Die besten Fußball-Logen Deutschlands

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Marken + Räume

Die besten Fußball-Logen Deutschlands »Alles außer unentschieden «

TEAS ER Edition CE+Co Verlag GUDBERG





Marken + Räume

Die besten Fußball-Logen Deutschlands »Alles außer unentschieden «

Text: Daniel Schoeps Fotografie: Andreas Weiss


editorial

Ein Raum wie ein Blatt Papier: Bereit, Geschichten zu erzählen

Der kleine Raum und die große Freiheit Manchmal, wenn Türen aufgehen, tun sich ganze Welten auf.

So geschehen im Frühjahr dieses Jahres: Zwischen zwei

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Terminen bei unserem Kunden FC St. Pauli nutzten wir die Zeit, um uns die Logen zeigen zu lassen. Schließlich hatten wir schon viel von den kreativen Ideen der Mieter am Millerntor gehört. Doch was wir entdeckten, war viel mehr als außergewöhnliche Raumgestaltung oder kreative Inszenierung. Wir entdeckten keine Räume, sondern viele verschiedene, ganz individuelle Geschichten. Geschichten, die Raum geworden waren: Zitate, Analogien, Metaphern und Pointen von Prosa bis Poesie. Raum gewordene Perspektiven auf des Deutschen liebsten Sport. Die Kraft der verschiedenen Inszenierungen war überwältigend. Nun sind Fußball-Logen ja eine Investition. Manchmal von Privatleuten, meist aber von Firmen oder Marken. Und normalerweise agieren Marketing-Entscheider äußerst vorsichtig, wenn sie Investitionen für dauerhafte Inszenierungen im dreidimensionalen Raum verantworten. Umso überraschender war die mutige Erzählweise der Logenpächter, die einzig und allein das Ziel verfolgte, unvergessliche Stadionerlebnisse zu kreieren. Offenbar war hier erkannt worden, dass die eigene Marke vom Erlebnis profitiert – und eben nicht umgekehrt. Das war erfrischend und auch ermutigend, denn emotionale Erlebnisse zu schaffen ist in unserem Alltagsgeschäft oberste Prämisse. Und es war beeindruckend zu sehen, wie dieses Ziel so vielfältig und kompromisslos verfolgt wurde. Unsere Begeisterung und Neugier war geweckt: Wie viele solcher Geschichten mag es in Deutschlands Logen geben? Damit war die Idee für dieses Buch geboren und wir machten uns auf eine Entdeckungsreise quer durch Deutschland zu den spannendsten Fussball-Logen.

Die ersten Telefonate verliefen ernüchternd: »Wenn Sie unser Stadion kennen würden, hätten Sie nicht angerufen!«, schallte es da nicht nur einmal aus dem Telefonhörer. »Kreative Logen gibt´s doch eh nur bei Pauli«, war ein ebenfalls weit verbreitetes Vorurteil. Oder: »Wir haben keine Zeit für so was, wir machen hier Business«. Wir waren überrascht, wie nüchtern dieses Business mancherorts betrieben wird. Ausgerechnet beim Thema Fußball-Logen, wo Emotionalität die Geschäftsgrundlage sein sollte. Doch mit Beharrlichkeit und Energie gelang es, erste Einblicke in das ein oder andere Stadion zu erhaschen. Und siehe da, es gab sie, die Welten hinter den Türen. Es gab die Geschichten, die wir vermutet hatten. Und es gab immer mehr Helfer, die uns Türen öffneten, Tore aufstellten, Kontakte vermittelten und Überzeugungsarbeit in unserem Sinne leisteten. Allen Wegbereitern sei an dieser Stelle herzlich für ihr Vertrauen und ihre Unterstützung gedankt. Die schönste und vielleicht sogar wichtigste Erkenntnis für dieses Buch aber war, dass es eben nicht nur am Millerntor außergewöhnliche Logen gibt. Im ganzen Land, egal ob erste oder zweite Liga, fanden wir Enthusiasten, die in ihren Logen spannende Geschichten rund um ihre Marke und den Fußball erzählen. Wir waren begeistert von der Vielfalt, mit der auf wenigen Quadratmetern die große kreative Freiheit gesucht, gefunden und realisiert wurde. Die Freiheit, Geschichten über Marken zu erzählen, die bei der Inszenierung nicht im Vordergrund, sondern im Hintergrund stehen und gerade deshalb besonders gut zur Geltung kommen. Geschichten über Marken, die eine entschiedene Haltung haben und diese im Raum erlebbar

