Kampagnendossier

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KAMPAGNENDOSSIER

Entwicklung l채ndlicher Gemeinschaften


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INHALT Im Kleinen Grosses bewirken Die Situation der l채ndlichen Gemeinschaften Der Wirkungskreis der l채ndlichen Entwicklung Die Menschenrechte und die nationalen Rechte als Grundlagen Ganzheitlicher Ansatz gegen die Armut

Impressum Inhaltliche Mitarbeit: Hanspeter Bigler, Maya Doetzkies, Petra Graf, Karl Heuberger, Jamil Mokhtar, Marie-Therese Roggo, Monika Zwimpfer Fotoredaktion: Ruedi L체scher Grafische Gestaltung: Alex Demarmels Druck: Buchmann Druck Auflage: 2500 Exemplare Oktober 2008

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Im Kleinen Grosses bewirken CHRISTLICHE WERTE UND MENSCHENRECHTE ALS GRUNDLAGE DES ENGAGEMENTS VON HEKS HEKS ist das Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz. Diese definieren die Mandate für die operative Tätigkeit des Hilfswerks und sind deren Ausgangspunkt und Basis. Die Kirchen und ihre aktiven Mitglieder fördern die inhaltlichen Anliegen von HEKS und sind eine wichtige finanzielle Stütze. HEKS bekennt sich zur Bindung an die Kirche und sucht die Nähe zu und den Dialog mit den Mitgliedern der Landeskirchen. Die starke Verankerung in den Kirchen prägt auch die Werte, welche für die Arbeit von HEKS im Zentrum stehen. HEKS setzt sich für eine menschlichere und gerechtere Welt ein. Im Zentrum seines Engagements zugunsten von sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen steht die Würde jedes Menschen. Diese bildet die Grundlage der universellen Menschenrechte und zeigt sich für Christen im Evangelium der Nächstenliebe. In seiner Arbeit orientiert sich HEKS daher an der Botschaft Jesu Christi und verfolgt die im Leitbild formulierten Ziele «Gerechtigkeit», «Frieden» und «Bewahrung der Schöpfung». Als Hilfswerk der evangelischen Kirchen ist sich HEKS der christlichen Wurzeln seines Engagements bewusst. Für seine Tätigkeit interpretiert es die drei grundlegenden Ausrichtungen des christlichen Menschenbildes: • Der Mensch ist Geschöpf Gottes. Daraus erfolgt die Unverfügbarkeit des Lebens. Werte wie Respekt vor der Schöpfung und achtsamer Umgang mit den Menschen gründen darin. • Der Mensch ist Mensch in Beziehung mit anderen. Dies bedeutet Verflochtenheit mit allem Leben. Daraus leiten sich Werte ab wie Solidarität und die Verpflichtung zur uneingeschränkten Hilfe, welche unabhängig von Religion, Kultur, Geschlecht, Nationalität oder sozialem Status zu leisten ist. • Der Mensch ist Mensch in seiner Zerbrechlichkeit. Daraus folgt das Prinzip der Gegenseitigkeit aller Hilfe. Werte wie Beteiligung und Sinn für die Gemeinschaft sind darin begründet. Ausgehend von dieser Wertebasis verzichtet HEKS auf die Zusammenarbeit mit Bewegungen, welche den Empfang von Hilfeleistungen mit einem bestimmten Glaubensbekenntnis verknüpfen. Auch Menschen, die nicht am kirchlichen Leben einer Glaubensgemeinschaft teilnehmen, sollen sich mit dem christlichen Engagement zugunsten von Mitmenschen identifizieren oder von einer Unterstützung von HEKS profitieren können. Wegweisend neben der christlichen Wertebasis sind für HEKS die in der UNO-Menschenrechtserklärung formulierten universellen Menschenrechte. HEKS richtet seine Tätigkeit stets darauf aus, dass Menschen ihre Rechte kennen und in der Lage sind, diese auch einzufordern. HEKS steht dafür ein, dass alle Menschen in Würde leben können, dass sie Verantwortung für ihre Lebensgestaltung übernehmen und dass sie nicht von Hilfsprogrammen abhängig werden. 3


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Die Menschenwürde widerspiegelt unser Dasein – ob Frau oder Mann – als Abbild Gottes. Entsprechend ist sie gottgewollt und ein Teil jedes menschlichen Wesens, unabhängig von Stellung, Geschlecht, Rasse oder anderen Merkmalen. Die Menschenwürde kann zwar niemandem weggenommen werden, aber sie läuft ständig Gefahr, verletzt zu werden, durch extreme Armut, Machtmissbrauch, Gewalt, ungleichem Zugang zu Möglichkeiten und Ressourcen, fehlende Sicherheit und durch Systeme und Strukturen, die Menschen unsichtbar und entbehrlich machen. Es ist diese absolute Notwendigkeit, Frauen und Männer und ihre Würde vor solchen Verletzungen zu schützen, die die Anstrengungen im Bereich Menschenrechte für Einzelpersonen, Organisationen und ganze Gemeinschaften so wichtig macht. Aus diesem Blickwinkel sind Entwicklungszusammenarbeit und das Engagement für Menschenrechte zwei wichtige Komponenten des Engagements der Kirchen für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Entwicklung bedeutet eine strukturelle Verbesserung der Lebensumstände der Begünstigten. Bemühungen in diese Richtung haben jedoch nur Erfolg, wenn strukturelle Faktoren wie Unterdrückung und Diskriminierung überwunden werden können. Entwicklung und Menschenrechte bedingen sich somit gegenseitig. Entwicklung zeigt den Weg auf aus der Armut. Dieser Weg muss jedoch gestützt sein durch den rechtlichen Hebel der Menschenrechte. HEKS fördert und befähigt Menschen, sich eine gesicherte Existenz aufzubauen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Es fördert und befähigt sie aber auch darin, ihre Rechte zu kennen und diese einzufordern.

