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KULTUR

›› Bis 29.10.2023, Geldmuseum der Deutschen Bundesbank, Mo-Fr+So 9-17 Uhr, bundesbank.de

Hier wurde das „Geld zur Bank tragen“ mal ganz wörtlich genommen. Tatsächlich besteht das Ausstellungsstück im konventionellen Parkbank-Design komplett aus Geld. Das Sitzen darauf hat aber leider keine so entspannende Wirkung wie ein gut gefülltes Bankkonto – zumal die zusammengepresste und geleimte Konstruktion doch etwas instabil aussieht. Ob diese Zweideutigkeit gewollt war? Einmal Platz genommen, laden Hörmuscheln dazu ein, sich lustige Anekdoten rund um das Thema Geld anzuhören. An der nächsten Wand gibt es „Witze to go“ zum Abreißen und Karikaturen zur Bargeldfrage oder der einen oder anderen Bankenkrise. Gut weg kommen die Banken in den Zeichnungen von Künstlern wie Til Mette, Horst Haitzinger oder Stephan Rürup natürlich nicht … Mal sind die Witze bissig und politisch, mal einfach nur Kalauer, auf jeden Fall ist die Ausstellung aber unterhaltsam. Vor allem, wenn man sich noch ein wenig mit der deutschen und europäischen Finanzpolitik der letzten Jahrzehnte auskennt, denn die Jahresangaben unter den Bildern fehlen meistens. Ann

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Rosemarie Trockel

›› Bis 18.6.2023, MMK, Di-So 11-18+Mi 11-19 Uhr, mmk.art

VORANKÜNDIGUNG

Rosemarie Trockel lässt in ihren Werken Ambivalenzen zu, mehr noch: arbeitet sie explizit heraus. Die umfassende Schau im MMK zeigt Trockels Œuvre sämtlicher Schaffensphasen, von den 1970er-Jahren bis zu eigens für das Museum entstandenen Arbeiten. Rosemarie Trockel zählt zu den bekanntesten Kunstschaffenden Deutschlands – laut Kunstkompass rangierte sie 2022 auf Platz vier hinter Gerhard Richter, Bruce Nauman und Georg Baselitz – ihr Einfluss auf die zeitgenössische Kunst ist enorm. Trockel, die sich der Öffentlichkeit fernhält, bezieht nicht nur mit ihren Werken gesellschaftlich und politisch Stellung. Nach der Silvesternacht 2015 unterzeichnete sie einen Aufruf von Künstler:innen und Musiker:innen aus Köln gegen sexuelle Gewalt und fremdenfeindliche Hetze. (dw.com) In ihren Arbeiten macht sie Gewalt, Bevormundung und Einschränkungen aufgrund des Geschlechts sichtbar, richtet ihren soziologischen Blick mittels Zeichnung, Malerei, Fotografie, Skulptur, Installation und Film auf gesellschaftliche Ordnungen und politische Strukturen – und auf die Natur: „Die Brutalität wie Absurdität normativer Ordnungen tritt im Werk von Rosemarie Trockel offen hervor.“ (mmk.art) Und Kulturdezernentin Ina Hartwig sagt: „Für die Frankfurter:innen gehört Rosemarie Trockel zu unserem Stadtbild. Mit ihrer Skulptur Frankfurter Engel von 1994 wird eindrücklich an das Schicksal der verfolgten und ermordeten homosexuellen Männer und Frauen im Nationalsozialismus

BÜCHERTIPPS

Laureen Groff

Matrix

Claasen, 24 € Willkommen im Mittelalter. Hier Willkommen im Mittelalter. Hier lebte Eleonore von Aquitanien, lebte Eleonore von Aquitanien, Königin von England und FrankKönigin von England und Frankreich, mächtig, schön, selbstbereich, mächtig, schön, selbstbewusst. Ihre (erfundene) Halbwusst. Ihre (erfundene) Halbschwester Marie ist hässlich schwester Marie ist hässlich und muss ins Kloster. Das Mädund muss ins Kloster. Das Mädchen nimmt die Prüfung an und wird eine prächtige chen nimmt die Prüfung an und wird eine prächtige Gemeinschaft der Frauen schaffen. Männer müssen draußen bleiben und Marie gestaltet die Welt jetzt nach ihren Visionen. Die Amerikaner Groff überrascht mit einem konzentrierten, zeitlosen Roman über die Kraft der Selbstermächtigung. kerin und Künstlerin setzt sich virtuos über Sprachgrenzen hinweg, bewegt sich zwischen Prosa, Lyrik und Drama, Die Teenagerin Damla, lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter Ayla und ihren Geschwistern in Nordengland, in einer tür kisch zypriotischen Community.

