Cafe BE 2011, 1. Halbjahr

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Cafe BE 2011

BÖRSE EXPRESS


BÖRSE EXPRESS Talk-Format Cafe BE widmet sich zum Debüt Sinn und Effizienz von Investorenkonferenzen

Osteuropa-Faktor wird wieder zum Pluspunkt

Cafe BE Runde (v. l.): Klaus della Torre (RCB), Gernot Liebhart (UniCredit), Dieter Benesch (Erste), Konrad Sveceny (bwin)

Kitzbühel, Zürs, Stegersbach sind die FlagshipKonferenzen der heimischen Grossbanken. Welche Erwartungen haben Banker und Unternehmen, fragte der BE. Wenn am Sonntag die Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel mit dem Slalom den Abschluss gefunden haben und sich die Tribünen wieder leeren, steht man andernorts schon in den Startlöchern. Am Abend beginnt die „Austrian Investor Conference“ der UniCredit mit einem „Warm up“ im Hotel Schloss Lebenberg. In den kommenden zwei Tagen stellen sich dann insgesamt an die 40 heimische Unternehmen in Präsentationen und One-on-Ones genannten Einzelgesprächen institutionellen Investoren aus aller Welt. Diese Konferenz findet heuer zum 16. Mal statt – ursprünglich war sie in der Hahnenkamm-Woche anberaumt und endete am Freitag. Wer wollte, konnte somit das Wochenende mit Abfahrtslauf und Slalom noch nutzen. Mit der Verschiebung auf die Zeit nach den Rennen wurde der Finanzkrise Tribut gezollt. Auf das Investoreninteresse hat das aber keinen Einfluss. Was bei der UniCredit unter Kitzbühel läuft, ist für die Erste Group das burgenländische Stegersbach und für die Raiff-

eisen Centrobank der Arlberg-Ort Zürs. Alle grossen heimischen Investmenthäuser haben jährliche Flagship-Konferenzen etabliert und laden dabei in Schi- oder Thermenregionen Österreichs. Daneben werden auch Veranstaltungen im Ausland abgehalten oder Konferenzen, die sich einem speziellen Thema – etwa CEE oder Südosteuropa – widmen. Was erwarten Banken und Unternehmen für die heurige Saison? Und wie steht es bei solchen Konferenzen mit Kosten-Nutzen-Relationen? Der Börse Express lud zum Talk ins Cafe BE, das von nun an regelmässig im Schauraum von Griffner Haus am Wiener Schottenring stattfinden wird.

Deutlicher Stimmungswandel „Wir sehen einen deutlichen Stimmungswandel. Österreich wird stärker als je als Entry Point für Osteuropa betrachtet“, erzählt Klaus della Torre, Head of Institutional Equity Sales der RCB. Die CEEFantasie, von der die Wiener Börse in den Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise profitieren konnte, die sich dann aber in eine CEE-Phobie gewandelt hat, könnte damit vor einem Comeback stehen. „Das war auch bei unserer Südosteuropa-Konferenz im November bereits merkbar. Das Interesse war gross wie nie – und das für Märkte, die liquiditätstechnisch noch viel schwieriger als der Wiener Markt sind“, so der

RCB-Experte. „Die Investoren konzentrieren sich wieder stärker auf das Wachstum“, pflichtet Dieter Benesch vom Equity Sales der Erste Group in London bei. Der Umstand, dass die CEE-Staaten eine deutlich geringere Staatsverschuldung als der Durchschnitt der Eurozone aufweisen und die Wirtschaft schneller wächst, ist somit wieder in den Köpfen der Investoren angekommen. „Osteuropa ist nicht untergegangen, und damit auch Österreich nicht. Ausserdem haben unsere Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Benesch zur neuen alten Realität. Im Zuge dieses Stimmungsumschwungs konnten die heimischen Broker auch ihr Profil schärfen, sind die anwesenden Banker sicher. Lokale Präsenz und Marktkenntnis machen sich halt langfristig doch bezahlt. „Unsere Investorenanalysen zeigen auch, dass im Zuge der StaatsverschuldungsProblematik der Länderfokus wieder ein grösseres Gewicht erhält“, erzählt Gernot Liebhart, Head of Equity Sales Austria der UniCredit. Österreich könne davon tendenziell profitieren. Denn selektieren Investoren nach Sektoren, dann sind die österreichischen Blue Chips halt doch immer nur unter den kleineren Branchenvertretern zu finden. Auf Ländersicht sieht das dann anders aus.


BÖRSE EXPRESS ➤ Fortsetzung von Seite 3 Die Organisation dieser Investorenkonferenzen mit Präsentationen und mehreren hundert One-on-Ones erfordert mittlerweile monatelange Vorarbeit. „Die Planung ist zum mittelfristigen Prozess geworden“, so Erste-Banker Benesch. „Spontan sind One-on-Ones so gut wie nicht mehr möglich“, schildert della Torre. Bei der RCB in Zürs müssen rund 60 Unternehmen in zweieinhalb Tagen durchgepeitscht werden. Die Investoren erhalten vorab Listen und können bekannt geben, mit wem Einzelgespräche gewünscht sind. Ist der Andrang zu gross, gibt es eine Gruppenpräsentation. „Jeder, der ein One-on-One möchte, kann es auch bekommen“, versucht Konrad Sveceny, IR-Chef des Online Gaming Anbieters bwin, dennoch stets alle Anfragen unter einen Hut zu bringen. Auf das Zeitbudget kann sich das natürlich auswirken. Eine Gesprächszeit von einer Stunde gehört der Vergangenheit an. Mit 45 Minuten muss da im Durchschnitt schon das Auskommen gefunden werden.

Cafe BE hat im Showroom von Griffner Haus seinen Platz gefunden (im Bild: Diskutanten mit Bettina Schragl und Christian Drastil vom BE)

