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ARTUR SCHROERS

DEN FRANKFURTER WEG WEITERENTWICKELN Artur Schroers – neuer Leiter des Drogenreferates Frankfurt

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Szenegastronomie, Rotlichtviertel, Drogen … Das Frankfurter Bahnhofsviertel stellt für viele Menschen ein Ärgernis dar, Vermüllung und das Elend der ca. 300 schwerstabhängigen Menschen, die sich vor allem im Bereich Mosel-/Elbestraße aufhalten, zeigen ein anderes Bild der Bankenstadt. Seit Corona hat sich die Situation noch verschlimmert, Medien sprechen reißerisch von Elendstourismus. Das in den Griff zu bekommen ist eine(s) der Aufgaben von Artur Schroers, dem neuen Leiter des Drogenreferates Frankfurt. Mit ihm übernimmt ein erfahrender Suchtexperte das Drogenreferat Frankfurt. Zuvor war der promovierte Diplom-Pädagoge fast sechs Jahre lang Leiter der Abteilung Suchthilfen und Suchthilfebeauftragter der Landeshauptstadt Mainz, nach der Leitung in den Bereichen Suchthilfe, Prävention und Suchtforschung in Wien, Bratislava, Hamburg und Münster. Prävention und Suchthilfe beschäftigen den neuen Referatsleiter, der in Wegberg am Niederrhein aufgewachsen ist, bereits seit seinem Studium. Über den Themenkomplex Prävention- und Suchtforschung hat er auch promoviert. Für die nächsten Monate werden Artur Schroers und die bisherige Referatsleiterin Regina Ernst als Doppelspitze im Drogenreferat arbeiten. ›› Interview: Heidi Zehentner

Sie waren vor Ihrem Antritt als Leiter des Drogenreferates Frankfurt Leiter der Suchthilfe Mainz. Welche Unterschiede und damit auch Herausforderungen haben Mainz und Frankfurt? Der wesentliche Unterschied ist natürlich die große offene Drogenszene im Frankfurter Bahnhofsviertel, in der sich Menschen aus aller Welt bewegen. Aktuell halten sich etwa 200 bis 300 Abhängige dauerhaft auf den Straßen im Bahnhofsviertel auf. Fast alle leiden unter multiplen Problemen, für die wir oft sehr individuelle Lösungen finden und das Hilfesystem laufend an aktuelle Bedarfe anpassen und weiterentwickeln müssen. Als internationales Verkehrskreuz existiert in Frankfurt seit jeher ein großer Drogenmarkt. Deshalb gibt es andererseits eine Vielzahl an Hilfeangeboten, die es in Städten wie Mainz nicht gibt: Konsumräume, die Heroinvergabe oder, als weiteres Beispiel, die ärztliche Versorgung und Substitution auch für Menschen ohne Krankenversicherung. Das gibt es in dieser Form in keiner anderen Großstadt. Das Elend der Menschen im Bahnhofsviertel ist schwer zu ertragen, was wurde und wird unter Ihrer Leitung getan, um den Drogenabhängigen und Obdachlosen zu helfen? Zunächst ist zu sagen, dass Frankfurt mit seinen Hilfeangeboten sehr gut aufgestellt ist. Aktuell stehen wir aber vor der Herausforderung, schwer kranke Abhängige, die sich während der beiden Pandemiejahre auf den Straßen im Bahnhofsviertel eingerichtet haben, so anzusprechen, dass sie Hilfe annehmen können. Für mich geht es deshalb zunächst darum, die Gesamtsituation und ihre Ursachen zu beleuchten: Warum lassen sich viele Drogenabhängige nur noch schwer motivieren, in die Einrichtungen zu gehen? Was und wen brauchen wir, damit dies besser gelingt? Dabei werden wir sehr genau die Einzelfallsteuerung betrachten und jedes Angebot auf den Prüfstand stellen.

© Privat

Viele Besucher:innen Frankfurts beschreiben Ihren Ersteindruck nach Ankunft am Hauptbahnhof als schockierend. Welche Möglichkeiten gibt es, zum einen den Betroffenen einen Ausweg aus der Sucht und weg vom Bahnhofsviertel zu ermöglichen? Entscheidend ist, einen Zugang zu den Menschen zu finden und jeder und jedem Einzelnen die passende Hilfe zu bieten. Dabei spielt die aufsuchende Straßensozialarbeit OSSIP eine zentrale Rolle. Anfang des Jahres wurde OSSIP neu aufgestellt, um diese schwerstkranken Menschen verstärkt in die Hilfeeinrichtungen zu bringen und damit auch Brücken aus dem Bahnhofsviertel in das breite Netzwerk der Eingliederungs- und

Drogenhilfe in der gesamten Stadt zu bauen. Im Bahnhofsviertel wird zurzeit ein sektorenübergreifendes Koordinierungsbüro eingerichtet, in dem die Dezernate Gesundheit, Soziales, Ordnung und Umwelt Probleme gemeinsam angehen. Die Probleme enden nicht an Ressortgrenzen, wir brauchen die Zusammenarbeit, um Menschen zielgerichtet in weiterführende Hilfen vermitteln zu können – jenseits von Zuständigkeiten. OSSIP ist gleichzeitig ein wichtiger Baustein eines künftigen Konfliktmanagements, das perspektivisch weitere Zielgruppen und Problemfelder in den Blick nehmen muss. Zum Beispiel Partygänger:innen, Trinkhallen, die rund um die Uhr Alkohol verkaufen, das gesamte Umfeld der Prostitution, Spielhallen. Denn so viel steht fest: Die Drogenszene ist nicht allein für die Probleme im Bahnhofsviertel verantwortlich.

