ewigkeiten wartet man in Köln gespannt auf das Xul-Zolar-Debüt. Jetzt ist »Fear Talk« tatsächlich da; und was soll man sagen: Das Warten hat sich gelohnt. Sechs Jahre ist es her: Damals durften Eingeweihte nicht nur die Future Islands noch in einem kleinen Laden erleben, sondern als Support auch Xul Zolar bei einer

ihrer ersten Shows. Seitdem wartet zumindest der Autor dieser Zeilen sehnsüchtig auf das Debütalbum der mittlerweile zum Quartett angewachsenen Band. In diesen sechs Jahren musste man sich mit diversen Singles, der fantastischen EP »Tides« und vereinzelten Shows begnügen. Jetzt ist es so weit, und es lässt sich festhalten, dass der wohlbekannte Vorfreude-Spruch ziemlicher Mumpitz ist, denn Xul Zolar übertreffen auf »Fear Talk« locker und leicht die über ein halbes Jahrzehnt aufgetürmten Erwartungen. Klangästhetisch bleibt sich das Quartett wieder ziemlich treu. Mit Hall überfrachteter Gesang, spacige Gitarren-Pickings, SynthieFlächen über Synthie-Flächen und vor allem die fantastischen Drums und Percussions bilden auch auf »Fear Talk« das Grundgerüst. Aber all das wäre nichts ohne das mittlerweile veredelte Songwriting der Band: »Soft Drones« ist die perfekte Single, »NYE« kuschelt wie das plüschige Albumcover, und »Vacuum« hält die formvollendete Balance zwischen Dancefloor und Melancholie. Diese Aufzählung ließe sich problemlos noch neun weitere Male fortführen. Die Freude, dieses Album tatsächlich zu hören, ist definitiv noch schöner als die Vorfreude. Marius Wurth

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Spartanischer Folk von einem Duo mit Jahrzehnten Live-Erfahrung: Xylouris White klingen auf ihrem mittlerweile dritten Album abgeklärt, eigensinnig und nicht immer einfach. George Xylouris, die Laute spielende Hälfte von Xylouris White, ist der Sohn von Psarantonis, einer Legende der griechischen Volksmusik. Wie sein alter Herr hat George typische Elemente kretischer Melodieführung und Improvisation in seinen Stil integriert und damit schon die halbe Welt betourt. Zusammen mit dem australischen Drummer und Mitbegründer der Postrock-Pioniere Dirty Three, Jim White, gründete er 2013 Xylouris White, obwohl die beiden sich bereits seit Anfang der 1990er kannten. Mit seinen beiden Vorgängern »Goats« und »Black Peak« ist »Mother« zwar direkt verwandt, wirkt aber in der gesamten Ausführung gereifter und durchdachter als seine Vorgänger. Das einleitende »In Media Res« macht schon verständlich, warum Xylouris White beim Sydney Festival 2015 begeisterte Zuhörer wie PJ Harvey fanden und sich seither mit ihrem Avant-Folk im zeitgenössischen Wust der »World Music« etablieren konnten. Von ritueller Intensität wie in »Daphne« geht es zwischen den kurzen, aber intensiven Stücken schnurstracks zu einem »Call And Response« mit spannungsgeladenen Tempi und Lautenlinien. Dabei bleibt die Musik des Duos zwar karg in ihren Klangfarben, aber reich an Authentizität und seelenvollem Spiel. Live müssen die beiden wohl ein echtes Erlebnis sein. Angesichts dieses neuen Albums bleibt nur zu hoffen, dass man sie auch hierzulande bald mal begrüßen darf. Nils Schlechtriemen

Xylouris White Mother Bella Union / PIAS / Rough Trade

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#Intro empfiehlt

Alvvays

Aurora

Barbagallo

Dent May

Mit »Archie, Marry Me« lieferten Alvvays den Indie-Hit des Jahres 2013. Doch statt zum One-HitWonder zu werden, entwickelte das kanadische Quartett seinen Dream-Pop stetig weiter. Die zauberhaft verträumte Stimme von Sängerin Molly Rankin schwebt bald auch hierzulande durch die Venues.

Man sagt, sie erinnere mit ihrem mystischen Gesang an Popgrößen wie Florence Welch. Spätestens seit »Running With The Wolves« die Werbung erobert hat, braucht man zur Umschreibung der jungen Norwegerin Vergleiche wie diese nicht mehr. Im Silent Green darf man die heute 21-Jährige nun wieder live erleben.

Für sein Soloprojekt gibt Julien Barbagallo, sonst der Drummer von Tame Impala, gerne die Drumsticks ab und verwöhnt stattdessen mit feinem französischen Songwriting. Mit seiner zweiten Platte »Grand Chien« bringt er Anfang des Jahres mediterranes Flair ins verfrorene Deutschland.

Musikalisch vollends im hippen Los Angeles angekommen, schüttelt der Singer/Songwriter Dent May wieder neue elektronische Synthies, groovende Pianos und Popkultur-Verweise aus dem Ärmel. Mit »Across The Universe« geht der ehemalige »softest boy in Mississippi« nun auch hierzulande auf Tour.

— 27.02. Köln — 28.02. Berlin — 01.03. München

— 26.02. Berlin

— 19.02. Berlin — 20.02. München — 21.02. Köln

— 24.02. Offenbach — 26.02. Hamburg — 27.02. Leipzig — 28.02. Berlin

James Vincent McMorrow

Here Lies Man

INTRO EMPFIEHLT Mit Songs wie »Sorrow Tears And Blood« oder »Animal Noise« liefern Here Lies Man nicht nur mögliche Titel für Western-Streifen, sondern zeigen auch ihre Affinität für die amerikanische Tradition. Die Band aus L.A. lässt dafür psychedelischen, rauen Rock in den Dialog mit traditionsreichen Afrofolklore-Elementen treten.

Für alle von uns empfohlenen Touren verlosen wir jeweils 3×2 Tickets. Mail an tickets@intro.de Mehr Tour-Präsentationen unter intro.de/termine #intro empfiehlt

Die anrührende Verletzlichkeit ist nicht nur McMorrows kennzeichnendes Merkmal, es hat auch über die letzten vier Alben und diverse Veränderungen hinweg standgehalten. In Kombination mit seinem komplex instrumentierten Folk erweckt der Ire seine gefühlvollen Worte zum Leben. — 21.02. Düsseldorf — 22.02. Bremen — 23.02. Leipzig — 25.02. Dresden — 27.02. Frankfurt a. M. — 28.02. Erlangen

— 23.02. Berlin — 25.02. Hamburg

Superorganism

Unter meinem Bett

We Invented Paris

WhoMadeWho

Mit »Something For Your M.I.N.D.« setzte das international besetzte Kollektiv einen eigenartig vertrauten und eingängigen Bastard aus experimentellem IndiePop und HipHop in die Welt. Wie gut die Band und ihr erster Hy­ brid-Hit auf der Bühne funktionieren, kann man jetzt live erleben.