samt-Package an. Die teils ungezwunge- Und Klaus della Torre meint: „Gerade im ne Atmosphäre mache gerade das Flair Aktien-Sales-Bereich ist es einfach zu kaldieser Konferenzen aus. „Würde man der- kulieren.“ Der Anstieg des Orderflows nach artige Veranstaltungen in den Konferenzen Wien abhalten, hätte sei ein gutes Inman den Nachteil, dass diz dafür. Und sich abends schnell aldabei profitieren les auflöst“, sagt RCBdie Banken auch Banker della Torre. immer von den Doch nur des Flairs Veranstaltungen Konrad Sveceny, bwin wegen wird freilich nicht der anderen. nach Kitz, Zürs oder sonst wohin gefahWird den Anlegern Geschmack auf Speed Investing ren. „Knallhartes Business“ hat ja be- Österreich gemacht, steigt generell die „Wir waren auch schon auf sogenann- kanntermassen auch etwas mit knallhar- Orderlaune. Die Unternehmen wie bwin wiederum ten Speed Investing Events im Ausland“, ter Kalkulation zu tun. Generell laden die erzählt Sveceny. Ähnlich dem Speed Da- Banken ihre Kunden ein, wobei natürlich schätzen die Effizienz dieser Veranstalting wechseln die Investoren dabei im 20- eine Selektion unter den Institutionellen tungen. „Wir haben in wenigen Tagen Kongetroffen wird. takt zu sehr vielen Investoren. Diese KonMinuten-Rhythmus. In immer mehr stellation ist einmalig“, sagt Konrad SveDas Ausmass des KenFällen verlangen ceny. Auch erhalte man Zugang zu neuen nenlernens bleibt in jedie Investoren Investorenkreisen, etwa Institutionelle aus dem Fall beschränkt. aber, Anreise und Osteuropa. Denn diese sind im Vormarsch, „Das ist für die InveDieter Benesch, Erste Group Aufenthalt selbst polnische Fonds etwa finden sich bei etstoren sehr oberflächlich, in dieser Zeit kommt man mit der bezahlen zu können. Das wird vom je- lichen österreichischen Aktien unter den weiligen Arbeitgeber vorgeschrieben, man acht grössten Investoren. Der Anteil von Präsentation nicht wirklich durch.“ „Wird untertags die Zeit zu kurz, bietet will ja nicht als voreingenommen gelten. Hedgefonds hat gegenüber der Boomzeit der Wiener Börse allerdings etwas abgesich auch abends die Möglichkeit zu GeRechnung geht auf nommen, sind die Banker und bwin-Masprächen im informellen Rahmen und in angenehmer Atmosphäre“, verweist UniAuf die BE-Frage, was so eine Konfe- nager Sveceny einig. Die kurzfristige Einschätzung der Cafe Credit-Banker Liebhart auf einen wichti- renz unterm Strich kostet, gibt es zwar keigen Aspekt dieser Investorenkonferenzen. ne konkrete Antwort der Banker. Alle be- BE Teilnehmer für den Aktienmarkt ist Sei es der Austausch mit Investoren, Ban- teuern aber, aber dass sich die Veranstal- leicht positiv bis positiv. Gute Unternehkern und Analysten oder der Unterneh- tungen unter dem Strich rechnen. „Die menszahlen werden den Markt weiter treimen untereinander. „Letztendlich wird in UniCredit steht ja nicht im Ruf, Geld ver- ben, wenn auch die Volatilität hoch bleidie Unternehmensphilosophie, in die Leu- lieren zu wollen“, merkt Gernot Liebhart ben und es auch immer wieder graue Wolte investiert.“ Dieter Benesch pflichtet bei: an. Das kann wohl auf alle Institute um- ken am Anlegerhimmel geben sollte. „Es „Es ist ein knallhartes Geschäft, aber am gelegt werden. „Man kann den Nutzen sehr sucht nach wie vor viel Liquidität nach Ende des Tages ein People’s Business.“ wohl genau analysieren. Und es steht sich Veranlagung“, sagt Sveceny. Kitzbühel ruft. (bs) Die Bank als Veranstalter biete ein Ge- dafür“, pflichtet Dieter Benesch bei.

„Am Ende des Tages ist es ein People’s Business“

„Die Konstellation ist einmalig: Viele Investoren in wenigen Tagen“


Mittwoch, 26. Jänner 2011

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Cafe BE: Branchentalk mit Finanzagenturen über einer Welt, die immer digitaler wird

Quo vadis, Finanzkommunikation? Cafe BE Runde (v.l.): Drastil, Mayrl, Rief, Pjeta, Grabmayr

Über Transaktionen an Auslandsbörsen, die schwindende Bedeutung von Geschäftsberichten und die Frage, ob man Apps braucht. Im Frühjahr 2010 hatte der börsenotierte Hotel-Spezialist Warimpex eine zwar nicht allzu grosse - aber doch richtungsweisende - Kapitalerhöhung durchgeführt. Dies deshalb, weil Warimpex sowohl an der Wiener Börse als auch am Warschauer Finanzplatz gelistet war (und ist). Mit unterschiedlichen Regularien. Das begleitende Juristenteam von DLA Piper Weiss-Tessbach musste daher bei der Transaktion sowohl österreichische als auch polnische Kapitalmarktvorschriften beachten. Ein Kostenfaktor, der sich aber unter dem Strich mehr als bezahlt gemacht hat. Rund vier Fünftel der Kapitalerhöhung wurden bei polnischen Investoren platziert. Erst vor wenigen Wochen, im Schlussquartal 2010, führte dann Do&Co eine Kapitalaufstockung durch, die ebenfalls fast zur Gänze am Wiener Markt vorbeigegangen ist. Die Platzierung erfolgte in der Türkei. Im Rahmen einer „Cafe BE“-Runde zum Thema „Neue Herausforderungen für die Finanzkommunikation“ war dies das Einstiegsthema.

Im Schauraum von Griffner Haus am Wiener Schottenring, in dem die „Cafe BE“Roundtables abgehalten werden, diskutierten Roland Mayrl, Geschäftsführer Metrum Communications, Bernhard Grabmayr, Geschäftsführer von Scholdan & Company, Nikolaus Pjeta, Geschäftsführender Gesellschafter Yield Public Relations und Veronika Rief, Eigentümerin von Rief Financial Communications.

„Istanbul für Do&Co besser“ Letztere hat den Financial Advisor der Do&Co-Transaktion, die österreichische Q-Advisers von Ex-CA IB-Banker Fritz Schweiger, in Sachen Öffentlichkeitsarbeit beraten. Veronika Rief: „Für Do&Co war die Wahl der Börse Istanbul die absolut Richtige.“ Aufgrund der Tatsache, dass Do&Co als erste ausländische Aktie am Bosporus angeboten wurde, sei die Aufmerksamkeit sehr hoch gewesen. Die Idee, sich damit neue Investorenschichten zu erschliessen, sei aufgangen. „Das Angebot war letztendlich 13-fach überzeichnet“, so Rief. Ein Erfolg, den es in Wien wohl nicht gespielt hätte; da waren sich auch die anderen Cafe BE-Teilnehmer einig. Die Person Attila Dogudan habe natürlich in der Türkei ein Heimspiel gehabt, meint etwa Bernhard Grabmayr, „zudem kocht der Mann einfach das beste Essen“.

Unter dem Strich sei es einem österreichischen Unternehmen gelungen, eine glaubhafte Emerging Markets Story den Investoren zu verkaufen. „Mit dem Effekt, dass nun ein starker Emerging Markets Titel in Wien notiert, der sich zudem auch rein von der Kursperformance her prächtig entwickelt hat“, schliesst Rief. Bei Do&Co ist also die Wertschöpfung im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung weitgehend an der Wiener Szene vorbeigegangen und freilich gehört in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass Do&Co an der Wiener Börse nie ein Publikumsfavorit gewesen ist und auch kaum Coverage hatte. Aber: Wie sieht es nun aus mit dem Finanzplatz Wien als vielzitiertem Tor zu Osteuropa aus? Yield-Mann Nikolaus Pjeta sieht hier beispielsweise Polen, ein Land, in dem es eine weit grössere lokale Investorenbasis als in Österreich gibt, mittlerweile als echte Konkurrenz. Neben Istanbul dürfte man auch Moskau nicht vergessen, ergänzt Bernhard Grabmayr. Weiters sei der Finanzplatz Kiew stark im Kommen, kapitalkräftige Investoren aus Indien und Persien würden sich dort die Klinke in die Hand geben, so Grabmayr. Roland Mayrl sieht in Österreich ein börsefeindliches Klima, verursacht durch den einen oder anderen Skandal, aber auch durch die politische Schlagrichtung. „Stichwort Wertpapier-KESt“, ergänzt Mayrl. Dabei zähle Österreich zu den reichsten Ländern der Welt und es würde viele gute Chancen für Investments geben. Nikolaus Pjeta, der mit Yield vor allem ausländische Finanzdienstleister bei ihren ersten Schritten in Österreich betreut, argumentiert, dass Österreich rein von der Grösse her als interessantes deutsches Bundesland gese➤ Fortsetzung auf Seite 6