DIE ENTWICKLUNG LÄNDLICHER GEMEINSCHAFTEN ALS STRATEGISCHER SCHWERPUNKT Um Entwicklung und Menschenrechte wirkungsvoll voranbringen zu können, setzt HEKS auf die Nähe zu den betroffenen Menschen. Zu diesem Zweck arbeitet HEKS in seiner Auslandarbeit konsequent mit lokalen Mitarbeitenden, sei es in den lokalen HEKS-Koordinationsbüros oder mit Partnerorganisationen. Dadurch sind die Projekte bedarfsgerecht, und deren Wirkung ist durch die lokale Verankerung nachhaltiger. Indem HEKS auf der Dorfebene nah bei den Menschen arbeitet, ist der direkte Kontakt zu den Betroffenen gewährleistet. Die Programme können gemeinsam mit diesen und den Partnerorganisationen erarbeitet werden. Dadurch kann HEKS in den Dörfern, im Kleinen, grosse Wirkung entfalten. So heisst denn auch der Titel der HEKS-Sammelkampagne «Im Kleinen Grosses bewirken». HEKS unterstützt ländliche Gemeinschaften weltweit in ihren Bemühungen zur Existenzsicherung und Selbstbestimmung. Ausgangspunkt ist die Sicherung der Grundbedürfnisse Nahrung und Unterkunft. Darauf aufbauend wird Einkommensförderung durch Schaffung von Verdienstmöglichkeiten im ländlichen Produktions- und Dienstleistungsbereich unterstützt. Ländliche Entwicklung wird in den HEKS-Projekten mit den 4


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Phasen Zugang zu Ressourcen, Produktion, Verarbeitung, Vermarktung und Wissenstransfer angestrebt. Als Rahmen der Projekte dient die Umsetzung der Rechte der betroffenen Menschen. Das Ziel ist die grösstmögliche Selbstbestimmung der ländlichen Gemeinschaften. Das HEKS-Modell der Entwicklung ländlicher Gemeinschaften soll mit dem vorliegenden Kampagnendossier vorgestellt werden. Der darin verfolgte ganzheitliche Ansatz berücksichtigt die vielfältigen Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit und legt besonderes Augenmerk auf die Menschenrechtsumsetzung. Gleichzeitig basiert er auf den ausgewiesenen Stärken von HEKS im partizipativen Einbezug von Partnern und betroffenen Gemeinschaften, im direkten Zugang zu diesen und in der lokalen Verankerung der Arbeit, kurz: in der Nähe zu den Menschen. Dadurch und mit seiner ausgeprägten Wirkungsorientierung ist das Modell zukunftsweisend und prägend für die HEKS-Strategie 2008–12.

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Die Situation der ländlichen Gemeinschaften Ein grosser Teil der Menschen, die von bitterster Armut betroffen sind, lebt in den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer. Dass auch die Zahl der armen Menschen in den städtischen Ballungsräumen wächst, liegt daran, dass es auf dem Land viel zu wenig Möglichkeiten gibt, genug zum Leben zu verdienen. Millionen von Kleinbauernfamilien müssen aus ausgelaugten trockenen Böden in unvorteilhafter Lage eine karge Existenz herauswirtschaften. Wem dies nicht reicht, der flieht in die Stadt. Soll die erzwungene Arbeitsmigration in die Städte gestoppt werden, müssen die ländlichen Gemeinschaften gestärkt werden. Dazu leistet HEKS über ausgewählte Partnerorganisationen einen wichtigen Beitrag. HEKS unterstützt über Programme und Projekte die Entwicklung ländlicher Gemeinschaften. HEKS versteht darunter Basisorganisationen, Dorfgemeinschafen, auch politische Gemeinden oder wirtschaftliche Interessengemeinschaften wie Kleinbauern-Kooperativen oder Produzentenverbände. Ob diese Gemeinschaften lose oder straff organisiert sind, spielt eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist, dass sie den Willen dazu haben, ihre Entwicklung aktiv an die Hand zu nehmen. HEKS setzt auf das Potential der Menschen, auf ihre Kreativität und auf ihr Wissen, das es weiter zu entwickeln gilt; etwa landwirtschaftliche Anbaumethoden oder handwerkliche Fertigkeiten bei Web- oder Flechtarbeiten, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Diese Menschen haben die Ausdauer und den Mut dazu, trotz hoher Hürden und schwierigster Umstände gemeinsam an der Verbesserung ihrer Situation zu arbeiten. Mit finanziellen Mitteln, Ausbildungen, Wissensaustausch und Stärkung ihrer Fähigkeiten fördert HEKS, was die ländlichen Gemeinschaften aus eigener Kraft nicht schaffen könnten. Für die Entwicklung der ländlichen Gemeinschaften müssen viele verschiedene Bereiche verbessert werden, zum Beispiel die Infrastruktur, die Gesundheitsversorgung, die Umweltbedingungen usw. Um sich nicht zu verzetteln und um mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen, konzentriert sich HEKS auf die Förderung der Landwirtschaft und des Kleingewerbes im ländlichen Raum.

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DER LÄNDLICHE RAUM ALS STÄTTE DER ARMUT UND DER CHANCEN Ausgangspunkt aller HEKS-Projekte ist die Armut. Ebenso stark wie unter dem physischen Hunger leiden Menschen, die mit einem Dollar oder weniger pro Tag auskommen müssen, unter den sozialen Ungerechtigkeiten. Sie sind an den Rand geModell der Entwicklung ländlicher Gemeinschaften sellschaftlicher Prozesse gedrängt, bekommen nicht die gleichen Chancen wie andere, sind benachKonflikte teiligt beim Zugang zu Bildung, Schulen, Kleinkrediten, Wasser und Katastrophen Land. Sie sind Rechtsungleichheit und Willkür ausgesetzt. Und sie Armut haben keine Lobby, also keine Fürsprecher mit politischem Einfluss. Ihre Armut wird verschärft, manchMarginalisierung mal auch erzeugt, durch bewaffHEKS unterstützt die Entwicklung nete Auseinandersetzungen und ländlicher Gemeinschaften in zwei Wirkungskreisen Umweltkatastrophen. In Katastrophenfällen und Konfliktsituationen leistet HEKS humanitäre Hilfe: Dort geht es als Erstes darum, mittels Nothilfe das kurzfristige Überleben zu sichern. Die Menschen erhalten Nahrungsmittel, Decken, provisorischen Unterschlupf. In einem zweiten Schritt muss gemeinsam mit den Betroffenen die Infrastruktur wieder aufgebaut und das Erwerbsleben wieder in Gang gesetzt werden. Auf dieser Arbeit kann die Entwicklungszusammenarbeit von HEKS in vielen Ländern aufbauen. Sind die unmittelbarsten Grundbedürfnisse der Menschen wie Nahrung und Obdach gewährleistet, geht es darum, eine Entwicklung anzustossen, die langfristig die Existenz der Menschen sichert und ein selbstbestimmtes Leben in Würde möglich macht: Statt verteilt wird investiert, statt zu Empfänger/innen werden die Menschen zu Akteur/innen, die innerhalb der ländlichen Gemeinschaft ihre Zukunft selber mitbestimmen und an die Hand nehmen. Welche Schritte sie dabei verfolgen, ist im «Wirkungskreis der ländlichen Entwicklung» schematisch dargestellt.