So cool können Lieder für Kinder sein: Nach dem großen Erfolg der drei »Unter meinem Bett«Compilations gehen Tele, Deniz Jaspersen, Locas In Love, Die Höchste Eisenbahn und weitere Akteure der Reihe auch im neuen Jahr wieder auf Tour.

Ihr aktuelles Album trägt den politischen Bezug bereits im Titel: »Catastrophe« heißt das kritische Werk, das die Schaffenspause der Band beendet und die missliche Lage der Weltpolitik aufdeckt.

WhoMadeWho sind die letzten Jahre vor allem als DJs durch die Welt getourt und haben daneben auch ihr Talent als Radio-VJs entdeckt. Mit ihrem neuen Track »I Don’t Know« kommen die ausgeflippten Dänen im Frühjahr zurück auf Deutschlands Bühnen.

— 22.02. Köln — 23.02. Berlin

— 17.02. Düsseldorf — 18.02. Leipzig — 17.03. Wiesbaden — 18.03. Erlangen

— 08.02. Augsburg — 09.02. Würzburg — 10.02. Freiburg — 15.02. Darmstadt — 16.02. Leipzig — 17.02. Potsdam — 23.02. Münster — 24.02. Düsseldorf — 01.03. Karlsruhe — Geht weiter!

— 27.02. Köln — 28.02. München — 01.03. Nürnberg


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Girls In Hawaii

Haiyti

The Boxer Rebellion 06.03. HAMBURG Knust 07.03. BERLIN Frannz Club 08.03. KÖLN Luxor

Solomon Grey Die Belgier sind verträumte Im­ pressionisten, die am liebsten die Welt um sich herum beobachten, die Natur lieben und in Erin­nerungen schwelgen. Musikalisch drückt sich das in kunstvollen Texten und verspieltem Indie-Pop mit 1980er-Referenzen aus. — 12.02. München — 13.02. Dresden — 14.02. Berlin — 16.02. Köln

Milky Chance

Keine Frau machte im vergangenen Jahr in der deutschen HipHop-Szene mehr Schlagzeilen als die Hamburgerin Haiyti. Nun tummelt sich die exzentrische Hoffnungsträgerin mit roher Ästhetik und Debüt durch verschiedene Genres von Trap bis Emo-Rap.

23.03. HAMBURG Elbphilharmonie, Kleiner Saal 03.05. KÖLN Kulturkirche Köln 05.05. BERLIN Zeiss-Großplanetarium

GoGoPenguin 12.04. BERLIN Funkhaus Berlin 13.04. LEIPZIG UT Connewitz 14.04. KÖLN Kölner Philharmonie 15.04. HANNOVER Capitol Hannover 17.04. LUDWIGSHAFEN Enjoy Jazz 18.04. MÜNCHEN Muffathalle 01.–02.06. HAMBURG Elbjazz

— 23.02. Frankfurt — 24.02. Münster — 25.02. Hannover — Geht weiter!

Son Lux

Lucy Rose 20.04. 26.04. 27.04. 28.04.

Im Vorbeigehen die Welt zu erobern und danach immer wieder nach Kassel abzuhauen, um den großen Erfolg im gewohnten Umfeld zu genießen: So läuft das bei Milky Chance. Diese Gelassenheit transportieren sie nicht nur auf ihrem zweiten Album »Blossom«, sondern auch auf der Bühne. — 19.02. Stuttgart — 20.02. Dresden — 21.02. Dortmund — 22.02. Hamburg — 25.02. München

Xul Zolar

Ästhetik in Klang und Bild lautet ihr Anspruch. Das Debüt der Kölner Band Xul Zolar ließ lange auf sich warten, jetzt hat sie ihre Mischung aus stoischem Electro und sanftem Pop perfektioniert. — 03.02. Köln — 14.02. Dortmund — 15.02. Hamburg — 16.02. Bremen — 21.02. München — 22.02. Jena — 23.02. Dresden — 24.02. Bayreuth — 25.02. Berlin

Bis zum »Dream State« ist es noch weit – den Traumsound hat das New Yorker Trio Son Lux dafür schon gefunden. Elektronische Flächen, hymnische Chorpartien und Beats lassen die Fassade der Popmusik bröckeln. Zum Vorschein kommen Klangakrobaten, die immer für eine rhythmische Verwandlung gut sind.

MÜNCHEN Alte Schreinerei LEIPZIG Neues Schauspiel WÜRZBURG Cairo DARMSTADT Friedensgemeinde Darmstadt

PRASENTIERT VON:

09.-11. MAI 2018 09. mai 2018

10. mai 2018

morcheeba

wallis bird

11. mai 2018

11. mai 2018

alin coen band

DOTA & Band

— 23.02. Hamburg — 24.02. Berlin — 25.02. Köln — 26.02. München

Zugezogen Maskulin

Sie sind die Stimme ihrer Generation, wenn es darum geht, Unzufriedenheit zu artikulieren. Auf ihrem neuen Album »Alle gegen alle« rappen Grim104 und Testo aber nicht nur über den Verfall der Menschheit. — 22.02. Hannover — 23.02. Hamburg — 24.02. Kiel — 25.02. Bochum — 27.02. Stuttgart — 28.02. Heidelberg — 01.03. Erlangen

03.05.2018 / ute lemper . 09.05.2018 / mariza 09 .05.2018 / anna Depenbusch . 10.05.2018 / lisa stansfield IN DIVERSEN VENUES!

1 1.05.2018 / Christina Stürmer

TICKETS UNTER: WWW.FRANKFURT-TICKET.DE

WWW.W-FESTIVAL.DE


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#Termine

TOURDATEN Adrian Crowley 31.01. Köln 01.02. Berlin

Algiers

22.02. Reutlingen 23.02. Köln 24.02. Augsburg 26.02. Frankfurt a. M. 27.02. Leipzig 28.02. Hamburg

Empfohlen von Intro

Alvvays

27.02. Köln 28.02. Berlin 01.03. München

Angela Aux

27.02. Frankfurt a. M. 28.02. Köln

Anna Depenbusch 03.02. Hamburg

Antilopen Gang

Bondage Fairies 08.02. Hamburg 09.02. Bremen 10.02. Hannover 11.02. Dresden 12.02. München 14.02. Saarbrücken 15.02. Stuttgart 16.02. Kassel 17.02. Rostock

Brian Fallon & The Howling Weather

30.01. Frankfurt a. M. 01.02. Köln 03.02. München 06.02. Berlin 11.02. Hamburg

Aura

14.02. Hamburg 15.02. Köln 16.02. München 17.02. Berlin

Autobahn

12.02. Hamburg 15.02. Berlin 23.02. Oberhausen

Empfohlen von Intro

Barbagallo 19.02. Berlin 20.02. München 21.02. Köln

Belle And Sebastian 16.02. München 17.02. Berlin 18.02. Frankfurt a. M.