Mittwoch, 26. Jänner 2011

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kate“. Die Lernkurve habe die kritische in Richtung Medien - Magazine, TagesMasse erreicht, was man brauche, sei ei- zeitungen, Internet, Apps -, und das zu Lane Marktmeinung, so Grabmayr. Roland sten der Geschäftsberichte“, präzisiert er. hen werden kann: „Ein wohlhabendes Bernhard Grabmayr bestätigt, dass auch Land mit vielen regionalen Aspekten.“ Die Mayrl schloss sich an: Aufgrund der WertPreise für Immobilien hätten sich auch in papier-KESt würden viele klassische Ak- bei den Finanzagenturen längst ein Umder Krise gut gehalten. Bernhard Grabmayr tienkäufer Alternativen suchen, dies habe denken passiert sei. „Inhalte im Netz wereine aktuelle Me- den immer wichtiger.“ Das Sensorium für betont die „hervorratrum-Studie klar Glaubwürdigkeit würde im Netz viel högende Imagearbeit“ her als in klassischen Medien sein. Dies hervorgebracht: Österreichs. Zudem „Zumindest un- bringe markant neue Aufgaben für die börwären auch die Habsmittelbar gibt es ei- senotierten Unternehmen und die Finanzburger weniger grauRoland Mayrl, Metrum ne grosse Verunsi- branche im Ganzen mit sich. „Wer glaubt, sam als die Ottomanen cherung unter den dass die Präsenz im Netz lediglich eine bilgewesen; sehr kultiviert Anlegern und die ligere Alternative darstellt, wird auf die Nasei das Ganze also. Bei soviel Lob: Und wann wird es nun Suche nach Alternativen bzw. eine starke se fallen“, warnt Grabmayr. Man müsse wieder einen Börsegang in Wien - seit der Selektion. Jene, die in den vergangenen die gleiche Sorgfalt wie in klassischen DinStrabag im Jahr 2007 sind ja bereits mehr zwölf Monaten Aktien gekauft haben, sind gen walten lassen, wenn nicht eine noch als drei Jahre vergangen - geben? Die Teil- auch in Zukunft kaufbereiter.“ Prinzipiell grössere. Die entscheidende Frage sei jenehmer räumten lächelnd ein, dass es nun sei aber zumindest kurzfristig das Thema ne nach der richtigen Strategie: „Es führt kein Weg am Sonatürlich viel Raum für eine verbesserte Veranlagung in Akcial Netz vorbei“, Primärmarktstatistik geben würde. Bern- tien aufgrund der sagt Mayrl. Ist hard Grabmayr berichtet über „viele Ge- WP-KESt ein absoman nicht selbst spräche mit Interessenten“ und Roland lutes Experten-Thepräsent, würden Mayrl geht davon aus, dass man heuer ma geworden. „Die Bernhard Grabmayr, Scholdan die eigenen Prowieder etwas zu sehen bekommen werde. ohnehin unterentdukte von Dritten Corporate Bonds und gute Kapitalerhö- wickelte Börsenkulhungen würden auf ein gutes Umfeld stos- tur in Österreich hat noch einmal einen thematisiert. Ob man nun wolle oder nicht, sen, denn der Veranlagungsdruck der In- ordentlichen Dämpfer erhalten. Das gilt es man müsse sich diesen Herausforderunin der Kommunikation zu berücksichtigen“, gen stellen. Beim Thema Apps und Facestitutionellen, ja, der sei gross. book rät Nikolaus Pjeta wiederum von Auf der Frage nach den grossen Geld- so Mayrl. Generell sei zu bemerken, dass sich Bil- Schnellschüssen ab. Man müsse hier stark anlagetrends 2011 nannte Nikolaus Pjeta „geschlossene Fonds, die von guten Ma- dung und Wissen der Anleger in den ver- hinterfragen, was Sinn macht. Dass dies auch eine „grosse neue Chalnagerpersönlichkeiten gestioniert werden“. gangenen Jahren deutlich verbessert hätHier hätte man keine Probleme in puncto ten, und das sei dem Web zu verdanken. lenge“ für die Branche ist, darin war sich Liquidität. Bernhard Grabmayr lieferte ei- „In den Geschäftsbericht schauen nur noch die Runde einig. Akquisen, Partnerschafne klare Ansage in Richtung Strukturierter wenige“, meint Mayrl, und wenn, dann in ten, Boutiquen, Erweiterung der GeschäftsProdukte: „2011 wird das Jahr der Zertifi- die digitale Variante: „Der Trend geht klar felder - nichts wird ausgeschlossen. ➤ Fortsetzung von Seite 5

„Dämpfer durch die Wertpapier-KESt“

„Das Netz ist viel mehr als eine billige Alternative“

v. li.: Nikolaus Pjeta (Yield), Roland Mayrl (metrum), Bernhard Grabmayr (Scholdan), Veronika Rief (Rief Fin. Comm.)


Freitag, 28. Jänner 2011

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Cafe BE: Aussichten für den Bondmarkt, Rating-Frage, Basel III und Euro-Zukunft

„Gar keine Anleihen ist nicht möglich“ immer, wenn ein heimisches Unternehmen an den Markt geht. Das vergrössert den Markt und verbessert die Liquidität, denn es ist ein kleiner Markt. Je mehr Emittenten kommen, desto grösser und liquider wird der Markt - es ist eine sich selbst verstärkende positive Spirale, die viele Gewinner mit sich bringt. Cafe BE: Medien sind voll von Sorgen vor der Inflation. Zinsanhebungen scheinen auch näher zu rücken. Wie beurteilt ein Asset Manager die Asset-Klasse Anleihe in diesem Umfeld? Cafe BE Diskutanten: S. Huber, C. Bässler, P. Wageneder, M. Bohn, G. Trattner Martin Bohn: Schwierig. Inflationsangst haben wir, seit massiv deutung hat. In guten Zeiten ist mehr oder Geld in den Markt gepumpt wird. Jetzt sieht Die Inflationsangst weniger alles verkaufbar, was jetzt nichts es aber aus, als ob die Zahlen erstmals auch dringt derzeit stärker auf den mit der voestalpine zu tun hat. In guten Zei- dafür sprechen, dass die Teuerung durch Markt durch als reale Gefah- ten ist das Rating also kein preislicher Vor- steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise ansteigt. Die Kernraten sind aber ren bestehen, sind die Bond- teil. Aber in schlechteren Zeiten. Gilbert Trattner: Wir haben aufgrund niedrig, da es noch keine Lohnpreisspirale Experten beim Cafe BE einig. der Garantie der Republik ein Triple-A- gibt. Die Nervosität steigt jedoch. Wir seCafe BE: Die voestalpine zeigt gerade, dass Rating. Und es stimmt, hätten wir das Ra- hen das an unseren Anleihenfonds, die eher man nicht zwingend ein offizielles Rating ting nicht, könnten wir eine Vielzahl von abgebaut werden. Heisst, wir müssen ebenbraucht, um eine Emission erfolgreich am Investoren nicht ansprechen. Unsere Inve- falls Anleihen verkaufen. Das ist so etwas Markt unterzubringen. Sind Ratings nicht storen sind vor allem im Ausland. Frank- wie eine Spirale nach unten. Wir sollten reich ist seit vielen Jahren ein Grossab- auch eher früher als später Zinserhöhunmehr notwendig? Caroline Bässler: In den vergangenen Jah- nehmer. 2010 war die Verteilung bei mehr gen sehen, erzwungen von der Inflation. ren hatten wir die Tendenz, dass in Öster- als 40 Prozent Frankreich, 20 Deutschland Das drückt die Stimmung am Anleihenreich verstärkt Unternehmen ohne Rating und zehn Österreich. Investoren sind bei markt. Ich glaube aber nicht, dass es extrem wird und wir negative Performanceauf den Markt gekommen sind. Die Emis- uns vor allem Versicherungen. daten haben. Dafür ist die Wirtschaft noch sionen waren durchaus gut platzierbar, der Markt für Unternehmen ohne Rating ist da. Cafe BE: Wenn die voestalpine ein Rating zu fragil. Aber grosse Performance werden Auf den Anleger kommen aber grössere hätte, wäre die jüngste Emission günsti- wir heuer nicht sehen. Peter Wageneder: Der Inflationsdruck Heausforderungen zu: Er muss sich selbst ger gewesen? ein Bild vom Unternehmen machen, was Caroline Bässler: Die voestalpine hat einen nimmt zu, langlaufende Anleihen sind derman aber ohnehin immer vor einem In- sehr hohen Bekanntheitsgrad und sprach zeit etwas für besonders Mutige, da ist nicht vestment machen sollte. Für Unternehmen, mit einer niedrigen Nominale gezielt das mehr viel drinnen. Ich glaube, dass wir bei die öfter an den Markt gehen wollen, ist ei- Retail-Publikum an. Damit ist eine sehr gu- der Performance knapp über der Nullinie ne Rating-Einstufung aber sicher kein Feh- te Platzierbarkeit gegeben, ein zusätzliches bleiben werden. Wir selbst sind etwas zu ler. Auch um einem grösseren Publikum Rating hätte da wahrscheinlich die Kondi- früh hinaus gegangen. Zu den offiziellen Inzugänglich zu sein. Denn viele institutio- tionen nicht wirklich verbessert. flationszahlen möchte ich aber folgendes nelle Investoren dürfen nur in geratete Unzu bedenken geben: Wir haben jetzt zehn Cafe BE: Spricht etwas für eine Überge- Jahre Euro. Nehmen Sie zehn Produkte des ternehmen investieren. Stefan Huber: Ich habe in den vergange- wichtung österreichischer Corporates im täglichen Lebens nach Wahl und die letznen Jahren den Eindruck gewonnen, dass Portfolio? in schlechteren Zeiten ein Rating mehr Be- Caroline Bässler: Einiges. Ich freue mich ➤ Fortsetzung auf Seite 3


