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WIR HABEN NUR NOCH SIEBEN JAHRE

© unsplash.com@markusspiske

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Ein Start-up verbindet Wissenschaft und Klimaziele

Das Frankfurter Start-up right. based on science unterstützt Unternehmen beim Klimaschutz und zeigt, dass wissenschaftlich fundierte Arbeit ein Geschäftsmodell sein kann. ›› Text: Jürgen Mai

„iPhone 12 ohne Ladegerät und Kopfhörer – so spart Apple jährlich zwei Millionen Tonnen CO2“. Nachrichten wie diese sind für right. based on science eine willkommene Gelegenheit, um die eigene Start-up-Story zu erzählen und zu erläutern, warum der Transparenz zum Thema Klimaschutz mit dem selbst entwickelten XDC-Modell mehr geholfen ist als mit abstrakten CO2-Zielen. Dabei genügen zum Einstieg wenige simple Fragen: Zwei Millionen Tonnen CO2-Vermeidung von einem Technologie-Riesen wie Apple – ist das viel oder wenig? Hilft das dem Klimaschutz? Kommt die Menschheit damit dem sogenannten 1,5-Grad-Ziel näher, also die globale Erwärmung auf weniger als 1,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen? Man merkt schnell: Solche Formulierungen klingen natürlich gut, sie machen aber auch ratlos. Man kann sie nicht einordnen. Es fehlt die Vergleichbarkeit. Geht das nicht griffiger? „Wir brauchen etwas, das auf der einen Seite klar und verständlich ist, auf der anderen Seite der Komplexität der Klimawissenschaft gerecht wird“, erläutern Hannah Helmke und Sebastian Müller. 2016 haben die beiden deshalb right. based on science gegründet und das XDC-Modell entwickelt. XDC steht für „X-Degree Compatibility“. Es basiert auf drei Fragen: Wie viele Emissionen generiert ein Unternehmen, um eine Million Euro Bruttowertschöpfung zu erreichen? Darauf aufbauend: Wie viele Emissionen würden entstehen, wenn die gesamte Weltwirtschaft ebenso emissionsintensiv wäre? Und zum Abschluss: Wie stark würde sich die Erde dadurch bis 2050 voraussichtlich erwärmen? Das Modell setzt also die Emissionsintensität eines Unternehmens ins Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistung und verschränkt BWL und Klimawissenschaft. Der besondere Clou aber ist das Ergebnis. Denn das ist keine seitenlange Abhandlung, sondern eine Zahl in Grad Celsius. Mit ihr weiß das untersuchte Unternehmen: Wenn alle Welt so wirtschaften würde wie wir selbst, würde sich das Klima um X Grad Celsius erwärmen. Und durch den Abgleich mit einem Zielwert, der