Leben in Würde (Existenzsicherung, Selbstbestimmung) für ländliche Gemeinschaften

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Der Wirkungskreis der ländlichen Entwicklung

Wissenstransfer Zu neuen Begünstigtengruppen Vermarktung Marktzugang, Handel, Logistik, Marketing Verarbeitung Früchte, Gemüse, Viehwirtschaft, Veredelung

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Wer über das Niveau der Selbstversorgung hinaus kommen will, braucht ein Einkommen. In ländlichen Gebieten wird dieses erzeugt durch Landwirtschaftsprodukte oder Produkte aus Kleingewerbe bzw. Handwerk. Die langjährigen Erfahrungen aus HEKS-Projekten haben gezeigt, dass es notwendig ist, den Markt zu kennen, bevor etwas hergestellt wird. In vielen Fällen pflanzen Kleinbauernfamilien aber Gemüse oder Früchte an, stellen Körbe oder Stoffe her, ohne zu wissen, wie und wo und wem sie ihre Erzeugnisse verkaufen können. Oft gibt es Zwischenhändler, die ihnen Startkapital vorschiessen und die Ware abnehmen, dies jedoch zu eher ungünstigen Konditionen für die Bauernfamilien. Wer ein Produkt verkaufen will, muss also wissen, was der Markt, d.h. die Kund/innen, verlangen. Diese Nachfrage bestimmt die Qualität des Produkts bzw. die Art und Weise der Herstellung und Verarbeitung. Um produzieren zu können, braucht es aber auch die entsprechenden Ressourcen, nämlich Land, Wasser, Kredite als Starthilfen und das nötige Wissen. Was die ländlichen Gemeinschaften somit benötigen, ist ein ganzheitlicher Ansatz, der alle diese Problemstellungen berücksichtigt, anstatt sie isoliert zu betrachten. HEKS arbeitet deshalb auf der Grundlage des Wirkungskreises der ländlichen Entwicklung, welcher vom Zugang zu Ressourcen über Produktion, Verarbeitung und Vermarktung bis hin zum Wissenstransfer alle relevanten Wirkungskreis der ländlichen Entwicklung Schritte beinhaltet. Die einzelnen Schritte des Wirkungskreises sind als Prozess zu verstehen; sie finden nicht immer Zugang zu Ressourcen nachgeordnet, sondern oft gleichLand, Wasser, Begünstigte: zeitig statt. Eine Bäuerin kann mit Wissen, Mikrofinanz, ländliche Infrastruktur, der Reisauspflanzung nicht warten, Gemeinschaften Rechtsausübung bis sie den Landtitel für ihr Stück Produktion Land erhält, was unter Umständen Landwirtschaft, Kleingewerbe Jahre dauern kann. Aber es ist wichtig, dass die Landbesitzfrage geklärt ist, bevor sie einen grossen Obstgarten anlegt – weil es nämlich passieren kann, dass jemand anders Anspruch auf das Land erhebt, sobald die Ernte reif ist und Einkommen winkt. Der Wirkungskreis der ländlichen Entwicklung setzt sich aus verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette zusammen. Werden alle Stufen berücksichtigt, verbessern sie das Einkommen der Bauernfamilien markant, und den ländlichen Gemeinschaften fliessen Mittel zu, die sie für die Gestaltung ihrer Zukunft brauchen. Ein selbstbestimmtes Leben in Würde ist das Ziel. Für jeden der Schritte sind spezifisches Fachwissen und bestimmte Fähigkeiten notwendig. Durch Ausbildung und Trainings eignen sich die Menschen in den ländlichen Gemeinschaften Kompetenzen an, die sie auch für andere Lebensbereiche brauchen können. Wer zum Beispiel im Landkampf die Gesetze seines Landes kennen lernt, kann auch als Staatsbürger/in bestimmter auftreten. Wer Marktpreise vergleichen lernt,


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profitiert auch als Konsument/in davon. Wer an staatliche Fördergelder zu gelangen lernt, wird von Hilfe aus dem Ausland unabhängig – und wenn eine ländliche Gemeinschaft sicher auf eigenen Beinen steht, kann sich HEKS einer anderen Gemeinschaft zuwenden, die Unterstützung nötig hat. HEKS und seine Partnerorganisationen können nicht in jedem Fall alles abdecken, was es für eine ländliche Entwicklung braucht; deshalb suchen HEKS-Partner gezielt die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren, seien das Behörden, Forschungsinstitutionen, andere Hilfsorganisationen oder wirtschaftliche Unternehmen.

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ZUGANG ZU RESSOURCEN

Der Wirkungskreis ländlicher Entwicklung geht idealtypisch von einem Stufenmodell aus. Erster Schritt und zentrale Grundlage für den Weg in die Selbstbestimmung für die ländlichen Gemeinschaften ist der Zugang zu Ressourcen wie Land, Wasser, 668.325.001 Startkapital und Wissen. In vielen Boden unter den Füssen Ländern ist der Landbesitz für Auch wenn das Land nach Gesetz Kleinbauernfamilien ein grosses den Kleinbauernfamilien gehört, Problem. HEKS unterstützt zum muss es manchmal mit Landbesetzungen und Klagen erkämpft Beispiel Landlose und Kleinbauern werden. HEKS unterstützt auf den darin, ihren Landbesitz zu sichern. Philippinen Bauernorganisationen Das kann die Unterstützung von beim Kampf um ein Stück Land, Landkampfmassnahmen sein, etwa damit sie sich aus ihrem sklavenähnlichen Dasein als Plantagendort, wo es ein Landreformgesetz arbeiter/innen befreien können. gibt, das jedoch nicht umgesetzt ist. Oder es können Bemühungen sein, sich gegen Landraub zu wehren, denen zum Beispiel indigene Be706.335 völkerungsgruppen durch BergbauNie mehr krank vom Trinkwasser firmen ausgesetzt sind. Solange die In der Gegend von Shashemene rechtliche Situation auf wackligen in Äthiopien leiden viele Bewohner/inFüssen steht und jeden Moment der nen an Wachstumsstörungen, Knochenschäden oder FunktionsVerlust des Landes droht, sind Kleinstörungen der Gelenke. Schuld daran bauern wenig motiviert, Zeit und ist der durch vulkanisches Gestein Energie in Neuerungen und langbedingte starke Fluorgehalt des Wasfristige Pläne zu investieren. sers. HEKS stellt Filter aus Knochenkohle zur Verfügung, die das Wasser In der landwirtschaftlichen trinkbar machen und bringt dank Produktion spielt die Wasserverneuer Quellfassungen das Wasser in sorgung eine zentrale Rolle. Wer die Nähe der Dörfer. vom Regen abhängig ist, leidet unter den in letzter Zeit gehäuft auftretenden klimatischen Schwankungen. Aber auch wo Bewässerungssysteme bestehen, sind effizientere Bewässerungstechniken notwendig, die sparsamer mit dem kostbaren Nass umgehen. HEKS unterstützt hier innovative Techniken. 9