machen. Geschichten, die nicht durch Form oder Farbe der Marke, sondern durch deren Werte erfahrbar werden. Denn schließlich sind es ja die Werte, die Marken voneinander unterscheiden. Was wir jedoch auch gefunden haben, sind Logen, die das Potential emotionaler Inszenierung nicht ansatzweise ausschöpfen. Erstaunlich, dass vielerorts nicht einmal 20 Prozent der Pachtsumme in die Inszenierung investiert werden, ohne die eine Loge immer ein Konferenzraum mit Tribünenzugang bleiben muss. So entdeckten wir zahlreiche funktionale Meeting-Logen, in denen die Marke als gerahmtes Firmenlogo-Poster in Erscheinung trat. Und nicht als Gastgeber, der diesem Raum seinen unverwechselbaren Charakter verleiht und den Besucher mit einer entschiedenen Haltung aufnimmt. Schade eigentlich, denn wie viel mehr könnten Gäste und vor allem die Marken und Firmen der Logenpächter profitieren, würde hier kreativer und intensiver agiert. Deshalb sei auch der mit dem vorliegenden Buch verknüpfte Wunsch deutlich formuliert: Wir wünschen uns, dass noch viel mehr Pächter und Betreiber bei der Inszenierung ihrer Logen Mut beweisen und Haltung zeigen. Denn am liebsten würden wir dieses Buch in drei Jahren erneut herausbringen und darin 18 neue Highlights zeigen, die vielleicht sogar erst durch unsere vorliegende Dokumentation inspiriert wurden. Bis dahin aber laden wir Sie ein, sich gemeinsam mit uns auf eine Reise zu begeben durch die bereits jetzt interessantesten, kreativsten, emotionalsten und spannendsten, kurz: die besten Fußball-Logen Deutschlands. Hamburg, Oktober 2011 Cedric Ebener



Die Logen und ihre Stadien

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godelmann: Allianz Arena

20

pentahotels / Performers: Coface Arena

26

Bohle: signal iduna park

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nordcapital: Millerntor-Stadion

42

dialogfeld: easyCredit-Stadion

48

heinz: Coface Arena

56

erdgas schwaben: SGL Arena

62

CE+Co / JWT: Millerntor-Stadion

72

hollerbach-gruppe: Rhein-Neckar-Arena


78

evonik: veltins-arena

86

audi: audi sportpark

94

hasenkamp: rewirpowerSTADION

100

sortimo: SGL Arena

108

karl+co: Coface Arena

116

gme design: weser-stadion

122

jung von matt: Millerntor-Stadion

132

hilti: veltins-arena

138

RPR1. / GAUL‘s / CONTEAM:GRUPPE: coface arena

146 Ăźber diese buchreihe danksagung 147 impressum 148


stadt: münchen stadion: Allianz Arena verein: FC Bayern München / TSV 1860 München Logennummer: 57 quadratmeter: 41 tribünenplätze: 13

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Godelmann

Mut wird belohnt Die Allianz Arena vor den Toren der bayerischen Landeshauptstadt. Ein preisgekröntes Raumschiff als Fußball-Erlebniswelt. Kein Zweifel: Hier residiert der Branchenprimus FC Bayern München. Und der hat Platz für 106 Logen geschaffen. Die meisten sind entweder elegant oder rustikal gestaltet, allein die Betonexperten von Godelmann haben das Spielfeld hoch in ihre Loge getragen. Und dies so gut, dass die grün-weiße Seitenkapelle hoch über der Ostkurve des Fußball-Tempels sogar vom strengen SPIEGEL als »rasante Design-Schönheit« beschrieben wurde.



stadt: hamburg stadion: millerntor-stadion verein: Fc st. pauli Logennummer: 27 quadratmeter: 34,8 tribünenplätze: 13

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Nordcapital

Eine Liebeserklärung Auf der Haupttribüne des Millerntor-Stadions haben die hanseatischen Fondsmanager von Nordcapital einen Weg gefunden, sich beim immer moderner werdenden FC St. Pauli mit einer Loge zu platzieren, die an die bescheidenen Anfänge des Profifußballs erinnert. Und damit nicht dem Absender ein Denkmal setzt, sondern als detailverliebtes Zitat der vorsintflutlichen Verhältnisse beim Kiezclub vor dem Neubau des Stadions daherkommt.



