Der Weg des Ich ins Leben

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Der Weg des Ich ins Leben Beiträge aus der Weltlehrer- und Weltkindergartentagung 2012 am Goetheanum

Das Goetheanum

Wochenschrift für anthroposophie Ausgabe Nr. 25 · 23. Juni 2012


takt  ›››  Berthold Wulf – Am 11. Juni ist der Dichter und Priester der Christengemeinschaft verstorben. Laut Wikipedia umfasst sein Werk 23 Bände und rund 8000 Vorträge. Ein ausführlicherer Nachruf folgt in einem der nächsten Hefte. ››› ‹Die sieben Fohlen› auf Wangerooge Das Puppentheater ‹Felicia› am Goetheanum spielt das norwegische Märchen vom 8. bis 13. Juli fünfmal auf der ostfriesischen Insel.  ›››  Waldorf in China «Aus dem Fenster eines Klassenraums in Peking klingen Blockflöten» Heute gibt es rund 100 Kindergartengruppen und circa 20 Waldorfschulen in China. Radiokurzbeitrag zum Thema: www.goo.gl/DsNnA ››› Ausschlafen – Seit diesem Schuljahr beginnt in der Waldorfschule Klagenfurt der Unterricht erst um 8:30 Uhr. Die Entscheidung, die Kinder ausschlafen zu lassen, geht auf Erkenntnisse der Chronobiologie zurück. www.goo.gl/FN9Sr ›››  Bio-Flatrate – Obst, Gemüse, Brot und Fleisch ohne Ende zum monatlichen Festpreis: Hofgemeinschaften gewinnen in Deutschland weiterhin Anhänger. In der Community-Supported-Agriculture (CSA) ermöglicht ein verbindlicher Kundenkreis die Arbeit eines Hofes. Die Bezahlung löst sich vom abstrakten Stundenlohn oder dem Festpreis einzelner Produkte. Geld wird Zukunftsermöglichung. Artikel bei Spiegel Online: www.goo.gl/vawk3 ›››  Korrigenda – Im Leserbrief von Karl Kaltenbach im ‹Goetheanum› Nr. 23/2012 hätte präziser übersetzt werden müssen, dass er in den letzten 50 Jahren «in guten wie in schlechten Tagen» (nicht: «im Guten wie im Bösen») zur anthroposophischen Kultur beitrug. Außerdem ist ihm wichtig, darauf hinzuweisen, dass er von 1983 bis 2003 in Australien Vorsitzender der Lektoren der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft war. Im Leserbrief von Ursula Langellotti im ‹Goetheanum› Nr. 24/2012 ist durch redaktionelle Kürzung der Hinweis entfallen, dass die biografischen Angaben zu John Wilkes der Zeitschrift ‹Wasserzeichen› Nr. 35/2012 des Instituts für Strömungswissenschaften, Herrischried, entnommen sind (Autor: Christian Liess). ›››

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Eurythmieausstellungen Zum Jubiläum 100 Jahre Eurythmie eröffnen am 24. Juni (bis 9. September) gleich zwei Ausstellungen am Goetheanum. Martina Maria Sam hat über die ersten Eurythmisten recherchiert und zeigt ihre Ergebnisse im Foyer des Goetheanum. Unter den Biografien von 80 Menschen gibt es Entdeckungen. So hat Max Benirschke, der als Professor für Kunstgewerbe in Düsseldorf Joseph Beuys in die Anthroposophie einführte, bei der ersten Eurythmie-Aufführung am 28. August 1913 mitgewirkt. Die Ausstellung von Stephan Widmer vom Rudolf-Steiner-Archiv im Haus Duldeck erschließt ‹Materialien› rund um die Eurythmie, darunter Kostüme, Fotos, Plakate und Eurythmiefiguren. SJ

Neuer Vorstand in Niederlande Die Anthroposophische Gesellschaft in den Niederlanden hat einen neuen Vorstand. Der alte war zurückgetreten, um eine Erneuerung zu ‹erzwingen›. Auf der Jahresversammlung am 9. und 10. Juni in Driebergen wählten rund 300 Mitglieder die in einem Findungsprozess ermittelten Kandidaten, die verschiedene Lebensalter repräsentieren: Auke van der Meij (60), Marieke Uytenboogaart-Van der Geest (56), Rodim van Es (48) (Schatzmeister), Michel Gastkemper (52), Stephan Jordan (31), Hanneke de Leeuw (34), Jesse Julder (30) und Fanina van Uffelen-Bruins (42). Als Einziger aus dem bisherigen Vorstand wird Kees Lam auch im neuen tätig sein; er wurde mit 255 Stimmen zum Vorsitzenden gewählt, der andere Kandidat, Robert Jan Kelder, unterlag. Ron Dunselman bleibt Generalsekretär. Weiteres in ‹Anthroposophie weltweit› Nr. 7–8/2012.  SJ

Ritter Ron Dunselman Während der Jahresversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in den Niederlanden wurde der Vorsitzende Ron Dunselman geehrt: Er erhielt am 9. Juni vom Meppeler Bürgermeister die königliche Auszeichnung zum Ritter des Ordens von Oranien-Nassau für seine gesellschaftlichen Verdienste überreicht, das heißt für seine Arbeit als Vorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft in den Niederlanden, die Gründung der Waldorfschule in Meppel sowie die Gründung von Arta 1973, einem anthroposophischen Wohnheim für Drogenabhängige. SJ

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Waldorf is not a religion

In den USA hat ein Bundesberufungsgericht am 8. Juni einen Versuch, zu beweisen, dass Anthroposophie eine Religion sei, für gescheitert erklärt. Anfang der Neunzigerjahre hatte die Gruppe ‹People for Legal and Nonsectarian Schools› (PLANS), ‹Menschen für legale und sektenfreie Schulen›, eine Klage eingereicht, nach welcher die Verwendung von Waldorfmethoden in öffentlichen Schulen, die vom Steuerzahler finanziert werden, gegen die amerikanische Verfassung verstoße, die eine strikte Trennung von Staat und Kirche vorschreibt. Die Gruppe behauptete, die Waldorfpädagogik indoktriniere die Kinder mit Anthroposophie und Letztere sei eine New-Age-Religion. In einer Verhandlung am 31. August 2010 scheiterte der Versuch der Kläger, zu beweisen, dass Anthroposophie eine Religion sei. Der Richter entschied zugunsten des Schuldistrikts von Sacramento, auf dessen Gebiet die betroffenen Waldorfschulen liegen und PLANS legte Berufung ein. Das Berufungsgericht bestätigte nun die Entscheidung des Bezirksrichters. Allerdings wurde betont, dass die Frage nicht entschieden sei, sondern nur, das der Versuch, dies nachzuweisen, nicht gelungen sei. Der Vorwurf der Kläger beruhte auf der Voraussetzung, dass Eurythmie oder Nass-in-Nass-Malen einen implizit religiösen Charakter haben, weil sie von der Anthroposophie durchtränkt sind. Das Gericht machte deutlich, dass die Beziehung dieser Unterrichtsinhalte zur Anthroposophie für die rechtliche Streitfrage ohne Bedeutung ist. Überblick über den Fall in englischer Sprache: www.goo.gl/TZPeO Quelle: waldorfanswers.org

Bio gegen braunes Gedankengut Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) nimmt Meldungen in der Öffentlichkeit zum Thema ‹Rechtsradikalismus im Ökolandbau› zum Anlass, seine Position zu verdeutlichen. Der BÖLW, zu dessen Gründungsmitgliedern auch Demeter gehört, wendet sich in aller Entschiedenheit gegen jeden menschenverachtenden Radikalismus. Insbesondere verurteilt er jeden Versuch, das Prinzip des Ökolandbaus eines standortgebundenen Betriebsorganismus für rechtsradikale Ideologien zu missbrauchen. Webseite des Bio-Dachverbandes: www.boelw.de und Artikel in der Zeit: www.goo.gl/hhRiv  JG


Birgit Hering

Beatrice Rutishauser

Grenzerweiterung

Frieden lernen – ein Beitrag der Notfallpädagogik

Die Eurythmie als reine Bewegungssprache erfahrbar zu machen, die sichtbare Sprache von der zeitgleich hörbaren Sprache zu trennen, ist die Suchbewegung, die mich interessiert. Tatiana Kisseleff schrieb, dass Rudolf Steiner bei einer Eurythmie ohne Rezitation oder Musik von einem «gewissen Grad der Vollkommenheit» sprach: «Nach ihrer weiteren Entwicklung werde […] die Eurythmie keine Begleitung mehr brauchen.» Seit Jahren biete ich ein offenes Training für Eurythmisten an. Aus dieser Begegnung mit Kollegen entstanden mehrere Programme, zum Beispiel ‹In uns oder nirgends› (Novalis, 1. Hymne an die Nacht) und ‹Ich, Pilger ... Projekt Mensch› in Zusammenhang mit den Goldberg-Variationen. Anfang 2011 habe ich das Angebot erweitert: Zu Körperarbeit und eurythmischen Grundübungen kamen eurythmische Improvisationen zur Sensibilisierung unserer Bewegungssprache. Das Projekt ‹OhneTitel/OhneNetz› entstand (Besprechung im ‹Goetheanum› Nr 24/2012). Alle vier mitwirkenden Eurythmistinnen arbeiten in ihrem Beruf als Lehrerin an einer Waldorfschule. Das ist eine enorme Herausforderung. Doch Konzentration und Substanz, die in einer Bühnensituation erzeugt werden, bewirken eine Art ‹Grenzerweiterung› der eigenen Persönlichkeit, was sich positiv auf Alltag und Beruf auswirkt und in die künstlerische Ausübung wieder einfließt. Jeder ist ganz bei sich selbst, akzeptiert seine Möglichkeiten und gestaltet damit geistesgegenwärtig im eurythmischen Raum. Nichts ‹vorstellen› zu müssen, wie es im Schulalltag oft passiert, ganz bei sich selbst sein zu dürfen, wird als Erleichterung erfahren. Zurzeit arbeite ich an einem Soloprogramm, das Anfang September 2012 in Berlin Premiere haben wird.

Die schwelenden Prozesse, die einem Krieg vorausgehen, machen sich bereits lange vor seinem Ausbruch im Alltag bemerkbar. Und dann ist plötzlich das Unvorstellbare da und verändert das Leben radikal. Es ist, als hätte der Krieg unsichtbare Falltüren im Untergrund präpariert, in die man jederzeit hineintappen kann. Einige Menschen weichen den Falltüren aus, andere fallen in die Grube hinein, leben in der Dunkelheit und gewöhnen sich an sie. Es gibt aber auch Menschen, die es wagen, über die Falltüren zu gehen. Sie lesen der Umwelt ab, wo sich die Falltüren befinden, und lernen, statt auf den Boden wieder in die Weite zu schauen. Was ist ihr Geheimnis? Ein zentraler Schlüssel dazu ist, die Krise zu überwinden und in verwundeten Seelen Heilung anzuregen. Der Alltag der Kinder und Erwachsenen verändert sich nach einem Krieg von Jahr zu Jahr deutlich. Viele Menschen haben Verwandte verloren oder wissen nicht, ob sie noch am Leben sind. Der lange Mangel an Lebensnotwendigem, Unterernährung und fehlende medizinische Versorgung haben oftmals gesundheitliche Folgen. Hinzu kommen kriegsbedingte Umweltschäden sowie Gefährdungen durch Minen und Bauten, in denen spielende Kinder durch fehlende oder nicht fixierte Geländer verunfallen können. Viele Familien fühlen sich zudem überfordert. Häufig helfen Kinder und Jugendliche ihren Eltern und verdrängen ihre eigenen altersgemäßen Bedürfnisse. Sie übernehmen die Aufgaben ihrer Eltern und oftmals die Verantwortung für jüngere Geschwister. Das alles hat große Auswirkungen auf die Schule und das Leistungsvermögen der Kinder. Das heißt, dass die Schule in Krisengebieten nicht auf sogenannte ‹normale› Umstände ausgerichtet werden kann. Das fängt bei den Schulhäusern an, die wieder aufgebaut werden müssen, was auch Chancen birgt: Vielfach wird gerade nach einem Krieg unter Mithilfe von internati-

Aufführungen, Kurse, Kontakt: www.birgithering.de Foto: Conny Fischer

onalen Organisationen eine Schulreform eingeleitet, der starre Frontalunterricht wird erweitert und dadurch ein anderer Grundriss der Klassenzimmer angeregt: für einen zukünftigen Förderunterricht, für Unterricht in geteilten Klassen oder für künstlerische Tätigkeiten. Befindet sich das Schulhaus in einer ländlichen Gegend, lohnen sich Prognosen über die Bevölkerungszahl in den nächsten Jahren, um vorausschauend zu planen. Unter Umständen kann es einfacher sein, eine Privatschule zu gründen, als die öffentliche Schule zu stärken. So fand zum Beispiel die Schule vor dem Krieg im Kosovo jahrelang teilweise nur noch in privaten Einrichtungen statt. Es ist klar, dass die Infrastrukturprobleme je nach Größe der Katastrophe unterschiedlich ausfallen und Prioritäten auch regional gesetzt werden müssen. Schule kann dabei nicht überall auf der Welt gleich sein. Vielmehr ermuntert die von David Selby entwickelte ‹Global Education› dazu, die Schule der jeweiligen Lebenssituation anzupassen und dabei sowohl regional als auch kulturell spezifische Begebenheiten zu berücksichtigen. Zusammen mit dem Konzept des Friedens- und Konfliktforschers Johan Galtung konkretisierte sich für mich die Friedenspädagogik. Ich setze sie nicht mit Waldorfpädagogik oder einer anderen Reformpädagogik gleich; nichtsdestotrotz basiert die Friedenspädagogik, wie ich sie vertrete, auf meinen Erfahrungen als Waldorfpädagogin. Mir ist dabei wichtig, dass man sich bewusst macht, dass Rudolf Steiner die Waldorfpädagogik unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg inauguriert hat. Beatrice Rutishauser Ramm: Frieden lernen. Friedens- und Notfallpädagogik als Herausforderung in Krisenzeiten, AAP-Verlag, Basel 2011 Das Foto wurde im Rahmen eines Pro­ jekts der Caritas von Beatrice Ruthis­ hauser Ramm aufgenommen.

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Remo H. Largo

Eine kleine pädagogische Revolution Jedes Kind ist als soziales und lernendes Wesen einmalig

Interindividuelle Variabilität Wenn Kinder auf die Welt kommen, sind sie bereits sehr verschieden. In den folgenden Jahren werden die Unterschiede zwischen den Kindern immer größer; die Vielfalt nimmt immer mehr zu. Dies gilt für alle Entwicklungsbereiche wie Motorik und Schlaf, aber genauso für Fähigkeiten wie Lesen und Rechnen. Die PisaStudien zeigen in allen Ländern, dass die Schüler sich im Verlauf der Schulzeit immer stärker voneinander unterscheiden. Die individuellen Fähigkeiten und Verhaltenseigenschaften der Kinder setzen sich im Verlaufe der Kindheit immer mehr durch. Die Individualität ist ein Ausdruck dieser großen Vielfalt unter den Kindern. Wenn eine Lehrerin eine Schulklasse mit 20 sechsjährigen Kindern vor sich hat, dann unterscheiden sich die Kinder in ihrem Entwicklungsalter um bis zu drei Jahre. Es gibt Kinder, die mit sechs Jahren ein Entwicklungsalter von sieben bis acht Jahren haben und bereits lesen können. Andere mit einem Entwicklungsalter von vier bis fünf Jahren sind noch weit davon entfernt. Bis zur Oberstufe nehmen die Unterschiede zwischen den Kindern noch einmal deutlich zu. Mit dreizehn Jahren variiert das Entwicklungsalter um mindestens sechs Jahre zwischen den am weitesten entwickelten Kindern und jenen, die sich am langsamsten entwickeln. Hinzu kommt, dass die Jungen als Gruppe im Mittel um eineinhalb Jahre in ihrer Entwicklung hinter den Mädchen zurückliegen. Der Umgang mit dieser sogenannten interindividuellen Variabilität ist für Eltern und Lehrkräfte sehr anspruchsvoll. Im Folgenden soll auf die Vielfalt in einigen Entwicklungsbereichen näher eingegangen und überlegt werden, wie wir mit dieser großen Vielfalt kindgerecht umgehen können.

Motorik Die Verschreibung von Methylphenidat, dem Wirkstoff von Ritalin, hat in Deutschland in der Zeit von 1993 bis 2011 von 34 auf 1760 Kilo zugenommen (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Ritalin bekommen Kinder, die wegen motorischer Unruhe auffallen. Ein wahrscheinlicher Grund für die vermehrte motorische Unruhe ist, dass die Kinder früher ihren Bewegungsdrang besser ausleben konnten. Sie haben im Garten, auf der Straße oder im Wald gespielt. Wenn Kleinkinder und Schulkinder den ganzen Tag in einer Dreizimmerwohnung verbringen müssen, drehen

manche durch – und oft auch ihre Mütter. Ebenfalls verändert haben sich die Wahrnehmung und die Erwartungen von Eltern und Lehrern. Sie möchten die Kinder motorisch ruhiger haben. Ein lebhaftes Kind wird schnell als störend empfunden. Kinder sind jedoch von Natur aus auf Bewegung angelegt. Immer mehr Kinder werden nicht nur als hyperaktiv, sondern auch als ungeschickt betrachtet. Ob Kinder als ungeschickt bezeichnet werden oder nicht, ist hauptsächlich eine Frage der gesellschaftlichen Toleranz. Sind Eltern und Lehrer der Meinung, das Kind genüge motorisch ihren Erwartungen und Anforderungen nicht, ist es ein ungeschicktes Kind. Je mehr diese Intoleranz zunimmt, desto mehr Kinder werden einer Therapie zugewiesen. Sie erhalten Rhythmikunterricht, Ergotherapie oder Psychomotoriktherapie. Was diese Kinder brauchen, ist aber weniger eine Therapie mit der erklärten Absicht, ihre motorische Kompetenz zu verbessern, als vielmehr eine verständnisvolle Unterstützung durch die Familie und die Schule bei fein- und grobmotorischen Tätigkeiten.

Sprache Die sprachliche Kompetenz zu Beginn des Kindergartens oder in der ersten Klasse einer Grundschule ist sehr unterschiedlich. Der Wortschatz unter fünfjährigen Kindern kann um mehr als das Fünffache auseinanderliegen. Die einen Kinder sprechen schon so differenziert wie Achtjährige, andere bringen noch keinen fehlerfreien Satz zustande. Mädchen sind etwas sprachkompetenter als Jungen. Die Differenz zwischen den Geschlechtern ist aber wesentlich kleiner als die Differenzen zwischen dem jeweils besten und schwächsten Jungen beziehungsweise dem besten und dem schwächsten Mädchen. Wichtige Gründe, weshalb Kinder sich sprachlich so unterschiedlich entwickeln, sind das zeitliche Ausmaß und die Qualität der Kommunikation in den ersten Lebensjahren. Was bis ins Alter von fünf Jahren an Grundfähigkeiten nicht vorhanden ist, lässt sich später oft nur noch mit großem Aufwand aufholen. Durch eine verbesserte vorschulische Integration von Kindern aus bildungsfernen Familien würden Lücken gar nicht erst entstehen. Jene Kinder, die beim Eintritt in den Kindergarten oder die Schule sprachlich rückständig sind, in Deutsch-Förderkurse zu schicken, ist wenig entwicklungsgerecht und ineffizient. Wenn die fremdsprachigen Kinder zwischen zwei und fünf Jahren

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ausreichend Gelegenheit haben, mit deutschsprachigen Kindern aufzuwachsen, dann werden sie bei Schulbeginn ein gutes und akzentfreies Deutsch sprechen. Zu einer umfassenden Integration gehört, dass nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern in die Integrationsbemühungen mit einbezogen werden. Dies trägt ganz wesentlich zur Lernmotivation und Sprachentwicklung des Kindes bei. Wie bei der gesprochenen Sprache, sind auch die Kompetenzen im Lesen und Schreiben unter den Menschen sehr unterschiedlich ausgebildet. Einige Kinder beginnen bereits mit drei bis vier Jahren zu lesen, die meisten mit sechs bis acht Jahren, einige erst im späteren Schulalter.

Mathematisches Denken Es gibt Erwachsene, die neun Jahre in die Schule gegangen sind und immer noch nicht rechnen können. Sie sind nicht einmal fähig, beim Einkauf das Geld richtig abzuzählen. Andererseits gibt es die Zahlenkünstler, die im Fernsehen auftreten und schwierigste Rechenleistungen in Sekundenschnelle erbringen. Es kann daher nicht erstaunen, dass die Unterschiede in der mathematischen Kompetenz bei Kindern bereits beim Eintritt in die Grundschule groß sind. Der Entwicklungsstand zwischen dem besten und dem schwächsten Kind liegt mindestens drei Jahre auseinander.