Freitag, 28. Jänner 2011

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Ich kann mir Unternehmen genau anse- ist es unrealistisch, dass es Griechenland hen, sie sind transparenter, und ich be- ohne Haircut auf die Anleihen schafft ... Peter Wageneder: Und dann haben Sie imten Schillingpreise. Man wird kaum etwas komme auch noch eine Risikoprämie. finden, das nicht zumindest 50 Prozent teu- Peter Wageneder: Auch mer noch das rer geworden ist. Das bedeutet eine tat- wir empfehlen, auf die Grundproblem sächliche Inflation von sechs bis sieben kurze Seite zu gehen der starken Prozent. Denn ich kaufe mir nicht jeden und die Situation zu beWährung. Martin Bohn: ... Tag ein Flachbildschirm-TV. Da sehe ich obachten. Es gibt aber die Gefahr, dass die Kaufkraft sehr rasch nicht nur den EuroWobei ich an und stark entwertet wird. raum, sondern auch die den Haircut Stefan Huber, Wienerberger Gilbert Trattner: Ich sehe die Inflationsangst Möglichkeiten des FXnicht glaube. Griechenland in Europa eher als singuläres Problem Marktes. an sich ist nicht das Problem, das könnte Grossbritanniens, und das durch einen Einmaleffekt. Dort kommt zur importierten In- Cafe BE: Stichwort Euro-Rettung und Grie- Europa verkraften. Aber was passiert nach einem Haircut? Es wird spekuliert, wo es flation durch Energie und Nahrungsmittel chenland - ist der Euro gefährdet? Peter Wageneder: Am Thema Euro führt den nächsten gibt. Dann wird es kritisch. der Effekt der höheren Mehrwertsteuer. Martin Bohn: Solannichts vorbei, da sag’ Längerfristig gehe ich davon aus, dass es ich: Es darf nicht alle aus eigener Kraft schaffen können, ausge die Lohnpreisspisein, was nicht sein ser Griechenland. Wir werden etwas finden rale nicht in Gang darf. Aber man wird müssen, um Griechenland zu helfen, ohkommt, sehe ich keiKreativität zeigen ne einen Flächenbrand auszulösen. Vielne nachhaltige Inflamüssen, um die leicht wäre eine Verlängerung der Laufzeition. Auch die meiSpannungen zu ver- ten eine Lösung. Dann müssten auch die sten Prognosen gehen Martin Bohn, Bawag PSK Invest ringern. Ich erinnere Banken nichts abschreiben. von relativ moderaten Kernraten aus. Ich habe Angst vor der Angst, nur, dass Griechenland und Italien immer Stefan Huber: De facto ist es keine Grieabgewertet haben. Als ich das erste Mal in chenland- oder Euro-Rettung, sondern eiaber nicht vor den Daten der Inflation. Italien war, kosteten 1000 Lire mehr als 20 ne Bankenrettung. Cafe BE: Zu welchem Anleihenanteil raten Schilling, gewechselt haben wir mit sieben Peter Wageneder: Und wieder sind Banken Schilling. Jetzt kann Italien seit zehn Jah- das Problem. Zuerst holen sie sich Geld zu Sie derzeit - oder gleich ganz weglassen? Martin Bohn: Wir präferieren derzeit Ak- ren nicht mehr abwerten, haben aber im- einem Viertel-Prozent, kaufen damit griechische Anleihen und lassen sich dann rettien. Gar keine Anleihen ist aber nicht mög- mer davon gelebt. lich. Heisst, man fährt sie zurück und hält Martin Bohn: Um das Sparziel zu schaffen, ten. sie kurz. Privat halte ich jetzt 60 Prozent müsste Griechenland jedes Jahr einen PriAktien. Obwohl ich in der Branche als kon- märüberschuss von zwölf bis 13 Prozent Cafe BE: Was wäre jetzt solch ein „Befreiservativ gelte. erwirtschaften. 2013 gibt es aber Wahlen. ungsschlag“? Caroline Bässler: Innerhalb der Assetklas- Wenn die Regierung abgestraft wird, hat se sind Corporates „the better place to be“. sich das Thema erledigt. Aus meiner Sicht ➤ Fortsetzung auf Seite 4 ➤ Fortsetzung von Seite 2

„Defacto keine Griechenland- oder Euro-Rettung, sondern Bankenrettung“

„Ich habe Angst vor der Angst, aber nicht vor den Inflationsdaten“

Stefan Huber (Wienerberger), Caroline Bässler (3Banken Generali), Peter Wageneder (AAA Asset Management)


Freitag, 28. Jänner 2011

BÖRSE EXPRESS ➤ Fortsetzung von Seite 3

garien und Ungarn. Die Lage ist sehr differenziert zu betrachten, „das“ OsteuropaProblem gibt es jedenfalls nicht.

Seite 4 haben wir derzeit genug liquide Mittel. Wenn man Kapitalbedarf hat, sollte man die Möglichkeit jetzt aber nutzen. Die Spreads sind nach wie vor niedrig – wir haben aber eben den Bedarf nicht.