Billie Eilish

01.02. Fulda 02.02. München

Chain And The Gang 06.02. Berlin 07.02. Hamburg 08.02. Bielefeld 09.02. Trier 10.02. Esslingen

15.02. Köln 16.02. Hamburg 17.02. Berlin

Christian Steiffen Circuit Des Yeux 08.02. Heidelberg 09.02. Berlin 20.02. Köln

Coogans Bluff 01.02. Fulda 02.02. München 16.02. Stuttgart 17.02. Garching Geht weiter!

Empfohlen von Intro

Cro

25.02. Berlin 26.02. Hamburg 27.02. Köln Geht weiter!

DCVDNS

30.01. Stuttgart 02.02. Augsburg 03.02. A-Wien 06.02. Heidelberg 07.02. Nürnberg 08.02. Bielefeld 09.02. Dortmund 10.02. Münster 14.02. Leipzig 15.02. Bremen 16.02. Hannover 17.02. Dresden

Empfohlen von Intro

Dent May 24.02. Offenbach 26.02. Hamburg 27.02. Leipzig 28.02. Berlin

26.02. Berlin 27.02. Köln

Depeche Mode

Blond

Dillon

08.02. Jena Geht weiter!

Erasure

Escape The Fate

A-ha

August Alsina

12.02. Hamburg 13.02. Berlin

Brother Grimm

17.02. Osnabrück

29.01. München 30.01. Köln

Einar Stray Orchestra

27.02. Köln 28.02. Hamburg Geht weiter!

Chinese Man

Architects mit While She Sleeps

20.02. Saarbrücken 21.02. Bremen 22.02. Hannover 23.02. Berlin 24.02. Rostock

28.02. Köln Geht weiter!

08.02. Saarbrücken 13.02. Schorndorf 14.02. Frankfurt a. M. 16.02. Ingolstadt 28.02. Münster Geht weiter!

29.01. Berlin 30.01. Hamburg 02.02. A-Wien 03.02. München 06.02. Köln

Donots

04.02. A-Wien

28.02. Leipzig Geht weiter!

30.01. Stuttgart 01.02. München 05.02. Berlin 06.02. Hamburg

Ezra Furman 15.02. Berlin

Empfohlen von Intro

Faber

11.02. Dresden 16.02. Ulm 17.02. Regensburg 20.02. Erlangen 21.02. Tübingen 27.02. Berlin Geht weiter!

Feine Sahne Fischfilet 02.02. A-Wien 09.02. Leipzig 10.02. Hamburg 15.02. Fürth 16.02. München 17.02. Wiesbaden 22.02. Osnabrück 23.02. Heidelberg

Fever Ray

22.02. München 28.02. Berlin Geht weiter!

Fishbach

26.02. Köln 27.02. Berlin 28.02. Hamburg Geht weiter!

Fjørt

29.01. Köln 30.01. Hamburg

Ghostpoet

05.02. Heidelberg 06.02. Köln 07.02. Hamburg 08.02. Berlin Geht weiter!

Empfohlen von Intro

Giant Rooks 31.01. Hannover 01.02. Würzburg 05.02. München 06.02. A-Wien 09.02. Ulm 10.02. Stuttgart 11.02. Frankfurt a. M. 12.02. Leipzig 14.02. Oldenburg 15.02. Kiel 16.02. Rostock 17.02. Dortmund 18.02. Bielefeld 20.02. Essen 21.02. Hamburg 22.02. Münster 24.02. Erlangen 25.02. Chemnitz 26.02. Dresden 27.02. Berlin

Empfohlen von Intro

Girls In Hawaii

Hollywood Undead 04.02. Köln 10.02. München 19.02. Berlin 20.02. Hamburg

05.02. Berlin

Empfohlen von Intro

I‘m Not A Band 31.01. Gießen 03.02. Konstanz

Iron & Wine

30.01. Köln 01.02. München 10.02. Wiesbaden

Jake Bugg

28.01. Hamburg 29.01. Köln 01.02. Frankfurt a. M. 05.02. München

Empfohlen von Intro

James Vincent McMorrow

12.02. München 13.02. Dresden 14.02. Berlin 16.02. Köln

Glen Hansard

Jamila Woods

Gloria

31.01. Hannover 01.02. Bremen 02.02. Rostock 03.02. Kiel 09.02. Erfurt 10.02. Berlin

Gus Dapperton

19.02. Frankfurt a. M. 20.02. Berlin 21.02. Hamburg

Empfohlen von Intro

Haiyti

23.02. Frankfurt a. M. 24.02. Münster 25.02. Hannover Geht weiter!

Hak Baker

24.02. Berlin

Haller

22.02. Köln 24.02. Berlin

Empfohlen von Intro

Jhené Aiko 31.01. Köln 03.02. Frankurt a. M. 12.02. Berlin

Joon Moon

18.02. Wiesbaden

Empfohlen von Intro

Kagoule 02.02. Berlin 04.02. Köln

Hookworms

21.02. Düsseldorf 22.02. Bremen 23.02. Leipzig 25.02. Dresden 27.02. Frankfurt a. M. 28.02. Erlangen

20.-21.02. Berlin

K.Flay

13.02. Hamburg 15.02. Dresden 17.02. Köln 19.02. Düsseldorf 20.02. Frankfurt a. M. 21.02. München

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Kakkmadda­ fakka 30.01. Münster 31.01. Hamburg 01.02. Hannover 02.02. Berlin 03.02. Köln 06.02. Erlangen 07.02. Heidelberg 09.02. Wiesbaden 10.02. Leipzig

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Kid Francescoli 22.02. Karlsruhe 23.02. München 24.02. Düsseldorf 27.02. Darmstadt Geht weiter!

Kraftwerk

02.-04.02. Dresden

Kvelertak

15.02. Karlsruhe

Da gehen wir hin Tipps der Redaktion#259

Und wo geht ihr hin? intro.de #konzerte

17.02. Mainz 18.02. Hamburg 19.02. Hannover 21.02. Berlin 22.02. Leipzig 23.02. Köln 24.02. München

Senta Best

Henry Rollins

Jörn C. Osenberg (osi)

02.02. Berlin 03.02. Rostock 04.02. Hamburg 05.02. Düsseldorf 06.02. Stuttgart 07.02. Nürnberg 10.02. München

Empfohlen von Intro

Slowdive Alvvays Fever Ray Superorganism Haiyti

Fuck Art, Let’s Dance!

13.02. Hamburg 16.02. Berlin 20.02. München 24.02. Köln 25.02. Frankfurt a. M.

Fortuna Ehrenfeld 29.01. Berlin 02.02. Wuppertal 15.02. Rostock Geht weiter!