»Rauminstallation als Zitat«

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ieses Séparée, wie die Logen am Millerntor kiezgerecht heißen, bildet die legendäre alte Umkleidekabine der ersten Herrenmannschaft im alten Stadion ab. Und das natürlich nicht so wie sie war, sondern so, wie man sie als Fan gerne gehabt hätte: Als schier endlose Zitatensammlung. Die Grundidee ist dabei bestechend einfach und wird bis ins letzte Detail durchgezogen: »Hier gibt es alles außer Standard«. Beispiele gefällig? Alle normalen Lichtschalter sind mit einem »Kaputt«Schild überklebt. Stattdessen steuert eine monströse Schaltanlage, die aus diversen antiken Einzelteilen aus Fabriken und Werften zusammengestellt wurde, das »Flutlicht« in der Kabine. Und auch die Sitze im Innenraum des Stadions tragen alle eine »falsche« Nummer und sind dementsprechend überklebt. Sogar am Eingang steht nicht der richtige Name des Logenbesitzers. Hanseatisches Understatement trifft hier auf die Lust am Spiel. Das ganze Séparée ist ein einziges Zitat, eine Hommage an die diversen Anekdoten und Heldengeschichten, die sich rund um den Stadtteilverein ranken. Die Tische in der Mitte sind natürlich Massageliegen. Und deutlich härter als üblich – kein Wunder, hatte sich doch Oliver Kahn einst über eben diese Härte am Millerntor beschwert. In der Kabinentür wird noch der Fußabdruck des wütenden Bayern-Kapitäns van Bommel zitiert. Kein Zweifel: Wer den Fußball und seine Geschichten mag, wird die Detailtiefe dieser Inszenierung lieben.

Alles hier atmet retro. Die Wände sind aufwändig patiniert, die Hölzer der nachgebauten Original-Spinde auf alt gemacht, indem mit Ketten darauf herum geklopft wurde. Die Wasserhähne der Dusche wurden mit Kalk versehen, der Boden als dreckig inszeniert. Und was hat dies alles mit dem Absender, dem Hamburger Emissionshaus Nordcapital, zu tun? Inwieweit sind dessen Markenwerte in diese Rauminszenierung eingeflossen? »Gar nicht«, sagt Florian Maack, Nordcapital-Geschäftsführer. »Wir haben auf die Inszenierung unserer Marke verzichtet. Denn sonst hätten wir da ja direkt einen Schiffscontainer hingestellt. So aber funktioniert das Séparée als ultimativer Ice-Breaker: Denn aus Geschäftspartnern werden plötzlich Fans, die eine diebische Freude daran entwickeln, immer wieder neue Details zu entdecken.« Als persönliches Lieblingsdetail gibt Maack im übrigen die Personenwaage an, die bei Gerald Asamoah im Spind steht – mit dem Vermerk: »Gerald 2 mal tgl. wiegen«. Und auch die sexy Spind-Fotos von Sylvie van der Vaart kommen natürlich immer richtig gut an. Ein sympathischer Seitenhieb auf die glamouröse Gattin des ehemaligen Mittelfeldstars des großen Lokalrivalen. Und vielleicht ja sogar eine Übersetzung des Transparents, das vor Jahren im HSV-Stadion für Lacher sorgte: »Du kannst gehen, aber Sylvie bleibt hier!« Natürlich ist hier der Spaß am wichtigsten und deshalb wurde auch ein akustisches Eintrittsignal installiert.



stadt: mainz stadion: Coface Arena verein: 1. FSV Mainz 05 Logennummer: 17 quadratmeter: 30 tribünenplätze: 13

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Heinz

Heinz zu Null Was direkt auffällt: Hier ist alles sehr rot. Nur gut, dass die Marke Heinz und der 1. FSV Mainz 05 neben einer gewissen phonetischen Nähe auch die Grundfarben Rot und Weiß teilen.