Martin Bohn: Eurobonds sind für mich die Lösung des Problems. Vielleicht wird man Cafe BE: Vorher wurde das Stichwort Bansagen müssen: So wie Österreich sein Kärn- kenrettung genannt. Eine Folge ist Basel Cafe BE: Auch keine Verlängerung der ten und die USA Kalifornien, hat Europa mit all seinen Vorschriften. G i lb er t Tra tt n er: Laufzeiten? sein Griechenland. Müssen wir halt mitWenn Basel III so Stefan Huber: Der Kurzfristanteil ist bei schleppen. Dadurch kommt wie jetzt uns mittlerweile sehr gering, diesen hawerden aber die Kerndiskutiert, ist eine ben wir zuerst verringert. De facto ist der länder höhere Zinsen Verteuerung der nächste Refinanzierungsbedarf Mitte Peter Wageneder, AAA in Kauf nehmen müsKreditkonditionen 2012, dem aber schon grosse Teile an lisen. Für mich ist das die Folge. Dann quiden Mitteln gegenüberstehen. die gangbarste Lösung des Problems. werden sich immer mehr Unternehmen Gilbert Trattner: Wir finanzieren uns ausDeutschland hat aber auch 2013 Wahlen. an den Kapitalmarkt wenden. Peter Wageneder: Deutschland profitiert Stefan Huber: Da stimme ich zu. Die Rei- schliesslich über den Kapitalmarkt, Primassiv von der Situation. Die Zinsen sind se hat mit Basel II begonnen. Damals star- vatplatzierungen und die EIB. Wir haben am Boden, das ist perfekt. Und der Euro teten die Vorbereitungen für eine stärke- heuer einen grossen Finanzierungsbedarf, ist eigentlich viel zu schwach, was die Ex- re Kapitalmarktfinanzierung. Das ist auch etwa drei Milliarden, und werden voraussichtlich zwei porte begünstigt. die Tendenz der Benchmark-Annächsten Jahre: Cafe BE: Merkt Wienerberger im operati- Weg von Banken, leihen emittieren. Mit unserem Rahin zum Kapitalven Geschäft die deutsche Stärke? Stefan Huber: Noch zu wenig. In unserem markt. Die Diversiting habe ich da momentan keine Segment hängt das Geschäft vom Konsu- fikation der FinanBedenken. Man mentenvertrauen ab. Bauen ist etwas Lang- zierungsquellen Gilbert Trattner, ÖBB-Infrastruktur hat es bei der fristiges – eigentlich eine Entscheidung, die wird immer wichtiletzten Euro-Anman meist nur einmal im Leben trifft. Da ger. leihe gesehen, die Nachfrage war enorm. bedarf es nachhaltiger Job- und Einkommenssicherheit. In anderen Ländern sehen Cafe BE: Da die Nachfrage derzeit gut zu China scheint zu kaufen, was geht, es muss nur gut geratet sein. Der Markt ist derzeit wir schon Besserung: Grossbritannien et- sein scheint - Pläne für eine Emission? wa mit schönen Zuwachsraten von niedri- Stefan Hu be r: Wir haben aufgrund der aber sehr sensibel. Wenn über eine kleigem Niveau. Gut auch Westeuropa. Am Restrukturierung einen sehr geringen Be- ne Sparkasse in Spanien geschrieben wird, ehesten ist noch ein Fragezeichen über der darf. Wir haben uns an die Marktgege- gehen die Spreads schon auseinander. Entwicklung in manchen Staaten Osteu- benheiten angepasst und brauchen daropas. Polen steht etwa aber relativ gut da, her wenig Refinanzierungsmittel. Unser http://www.boerse-express.com/cafebe Schwierigkeiten gibt es in Rumänien, Bul- Geschäft ist sehr cash-flow-stark, auch

„Deutschland profitiert massiv von der Situation“

„Mit unserem Rating habe ich keine Bedenken. Aber der Markt ist sehr sensibel“

Gilbert Trattner (ÖBB-Infrastruktur), Martin Bohn (Bawag PSK Invest), Robert Gillinger und Bettina Schragl (BE)


Dienstag, 8. Februar 2011

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Cafe BE: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der ÖIAG

„Geht das Geschäft aus, gehört zugesperrt“

Cafe BE Runde (v. l.): Hermann Michelitsch, Alfred Reisenberger, Franz Kubik, Erich Becker

Was kommt auf den künftigen ÖIAG-Vorstand zu, wie gross ist sein Bewegungsspielraum, und wie steht’s generell um das Verständnis der Politik für den Kapitalmarkt? Cafe BE: Markus Beyrer wurde zum künftigen Alleinvorstand der ÖIAG ernannt. Herr Becker, Sie waren lange Jahre ÖIAGVorstand: Was erwartet ihn, was kommt auf Herrn Beyrer zu? Erich Becker: Es kommt gar nicht so Tolles auf ihn zu, er wird immer abhängig vom jeweiligen Regierungsprogramm sein, und im laufenden ist keinerlei Privatisierungsschritt vorgesehen. Die ÖIAG ist keine Privatisierungsagentur mehr, sondern eine Vermögensverwaltung. Damit sind die Bewegungsspielräume relativ überschaubar. Da möchte ich den Liebling der Presse, den Dr. Raidl (voestalpine-Vorstand Claus Raidl, Anm.) zitieren, der jetzt bei der Bestellung als Vorstandsmitglied der Industriellenvereinigung das nicht so sagen konnte, er hat aber nicht so unrecht, wenn er in der Vergangenheit meinte, ein Ministerialrat kann diese verwaltende Tätigkeit ebenfalls ausüben und warten, was die nächste Regierung macht.

Hermann Michelitsch: Ich möchte einen Satz zur Bestellung von Herrn Beyrer sagen: Die Kommentare sind eigentlich erschütternd und ein Sittenbild der österreichischen Innenpolitik. Kaum war er bestellt, wurde er von Staatssekretär Schieder schon attackiert. Etwas Unfaireres und Unappetitlicheres kann man sich eigentlich nicht vorstellen. Dann kommen Gerüchte, er habe keine Industrieerfahrung, er sei ein verlängerter Arm des Finanzministers. Ich finde das grenzenlos unappetitlich und beschämend für Österreich. Cafe BE: War Herr Beyrer Ihrer Meinung nach die richtige Wahl? Hermann Michelitsch: Die Medien haben berichtet, es soll 40 Kandidaten gegeben haben. Durchgesickert sind allerdings nur die Namen Nemsic, Ruttenstorfer, Beyrer. Über den anderen liegt der Mantel des Schweigens. Damit weiss man nicht, ob es noch andere interessante Bewerber gegeben hätte. Und weil es mich am Rande auch berührt: Bei Ruttenstorfer gab es im Vorfeld Berichte, er hätte sich beworben, dann hiess es, er müsse sich ja nicht bewerben, weil er könne auch gebeten werden, etc. Dieses ewige Hickhack, wir sind wirklich eine Bananenrepublik. Alfred Reisenberger: Ich masse mir nicht

an, über Herrn Beyrer ein Urteil abzugeben. Man muss eher über die ÖIAG diskutieren. Was Herr Becker gesagt hat, und ich glaube, es gibt keinen besseren Insider, dem kann ich mich nur vollinhaltlich anschliessen. ÖIAG-Vorstand ist einem König ohne Land ähnlich. Er ist ein Vermögensverwalter. Franz Kubik. Eigentlich ist er arm, weil er hat mehr Aufsichtsräte als Mitarbeiter. Erich Becker: Sagen wir so, ich habe die Namensnennungen Nemsic, Ruttenstorfer eigentlich überhaupt nicht verstanden. Denn wenn ich operativ wirklich etwas geleistet habe, dann bin ich in der ÖIAG seit 1994 falsch am Platz. Denn damals wurde das Weisungsrecht abgeschafft. Vermögensverwaltung und Privatisierung waren der Hauptauftrag. Privatisierungen gibt es derzeit keine. Und welche guten Ratschläge soll der ÖIAG-Chef den Unternehmensführungen geben? Ich glaube, die gute Nachrede, die Karl Hollweger und ich als ÖIAGVorstände hatten, war, uns nicht als Gscheiterln in die Unternehmensführung einzubringen, sondern dafür zu sorgen, dass nach ordentlichen Prinzipien gearbeitet wird. Die Hauptversammlung der ÖIAG war, ist und bleibt der Finanzminister, und alle gravie➤ Fortsetzung auf Seite 3