Friends Of Gas mit Gewalt

16.02. Saarbrücken 17.02. Augsburg 22.02. Erfurt Geht weiter!

04.02. Berlin

Here Lies Man 23.02. Berlin 25.02. Hamburg

Highly Suspect

Xul Zolar Friends Of Gas & Gewalt Pisse Slowdive Angela Aux

Henrike Schröder Son Lux Toto Superorganism Ry X Slowdive


#Termine Leyya

01.02. Dresden 02.02. München 03.02. Darmstadt 20.02. München 21.02. Göttingen 22.02. Hamburg 23.02. Berlin 24.02. Nürnberg 25.02. Leipzig

Lilly Among Clouds 31.01. Bielefeld 04.02. Münster

Loney Dear

10.02. Berlin 11.02. Nürnberg

Louis The Child 15.02. Berlin

Empfohlen von Intro

Love Machine 28.02. Kassel Geht weiter!

Mando Diao

09.02. Stuttgart 10.02. Dresden 11.02. Frankfurt a. M. 14.02. Lingen

Manu Delago

13.02. Berlin 14.02. Hamburg

Marmozets

21.02. Berlin 22.02. Hamburg 23.02. Köln

Metallica mit Kvelertak

16.02. Mannheim

MHD

20.02. Hamburg 21.02. München 22.02. Stuttgart 23.02. A-Wien

Empfohlen von Intro

MGMT 31.01. Berlin

Empfohlen von Intro

Milky Chance

19.02. Stuttgart 20.02. Dresden 21.02. Dortmund 22.02. Hamburg 25.02. München

MissinCat

29.01. Hamburg 31.01. Dresden 01.02. München 02.02. Augsburg 03.02. Köln 04.02. Offenbach

Neufundland 02.02. Koblenz

Nic Cester

19.02. München 20.02. Köln 21.02. Hamburg 23.02. Berlin

Nightmares On Wax 23.02. Berlin

Nothing But Thieves 31.01. Leipzig

Olympique

30.01. Frankfurt a. M. 31.01. München 01.02. Nürnberg 03.02. Köln 04.02. Hamburg 05.02. Berlin

Paceshifters

25.02. Köln 26.02. Hamburg 27.02. Berlin

Pale Waves

07.02. München 14.02. Hamburg

Pisse

02.02. Dresden 03.02. Nürnberg 07.02. Esslingen 08.02. Trier 09.02. Köln 10.02. Kassel 11.02. Berlin

Playboi Carti

19.02. München 20.02. Berlin 21.02. Hamburg Geht weiter!

Pothead

03.02. Hamburg 23.02. Leipzig 24.02. München Geht weiter!

Prag

14.02. Köln 15.02. Hannover 16.02. München 17.02. Kaiserslautern 18.02. Weinheim

Prinz Pi

02.02. Kassel 03.02. Münster 16.02. Dresden 17.02. A-Wien 18.02. Erlangen 23.02. Köln 24.02. Hamburg Geht weiter!

Razz

29.01. Frankfurt a. M. 30.01. Essen 31.01. Heidelberg 01.02. Köln

Rone

21.02. Hamburg 22.02. Köln 23.02. Heidelberg 24.02. München

RY X

12.02. Berlin 14.02. Stuttgart 16.02. München

San Holo

23.02. Köln 24.02. Hamburg

Schneckengottt

21.02. Berlin 22.02. Leipzig 23.02. Frankfurt a. M. 24.02. Köln 25.02. Hamburg

Scooter

15.02. Berlin 16.02. Hamburg 17.02. Düsseldorf 20.02. A-Wien 23.02. Rostock 24.02. Stuttgart 26.02. München

SDP

01.02. Bielefeld 02.02. Bremen 03.02. Siegen 16.02. Rostock 17.02. Lingen 18.02. Hamburg 22.02. Oberhausen 25.02. Freiburg Geht weiter!

Terrorgruppe

04.02. Köln

02.02. Rostock 03.02. Husum 08.02. Hannover 09.02. Stuttgart 11.02. Augsburg 13.02. A-Wien 15.02. Erlangen 16.02. Dortmund 17.02. Bremen 22.02. Frankfurt a. M. 23.02. Köln Geht weiter!

Sextile

The Charlatans

Sick Hyenas

The Front Bottoms

Sevdaliza

06.02. Köln 07.02. Hamburg 12.02. Berlin

16.02. Wilhelmshaven 22.02. Berlin 23.02. Mannheim 24.02. Kassel

Slowdive

26.02. Köln 27.02. München

Smile And Burn

The Hunna & Coasts 07.02. Köln 09.02. Hamburg 15.02. Berlin 20.02. München

Sol Heilo

06.02. Frankfurt a. M. 07.02. Karlsruhe 10.02. München 14.02. Leipzig 15.02. Nürnberg 16.02. Hannover 17.02. Hamburg

Son Lux 23.02. Hamburg 24.02. Berlin 25.02. Köln 26.02. München

Steven Wilson

26.02. Berlin 27.02. Hamburg 28.02. Köln

12.02. Berlin 13.02. Hamburg 14.02. Frankfurt a. M. 18.02. München

The Menzingers mit PUP, Cayetana

The Rural Alberta Advantage 27.02. Hamburg 28.02. Berlin Geht weiter!

Empfohlen von Intro

The Soft Moon

11.-12.02. Berlin Geht weiter!

The Underachievers

Empfohlen von Intro

14.02. Langenberg

22.02. Köln 23.02. Berlin

Empfohlen von Intro

Suzan Köcher 29.01. Leipzig 31.01. Chemnitz 01.02. Jena 02.02. Karlsruhe 04.02. München

Syml

30.01. Berlin 31.01. Hamburg 01.02. Köln 03.02. Darmstadt

— 12.–18.03. USA-Austin – Ace Tee, Andrew W.K., The Dwarves, Joasihno, Lola Marsh, Low, Mogli, Ought, Skinny Lister, The Strypes, Talisco u. v. a.

The Mavericks

12.02. Frankfurt a. M. 13.02. Ravensburg 15.02. Berlin 20.-21.02. Hamburg

Super­ organism

Einmal im Leben muss man als Festival-Fan das South By Southwest besucht haben, denn eine buntere und intensivere Bühne für Newcomer und Stars gibt es nicht. Natürlich gibt es mehrere Gründe, für eine Festival-Fernreise nach Nordamerika zu blicken: Coachella, Burning Man oder das Chicagoer Lollapalooza etwa. Um neue Bands zu entdecken, gibt es aber keinen besseren Ort als das South By Southwest in Austin, kurz SXSW. Das texanische Club-Festival gilt als wichtigste Newcomer-Messe der Welt und lässt auf unzähligen Bühnen über 500 Acts auftreten. Gleichzeitig spielen hier auch altvordere Stars Secret Gigs. Und wer genügend Zeit mitbringt, kann auch noch die direkt davor stattfindenden Messen für Film und Neue Medien besuchen. Christian Steinbrink