Sozialverhalten Das Sozialverhalten ist komplex, aber weniger, weil es viele verschiedene Bereiche beinhaltet, sondern vielmehr, weil jeder dieser Bereiche von Kind zu Kind sehr unterschiedlich ausgebildet sein kann. Ein Kind, das sich stark bindet, ist nicht unbedingt auch das Kind, das eine hohe Bereitschaft zum sozialen Lernen aufweist. Ein Kind, das sich gut in andere Menschen einzufühlen vermag, kann über hohe oder niedrige Fähigkeiten der nonverbalen Kommunikation verfügen. Was das Sozialverhalten besonders vielfältig macht, ist, dass jeder Verhaltensbereich von Kind zu Kind unterschiedlich ausgebildet sein kann.

Vielfalt zwischen Kompetenzen Kinder sind nicht nur unter sich sehr verschieden, sondern jedes Kind ist in sich vielfältig (intraindividuelle Variabilität). Das eine Kind ist gut in Sprache, aber schwach in Mathematik; bei einem anderem ist es genau umgekehrt. Diese Vielfalt führt dazu, dass jedes Kind, aber auch jeder Erwachsene sein ihm eigenes Profil von Begabungen und Kompetenzen aufweist. Es ist eine weitverbreitete Furcht unter Lehrern, aber auch unter Eltern, dass sie das Kind zu wenig fordern. Diese Erziehungshaltung führt dazu, dass sie es lieber zu viel antreiben als zu wenig. Zusätzlich kann diese Haltung noch durch das Gefühl verstärkt werden, man habe als Lehrer oder Eltern versagt. Eine persönliche Enttäuschung über das Kind und seine Leistungen mag auch noch mitschwingen. Dieser Druck ist nicht ohne negative Auswirkungen für das Kind. Diese sind schlimmer als die Gefahr einer möglichen Leistungsminderung: Das Kind wird in seinem Selbstwertgefühl und seiner Lernmotivation beeinträchtigt. Diesen Ungleichheiten kann die Lehrerin nur durch eine konsequente Individualisierung des Unterrichts gerecht werden. Jedes Kind darf seinem individuellen Entwicklungs- und Leistungsstand gemäß lernen. In einem

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individualisierten Unterricht kann jeder Schüler seine Stärken und damit seine eigentlichen Begabungen so gut wie möglich entwickeln. Was die Schwächen anbetrifft, versucht die Schule nicht mehr, diese zu eliminieren und das Kind ‹normal› zu machen, sondern dem Kind vielmehr zu helfen, damit so gut wie möglich umzugehen und sie als Teil seines Wesens zu akzeptieren.

Individualisierter Unterricht Jedes Kind lernt in seinem eigenen Tempo und braucht dazu ein maßgeschneidertes Lernprogramm. Individualisierung erfordert daher die Erfassung des individuellen Entwicklungsstandes eines Kindes und ein Anpassen der Anforderung an sein individuelles Leistungsvermögen. Ein individualisierter Unterricht gibt dem Lehrer das Gefühl, das Kind besser erfassen und begleiten zu können – eine große Befriedigung. Wenn der Unterricht individualisiert wird, macht das konventionelle Notensystem keinen Sinn mehr. Beim individualisierten Unterricht ist der Lehrer auf ein Beurteilungsmittel angewiesen, das weit differenzierter sein muss als Noten. Sogenannte Kompetenzraster oder Portfolias, die in den letzten Jahren entwickelt worden sind, erlauben ihm, den Entwicklungsstand eines Kindes möglichst genau und konkret zu erfassen. Im Gegensatz zum Notensystem ermöglicht ein solches Beurteilungsmittel dem Lehrer auch, die nächste Lernstufe für das Kind zu bestimmen und das Arbeitsmaterial dementsprechend auszuwählen. An vielen Schulen bekennt man sich mittlerweile zwar im Grundsatz dazu, doch es besteht noch eine große Unsicherheit darüber, wie der individualisierte Unterricht im Schulalltag zu gestalten ist. Wird der Unterricht nicht individualisiert, sind die Folgen für einen erheblichen Prozentsatz der Schüler gravierend. Denn es muss zwangsläufig zu mehr Über- oder Unterforderungen kommen.

Respektieren der Individualität Die Auswirkungen sind eine tiefgreifende Demotivierung beim Lernen, weil Erfolgserlebnisse oftmals über Jahre hinweg ausbleiben. Damit verbunden sind unzählige Enttäuschungen und Versagensgefühle, die zu einem verminderten Selbstwertgefühl führen. Wenn wir akzeptieren, dass der individualisierte Unterricht nicht nur eine strukturelle Modifikation darstellt, sondern eben eine kleine pädagogische Revolution bedeutet, müssen wir auch bereit sein, dieses ‹Opfer› zu erbringen. Dazu gehört, dass Noten nicht mehr als Druckmittel zum Lernen eingesetzt werden und der Unterricht so gestaltet wird, dass die Kinder von sich aus lernen wollen. Das Beste, was wir Erwachsene in Familie und Schule tun können, ist, das Kind in seiner Individualität von klein auf zu respektieren. Damit ermöglichen wir dem Kind, zu dem Wesen zu werden, das in ihm angelegt ist.

Remo H. Largo ist ein Schweizer Kinderarzt und Fachbuchautor Bild auf der vorangehenden Seite aufgenommen während der Weltlehrertagung am Goetheanum.


Jost Schieren

Das Rätsel des Ich Das Ich ist eine Pendelbewegung zwischen Verbindung und Trennung von der Welt. Goethe und Novalis suchten entgegengesetzte Wege zu diesem Allerheiligsten. Dieses Rätsel im anderen Menschen sollte der Pädagoge nicht lösen, sondern bewahren.

Rätsel Friedrich Hölderlin hat in seiner Hymne ‹Der Rhein› den Fluss mit dem Lebenslauf eines Menschen verglichen. Die folgenden Sätze aus dem Gedicht sollen dieser Darstellung als Motto vorangestellt sein: «Ein Rätsel ist Reinentsprungenes. Auch der Gesang kaum darf es enthüllen.» Hölderlin bringt mit diesen Sätzen zum Ausdruck, dass das Innere eines Menschen, das Ich, ein Rätsel ist, an das nicht gerührt werden darf. In ähnlicher Weise beschreibt es auch Rudolf Steiner in der Schrift ‹Theosophie›. Er legt dar, dass das menschliche Ich uneinsehbar für einen Außenstehenden sei. Auch ein Eingeweihter könne es nicht wahrnehmen: «Das Ich bleibt als die eigentliche Wesenheit des Menschen ganz unsichtbar. […] dieses ist wirklich in dem ‹verhangenen Allerheiligsten des Menschen›.» Rudolf Steiner verweist hier mit den Worten Jean Pauls auf die rätselvolle Unantastbarkeit, auf das ‹Allerheiligste› des Menschen. Das menschliche Ich wird in einer beinah religiösen Stimmung beschrieben. Ähnliche Darstellungen finden sich auch bei Schiller in seinem Gedicht ‹Das verschleierte Bild zu Sais› und bei Novalis in dem Märchen von ‹Hyazinth und Rosenblüt›. Wenn wir als Lehrer das Klassenzimmer betreten und über unsere Schüler nachdenken, beschäftigt uns die Frage: Wer sind die Schüler, die vor uns sitzen? Was ist ihre Persönlichkeit? Wie können wir den einzelnen Schüler verstehen und fördern? Uns beschäftigt die Frage: Was ist das Ich dieses oder jenes Schülers? Und wir wissen, dass wir diese Frage eigentlich nicht beantworten können. Die Intimität dessen, was ein Ich ist, ist tatsächlich unhintergehbar. Das menschliche Ich ist unantastbar. Es ist für keinen ansichtig, außer demjenigen, der es vollzieht, und das ist das Ich selbst. Wir greifen demnach immer zu kurz, wenn wir glauben, das Ich eines Menschen begreifen zu können. Wir können die Spuren des Ich erahnen und anhand der Spuren einen Eindruck von seiner Rätselhaftigkeit haben, aber wir können es eigentlich nicht begreifen. Trotzdem reden wir gerne und viel über andere Menschen. Wir bilden Urteile, dass der Mensch so und so sei. Aber vielleicht tun wir dies nur deshalb, weil wir von der Rätselhaftigkeit des Ich eines anderen Menschen so berührt sind. Unser inneres Wahrheitsempfinden sagt uns eigentlich sehr deutlich, dass wir mit unseren

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Urteilen über andere Menschen immer zu kurz greifen. Für uns Pädagogen ist es wichtig, dass wir uns des Abstandes zum Rätsel des menschlichen Ich immer bewusst bleiben. Wir sind, wenn wir gute Pädagogen sind, Bewahrer dieses Rätsels. Wir geben unseren Schülern das zuversichtliche Gefühl dafür und den Glauben daran, dass jeder von ihnen ein solches Rätsel in sich trägt und dass das menschliche Leben darin besteht, dieses Rätsel, auch wenn wir es nicht lösen können, wertzuschätzen. Denn es ist schlimm und schädlich, wenn der Mensch nicht den Zauber seiner eigenen Individualität erahnt, und ebenso schlimm, wenn er oder irgendein Außenstehender glaubt, dieses Rätsel schon gelöst zu haben.

Entstehung des Ich-Bewusstseins Was sind nun aber die besonderen Merkmale dieses Ich? Rudolf Steiner legt dar, dass, obwohl das Ich selbst etwas Altes sein mag, das Ich-Bewusstsein, über das wir heute verfügen, kulturgeschichtlich relativ jung ist. In der Kunstgeschichte blicken wir auf Gestalten wie Dürer oder besonders auch Rembrandt, die der neuen Erfahrung eines selbstständigen Ich-Bewusstseins Ausdruck verliehen haben. Rudolf Steiner und viele Historiker mit ihm haben in dieser Zeit einen Epochenumbruch verortet. Es wird eine neue Bewusstseinskraft in der Seele geboren, die eine andere Form des Sich-seiner-selbst-bewusst-Seins ermöglicht. Hieran solle – so leitet Rudolf Steiner seine Vorträge zur ‹Allgemeinen Menschenkunde› ein – auch eine neue Pädagogik anknüpfen. Diese neue Pädagogik solle dem Rechnung tragen, was bewusstseinsgeschichtlich in der Zeit um das 15. Jahrhundert herum passiert ist, nämlich, dass ein neues Selbstbewusstsein in der Menschheit erwacht ist. Insofern kann man Waldorfpädagogik auch Ich-Pädagogik nennen, weil sie in besonderer Weise auf die neue Darlebensform des menschlichen Ich eingeht und dieser versucht, gerecht zu werden. Die Entwicklung des neuen Selbstbewusstseins hat sich auch in der Philosophie gezeigt. Wir werden dabei sogleich an den Satz von René Descartes erinnert: «Cogito ergo sum» («Ich denke, also bin ich»), der das Ich-Bewusstsein allein auf die Existenz des Denkens begründet hat. Dies ist in der Aufklärung fortgesetzt worden. Hier spricht Kant von der anima rationale, von der «vernunftbegabten


Seele». In gewisser Weise findet hier allerdings auch eine Verengung beziehungsweise Verkürzung statt, auf die auch Rudolf Steiner hingewiesen hat. Denn das menschliche Ich ist viel mehr als nur unsere Vernunft und unser Vernünftigsein. – Wir tun zwar in der Schule viel dafür, dass die Kinder vernünftig werden, aber wir wollen ja nicht nur vernünftige Kinder. Diese Spannung zwischen dem vernunftgegründeten und in gewisser Weise auch autonom gewordenen Ich-Bewusstsein und dem Ich des Menschen ist in der Zeit des 18. Jahrhunderts deutlich empfunden worden. Goethe hat sich mit einer gewissen Vehemenz dagegen gewehrt, dass man zu viel in das vernunftbezogene menschliche Ich hineinlegt. Hier liegt auch sein anfänglicher Konflikt mit Schiller begründet. Er schreibt über Schiller: «Die Kantische Philosophie, welche das Subjekt so hoch erhebt, indem sie es einzuengen scheint, hatte er [Schiller; JS] mit Freuden in sich aufgenommen, sie entwickelte das Außerordentliche, was die Natur in sein Wesen gelegt, und er, im höchsten Gefühl der Freiheit und Selbstbestimmung, war undankbar gegen die große Mutter [die Natur; JS], …» Zwar macht das neu gewonnene Ich-Bewusstsein frei und der Mensch kann sich unabhängig von Kirche und Staat allein auf sein eigenes Denken beziehen. Aber Goethe wehrt sich gegen die zu große Subjektorientierung der idealistischen Philosophie, weil sie zu einer Art Selbstüberhöhung des Menschen führt, er sich in der Allmacht der eigenen Vernunft dabei über die Natur stellt und sich dadurch isoliert. Heute, in Anbetracht unserer zivilisatorischen Probleme der Naturzerstörung und der Selbstherrlichkeit unserer Technologie, bemerken wir erst, wie recht Goethe damit hatte. Wir haben unseren Selbstgewinn mit unserem Weltverlust erkauft. In der Waldorfpädagogik sehen wir genau hier unsere Verantwortung, denn wir wollen nicht, dass die Schüler in selbstherrlicher Intellektualität hochmütig werden und keinen Bezug mehr zu den Dingen der Welt haben. Wir wollen, dass sie sich verantwortungsvoll mit der Welt verbinden. Sie sollen an der Welt ihre Fähigkeiten entwickeln, sie sollen ihre Hände gebrauchen lernen. Ihr Denken soll nicht von den Dingen der Welt getrennt stattfinden. Das ist ein goethesches Element in unserer Pädagogik, dasjenige der Weltverbindung und Weltteilhabe.

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Steiners Kritik an Goethe Nun ist interessant, dass gerade hier auch ein Kritikpunkt Steiners an Goethe liegt. Rudolf Steiner hat Goethe eigentlich nie kritisiert, aber hier tut er es. Er kritisiert, dass Goethe zwar eine große Hinwendung zur Natur vollzogen habe, aber nie in den Bereich der Selbstvergegenwärtigung des menschlichen Bewusstseins eingetreten sei. Goethe selbst hat dies immer wieder entschieden betont, indem er das delphische ‹Erkenne dich selbst!› als eine «List geheimverbündeter Priester» bezeichnet hat, die den Menschen von seinem wahren Lebenszweck abziehen wollen. Und er hat auch ironisch formuliert: «Ich hab es klug gemacht; Ich habe nie über das Denken gedacht.» Der Weg der Introspektion, der Innenbetrachtung des menschlichen Bewusstseins ist nicht Goethes Weg gewesen. Durch diese Haltung hat er sich in einen entschiedenen Gegensatz zu seiner Zeit, zum deutschen Idealismus und zur Romantik begeben. Er war diesbezüglich isoliert und es war eigentlich nur die Freundschaft zu Schiller, die einen Ausgleich geschaffen hat.

Novalis Die Romantik bildete ebenfalls einen Gegenpol zur vernunftbegründeten Aufklärung. Sie hat sich in gleicher Weise, wie Goethe, gegen die Vernunftskälte, gegen den Reduktionismus der Rationalität gewehrt. Aber sie hat nicht den Weg in die Natur gesucht, den Goethe eingeschlagen hat, sondern sie hat den Weg in das menschliche Innere gewählt. Sie ist in den Gefühls- und Willensbereich des menschlichen Bewusstseins eingetreten. Sie hat versucht, den Ort zu finden, wo unser Denken, wo unser Bewusstsein seinen Ursprung nimmt. Allen voran ist Novalis zu nennen, der die Frage nach dem menschlichen Inneren, nach dem menschlichen Ich gestellt hat. Von ihm kommt der berühmte Satz aus den ‹Blütenstaub›-Fragmenten: «Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und Zukunft. Die Außenwelt ist die Schattenwelt, sie wirft ihren Schatten in das Lichtreich. Jetzt


scheint es uns freilich innerlich so dunkel, einsam, gestaltlos, aber wie ganz anders wird es uns dünken, wenn diese Verfinsterung vorbei, und der Schattenkörper hinweggerückt ist. Wir werden mehr genießen als je, denn unser Geist hat entbehrt.» Novalis hat diese Wendung nach innen – die zunächst so ganz und gar ungoethesch erscheint – nach dem Tod seiner Verlobten Sophie von Kühn vollzogen. In gewisser Weise ist es ein esoterischer Schritt und es bedarf der Meditation, um ihn zu verfolgen. Novalis war der Überzeugung, dass im Innern des menschlichen Bewusstseins eine Kraft geistiger Art lebt, die ständig betäubt wird von den heranbrandenden Sinneseindrücken und der darauf begründeten Vernunft. Dieses so genannte Vorstellungsbewusstsein verkürzt unsere eigene geistige Dimension. Es ist der Schattenkörper, der das geistige Licht unseres eigenen Bewusstseins verfinstert. Dieses Vorstellungsbewusstsein ist sowohl blind für das Geistige in der Welt – für das Goethe erwacht war –, als es auch taub ist für das Geistige im Menschen, das Novalis versuchte aufzuspüren. […]

Trennen und Verbinden Wie äußert sich nun das menschliche Ich? Es äußert sich durch eine immerwährende Aktivität. Es ist der geistige Herzschlag unserer Persönlichkeit. Diese Aktivität des Ich, die wir in unserem Bewusstsein vollziehen, ist eine Art ‹magische› Tätigkeit, deshalb hat Novalis auch von einem ‹magischen Idealismus› gesprochen. Diese Tätigkeit lautet: Trennen und Verbinden. Goethe ist sich dieser Tätigkeit im Umgang mit den Welterscheinungen bewusst geworden und hat sie zeitlebens geübt und geübt und geübt. So, wie wir Pädagogen in gewisser Weise das Rätsel der vor uns sitzenden Schüler lösen wollen, so wollte Goethe das Rätsel der Pflanzenerscheinungen lösen. Er wollte wissen, was der Pflanzenwelt zugrunde liegt? Und er konnte zuletzt als das Prinzip der Pflanzenmetamorphose die wechselnde Bewegung von Zusammenziehung und Ausdehnung benennen. Dies ist auch ein Trennen und Verbinden. Er hat bei zahlreichen Welterscheinungen die geistige Fähigkeit des Mitvollzugs von Trennen und Verbinden bis zur Ver-

vollkommnung erlernt und bemerkt, wie er damit der unendlichen Macht des Geistigen nahekommt. In einem Gedicht bezogen auf Wolkenerscheinungen, heißt es: «Dich im Unendlichen zu finden, Musst unterscheiden und dann verbinden.»

Verbinden Was Goethe als die geistige Wirksamkeit in der natürlichen Welt erkannt hat, ist zugleich die eigentliche Tätigkeit des menschlichen Ich. Das Ich ist die Kraft, die sich mit allem verbinden kann, indem es sagt: Das bin ich alles. In den Upanishaden heißt es «Tat Twam Asi» – «Das bist Du». Darauf ist unser Weltbewusstsein gegründet. Indem wir uns erkennend mit den Dingen der Welt, mit den anderen Menschen verbinden, werden wir zur Welt, werden wir in gewisser Weise der andere Mensch. Ein Meditationswort Rudolf Steiners lautet entsprechend: «Ich empfinde mich denkend eins mit dem Strome des Weltgeschehens.» Ich befinde mich als Erkennender in Identität mit den Dingen um mich herum: Die Blüte, der Baum, der Freund – das sind alles Teile von mir. Die Aussage «Das bin ich alles» kann als eine Art Motto für die frühkindliche Pädagogik im ersten und im zweiten Lebensjahrsiebt stehen. In dieser Zeit versuchen wir den Kindern Brücken zu bauen, dass sie sich mit der Welt und dadurch auch mit ihrem eigenen Leib verbinden können. Sie sollen die Welt lieben lernen und sich darin als GeistSeele, als Seelen-Geist beheimaten. Und sie sollen auch ihren Leib lieben lernen. Das tun sie, indem sie dankbar die Sinneseindrücke aufnehmen, die uns unser Leib vermittelt. Allerdings muss man den Sinnesbegriff hier etwas weiter fassen. […]

Bewegung Es gibt aber neben der Sinnesempfindung noch weitere Tätigkeitsformen, durch die sich Kinder mit der Welt verbinden. Eine davon lautet: Bewegung. Indem sich Kinder bewegen, zappeln sie ja nicht einfach nur herum. Die Bewegung wird mit der Zeit immer koordinierter, immer klarer und zielgerichteter, wenn Kinder laufen, springen, klettern oder balancieren lernen. Sie werden immer

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geschickter und bilden Fähigkeiten aus. Jede Bewegung, die wir ausüben, führt zu neuen Fähigkeiten. Dies bedeutet, dass wir in unseren Bewegungen mit der Welt in einen Austausch treten. Wir befinden uns bewegend in Übereinstimmung mit der Welt. Denn die Fähigkeiten, die wir ausbilden, bedeuten, dass wir mit den Besonderheiten und Gesetzmäßigkeiten eines Weltbereiches in Übereinstimmung sind. Wenn ich eine Geige spielen lernen möchte, so geschieht dies nicht, indem ich in einem Jahr fünf Bücher über das Geigenspiel lese, sondern indem ich es tue und übe und übe und übe. Dabei treten die Bewegungen meiner Finger und meiner Arme immer mehr in Übereinstimmung mit den Gesetzmäßigkeiten des Instrumentes. Eigentlich lehrt uns die Geige selbst, wie sie gespielt werden muss. Wir werden demnach in jeder Bewegung, in jeder Fähigkeit ein Teil von der Welt oder umgekehrt: Die Welt wird ein Teil von uns. Mittels unseres Leibes können wir an der Welt teilhaben und uns darin verwirklichen. Darüber freuen sich Kinder und überhaupt jeder Mensch. Wir freuen uns als Menschen, wenn wir etwas können. Das hat nichts mit Eitelkeit oder Hochmut zu tun, sondern wir freuen uns deshalb, weil wir uns durch unsere Fähigkeiten mit der Welt verbinden und ein wirklicher Teil von ihr werden. In der Pädagogik der ersten beiden Lebensjahrsiebte ist das Motiv der Weltteilhabe, der Weltverbindung leitend.