Dienstag, 8. Februar 2011

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Und dann sind Will man Beteiliwir zu Edlinger, ungungsverwaltung serem damaligen bleiben, Privatisierenden Letztentscheidungen in der ÖIAG Finanzminister gerungsmöglichkeiten hängen von HV-Beschlüssen ab. ausloten, etc.? Diese müssen im grosskoalitären Leben gangen, und haben In jedem Unterabgestimmt sein. Es gab also in meiner Zeit gesagt: „Das geht nehmen gibt es eiimmer eine enge Abstimmung zwischen nicht.“ Er meinte, nen Business Plan ÖVP und SPÖ. Der Minister, der das 1994 das glaub’ ich Euch für die nächsten umgesetzte Konzept ausgearbeitet hat, war schon, aber wie saJahre. Das vermisViktor Klima, sein Partner der Staatssekre- gen wir das dem se ich hier. Nicht tär im Finanzministerium, Johannes Ditz. Bundeskanzler? Wir haben uns begeistert bin ich alBeide haben angesichts des Amag-Delerdings, die ÖIAGsasters gesagt, wir haben die Schnauze voll, dann ein neutrales Aktivitäten in einem jetzt gehen wir privatisieren. Die ÖIAG ist Gutachten einer InMinisterium anzuin weiterer Folge nicht allzu schlecht ge- vestmentbank gesiedeln. Ich habe in laufen. Dann kamen aber schon wieder die holt, und dieses frühen Jahren die Begehrlichkeiten der Politik. Nach dem Aus- sagte aus: Der BunPrivatisierung der scheiden von Hollweger und mir kamen deskanzler hat ja zwar recht, Post AUA erlebt. Diese Streicher und Ditz als ÖIAG-Vorstände. lief über das MiniWieder ein ganz starkes Signal, dass die und Telekom gesterium, ein mühParteien die ÖIAG stärker an die Brust neh- meinsam an die samer Weg. Vorteil men wollen. Und kaum war Schwarz-Blau Börse zu bringen, Erich Becker einer ÖIAG ist und an der Macht, waren Streicher/Ditz weg, es der Markt versteht wurde „objektiv und parteienfrei“ ausge- das aber derzeit nicht. Und so wurden durch war die gebündelte Kompetenz. schrieben, und es kamen die Herren ein Gesetz Post und Telekom getrennt, und Reisenberger: Zur Wertsteigerung der UnMichaelis und Wieltsch. Also, so geht das. es gab zwei verschiedene Privatisierungen. ternehmen trägt die ÖIAG aber nichts bei, Da kann man auch einen aus sich selbst Wären wir nur an den Lippen der Politiker kann sie auch gar nicht. In Wirklichkeit gehangen, hätten genügt einmal im Quartal ein Kontoauserneuerbaren Aufwir wahrscheinlich zug, wie viel die Beteiligung im Wert gesichtsrat hinsetzen, den grössten Blöd- stiegen ist. aber ab und zu brausinn gemacht. Und Michelitsch: Darf ich eine Frage stellen? chen Sie einen HVdieses An-den- Die ÖVP will die ÖIAG aufblähen, die Beschluss. Und das Lippen-Hängen ist halt immer der FiSPÖ will sie abschaffen. Inwiefern kann werfe ich bei der eine Dividendenpolitik eine fiskalische nanzminister. AUA-Lösung in Rolle spielen? Von einem ÖIAGhöchstem Masse Kubik: In Summe zu den GesamtschulVorstand verlange der Führung der den der Republik sind das Peanuts. ich allerdings auch Reisenberger: Es kann schon ein ArguÖIAG vor. etwas Zivilcourage, nicht nur vorauseiment sein, aber im Verständnis des geCafe BE: Herr Ku- lernten Österreichs geht es doch darum, lenden Gehorsam. Er darf nicht nur an bik, der Markt hät- dass es hier einen Posten zu besetzen gibt, den Lippen der Pote die Post-Tele- mit dem gewisse macht- und parteipolitilitiker hängen, sonkom-Story nicht sche Funktionen verbunden sind. Ich bin dern muss ihnen der Meinung, man könnte die ÖIAG abverstanden? Kubik: In gebün- schaffen. Weitere Privatisierungen werden vielleicht auch etwas näher bringen, das delter Form zu nicht kommen, es gibt keinen Auftrag, wie sie ursprünglich diesem Zeitpunkt Herr Becker bereits erwähnt hat. Und selbst nicht wollten. sicher nicht. Insti- wenn, dann gäbe es wieder die DiskusKleines Beispiel: tutionelle Inve- sionen über den richtigen Zeitpunkt, den Hermann Michelitsch Es war immer Klistoren folgen ja Preis. Sie kennen das alles. Es wird aber mas Traum, Post und Telekom gemeinsam auch gern internationalen Beispielen. Und nicht passieren. In Wirklichkeit ist der an die Börse zu bringen. Es wurden damals international waren die Bereiche bereits ÖIAG-Vorstand heute eigentlich eine wunaber international schon getrennt Telekom- getrennt. Aber zurückkommend auf die derbare Position, die perfekt bezahlt ist. und Post-Aktien verkauft. Wir haben da- ÖIAG: Zuerst muss man einmal definiemals gedacht, wie machen wir das? ren, wohin die Reise überhaupt gehen soll. ➤ Fortsetzung auf Seite 4 ➤ Fortsetzung von Seite 2

„Von einem ÖIAG-Vorstand verlange ich auch etwas Zivilcourage“

„Dieses ewige Hick-Hack. Wir sind wirklich eine Bananenrepublik“


Dienstag, 8. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS Reisenberger: Aber es gibt scheinbar doch immer wieder Geld, wie man auch bei der Kapitalerhöhung des Verbund gesehen hat. Es ist auch gar nicht solange her, dass die ÖIAG bei der OMV wieder aufgestockt hat, nachdem sie zuvor reduziert hatte.