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Wer etwas herstellen will, muss zuerst investieren: Saatgut, Stecklinge, Nutztiere, Landwirtschaftsgeräte, Maschinen oder Rohstoffe kosten Geld. Deshalb brauchen die Kleinbauernfamilien oder Kleinstunternehmer/innen Starthilfen in Form von Kleinkrediten. HEKS unterstützt den Aufbau von Spar- und Kreditgruppen, darunter viele Frauengruppen, oder befähigt diese, an staatliche Fördergelder zu gelangen. Den Kleinbauern und Kleinstunternehmerinnen sind die Kredite, die konventionelle Bankinstitute offerieren, meistens verwehrt. Deshalb haben in den letzten Jahren viele Gruppen zu dieser Selbsthilfe gegriffen, die von HEKS unterstützt wird. HEKS achtet dabei immer darauf, dass die ländlichen Gemeinschaften ihren Teil dazu beitragen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitfinanzieren. Wohl einer der wichtigsten Grundstoffe ist das Wissen. Sich Knowhow zu erwerben und Kompetenzen anzueignen, ist der Weg zur 835.346.040 Neue Methoden, bessere Erträge Eigenständigkeit schlechthin. AllerDie Konkurrenz des globalisierten dings sind arme Menschen gerade Marktes und veraltete Anbaumethoauch hier schwer im Hintertreffen. den machen den Bauern im südlichen Honduras das Leben schwer. Deshalb ist Aus- und Weiterbildung Nun schickt jedes Dorf eine Frau in allen Programmen und Projekten und einen Mann als Promotor/innen von HEKS enthalten. Ob Bauernin die Schule, wo sie eine Ausbilfeldschulen oder Alphabetisierungsdung in nachhaltiger Landwirtschaft absolvieren und praxisbezogene kurse, ob Spezialausbildungen wie Kenntnisse erwerben. Als GegenBauern-«Entrepreneurs» oder «Lealeistung tragen sie das Gelernte in derinnen» für Kleinstunternehmen, ihre Dörfer zurück. Nach und nach ob in einmonatigen Trainings oder verbessert sich das Saatgut, vereinfachen sich die Anbaumethoden Wiederholungskursen, von Fachund ergänzen diverse Gemüseleuten erteilt und von Bauern und und Fruchtsorten den traditionellen Bäuerinnen selber an die Nachbarn Anbau von Mais und Bohnen. Die Bauernfamilien haben wieder weitergegeben: Wissen ist die eine Zukunft. wichtigste Ressource und ein grundlegendes Menschenrecht. 764.302 Starthilfen für stabilere Ernten Dank einer selbst verwalteten Sparund Kreditkasse können Frauengruppen Saatgut und Setzlinge für eine nachhaltige ökologische Landwirtschaft erwerben. Ohne chemische Hilfsmittel und mit natürlicher Schädlingsbekämpfung gedeiht das Gemüse in ausreichender Menge, so dass Überschüsse auf dem lokalen Markt verkauft werden können.

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PRODUKTION

HEKS-Partner haben sich im Bereich der Produktion ein enormes Wissensreservoir angelegt, sowohl in der Landwirtschaft als auch im gewerblichen Bereich. Nun gilt es, dieses Wissen dafür zu nutzen, dass die Anbaumethoden optimiert und die Ernten qualitativ und quantitativ 10


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verbessert werden, dass die Produktionspalette verbreitert und gleichzeitig die Umwelt geschont werden kann. HEKS fördert und unterstützt eine Landwirtschaft, welche die Biodiversität und die Produktion von traditionellem Saatgut fördert. Sie verzichtet weitgehend auf chemische Hilfsstoffe, bekämpft die Schädlinge mit natürlichen Methoden und arbeitet mit Kompost, um dem Schutz und der Pflege des Bodens Sorge 610.400.306 zu tragen und so das ökologische Ökologischer Anbau Gleichgewicht zu erhalten. In diezahlt sich aus sen Anbaumethoden ist auch tradiDank nachhaltiger Produktion haben tionelles Bauernwissen enthalten, sich Reisbauern in Bangladesch aus Abhängigkeit und Verschuldung doch gerade im organischen Landlösen können. Gemeinsam entwibau braucht es neben der Fördeckeln sie Saatgut, das den lokalen rung vor allem auch Forschung. Gegebenheiten angepasst ist und HEKS unterstützt an verschiedenen verwalten dieses in Saatgut-Banken. In den Kanälen der Reisfelder züchOrten Innovationen wie zum Beiten sie Fische, ums Haus pflanzen spiel die neue Reisanbaumethode sie Bäume und halten Nutztiere. «System of Rice Intensification». In Durch Kompostierung und natürliche Schädlingsbekämpfung kommen sie diesem Bereich treten Bauern und nun ohne chemische Dünger aus Bäuerinnen als die Forschenden und haben auch dann noch zu essen, neben studierte Fachleute. Das wenn eine Ernte schlecht ausfällt. Wissen beider, der langjährigen Praktiker wie der Wissenschaftler der Universitäten oder Forschungsinstitute, bringt alle weiter. Der Einbezug der Bäuerinnen und Bauern in Projekte und Planung der Produktion garantiert auch, dass die lokalen Gegebenheiten, der kulturelle Kontext, die klimatischen Bedingungen und das ökologische Umfeld die nötige Beachtung erhalten. 825.341 In der gewerblichen ProFrauen sorgen duktion ist die Ausbildung von für Zusatzeinkommen grosser Bedeutung. Dabei müssen Familien mit zu kleinen Landparzellen einerseits handwerkliche Fertigsind auf zusätzliche Einnahmequellen angewiesen. Einige werden zu Dorfkeiten gelernt werden, etwa das bäcker/innen, andere züchten SetzSchmiedehandwerk oder Velolinge und Jungpflanzen zum Verkauf. reparaturen, anderseits auch unterIm Ixcàn, Guatemala, produzieren die nehmerische, wie man ein KleinstFrauen Shampoo und Seife, züchten Schweine und Hühner oder bringen unternehmen führt, eine BuchhalEier und Honig zum Verkauf. tung erstellt, die richtigen Preise Die Männer sind oft wochenlang von eines Produktes berechnet, Rohzuhause weg, und die Frauen müssen selber für ein Auskommen sorgen. stoffe einkauft und einen Businessplan erstellt. Diese Kenntnisse sind immer notwendig, ob nun Gebrauchsgegenstände oder Kunsthandwerk oder Bekleidung hergestellt oder Dienstleistungen angeboten werden. HEKS unterstützt sowohl die Aneignung der notwendigen Fertigkeiten als auch den Erwerb des betriebswirtschaftlichen Wissens. 11