für jeden Sektor individuell angepasst ist, wird sehr klar, ob man mit Blick auf das 1,5-Grad-Ziel auf der richtigen Seite steht oder nicht. Müller hat Jura studiert, Helmke Psychologie und Wirtschaft. Während ihres Studiums hörte sie einen Vortrag zur Kohlenstoffblase, der sie seitdem nicht mehr losgelassen hat. Bei der Kohlenstoffblase geht es um Folgendes: Wenn die Menschheit das 1,5-Grad-Ziel erreichen möchte, so ist dafür nur noch eine gewisse Menge an CO2 erlaubt. Betrachtet man jedoch die Menge an CO2, die die großen Unternehmen dieser Welt in ihre Bilanzen und Geschäftsmodelle eingepreist haben, so ist diese um ein Vielfaches zu hoch. Die Folge: Irgendwann platzt die Blase und es kommt zu einer massiven Korrektur der Unternehmensbewertungen. Das Thema fasziniert die beiden Gründer, die Arbeiten am XDC-Modell beginnen, die Idee für right. based on science wird geboren. 2016 wagen Helmke und Müller den Schritt in die Selbständigkeit, heute sitzt ihr Unternehmen für Klimametriken und Software in einem Loft im Frankfurter Osthafen. Das Start-up ist der Beleg, dass vermeintlich trockene wissenschaftliche Modelle dazu geeignet sein können, Geld zu verdienen und sich selbständig zu machen. Warum Frankfurt? Es ist die Nähe zum Finanzmarkt, die zu dieser Entscheidung führt. right. based on science versteht sich als Übersetzer zwischen Finanzwelt, Klimaschutz und Unternehmen. „Jedes dieser Systeme spricht eine andere Sprache. Durch die permanenten Übersetzungen geht Zeit verloren. Zeit, die die Menschheit nicht hat. Wir haben nur noch sieben Jahre, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen“, so das Gründerduo. Insgesamt arbeiten mittlerweile rund 30 Menschen für right. based on science. Das Start-up wächst, mehr und mehr Unternehmen und Finanzmarktakteure nutzen das XDC-Modell, darunter zum Beispiel die Continental AG und Sanofi. Für Aufsehen sorgt das Startup im November 2019 mit dem #Whatif-Report. Er analysiert die Klimaziele der DAX-Unternehmen und kommt zu dem Ergebnis: Zwei Drittel der DAX-Konzerne scheitern mit ihren Bemühungen an den Klimazielen. Auch mit Hochschulen arbeitet das Unternehmen eng zusammen. Unter dem Motto „right.open“ steht der Quellcode für wissenschaftliche Projekte frei zur Verfügung. Knapp 20 Hochschulen nehmen dieses Angebot bereits wahr und in diesem Kontext erscheinen immer wieder Forschungsarbeiten. So hat eine Master-Arbeit an der TU Darmstadt das XDC-Modell auf die Immobilienwirtschaft und Gebäude übertragen. „Wir finden das so vielversprechend, dass wir jetzt gemeinsam mit Partnern aus der Immobilien- und der IT-Branche an der Weiterentwicklung und Umsetzung einer ‚XDC for Real Estate‘ arbeiten“, sagt Helmke. Auch die Frankfurt School ist dabei. Dort nahm eine Gruppe von MBA-Studierenden 30 der weltweit größten unternehmerischen TreibhausgasVerursacher unter die Lupe. Sie recherchierten und quantifizierten die öffentlich kommunizierten Klimaziele der Unternehmen. Dann nutzten sie das XDC-Modell, um zu kalkulieren, mit wieviel Grad Celsius Erderwärmung das Unternehmen im IstZustand vereinbar ist und wie sich dieser Wert verändert, wenn der Konzern das selbst gesetzte Klimaziel erfüllen würde. Das Ergebnis: In den meisten Fällen reichten die Klimastrategien noch nicht aus, um Emissionen ausreichend zu reduzieren und das Pariser Klimaziel einzuhalten. Auf Ankündigungen wie jetzt von der Frankfurt UAS, bis 2030 klimaneutral sein zu wollen (siehe Infokasten auf dieser Seite), reagiert right. based on science zurückhaltend. Denn aus dem Hochschulsektor liegen schlicht noch nicht genügend Emissionsdaten vor, um das Modell dort belastbar einsetzen zu können. Aber dann doch so viel: „Wir finden es immer sinnvoller, wenn es nicht allein bei einem weit entfernten Ziel bleibt, sondern dazu auch eine jährliche Reduktion angepeilt wird. Das hilft dem Klima viel mehr“, so Helmke. Bleiben noch zwei Fragen: Warum heißt das Unternehmen eigentlich right.? Helmke lacht: „Weil wir es richtig machen möchten.“ Und was ist nun mit Apple und seinen neuen Verpackungen beim iPhone 12? Die angekündigten CO2-Einsparungen hat right. noch nicht analysiert, aber den XDCWert für Apple schon einmal berechnet. Das Ergebnis: 1,5 Grad.

Nachhaltigkeit an UAS und Goethe-Uni

Die Frankfurt UAS hat in Sachen Nachhaltigkeit viel vor. Bis Ende 2022 soll eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet werden. Ziel der Hochschule ist es, bis 2030 CO2-neutral zu werden und Professuren für Nachhaltigkeit in jedem Fachbereich zu implementieren. Zudem soll ein „Green Office“ entstehen, um Ideen zu entwickeln, mit denen Nachhaltigkeit in Lehre, Forschung, Transfer sowie in Betriebsabläufen strukturell verankert werden. Deutlich weniger konkret ist die Goethe-Universität, die sich bislang auf eine umfangreiche Beispielliste mit Projekten und Initiativen beschränkt, ohne strategische Klammer.

Hannah Helmke und Sebastian Müller. Gründer von right. based on science.x ›› right-basedonscience.de