Fazit 86

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Zur Lage (51)

EXTRA!

AUS BÜRGERPFLICHT.

Eine mehr als notwendige Zusammenfassung der Charta des Zusammenlebens in Vielfalt in der Steiermark. VON CHRISTIAN KLEPEJ

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ie Lage ist eine Unklare. Die Zukunft eine noch viel Größere. Und ich darf heute meiner dringenden Sorge darüber Ausdruck verleihen, in dem ich ein Papier, entstanden im Frühjahr des letzten Jahres, endlich einer noch breiteren Öffentlichkeit zugänglich mache. Es handelt sich um die »Charta des Zusammenlebens in Vielfalt in der Steiermark«, einer Broschüre, nein, einem Kompendium der Steiermärkischen Landesregierung. Auf mehr als 22 Seiten hat dieselbe und auch die Landesamtsdirektion das Zielbild für das kommende Jahrzehnt definiert und den Handlungsrahmen für die künftige Integrationsarbeit des Landes Steiermark vorgegeben. Beschlossen wurde dieser wesentliche Handlungsrahmen dann am 21. Juni 2011 vom Steiermärkischen Landtag. Natürlich kann ich Ihnen auch auf die Gefahr hin Wesentliches zu übersehen, nur auszugsweise diese Visionen für unser Land präsentieren.

ken, damit diese ihren Aufgaben angesichts der Anforderungen einer vielfältigen Gesellschaft zeitgemäß und kompetent gerecht werden. Hier halten wir kurz inne, um nicht Gefahr zu laufen, vordergründig ausnehmend Schwammiges nicht als solches zu begreifen, was es in seiner segensreichen Wirkungskraft eigentlich ist: kompetent und zeitgemäß; wahrscheinlich. Weiter zu den Grundsätzen: Die Steiermark verabschiedet sich vom Bild einer homogenen „Mehrheitsgesellschaft“. Für die Planung von Aktivitäten, Institutionen und Politiken wird das Verständnis zugrunde gelegt, dass die Menschen in der Steiermark verschiedene Geschlechter, Hautfarben, Religionen, Erstsprachen, Traditionen, Weltanschauungen und sexuelle Orientierungen haben, dass sie unterschiedlich alt und unterschiedlich finanziell abgesichert sind, dass sie verschiedene Behinderungen haben und unterschiedliche Sichtweisen, Talente und Potenziale aufweisen.

Fotos: Wolfgang Wildner, Enlarge

»Beschlossen wurde dieser wesentliche Handlungsrahmen dann am 21. Juni 2011 vom Steiermärkischen Landtag.«

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Ich darf Sie also dringend bitten, hernach den gesamten Text, er liegt auch online am Server der Landesregierung vor, zu genießen. Wir beginnen mit der Präambel: Die Steiermark ist sich bewusst, dass der Schlüssel, um mit einer sich beständig verändernden Gesellschaft gut umgehen zu können, nicht darin liegt, auf die Defizite Einzelner hinzusehen, sondern mit Blick auf die Ressourcen der hier lebenden Menschen beste Chancen zur Verwirklichung und Entfaltung zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, liegt der primäre Zugang des Landes Steiermark darin, öffentliche Einrichtungen und Systeme weiter zu entwickeln und zu stärFA Z I T

Das gefällt mir, dass endlich jemand in dieser Deutlichkeit und umfassenden Klarheit festhält, dass wir verschieden sind. Und dass wir überhaupt auch verschieden alt (!) sind. Das gibt Kraft und fördert das Vertrauen in die uns Regierenden, die wie wir alle – und jeder für sich natürlich – mit ganz verschiedenen Behinderungen ausgestattet sind. Aber wenden wir uns nun weiter hin zu den Haltungen: Wir entwickeln und bewahren eine wache Skepsis, wenn mit Verweis auf religiöse Traditionen, Brauchtum, „Kultur“ etc. Unvereinbarkeiten oder soziale Schieflagen erklärt oder Ausschlie-

ßungsmechanismen (nicht teilhaben lassen oder nicht teilhaben wollen) gerechtfertigt werden sollen. Ein für uns alle ganz besonders wichtiger Punkt! Etwa ist es im Grunde durch nichts zu rechtfertigen, dass mich die Trachtenmusikkapelle meines wunderbaren Ortes nicht mitspielen lässt, dass sie mich – offen gesagt – also richtiggehend ausschließt, nur (!) weil ich kein Instrument spiele. Solche Haltungen brauchen wir in diesem Land wirklich nicht! Fortan zu den Strategischen Zielsetzungen im Papier: In Regionen, Städten und Gemeinden findet das alltägliche Zusammenleben statt. Miteinander leben bedeutet unmittelbare persönliche Begegnung und Auseinandersetzung. Die Steirerinnen und Steirer erleben dort, wo sie wohnen, leben, lernen, arbeiten und ihre Freizeit verbringen, dass sich ein gelingendes Zusammenleben unmittelbar positiv auf die Lebensqualität auswirkt. Respekt. Welch große, welch richtungsweisende Worte so gelassen ausgeschrieben! Erst jetzt kann es uns klar werden, dass gelingendes Zusammenleben sich unmittelbar (unmittelbar!) positiv auf die Lebensqualität auswirkt! Erst jetzt wissen wir also, dass es uns nur dann gut gehen kann, wenn es uns gut geht! Meine Damen und Herren, bitte lesen Sie selbst diesen großen Wurf moderner, die der Geschlechter und alle sonstigen Grenzen überwindender Landespolitik, nein, Landesweisheit. Ich habe meine Schuldigkeit getan, ich kann nur schließen mit den Worten eines Mitentwicklers dieser zentralen Schrift: »Einzig der Fisch lässt noch viel Luft nach oben zu.« Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann. OKTOBER 2012


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