Devotionalien und gebrandete Give-aways: Hier kann man als Gast richtig was mitnehmen


stadt: augsburg stadion: SGL Arena verein: FC Augsburg Logennummer: 43 quadratmeter: 32 tribünenplätze: 10

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Erdgas Schwaben

Reinkommen, wohlfühlen. »Wir sind da, wo unsere Kunden sind«, steht bereits auf dem Eingangsschild. Und so erübrigt sich auch die Frage, warum der regionale Gasanbieter im Fußball-Stadion eine Loge gemietet hat. Viel interessanter ist ohnehin die Antwort auf die Frage, warum man sie bereits am Geruch erkennt.



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Mit Zirbenholz verkleidete Räume reduzieren nachweislich die menschliche Herzfrequenz. Ein klarer Materialvorteil im Rahmen eines spannenden FuĂ&#x;ballspiels


»Immer der Nase nach«

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ins ist klar: Für den besten Effekt sollte man diesen Raum am besten mit verbundenen Augen betreten. Was zunächst wie eine versteckte Kritik am Design erscheinen mag, ist vielmehr ein Verweis auf das olfaktorische Erlebnis. Denn der markante Geruch von Zirbenholz, mit dem die gesamte Loge ausgekleidet ist, gehört eher in eine Sauna als in ein Fußballstadion. Und deshalb muss man beim Betreten des Raumes auch erst einmal schmunzeln. Dass dies durchaus beabsichtig ist, erklärt der Augsburger Innenarchitekt Raimund Oßwald. »Ich wollte einen Raum schaffen, der eine unverwechselbare Atmosphäre mit sich bringt. Eine Mischung aus Bauernstube und Fußballarena«. Eine Bauernstube ist es nun nicht gerade geworden, aber wenigstens riecht es hier so. Aber auch über den Geruchssinn hinaus wirkt dieser Raum besonders – als wäre man im Inneren einer raumfüllenden Holzskulptur gelandet. Wellenartig erstrecken sich die Holzleisten über die Wände, die Decke bis zum Boden und schaffen so den Eindruck einer Arena en miniature. Auf der einen Seite öffnen sich die Holzbohlen und

formen nach unten hin eine Trainerbank, von der aus man das Spielgeschehen auf den Bildschirmen verfolgen kann. Auch inhaltlich nimmt diese Loge natürlich Bezug zum Absender. Denn was beim ersten Betreten noch wie ein gut gemachter Scherz erscheint, punktet bei näherer Betrachtung mit einem inhaltlich aufgeladenen »wahren« Kern. Bereits mit geschlossenen Augen ist die Wärme im Raum zu spüren und das Thema Dämmung erschließt sich sofort. Hier kann man tatsächlich von einem selten gut gelungenen körperlichen Erlebnis sprechen. Und einen über die reinen Markenzwecke hinausreichenden Vorteil haben die verarbeiteten Naturmaterialien zusätzlich. Denn beim Fußball kippt auch in einer Loge gerne mal ein Bier um und dann ist jedes Reinigungspersonal der Welt froh, wenn nicht die gesamte Einrichtung aus Polstermöbeln und feinen Stoffen besteht. Das letzte Wort soll hier aber Architekt Oßwald haben. Nach reiflichem Überlegen findet er eine prägnante Antwort auf die Frage nach der zentralen Aussage des Raumes: »Reinkommen und wohlfühlen.«



»Frag nicht, was dein Verein für dich tun kann, frag, was du für deinen Verein tun kannst«

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as Funktionsprinzip der Bannerwerkstatt ist leicht erklärt: Alle Fans des FC St. Pauli können im Vorfeld eines Heimspieles auf einer Website Texte für ein Transparent, das dann im Stadion hängen wird, vorschlagen. Die Vorschläge werden von den Fans kommentiert, bewertet und vorausgewählt. Am Ende bestimmt bei jedem Heimspiel ein anderer der 500 weltweit registrierten Fanclubs, welches der vorgeschlagenen Banner tatsächlich produziert wird. Und so malen die hoch motivierten Logengäste dann ihr Banner im Auftrag eines neuseeländischen oder südafrikanischen Fanclubs und der kleine Raum im großen Stadion ist mit der ganzen Welt verbunden. Eine Idee, die bei vielen Clubs schnell lächerlich anmuten könnte. Doch der Stadtteilverein mit dem UnderdogImage verfügt über gut organisierte Fans auf der ganzen Welt. Kein Wunder, dass der amerikanische Nachrichtensender CNN St. Pauli unlängst zum »coolsten Fußballclub der Welt« kürte. »Dies hier ist keine Loge, sondern ein Kommunikationskonzept«, erklärt CE+Co Chef Cedric Ebener die ungewöhnliche Idee. »Normalerweise haben immer nur die Gäste etwas von der Loge, unsere ist on- und offline mit der ganzen Welt verbunden. Wir gucken nicht nur ins Stadion rein, sondern werfen mit der Bannerwerkstatt