Tice Cin

Ein Zuhause schaffen

Das Debüt der Dichterin, Musikerin und Künstlerin setzt sich virtuos über Sprachgrenzen hinweg, bewegt sich zwischen Prosa, Lyrik und Drama, Die Teenagerin Damla, lebt mit ihrer alleinerziehenden Mutter Ayla und ihren Geschwistern in Nordengland, in einer tür kisch zypriotischen Community. Ayla will das Heroin, das ihr Mann zurück gelassen hat, verkaufen – eingewachsen in Kohlköpfen. Dafür bracht sie die Kleindealer Ufuk, Mehmet und Ali. Zusam menhalt, Überleben, Aufgehobensein, Freund:innenschaft, Gewalt, Essen (Damla: „Alles, was wir tun mussten, war heil bleiben und zusammen essen“) sind die Themen von Cins eigenwilligen – vom Guardian gelobten – Roman.

erinnert.“ Sohra Nadjibi

© Batschkapp

Wladimir Kaminer

© Fabian Zapatka

© Renate Barth, Diogenes Yannic Han Biao Federer Ingrid Noll

4.1.

Wladimir Kaminer: Wie sage ich es meiner Mutter

Die neue Welt erklärt: von Gendersternchen bis Bio-Siegel. ›› Batschkapp, Frankfurt, 19.30 Uhr, 24,90 € 8.1.

Yannic Han Biao Federer: Tao

Dass Tobi eigentlich Tao heißt, wissen die wenigsten. Nur Miriam nennt ihn, wenn sie zu zweit sind, bei seinem chinesischen Namen. Doch sie wird ihn verlassen. ›› Haus am Dom, Frankfurt, 11 Uhr, Eintritt frei 11.1.

Eckhardt Nickel: Hysteria

kündet von einer düsteren Verschwörung und hinter der Idylle lauert der Abgrund. In seinem dystopischen Roman spielt der Frankfurter Autor gekonnt mit Stilmitteln der schwarzen Romantik. Tipp: Noch mehr Nickel gibt es am 24.1. in der Stadtteilbibliothek Sossenheim (Frankfurt) und am 29.1. im Schlosshotel Kronberg. Dann liest Nickel aus „Spitzweg“, der auf der Shortlist zum Buchpreis stand. ›› Zentralbibliothek, 19.30 Uhr, Eintritt frei 25.1.

Ingrid Noll: Tea Time

Keine mordet so gekonnt, schwarz und heiter wie Ingrid Noll. Diesmal trifft es das beschauliche Weinheim. Dort verliert die Ich-Erzählerin Nina ihre Handtasche und damit beginnen die Verwicklungen. ›› Literaturhaus Frankfurt, 19.30 Uhr, Saal 12 / 8 €, Stream 5 €

LESUNGEN

Franziska Gerstenberg

25.1.

Stine Pilgaard: Meine Mutter sagt

Hygge-Literatur aus Dänemark: Eine junge Frau wird von ihrer Freundin verlassen. Zurück beim Vater gibt’s Schokolade, aber die energische Mutter akzeptiert kein Gejammer. ›› Hessisches Literaturforum im Mousonturm, Frankfurt, 19.30 Uhr, 8/5/12 € 26.1.