Trennen Aber es gibt auch die andere Tätigkeit, die sagt: Das bin ich alles nicht. Sie führt in einen anderen Bereich hinein. Hier trennt sich das Ich von der Welt. Darauf gründet sich unser Selbstbewusstsein, wie es um das 15. Jahrhundert herum entstanden ist. Ich habe hier die Kraft, mich von allem zu verabständigen. Ich bin dann derjenige, der sich von allem anderen unterscheidet. Diese Kraft der Distanzierung, der Verabständigung kommt stärker aus dem Innern der Kinder im Rubikon und in der Pubertät. Dies kann bis zu einem gewissen Bruch führen und zum Teil sehr schmerzhaft sein. Wir fühlen uns an die Stelle aus dem Novalis-Zitat erinnert, die sagt, dass es im Innern «so dunkel, einsam, gestaltlos» sei. Der heranwachsende Jugendliche erfährt das Getrenntsein von der Welt in diesem Sinne immer wieder auch als großen Schmerz. Die Kraft der Individualisierung scheint größer geworden zu sein. Hier liegt die Gefahr, dass eine gewisse Vereinseitigung aufkommt. Denn eigentlich geht es darum, eine rechte Balance zu finden. […]

Vorstellung und Wille Steiner hat diesen Rhythmus von Trennen und Verbinden weiterverfolgt und dargelegt, wie er sich in unserem Bewusstsein ereignet. Er spricht von Vorstellen und Wollen. Im Vorstellen sind wir eher von den Dingen der Welt getrennt. Es ist eine eher antipathische Geste. Steiner sagt, wir seien dann nicht im Sein. Und im Wollen fließen wir sympathisch mit den Dingen der Welt zusammen. Er problematisiert dann eine Erziehung, die zu sehr am Vorstellungspol, an dem Trennungserleben anknüpft, und weist dezidiert darauf hin, dass Waldorfpädagogik viel stärker eine Willenserziehung sei. Warum ist das so? Das Problem liegt darin, dass sich, erkenntnistheoretisch betrachtet, in jeder Vorstellungsbildung die Kraft des Sich-Trennens in gewisser Weise verfestigt und zu beharrlich wird, dadurch entsteht unser Bewusstsein. Es ist dann ein starkes Selbstbewusstsein, aber eines, das sich nicht mehr recht mit der

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Welt verbinden kann. Es ist wie bei einem Pendel, das in einem Ausschlagpunkt festgehalten wird. Hierdurch wird Bewusstsein begründet. Die Trennung findet statt, damit Bewusstsein entsteht. Aber das Bewusstsein sollte nicht vollständig von den Dingen der Welt getrennt werden. Eigentlich ist jeder Abstraktionsvorgang eine solche Trennung. Deshalb fällt den Schülern der Weg in die Abstraktion so schwer. Dem Verstand fällt es leicht, er kann schnell abstrahieren, das sieht man bei intelligenten Schülern. Aber eigentlich ist, wenn der Verstand schnell abstrahiert, das menschliche Ich nicht anwesend. Das Ich ist ja gerade die Kraft, die den Pendelschlag zwischen Verbinden und Trennen immerwährend ausführt. In der Pendelbewegung der Verbindung heißt es: Das bin ich alles. Das Ich verbindet sich mit der Welt. Und in der Pendelbewegung des Trennens heißt es: Das bin ich alles nicht. Hierauf gründet sich das Selbstbewusstsein. Der Mensch löst sich dann aus den Welterscheinungen heraus. Und genau dies geschieht in jedem Abstraktionsvorgang, der durch das Denken vollzogen wird. Deshalb tun Abstraktionen immer etwas weh. Schlaue Kinder können es mit ihrem Verstand leicht und schnell vollziehen und bemerken den Schmerz zunächst nicht. Er tritt erst später auf, wenn sie den Weltverlust, der damit einhergeht, erfahren. Weniger schlaue Kinder bemerken den Schmerz sofort. Und hier setzt die Waldorfpädagogik gerade an. Sie versucht es in ihrer Didaktik so einzurichten, dass das Ich auch im Abstraktionsvorgang anwesend bleibt, damit das Pendel weiterschwingen kann und nicht auf der einen Seite wie festgehalten wird und ein überstarkes Trennungsgefühl entsteht. Viele didaktische Anregungen und Ideen Rudolf Steiners zielen in diese Richtung. Er schlägt zum Beispiel vor, dass die Lehrer die Buchstaben mit einer Geschichte und einem Bild einführen sollen und erst am Ende die einzelne Buchstabenform daraus entwickelt werden solle. Dieser Vorschlag rührt meiner Ansicht nach nicht daher, dass die Kinder das Lesen und Schreiben dann leichter, besser und schneller lernen können. Der Grund liegt vielmehr darin, dass auf diese Weise die Kinder als ganze Menschen nicht nur mit ihrem Verstand, sondern auch mit ihrem Fühlen und Wollen in den Vorgang der Abstraktion eingebunden sind. Sie haben sich mit der Geschichte und dem Bild innerlich verbunden und können den Schritt in die Abstraktion der einzelnen Buchstabenform vollziehen. Man kann es so ausdrücken, dass die Kinder auf dem Weg in die Abstraktion nicht die Welt verlieren. Auf diese Weise wird immer der ganze Mensch angesprochen und der Wille des Kindes, der aktive Pendelschlag des Ich, bleibt immer tätig und kommt nicht zur Erstarrung.

Ich-Pädagogik Womit verbindet sich aber nun das Ich und wovon trennt es sich? Es verbindet sich mit allem, in das es geistig eintauchen kann und es trennt sich von allem, was ungeistig ist, um daran Bewusstsein zu entwickeln. Das Ich wird selbst zum Geist. Denn das menschliche Ich ist nur denkbar, wenn man es versteht als etwas, das Geistiges in sich erfahren kann. Das menschliche Ich ist die Hingabefähigkeit an den Geist und es hat die Fähigkeit, sich in dieser Hingabe bewusst zu erhalten. Natürlich ist es auch so, dass wir uns im Laufe unseres Lebens auch mit vielem verbinden, was bei näherer Betrachtung gar nicht so geistig ist, aber dies liegt daran, dass unsere Urteilsfähigkeit das Ich nicht vor Illusionen schützt. Wir verbinden


uns mit vielem, weil wir damit die Illusion verbinden, es handele sich um etwas Geistiges. Hier liegt dann eine Verführung vor. Es ist also eine Seite unserer Aufgabe, die Kinder und Jugendlichen im goetheschen Sinne in die Welt einzuführen und sie an der Welt teilhaben zu lassen. Das ist aber nur die eine Seite. Es kommt noch die andere Seite, die Selbsterfahrung und Selbsterkundung, hinzu. Hier hat die Waldorfpädagogik eine besondere Verantwortung, weil sie die einzige Pädagogik ist, die einen spirituellen Ich-Begriff hat, das heißt, sie weiß, dass das Wesen des menschlichen Ich darin besteht, sich mit dem Geist in Freiheit und selbstständig zu verbinden. Das ist von Novalis in ungeheurer Größe vorentworfen worden. Es heißt in den ‹Blütenstaub-Fragmenten›: «Die höchste Aufgabe der Bildung ist, sich seines transzendentalen Selbst zu bemächtigen, das Ich seines Ichs zugleich zu sein.» In ähnlicher Weise formuliert es auch Rudolf Steiner: «Das Größte, was man vorbereiten kann in dem werdenden Menschen, in dem Kinde, das ist, dass es im rechten Momente durch das Verstehen seiner selbst zu dem Erleben der Freiheit kommt. Wahre Freiheit ist inneres Erleben.» Wichtig bei dieser Aussage ist, dass wir als Pädagogen hier lediglich etwas vorbereiten. Denn das Rätsel des menschlichen Ich wird nicht durch die Schule gelüftet. Es ist ja ein Rätsel, das gleichermaßen für die Außenwelt wie für das Individuum selbst besteht. Und es ist, wie Rudolf Steiner anführt, eine Frage des rechten Momentes, wann ein Mensch zu einem Verstehen seiner selbst geführt wird. Wie geht nun die Pädagogik damit um? Sie wird darum bemüht sein, dass ein junger Mensch sich selbst und seinen eigenen Gefühlen und vor allem auch seinen Idealen zu vertrauen lernt, dass er nicht frühzeitig desinteressiert oder zynisch wird.

Moral Ein guter Lehrer wird immer auch die Entwicklung von Tugenden, die Entwicklung der Moral mitberücksichtigen. Woher kommt denn Moral? Es ist eine der großen Intuitionen, die Rudolf Steiner in seiner ‹Philosophie der Freiheit› entwickelt hat, dass Ethik und Moral allein aus dem menschlichen Ich kommen. Sie erwachsen der Freiheit des Ich. Treue, Geduld, Dankbarkeit, Gelassenheit, Verzicht – das sind alles Qualitäten, die einen inneren ich-haften Kraftimpuls benötigen, damit sie hervortreten. Sie kommen nicht von selbst, sondern indem sich der Mensch dazu entscheidet. Weil wir daher auf die Moral nicht so sicher rechnen können, so schaffen wir allerlei verschiedene gesellschaftliche Institutionen (Justiz, Polizei, …), die dann greifen, wenn diese freie Tat des Ich unterbleibt. Das ist auch sinnvoll, aber in der Pädagogik gilt, dass wir möglichst aufmerksam sein sollten, dass sich freie moralische Einsichten und Taten entwickeln mögen. Um dies zu gewährleisten, hat Rudolf Steiner betont, dass die frühkindliche Erziehung ganz frei von Ermahnungen und Strafen sein solle. Dies heißt nicht, dass man nicht auch streng ist und sein muss, aber eben nicht ‹moralisierend›, sondern sachbezogen. Es ist wichtig, dass hier kein moralischer Druck erzieherisch aufgebaut wird, sondern dass bei den Kindern und Jugendlichen ein freier und freudiger Impuls entsteht, moralische Tugenden entwickeln zu wollen. In den ersten Kindheitsjahren wird so etwas wie das Moralempfinden ausgebildet. Dies geschieht stärker durch die Nachahmung, daher ist es so wichtig, dass Kinder moralisch gute Lehrer zum Vorbild haben. Ein eigenes Moralbewusstsein entsteht in der Pubertät. Das

Denn das Rätsel des menschlichen Ich wird nicht durch die Schule gelüftet. Es ist ja ein Rätsel, das für die Außenwelt wie für das Individuum selbst besteht. Und es ist eine Frage des rechten Momentes, wann ein Mensch zu einem Verstehen seiner selbst geführt wird. entwickelt sich dann eher am Widerspruch, was die Pubertätszeit oft so schwer erträglich macht. Schüler sagen in diesem Alter sehr deutlich, was alles ungerecht und moralisch falsch ist. Aber es ist eben die Besonderheit des Bewusstseins, dass damit auch immer eine Abgrenzung verbunden ist. Die Fähigkeit, ‹Nein› zu sagen, von etwas Abstand zu nehmen, ohne dass man von außen dazu veranlasst wird, dies ist in gewisser Weise oftmals ein noch größerer Indikator für das Ich. Das Ich zeichnet sich dann dadurch aus, was es nicht tut und nicht sagt. Das wirkt manchmal etwas unbefriedigend, allerdings gibt es bei gewöhnlichen Menschen im Laufe der Biografie gar nicht so viele echte Ich-Taten, also Taten, in denen das Ich wirklich anwesend ist. Und gerade das moralische Leben tritt oft deutlicher in der Negation auf. Bei einigen großen Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi tritt das Moralische nicht bloß in der Negation, sondern als sichtbare Kraft auf. Aber bei gewöhnlichen Menschen fällt es eher dadurch auf, wenn wir etwas nicht tun und nicht sagen, dass wir zum Beispiel nicht ‹stehlen› oder den anderen Menschen nicht ‹verletzen›.

Urteil Ein wichtiger Aspekt neben der Moral ist für die Ich-Qualität die Urteilsbildung. Die Fähigkeit, selbstständige Urteile zu bilden, entsteht ebenfalls in der Pubertät. Ein Urteil hat immer Ich-Qualität, denn darin sind Trennen und Verbinden wie zusammengezogen. Es ist eine Verbindung, die zugleich vieles andere ausschließt. Wenn man beispielsweise sagt: «Der Garten ist groß», so verbindet man den ‹Garten› mit der Qualität ‹groß› und gleichzeitig trennt man ihn von vielen anderen möglichen Qualitäten, die in dem Urteil nicht zum Tragen kommen: etwa ‹klein›, ‹ungepflegt› oder ‹geheimnisvoll›. In jedem Urteil wird demnach durch das Ich eine Entscheidung gefällt. Darauf baut das Ich auf. Das heißt nicht, dass Urteile immer individuell zustande kommen oder dass sie gar richtig sind. Die meisten Urteile sind gar nicht individuell, sie werden von anderen Menschen übernommen, von denen wir glauben, dass sie mehr verstehen, als wir selbst. Der Inhalt des Urteiles ist also oft nicht individuell und selten richtig, aber wir stehen mit unserem Ich für das Urteil. Wir richten uns danach, wir verteidigen es gegenüber anderen. Wir stehen für unsere Urteile gerade. Das ist ein Teil des Erwachsenwerdens. Insofern sollten wir die Urteile der Heranwachsenden ruhig ertragen können und nicht immer alles richtigstellen wollen. Dies führt nur zu endlosen Argumentationen. Wir können die Jugendlichen aber als gute Oberstufenlehrer ‹kitzeln›, damit sie sich nicht zu schnell mit ihren Urteilen zufriedengeben. Wir können andere Sichtweisen freilassend danebenstellen, wir können mit ihnen ‹pädagogisch› diskutieren.

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Gefühle Es kommt noch etwas Weiteres hinzu: Gefühle. In unseren Gefühlen, in unseren Neigungen, die im Umgang mit den Welterscheinungen entstehen, blicken wir auf etwas, was uns auf sehr geheimnisvolle Art und Weise von unserem Ich Kunde gibt. In unseren Gefühlen erahnen wir, wer wir sind. Sie künden von unserer persönlichen Verbindung zu den Dingen. Novalis hat dieses zarte innere Erleben unnachahmlich beschrieben: «Das willkürlichste Vorurteil ist, dass dem Menschen das Vermögen außer sich zu sein, mit Bewußtsein jenseits der Sinne zu sein, versagt sei. Der Mensch vermag in jedem Augenblicke ein übersinnliches Wesen zu sein. […] Freilich ist die Besonnenheit, Sichselbstfindung, in diesem Zustande sehr schwer, da er so unaufhörlich, so notwendig mit dem Wechsel unsrer übrigen Zustände verbunden ist.» Hier beschreibt Novalis die Kraft, die wir benötigen, um uns von der Welt und dem daran gebundenen Vorstellungsbewusstsein wiederum lösen zu können. Steiner beschreibt dies an anderen Stellen schlicht als Denken. Wenn es ‹leibfrei› vollzogen wird, tritt es aus dem Sinnesbezug heraus. Darin kommt man zu sich selbst. Novalis fährt fort. «Je mehr wir uns aber dieses Zustandes bewusst zu sein vermögen, desto lebendiger, mächtiger, genügender ist die Überzeugung, die daraus entsteht; der Glaube an echte Offenbarungen des Geistes. Es ist kein Schauen, Hören, Fühlen; es ist aus allen dreien zusammengesetzt, mehr als alles Dreies: eine Empfindung unmittelbarer Gewissheit, eine Ansicht meines wahrhaftesten, eigensten Lebens. Die Gedanken verwandeln sich in Gesetze, die Wünsche in Erfüllungen.» Diese Darstellung entspricht demjenigen, was Rudolf Steiner als die «Freiheit des inneren Erlebens» beschreibt, auf das die Pädagogik vorbereitet. Es kommt nun eine Stelle, die besonders schön zeigt, wie aufmerksam und klar Novalis die Geistigkeit des menschlichen Ich im Bewusstsein getragen hat. Er verweist auf Erlebnisse, die wir im Umgang mit Welterscheinungen haben, die uns innerlich tiefer berühren und in diesem tiefer Berührtsein, zeigt sich etwas von dem inneren Kern unserer Persönlichkeit von dem Ich. Es heißt weiter bei Novalis: «Auffallend wird die Erscheinung besonders beim Anblick mancher menschlichen Gestalten und Gesichter, vorzüglich bei der Erblickung mancher Augen, mancher Mienen, mancher Bewegungen, beim Hören gewisser Worte, beim Lesen gewisser Stellen, bei gewissen Hinsichten auf Leben, Welt und Schicksal. Sehr viele Zufälle, manche Naturereignisse, besonders Jahrs- und Tageszeiten, liefern uns solche Erfahrungen. Gewisse Stimmungen sind vorzüglich solchen Offenbarungen günstig. Die meisten sind augenblicklich, wenige verweilend, die wenigsten bleibend.» Als Pädagogen haben wir dies im Blick, indem wir unsere Unterrichtsinhalte nicht als Selbstzweck ansehen, so wichtig sie auch sind, sondern sie sind Entwicklungshilfen, an denen die Kinder und Jugendlichen solche intimen Erlebnisse haben können. Wir tragen die Inhalte unseres Unterrichtes so an die Schüler heran, dass sie daran geistige Erlebnisse haben können. Sie werden vertraut mit ihrem Innern und sind vorbereitet auf den ‹rechten Moment›, der oft in Form einer Lebensentscheidung an

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uns herantritt. Die Verantwortung, die die Waldorfpädagogik in dieser Hinsicht hat, ist groß. Denn wir müssen bedenken, dass die Geistkeime Goethes und Novalis, die geistige Kraft des Idealismus und der Romantik kulturgeschichtlich versunken sind. Durch die aufkommende Naturwissenschaft, durch den Positivismus ist die geistige Kultur der Romantik und des Idealismus wie ausgelöscht worden. Damit hat Rudolf Steiner in seiner Zeit gerungen, dass die Schule zu einer stumpfen Lernanstalt für rationale Inhalte ohne ein Verständnis für die Dimension der geistigen Persönlichkeit heruntergekommen ist. Und darüber hinaus hat die schreckliche Erfahrung des Ersten Weltkrieges in dieser Zeit eine junge Generation von Dichtern, die an die Romantik angeknüpft haben, den Glauben an die Geistgegründetheit des menschlichen Ich verlieren lassen. Hier ist Trakl zu nennen, aber auch zum Beispiel Hermann Hesse. […]

Reinkarnation und Schicksal Es sei zum Schluss nochmals auf die eigentliche Tätigkeit des Ich geblickt. Das Großartige in der Darstellung Rudolf Steiners ist, dass die Tätigkeit des Trennens und Verbindens des menschlichen Ich zugleich der Rhythmus von Reinkarnation und Schicksal ist: Indem wir uns mit der Welt verbinden und darin unsere Fähigkeiten erwerben, erlangen wir ein Schicksalsbewusstsein. Dies ist die eine Seite, die goethesche Seite, auf die die Waldorfpädagogik vorbereitet. Aber es gibt noch eine andere Seite, diejenige, die nicht in die Welt, sondern eher in den Innenbereich des Menschen hineinführt. Diesen Weg hat Novalis beschritten. Er führt zum ‹Allerheiligsten› des Menschen. Wir erahnen darin unser Ewigkeitswesen, unser ewig tätiges Ich, das sich an das Geistige hingeben will. Wir müssen uns dabei etwas von der Welt lösen. Hierin liegt etwas schmerzlich Trennendes, das Novalis bei dem Tod seiner Verlobten erfahren hat. Aber wir lernen uns dadurch auch mit unserem Ewigkeitswesen zu verbinden und bemerken, dass es mehr ist als unsere jetzige Verleiblichung. Das ist unser Reinkarnationsbewusstsein. Hierauf bereitet Waldorfpädagogik, die eine Ich-Pädagogik ist, vor. Der Vortrag wurde seitens der Redaktion gekürzt. Eine ungekürzte Version erscheint in der Johannisausgabe der Zeitschrift ‹Anthroposophie›. Fotografie auf Seite 8-9, aufgenommen während der Aufführung ‹Kalevala› der Helsinki Steiner School, Finnland – Musik, Tanz, Eurythmie, Sprache. · Ganzseitiges Bild rechts, Volkstanz vor dem Goetheanum während der Weltkindergärtnertagung. Jost Schieren ist Professor für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Waldorfpädagogik und Leiter des Fachbereiches Bildungswissenschaft an der Alanus-Hochschule in Alfter.