unseren Blick auch aus dem Stadion heraus. Das ist die Idee.« Spannend vor allem, da gerade das eher links außen orientierte Stammpublikum bei St. Pauli schon oft selbst kreativste Sponsorenideen nicht goutierte. Lenken diese doch zu sehr vom Spiel ab und lassen die Sponsoren als Nutznießer, nicht aber als Teilhaber, der einzigartigen Atmosphäre erscheinen. »Wir wollten genau diese Reibungswärme nutzen, um Fans und Sponsoren einander näher zu bringen und um zu zeigen, dass letztendlich alle das Gleiche wollen: Das Beste für den Verein«, so Ebener. Daher gehen hier zwei Kommunikationsagenturen nun einen völlig neuen Weg: Sie geben nicht nur den Fans eine Stimme, sondern halten sich selbst dabei vornehm zurück – was Werbeprofis sicherlich nicht ganz leichtfällt. Hier wird nicht versucht, sich Anerkennung zu erkaufen, sondern vielmehr wird sie sich mit dem Pinsel in der Hand erarbeitet. Sogar während der Halbzeitpause wird hier unter Hochdruck gearbeitet – denn die Logengäste haben dann genau 15 Minuten Zeit, den per SMS eingegangenen Wunschtext der Fans für das Banner zur zweiten Halbzeit umzusetzen, die Farbe trocken zu föhnen und das neue Transparent zu hängen.


stadt: gelsenkirchen stadion: VELTINS-Arena verein: FC schalke 04 Logennummer: 123 quadratmeter: 32 tribünenplätze: 10

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Evonik Industries

Endlich Feierabend! Man tritt über die Schwelle und möchte eigentlich sofort sein Bier auf Englisch bestellen. Hier muss niemand lange über das Raumkonzept nachdenken. Denn die Sache ist ebenso klar wie der Londoner Herbsthimmel trüb: ein Pub ist ein Pub ist ein Pub.



Was nicht fehlt: Der antike Messingzapfhahn. Was fehlt: Die Sperrstunde

»Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein«

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nd auch die Ansage an den Besucher ist eindeutig: »Komm rein, trink dein Bier und freu dich des Lebens. Denn jetzt hast du Feierabend.« Kein Schnick und kein Schnack, kein klarer, schnörkelloser Designwahnsinn, wie man es bei einem Unternehmen mit mehreren Milliarden Jahresumsatz erwarten könnte – hier ist alles ganz bodenständig und natürlich very british. Schweres, braunrotes Mahagoniholz, eine versteckte Dartscheibe und knarzige Clubsessel aus Leder, in denen man fast verschwindet und statt auf die Themse eben auf den Rasen guckt. Als dekoratives Element dienen volle Bierdosen, die von Außendienstlern aus aller Welt zusammengetragen wurden. Denn in einem Pub trifft sich die ganze Welt. Die schweren Lederhocker wurden authentisch mit Metallnieten versehen, das Wichtigste aber ist natürlich wie in jedem Pub der schöne, alte Zapfhahn. Aber wie kam man vor zehn Jahren auf diese Gestaltungsidee? »Ein Pub ist zeitlos«, klärt der damalige Projektleiter Barthold Budde auf. »Es ist eher so, dass die Einrichtung noch schöner wird, je älter sie ist. Außerdem ist ein Pub immer gemütlich. Hier gibt es keinen Besprechungstisch und man kann nirgendwo ein Fünf-Gänge-Menü zu sich nehmen. Und das macht auch nichts, denn bei uns gibt es sowieso nur Currywurst.«