Ist es überhaupt der richtige Weg, die Menschen wie Ende der 1990er aus der Taunusanlage und nun von der Ecke Elbe-/Moselstraße zu vertreiben? Oder muss eine Großstadt ihre Kranken oder auch obdachlose Menschen aushalten können? Die Frankfurter Drogenpolitik gibt darauf eine eindeutige Antwort: Drogenabhängige sind Teil der Stadtgesellschaft und haben das Recht, hier zu leben und bestmögliche Unterstützung zu erhalten. Niemand will Drogenabhängige aus dem Bahnhofsviertel vertreiben. Es geht darum, das Bahnhofsviertel mit vereinter Kraft – dezernats- und ämterübergreifend – zu einem lebenswerten Viertel für alle Menschen zu machen, die dort leben, arbeiten oder sich aufhalten.

Was wünschen Sie sich im Umgang mit der Problematik Sucht z.B. in Sachen Aufklärung? Sucht ist ein weites Feld, das legale Drogen wie Zigaretten, Alkohol oder auch Verhaltenssüchte wie Spielsucht ebenso einschließt wie den Konsum von Opiaten oder Crack. Umfassende Aufklärung über Risiken und Schadensminimierung und Transparenz der Sucht- und Drogenhilfe halte ich für wesentlich – und ist eine zentrale Aufgabe des Drogenreferates. Was wünschen Sie sich von uns allen im Umgang mit den suchtkranken Menschen? Stichwort Respekt Ich wünsche mir, dass Drogenabhängige nicht als „Problem“ betrachtet werden, das tunlichst aus dem Stadtbild zu beseitigen ist. Wir alle sollten uns immer vor Augen halten, dass es sich um Menschen in teils sehr prekären gesundheitlichen und sozialen Lebenssituationen handelt, denen die Gesellschaft Unterstützung und Überlebenshilfe bieten muss. Schadensminimierung für jede und jeden Einzelnen lindert auch die Belastungen für die Allgemeinheit.

Viele Menschen versuchen in Eigeninitiative den Süchtigen zum Beispiel mit Essensgabe zu helfen. Sinnvoll? In den vergangenen beiden Jahren haben diese sicher gut gemeinten Aktionen leider mit dazu beigetragen, dass Drogenabhängige zur Versorgung nicht mehr in die Einrichtungen gingen, sondern alles Notwendige auf der Straße fanden – mit allen negativen Folgen wie Vermüllung und Verschmutzung der Straßen.

Wie stehen Sie zur Legalisierung von Cannabis? Es ist gut, dass mit der geplanten regulierten Abgabe von Cannabis zum Freizeitkonsum Bewegung in ein viele Jahre lang festgefahrenes Thema kommt und die Kriminalisierung eines nicht unerheblichen Teiles der Bevölkerung aufgehoben wird. Im Rahmen der repräsentativen Befragung zum Epidemiologischem Suchtsurvey (ESA) 2018 gaben 28,3% der Befragten zwischen 18 und 64 Jahren in Deutschland an, schon einmal Cannabis konsumiert zu. Eine kontrollierte Abgabe würde erstmals eine Qualitätskontrolle und Transparenz über den THC-Gehalt ermöglichen. Nicht zuletzt könnten mit staatlichen Vergabestellen oder lizensierten Fachgeschäften auch die Aspekte des Jugend- und Gesundheitsschutzes gewährleistet werden. Wünschenswert wäre es dazu, wenn die zusätzlichen Einnahmen des Bundes an die Kommunen weitergegeben werden, um lokale Präventions- und Hilfsangebote zu stärken.

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Montag, 12.09., 19 - 20.30 Uhr

Suizidprävention aus drei Perspektiven – Kurzvorträge und Diskussion (Vortragende: Dr. Oliver Dodt, Walter Kohl und Dr. Ingmar Hornke; Veranstaltung in Kooperation mit dem Würdezentrum Frankfurt) Gesundheitsamt, Auditorium, Breite Gasse 28, Frankfurt a.M.

Weitere Details zu allen Programmpunkten finden Sie unter : www.frans-hilft.de/zehntausend-gruende Alle Veranstaltungen sind kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Bitte prüfen Sie kurzfristig vorab, ob die Veranstaltungen wie geplant stattfinden.