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Ralf Ulrichs und Mickie Krause in der Sternwarte Norderney

Ein bisschen versteckt und von der Straße aus nur über einen Schotterweg zu erreichen, liegt zwischen Nordstrand und Wasserturm die Norderneyer Sternwarte. An einem sonnigen Nachmittag im Mai 2021 treffen wir hier den Musiker und Entertainer Mickie Krause und den Norderneyer Hobbyastronom Ralf Ulrichs zu einem Gespräch über ihren Blick auf die Nacht. Die beiden verbindet ein enger Bezug zur Insel und dass sie sich häufiger die Nacht um die Ohren schlagen - der eine, um den Sternenhimmel zu beobachten und zu fotografieren, der andere, um für seine feiernden Fans auf der Bühne zu stehen.

Foto. Carsten Muecke

Vom Garten der Wilhelm-Dorenbusch-Sternwarte aus fällt der Blick auf die sanft ansteigende Dünenlandschaft und den westlichen Rand des Ruppertsburger Wäldchens. Viele Inselurlauber kennen diesen idyllischen Teil von Norderney nicht. Auch Mickie ist an diesem Tag zum ersten Mal hier. Seit über 20 Jahren begeistert der 51-jährige Westfale in deutschen Clubs und Event-Locations oder in den riesigen Partypalästen an der Playa de Palma als Stimmungssänger sein Publikum. Songs wie „Schatzi, schenk mir ein Foto“ oder „Eine Woche wach“ hat wohl jeder schon gehört, der ab und zu feiern geht. „Ich habe den größten Teil meines Berufslebens im Nachtleben verbracht. Früher haben meine Auftritte auf Mallorca oft erst um zwei oder drei Uhr nachts angefangen“, erzählt Mickie, während er das wuchtige mobile Teleskop bestaunt, das Ralf für unseren Fototermin auf der Wiese aufgebaut hat. „Dabei bin ich eigentlich überhaupt kein Nachtmensch. Ich habe kein Problem damit, zu Hause um zehn oder halb elf Uhr schlafen zu gehen.“

Begleitet von spannenden Erklärungen führt uns Ralf zur Kuppel seines über Jahrzehnte in liebevoller Kleinarbeit ausgebauten Observatoriums. Dabei ist dem Norderneyer bei jedem seiner Worte die Leidenschaft für sein außergewöhnliches Hobby anzuhören. „Wenn der Wetterbericht eine richtig klare Nacht vorhersagt, in der alle Rahmenbedingungen passen, freue ich mich schon tagsüber wie ein Kind, dass ich bei Sonnenuntergang losziehen kann.“ Neben der Beobachtung und Ablichtung des Firmaments von der Sternwarte aus, hat sich der Hobbyastronom der Astrofotografie in der freien Natur verschrieben - immer auf der Suche nach einem besonderen Blickwinkel oder außergewöhnlichen Phänomenen wie Meeresleuchten oder Polarlichtern. Ausgestattet mit mehreren Kameras und Stativen fotografiert er stundenlang am Strand und in den Dünen - manchmal bis zum Sonnenaufgang. Dabei bleibt am unteren Rand der Fotos fast immer ein Stück Norderney erkennbar - „um Himmel und Erde zu verbinden“, wie er lachend sagt. Als zum Beispiel im Juli 2020 der Komet „Neowise“ über Deutschland zu sehen war, hat sich Ralf jede Nacht auf den Weg zum Strand gemacht. Manchmal lässt er die Kamera aber auch zu Hause und fokussiert einfach nur einen einzelnen Planeten mit dem Teleskop. „Für mich ist die ganze Astrogeschichte vor allem so ein Ding, um richtig abzuschalten.“