Franziska Gerstenberg: Obwohl alles vorbei ist

Es fängt gut an mit Charlotte und Simon. Doch das Ost-West-Paar entfremdet sich und auch ihre beiden Kinder treibt es auseinander. Mit fatalen Folgen. Dieser Familien- und Gesellschaftsroman könnte ein Frühjahrs-Bestseller werden. ›› Frankfurter Premieren, Ausstellungshalle 1a, Frankfurt, 19 Uhr, 8/4 €

›› 5./27.1., Schauspiel Frankfurt, Kammerspiele, 20 Uhr 14-37 €, erm. die Hälfte Infos & Tickets: (069) 212 494 94, schauspielfrankfurt.de nnnnn Selbst der „homo digitalis“ wird bisweilen von analogen Realitäten eingeholt. Bei stinkenden Abflusssystemen etwa versagt auch die ausgefeilteste KI. Die Bewohner des Prestigeprojektes Arcadia plagen nicht nur üble Gerüche. Tomasz, Sven und Thees sind in ihren virtuellen Luxusapartments mit unheimlichen Vorgängen konfrontiert. Dem Spuk soll eine Ermittlerin für anormale Phänomene ein Ende bereiten. Weil Ira pleite und der Job lukrativ ist, lässt sie sich erstmals auf Implantate ein. Bislang bio – sogar Smartphone und analogen Wecker nutzt sie noch – kann Ira nun reale Wahrnehmungen mit virtuell erzeugten Wirklichkeiten überschreiben. So stößt sie in Arcadia auf aktive Spuren früherer Bewohner:innen und deckt einen tödlichen Zusammenprall mit den gegenwärtigen Mietern auf. Regisseur und Autor Wilke Weermann nimmt in „Unheim“ eine Zukunft ins Visier, in der die Grenzen zwischen Realität und Simulation, zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. Das großartig spielende Ensemble und das bestechende Bühnenbild reißen ebenfalls Grenzen ein: die zwischen Faszination und Grausen. Zumal selbst Iras digitalaffine Schwester Edna am Ende in Erklärungsnot gerät und zugeben muss, dass die allmächtigen Algorithmen ein Eigenleben führen, das niemand begreifen kann. Doris Stickler

Die Zauberin

›› 8.1., Oper Frankfurt, 15.30 Uhr (kostenlose Kinderbetreuung) 16-155 € Infos & Tickets: (069) 212 494 94, oper-frankfurt.de

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© Barbara Aumüller

Diese Oper von Tschaikowski fiel bei der Uraufführung 1887 in Sankt Petersburg bei Publikum und Kritik durch: zu system- und gesellschaftskritisch, zu modern. Außerhalb Russlands wird sie überhaupt erst seit 2011 zögerlich wahrgenommen. Wie schade! Denn es handelt sich um einen musikalischen Schatz. Schwelgen in Melodien, Chören und Arien fast vier Stunden lang. Dazu wird aktuelles, russisches Polit-Drama serviert: Die oppositionelle Kunstszene mit ihrer Protagonistin Nastasja gerät ins Visier des von der orthodoxen Kirche beherrschten diktatorischen Fürsten-Generals, der sich aber in sie verliebt. Das kann nicht gut gehen! Zum Schluss liegen jedenfalls im reich-spießigen Wohnzimmer seines Hauses drei Leichen herum. Die inzwischen zum Weltstar avancierte Sopranistin Asmik Grigorian singt die Titelpartie und Iain MacNeil den General. Beide, wie auch alle anderen, bravourös. Sogar eine höchst makabre Ballett-Einlage mit Can-Can tanzenden Männern und ein lebendiger Schäferhund werden kredenzt. An Humor fehlt es der Inszenierung wirklich nicht. Doris Stickler

Die bitteren Tränen der Petra von Kant

›› 6./7./13./14.1., Kellertheater, Frankfurt, 20.30 Uhr 6-12 € Infos & Tickets: (069) 288 023, kellertheater-frankfurt.de