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812.333 Mit Phantasie zu neuer Kundschaft «Die emsigen Bienen von Mãe do Rio» werden die Bienenzüchterinnen der Frauengruppe Nova Esperança von ihren Männern liebevoll genannt. Sie leben mitten im brasilianischen Amazonasgebiet und haben dank Ausbildung und Ausrüstung zur Honiggewinnung einiges erreicht: Über zwei Tonnen Honig konnten letztes Jahr auf dem regionalen Markt für gutes Geld verkauft werden. Bereits spielen sie mit dem Gedanken, eine kleine Fabrik zu bauen und aus dem Honig wertvolle Tinkturen herzustellen.

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VERARBEITUNG

In vielen Fällen hat sich gezeigt, dass die Produktion in der Landwirtschaft von den Familien allein verantwortet wird. Hingegen werden Verarbeitung und Vermarktung viel sinnvoller gemeinsam organisiert. Kooperativen oder Produzentinnengruppen verfügen über ein grösseres Produktionsvolumen, was Marktvorteile bringt. Und sie können das Risiko auf mehrere Köpfe verteilen. HEKS unterstützt viele Kooperativen in ihren Bemühungen, ihre Produkte zu verbessern. Sie müssen den gängigen Hygienevorschriften entsprechen; für den Marktauftritt ist die Qualität entscheidend. Bio-Reis zum Beispiel hat einen Marktvorteil, wenn er gleichzeitig auch einen guten Geschmack hat. Verarbeitete Produkte bringen den Kooperativen oder Produzent/innenGruppen bessere Preise: für Ananas-Saft erhalten sie mehr als für die rohen Ananas. Für sauber gewaschene und adrett arrangierte Kohlköpfe zahlen die Konsument/innen mehr als für Rüben, an denen noch die Erde klebt. Mit verarbeiteten oder Halbfertigprodukten lassen sich bessere Preise erzielen, die den Produzent/innen-Gruppen zugute kommen und wiederum neue Investitionen erlauben. HEKS unter716.321 Die Qualität muss stimmen stützt sie auch darin mit Aus- und Für die Frauen in der Provinz Weiterbildung. Kleinproduzent/inNahouri, Burkina Faso, ist die Hernen lernen neue Verarbeitungsstellung und der Verkauf von Karité-Butter eine wichtige Einkommethoden kennen und eignen sich mensquelle. Die Butter wird aus der neue Techniken an. In der gewerbNuss des Sheabaumes gewonnen lichen Produktion bringen Trainings und für die Hautpflege verwendet. verfeinerte Abläufe und führen dazu, Zu kleinen Kugeln geformt, wird sie auf den lokalen Märkten verkauft. dass Design, Farben und Formen HEKS unterstützt die Frauen dabei, den Kundenwünschen entsprechen. die Qualität und Lagerung zu verEine sorgfältige Verarbeitung bessen und Investitionen für die ist aber nicht nur für Produkte von Produktion von grösseren Mengen zu tätigen. Vorteil, die auf den lokalen Märkten verkauft werden sollen. Auch für die eigene Versorgung bringt sie Gewinn: bessere Zubereitungsarten, sichere Lagerung und Konservierung von Nahrungsmitteln minimieren das Verderben der Ernte. Eine Studie hat ergeben, dass ein Drittel der Nahrungsmittel nach der Ernte verloren geht, verdirbt oder von Ratten und Mäusen gefressen wird. Wo Nahrung knapp ist, sind haltbare Nahrungsmittel und sichere Vorratsspeicher ein Segen. 12


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VERMARKTUNG

Wer hierzulande Markt und Handel sagt, denkt oft an Export und weltweiten Handel. Dieser ist jedoch nur für ganz wenige Gruppen von Kleinbauernfamilien in Entwicklungsländern möglich. Viel häufiger liegen die erreichbaren Märkte im nächsten Dorf, in der Provinz- oder Landeshauptstadt. Aber auch diese Marktplätze müssen hart erarbeitet werden. Um die Produkte sach- und fachgerecht absetzen zu können, brauchen die Kooperativen und Kleinproduzent/innen-Gruppen Kenntnisse 830.314 Gemeinsam auf die Märkte über Marktmechanismen und Haiti, immer wieder von Hurricans Vermarktungsfragen. HEKS bietet heimgesucht, muss die meisten auch hier Unterstützung. Nahrungsmittel importieren. Einheimische Produkte finden guten Am meisten Chancen haben Absatz, wenn sie in der gewünschten die Produkte der KleinbauernQualität auf den Markt gelangen. familien in Marktnischen. Mit den Dazu müssen sich die landwirtschaftMainstreamprodukten, die durch lichen Genossenschaften neu organisieren und Kenntnisse in Marketing den globalisierten Handel und mit und Qualitätssicherung aneignen. kräftigen Subventionen aus reichen Erst dann können Kaffee, Orangen Staaten eingeführt werden, können und Mangos gewinnbringend versie kaum konkurrieren. Eine Reiskauft werden. sorte aber, die lange als verschwunden galt und Kindheitserinnerungen weckt, wird freudig gekauft, wie das Beispiel aus einem HEKS-Projekt zeigt. Essiggemüse aus eigenen Tomaten, Gurken und Auberginen, lassen sich absetzen, wenn sie noch mit spezifischen Kräutern aus der Gegend gewürzt sind. Wer eine Stufe höher gehen will, muss sich um Preisberechnungen, Marktstudien, Rentabilität kümmern. HEKS-Partner bieten auch hier Lehrgänge an. Bevor ein grösseres Volumen erzeugt wird, muss man die Nachfrage kennen. Geschmack, Form, Farbe und Menge sind diesbezüglich entscheidende Faktoren. Verfügen die Kooperativen und Kleinproduzent/innen-Gruppen 918.023 über diese Marktkenntnisse, verHandwerk kommt gut an bessert sich ihre VerhandlungsDie Bergregion Swanetien (Georgien) position gegenüber den Käufer/inist im Winter oft von der Umwelt abnen. Idealerweise werden die Eingeschnitten. Doch im Sommer kommen die Touristen und damit eine willkomkünfte wiederum in die Entwicklung mene Erwerbsquelle für die Bergbauder ländlichen Gemeinschaften inern. Kleinkredite ermöglichen ihnen vestiert. die nötigen Investitionen in Werkzeug HEKS unterstützt wenn mögund Rohstoffe. Im selbstverwalteten Laden des Dorfes Mestia, ein Muss für lich die vorteilhafte Vermarktung alle Swanetien-Touristen, verkaufen von kleinbäuerlichen Produkten, in die Einheimischen ihr Handwerk: der lokalen Vermarktung, in der VerKüchenutensilien und Stühle mit Holzschnitzereien, Teppiche, Strickwaren marktung als Bio-Produkte und in oder traditionelle Musikinstrumente. der Vermarktung über Kanäle des Fairen Handels. 13