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Claus-Peter Röh

Zwölf Tore zur Welt Was die Sinne an Welt eröffnen, spannt sich von der Leiberfahrung bis zur Wahrnehmung des anderen Ich. Für die Pädagogik zählt, dass die körperbezogenen Sinne jeweils charakteristische Lebensgefühle vermitteln.

Als in Oslo im vergangenen Sommer so viele junge Menschen durch ein Attentat starben, kamen Tausende Trauernde in der Stadt zusammen und begegneten sich in einer so friedvollen Weise, dass für einen Augenblick das zukünftige Allgemein-Menschliche auflebte, das jede enge Grenze der einzelnen Weltanschauung überwindet. Ein norwegisch-irakisch-muslimischher Schriftsteller, Walid Al-Kubaisi, schrieb: «Ich bin ein Muslim, aber nicht nur ein muslimischer Araber, ich bin auch ein Christ, weil ich das Gefühl habe, dass die Wahrheit sich im Menschen verkörpert. Ich bin ein Jude, weil ich glaube, dass ich ein individuell Auserwählter bin, ich bin französisch, weil ich Voltaire liebe, norwegisch, weil Wergeland mich jeden Tag inspiriert …» Dieses viele im einen kommt nirgendso so rein in Erscheinung, wie in dem Konzert der zwölf Sinne des Menschen. Dabei ist die Kindheit ein einiges Fest der Sinne und die Nachahmung ihr fortwährender Quell. Joachim Bauer beschreibt in ‹Lob der Schule› die Forschung über die Spiegelneuronen: «Mitte der 90er - Jahre konnte ein […] neurobiologisches System nachgewiesen werden, dessen einziger Zweck darin besteht, beobachtetes Verhalten anderer Menschen zu simulieren, also auf eine stumme Art ‹nachzuspielen›. Alles, was uns andere vormachen oder zeigen, wird […] leise nachgeahmt.» Diese Hingabe an den Umkreis beim kleinen Kind können wir in verschiedenen Situationen beobachten: Zwei Brüder, 6½ und 4 Jahre, betreten ein fremdes Kinderzimmer. Der ältere sieht in der Ecke einen Kinderbogen und Pfeile stehen. Er ergreift den Bogen, legt wie ein Kenner einen Pfeil ein und schießt. – Der Propfenpfeil zittert an der Scheibe. Voller Hingabe hat der kleine Bruder alles wahrgenommen. Nun nimmt er den Bogen, hält ihn aber an der Sehne fest, sodass alles sich um seine Hand hin und her dreht. Mit der anderen Hand hält er alles fest, muss aber nun auch noch den Pfeil halten. Schließlich steht er gespannt, wie sein Bruder vorher, und hält alles in Richtung Scheibe. Dann merkt er, dass der Abschluss bzw. der Abschuss fehlt – und schließlich wirft er den Pfeil ruckartig an die Scheibe. – Dieses ist ein Beispiel für Nachahmung, aber es ist nicht nur die Frage, was, sondern auch wer nachgeahmt wird. In jeder Nacht trifft das Kind von höherer Warte aus eine Auswahl. Hier ist es der ältere Bruder, den der jüngere bis in jede Geste hinein nachahmen will. Im Kindergarten und Schule bringen die Kinder diesen tiefen Wunsch ihren Erziehern entgegen. Das ist der Schicksals-, der Karma-Aspekt der Nachahmung.

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Der Tastsinn Indem der Tastsinn uns an die Grenze von Leib und Welt bringt, bewirkt er im selben Augenblick, dass wir selbst uns als Mensch in unserem Leib wahrnehmen. Hierin liegt der rätselhafte Doppelaspekt des Tastsinns: Indem wir an der Sinnesgrenze des Leibes außen die Welt in ihrer Wesenheit wahrnehmen, erleben wir uns von innen als Selbst im Leib. Wir kennen Erlebnisse aus der Kindheit, welche diese Doppelheit beschreiben: Zwei Kinder sind spät abends allein in einem Landhaus, die Eltern sind ausgegangen. Der ältere Bruder fragt den jüngeren, ob er Angst habe. Der jüngere kann nur antworten, dass er keine Angst habe. Und dann schläft der ältere Bruder ein und überlässt damit den jüngeren seinem Schicksal. Dieser weiss plötzlich ganz genau, dass er erst einschlafen wird, wenn er ganz sicher ist, dass weit unten im Haus die Eingangstür wirklich verschlossen ist. Und so macht er sich auf den Weg, leise im Dunkeln tastend über hohe Bodenwege, raue, knarrendeTreppen, kalte Steinfußböden, warme Holzböden und verschiedene Schwellen. Die Hände tasten Geländer, Griffe, Kanten ... Bevor er das Ziel der großen Eingangstür erreicht, erlebt er sich in dieser Odyssee der Dunkelheit durch das intensive Tasten innerlich gestärkt und sicher in diesem Haus (und im eigenen Leibeshaus). Die Angst hat sich im Erleben des Tastens in ein sicheres Ich-Gefühl verwandelt. Als er endlich die Tür erreicht, ist sie verschlossen. Er kehrt leise zurück und schläft ruhig ein.

Dem anderen Ich gegenüberstehen Jeder höhere Sinn ist interessanterweise mit einem Basalsinn verbunden: Ein stark ausgebildeter Tastsinn entwickelt im Menschen das Erleben von Sicherheit. Polar zum Tastsinn entwickeln wir als höheren Sinn die Fähigkeit, das Ich des anderen Menschen unmittelbar wahrzunehmen. Ich selbst erlebe mich an den Grenzen des Tastsinns als Ich von innen, – mit dem Ich-Sinn erlebe ich das Ich des anderen Menschen von außen. Das Organ Tastsinn ist über die Haut des Menschen verteilt, das Organ des Ich-Sinns besteht in der Gestalt des Menschen selbst. Für eine ichhafte Begegnung mit einem anderen Menschen ist es wichtig, diesem Menschen aufrecht gegenüberzutreten. Bei einem Kind das Ängste oder wenig Selbstvertrauen hat, ist es eine Hilfe, intensiv mit dem Tastsinn zu arbeiten. Ängstliche Kinder finden durch die Berührung und Arbeit mit Erde, Steinen, Ton oder Holz Selbstvertrauen.


Lebenssinn Am frühen Morgen können wir manchmal einen zweiten Basalsinn beobachten: Bemerken wir beim Aufwachen, dass irgendwo in unserem Leib etwas nicht stimmt, so sagt uns dieser Sinn augenblicklich, wo sich ein Druck oder Schmerz befindet und wie wir diesen empfinden. Dieser ‹Lebenssinn› oder ‹Wohlfühlsinn› nimmt den ganzen Menschen wahr und zeigt, wenn etwas mit den Lebenskräften nicht stimmt. Als Erzieher versuchen wir, den Kindern immer wieder Augenblicke des Wohlgefühls und der gesunden Harmonie zu ermöglichen. Unbewusst macht das Ich des Menschen im Leib durch den Lebens-Sinn die Erfahrung, dass es ein Organismus ist: Ich erlebe mich als Einheit, als Ganzheit. Und diese Einheit zu sein, erlebe ich als Wohlgefühl. Gelingt es uns als Eltern, Erzieher und Lehrer, dem Kind zu helfen, diese Identität mit dem eigenen Leib aufzubauen und zu stärken, verwandelt sich das leibliche Erleben des Lebens-sinnes in die höhere Fähigkeit des Gedankensinnes. Bei der letzten Tagung der Förderlehrer zum Thema zeigten sich diese aufbauenden Stufen zwischen Lebenssinn und Gedankensinn klar: Die Qualität einzelner Rechenoperationen kann von den Kindern gedanklich erst dann wirklich erfasst werden, wenn in der Leibeserfahrung durch den Lebenssinn zuvor die Erfahrung der inneren Einheit durchlebt wurde. Im Vortrag vom 2.9.1916 beschreibt Rudolf Steiner die vier Basal- oder Willenssinne in ihrer Wahrnehmung ‹von innen› als Grundlage für die Entwicklung der höheren Sinne in ihrer Wahrnehmung ‹von außen›. Jedem Basalsinn ist auf diese Weise ein höherer Sinn zugeordnet: In dieser Überschau zeigt sich die pädagogische und biograpfische Wirkung der zwölf Sinne auf das Verhältnis von Ich und Leib. Je reicher die Erfahrung der leiblichen Basalsinne in der Kleinkindzeit und im Kindergarten, desto freier und stärker kann das Ich aus dieser Quelle neue seelische Fähigkeiten entwickeln: Die Lebenssicherheit in der Tasterfahrung verwandelt sich in die Fähigkeit, das Ich des andern Menschen wahrzunehmen. Die Erfahrung der Identität mit der Einheit des leiblichen Organismus im Lebenssinn wird zur Fähigkeit, Gedanken wahrzunehmen. Die innere Wahrnehmung der Bewegung und Tätigkeit im «Eigenbewegungssinn» wird zur Fähigkeit, den Strom der Sprache wahrzunehmen. Die Freude an der äußeren Bewegung kann zur Freude werden, sich in der Sprache zu bewegen. Der Gleichgewichtssinn ist bis ins Physi-

sche des Ohres mit dem Hörsinn verbunden. Wie beide Sinne in ihrer Qualität die Geste des Sich-ganz-dem-Umkreis-Hingebens enthalten, ist zu beobachten, wenn ein Kind sich im Balancieren den ausgleichenden Bewegungen hingibt.

Das Konzert der Sinne Sind kleine Kinder nach langer Wanderung oder einem lang andauernden Laufspiel erschöpft, so verwandelt sich die Unruhe und Erschöpfung, wenn die Gruppe in der wärmenden Sonne sitzt, das mitgebrachte Essen verspeist und vielleicht noch einem vorbeiziehenden Vogelschwarm nachschaut. Nach jeder Herausforderung, vor jedem neuen Schritt im Lernen ist es von entscheidender Bedeutung, ob es gelingt, ein neues Gleichgewicht zwischen den nach außen gerichteten Erkenntnissinnen und der inneren Erfahrung des jeweiligen Willens- oder Leibessinnes herzustellen: Diese Kraft des Wieder-in-die-Mitte-finden-Könnens beschreibt Rudolf Steiner mit folgenden Worten: «Wir sehen da, wie es schon notwendig ist, das Augenmerk zu richten auf jenen Gleichgewichtszustand, der das Wesentliche, das Bedeutungsvolle ist. […] In der Mitte beim Wärme-, Seh-, Geschmacks- und Geruchssinn haben wir gewissermaßen eine Art Hypomochlion, wie es die Waage hat in der Mitte, wo sie ruht. Je mehr man gegen die Mitte kommt, desto mehr bleibt der Waagebalken ruhig.» (GA 170, 2.9.1916) Von größter Bedeutung ist, dass wir nie einen Sinn allein erleben. Fördern wir als Erzieher das vielseitige Erleben der Sinne, regen wir die Kinder an, immer wieder die Verschiedenheit der einzelnen Sinne zu verbinden. Sieht ein Kind zum Beispiel einen Baum, so sieht es nur einen Teil des Baumes als Farbe und Form durch den Sehsinn. Dass dieser Baum als wirkliches Wesen vor dem Kind steht, das erlebt es innerlich durch den Gleichgewichtssinn, der in der Tiefe der Wahrnehmung wirkt. Aus seinem Ich heraus schließt das Kind diese Ebenen zu einer Gesamtwahrnehmung zusammen. das macht die menschliche Wahrnehmung aus.

Claus-Peter Röh ist in der Leitung der Pädagogischen Sektion am Goetheanum. Bild oben, Aufführung ‹Kalevala›, Helsinki Steiner School, Finnland.

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Michaela Glöckler

Organe der Freiheit Wenn sich der Mensch inkarniert hat, wirken in ihm drei Impulse zum Ergreifen des Ich: über den Leib, das Schicksal und das wahre Wesen, die Persona

Wer an die großen Aufgaben in unserer heutigen Welt denkt – eine Milliarde Menschen hungert, eine weitere lebt am Existenzminimum, während eine dritte viel zu viel zu essen hat –, kann sich fragen: Wie muss man erzogen werden, dass man einen solchen Zustand nicht mehr einfach nur erträgt, sondern auch zu ändern sucht? Rudolf Steiner nannte die soziale Frage eine pädagogische Frage und die pädagogische Frage eine medizinische. Denn wenn man nicht weiß, was gesund und was krank ist, dann ist die Pädagogik unter Umständen eine Erziehung zu einem kranken Selbst- und Umweltbewusstsein. Gesund ist, wenn ich ‹Herr meiner Möglichkeiten› bin, krank, wo ich nicht frei bin, meine Möglichkeiten zu nutzen. Dann lautet die pädagogische Frage: Wie unterstützen wir Inkarnation und Entwicklung so, dass die Leibergreifung, das Schicksalserleben, im Erlebnis der Freiheit gipfeln? Denn die soziale Frage braucht zu ihrer Lösung ein Verantwortungsgefühl, wie es nur ein Mensch entwickeln kann, der sich und der Welt souverän gegenübersteht.

werde vielleicht in meiner Jugend misshandelt von einem rohen Elternpaar.» Manche Kinder spüren diesen «tieferen Sinn» ihrer schwierigen Kindheit und nützen jede Gelegenheit aus, sich in der Schule oder in der Nähe eines besonders geschätzten Lehrers aufzuhalten. Wir wissen, dass das, was früher möglich war – dass man sich auf ein Leben in einem bestimmten Erdteil, bei einem bestimmten Elternpaar vorbereitet –, heute nicht mehr so einfach möglich ist. Beispielsweise werden durch die vorgeburtliche Diagnostik jährlich Hunderttausende Mädchen getötet, weil sich die Eltern einen Jungen wünschen. Diese inkarnationsbereiten Menschen müssen sich dann anders orientieren. Je mehr Orte für eine gute Erziehung es gibt, desto leichter wird es den Ungeborenen, geeignete Inkarnationsmöglichkeiten zu finden. Und den erneuten Entschluss zur Verkörperung zu fassen. Daher sind Tagungen für Kleinkind- und Kindergartenerziehung – weit über den Waldorferziehungsradius hinaus – so wesentlich.

Ich und Schicksalsumkreis

Eine dritte Komponente ist unser wahres Wesen, die Persona, das Wesenhafte, das durch den Leib und die Seele, durch die Art, wie ich denke, fühle und handle, ‹hindurch-tönt› (per-sonare). Dieses Durchtönende, Hindurchleuchtende ist völlig frei von einer Bindung an den physischen Leib und von den Schicksalsumständen. Denn dieses hindurchtönende Ich hat den Sündenfall nicht mitgemacht. Es ist frei, unschuldig im besten Sinne des Wortes. Aber durch das Erleben am Leib und die Dramatik des eigenen Schicksals gestaltet sich die Selbsterfahrung der Persona überall auf dem Erdball verschieden, anders in China als in Peru. Viele Arbeitsimpulse und Erlebenswünsche nimmt man auch wieder mit über die Todesschwelle, weil man sie nicht hat realisieren können: Es gab keine Frage, keine Gelegenheit, keinen Partner, keine Schicksalsresonanz.

Wie bildet sich ein gesundes Selbstbewusstsein? Die Welt, also alles, was um mich herum ist, fokussiert sich in mir in einem Bezugspunkt, der mir die Möglichkeit gibt, mich zu ihr in Beziehung zu setzen, ohne mich dabei zu verlieren. Dass ich mich in der Fülle der Gedanken, Gefühle, Meinungen, Empfindungen, Begegnungen und dergleichen nicht verliere, ist ein Geschenk des physischen Leibes dank des ihm eigenen Schwerpunkts. Wird dieser Bezugspunkt bewusst, so erleben wir ihn als Mittelpunkt unseres Selbstbewusstseins. In diesem fasst sich dann auch alles Schicksalserleben zusammen, alles, was zu uns einen Erlebnisbezug hat. Dazu gehören auch die mehr oder weniger bewussten Erinnerungen an das vorgeburtliche Leben. Rudolf Steiner beschreibt im Vortrag vom 11. Oktober 1913 (GA 140) ein Beispiel: «Eine Seele, die sich anschickt, verkörpert zu werden, weiß zum Beispiel, dass sie [...] eine gewisse Art von Erziehung braucht […] Aber das ist oftmals nur möglich, wenn man in der Zeit [der Kindheit] verzichtet auf ein solches Elternpaar, das einem ein glückliches Dasein [...] geben könnte […] So sieht man Seelen, die vor der Geburt in furchtbarstem Kampfe sind, sieht zum Beispiel eine Seele, die sich sagt: Ich

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Auseinandersetzung mit Luzifer und Ahriman

Nun gibt es zwei Wesen, nämlich Luzifer und Ahriman, die dieses zur Freiheit veranlagte Ich, dieses Wesen mit dem Leib als Träger des Ich-Bewusstseins und dem Schicksal als Träger der Entwicklungsmöglichkeit, nicht eigentlich verstehen. Luzifer möchte ein Ich-Bewusstsein fördern, mit dem man sich genießt, mit dem man sich prima findet, sich bespiegelt und von derartigem Selbstge-


nuss abhängig bleibt. Die Art des Umgangs mit Lust und Eitelkeit sind Luzifers Ansatzpunkte, Einfluss auf unsere Entwicklung zu nehmen und die Bildung eines gesunden Selbstbewusstseins zu verhindern. Ahriman bringt für das menschliche Schicksal kein Verständnis mit; für ihn sind Menschen nur Zahlen. Jeder ist austauschbar. Zu den Ärzten sagte Rudolf Steiner: Ahriman möchte das Karma totschlagen (GA 316). Einen schärferen Ausdruck kann man nicht verwenden. Doch wie ernst es mit dieser ahrimanischen Versuchung ist, können wir daran sehen, wie viele Menschen am Sinn ihres Schicksals irre werden oder verzweifeln. Sie brauchen Hilfe, die Freiheit zu entdecken, die darin liegt, gerade in der Einsamkeit und Einmaligkeit des eigenen Schicksals die Grundlage zu finden, ja die einzigartigen Entwicklungsbedingungen, damit man zu der einen unverwechselbar einmaligen Persönlichkeit heranreifen kann, die man werden möchte. Doch braucht es dazu diese beiden Widersacher, um Freiheit üben zu können. Daher ist aus Fehlern lernen immer zugleich auch ein kleiner Sieg über Luzifer und Ahriman. Es gibt nichts Christlicheres, als Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. Durch den kleinen Schmerz «Oh, wie dumm war ich!» mindert sich die Eitelkeit und der luziferische Einfluss wird gestoppt. Das Selbstbewusstsein gesundet im guten Willen: Nächstes Mal mache ich es besser. Und dann übe, übe und übe ich, bis ich diesen Fehler nicht mehr mache. Dann habe ich auch Ahriman ein Stück überwunden, ja erlöst. Warum? Weil ich mein Machtpotenzial zum Lernen und Üben verwende, anstatt andere zu beherrschen.

Erlebnis: Ich bin ein Wesen Wenn diese Schritte gelingen – Verleiblichung des Ich-Bewusstseins und soziale Integration im Schicksalsumkreis, sodass sich ein Kind aufgehoben und angenommen fühlen kann –, dann ist die Voraussetzung geschaffen, das im dritten Lebensjahr das Erlebnis des eigenen Ich so auftritt, dass es im Laufe des Lebens zur Erkenntnis werden wird: Ich habe einen Leib, ein Schicksal, aber ich bin nicht dieser Leib, und ich bin nicht dieses Schicksal, ich bin noch mehr! Ich bin ein davon unabhängiges Wesen. Und je mehr mein Leib Instrument für mein Schicksal wird und das Schicksal Schauplatz meiner Entwicklung, umso wahrer, souveräner kann meine Persona, mein Wesen, mein Ich, wirksam werden. Dazu

noch ein Hinweis: Auf die Leibergreifung durch den Erwerb des aufrechten Gangs folgt ja das Wunder der Sprache. Säugetiere und Menschen, haben, wenn sie noch jung sind, vergleichbare Gebisse. Erst später geht diese Ähnlichkeit verloren: Bei den Tieren wächst das Gebiss zur spezialisierten Schnauze, angepasst an eine bestimmte Art, zu fressen. Die Veranlagung zum Sprechen geht verloren. Je spezialisierter ein Organ gebildet wird, je weniger universell ist sein Gebrauch. Natürlich können wir mit einem menschlichen Arm nicht fliegen, aber dafür können wir mit ihm malen, schwimmen, jemanden streicheln oder schlagen – es sind Organe der Freiheit, der Möglichkeit. Waldorfpädagogik will Erziehung zur Freiheit sein. Daher gilt es, in der Kindheit, in der frühen Schulzeit auf Spezialisierung zu verzichten, um so viel wie nur möglich Voraussetzungen zu schaffen für das Üben freier Handhabe.