19.02. Hamburg 20.02. Berlin 21.02. Köln

The Glorious Sons

Empfohlen von Intro

South By Southwest

20.02. Berlin 23.02. München 26.02. Köln

01.02. Rostock 02.02. Osnabrück 03.02. Düsseldorf 05.02. Saarbrücken 06.02. Wiesbaden 15.02. Karlsruhe 16.02. Koblenz 17.02. Bochum 20.02. Erlangen 21.02. Dresden 22.02. Schweinfurt 24.02. Berlin

08.02. Hamburg 09.02. Bremen 10.02. Münster 14.02. Berlin 15.02. Hannover 16.02. Leipzig 17.02. Köln 19.02. Wiesbaden 21.02. Stuttgart 22.02. München 23.02. Erlangen 24.02. Heidelberg

Ace Tee

10.02. Berlin 13.02. München

Tim Neuhaus Tom Liwa

12.02. Dortmund 16.02. Celle 22.02. Duisburg 24.02. Hatzenweier Geht weiter!

$uicideboy$

29.01. Stuttgart 30.01. München

View

13.02. München 14.02. Leipzig 15.02. Köln 16.02. Berlin 17.02. Hamburg 20.02. Nürnberg

Torpus & The Art Directors 01.02. Lübeck 02.02. Borderholm 03.02. Münster 04.02. Langenberg 06.02. Nürnberg 07.02. Leipzig 08.02. Dresden 09.02. Berlin 10.02. Hannover 14.02. Oberhausen 15.02. München 16.02. Konstanz 17.02. Freiburg 19.02. Reutlingen 20.02. Wiesbaden 21.02. Köln 22.02. Bremen 23.02. Hamburg 24.02. Husum

Empfohlen von Intro

We Invented Paris 08.02. Augsburg 09.02. Würzburg 10.02. Freiburg 15.02. Darmstadt 16.02. Leipzig 17.02. Potsdam 23.02. Münster 24.02. Düsseldorf Geht weiter!

Yeah But No

14.02. Jena 15.02. München 17.02. Essen 18.02. Leipzig Geht weiter!

VÖK

Die kommen, die Touren

Wand

Marteria (10.-24.03.) The Go! Team (02.-04.03.) Karl Blau (02.-03.03.) Tocotronic (06.03.- 14.04.) The Boxer Rebellion (06.-08.03.) Max Richard Leßmann (07.-26.03.) The Soft Moon (07.-11.03.) The Garden (07.-23.03.) Dream Wife (09.-15.03.) Trettmann (13.03. - 08.04.) Isolation Berlin (15.03.-11.05.) Tom Misch (15.-21.03.) Blond (16.03.-20.04.) Ace Tee (20.03.-01.04.) A Tale Of Golden Keys (22.03.-07.04.) Hope (23.03-18.04.) Monumental Men (28.03.)

21.02. München Geht weiter!

13.02. Heidelberg 14.02. Berlin 15.02. Hamburg

Wandl

10.02. Esslingen 14.02. München 15.02. Nürnberg 16.02. Berlin 17.02. Leipzig 18.02. Dresden Geht weiter!

Empfohlen von Intro

WhoMadeWho 27.02. Köln 28.02. München Geht weiter!

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126

#Live #Festival

Hafen 2 Geburts­ tagsfestival Mit dem 14. Geburtstag steckt Hafen 2 mittlerweile knietief in der Pubertät. Kein Wunder, dass es zur entsprechenden Party alles auf einmal geben muss: Musik zwischen verspielt-vergnüglichem Singer/SongwriterPop und Drum’n’Bass mit klassischer Instrumentierung sowie Kunst, Kino, Zirkus und Cocktails.

Seit 14 Jahren fördert Hafen 2, organisiert vom gemeinnützigen Verein suesswasser e.V., progressive Kunst und Kultur in jeglicher Form, ob als Ausstellungsraum, Streichelzoo, Konzertstätte, Programmkino, Atelier, Zentrum für Geflüchtete oder sonstiges mehr. Vereinfacht dargestellt also ein Kulturzentrum, von dessen breit gefächertem Programm die Kulturschaffenden und Rezipienten gleichermaßen profitieren sollen. Daneben versteht sich Hafen 2 besonders gut darauf, sich selbst zu feiern. Deswegen lässt man schon seit Jahren keinen Geburtstag unter den Tisch fallen, sondern feiert turbulent in gewohnter Bandbreite mit jeder Menge Kunst, Konzerten, Filmen und mehr. Henrike Schröder — 24.02. Offenbach — Bessie Turner, Dent May, KUF, La Tourette, OK Sweetheart, Paper Lions u. a.

Family First Festival Kettcar

BEACH MOTEL VAN CLEEF Wenn im Februar eine steife Brise die Nebenhöhlen freipustet, kommen statt der Windsurfer die IndieFreaks und Songwriter-Fans.

Immer diese Nähe zum Hotel- und Gaststättengewerbe: Aus der beliebten musikalischen Studenten-WG Grand Hotel van Cleef erwuchs – typisch Hamburg – die Lust auf Seeluft und Leben am Meer in Form des Beach Motel van Cleef. Im vergangenen Jahr, dem Geburtsjahr des Labels, machten sie sich dann schließlich ein Boutique Festival zum Geschenk. Boutique Festivals sind in der Regel klein, intim und gehen an einen besonders schönen Ort, und da fallen dem Hamburger an sich (neben der Hansestadt selbst) direkt mal Seebäder ein. Seebäder indes sind Orte der Badekultur, Kurorte, früher hat man sich dort im breit gestreiften Einteiler zu Wasser gelassen. Im Sommer natürlich, da ist auch im 21. Jahrhundert in Seebädern noch viel Trubel. Anders dagegen in der Off-Season, im Winter, wenn anderswo Karneval angesagt ist. Dann gibt es hier Leerstand und freie Strände – perfekt für ein kleines Boutique Festival in gemütlicher Atmosphäre zu vergleichsweise günstigen Preisen. Im Windsurf-Paradies St. Peter-Ording, früher Kulisse einer populären ARD-Vorabendserie, hat alles angefangen, und 2018 geht die Geschichte weiter. 2018 ist das Jahr, in dem das Grand Hotel van Cleef 16 wird, Bier trinken darf und sein Festival um ein weiteres Beach Motel in Heiligenhafen erweitert. Damit gibt es nun ein Beach Motel van Cleef an der Nord- und eines an der Ostsee, und beide werden von den gleichen Bands bespielt. Einige, wie Fortuna Ehrenfeld oder Tom Liwa, waren bereits beim letzten Mal dabei und dürfen in der intimen Atmosphäre des kleinen Zwillingsfestivals als alte Bekannte begrüßt werden. Und apropos »Zwillingsfestival«: Das Beach Motel van Cleef ist mit diesem Schritt die wahrscheinlich kleinste Konkurrenz, die Rock am Ring und Rock im Park je hatten.