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WISSENSTRANSFER

In all diesen Schritten, die im «Wirkungskreis ländlicher Entwicklung» beschrieben sind, erwerben sich Männer und Frauen Wissen und Kenntnisse, die sie nicht für sich 668.325.005 behalten wollen. Mit Austausch, Praxis und Wissenschaft, gezielt vermittelten Trainings oder Hand in Hand Ausbildung von «Leaderinnen» Die Reisanbau-Methode «System of fördert HEKS den Wissenstransfer. Rice Intensification» wird auf der Insel Negros seit über 5 Jahren angeDabei kommen verschiedene Mewandt, mit Erfolg: Ein Zehntel der thoden zur Anwendung: Im Dorf im konventionellen Landbau verwenlernen Bauern und Bäuerinnen deten Saatgut-Menge und wenig voneinander, sie besuchen ModellWasser reichen aus, um bis zu 8,5 Tonnen Reis pro Hektare zu erfarmen oder Bauernfeldschulen. wirtschaften. Das ist rund dreieinhalb HEKS verbindet sie auch mit Formal so viel wie im konventionellen schungsinstitutionen vor Ort. HEKS Reisanbau. Die Bauern und Bäuerinnen als langjährige Praktikerinnen und die Partnerorganisationen anaeinerseits und die Wissenschaftler lysieren die Ergebnisse der Aktivitäder Universitäten anderseits arbeiten ten und verfolgen genau, ob die zusammen und erzielen Erfolge, Aktivitäten die gewünschte Wirdie allen etwas bringen. kung zeigen. Diese Erkenntnisse werden ländlichen Gemeinschaften zurückgemeldet. Auf internationaler Ebene tauschen sich die HEKS-Verantwortlichen untereinander und mit den Partnerorganisationen zu verschiedenen Themen aus, die für die Entwicklung ländlicher Gemeinschaften relevant sind. Die lokalen Koordinationsbüros, die HEKS in den Schwerpunktländern führt, sind die Motoren dieses Wissenstransfers. Sie bringen gezielt Menschen mit bestimmten Sachkenntnissen zusammen, orga934.303 Sprung in die Selbständigkeit nisieren Weiterbildungen und verMit Unterstützung von HEKS haben fassen Dokumente, die wiederum in den neunziger Jahren viele einem erweiterten Leserkreis zurumänische Landwirte den Sprung in die Selbständigkeit geschafft. gänglich gemacht werden. So wird Auch Käsereien, Metzgereien und es HEKS möglich, die vielen ErfahBäckereien sind entstanden. rungen, die im Laufe der Zeit geJetzt kommen ihre Erfahrungen den sammelt werden, in den WirkungsBerufskollegen im armen Nachbarland Moldau zugute. Diese besukreislauf einzubauen und diesen so chen verschiedene Bauern- und zu verbessern. Gewerbebetriebe und erfahren von Berufskollegen Wissenswertes über Viehhaltung, Fütterung, Hygiene, Verarbeitung und Vermarktung. Quark und Käse zum Beispiel finden in der Republik Moldau guten Absatz und geben den Bauernfamilien wieder eine stabile Lebensgrundlage.

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Die Menschenrechte und die nationalen Rechte als Grundlagen Im Wirkungskreis der ländlichen Entwicklung steht die Produktion von Gütern im Vordergrund. Wer für sich ein ausreichendes Einkommen erwirtschaften kann, der findet aus der Armut heraus. Aber HEKS verkennt nicht, dass Armut nicht nur ein Produktionsproblem ist, sondern sehr stark auch ein soziales und politisches Problem. Mit dem Menschenrechtsansatz trägt HEKS dieser Erkenntnis Rechnung. Entwicklungszusammenarbeit und Menschenrechte verfolgen die gleichen Ziele: allen Menschen ein Leben in Würde zu ermöglichen. Internationale Menschenrechtsdokumente definieren, was zu einem Leben in Würde gehört. HEKS-Programme und -Projekte arbeiten mit einem Menschenrechtsansatz. Was das bedeutet, ist im «Wirkungskreis der Menschenrechtsumsetzung» grafisch dargestellt. In diesem Wirkungskreis steWirkungskreis der Menschenrechtsumsetzung hen sich zwei Seiten gegenüber, die beide aktiv an der Umsetzung Internationale der Menschenrechte beteiligt sind: Menschenrechtsverträge einerseits die Regierenden, die Definieren ein Leben in Würde für alle Menschenrechtsverträge unterschrieben haben, anderseits die Menschen, denen die Verträge bestimmte Rechte zugestehen. Die Regierenden haben mit ihrer Menschen mit Unterschrift unter die Menschenihren Rechten rechtsdokumente versprochen, in Kennen die ihnen zustehenden ihrem eigenen Land alles zu tun, Rechte und wissen um die Menschenrechte zu respekdiese einzufordern tieren, zu schützen und zu gewährleisten. Das heisst, dass sie die nationale Verfassung und Gesetzgebung ihres Landes entsprechend gestalten müssen, denn nur so werden die Menschenrechte verbindNationale Verfassung und Gesetzgebung lich und einklagbar. Auf der andern Machen die Menschenrechte Seite des Wirkungskreises stehen vor Gericht einklagbar die Menschen mit ihren Rechten, die allen gleich zustehen, ob Frau, Mann oder Kind, gleich welcher Herkunft und Hautfarbe. In allen Ländern dieser Erde sind Defizite in der Menschenrechtsumsetzung zu verzeichnen, allerdings in unterschiedlichem Grad. Die Menschenrechte werden nur erfüllt, wenn sich die Zivilbevölkerung aktiv dafür einsetzt. Es ist ihr gutes Recht, aber auch ihre Pflicht, sich zu informieren und mit geeigneten Massnahmen einzufordern, was ihnen verwehrt wird. Mit dem Menschenrechtsansatz stellt HEKS die Entwicklungsprojekte in den grösseren Rahmen der Menschenrechte. Im Alltag heisst dies, dass die HEKS-Partner genau analysieren, wer und was die Entwicklung behindert und wo angesetzt werden muss, um an die Wurzeln des