Seelenkräfte prägen den Körperbau – auch zukünftig Es ist hilfreich – auch wenn es nur zehn oder fünfzehn Minuten sind –, in jeder pädagogischen Konferenz an Vorträgen Rudolf Steiners über Reinkarnation und Karma oder über das Leben zwischen Tod und neuer Geburt zu arbeiten. Denn das menschliche Ich ist nicht nur verbunden mit den Menschen, denen wir im Leben begegnen, sondern auch mit Verstorbenen, Elementarwesen, Engelhierarchien, der Gottheit, der Trinität. Wir sind dem Wesen nach Ebenbilder der Gottheit. Was wir in einem Leben aufwenden an seelischer Mühe, an Liebe, Freiheit, Wahrhaftigkeit, an Überwindungen von Hass, Neid, Angst und Eitelkeit, das wirkt sich nicht nur in diesem Leben heilsam für einen selbst und die Umgebung aus. Es bewirkt für das nächste Leben die Veranlagung für die Bildung eines gesünderen Körperbaus und strahlt harmonisierend ein in das Schicksalsfeld. So können wir lernen, den Kindern geistig, seelisch und physisch ein Zuhause zu bieten – ganz gleich, wo sie herkommen und wo sie später einmal hingehen. Die Kinderärztin Michaela Glöckler ist Leiterin der Medizinischen Sektion am Goetheanum und Autorin vieler Fachbücher. Fotografie oben, Aufführung ‹Kalevala› der Helsinki Steiner School, Finnland.

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Florian Osswald

Diener aus Stärke Pädagogen gestalten und dienen zugleich, sind als Künstler des Zeitlichen Führende und Geführte. Diese Doppelnatur ist das Antlitz heutigen Erziehens.

Um Diener zu sein, braucht es wie für jede Aufgabe ein Können. Diener sind in besonderer Weise fähig, die Umgebung wahrzunehmen, deren Bedürfnisse zu sehen, zu hören. Sie haben die Gabe, sich in anderes hineinzuleben. Das verlangt Beweglichkeit, dem Stoff gegenüber und den Schülern gegenüber. Wir beschäftigen uns mit dem Stoff sozlange, bis er in uns lebt, bis er flüssig geworden ist und damit den verschiedenen Bedürfnissen der Schüler und Schülerinnen, den jeweiligen Situationen gerecht werden kann. Die innerliche Beweglichkeit entsteht, wenn wir den Stoff mit der Zeit durchdringen. Wahre Erzieher sind Zeitkünstler, denn jedes Kind hat seine individuelle Zeit und jeder Lernvorgang benötigt seine Zeit, um sich entfalten zu können. Lernvorgänge lassen sich nur begrenzt beschleunigen. Schneller heißt nicht unbedingt besser. Man kann einen Esel einmal streicheln und dabei eine Erfahrung machen. Was ein Esel ist, werden wir nicht auf die Schnelle erfahren.

Projekt Esel Ich lief einmal mit einer 10. Klasse für mehrere Tage mit Eseln durch die Berge. Alle führten wir einen Esel von morgens bis abends und das mehrere Tage lang. Es gab nichts anderes zu tun, als den Esel zu führen. Und je länger die Zweisamkeit andauerte, umso ungewisser wurde, wer wen führt. Mit der Zeit entstand ein echtes Führungsproblem. Führe ich den Esel oder lass ich mich vom Esel führen? Macht es Sinn, dem Esel meinen Willen aufzuzwingen oder sollte ich nicht besser lerne auf ihn zu hören, damit wir zusammen den Weg finden? Nach einer gewissen Zeit entstehen Fragen, Fragen, die Zeit brauchen, um zu reifen. Die gleichen Fragen hätten sich schon nach wenigen Minuten einstellen können, doch sie wären nicht erfahrungsgesättigt gewesen. So lernten alle ihren Esel kennen und nicht nur den, den sie führten, sondern auch den, der innen mitlief, den Esel in mir. Erst im Rückblick stellten wir fest, dass noch ein weiterer Aspekt beim Unternehmen Esel wesentlich war: das Projekt lebte von einem Vorgriff, es musste ‹gewagt› werden. Die Verantwortlichen nahmen ein Risiko auf sich, da eine Planung des Unternehmens nur teilweise möglich war. Das Gleiche gilt natürlich für jeden Unterricht. Auch hier brauchen wir dieses Unternehmertum. Wir greifen voraus und setzen in der Vorbereitung den Unterrichtsstoff. Die Schüler und Schülerinnen wollen spüren, dass wir etwas vorhaben. Der Vorgriff ist insofern ein Wagnis, als die Projektplanung

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eine Idee ist und sich zuerst noch in der Welt bewähren muss. So lebt das Projekt Schule neben der Intention und den Planungen der Lehrperson wesentlich von der menschlichen Begegnung. Der Vorgriff ist eine Investition in die Zukunft, die sich in der Auseinandersetzung mit dem Leben erst konkretisiert. Wir gestalten Unterricht und es entstehen ununterbrochen Erlebnisse. Was interessiert uns denn an diesen Erlebnissen? Die Möglichkeit, dass wir sie wieder erinnern können. Die Gedächtnisbildung steht für uns im Vordergrund. Doch das Erlebnis hat auch eine Strahlkraft in die Zukunft hinein. Wir schenken ihr meist wenig Beachtung. Denn was von einem Erlebnis in die Zukunft hinein bewirkt wird, verschleiert uns noch der Augenblick, in dem es entsteht. Erst im Rückblick lässt sich die Wirkung feststellen. Rückblicke sind unerlässlich, um dem, was aus dem Augenblick werden will, auf die Spur zu kommen. Sie sind ein Schulungsinstrument, das uns befähigt, Werdendes immer besser zu erahnen. Jetzt erst erscheint uns die Zeit in ihrer Vollständigkeit. Das Gegenwärtige kann im Fokus der beiden Zeitströme entstehen. Gegenwart entsteht in der Begegnung der beiden Ströme. Wirklich anwesend sein heißt an das Vergangene anschließen und das Zukünftige erahnend zulassen.

Der zweite Leib Wir schauen auf die Kinder hin, in denen zukünftige Impulse geboren wurden, und wir gedenken der Verstorbenen, die unsere Bemühungen in ihrer Art unterstützen, wenn wir sie mit einbeziehen in unsere Handlungen. Ich möchte darum hier an den großen Zeitkünstler Heinz Zimmermann denken, der vielen Menschen einen kreativen Umgang mit Zeit geöffnet hat. Viele Jahre hat er die Frage der Zeitgestaltung erforscht. Sein Schema von ‹Quelle, Tempo, Widerstand und Ziel› verblüfft mit seiner Einfachheit. Doch alle, die sich mit dem Einfachen auseinandergesetzt haben, entdecken früher oder später die tiefe Bedeutung der vier Begriffe für jeden Vorgang, der sich in der Zeit abspielt, und im besonderen für den Unterrichtsprozess. Ein gesundend wirkender Unterricht lebt vom richtigen Maß, von der Kunst, die verschiedenen Unterrichtselemente in der der Situation gemäßen Weise anzuwenden. Das ist die Aufgabe des Zeitkünstlers. Welcher Stoff ist jetzt dran, wie viel verträgt die Situation, wie geben wir ihm Kontur und wie lebt das Ziel noch in uns? Das sind die Fragen, die wir uns in jedem Moment des Unterrichtens stellen können.


Damit hören wir uns hinein in den zweiten Leib, in das, was uns umgibt, und wir wachen für ihn auf. Wir spüren, ob wir geistesgegenwärtig sind, ob wir uns im Fluss des Prozesses befinden, ob wir uns selbst als Fluss erleben und ob es uns gelingt, die jetzt gültige Handlung auszuführen. Wir machen uns zu Dienern des Unterrichtsgeschehens, wir fördern das, was in unseren Mitmenschen veranlagt ist. Heinz Zimmermann war ein Meister in der Kunst, andere Menschen in freilassender Art zu begleiten und ihnen zu helfen, ihren eigenen Weg aus sich selbst heraus zu finden. Ein Vorbild für jeden Diener. Dass der Meister seinen Schülern die Füße wäscht und nicht der gewohnte Sieger in den Kämpfen ist. Denn die Kämpfe spielen sich auf einer anderen Ebene ab. Rainer Maria Rilke findet dafür in seinem Gedicht ‹Der Schauende› die folgenden Worte:

Wie ist das klein, womit wir ringen, was mit uns ringt, wie ist das groß; ließen wir, ähnlicher den Dingen, uns so vom großen Sturm bezwingen, – wir würden weit und namenlos. […] Die Siege laden ihn nicht ein. Sein Wachstum ist: der Tiefbesiegte von immer Größerem zu sein. Wir setzen unsere Segel und nehmen den Wind auf. Welchen Kurs wir einschlagen, liegt in unseren Händen. Wir halten das Steuer von unserem Schiff.

Florian Osswald ist in der Leitung der Pädagogischen Sektion. Fotografie rechts während der Aufführung von ‹Taiwanese culture songs and dances›, Cixin Waldorf School.

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Louise de Forest

Kinder als Helfer Mensch zu werden Jedes Kind ist ein Rätsel, zu dessen Lösung die Verwandlung von Lehrerin und Lehrer, die Verwandlung der Kindergärtnerin der Schlüssel ist.

Natasha Ich begann als Lehrerin in einer Kindertagesstätte mit dreijährigen Kindern. Dort traf ich Natasha, einziges Kind aus einfacher Familie. Ihre Haut war weiß-pastös – sicheres Zeichen für mangelhafter, Ernährung –, sie war übergewichtig und hatte eine kleine Stupsnase. Mit ihren blauen Augen, strähnigen, langen, blonden Haaren stand sie jeden Morgen in der Tür und verkündete: «Ich bin hier», in einer weinerlichen, nasalen Stimme. Wann immer sie wollte, setzte ich sie auf meinen Schoß. Innerlich war es mir klar, dass ich sie nicht mochte. Wenn sich ihre Gegenwart ankündigte, stieg bereits ein flaues Gefühl in mir auf. Deshalb war ich froh, als sie mit vier in eine andere Klasse kam. Aber ich habe nie vergessen, Natasha; all diese Jahre später ist sie immer noch bei mir. Natasha lud mich auf eine Reise mit ihr ein, aber ich war nicht bereit. Sie wollte mir die Möglichkeit schenken, etwas Bestimmtes zu lernen. Natasha opferte sich für mein Wachstum als Lehrer und noch heute habe ich das Gefühl, sie stehe direkt hinter mir. Jedes Kind kommt in das Leben und wählt ein Land, wählt Sprache, Kultur und Familie. Eine hohe Weisheit leitet diese Weichenstellungen. Jedes Kind trägt eine Absicht mit sich und entfaltet Seiten unserer Persönlichkeit, von denen wir nicht wussten, dass wir sie besitzen, oder stärkt Bereiche, die unterentwickelt waren. Die Kinder entsprechen kaum unseren Erwartungen und sind gerade deshalb ein so großes Geschenk. Es gibt Kindergruppen, in denen die Kinder harmonisch und warmherzig zueinander finden, aber viel öfter sind die Gemeinschaften eine Herausforderung. Es gelingt ihnen nicht, die Form aufrechtzuerhalten, sodass es gerade an den Übergängen ins Chaos abgleitete. Wir sehen oft, dass Gruppen mit vielen Konflikten im einen Jahr im nächsten Jahr beste Freunde werden. Ich begann auch, zu entdecken, dass Natasha gekommen war, um meine Kanten zu schleifen, mich so in die Lage zu versetzen, im tieferen Sinne Mensch zu werden.

Die Kinder, unsere Lehrer Ich wurde ein besserer Lehrer durch Natasha – durch ihr Opfer und mein Versagen. In anderen Fällen ließ mich meine Mühe, das Unerklärliche mancher Kinder zu begreifen, innerlich wachsen.

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Sie appellieren an unser Interesse, sie zu sehen, wie sie sind, nicht wie wir sie haben wollen. Jedes Mal, wenn ich mit aufrichtiger Sehnsucht und Anstrengung den Weg zum Kind gefunden habe, empfand ich mich selbst wieder als Kind, als Lernende, weniger als Lehrerin. Rudolf Steiner erinnert uns daran, dass jedem Schritt in der Erkenntnis drei Schritte in der Vervollkommnung des eigenen Charakters folgen mögen.1 Dazu benötigen wir die Gemeinschaft. Goethe fasst es in die Worte: «Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter in dem Strom der Welt.» Natürlich, es kostet Kraft, jeden Tag von Neuem, was auch am Vortag geschehen ist, die Kinder mit aller Wärme neu zu begrüßen. Jeder Tag sollte wie der erste Schöpfungstag sein. Alles kann geschehen, ist im Werden. Es ist wie das meditative Leben und nie erreicht man einen Zielpunkt, sondern jeden Tag beginnt man von Neuem. Und hat man das Gefühl als Lehrer: «Jetzt weiß ich, wie es ist, als Lehrer zu sein. Jetzt habe ich es!», dann ist diese Empfindung Garantie dafür, dass die nächste Klasse schwierig sein wird und man meint, wieder ganz am Anfang zu stehen.

Wenn die Zeit stillsteht Oft vermag man sich erst dann für Inspiration und Intuition zu öffnen, wenn man mit seinem Latein am Ende ist. Eine Freundin hatte eine Klasse, in der es sehr chaotisch zuging. Eines Tages war es beim Aufräumen so schlimm, dass sie nicht wusste, ob sie schreien oder wegrennen sollte. Dann hatte sie eine Eingebung. Sie schaute in ihre Taschen und rief aus: «Oh, Gott.» Das interessierte die Kinder. Dann sagte sie: «Das ist keine gute Nachricht, liebe Kinder.» Sie zeigte mit Daumen und Zeigefinger eine kleine Spanne. «Es ist nur noch so viel Geduld übrig.» Der ganze Raum: verändert. Gleichwohl geht es darum, zu verstehen. Das ist eine Frage innerer Aktivität und der Entschlossenheit, mit der man seine innere Entwicklung vorantreibt. Mein Mentor empfahl mir, als Lehrerin die Bedürfnisse des Erwachsenseins zu opfern. Als Erwachsene lieben wir Stimulation, Spontanität und Veränderung. Wir verarbeiten Erfahrungen durch Gespräche, aber das funktioniert nicht im Klassenraum. Die Eckpfeiler im Klassenraum sind Rhythmus und Routine. Ein guter Tag im Klassenzimmer ist einer, an dem die Zeit aufhört zu existieren. Es herrscht Ruhe in der Klasse und jedes Wort und jede Geste ist mit Intentionalität durchdrungen.


Durch die Kinder können wir lernen, wie man antwortet, statt zu reagieren, wie man schaut, statt zu sehen.

Dazu müssen die typischen Eigenschaften des Erwachsenseins, kritische Distanz, Definieren und Kategorisieren, überwunden werden. Nichts davon wird uns in der Arbeit mit den Kindern dienen.

Was aus der Ruhe entsteht Wir müssen unser Denken aus der Selbstbezogenheit befreien, wenn wir den Ruf der Zukunft hören wollen. Wenn wir unser Denken und Fühlen auf etwas außerhalb von uns zu richten vermögen, dann fließt neue Lebenskraft in unsere Arbeit. Antworten zu haben, ist häufig ein egozentrischer Akt, der nicht die Wirklichkeit des anderen erfasst. Wo wir Hindernisse bei den Kindern sehen, können wir Unterstützung geben, aber das Kind wird entscheiden, ob es diese Hilfe ergreift oder nicht. Henning Köhlers ‹Aktive Toleranz› meint hier, das Kind freizulassen. Das heißt, wir beobachten, versuchen mit vorurteilsfreiem Interesse zu verstehen, versuchen, uns fern eigener Erwartungen, eigener Vorstellungen in den anderen hineinzuversetzen. Das seelische Leben der Erwachsenen ist die Umgebung, in die das Kind hineinwächst. Rudolf Steiner sagte: «Je ruhiger wir in unserer Seele werden können, je mehr wir auf alle Geschäftigkeit in unserem Innern verzichten können, desto mehr kann durch uns in der spirituellen Welt geschehen.»2 In der Ruhe der Seele können wir lernen, wie man antwortet, statt zu reagieren, wie man schaut, statt zu sehen. Ein Kind, das nicht nachahmt, dessen Intellekt wurde möglicherweise zu früh geweckt und ist nun wie paralysiert. Es sollte nicht aus der Gruppe genommen werden, sondern von einer warmen seelischen Umgebung umhüllt werden. Auffallendes Verhalten hat als Ursache meistens Angst und Schmerz. Jedes Kind will von uns gesehen werden und zeigt in seinem Verhalten, wo seine Schwierigkeit liegt. Es ist an uns, diese Sprache zu lernen. Finden wir ‹Fehler›, so fehlt uns die Einsicht. Falsche Erwartungen haben Konsequenzen. Einstein sagte: «Jeder Mensch ist ein Genie. Aber wenn wir einen Fisch nach seiner Fähigkeit, einen Baum hinaufzuklettern, beurteilen, wird er sein ganzes Leben glauben, er sei dumm.» Begegnen wir den Kindern später auf dem Schulflur, scheinen sie uns nicht zu bemerken. Das ist gut, weil das Kind sich weiterentwickelt hat, sich nun in einer anderen Welt zu Hause fühlt. Aber in den ersten Jahren ist unser Leben intim mit dem Leben

der Kinder verbunden. Wir sind eine verborgene Kraft im Leben der Kinder, die wir betreuen. Dabei ist das Leben auf der Erde nur eine Zeitspanne, in einer endlosen Spirale von Streben. Es gibt einen wunderbaren Vers von Herbert Hahn: «Bedenke, dass du mit den Kindern täglich fortsetzt die Arbeit der geistigen Welt. Kindergärtnerinnen sind die Vorbereiter des Weges dieser jungen Seelen, die ihr Leben in diesen schwierigen Zeiten bilden wollen. Die geistige Welt wird immer zu dir stehen bei dieser Aufgabe. Dies ist die Quelle der Kraft, die man so braucht.»

Hohe Partnerschaft Jede Nacht im Schlaf begegnen wir geistigen Wesen, den Hierarchien. Es sind Wesen, die uns helfen, Ideale zu bilden und fähig werden, moralische Pfantasie zu entwickeln. Sie sehnen sich danach, Liebe in unsere Seelen zu gießen. Es scheint unvorstellbar, die menschliche Seele, ein solch riesiges Wesen, das außerhalb von Raum und Zeit existiert, in den winzigen Körper eine Kindes zu bringen. Es dauert viele Jahre, um diese Beziehung von Leib, Seele und Geist zu schaffen. Der Geist findet seinen Platz im Körper und tritt in Beziehung mit uns. Jede Nacht arbeitet der Engel mit an dieser Vereinigung von Himmel und Erde – gerade in den ersten drei Jahren. Wenn das Kind aus dem Schlaf, der geistigen Obhut erwacht, erwartet es hier die gleiche Güte, die gleiche liebevolle Pflege. Es rechnet damit, mit Würde und Geduld betreut zu werden. Wie es der Vers sagt, wir sind nicht allein. Höhere Wesen wollen unser Partner sein und ich bin davon überzeugt, dass sich in jedem Erfolg im Klassenraum diese Partnerschaft ausdrückt. Hier lohnt es sich, sich ehrlich zu fragen, ob man tatsächlich um Hilfe bittet, sodass ‹jeder› in unserem sorgfältig vorbereiteten Kreis teilnehmen kann, unserer Geschichte zuhören kann, uns die Arbeit leichter werden lassen kann. Wir müssen wissen, wie man Partnerschaften mit diesen Engelwesen bildet. Rudolf Steiner sagte: «Und wir müssen ein Erziehungswesen haben, das nicht nach Regeln verfährt, das nach den Kindern verfährt, die real da sind, nach Menschenkenntnis; aus Menschenkenntnis heraus die Kinder kennenlernt und aus dem Kinde selbst herausliest, was zu tun ist jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr.»3

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Wir sollten unsere Fragen über das Kind sorgfältig formulieren. Wenn wir diese Arbeit gründlich tun, so wird die höhere Welt immer antworten.

Ralph Waldo Emerson sagte: «Es gibt die Wahrheit und es gibt die Bequemlichkeit. Man muss sich zwischen beiden entscheiden, man kann nicht beide haben.»

Am 9. September 1919 versammelten sich bei Rudolf Steiner die ersten zwölf Waldorflehrer. Er gab den Lehrern ein Mittel, um eine Verbindung mit der geistigen Welt herstellen zu können. Er sagte zu ihnen: «Am Abend vor Ihrer Meditation, bitten Sie die Engel, Erzengel und Archai, dass sie bei der Arbeit helfen, am nächsten Tag.» [4] Er bat sie, sich so zu öffnen, dass sich die spirituelle Substanz in ihr Wesen gießen können: in ihren Willen, ihr Fühlen und ihr Denken. So wird die Basis für die Imagination, Inspiration und Intuition geschaffen. Rudolf Steiner schüttelte jedem Lehrer die Hand und sah ihm tief in die Augen, als ob er ein heiliges Versprechen entgegennahm. Auch wir können uns dieses Versprechen geben, es ist der Boden, auf dem wir als Waldorfpädagogen stehen.