Familie steht für sie an erster Stelle. Getreu diesem Motto hoben Boysetsfire 2015 das Family First Festival für Fans der Punkund Hardcore-Szene aus der Taufe.

Für einen Festivalbesuch muss nicht zwingend der häusliche Komfort aufgegeben und gegen mehrtägiges Campen eingetauscht werden. Das Family First Festival der Band Boysetsfire findet an einem Abend im Kölner Palladium statt und bringt Zugehörige der Punk- und Hardcore-Szene in intimer Atmosphäre zusammen. Drei Jahre sind seit der ersten und bislang einzigen Ausgabe des Festivals ins Land gegangen, doch nach anhaltenden Bitten ihrer Fangemeinde folgte nun die Ankündigung der Neuauflage des »Familienfests«, wofür Boysetsfire sogar ihre derzeitige Live-Pause unterbrechen. Selbstverständlich kommen sie als Headliner und in Begleitung handverlesener Acts. Insofern waren die Tickets für das Family First Festival, wie auch bereits 2015, nach weniger als vier Wochen ausverkauft. Boysetsfire konterten mit einem weiteren Liebesbeweis für ihre Fans und fügten ein zusätzliches Clubkonzert am Vorabend in der Kölner Live Music Hall hinzu. Leonie Becker — 02.02. Köln — Boysetsfire, Dave Hause & The Mermaid, Fjørt, Great Collapse, AYS

Carsten Schumacher

Dent May

— 16.–17.02. St. Peter Ording — Kettcar, Honig, Tim Neuhaus & Band, Fortuna Ehrenfeld & Band, Maria Taylor Trio, Dorit Jakobs & Band, Grillmaster Flash, Theodor Shitstorm, Tom Liwa, Burkini Beach u. a.

Fjørt


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intro 01.18.qxp_Layout 1 10.01

U Sa. 03.02.2018 | Live Music Hall, Köln

P

D

A

T

E

Do. 22.03.2018 | E-Werk, Köln

09.02.2018 / FR

KAKKMADDAFAKKA DONOTS special guest: Leoniden

15 Jahre Trovaci

PARTYNEXTDOOR + special guest: Jessie Reyez

Do. 22.03.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

Mo. 26.02.2018 | Live Music Hall, Köln

Sa. 24.03.2018 | E-Werk, Köln

Trovaci

Sa. 24.02.2018 | E-Werk, Köln

16.02.2018 / FR

The Busters

TYGA

25.02.2018 / SO

JESSIE WARE

"Straight Ahead" Tour 2018

NATHANIEL RATELIFF

Do. 01.03.2018 | Live Music Hall, Köln

ANTILOPEN GANG

"Alle gegen Alle" Tour

Sa. 10.03.2018 | Live Music Hall, Köln

08.03.2018 / DO

CALLEJON + special guest

Jakob Heymann Che Sudaka

BLUE OCTOBER

15.03.2018 / DO Quadro Nuevo meets Cairo Steps & Gäste aus Ägypten 17.03.2018 / SA

CARPENTER BRUT + guest special guest: Thomas Wynn & The Believers

Mi. 14.03.2018 | Live Music Hall, Köln

Tour 2018

So. 25.03.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

THE TEMPERANCE MOVEMENT

TOCOTRONIC special guest: Ilgen-Nur

14.03.2018 / MI

ESKIMO CALLBOY

Di. 27.03.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

Di. 13.03.2018 | E-Werk, Köln

Tour 2018

& THE NIGHT SWEATS

Sa. 24.03.2018 | Live Music Hall, Köln So. 25.03.2018 | Turbinenhalle 2, Oberhausen

Fr. 02.03.2018 | E-Werk, Köln

Zugezogen Maskulin

GRETA VAN FLEET

Mo. 02.04.2018 | Live Music Hall, Köln

WALK THE MOON

Mi. 21.03.2018 | E-Werk, Köln

SCOTT BRADLEE‘S POSTMODERN JUKEBOX

Sa. 07.04.2018 | E-Werk, Köln

Mi. 21.03.2018 | Gloria, Köln

Di. 10.04.2018 | Bürgerh. Stollwerck, Köln

THE WOMBATS NADA SURF

TOM MISCH

So. 04.02.2018 | Palladium, Köln

Jon and Roy

"The Road Ahead Is Golden" Tour 2018

27.03.2018 / DI

special guest: Astroid Boys

Gypsy Ska Orquesta

So. 04.02.2018 | Westfalenhalle 1, Dortmund

12.04.2018 / DO

+ Flogging Molly + Glen Matlock

"La Malévola" Tour 2018

Simon & Jan

So. 04.02.2018 | Turbinenhalle, Oberhausen

"Halleluja!"

special guest: Fozzy So. 18.02.2018 | Lanxess Arena, Köln

ORANIENSTR. 190, KREUZBERG 36 WWW.SO36.DE

special guest: GRYFFIN Mi. 21.02.2018 | Phoenixhalle, Dortmund

www.hafen2.net

CLUB CULTURE / SLAMS KONZERTE / WORT+

special guest: Lola Marsh Do. 01.03.2018 | Palladium, Köln

+ special guest: Ella Eyre

Fr 02.02.

Mo. 05.03.2018 | Lanxess Arena, Köln

ÄTNA

Di 13.02. HAFEN 2

$ICK

Do 15.02.

CUBA IN CONCERT KONZERT

SO 04 MO 05 SA 10 SO 11 DO 15 SO 18 SA 24

Missincat Hater Zimt Panteon, Jon Divello Pamela Méndez The American West Festival: Bessie Turner, Dent May, Kuf, La Tourette, OK Sweetheart, Paper Lions

Fr 16.02.

SULAIMAN MASOMI Sa 17.02.

special guest: Juanita Stein Mo. 05.03.2018 | Palladium, Köln

FRANZ FERDINAND Fr. 09.03.2018 | Palladium, Köln

FEINE SAHNE FISCHFILET special guest: Alarmsignal

Do. 15.03.2018 | CGM Arena, Koblenz

WE INVENTED PARIS Do 22.02.

Sa. 17.03.2018 | Palladium, Köln

Fr 02.03.

Mi. 21.03.2018 | Palladium, Köln

DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD GLASHAUS

Do. 22.03.2018 | Palladium, Köln (Zusatztermin)

Sa. 14.04.2018 | Westfalenhalle 1, Dortmund

HAFENKINO

DO 01 Free Lunch Society FR 02 The Killing of a Sacred Deer SA 03 A Ghost Story DO 08 Detroit MI 14 Anne Clark – I’ll Walk ... FR 16 Beach Rats FR 23 120 bpm SA 24 Dinky Sinky HAFEN 2 Nordring 129, D 63067 Offenbach

Fr. 20.04.2018 | Mitsubishi Electric Halle, Düsseldorf

Sa 03.03.

ELIF

Fr 09.03.