Regierungen mit ihren Pflichten Anerkennen die Menschenrechte, respektieren, schützen und gewährleisten sie

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Problems zu gehen. Gemeinsam mit den betroffenen Menschen werden Projekte so geplant, dass sie Armut nachhaltig beheben. Nicht immer liegt es am fehlenden Willen der Regierenden, wenn Entwicklung versagt. Länder wie Kambodscha, Niger oder Bangladesch sind schlicht zu arm, um dies aus eigener Kraft leisten zu können. Deshalb braucht es Entwicklungszusammenarbeit. In diese gemeinsamen Bemühungen sind auch Politiker und Beamte einbezogen, welche die gleichen Ziele wie die HEKSProgramme verfolgen. Gerade auf lokaler Ebene, in Dörfern oder Provinzen, findet man engagierte Männer und Frauen der Öffentlichen Hand, mit denen kooperiert werden kann. Im Wirkungskreis der Menschenrechtsumsetzung stehen sich Regierungen und Bevölkerung also nicht als Gegenpole gegenüber, sondern eher wie die beiden Seiten einer Waage, die eine gute Balance bilden sollten. Stimmt diese Balance nicht, unterstützt HEKS die Bevölkerung mit Rechtsberatung, damit sie die Handlungen oder Unterlassungen der Regierenden verfolgen und Rechenschaft verlangen kann, wo Fehler oder Missbräuche geschehen.

DIE VERKNÜPFUNG DER BEIDEN WIRKUNGSKREISE Die Menschenrechte sind der grössere Rahmen, in den HEKS die ländliche Entwicklung stellt. Beide bedingen und ergänzen sich. Beide stehen auf dem Boden des Rechts und nehmen pointiert Stellung für benachteiligte Menschen. Die ländliche Entwicklung gibt ihnen die Chance, aus eigener Kraft Entwicklung ländlicher Gemeinschaften in zwei Wirkungskreisen aus der Armut herauszufinden. Die Menschenrechte sind der Internationale Hebel, gegen Ungerechtigkeit Menschenrechtsverträge vorzugehen. Um die Entwicklung Definieren ein Leben in Würde für alle ländlicher Gemeinschaften umfassend anzugehen, sind der Einbezug und die Teilnahme der armen Menschen genauso wichtig wie der WissensDialog mit Behörden oder Regietransfer Regierungen mit Menschen mit renden, der meistens auf lokaler ihren Pflichten ihren Rechten Ebene stattfindet. Um auf nationaVerZugang Begünstigte: Anerkennen die Kennen die ihnen markzu Resländliche Menschenrechte, zustehenden ler Ebene etwas zu erreichen, hilft tung sourcen Gemeinrespektieren, Rechte und wissen ihnen die Vernetzung untereinanschaften schützen und diese einzufordern gewährleisten sie der dabei, den nötigen Druck aufVerarbeitung Produktion zubauen. Eine menschenwürdige Existenz braucht ein Mindestmass an finanzieller Unabhängigkeit, aber auch Rechtssicherheit und Schutz Nationale Verfassung und Gesetzgebung vor Willkür. Beides muss erfüllt sein, Machen die Menschenrechte damit die Entwicklung ländlicher vor Gericht einklagbar Gemeinschaften möglich wird. 16


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HEKS IN BANGLADESCH

Ganzheitlicher Ansatz gegen die Armut Bangladesch ist eines der ärmsten Länder der Welt. In den ländlichen Gebieten leben viele Kleinbauernfamilien in bitterer Armut. Sie schaffen es nicht, angesichts widriger Umweltbedingungen oder einem Kreislauf von Abhängigkeiten und Verschuldung einen Weg aus der Armut zu finden. Auch jene Familien, die neben ihrer landwirtschaftlichen Arbeit noch in der Weberei tätig sind, können aus eigener Kraft keine gesicherte Existenz aufbauen. HEKS unterstützt diese ländlichen Gemeinschaften mit einem ganzheitlichen Ansatz: Der gesamte Produktionsablauf vom Zugang zu Ressourcen über Produktion und Verarbeitung bis hin zur Vermarktung wird unterstützt und gefördert. Zudem gewährleistet die Weitergabe des Wissens an neue Gemeinschaften die Nachhaltigkeit der Projekte und erhöht deren Wirkung. Der Wirkungskreis der ländlichen Entwicklung zeigt sich hier beispielhaft.

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ZUGANG ZU RESSOURCEN

Im Herzen des Reisanbaus in Bangladesch, in der Saatgutbank der HEKSPartnerorganisation UBINIG in Tangail, wird Reis erforscht, gezüchtet, angebaut und verteilt. Es sind mehr als 2600 Sorten dokumentiert. Jede hat ihre speziellen Eigenschaften. Die einen geben mehr Ertrag, andere sind widerstandsfähiger bei Überschwemmungen, wiederum andere sind nährstoffreicher. Der Zugang zu diesem Wissen ist für die Kleinbauern eine wichtige Ressource. Durch die Schulung sind sie in der Lage zu entscheiden, welche Reissorten für ihre Bedürfnisse am besten geeignet sind. Gleichzeitig werden sie unabhängig von teuren importierten Reissorten. HEKS unterstützt die Ausbildung und Beratung der kleinbäuerlichen Gemeinschaften in insgesamt 700 Dörfern und fördert somit etwa eine Million Menschen in ihren Bemühungen zur Ernährungssicherung durch ökologische und traditionelle Landwirtschaft.