Wir zerren Kinder vom Spiel, nicht aus Interesse des Kindes, sondern weil es mit unserem Wunsch nach Bequemlichkeit kollidiert. In einigen Schulen versuchen die Lehrer, alle glücklich zu machen – Kinder, Eltern und Kollegen – auf Kosten der eigentlichen pädagogischen Ziele. Solch falsche verstandene Liebe ist der zweite Gegner der Waldorfpädagogik.

Ich habe in allen Teilen der Erde Kindergärten besucht und dabei vieles gesehen, das mir große Sorgen bereitet. Wenn es darum geht, die Fackel der Wahrheit weiterzutragen, dann möchte ich folgende Ratschläge geben: Waldorfpädagogik läuft Gefahr, zu mechanisch, zu äußerlich zu werden. Nichts kann den Wert innerer Aktivität ersetzen. Rosa lasierte Wände, Holzspielzeug, Seidentücher: wir legen zu viel Gewicht in äußere Erscheinungen anstelle innerer Aktivität. Viele von uns Waldorfpädagogen studieren keine Anthroposophie und meditieren nicht. Für Rudolf Steiner war es selbstverständlich, dass jeder Lehrer ein meditatives Leben führt, das seinen Unterricht begleitet. Wir tun viele Dinge, weil man sie im Waldorfkindergarten üblicherweise tut, und denken zu wenig über das ‹Warum?› nach.

Drei Gegner der Waldorfpädagogik Ich habe Länder gesehen, in denen alle Kinder zur gleichen Zeit den gleichen Kreis malen. In den Schränken gibt es Schachteln, darauf steht ‹Adventsschmuck› und ‹Osterschmuck›. Künstler auf allen Lebensfeldern sein, heißt auch hier, kreativ zu bleiben und immer wieder neu etwas zu gestalten. Lehren aus Konvention, aus Gewohnheit, ist einer der drei Gegner der Waldorfpädagogik, die Rudolf Steiner identifiziert. Wir sind Meister der Schönheit; wir wissen, wie man Schönheit zustande bringt. Aber unsere Klassenräume sind immer ein bisschen zu kostbar. In einigen Klassenräumen meint man, nicht frei atmen zu können, weil alles so perfekt ist. Für wen schafft der Lehrer diese Ordnung? Für sich oder für die Kinder? Allzu leicht kann unser Klassenzimmer die gemütliche Welt der Lehrerin, des Lehrers werden und nicht die Welt des Kindes. Manchmal sind die Dinge so perfekt, dass das Einzige, was für die Kinder zu tun bleibt, ist, diese Perfektion zu zerstören. Wir werden Hüter unserer ‹Nester›. Unser Bedürfnis nach Kontrolle kann die Lust an der pädagogischen Arbeit zur Seite drängen und Schaden anrichten.

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Wir lehren häufig aus Vorschriften und Geboten statt aus der Kraft der Nachahmung. Wir sollten nicht aufhören, unserer Erziehungsart und der Weisheit der Anthroposophie zu vertrauen. «Bleib auf deinem Stuhl sitzen.» Selbst wenn es gesungen wird wie Beethovens Fünfte, so ist es doch eine Anweisung. Verwandeln Sie sich in das Vorbild für menschliche Beziehung, für sittliches Handeln, und das im Vertrauen nicht nur zu den Kindern, sondern auch zu der Güte und Rechtmäßigkeit der Welt. Wir hatten alle das Glück, den Gedanken von Rudolf Steiner begegnet zu sein. Aus diesem Privileg wächst eine Verantwortung. Wir müssen Anthroposophie persönlich nehmen! Gönnen Sie sich, mit Fragen statt mit Antworten zu leben. Haben Sie echtes Interesse an den Eltern und hören Sie ihnen tatsächlich zu statt kurzen Smalltalks. Haben Sie Interesse an der Welt und hören Sie nicht auf, in und hinter den Erscheinungen die Wahrheit finden zu wollen, denn der dritte Gegner der Waldorfpädagogik ist die Phrase und das viele Antworten. Sprechen Sie so, dass jeder Sie verstehen kann. Seien Sie nicht zufrieden. Ich schließe mit einigen Gedanken von Mutter Theresa: «Wir sollten lieben, ohne müde zu werden. Wie brennt eine Lampe? Durch den fortwährenden Tropfen Öl. Was sind diese Tropfen Öl in unseren Lampen? Es sind die kleinen Dinge des täglichen Lebens: Treue, kleine freundliche Worte, ein Gedanke für die anderen, Unsere Art zu schweigen, zu schauen, zu sprechen, zu handeln.

Rudolf Steiner: ‹Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?› 2 Rudolf Steiner: ‹Das Leben zwischen Tod und neuer Geburt› 3 Rudolf Steiner: ‹Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehung› 4 Nach einem Vortrag von Heinz Zimmermann, 1992

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Louise De Forest arbeitet im Vorstand der Internationalen Waldorfkindergartenvereinigung. Übersetzung: WH Ganzseitiges Bild rechts: Chorsingen während der Weltlehrertagung im großen Saal.


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besprechungen

Spielen im Netz Ein Buch über neue Suchtgefahren von Johannes Kiersch

Christoph Möller (Hrsg.) Internet- und Computersucht. Ein Praxishandbuch für Therapeuten, Pädagogen und Eltern. Kohlhammer, Stuttgart 2012. 282 Seiten, € 32 Ausgehend von der Sinneslehre Rudolf Steiners haben Heinz Buddemeier, Rainer Patzlaff, Edwin Hübner und andere seit Jahren für einen besonnenen Umgang mit den modernen Bildschirmmedien plädiert und klargestellt, dass die viel beschworene zeitgemäße Medienkompetenz sich nicht auf technische Geschicklichkeit beschränkt, sondern auch die Fähigkeit zur kritischen Di­ stanz, zur gezielten Enthaltsamkeit verlangt. Wie aktuell das ist, zeigt die Not, in die viele junge Menschen und ihre Familien heute geraten, wenn sie der Faszination des elektronisch Machbaren nichts entgegenzusetzen haben. Drogen sind bei Jugendlichen nicht mehr so ‹cool› wie früher, Nikotin und Alkohol weniger populär. Mit atemberaubendem Tempo dagegen entfaltet sich ein ganz neues Suchtproblem: die krankhafte Abhängigkeit von erregenden Erlebnissen im Internet und beim Computerspiel. In Deutschland haben 80 % der Jugendlichen inzwischen einen eigenen PC (2010), über die Hälfte verfügt über einen eigenen Internetzugang, so gut wie alle benutzen ein Handy, 80 % von ihnen ein internetfähiges. Die meisten kommen damit – jedenfalls auf den ersten Blick gesehen – ganz gut zurecht. Viele arbeiten am Computer für die Schule. Mädchen, besonders die älteren, kontaktieren soziale Netzwerke wie ‹Facebook› und ‹chatten› gern. Bei den Jungen dominieren elektronische Spiele. Ein erschreckend hoher Anteil, 16 % von ihnen, ist mehr als vier

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Stunden pro Tag damit beschäftigt. 3 % gelten inzwischen als computerspielabhängig, weitere 4,7 % als gefährdet. Betroffen sind besonders Kinder und Jugendliche, die ohne Vater aufwachsen. Sie kompensieren ihre sozialen Probleme, ihren Mangel an Selbstvertrauen durch Erfolge in der virtuellen Scheinwelt des Spiels. Dort bauen sie eine Art ErsatzEgo auf, das ihnen die Erfolgserlebnisse vermittelt, die ihnen das reale Alltagsleben vorenthält. Viele vereinsamen, gehen nicht mehr zur Schule, verwahrlosen, verlieren ihr natürliches Körpergefühl. In Südkorea hat sich Internetabhängigkeit bereits zu einer Volkskrankheit entwickelt. Es ist abzusehen, dass wir hierzulande mit ähnlichen Verhältnissen rechnen müssen. In dieser Lage hat jetzt Christoph Möller, Chefarzt im Kinder- und Jugendkrankenhaus ‹Auf der Bult› in Hannover, mit einem Team von Fachleuten eine erste umfassende Bestandsaufnahme vorgelegt, ein ‹Praxishandbuch›, das nicht nur den (noch sehr unzulänglichen) Stand der wissenschaftlichen Forschung zum Thema dokumentiert, sondern vor allem den betroffenen Eltern und den hochgradig gefährdeten Jugendlichen selbst hilfreiche Informationen bietet. Man erfährt, dass allein in Hannover – neben der Medizinischen Hochschule und dem bekannten Kriminologischen Forschungsinstitut von Prof. Christian Pfeiffer, deren Mitarbeiter mehrere Beiträge für das Buch geliefert haben – drei spezielle Beratungsund Therapiezentren für computersüchtige Jugendliche arbeiten. Zitiert wird ein umfassender Bericht über ‹Beratungs- und Behandlungsangebote zum pathologischen Internetgebrauch in Deutschland› von 2010, der 138 Einrichtungen nennt. Ein Elternpaar, dessen Sohn völlig unerwartet dem OnlineRollenspiel ‹World of Warcraft› verfallen war, betreibt seit 2007 eine Internet-Seite (www. aktiv-gegen-mediensucht.de) als ein Netzwerk für Ratsuchende. Es zeigt sich darin, welchen Umfang das Problem innerhalb weniger Jahre schon angenommen hat. Das Buch berichtet von erschütternden Einzelschicksalen, enthält aber auch informa-

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tive Grundsatzbeiträge aus neurologischer Perspektive (Gerald Hüther, Manfred Spitzer), Forschungsberichte nach neuestem Stand und hilfreiche Geschichten aus der therapeutischen Praxis. Uwe Buermann vom IPSUM-Institut in Stuttgart hat einen Beitrag über ‹Erziehung zur Medienkompetenz› beigesteuert. Besonders fesselnd liest sich ein Erfahrungsbericht von Regine Pfeiffer (S. 131 ff.), die seit acht Jahren jugendlichen Spielern bei ihrer Tätigkeit am Computer zuschaut, besonders bei ‹World of Warcraft›. Sie beschreibt das raffinierte Belohnungssystem, mit dem die jungen Leute für immer anspruchsvollere Leistungen im Spiel angespornt werden, die Faszination, die davon ausgeht, die kriminellen Manöver, mit denen die Betroffenen vereinnahmt und durch clevere Bezahlmodelle auch finanziell ausgebeutet werden. Ein PR-Manager beim Computerspiel-Riesen ‹Electronic Arts› habe im Interview gesagt: «Märkte, in denen es schon sehr gut funktioniert, sind Korea und China. Beide zusammen erwirtschaften mehrere Milliarden Dollar, das meiste durch ‹Micropayments› (winzige Beträge, die sich im Zuge des Spiels profitabel vervielfachen). Wer sich einen Eindruck von den Manövern verschaffen will, mit denen die Anbieter solcher Spiele junge Leute zur Sucht animieren, wird diese Reportage und ihre Schlussfolgerungen besonders aufschlussreich finden. Der dringend notwendige Blick auf die Suchtproblematik sollte jedoch nicht von den verheerenden Wirkungen ablenken, die von der Arbeit am Bildschirm auch da ausgehen, wo sie – vordergründig gesehen – hilfreich und nützlich ist und keine Sucht erzeugt. Gerald Hüther beschreibt das in seinem Beitrag als einen doppelten Verlust, besonders für Kinder und Jugendliche: Der Bezug zur realen Welt geht verloren und zugleich der Bezug zum eigenen Körper. Was das für die künftige Entwicklung des menschlichen Bewusstseins, des Selbstgefühls, des Bewusstseins vom eigenen Ich bedeutet, muss erst noch erforscht werden. Die Spielsucht ist nur die symptomatische Spitze eines noch unsichtbaren Eisbergs im Strom der Menschheitsentwicklung.


Bildungsfreiheiten von Ralf Gleide

Clara Steinkellner, Menschenbildung in einer globalisierten Welt. Perspektiven einer zivilgesellschaftlichen Selbstverwaltung unserer Bildungsräume, Edition Immanente, Berlin 2012, 298 Seiten, € 18 Die katastrophale Lage des Individuums in der heutigen Bildungsstruktur hat im Sinne von Steinkellners Analyse ihre Hauptursache darin, dass die nationalstaatlichen Organe in einer sich mit rasender Geschwindigkeit immer weiter globalisierenden Welt weiterhin versuchen, das Bildungswesen zentral zu organisieren. Dies kommt in zunehmenden Selektionsmechanismen (PISA), vor allem aber in der extremen Vereinheitlichung und Zentralisierung von Prüfungen (Zentralabitur) und Hochschulabschlüssen (Bachelor, Master) zum Ausdruck. In Wirklichkeit seien nationalstaatlich verfasste Bildungskonzepte in einer globalisierten Welt nicht mehr zeitgemäß. Der am besten geeignete Träger von Bildungsverantwortung sei heute die sich global vernetzende Zivilgesellschaft: «Die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft liegen also in der Vielzahl von individuellen Impulsen und Initiativen, die sich gegenseitig wahrnehmen, ergänzen, unterstützen und zusammenschließen, die ihre Kontinuität und Widerstandsfähigkeit aber gerade aus der Dezentralität und dem Grassroot-Charakter beziehen.»1 Schrittweise wird in diesem Buch eine neue Instanz sichtbar, die Bildungsprozesse wirklich angemessen verantworten und gestalten könnte. Diese Instanz, so spürt der Leser, ist eigentlich er selbst, «ist der zur Verantwortlichkeit erwachende einzelne Mensch, der sich selbstmotiviert mit

anderen zusammenschließt, jenseits seiner staatsbürgerlichen Bindung.»2 Es sei an der Zeit, so Steinkellner, die Zuständigkeit für Bildung von den nationalstaatlichen Behörden in die Selbstverwaltung der Zivilgesellschaft (das heißt, in die Hände der Lehrer, Eltern und Kinder selbst) zu übergeben. Die Betroffenen sollten zu Gestaltenden ihrer eigenen Bildungsprozesse werden. Anders sei die «Überwindung der Systemlogik durch Individualität»3 nicht möglich. Insofern gehe es bei der heutigen Bildungsfrage letztlich um «einen gesellschaftspolitischen Paradigmenwechsel von der zentral ‹geführten› zur ‹sich selbst organisierenden» Gesellschaft›.4 Entscheidend für das Gelingen eines solchen Paradigmenwechsels ist natürlich, dass man ihn sich auch gemeinsam zutraut. ‹Freie Schulen für alle› erscheinen sinnvoll, wenn die damit verbundene Selbstverantwortung im Zusammenschluss mit anderen wirklich eingeübt wird. Die Fähigkeit zur freien Bildung entsteht im Rahmen vielfältig vernetzter selbstbestimmter Bildungsräume in der konkreten Wechselwirkung mit anderen Menschen. In diesem Sinne ist der Begriff der Zivilgesellschaft zu verstehen: Hier soll mit «Zivilgesellschaft ein sozialer Raum beschrieben werden, in dem sich einzelne Menschen als Menschen begegnen, also über eine wirtschaftliche Identität (zum Beispiel als Kunde) oder eine rein rechtliche (zum Beispiel als Staatsbürger) hinausgehende Beziehung und Zusammenarbeit möglich wird.»5

Selbstverwaltung des Bildungswesens Das Buch gliedert sich in drei Hauptteile. Im ersten Teil wird der historische Entwicklungszusammenhang, durch den die Bildung in die Zuständigkeit des Nationalstaates trat, beschrieben. Dabei wird deutlich, dass es an verschiedenen Punkten der Historie bereits Alternativen gegeben hat, die sich aber nicht durchsetzen konnten. Besonders treten dabei die Porträts einiger wichtiger Pioniere der Idee eines selbstverwalteten Schulwesens hervor. Die Reihe reicht von Johann Heinrich Pestalozzi, Wilhelm von Humboldt, Karl Mager, N.F.S. Grundtvig und Max Stirner über

Leo Tolstoi und Rudolf Steiner bis hin zu Ivan Illich, John Taylor Gatto und Gustavo Esteva. Dabei wird ersichtlich, dass bereits vielfältige und gut ausgearbeitete Ansätze zur Frage einer zivilgesellschaftlichen Selbstverwaltung des Bildungswesens existieren. Rudolf Steiners Idee des freien Geisteslebens im Zusammenhang mit der sozialen Dreigliederung ist dabei besonders hervorzuheben. Ein begeisterndes Ideal leuchtet auf, das in der Praxis bisher nur andeutungsweise verwirklicht ist, und mithilfe exakter Fantasie weltweit weiter auszugestalten wäre. Der zweite Teil analysiert das gegenwärtige Schulsystem im Spannungsfeld heutiger staatlicher und wirtschaftlicher Interessen. Dabei wird die Selektion durch Schulnoten ebenso kritisch hinterfragt wie die aktuellen Standardisierungsbestrebungen durch die verstärkte Einflussnahme der globalen Wirtschaft (Stichwort PISA). Anhand dieser Analyse wird sonnenklar, dass Bildung nicht durch bessere Planung und Programme, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen, gefördert werden kann, sondern indem die Frage nach der Zuständigkeit neu gestellt wird. Es geht nicht darum, dass die staatliche Bildungsplanung besser wird, sondern, wie Konrad Schily schreibt, darum, dass sie aufhört: «Das Hauptziel muss also heißen: Rückzug des Staates aus allen kulturellen, bildenden, künstlerischen Einrichtungen und ihre Überführung in freie, wirtschaftlich und rechtlich eigenständige Einrichtungen.»6 Der dritte Teil widmet sich den Grundlagen einer zukünftigen zivilgesellschaftlichen Selbstverwaltung des Bildungswesens. Der Begriff der Zivilgesellschaft wird in seiner Verknüpfung mit der menschlichen Individualität differenziert entwickelt und konkret auf mögliche zukünftige Gestaltungen von Schule und Universität bezogen.