KINGA GLYK

Fr. 04.05.2018 | Palladium, Köln

WIRTZ

Sa 10.03.

CARL-EINAR HÄCKNER Do 15.03.

ISOLATION BERLIN www.waschhaus.de

prime entertainment www.prime-entertainment.de


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TUNES

SCHLACHTHOF WIESBADEN MURNAUSTR.1 65189 WIESBADEN

KA MP NA GE L.D

E

FE B– M ÄR 20 18

01.02. DO

DIGGER BARNES (DUO)

04.02. SO

DEXTER / SUPPORT: WALDOE

09.02. FR

KAKKMADDAFAKKA

10.02. SA

IRON & WINE / SUPPORT: HALF WAIF

16.02. FR

KUULT

16.02. FR

BAUSA

18.02. SO

K.FLAY / TOKSI

19.02. MO

SOL HEILO (KATZENJAMMER)

20.02. DI

TORPUS & THE ART DIRECTORS

24.02. DO

DEINE FREUNDE (ZUSATZKONZERT)

27.02. DI

RAINALD GREBE: DAS ELFENBEINKONZERT

04.03. SO

ANTJE SCHOMAKER

08.03. DO

I AM OAK

10.03. SA

TAPEFABRIK 2018

12.03. MO

TOCOTRONIC / ILGEN-NUR

13.03. DI

WANDA

24.02.

17.03. SA

UNTER MEINEM BETT - IN DEINER STADT

17.03. SA

ERIK COHEN

JENS RACHUT 25.02.

18.03. SO

EDITORS

22.03. DO

MC FITTI / GUEST: FCKSHT SQUAD

24.03. SA

DONOTS

17.04. DI

NOEL GALLAGHER‘S HIGH FLYING BIRDS

24.05. DO

ISOLATION BERLIN

29.05. DI

WE ARE SCIENTISTS

04.06. MO

FUTURE ISLANDS

04.08. SA

BEGINNER / SAMY DELUXE & DLX BND (OPEN AIR)

08.09. SA

FREUNDESKREIS FEAT. JOY DENALANE (OPEN AIR)

Unser komplettes Programm findet ihr im Internet unter

schlachthof-wiesbaden.de

Bilderbuch AT 5K HD AT Rikas D Consolers D Tera Melos U SA Johnny Rakete D DePresno N O R Belgrad D Isolation Berlin D J. Bernardt B E L Warhaus B E L Die Höchste Eisenbahn D & MEHR

MICHAEL GIRA 17.02. FRANCESCO TRISTANO

LEE RANALDO BAND 02.03. ANNA VON HAUSSWOLFF

05.03.

LAIBACH 08.03. SIN FANG / SOLÉY / ÖRVAR SMÁRASON 12.03. FRIEDRICH LIECHTENSTEIN TRIO 28.03. K AMPNAGEL HAMBURG TICKETS 040 270 949 49 Foto: Francesco Tristano

12 — 14 April 2018 Das Clubfestival in Osnabrück www.pop-salon.de

Do. 01.02. 20:00 Uhr

CHE SUDAKA SUZAN KÖCHER Fr. 02.02. 18:00 Uhr

OPEN AIR 2018

CIRCuIt DeS yeux

FR 02.02.18

The BusTers

MO 05.02.18

GhosTpoeT

DO 08.02.18

CirCuiT Des Yeux

MO 19.02.18

Johannes Falk

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ZuGeZoGen Maskulin

MO 12.03.18

kinGa GlYk

SA 17.03.18

roCko sChaMoni

SO 18.03.18

eliF

DO 22.03.18

MarCel Brell

MO 09.04.18

BaloJi

Heidelberg – Am Karlstor 1 www.karlstorbahnhof.de

SA 30.06. LABRASSBANDA & QUERBEAT DO 05.07. STEVE WINWOOD DO 12.07. WINCENT WEISS & GÄSTE DI 17.07. STEVEN WILSON MI 18.07. ALANIS MORISSETTE FR 20.07. DIE FANTASTISCHEN VIER MI 25.07. SIMPLE MINDS & FISCHER-Z DO 16.08. MOOP MAMA & BUKAHARA SA 18.08. JOHANNES OERDING SO 19.08. FREUNDESKREIS MO 20.08. ROGER HODGSON INFOS: NOISENOW.DE KUNSTRASEN-BONN.DE

Im Substage Café

Di. 06.02. 19:00 Uhr

ELECTRIC SIX Special guest: DEAD KITTENS

Do. 15.02. 18:00 Uhr

SMILE & BURN

Special guest: CALL IT OFF | Im Substage Café

Do. 15.02. 19:00 Uhr

KVELERTAK KID FRANCESCOLI Do. 22.02. 18:00 Uhr Im Substage Café

Fr. 23.02. 21:00 Uhr

BIG BOOMBOX PARTY Mit: DJ TEUTILLA- BEATSTEAKS SÄNGER ARNIM FEAT. DENNIS CONCORDE

So. 25.02. 18:00 Uhr

ANDREAS KÜMMERT Im Substage Café

Do. 01.03. 20:00 Uhr

ANTILOPEN GANG ZUGEZOGEN MASKULIN ARCANE ROOTS Mi. 07.03. 19:30 Uhr

Di. 13.03. 18:00 Uhr

Special guest: JAMIE LENMAN | Im Substage Café

Do. 15.03. 18:00 Uhr

STEASY RUSSKAJA

Im Substage Café

Do. 22.03. 19:00 Uhr

Nachholtermin vom 14.12.2017

Fr. 13.04. 18:00 Uhr

YONAS

Special guest: ABSTRACT | Im Substage Café Alter Schlachthof 19

76131 Karlsruhe

www.substage.de

www.facebook.com/substage.karlsruhe


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01.02 | MICHAEL KREBS 07.02 | TIM BERNE „BIG SATAN“ 08.02 | THE HIGH KINGS 10.02 | NILS WÜLKER 14.02 | JOHN-DENNIS RENKEN „TRIBE“ 15.02.| LUCIANO 16.02.| AZAD 17.02. | ROGERS 20.02.| GIANT ROOKS 23.02.| VEYSEL 24.02.| GLOWING EMBER FESTIVAL 08.03.| AMANDA 17.03.| MC FITTI 21.03.| CHRISTIAN STEIFFEN 22.03.| FAVORITE 24.03.| JAN PLEWKA SINGT RIO REISER 29.03.| PA SPORTS X KIANUSH X MOSH36 31.03.| MELTING SOUNDS FESTIVAL IV 11.04.| FIL BO RIVA 13.04.| VEGA 14.04.| MARK GILLESPIE 24.04.| ESTIKAY VVK unter www.zechecarl.de und an allen bekannten VVK-Stellen | Stand: 08.01.2018 (Änderungen vorbehalten!)