Im Weberei-Zentrum von UBINIG in Tangail wird die nachhaltige, ökologische und traditionelle Produktionsweise auch im Textilbereich geschult und praktiziert. Vor allem Mädchen und Frauen werden ausgebildet und angestellt. Nach Tradition sind es in Bangladesch die Männer, die weben; den Frauen ist das Spinnen vorbehalten. Durch die Arbeit als Weberinnen erhalten Frauen einen höheren sozialen Status und bessere Einkommensmöglichkeiten. Im HEKS-Programm kommen 64 Dörfer mit insgesamt etwa 50 000 Menschen in den Genuss von Ausbildung und Beratung in nachhaltiger Weberei.

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PRODUKTION

Mit Ausbildung und Beratung unterstützt HEKS über seine lokale Partnerorganisation UBINIG die Menschen in biologischer Landwirtschaft auf der Basis von traditionellem Wissen. Das heisst, dass im Reisanbau kein Kunstdünger, keine Pestizide oder importierte, genmanipulierte Reissorten verwendet werden. Stattdessen wird auf die einheimischen Stärken gesetzt, um dem harten Klima mit Hitze, Monsun, Wirbelstürmen und Überschwemmungen zu trotzen. Bereits haben sich dem Projekt mehr als 200 000 Bauernfamilien angeschlossen.

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VERARBEITUNG

Ziel der HEKS-Projekte ist immer die Unabhängigkeit von fremder Hilfe. HEKS bekämpft Abhängigkeiten, welche durch teure Landwirtschaftsmaschinen entstehen können. Oft verschulden sich die Bauern beim Kauf, können sich die Ersatzteile oder den Treibstoff nicht leisten und sind abhängig vom Knowhow der Mechaniker oder Händler. So setzt HEKS auch in der Verarbeitung des Reises auf traditionelles Wissen und Stärken der Lokalbevölkerung. Das Reis wird mit einer manuellen Dheki-Anlage geschält, einer Art Schlagbaum, der durch zwei Frauen jeweils hochgehoben und auf das Reis fallen gelassen wird, während eine dritte Frau das Reis in schnellen Bewegungen unter die Anlage schiebt oder wegbefördert.

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HEKS fördert auch die nachhaltige Weberei. Zum Färben werden nur natürliche Rohstoffe verwendet, die ökologisch unbedenklich sind. In einem Sud aus Kokosnuss- oder Zwiebelschalen, Tee, Mahagari oder Lotus wird die Baumwolle erhitzt und danach zum Trocknen ausgehängt. Das Spinnen zu Garn geschieht in Heimarbeit und bringt zahlreichen Familien ein Zusatzeinkommen.

Tradition wird auch in der Weberei gross geschrieben. Statt industriell gefertigte Muster im Stil der indischen Massenkultur des «Bollywood»-Films fördert HEKS traditionelle lokale Muster und Stickereien, so genannte «Nakshi Buti». Diese werden in den Dörfern von Generation zu Generation weitergegeben, aber auch von den Weberinnen selber weiterentwickelt. Im Rahmen der Schulungen und Beratungen im WebereiZentrum tauschen die Weberinnen die Motive untereinander aus und geben ihre Erfahrungen weiter. Sie orientieren sich dabei nicht nur an den Überlieferungen, sondern auch an den Verkaufsmöglichkeiten. So werden Tradition, Modetrends und Marktchancen in Einklang gebracht.


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VERMARKTUNG

Die biologische Landwirtschaft auf der Basis von traditionellem Wissen lohnt sich gleich mehrfach: Einerseits ist die Produktion nachhaltiger und befreit die Bauern von langjährigen Abhängigkeiten. Anderseits dient sie als Grundlage für die Vermarktung der Produkte. So gehört zum Projekt die Zertifizierung von Dörfern, welche die Grundsätze der nachhaltigen, ökologischen und traditionellen Landwirtschaft befolgen. Wenn mehr als 80 Prozent der Bauern nach diesen Grundsätzen arbeiten, wird das Dorf als «Nayakrishi» zertifiziert. Die Zertifizierung ist ein wichtiges verkaufsförderndes Argument.

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Wie in der Landwirtschaft können sich die Dörfer auch in der Weberei zertifizieren lassen. Wenn sich mehr als 80 Prozent eines Dorfes an diese Produktionsweise halten, wird das Dorf als «Nakshi Buti» zertifiziert. HEKS unterstützt und schult über UBINIG die Weberfamilien nicht nur in Produktion und Design, sondern auch in der Vermarktung. In Phasen mit sehr niedrigem Preisniveau nimmt UBINIG die Stoffe zu garantierten Mindestpreisen ab und verkauft die fertigen Produkte in einem eigenen Laden in der Hauptstadt Dhakka.

WISSENSTRANSFER

Einmal im Monat kommen alle Saatgutverantwortlichen aus den beteiligten Dörfern in die zentrale Saatgutbank. Hier bilden sie sich weiter, beraten Probleme und tauschen sich untereinander aus. Sie bringen auch neue Reissorten der Bauern aus den Regionen mit. Dadurch entsteht ein kreativer Austausch zwischen Zentrale und lokalen Ablegern. Die Bauern können neues Saatgut aus der Saatgutbank verwenden, müssen aber dafür auch wieder neue Samen zurückbringen. Sie nehmen das Wissen mit in ihre Dörfer und geben es an die örtlichen Kleinbauern weiter. So geht das Wissen nicht nur von der Zentrale in die Dörfer, sondern auch von Dorf zu Dorf und von den Dörfern in die Zentrale zurück.

Durch die Auseinandersetzung mit den eigenen Traditionen, den Austausch von Farben, Mustern und Stickereien untereinander und die Orientierung an Modetrends findet ein Wissenstransfer unter den Weberinnen statt, der sich auch auf die Zulieferer der Rohstoffe und Materialien ausweitet. Dadurch verbessern sich die Marktchancen für die lokalen Produkte, und das Projekt zieht weitere Kreise.

Nachhaltige Weberei durch Nakshi Buti und nachhaltige Landwirtschaft durch Nayakrishi sind zwei Pfeiler der Entwicklung ländlicher Gemeinschaften in Bangladesch, die eng miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt sind. Das HEKS-Programm kann durch den ganzheitlichen Einbezug der Lebensumstände der Menschen, von denen die meisten nicht nur Kleinbauern oder Weberinnen sind, sondern beides gleichzeitig, eine grössere Wirkung entfalten. 19


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