Foto. Carsten Muecke

Wir hören neugierig zu, wie Mickie und Ralf aus unterschiedlichen Perspektiven von ihren langen Nächten berichten. Vor allem beeindruckt die Professionalität, mit der der beliebte Musiker seinen Job betreibt. „Wenn Du wie ich zu normalen Zeiten 250 Auftritte im Jahr machst und manchmal drei oder vier an einem Abend, dann musst Du komplett diszipliniert sein.“ Das Drumherum unterscheidet sich offensichtlich gewaltig von dem, was die Fans auf der Bühne erleben. Mickie erzählt, wie er manchmal auf Mallorca mit seiner Frau und seinen Kindern als Familienvater den Abend verbringt und gegen elf Uhr mit den anderen zu Bett geht, um nach zwei Stunden wieder aufzustehen, kurz unter die Dusche oder in den Pool zu springen und - während der Rest der Familie tief schläft - mitten in der Nacht auf der Bühne abzuliefern. Und ein Auftritt von Mickie Krause ist kein Kammerkonzert, seine Show bedeutet von Anfang bis Ende Vollgas geben. „Du musst auf jeden Fall fit sein, um diesen Job hinzubekommen. Ich mache viel Sport und gehe regelmäßig joggen - besonders gerne hier auf Norderney.“ Ralf hat noch nie einen Live-Auftritt seines Gesprächspartners gesehen. „Ich war zwar mal auf Malle, aber nur im Februar zum Wandern.“ Umgekehrt hat auch Mickie keine Ahnung von Astronomie und ist vorher noch nie in einer Sternwarte gewesen. Der Nacht des jeweils anderen zollen beide Respekt und wissen die Leistung zu schätzen. Mickie bringt es auf den Punkt: „Wenn man für eine Sache wirklich brennt und einen Job mit Leidenschaft macht, dann wird es am Ende auch funktionieren.“

Ralf ist als waschechter Insulaner auf Norderney aufgewachsen. Das Leuchten und Funkeln am Himmel hat ihn von frühester Kindheit an fasziniert. „Mit sechs oder sieben Jahren habe ich den Gründer der Sternwarte und seine Frau kennengelernt und bin da mit der Zeit ein- und ausgegangen, als ob es mein zweites Elternhaus wäre“, erzählt der Norderneyer. Nach dem Tod von Wilhelm Dorenbusch hat Ralf dessen Werk übernommen und bis heute weiter entwickelt und fortgeführt. Auch Mickie kennt Norderney seit seiner Jugend von diversen Klassenfahrten. Über die Jahre reist er mit seiner Frau und später mit der ganzen Familie regelmäßig auf die Insel. „Wir leben in einem kleinen Ort bei Rheine im Münsterland - von da ist Norderney logistisch hervorragend erreichbar - und lohnt sich auch für ein Wochenende.“ 2018 nutzt der Musiker die Chance, ein kleines Häuschen am Rande der Norderneyer Innenstadt zu kaufen. Seitdem ist der Kontakt zur Insel noch viel enger geworden. „In der Ausnahmesituation der vergangenen Monate sind wir fast jede freie Minute hier gewesen.“ Auf Norderney kann Mickie Krause ganz Privatmensch sein.

Foto. Carsten Muecke

Auch erste gute Kontakte und Freundschaften zu Einheimischen sind inzwischen entstanden. „Wir sind hier wirklich angekommen - Norderney bleibt für mich die vielseitigste Insel von allen.“ Als Eltern von drei Töchtern und einem Sohn schätzen Mickie und seine Frau besonders den Weststrand. „Da kannst Du in der Giftbude entspannt ein Glas Aperol trinken, während die Kinder auf dem tollen Abenteuerspielplatz am Strand unterwegs sind.“

Die Norderneyer Sternwarte ist auch für Inselurlauber zugänglich. Ralf bietet dort regelmäßig Besichtigungen mit einem ebenso informativen wie unterhaltsamen Lichtbildvortrag an. „Ich zeige und erkläre alles leicht und für jedermann verständlich - mit vielen spektakulären Fotos, die zu hundert Prozent hier auf Norderney entstanden sind.“ Manchmal gelingt es ihm dabei, Besucher über die Führung hinaus für die Astronomie zu begeistern. „Dann bekomme ich einen Anruf oder eine Email, weil sich jemand ein eigenes Teleskop zulegen will.“ Für Mickie Krause sind die Jahre 2020 und 2021 aus bekannten Gründen mit starken beruflichen Einschränkungen verbunden. Der Vollblut-Entertainer hat die Zeit genutzt, um zum Beispiel an der RTL Tanz-Show „Let‘s Dance“ teilzunehmen und an neuen Liedern zu arbeiten. Ein Song mit besonders großem Hit-Potential soll erscheinen, sobald unbeschwertes Feiern wieder möglich ist. Der Refrain klingt, wie für den Schluss dieser Geschichte gemacht: „Für Dich, für Dich mal ich heut‘ Nacht die Sterne an.“

STERNWARTE NORDERNEY - www.sternwarte-norderney.de - Am Kap 32 - 26548 Norderney - (04932) 8619988