Neue Finanzierungsformen Besonders sorgfältig wird die Notwendigkeit alternativer Formen der Finanzierung von Bildung und Kultur erörtert, denn dadurch, dass man staatliche Gelder annimmt, «wird der Staat in seiner Funktion als Leiter des Bildungswesens bestätigt. Ein wesentliches

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Problem staatlicher Finanzierung von Einrichtungen des Bildungswesens ist, dass durch die garantierte Regelmäßigkeit der Finanzierung ein Automatismus in die Einrichtung einzieht, der sich schleichend als Routine und Konvention niederschlägt – und damit neue Freiheitsimpulse unterdrückt, weil die ‹Routiniers› vermeintlich ‹unabhängig› ihre Gewohnheiten pflegen können.»7 Die Schlüsselfrage lautet: Wie kann die staatliche Finanzierung in Finanzierungsformen durch freie solidarische Beziehungen übergeführt werden? Am Ende des Buches stehen konkrete Beispiele einer freien Bildungs- und Kulturfinanzierung, die zur eigenen Wirksamkeit ermutigen. Es geht mit der Bildungsfrage in diesem Buch nie um ein Spezialthema, sondern um den Punkt, an dem der Übergang von einer zentral geführten zu einer sich immer mehr selbst organisierenden globalen Gesellschaft beginnt: «In dem Moment aber, wo freie Bildungsinitiativen beginnen, eigene Bezüge auszubilden, werden auch gesamtgesellschaftlich Kräfte angeregt, durch die eine neue, sozial verantwortliche Wirtschaftskultur und eine wirkliche Demokratie aufgebaut werden können. Indem sich also das Bildungswesen bewusst auf eigenen – zivilgesellschaftlichen – Boden stellt, kann eine Gegenbewegung zu den sich hochschaukelnden Problemen eines überforderten (Sozial-) Staates und einer bloß an der Gewinnmaximierung orientierten Wirtschaft in Gang gesetzt werden.»8 Mit großer begrifflicher Sorgfalt und auf dem neuesten Stand der Bildungsdebatte wird in diesem Buch die Frage ausgelotet, welche Vorteile Formen der Bildungsorganisation, die sich auf freie, dezentrale zivilgesellschaftliche Initiativen stützen, angesichts der Herausforderungen der globalisierten Weltgesellschaft haben. Dabei ist sich die Autorin bewusst, gewissermaßen ‹gegen den Strom› zu denken: «Gewiss – die Vorstellung einer entstaatlichten Bildung stellt sich diametral gegen die gängigen Denk- und Lebensgewohnheiten. Wer konkrete Möglichkeiten einer zivilgesellschaftlich selbstverwalteten Bildung ins Auge fasst, kann nur auf wenige Vorbilder zurückgreifen und ist auf die Fantasie als Zukunftskraft angewiesen.»9 Das Buch eröffnet durch die grundlegend aufgeworfene Frage nach der Zuständigkeit für Bildungsprozesse wirklich neue Perspektiven – auch für die heutigen Waldorfschulen. Durch die Art der Infragestellung der staatlichen Zuständigkeit wird der Leser auf seine eigene Mitverantwortung für das Ge-

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lingen von Bildungsprozessen aufmerksam gemacht. Mit dieser durchaus existenziellen und individualisierenden Wendung der Analyse erhält das Buch eine enorme Wirkungskraft. Gleichzeitig macht es deutlich, dass nicht durch den isolierten Menschen, sondern erst im freien Zusammenschluss mit anderen der Hebel umgelegt werden kann. Das Buch ist aus Clara Steinkellners Magisterarbeit hervorgegangen, die für die Publikation überarbeitet und stark erweitert wurde. Das Geleitwort stammt von dem bekannten Pädagogen und Bildungswissenschaftler Ulrich Klemm. |1 Steinkellner, S. 162  |2 ebd. S. 156 |3 ebd. S. 269  |4 ebd. S. 21  |5 ebd. S. 160 |6 Konrad Schily, Wege aus der Bildungskrise, Wien 1993  |7 Steinkellner, S. 248 |8 ebd. S. 247 |9 ebd. S. 9

Sprache von Gabriele Schwarz

Martin Georg Martins, Sabine Schäfer, Die verborgenen Wirkungen der Sprache im Kindergarten, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2010, € 19.90 Die Kooperation der beiden Autoren Martens und Schäfer in ihrer Funktion als Sprachgestalter und Waldorferzieherin scheint wie für diese Schrift geschaffen: Beide öffnen auf beeindruckende Weise ihre Schatzkiste, die durch jahrelange Erfahrung mit der kindlichen Sprachentwicklung überreich gefüllt ist. Gleich in der Einleitung wird klar, was die vorliegende Schrift möchte und welche Zielgruppe angesprochen wird: die Bewusstmachung der Kräfte und Gesetze von Kindersprachspielen bei Erziehenden im weitesten Sinne. Ein Anliegen, das bei allen, die mit Kindern vornehmlich im ersten Jahrsiebt zu tun haben, großes Interesse wecken dürfte. Im ersten Kapitel, das die Lesenden quasi durch eine erste Türe ins «Reich der Sprache» führen möchte, wird man bereits mit wichtigen Begriffen vertraut gemacht, die sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch ziehen: Wiederholungsarten, die bildhafte Ebene der Sprache, Reime, Takt und

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Rhythmus. Ein Übungsbuch soll es sein, das zur Kreativität im eigenen Umgang mit der Sprache führen möchte, um so Sprechfreude in den Kindern zu wecken und ihnen die aufbauenden Kräfte der Sprache an sich zur Verfügung zu stellen. Die angegebenen Beispiele sind sehr anregend und wecken Freude, diese auszuprobieren. Was diese und fast alle folgenden Kapitel auszeichnet, ist der große Praxisbezug und die sehr gute und anschauliche Analyse und Offenlegung der einzelnen Elemente aus dem Geiste der uns durch Rudolf Steiner geschenkten Kunst der Sprachgestaltung heraus. Herausragend sind für mein Erleben die Kapitel über die Rhythmen und die Wiederholungen in Kinderversen. Letzteres zeigt auf wunderbare Weise, wie das Erleben der Säulenworte Steiners bereits Kindern auf spielerische Weise vermittelt werden kann. Als besonders ehrenwert erachte ich auch das Kapitel, das Wilma Ellersiek gewidmet ist. Sie hat sich über Jahre durch die Erarbeitung unzähliger kostbarer Kinderreimspiele um die Sprachentwicklung verdient gemacht. Dennoch treten für den Lesenden auch Irritationen auf: Nicht immer, so zum Beispiel im Kapitel ‹Takt und Rhythmus›, gehen die Überschriften mit den Inhalten kongruent. Hier wird meines Erachtens eher der Sprachzerfall offengelegt. Das Kapitel zur Therapie sprengt aus meiner Sicht den Rahmen dieses Buches. Es ritzt nur Weniges viel zu ungenau an, Termini werden fehlerhaft eingesetzt. Da schiene es mir sinnvoller, dass zu diesem Thema eine separate Schrift entsteht, da es einer spezifischeren Betrachtung bedarf. Wenngleich der derzeit viel diskutierte Begriff der phonologischen Bewusstheit (die Fähigkeit, mit den Laut- und Silbenstrukturen der Sprache unabhängig von deren Bedeutungsinhalt hantieren zu können) nicht auftaucht, so widmet sich die vorliegende Schrift diesem Thema auf ganz besondere Art, was ich für eine große Ressource der sprachgestalterischen Arbeit mit Kindern halte. Dieses Thema sollte aus sprachgestalterischer Sicht in Zukunft noch viel mehr darlegt werden. Der ganze Bereich des Sprachverständnisses wird meines Erachtens zu wenig explizit erwähnt, wenngleich gerade das bildhafte Sprechen den Umgang mit diesem doch so entscheidenden Bereich der Sprachentwicklung impliziert. Das Layout ist sehr ansprechend und zieht sich wie ein einladender roter Faden durch das ganze Buch. Nicht nur im Cover, sondern


auch im ganzen Werk fordern uns freudige, aufmerksame und erwartungsvolle Kinderaugen und -hände auf, mit ihnen spielerisch zu kommunizieren. Der von Kinderhand halb verschlossene Vorhang, der die vorliegende Schrift beendet, bildet zum einen den Abschluss, der die Lesenden zum Schmunzeln bringen, sie aber auch auffordern kann, mit liebevollem Geschick zu finden, was weiterhin, angeregt durch diese Schrift, gesucht und entdeckt werden möchte! Dieses Buch ist ein großes Geschenk für alle, die sich mit Kindern und mit Sprachentwicklung beschäftigen. Wer es liest, bekommt viele Werkzeuge an die Hand, Sprache in jedem Bereich des Alltags für Kinder nutzbar zu machen.

Plädoyer gegen das Primat intellektueller Bildung von Andreas Neider

Matthew B. Crawford Ich schraube, also bin ich. Vom Glück, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen, List Verlag, München 2011, € 8.99 Der deutsche Titel des amerikanischen New York Times Bestsellers gibt hervorragend wieder, worum es Crawford geht: das heutige Ideal von Bildung, das in einem sich immer höher von der Realität der physischen Umwelt abhebenden intellektuellen Wissen sein höchstes Ziel sieht, infrage zu stellen und an dessen Stelle eine Rückbesinnung auf die Ausbildung handwerklicher Fähigkeiten zu setzen. Crawford selbst hatte während seines Hochschulstudiums als Elektriker gejobbt und während des Studiums den intellektuellen Reiz handwerklicher Tätigkeit als Mechaniker in einer Motorradwerkstatt entdeckt. So beginnt er sein Plädoyer mit der Feststellung: «Das Verschwinden von Werkzeugen aus unserem Schulunterricht ist der erste Schritt auf dem Weg zur Unkenntnis der gegenständlichen Welt, in der wir leben.» Er stellt sich gegen die Illusion «einer Zukunft, in der wir irgendwie die materielle Wirklichkeit hinter uns lassen und in eine reine Informationsökonomie hinübergleiten.» Dabei folgt er in weiten Teilen seines philosophisch höchst unterhaltsam geschriebenen Buches

Aristoteles’ Konzeption der «stochastischen» Tätigkeiten wie etwa der eines Arztes oder eines Mechanikers, die nicht etwas konstruieren wie der Baumeister, sondern etwas wieder in Ordnung bringen müssen, was andere konstruiert haben. Dabei lernt der Mechaniker, aber auch der Arzt, die Fehler anderer zu erkennen und zu beheben. Und er erkennt darin seine eigene Unfähigkeit, die Außenwelt perfekt zu beherrschen, er lernt vielmehr, mit den Unvollkommenheiten des realen Lebens umzugehen. Der scheinbaren totalen Beherrschbarkeit der Welt durch intellektuelles Wissen stellt er die Bescheidenheit und Demut des Mechanikers vor den Tücken des Werkstattalltags gegenüber. Sein eigentliches Plädoyer gilt der mechanischen Tätigkeit, die nicht auf Kreativität, sondern auf der Förderung von Aufmerksamkeit beruht. Entgegen der falschen These von Descartes, der meinte, nur da, wo wir uns von der Welt im Denken unterscheiden, seien wir existent, plädiert Crawford im Sinne Heideggers, der der Auffassung war, dass wir die Dinge nicht durch Anschauen, sondern durch Handeln erkennen. Einen Hammer lerne ich nicht erkennen, indem ich ihn anstarre, sondern, indem ich ihn in die Hand nehme, mich also nicht von ihm distanziere, sondern mich mit ihm verbinde! Diese Konzeption entspricht weitestgehend den menschenkundlichen Grundlagen der Waldorfpädagogik, insofern diese den Menschen dreigliedrig versteht: Nur als Kopfmensch ist der Mensch von der Welt tatsächlich getrennt, als Gliedmaßenmensch ist er in die Welt eingebettet, und durch sein rhythmisches System lebt er in ständigem Wechsel von Ein- und Ausatmung zwischen der Peripherie seines Wesens und dem Zentrum, in dem er sich als bewusst erlebt. So ist es äußerst reizvoll, Crawfords Lob der handwerklichen Erziehung auch als ein Plädoyer für die Waldorfpädagogik zu lesen. An zahllosen Beispielen macht er deutlich, wie unsere heutigen Bildungspläne in diesem Sinne immer mehr Wert auf theoretisches Wissen und damit eine Distanzierung von der Wirklichkeit legen, anstatt durch Ausbildung praktischer Fertigkeiten den Menschen mit der Wirklichkeit zu verbinden. Dass die von Descartes beschriebene Spaltung in Subjekt und Objekt durch die Erfahrung mechanischer Tätigkeiten wie dem Reparieren eines defekten Motorrads real überwunden werden kann, darin besteht eine der zentralen Einsichten dieses Buches.

So beklagt der Autor unter anderem auch die zunehmende Entfernung technischer Abläufe von deren Nutzer und die Intransparenz heutiger Apparate und Maschinen. Ein heutiges Auto kann ein normaler Nutzer nicht mehr selbst reparieren, auch der Automechaniker nicht. Das ist nur möglich durch elektronische Überwachung und computergenerierte Codes, die einen vorab programmierten Reparaturvorgang zwingend vorschreiben. Die eigene Einsichtsfähigkeit und Findigkeit des Nutzers oder des Automechanikers ist längst durch vorprogrammierte Abläufe ersetzt worden. Viele Bürotätigkeiten sind hingegen von vornherein der Programmierbarkeit menschlichen Handelns unterworfen worden, weshalb ein Büromanager über keine konkreten technischen Fähigkeiten verfügen muss, sondern viel mehr über die Fähigkeit der Fürsorge für seine Untergebenen, die er aufgrund ihrer entfremdeten Tätigkeit und zunehmenden Entindividualisierung ihrer Tätigkeiten stets aufs Neue zu einem Team zusammenschweißen muss. Nicht die Ausbildung von Individualität, sondern von Teamfähigkeit ist bei moderner Bürotätigkeit gefragt. Der Arbeitsplatz wird auf diese Weise zum Ort moralischer Erziehung, deren Maßstäbe durch den Manager gesetzt werden müssen. Diese bestehen zumeist darin, die von der Firmenleitung gesetzten Renditen zu erwirtschaften. So kam es bei den von Crawford zu verfassenden ‹Abstracts› nicht auf deren Güte, sondern lediglich auf die täglich zu erreichende Anzahl von ‹Abstracts‹ an. Der Motorradmechaniker sieht sich dagegen den Tücken eines defekten Zylinderkopfes und der nachlassenden Motorleistung ausgesetzt, die erst dann überwunden ist, wenn der Motorradbesitzer seiner Maschine wieder die gewohnte Leistung abverlangen kann. Darin aber erlebt auch der Reparateur seine Befriedigung. Er wird dabei sogar dazu tendieren, so Crawford, die tatsächlich verbrauchte Stundenzahl seiner Reparatur herunterzusetzen, um die Zufriedenheit seines Kunden nicht allzu sehr zu beeinträchtigen. Fazit seines Plädoyers: reale handwerkliche Tätigkeit verlangt ein höheres Maß an Denkfähigkeit, als es die heutigen akademischen Hochschulabschlüsse suggerieren. Daher sollten praktische Ausbildungsgänge und Berufe nicht zugunsten eines Hochschulabschlusses herabgesetzt werden: «Praktische Kenntnisse hingegen werden nur durch persönliche Erfahrung erworben. Sie können nicht heruntergeladen, sondern nur erlebt werden.»

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Lebenslernen von Hans-Werner Kuhn, Professor

Thomas Stöckli Lebenslernen: Ein zukunftsfähiges Paradigma des Lernens als Antwort auf die Bedürfnisse heutiger Jugendlicher. Universitätsverlag der TU Berlin 2011, 517 S. Die Studie beginnt mit einem Problemaufriss zur gegenwärtigen Situation der Bildungspolitik, der Schulen und der Jugendlichen. Die Fragestellung bezieht sich grundsätzlich auf schulisches Lernen und schulische Bildung, wobei der Bezugspunkt in den Bedürfnissen heutiger Jugendlicher gesehen wird. Weitere Diskurse, auf die methodisch und inhaltlich Bezug genommen wird, sind die Praxisforschung und das informelle Lernen. Die Auseinandersetzung mit diesen Datenquellen in einem qualitativen Forschungsparadigma führt zu einer Anreicherung dieser aktuellen bildungspolitischen und pädagogischen Diskussion, die sich im Begriff ‹Lebenslernen› bündelt. Dabei geht es um ein grundlegend anderes Verständnis von Schule. Die Auseinandersetzung mit dem Konzept des ‹Lebenslernens› erfolgt auf theoretischer Ebene ebenso wie auf konkreter Schulebene. Daraus werden Perspektiven für eine zeitgemäße Schulentwicklung formuliert. Lebensfremdes Lernen war schon in der Reformpädagogik ein zentraler Kritikpunkt, der auch Demokratie-Lernen betraf. Der Verfasser spricht von einem neuen Lern- und Bildungsverständnis. Hier zeigt sich, dass Bildung und Lernen nicht gegensätzlich gesehen werden, sondern weite Überschneidungen enthalten. Dies bringt eine Ausweitung von Lernorten und Lernen insgesamt mit sich. Die skizzierten Tendenzen fordern eine Auseinandersetzung mit Schule und Lernen, aber auch mit ‹Leben›, die grundsätzlicher Natur sein muss. Das Lernen im Leben und für das Leben wird vom Verfasser als ‹Lebenslernen› konzeptualisiert. Das Konzept ist nicht nur als Kritik der Schule zu verstehen, sondern als erweitertes Lernen in einer erweiterten Schule, die sich an den Bedürfnissen von Jugendlichen orientiert. In diesem komplexen Ansatz wird ein bildungspolitisches Programm entwickelt. Dieses Modell kann, so die These, nicht nur für Deutschland und die Schweiz relevant sein, sondern auch für Entwicklungsländer. Gesundheitsbefunde Jugendlicher sind Gegenstand einer Literaturrecherche, aber

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auch zweier Experteninterviews (psychische Störungen, Medikamentenabhängigkeit, ‹Lernpillen›). Vielfach spielt der Wunsch nach Leistungssteigerung eine zentrale Rolle. In den Ursachen wird u.a. schulische Überforderung behandelt. Schulverweigerung wird oft mit der Irrelevanz der Schule für das Leben Jugendlicher in Verbindung gebracht. Über einen Exkurs zur Gruppe der Hochsensitiven Menschen (HSM) schlägt Stoeckli die Brücke zu einem ganzheitlichen Verständnis von Leben, das nicht bei Defizitbeschreibungen stehen bleibt. Dann folgt als wichtiger Bausteine die Analyse von authentischen Aussagen Jugendlicher. Prägnante Aussagen und deren Deutung und Einordnung verweisen auf Fragen und Bedürfnisse von Jugendlichen (Sinn von Schule; Eltern, Status quo; Defizite; Visionen). In Kapitel 7 wird die Frage diskutiert, welchen Beitrag die Waldorfpädagogik zum ‹Lebenslernen› leistet. Hier wird zum einen argumentativ, zum anderen an Beispielen diese Frage beantwortet. Um ein Fundament hierfür zu schaffen, stellt Stöckli zunächst den Diskurs zwischen Erziehungswissenschaft und Waldorfpädagogik dar. Er weist starre Entgegensetzungen auf beiden Seiten zurück, aber auch konkrete Probleme (Sprache, Hermeneutik, Funktion der Konzepte, Kunst, Wissenschaft, Erziehung, Metaphern, Bilder, Meditation). Diese Fragen werden nicht übergangen, sondern die Vermittlung erfolgt im Konzept der Praxisforschung. Die Praxiswirksamkeit wird als Argument für die Waldorfpädagogik genutzt. Dieses Kapitel zeigt die breite Informiertheit und das ausgewogene Problembewusstsein des Verfassers zu diesem kontroversen Feld. In den schulischen Lehrerkonferenzen sieht Stoeckli den eigentlichen Ort von pädagogischer Forschung, auch in der Lehreraus- und -fortbildung. Der Beitrag der Waldorfschulen kann nicht nur durch Ehemaligenbefragungen erhoben werden, auch die Polaritätspädagogik erscheint grundlegend. Hierzu gehören dann auch Menschenbild, Beziehung, Lehrerpersönlichkeit, allerdings besteht die Schwierigkeit, dies konkret zu bestimmen. Der berufliche Teil einer umfassenden Bildung wird auch an Waldorfschulen kaum realisiert (Hibernia-Schule). Die Übertragbarkeit wird anhand einiger Beispiele skizziert (stimulierender Dialog, UNESCO). Ein Kernstück der Argumentation und der empirischen Absicherung des Konzeptes ‹Lebenslernen› folgt in Kapitel 8 mit der Darstellung des Schulprojekts ROJ in Solothurn, an dem der Verfasser seit der Gründung beteiligt war. Die Konzeptualisierung als ‹Fallstudie›

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ermöglicht eine Innen- und eine Außensicht auf Entwicklungen über einen längeren Zeitraum hin zu ‹Lebenslernen›. Diese Schule praktiziert eine duale Bildung, ein ausgewogenes Angebot an Allgemeinbildung und beruflicher Praxis in Form von Langzeitpraktika. Stöckli hat eine umfassende Dokumentenanalyse zur ROJ durchgeführt. Der Konzeptualisierung des unkonventionellen Konstrukts ‹Lebenslernen› ist Kapitel 9 gewidmet. Zunächst wird der Lernbegriff entfaltet, wobei der Bezug zum Leben immer mitgedacht und auch in aktuellen Konzepten der Erziehungswissenschaft betont wird. Im Abschlusskapitel filtert der Stoeckli seine Kernthesen aus den bisherigen Überlegungen heraus und benennt daraus Handlungsvorschläge. Die Umsetzung seines Konzeptes wird eng an die Aktionsforschung gebunden, um praxiswirksam zu werden. Hier werden Praxisforschung, neues Lernverständnis und Lebensbezug zusammengedacht, immer als polare Spannungen, die es aufzuheben gilt durch neue Lern- und Schulbedingungen. Dies wird als notwendiger Paradigmenwechsel bezeichnet. Die Ergebnisse dieser Studie können die aktuelle bildungspolitische Diskussion nicht nur in deutschsprachigen Ländern beeinflussen, sie können auch Impulse liefern für weitergehende Innovationen zur Bearbeitung von Problemen Jugendlicher durch ein grundlegend verändertes Lernverständnis.