Diese Loge wirkt bereits sehr etabliert, was auch daran liegen könnte, dass sie bereits vor dem Stadion fertig war. Und so kam es, dass beim ersten Vertriebstreffen im Pub bereits gefeiert wurde, während draußen noch die Hunde des Sicherheitsdienstes um die Bauzäune streiften. Aber wie halten es die Schalke-Fans im Unternehmen aus, dass Evonik auch Trikotsponsor des Erzrivalen aus Dortmund ist? Budde gibt darauf eine ebenso knappe wie selbstbewusste Antwort: »Diese Loge ist älter als Evonik. Als wir sie gestaltet haben, hießen wir noch Degussa. Deshalb haben wir da gar kein Problem mit dem BVB«. Auch 2007, als das Unternehmen unter dem jetzigen Namen Evonik neu gegründet wurde, stand der Pub intern zur Diskussion. Denn auf den ersten Blick scheint er ja nicht so recht zum neuen Markenauftritt des Spezialchemie-Unternehmens zu passen. Aber dann entschied man sich, den Charakter der Loge zu bewahren, und der englische Pub im Herzen der Veltins-Arena blieb bestehen. Zum Schluss fällt dann doch noch ein fehlendes Detail auf: Die obligatorische »Last Order«-Glocke, die es in jedem englischen Pub gibt. Wie konnte das passieren? »Bei uns gibt es keine Sperrstunde«, lächelt Budde. »Bei uns soll gefeiert werden und deshalb wäre eine solche Glocke wirklich das falsche Signal gewesen.« Der Feierabend auf Schalke kommt also als Endlosschleife daher.



Globales Design konzentriert auf 57 Quadratmetern: Hier wird nichts dem Zufall 端berlassen





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Kein Designwahnsinn. Die Einrichtung wirkt wie einfach reingestellt und bildet so die Antithese zur technischen Eleganz eines Autohauses

»Muh«

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ieser Raum atmet nicht die kühle Eleganz, die Autohäuser ja allgemein und vor allem die Münchener Erlebniswelt der Bayerischen Motoren Werke ausmacht. Diese Loge kommt als authentische Almhütte daher. »Unsere Kunden kennen ja die Verkaufsräume«, berichtet Inhaber Peter Enders. »Aber hier im Stadion wollten wir ausdrücklich keine Sitzungsatmosphäre haben. Und die meisten Besucher müssen auch erst einmal schmunzeln, wenn sie bei uns reinkommen«. Und damit wäre das Eis oft schon gebrochen. Blau-weiße Herrlichkeit an den Wänden, die rot-weiß karierten Tischdecken korrespondieren mit den Vereinsfarben und mit jeder Minute wächst die Lust auf bayerische Lebensfreude. Der Raum ist einfach gehalten und wirkt angenehm ungestaltet. Wie in einer echten Almhütte geht hier Gemütlichkeit vor Designdiktat und so wirkt sie einladend, in all ihrer gewollt-improvisierten Unperfektion. Und genau das macht diese Loge so besonders: Hier wurde nichts authentisch inszeniert – hier ist man authentisch. Denn weiter vom üblichen Konferenz- und Messebau standardisierter Logen kann man sich mit diesem krachledernen

Modell kaum entfernen: Seien es die unbehandelte Eichenholz-Theke, der massive Holztisch oder die Kuhfelle, die sowohl als Teppiche als auch als Sesselbezüge dienen. Auch das obligatorische Tippspiel der Logengäste wird auf einer alten Holztafel ausgetragen und der Breznständer ist an Spieltagen natürlich immer gut bestückt. »Übers Geschäft redet man vielleicht fünf Prozent der gemeinsamen Zeit«, beschreibt Enders das Prinzip der Kundenpflege in seiner Loge. »Das passiert hier eher auf der menschlichen Ebene. Man duzt sich schnell, hält gemeinsam die Fanschals hoch und guckt nach dem Spiel noch gemütlich zusammen die Sportschau«. Bereits im alten Mainzer Stadion am Bruchweg nannte das Unternehmen eine bayerische Loge sein Eigen, zum Umzug wurde ihr jedoch noch mal ein Facelift verpasst. Diese Loge spielt nicht mit der technischen Perfektion der Marke BMW, dafür aber bekommt der Besucher sofort Lust, sich hinzusetzen, eine zünftige Brotzeit zu genießen, das ein oder andere Weißbier zu trinken und sich auf den Fußball zu freuen. Um dann, wenn der große FC Bayern zu Besuch im kleinen Mainz ist, mit einer Brezn in der Hand zu rufen: »Zieht den Bayern die Lederhosen aus!«




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Klare Farben, klarer Raum. So weiĂ&#x; das Auge reicht