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„Lieben heißt leiden“ könnte das Motto von Rainer Werner Fassbinders Thaterstück „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“ sein, dessen Verfilmung legendär ist. Die Versuchsanordnung: Marlene liebt Petra, doch Petra liebt Karin und Karin (vielleicht) ihren (Ex-)Mann. Die Rollen sind passgenau besetzt: Volker Schneider spielt Marlene, die als Assistentin für die Modeschöpferin Petra arbeitet und ihrer Chefin blind ergeben ist. Egal, ob Petra ausnahmsweise eng umschlungen mit ihr tanzt oder sie kaltherzig zur Befehlsempfängerin degradiert, das Mienenspiel des Darstellers spricht Bände. Und wenn Vera Bernhardt als Petra verzweifelt auf einen Anruf von Karin wartet, immer wieder nach dem ersten Klingeln abnimmt und in einer Mischung aus Panik und Hoffnung „Karin?“ in den Hörer ruft, klingt das so lebensecht, dass es für alle, die eine ähnliche Situation durchlitten haben, retraumatisierend wirken könnte. Auch Lotte Fiebig nimmt man die Rolle des ebenso lasziven wie selbstbezogenen Models Karin, das sich von Petra vor allem einen Karriereschub wünscht, sofort ab. Ein Stück, das die Abgründe in Liebesbeziehungen wie in einem Brennglas in den Fokus nimmt, hervorragend gespielt und mit viel Gespür für Zwischentöne von Daniela Vollhardt und Esther Garcia in Szene gesetzt. „Die Hölle, das sind die anderen“ – in der intimen Atmosphäre des Kellertheaters lässt sich das mit viel stimmungsvoller musikalischer Untermalung hautnah miterleben. Antje Kroll

Das perfekte Geheimnis

Beim gemeinsamen Abendessen wird in vertrauter Runde lebhaft über Ehrlichkeit diskutiert. Das Gespräch inspiriert schließlich die drei Frauen und vier Männer zu einem Spiel. Sie legen ihre Smartphones auf den Tisch, alle Nachrichten werden vorgelesen, Telefonate laut mitgehört und jede WhatsApp gezeigt. Bald machen delikate Offenbarungen klar, dass im Freundeskreis etliche Geheimnisse und Lebenslügen existieren. ›› bis 15.1., Fritz Rémond Theater im Zoo, Frankfurt, täglich außer Mo, 20 Uhr, So 18 Uhr 19-30 €, erm. die Hälfte (nur an der AK) Infos & Tickets: (069) 435 166, fritzremond.de

Ab dafür! Rückblick

Seit mehr als 20 Jahren knöpft sich Bernd Gieseking nun schon mit seinem satirischen Jahresrückblick den alltäglichen Wahnsinn der zurückliegenden Monate vor. Der war 2022 besonders ausgeprägt. Wie immer fügt der Kabarettist gravierende Ereignisse und private Perspektiven zusammen. Mal überspitzt, mal mit süffisanten Zitaten garniert, verpackt er das große Ganze in witzig-freche Geschichten. ›› 6./7.1., Die KÄS - Kabarett in der City, 20 Uhr 20-36 € Infos & Tickets: (069) 407 66 20, die-kaes.com

Breakin‘ Borders

Jugendliche aus Frankfurt und den Niederlanden nehmen in ihrer Performance die Entwicklung seit Ende des 2. Weltkriegs unter die Lupe. Sie fragen, wie mit Hass und Ausgrenzung umgegangen wird, wie es um Frieden und Freiheit steht, ob Diskriminierung und Intoleranz der Vergangenheit angehören. Gefördert vom Soziofonds, dem Theater Korzo und dem Jugend- und Sozialamt Frankfurt haben die Jugendlichen bei mehreren Treffen in beiden Ländern Breakin‘ Borders erarbeitet. ›› 7.1., Gallus Theater, Frankfurt, 18 Uhr Eintritt frei, Spenden willkommen Infos & Ticket: (069) 758 060 20, gallustheater.de

Wir liebten nicht alle

Während der NSZeit hing Familie Wolf dem Widerstand an, später rang sie im Glauben an den Sozialismus um eine Haltung zur DDR. Das Stück über vehemente Frauen, ideologische Debatten und den Kosmos einer der einflussreichsten Familien der DDR taucht ins Private ein, um Politisches zu begreifen.‚ ›› 6./8.1., StudioNAXOS, Naxoshalle, Frankfurt, 20 Uhr, solidarisches Preissystem Infos & Tickets: (0176) 51 440 821, studionaxos.de