www.zechecarl.de zechecarlessen

2018 1.2. The Sonics Protopunk & Garage Rock

5.2. Friends Of Gas + Gewalt Progressive Indierock 15.2. UK Subs + TV Smith & the Bored Teenagers Legendary 77-Punkrock

18.2. Boiband Ort: Forum Freies Theater

23.2. Erik Cohen Mit neuem

Album „III“

27.2. Slow Leaves Singer/ Songwriter from Canada

3.3. Faber Folk, Songwriting

& Punk

10.3. Elif Doppelleben-Tour 19.3. Trettmann #DIY Tour 27.3. 5K HD Jazz, Dubstep & Progrock from Austria

28.3. Imarhan Tuareg Rock

aus Algerien

29.3. Love Machine AlbumRelease-Concert

7.4. Dame Outoftime Tour 9.4. Yonas Independent HipHop from New York City

14.4. The Selecter / The Beat feat. Ranking Roger Die Ska-Legenden aus U.K.

Tickets unter www.zakk.de Fichtenstraße 40, D´dorf

11.02. ZOOM 20:00 GIANT ROOKS 14.02. ZOOM 20:00 MALEEK BERRY 19.02. ZOOM 20:00 GUS DAPPERTON 23.02. ZOOM 20:00 HAIYTI 26.02. ZOOM 21:00 DANIEL KAHN & THE PAINTED BIRD 26.02. ZOOM 21:00 ALGIERS

Do. 01.02.2018 | Luxor, Köln

RAZZ

Mi. 07.02.2018 | Zeche, Bochum

THE USED

Mi. 07.02.2018 | Gebäude 9, Köln

THE HUNNA & COASTS

Mi. 07.02.2018 | MTC, Köln

DINOSAUR PILE-UP

Mi. 07.02.2018 | Blue Shell, Köln

P

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A

T

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Mi. 28.02.2018 | Blue Shell, Köln

ANTJE SCHOMAKER Mi. 28.02.2018 | MTC, Köln

SIKTH

Do. 01.03.2018 | Gebäude 9, Köln

TOUR OF TOURS

Sa. 03.02.2018 | Luxor, Köln

OBITUARY

Fr. 09.02.2018 | Gloria, Köln

03.03. ZOOM 20:00 FISHBACH

PICTURE THIS ALICE MERTON

06.03. GIBSON 20:00 PLAYBOI CARTI

AURA

17.03. BATSCHKAPP 19:00 SCOTT BRADLEE´S POSTMODERN JUKEBOX 22.03. ZOOM 21:00 ISOLATION BERLIN 25.03. BATSCHKAPP 20:00 NATHANIEL RATELIFF 24.04. ALTE OPER 20:00 NILS FRAHM 24.04. BATSCHKAPP 20:00 GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR 29.04. GIBSON 20:00 SOHN 02.05. BATSCHKAPP 20:00 RIN 03.05. STADTHALLE OFFENBACH 20:00 MACKLEMORE SOLD OUT! 09.05. ZOOM 20:00 JOSEPH J.JONES 17.05. MOUSONTURM 20:00 SCOTT MATTHEW 24.05. ZOOM 21:00 TY SEGALL 24.07. PALMENGARTEN 19:30 RUFUS WAINWRIGHT 07.08. PALMENGARTEN 19:30 BUKAHARA 20.10. CAPITOL OFFENBACH 20:00 TINA DICO 17.01. FESTHALLE 19:00 2019 DIE FANTASTISCHEN VIER 08.04. CAPITOL 2019 OFFENBACH 20:00 BILDERBUCH TICKETS MOUSONTURM: TEL 069.405.895-20 WWW.MOUSONTURM.DE INFOS BROTFABRIK: WWW.BROTFABRIK.INFO

WEITERE VERANSTALTUNGEN: WWW.MARKUSGARDIAN.DE

Do. 15.02.2018 | Luxor, Köln

So. 11.03.2018 | Luxor, Köln

Do. 15.02.2018 | YUCA, Köln

Mo. 12.03.2018 | Luxor, Köln

VIEW

ELIF

WATERPARKS

Do. 15.02.2018 | MTC, Köln

SHOSHIN

Sa. 17.02.2018 | Luxor, Köln

SOL HEILO

Di. 13.03.2018 | Stadtgarten, Köln

JACOB BANKS

Mi. 14.03.2018 | Luxor, Köln

THE JAMES SIX PRIME CIRCLE HUNTER Mi. 14.03.2018 | Gebäude 9, Köln + special guest: Scherf & Band of Katzenjammer

Di. 20.02.2018 | Bh. Stollwerck, Köln

Mi. 21.02.2018 | Bh. Stollwerck, Köln

THE FRONT BOTTOMS

Mi. 21.02.2018 | Artheater, Köln

TORPUS & THE ART DIRECTORS Do. 22.02.2018 | Luxor, Köln

DODIE

SIN FANG, SOLEY & ÖRVAR SMARASON Do. 15.03.2018 | Luxor, Köln

TONIGHT ALIVE special guests: Roam & The Gospel Youth

Di. 20.03.2018 | Gloria, Köln

JAMIE LAWSON Do. 22.03.2018 | Luxor, Köln

Do. 22.02.2018 | MTC, Köln

THE FACELESS Fr. 23.02.2018 | Stadtgarten, Köln

JOHANNES FALK

Fr. 23.02.2018 | Luxor, Köln

MARMOZETS So. 25.02.2018 | MTC, Köln

PACESHIFTERS Mo. 26.02.2018 | Luxor, Köln

THE CHARLATANS Mo. 26.02.2018 | Blue Shell, Köln

FISHBACH

DANCE GAVIN DANCE & VEIL OF MAYA

special guest: Thousand Below Do. 22.03.2018 | Gebäude 9, Köln

VETO

Sa. 24.03.2018 | Luxor, Köln

FU MANCHU So. 25.03.2018 | Luxor, Köln

FRANK CARTER & THE RATTLESNAKES support: Demob Happy

Mo. 26.03.2018 | Luxor, Köln

EMMA BLACKERY

Di. 27.03.2018 | Stadtgarten, Köln

Di. 27.02.2018 | Bh. Stollwerck, Köln

JONATHAN

Mi. 28.02.2018 | Luxor, Köln

Mo. 23.04.2018 | Gloria, Köln

WHOMADEWHO WILSON

THE GLORIOUS THE WHITE BUFFALO SONS

prime entertainment www.prime-entertainment.de


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#Preview #Demnächst #Katz und Goldt

Demnächst: Intro #260 — 26.02.2018

Young Fathers, Superorganism, Nickolas Butler über »Die Herzen der Männer«, Berufswunsch: Youtuberin, Richard Russell a.k.a. Everything Is Recorded, Anna von Hausswolff, Isolation Berlin



FR 13.04.18

FR 04.05.18

SA 17.11.18

WALLIS BIRD

EIVOR /

TINA DICO

KARTENVERKAUF UNTER konzerthaus-dortmund.de


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