Stimme zum Buch von Linda Bläsi, Schülerin

Durch seine jahrzehntelangen Erfahrungen als Waldorflehrer und pädagogischer Praxisforscher stützt sich Thomas Stöcklis Buch zentral auf die Gedanken und Gefühle Jugendlicher. Von diesem Blickpunkt aus kann er authentische Lösungsvorschläge für einen Schulwandel bieten. Durch Stöcklis Buch erhalten Eltern, Pädagogen und künftige Reformer Anreize zum Handeln. Als Jugendlicher selbst erfährt man die äußere Bestätigung, dass nicht mit einem selbst etwas falsch läuft, sondern Schule und Gesellschaft eine Umstrukturierung benötigen. Durch seine Herangehensweise ist Stöckli ein Buch gelungen, welches nicht so sehr über die neue Generation spricht, aber durch uns. Die Jugendlichen in seinem Buch erhalten eine Plattform, zu Wort zu kommen und für die Millionen von Jugendlichen zu sprechen, welche bis zum Krankwerden unter den einengenden Systemen leiden. Aber diese sind doch eigentlich die «stillen Revolutionäre», nur müssen sie eben auch gehört werden … Online-Version: www.goo.gl/C5VJC


Neuerscheinungen von Thomas Meyer

Wegmarken im Leben Rudolf Steiners und in der Entwicklung der Anthroposophie Dieses Buch möchte den Blick auf gewisse Schlüsselereignisse oder -tatsachen im Lebensgang Rudolf Steiners lenken, die, obwohl sie zum Teil bekannt sind, bisher wenig oder nur unzureichende Beachtung fanden. Es beleuchtet auch die Rolle, welche selbständige und markante Schülergestalten wie Marie Steiner, Ita Wegman, W.J. Stein, Ludwig Polzer-Hoditz, D.N. Dunlop oder Helmuth von Moltke bei der Ausgestaltung der Anthroposophie spielten. Sie alle bemühten sich um ein gesundes Gleichgewicht zwischen rechter Verinnerlichung und rechtem In-die-Welt-Treten. Das vorliegende Werk versucht die weltgeschichtliche Größe des Lebenswerkes Rudolf Steiners und die heilende Kraft der alle Gegensätze ausgleichenden Anthroposophie zu würdigen. 232 S., geb., 1 29.50 / Fr. 34.– ISBN 978 -3-907564-89-9

Christof WieChert «Du sollst sein Rätsel lösen …» Gedanken zur kunst der kinderund schülerbesprechunG

Der produktive Lehrer versucht, die schüler zu verstehen, damit dadurch die Brücken gebaut werden können, die das Lernen über das Niveau des Zwangs oder Drills erheben. steiners ideal war es, dass die Pädagogischen Konferenzen eine ständige Weiterbildung im erlernen des Verstehens der schülerpersönlichkeit sind. Diese fähigkeit und der daraus erfließende individualisierte Umgang in der Klassengemeinschaft ist das eigentliche Qualitätsmerkmal einer schule. Die hier skizzierten Anregungen steiners wurden in der Pädagogischen sektion aufgegriffen und als «Kunst der Kinder- und schülerbetrachtung» entwickelt. ein wunderbarer Nebeneffekt dieser tätigkeit, wenn sie im Leben einer schule zur Gewohnheit werden durfte, ist, dass von ihr eine Belebung des ganzen pädagogischen Geschehens in der schulgemeinschaft ausgehen kann. ca. 160 s., Kt., m. Abb., ca. fr. 22 | ca. € 16 978-3-7235-1440-5 erscheint im August 2012

VeRlAG AM GoetHeAnuM

Der unverbrüchliche Vertrag Roman um die Wiederkunft von Schülern Rudolf Steiners zu Beginn des dritten Jahrtausends Dieser Roman erschien in erster Auflage im Jahre 1998. Er ist nach einer Reihe langjähriger biografischer Untersuchungen zu W.J. Stein (1891–1957), D.N. Dunlop (1868– 1935), Ludwig Polzer-Hoditz (1869–1945) und Helmuth von Moltke (1848–1916) entstanden, um nur einige der in diesem Buche auftretenden Gestalten zu nennen. Aus Zuschriften von Lesern «... das beglückendste Buch, das ich je gelesen habe.» «... Der unverbrüchliche Vertrag aber entsetzt mich.» «... unter Vielem haben mich die Beschreibungen über Musik sehr bewegt.» «... für mich das richtige Buch zur richtigen Zeit ...» «... wie ein Blitz ist der Roman in mir eingeschlagen.»

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Vortrag von Judith von Halle «Der Impuls des heiligen Gral im Einweihungsritus des Templer-Ordens» (2. Teil). Wiederholung des Vortrags vom 24. Juni. in der Schreinerei am Blumenweg 3, Dornach Eintrittskarten Fr. 20.– beim Einlass Reservierung erforderlich Freie Vereinigung für Anthroposophie, Blumenweg 3, 4143 Dornach, Tel. 061 703 00 75, Fax 061 703 00 76, info@f-v-a.ch

EVS-Fortbildung Nr. 30 Pädagogischer Sommerkurs mit Prosper Nebel im Anschluss an die Eurythmietagung am Goetheanum

Elemente - Temperamente Eurythmisch Wesen- und Seelenhaftes Sprachlich-musikalischer Unterrichtsaufbau in der Unter- und Mittelstufe mit Beispielen aus dem Sommerspiel von Marguerite Lobeck Do 12. Juli, 9:30 h - Sa 14. Juli 12:30 h (abends frei) im Eurythmeum CH, 4147 Aesch BL Kosten: Mitglieder EVS und BV/DE 240.- CHF, Nichtmitglieder: 320.- CHF, 4.Studienjahr: 190.- CHF Fortbildungsnachweis: 15 Std. à 60 Min. / 20 Lektionen à 45 Min. Anmeldung: Rachel Maeder, Mannenbergweg 17, CH-3063 Ittigen, Tel: +41 31 921 31 55, Fax +41 31 921 99 11, rachel. maeder@hispeed.ch bis zum 2. 7. 2012 mit Überweisung des Kursbeitrags auf das Konto des EVS Postkonto 40-551149-2, IBAN: CH 79 0900 0000 4055 1149 2, BIC: POFICHBEXXX

KUNSTRAUM in WENGEN SOMMERWOCHENKURSE vom 16.Juli - 20.Juli 2012 Freies dreidimensionales Steinhauen mit Gabriela Stähli www.stona.ch Marionetten gestalten, bauen und spielen mit Angelika Bockholt info in www.wengen-marionetten.ch Information/Anmeldung  www.bergschulheim.ch Tel. +41 33 855 26 57


Veranstaltungen am Goetheanum 22. Juni bis 7. Juli 2012 Ticket-Schalter: Di–So, 8–18.30 Uhr; Fr–Sa, 8–20 Uhr | Telefonisch: Di–Sa, 14–18 Uhr | Tel. +41 61 706 44 44 | Fax +41 61 706 44 46 | tickets@goetheanum.ch | Änderungen vorbehalten

Freitag, 22.6. 22.6.-24.6. 11 Uhr Im Schmelztiegel des Ich - die Anthroposophische Gesellschaft, die wir wollen Mitgliederversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland am Goetheanum (Grosser Saal) 11 Uhr Angebot zur Aussprache Mit interessierten Mitgliedern zu Fragen der AG Arbeitskollegium der AGiD. Eintritt frei (Terrassensaal) 15 Uhr Mitgliederversammlung, Teil 1 Berichte: Vorstand, Generalsekretär, Arbeitsbereiche, Konferenz. Eintritt frei (Grosser Saal) 20 Uhr Begriffene Vergangenheit - erahnte Zukunft Beiträge im Plenum A (Ursprungsimpulse/Totengedenken) mit Florian Roder, Hartwig Schiller und Tanja Baumgartner, Eurythmie (Grosser Saal) Samstag, 23.6. 9 Uhr Biologisch-dynamischer und pädagogischer Gartenbau Wild- und Kulturpflanze, die Welt der Rosen, Rosen veredeln. Ausverkauft (Gartenatelier) 9 Uhr Verarbeitete Vergangenheit ergriffene Gegenwart Beiträge im Plenum B mit Bodo von Plato, Michael Schmock, Linda Thomas. Eurythmischer Einklang: Saturn-Evolution; Lili Reinitzer, künstlerische Leitung (Grosser Saal) 14 Uhr Goetheanum Führung Guided tour in English (Treffpunkt am Empfang Meeting point at the reception) 17 Uhr Mitgliederversammlung, Teil 2 Finanzberichte und ausführliche Aussprache. (Grosser Saal) 20 Uhr DAMASKUS Zeit der Bhagavad Gita, - Paulus, - Neuzeit. Eurythmie im Rahmen der Mitgliederversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland e.V. Freies Eurythmie-Ensemble; Gioia Falk, künstlerische Leitung (Grosser Saal) Sonntag, 24.6. 24.6.-28.6. 19:30 Uhr Internationales Abschlusstreffen der EurythmieAusbildungen (Grundsteinsaal) 24.6.-9.9. Wegbereiter einer neuen Bewegungskunst - Biographische Portraits der ersten Eurythmisten 1912-1925 Ausstellung bis 9.9.2012, täglich 8 bis 22 Uhr (Wandelhalle Foyer) 9 Uhr Ahnendes Ergreifen - Zukünftiges Geben Beiträge im Plenum C mit

Tanja Baumgartner, Jürgen Schürholz, Wolf-Ulrich Klünker. Eurythmischer Einklang: Markus Apokalypse; Ursula Zimmermann, künstlerische Leitung (Grosser Saal) 11 Uhr Abschlussplenum und Eurythmischer Abschluss: Fensterworte Zu Zukunftsaufgaben der AG. Ergebnisse der Arbeitsgruppen. M. Solstad, künstlerische Leitung (Grosser Saal) 16:30 Uhr Leierkonzert: Masurische und Japanische Lieder Werke von Johann Sebastian Bach, Fujii und Julius Reubke. Nubuko Izumoto und Wolfgang Friebe, Leier und Gesang; Hiromi Mori, Eurythmie (Rudolf Steiner Halde I) 17 Uhr Vernissage der Ausstellung: Wegbereiter einer neuen Bewegungskunst - Biographische Portraits der ersten Eurythmisten 1912-1925 (Wandelhalle Foyer) 20 Uhr Johannikonzert mit Volker Biesenbender und Michelangelo Rinaldi Volks- und Kunstmusik aus Europa. Volker Biesenbender, Violine und Gesang; Michelangelo Rinaldi, Klavier, Akkordeon und Gesang (Schreinereisaal) Montag, 25.6. 25.6.-28.6. 9 Uhr Eurythmie: 100 Jahre singen, sprechen, klingen! Eurythmie-Sommerkurs für Laien und Interessierte (Rudolf Steiner Halde I) 9 Uhr Eurythmie: 100 Jahre singen, sprechen, klingen! Eurythmie-Sommerkurs für Laien und Interessierte. Veranstaltet durch das Eurythmeum CH (Rudolf Steiner Halde I) 14:30 Uhr Vertiefungsarbeit zur Johannizeit. Mit Cornelia Friedrich, Esther Gerster, Renatus Derbidge, Hans-Christian Zehnter. Kollekte (Südatelier) 17 Uhr Abschlussklassen der Eurythmieausbildungen I (Grundsteinsaal) 20 Uhr Abschlussklassen der Eurythmieausbildungen II (Grundsteinsaal) Dienstag, 26.6. 17 Uhr Abschlussklassen der Eurythmieausbildungen III Wochensprüche von Rudolf Steiner (Grundsteinsaal) 19:30 Uhr Sprechchor Mit Sylvia Baur. Auf Einladung (Rudolf Steiner Halde I) 20 Uhr Abschlussklassen der Eurythmieausbildungen IV (Grundsteinsaal) Mittwoch, 27.6. 17 Uhr Abschlussklassen der Eurythmieausbildungen V (Grundsteinsaal)

20 Uhr Abschlussklassen der Eurythmieausbildungen VI (Grundsteinsaal) 20 Uhr Johannifeier Zweige der Regionen (Rudolf Steiner Halde I) Donnerstag, 28.6. 5 Uhr Vogel-Stimmen. Belauschen, Betrachten, Bestimmen Mit Renatus Derbidge und Hans-Christian Zehnter. The School of Nature. Treffpunkt: Schloss Reichenstein (Arlesheim) 17 Uhr Abschlussklassen der Eurythmieausbildungen VII (Grundsteinsaal) 18 Uhr Einsicht in die Welt: Kochen und ein offenes Gespräch Kochen ab 18 Uhr, Gespräch ab 19.30 Uhr. Eintritt frei (Jugendsektion Konferenzraum) 20 Uhr Aufführung der DozentInnen der Eurythmieausbildungen (Grosser Saal)

Martina Maria Sam. Im Rahmen der Ausstellung Wegbereiter einer neuen Bewegungskunst – Biographische Porträts der ersten Eurythmisten 1912-1925 (Terrassensaal) Montag, 2.7. 2.7.-6.7. 10:00 Uhr Zaubergarten am Goetheanum Gartenworkshop für Kinder von 8 bis 12 Jahren. Vom 2. bis 6.7.2012 täglich von 10 bis 16 Uhr. Mit Rob und Kathrin Bürklin. Anmeldung unter rob.buerklin@goetheanum.ch oder 061 7064361 2.7.-6.7. 8:00 Uhr Ärzteschulung des Institut pour la Formation et l`Edition en Médicine Anthroposophique (IFEMA) (Nordatelier) Dienstag, 3.7.

20 Uhr Vom Seelenkalender zum ersten Goetheanum-Bau Veranstaltung zum Menschheitsrepräsentanten mit Thomas Meyer. Kollekte (Ausstellungsraum)

19:30 Uhr Sprechchor Mit Sylvia Baur. Auf Einladung (Rudolf Steiner Halde I)

Freitag, 29.6.

5.7.-7.7. 9:00 Uhr „Nicht Stehen können“. Das U und sein Umkreis Heileurythmie-Fortbildung mit Margrit Hitsch (Rudolf Steiner Halde I)

9 Uhr Arbeitstag der EurythmieAusbilder Auf Einladung (Rudolf Steiner Halde I) 20 Uhr Behandlung von Pflanzen durch Eurythmie und Klang Vortrag von Tanja Baumgartner und Ute Kirchgässer. Karten am Saaleingang (Nordatelier) 20 Uhr Trunk der Labe Eurythmieaufführung der Jantar-Bühne. Gedichte von Marie Luise von Kaschnitz, Berthold Wulf †und Jalaluddin Rumi. Musik von John Cage, György Ligeti, Maurice Ravel und Claude Debussy. Dragan Vuckovic, Regie (Grundsteinsaal) Samstag, 30.6. 9 Uhr Konferenz der Eurythmie-Ausbilder Auf Einladung (Rudolf Steiner Halde I) 14 Uhr Goetheanum Führung Guided tour in English (Treffpunkt am Empfang Meeting point at the reception) 16:30 Uhr Veranstaltung im Gedenken an Lothar Linde (1899-1979) Ansprachen, Eurythmie, Buchvernissage. Kollekte (Schreinereisaal) Sonntag, 1.7. 11:00 Uhr Schicksalskonstellationen in der Entstehungszeit der Eurythmie – Über die Lebenswege der ersten Eurythmisten und ihre Zusammenarbeit mit Rudolf Steiner Vortrag von

Donnerstag, 5.7.

18:00 Uhr Einsicht in die Welt: Kochen und ein offenes Gespräch Offenes Gesprächsforum für globale und persönliche Themen und deren Zusammenhang. Kochen ab 18 Uhr, Gespräch ab 19.30 Uhr. Eintritt frei (Jugendsektion Konferenzraum) Samstag, 7.7. 7.7.-11.7. 15:00 Uhr „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ Öffentlich. Eurythmische Beiträge aus aller Welt. Aufführungen, Kurse, Vorträge, Demonstrationen. Sommer-Festwoche 100 Jahre Eurythmie (Grosser Saal) 14 Uhr Goetheanum Führung Guided tour in English (Treffpunkt am Empfang Meeting point at the reception) 15:00 Uhr Schicksal bewegen ? die Herzkraft der Eurythmie Begrüssung durch Margrethe Solstad, Vortrag von Michael Debus (Grosser Saal) 17:00 Uhr Das MondEnsemble Hamburg Die kleine Nachtigall – Ein Märchen frei nach Christian Andersen. Rob Barendsma, Regie (Grosser Saal) 20:00 Uhr Else Klink-Ensemble Stuttgart Werke von Sulchan Nassidse, Johann Sebastian Bach, Joseph Beuys u.a. Benedikt Zweifel, künstlerische Leitung (Grosser Saal)

IMPRESSUM Das Goetheanum, Wochenschrift für Anthroposophie, 1921 von Rudolf Steiner mit Albert Steffen begründet. Für Mitglieder der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft erscheint ‹Das Goetheanum› einmal im Monat mit Beilage.  Herausgeber Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, vertreten durch Bodo von Plato  Redaktion Cornelia Friedrich (CF), Wolfgang Held (WH), Sebastian Jüngel (SJ), Philipp Tok (FT), Jonas von der Gathen (JG), redaktion@dasgoetheanum.ch  Korrespondenten János Darvas, Christine Gruwez, Achim Hellmich, Matthias Mochner, Bernhard Steiner, Zvi Szir  Geschäftsführung Christian Peter  Abonnement Jahresabo: CHF 130 (ca. € 98), Schweiz: CHF 160 (inkl. Schweizer Mitteilungen). Das Abonnement verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn es nicht vor Ablauf der Rechnungsperiode schriftlich gekündigt wird. Studentenermäßigung 50% (bei Nachweis einer ganztägigen Berufsausbildung). Maya Meier abo@dasgoetheanum.ch  Anzeigen Verena Sutter anzeigen@dasgoetheanum.ch  Anzeigenschluss: Mittwoch der Vorwoche 12 Uhr. Aufträge nur schriftlich (Fax/E-Mail). Es gilt die Anzeigenpreisliste 2012/2 Telefon-Service Mo-Fr 9-12 Uhr (außer Mi 10-12 Uhr)  Rechtliches Für unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Haftung übernommen. Mit der Einsendung stimmt der Autor und Inhaber des Urheberrechts der vollständigen oder teilweisen Veröffentlichung in der Zeitschrift ‹Das Goetheanum› zu. Für die korrekte Bezeichnung geschützter Namen wird keine Haftung übernommen. Nicht bezeichnete Abbildungen sind zur Verfügung gestellt. Nachdruck und Übersetzung bedürfen der Erlaubnis von Autor und Redaktion Druck Birkhäuser+GBC AG, CH–4153 Reinach Titelzeichnung Rudolf Steiner Satzanlage Philipp Tok Adresse Wochenschrift ‹Das Goetheanum›, Postfach, 4143 Dornach, Schweiz, Tel. +41 61 706 44 64 | Fax +41 61 706 44 65 | info@dasgoetheanum.ch | www.dasgoetheanum.ch © 2012 Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft, Dornach, Schweiz. ISSN 1422-7622


Das Goetheanum Nr. 25 · 23. Juni 2012 EinzelHeft im Abo  € 2.40/1.20*  CHF 3.80/1.90*  www.dasgoetheanum.org · *Ermäßigt

Blicke

anna krygier

1 Alle Fotografien in diesem Heft

2  Sechs Takte · Fünf Meldungen

3  Grenzerweiterung beatrice rutishauser  3  Frieden lernen birgit hering

Zusammenhänge remo h. largo

5  kleine pädagogische Revolution

jost schieren  claus-peter röh

14  Zwölf Tore zur Welt

michaela glöckler

16  Organe der Freiheit

florian osswald

18  Diener aus Stärke

louise de forest

20  Kinder als Helfer

Gespräch

7  Das Rätsel des Ich

johannes kiersch

24  Buch von Christoph Möller ‹Spielen im Netz›

ralf gleide

25  Buch von Clara Steinkellner ‹Menschenbildung in einer globalisierten Welt› gabriele schwarz

26  Buch von Martin Georg Martens und Sabine Schäfer ‹Die verborgenen Wirkungen der Sprache im Kindergarten›

andreas neider

27  Buch von Matthew B. Crawford ‹Ich schraube, also bin ich. Vom Glück, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen›

hans-werner kuhn

28  Buch von Thomas Stöckli ‹Lebenslernen: Ein zukunftsfähiges Paradigma des Lernens als Antwort auf die Bedürfnisse heutiger Jugendlicher›

Die Beiträge beider Tagungen erscheinen ungekürzt in einem Sonderheft des Rundbriefes der Pädagogischen Sektion.

Wolfgang Held

Wo Anthroposophie lebt Ein Leben in Anthroposophie – welchen Beruf sollte man dafür wählen? Arzt, denn der Arzt will heilen, der Natur helfen. Wohl kaum: der Mediziner will die Krankheit besiegen, sucht, das erwartet der Patient, die Lösung, die Antwort. Vielleicht Künstler? Nah dem Geistigen, aber den Menschen zu fern. Dann vielleicht Landwirt, denn die Erde zu verwandeln ist die vornehmste Pflicht? Ich denke nicht, denn so nah man der Natur ist, so fern ist man urbaner Brandung. Nein, es ist der Beruf des Lehrers, der wie keiner Anthroposophie bedeutet. Als Lehrer will man nicht siegen, ist man auf dem Boden der Tatsachen und hat doch in zweiunddreißig Farben die Zukunft vor Augen. Anthro-posophie bedeutet Aufmerksamkeit, bedeutet Liebe zur Entwicklung und zum Scheitern. Wo ist man näher dem menschlichen Streben als auf dem schmalen Band zwischen Pult und Tafel. Lebensort Schule, die Kathetrale der Aufmerksamkeit. Oft sehe ich auf der morgendlichen Fahrt zum Goetheanum Christof Wiechert versunken den Hügel emporsteigen und später in einer Sitzung ebenso konzentriert den Gedanken finden, der dem Gespräch Richtung verleiht. Die Weltlehrer-Tagung 2012 ist sein großes Geschenk an das Goetheanum, an die Schulbewegung. Als Abend für Abend die Schulkinder aus aller Welt auf der Bühne tanzen, denke ich: Ja dieser Reigen, diese Freude, das ist der Dank für ein Geschenk, das Christof in zehn Jahren Sektionsleitung dieser Generation gegeben hat: die Kultur der Kinderbesprechung, in der die Aufmerksamkeit, in der die Anthroposophie als Liebe an der Entwicklung des Kindes gipfelt. Diese Kultur hat er in Schulbesuchen, Seminaren und Büchern in der Schulbewegung verankert und damit Rudolf Steiners Idee der Lehrerkonferenz mit zu einem der mächtigsten Orte anthroposophischen Lebens werden lassen.


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