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genartigerweise erweisen sich oft die Kubik: Man muss aber fairerweise sagen, politisch Gewünschten als die es bleibt abzuwarten, welches Konzept der Besten in diesem neue ÖIAG-Vorstand vorlegen wird. Reisenberger: Aber er ist ein Gefangener. Wettbewerb. Am meisten hat mich Es hat sich in den letzten Jahren nichts geärgert, wenn Poergeben. Und es werden auch in nächster litiker manchmal Zeit OMV, Telekom und Post sicher nicht Besetzungen nahe verkauft werden. Mi chel its ch : Zu meiner Zeit auf Roadgelegt haben, und die waren dann shows kam von Analysten oft die Frage, am Ende wirklich wieweit der Staat noch beteiligt ist, und gut. Ich habe mich dies wurde positiv gesehen, etwa als Schutz etwa gegen eine vor Übernahmen. Gibt es diese Fragen Cafe BE: Was hat Besetzung wahnheute auch noch? der Vorstand der Reisenberger: Nach wie vor, die Beteiligung ÖIAG heute noch sinnig gesträubt, für die der damades Staates wird negativ gesehen. Es ist aber zu tun? lige Wirtschaftsauch eine Frage der Höhe. Die 28%, die Becker: Als grosser minister Schüssel der Staat bei der Telekom hat, sind egal. Paketinhaber spielt Becker: Die OMV ist für mich als Staats- man in spärlich beverantwortlich war - und er hat Recht unternehmen zu sehen, sie ist von zwei setzten HauptverAlfred Reisenberger gehabt. Es war eiStaaten beherrscht. Noch eine Anmerkung sammlungen eine ne glänzende Bezu den Aussagen, man müsse auf die Plä- gewaltige Rolle. Über die HV kann Einfluss auf die Zu- setzung. (Lachen in der Runde). ne des künftigen ÖIAG-Chefs warten: Er kann natürlich ein Konzept schreiben, aber sammensetzung des Aufsichtsrates ge- Ich will damit nicht ausschliessen, dass ponommen werden. litisch unterstützte Menschen die schlecher ist ja im aktuelAls Mitglied des teste Besetzung sind. Wenn es sich aber nur len Umfeld gar Aufsichtsrats bzw. um Versorgungsaktionen handelt, dann ist nicht beauftragt, etals Aufsichtsrats- das weniger schön. Doch zurück zu den was zu erfinden. vorsitzender in Vorstandsbestellungen: Das sind die weDas war bei uns den Beteiligungen sentlichen Weichenstellungen, die ein anders, wir hatten ist der ÖIAG- ÖIAG-Vorstand vornehmen kann. Spielt etwa den konkreten Vorstand bei der man mit, dass ein wenig Geeigneter einem Auftrag, ein Privatijeweiligen Vor- Geeigneteren vorgezogen wird? Weiters entsierungskonzept standsbestellung scheidet man im Aufsichtsrat natürlich über 1994 bis 1996 ausvon hohem Ein- Akquisitionen, Grossprojekte etc. mit. zuarbeiten. Reisenberger: Ich Wirtschaftlicher Sachverstand ist schon fluss. Und da stellt sich die Frage, wie notwendig für einen Vorstand in der frage mich zudem frei kann ich dabei ÖIAG. Ansonsten ist er hauptberuflicher bei weiteren Beteilientscheiden? Bei Aufsichtsrat. Und wenn er seinen Job bei gungen für die den drei Beteiligungen ordentlich macht StaatsunternehÖIAG, woher das Geld kommen sollmen ist die Ver- und die Unternehmen als Persönlichkeit te. Da werden stänsuchung gross, weitgehend von der Politik abschirmen dig neue Steuerladass einem Head- kann, verdient er Geld. Ob das 500.000 sten aufgebürdet, hunter ans Herz oder 700.000 Euro sein müssen, möchte und dann soll es gelegt werden. In ich nicht beurteilen. Unsere Gage lag damals übrigens bei rund einem Drittel der plötzlich Geld geverschiedenen ben, um neue BePhasen der ÖIAG derzeitigen. Wahrscheinlich weil wir nur teiligungen einzugefinden sich übri- rund ein Drittel so gut waren (schmunzelt). Franz Kubik hen? Das ist absurd. gens immer wie- Reisenberger: Am Ende des Tages werden Ku bik : Vor allem der die gleichen die Geschicke der einzelnen Beteiligungsbei den genannten Gesellschaften, um wel- Namen von Headhuntern. Eigentümlich, Unternehmen aber doch vom Vorstand gekann ich nur sagen. che die ÖIAG erweitert werden soll. Der Headhunter sucht dann aus, und ei- ➤ Fortsetzung auf Seite 5 Glück auf, kann man da nur sagen. ➤ Fortsetzung von Seite 3

„Ohne Finanzkrise wüssten die Herren Faymann und Pröll nicht, dass es eine Börse gibt“

„Grosser Vorteil der ÖIAG war die Öffnung der Wirtschaft für Investoren. Die Manager wurden gefordert“


Dienstag, 8. Februar 2011

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➤ Fortsetzung von Seite 4 lenkt, der dafür auch verantwortlich ist. Becker: Der ÖIAG-Vorstand ist als Aufsichtsratspräsident im jeweiligen Unternehmen aber die unmittelbare Ansprechperson des Vorstandsvorsitzenden. Und er ist für mich bei den börsenotierten Gesellschaften auch der Hüter des Corporate Governance Kodex – bis zur letzten Konsequenz. Nicht nur das Gesetz, sondern auch die wirtschaftsethischen Grundlagen. Cafe BE: Wenn Sie jetzt das Sagen hätten, wie würde Ihr Vorschlag für die künftige Ausrichtung der ÖIAG aussehen? Reisenberger: Im Grunde genommen ist gentlich gar nichts zu tun hatten, wie etwa Reisenberger: Die kompetente Truppe in es egal, ob diese Vermögensverwaltung jetzt Post und Telekom, Austria Tabak, Doro- der ÖIAG hat aber schon seit Jahren nichts ÖIAG heisst oder Finanzministerium, Sek- theum, Salinen bis hin zu Bergbahnen. mehr zu tun gehabt. Wenn ich dort sässe, Wir haben aber tion 17a/3. Was mich immer etwas erheihätte ich mir bereits tert, ist die Wichtigkeit, die der ÖIAG heu- nicht einen Aufeinen anderen Job te noch zukommt. Ich glaube, in Wirk- trag von den Längesucht. Becker: Expertisen lichkeit gibt es die ÖIAG ja nur noch, weil dern bekommen, es diese drei Beteiligungen gibt. Und als denn die hocken sind immer mit PerAufsichtsrat in den Beteiligungen gilt es ja nach wie vor sonen verbunden. eine wichtige Rolle zu erfüllen, auch im auf ihren EnergieFrüher hatten wir an Alfred Reisenberger Hinblick auf Corporate Governance. Die gesellschaften etc., die 50 Mitarbeiter, ÖIAG ist ein bewährtes Modell, aufgrund weil das Versorheute sind es zwider Aufgabenstellung ist eine eigene Ge- gungsposten sind. schen 15 und 20. Von den damals fühDie ÖIAG war wirklich eine Privatisie- renden Leuten sind alle weg. Aber es gibt sellschaft aber nicht wirklich notwendig. Ich bin auch der festen Meinung, es wird rungsagentur, und das Geschäft ist ihr aus- ja auch nichts zu tun. nichts hinzukommen, es werden keine Pri- gegangen. Und wenn das passiert, muss Reisenberger: Das grosse Problem spielt vatisierungen stattfinden. Irgendwann viel- man redimensionieren und zusperren. sich neben bzw. über der ÖIAG ab. Wenn leicht, aber dann kann man sich das Knowes die Finanzkrise nicht gegeben hätte, bin C afe BE: Einige ich sicher, die Herren Pröll und Faymann how über Investmentbanken auch Emissionen, etwa würden nicht wissen, dass es eine Börse zukaufen. die AMS, waren kei- gibt. Das ist das Problem. Ich kann die Kubik: Ich sehe in ne klassischen In- ÖIAG ja nur mit etwas befüllen, wenn ich dafür Verständnis habe. Aber es gibt kein dustriekernstücke. nächster Zeit auch Sehen Sie gar keine Verständnis für die Börse. keine PrivatisieFranz Kubik rungen, aber man Chance, dass man Kubik: Hat es das politisch jemals gegesoll das vorhanDerartiges wieder ben? dene Know-how nicht zerstören, sondern im ÖIAG-Umfeld positionieren und net- Rei se nberger: Ich glaube, früher hat es weiterhin für die Verwaltung nutzen. Die te Börsestories basteln kann? schon mehr Verständnis gegeben. Bedeutung der Beteiligung möchte ich aber Reisenberger: Warum muss etwas vorher schon etwas in die Höhe heben. Es sind in eine ÖIAG überführt werden, damit es Cafe BE: Mit der ÖIAG wird auch immer nicht irgendwelche Firmen, sondern doch dann privatisiert werden kann? Das kann die Bedeutung als Kernaktionär für österKernstücke der Wirtschaft. Damit gibt es nur parteipolitische Gründe haben. reichische Unternehmen verbunden. Wie schon auch eine höher gestellte VerantworAber generell, wo gibt es denn derzeit wichtig ist das? tung in Verwaltung und Beaufsichtigung. so ein interessantes Unternehmen? Reisenberger: Die Kernaktionärsfunktion Becker: Ich glaube, unsere Zeit ist nicht Schlummert noch wo eine Perle? hat schon ihre Berechtigung. Aber genau wiederholbar. Wir sind ja damals ständig Kubik: Ich weiss im Moment keine Perle, deswegen muss man sich auch eingesteangereichert worden und haben ab 1997 und wenn, schimmert sie nur sehr matt. hen, dass es keine weitere Privatisierung der auch Unternehmen zur Privatisierung über- Aber Möglichkeiten muss man sich offen tragen bekommen, die mit der ÖIAG ei- lassen, never say never. ➤ Fortsetzung auf Seite 6