»Ein Raum als Reflexionsfläche«

Weiß, weiß, alles ist weiß. Diese Loge kommt auf den

ersten Blick wie ein Paradies für unbunte Farbpuristen daher. Bei näherer Betrachtung stellt man jedoch fest, dass die RGB-Leuchten im Deckenbereich sie in jede gewünschte Farbe tauchen können. »Die Farbe Weiß dient als Reflexionsfläche und Grundierung und mit der Raumgestaltung wollten wir durchaus provozieren«, erklärt Henning Krohn, der verantwortliche Architekt. »Denn viele Menschen empfinden die Loge natürlich zuerst als extrem kühl und sind dann umso überraschter, wenn sie an einem Spieltag hier sind.« Ebenso klar wie die Farbwelt ist auch das Raumdesign. Die Loge lebt durch gebogene Linien, Rundungen und Bögen. Zentrales Element ist der Stehtisch, der eine Welle bildet, die man auch unter der Decke wiederfindet. Klares Design, das eine klare Aufgabe hat. In dieser Loge wird ganz klar auf die Gesamtkomposition abgestellt, nach Verzierungen sucht man hier ebenso vergeblich wie nach versteckten Details. So kann man das klare Designstatement in einem Satz zusammenfassen: Dieser Raum hat eine graue Wand, silberne Stuhlbeine – und alles andere ist schlicht weiß.

Eine kleine Hommage an den Ballsport findet sich dann doch noch und diese zitiert eines der umstrittensten und am häufigsten untersuchten Objekte in der Geschichte der Menschheit: Das Turiner Grabtuch. Anstelle des Heilands wird hier allerdings die Werder-Ikone Thorsten Frings gezeigt. Das ist zwar nicht ganz so rätselhaft wie das Original, dafür aber handsigniert. Mehr Fußball muss in seiner Loge aber auch gar nicht stattfinden, wenn es nach Henning Krohn geht. Dafür, so seine Erklärung, wäre ja schließlich das ganze Stadion da. Viel wichtiger sei es, Aspekte der Firmenphilosophie im Raum wiederzufinden. »Wir wollen immer etwas Besonderes schaffen, etwas worüber man spricht«, so Krohn. »Denn wir gehen ja auch nicht einfach ins Möbelhaus, um uns da einen Tisch auszusuchen.« Und so ist diese Loge also eine elegant geschwungene Sonderanfertigung in Form einer sehr weißen Projektionsfläche – bei der das fehlende Werder-Grün für den echten Fan aber jederzeit hinzu gefügt werden kann.


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Biblische Antworten auf das Tagesgeschäft Fußball



stadt: mainz stadion: Coface Arena verein: 1. FSV Mainz 05 Logennummer: 34 quadratmeter: 50 tribünenplätze: 20

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RPR1. / GAUL‘s / CONTEAM:GRUPPE

Die Beziehungskiste In dieser Loge wird die Beziehungsfähigkeit des Fußballs gezeigt. Denn nicht nur Märkte sind Gespräche, gerade an der Schnittstelle von Volkssport und Gesellschaft gibt es jede Menge zu bereden. Und die gemeinsame Loge des Radiosenders RPR1., der Mainzer Kommunikationsagentur Conteam:Gruppe und des Stadion-Caterers Gaul‘s ist dafür der perfekte Raum.





»Die besten Fußball-Logen Deutschlands« bietet einen exklusiven Blick in die heiligen Räume moderner Fußball-Arenen. Denn was früher die Katakomben und Umkleidekabinen waren, sind heute die VIP-Logen auf den Rängen: Zutritt nur mit persönlicher Einladung, keine Fotos bitte. Erstmalig öffnen sich diese sonst verschlossenen Türen in den Stadien der ersten und zweiten Liga: Von der Fußball-Kapelle zur American Sports Bar, von Hamburg bis Hoffenheim, von Allianz bis Veltins-Arena. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen, stellen die Besonderheiten und Highlights vor und lassen natürlich auch die Macher zu Wort kommen. Und so unterschiedlich deren Geschichten auch sind, sie alle haben eins gemeinsam: Es geht um Fußball. Mit beeindruckenden Fotografien und prägnanten Texten werden nur die interessantesten, kreativsten und spannendsten, kurz: die besten deutschen Fußball-Logen hautnah präsentiert.

EUR 49,90

www.fussball-logen.de 9 783943 061031

ISBN: 978-3-943061-03-1


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