„Egal, ob diese Vermögensverwaltung ÖIAG oder BMF, Sektion 17a, heisst“

„Es sind nicht irgendwelche Beteiligungen, sondern Kernstücke der Wirtschaft“


Dienstag, 8. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS ➤ Fortsetzung von Seite 5

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der ÖIAG sei die AUA-Privatisierung gewesen. Kubik: Was? Die letzte Privatisierung der AUA?

Unternehmen durch die Privatisierung an die Wand gefahren wurde. Alle haben in irgendeiner Form überlebt und sind besser geworden. Ich weiss kein Unternehmen, das schlechter wurde. Jede Privatisierung Cafe BE: Ja. Was war denn Ihrer Meinung war in sich ein Erfolg, manche sind allerdings zu spät erfolgt. Insofern kann ich auch nach der grösste Erfolg? Michelitsch: Die OMV. Wir waren wirk- bei der eingangs erwähnten AUA-Privatilich die Lokomotive, hinter uns kamen die sierung den Erfolg nicht sehen. Noch in ganzen grossen Privatisierungen, wir wa- meiner Zeit, etwa 1998, haben wir eine ren Eisbrecher. Und es gab ja damals drei Klausur zur AUA gemacht. Damals sagten wichtige Aufgaben für uns: Die Börse und wir: Am Gescheitesten wäre es, mit Frack den Kapitalmarkt verständlich zu machen; und Zylinder nach Frankfurt zur Lufthansa zu fahren. Wir hazu vermitteln, ben gesehen, dass es warum sich auf Dauer nicht gehen der Anleger wird. Und da brauche eine Aktie der ich nicht x Gutachten OMV kaufen dafür. Da hätte man soll; und auch sich seitens der ÖIAG zu erklären, Erich Becker mehr trauen sollen, dass das Geld auch wenn sich Polinicht in die tiker das nicht gewünscht haben. OMV, sondern in die ÖIAG fliesst.

aktuellen ÖIAG-Beteiligungen geben wird. Becker: Ich sehe in der politischen Landschaft derzeit auch keine Privatisierungsfanatiker. Gelangt die FPÖ zu einer Regierungsverantwortung, wird es das nicht geben, weil die FPÖ in dieser Hinsicht, glaube ich, sehr gut zur SPÖ passt. Bei der ÖVP halten sich die Privatisierungsfanatiker auch in engen Grenzen. Wenn man nach Oberösterreich sieht, haben die ja ein eigenes Privatisierungsverständnis entwickelt, das stark von einem Bankmanager getragen wird. Am Beispiel der voestalpine fragt man sich schon, ob es die Aufgabe einer Bank ist, Kernaktionär zu sein. Reisenberger: Ich denke, der Wunsch von Dr. Eder (voestalpine-Chef, Anm.) war, sich einen Kernaktionär zu schaffen, um einer möglichen Übernahme vorzubeugen. Becker: Die Langfristigkeit einer solchen Kernaktionärsrolle hängt aber schon stark von den Führungspersönlichkeiten der einzelnen Institute ab bzw. von Notsituatio- Ku bik: Ich will mich nicht an Einzelernen, in die eine Bank kommen kann, und eignissen der ÖIAG aufhängen. Der grossich dann von der Beteiligung trennen se Vorteil der ÖIAG war die Öffnung der muss. Daher: Stabilität bis zum jüngsten österreichischen Wirtschaft für Investoren Gericht gibt es nicht. - und internationale Institutionelle für den Reisenberger: Ich glaube, wir sind uns alle Markt zu interessieren. Das österreichische Unternehmereinig: Es gibt keine tum wurde durch Privatisierungen die Entwicklung bzw. es gäbe schon und von den AnleUnternehmen, gern gefordert, und aber es gibt keinen es wurde sehr viel Auftrag, kein Intervorangetrieben. esse, kein VerUnd ich glaube ständnis für das auch, dass die Thema Börse. Mi che li ts ch: Es ÖIAG durch ihren Hermann Michelitsch Beitrag in Markegäbe sicher einiges tingkampagnen einen wesentlichen Anteil zu privatisieren. Aber solange die Macht der Landes- hatte, das Verständnis des Privatinvestors hauptleute so gross ist, wird es im Ener- für die Aktie zu schärfen. Reisenberger: Da bin ich voll bei Ihnen. Das giebereich keine Transaktionen geben. Bec ke r: Man muss wahrscheinlich die Wichtigste war, dass man nach jeder Pri„Kronen Zeitung“ dazu bewegen, das The- vatisierung mutig und unbeirrt den Weg ma aufzugreifen, damit es ins Bewusstsein fortgesetzt und weitere Privatisierungen geder Politik kommt. Aber ich befürchte, das tätigt hat. Das hat zur Erziehung des Prigeht den Leuten gar nicht unter die Haut. vataktionärs beigetragen und gezeigt, welKubik: Aufgrund der Börsenentwicklung che tollen Unternehmen es in Österreich der vergangenen Jahre ist das Thema Ak- gibt, etwa eine Böhler-Uddeholm oder eitienbesitz generell nicht mehr stark besetzt. ne OMV, um nur einige zu nennen. Becker: Ich würde den gesamten Zeitraum Cafe BE: Herr Michaelis hat einmal in ei- der ÖIAG von 1993 bis heute sehen. Der nem Interview gemeint, der grösste Erfolg grösste Erfolg dieser Periode ist, dass kein

„In Oberösterreich wurde ein eigenes Privatisierungsverständnis entwickelt“

„Die OMV war Eisbrecher. Wir mussten nicht nur die Aktie erklären, sondern auch, warum das Geld in die ÖIAG fliesst“

Bettina Schragl/Christian Drastil

http://www.boerse-express.com/cafebe

Die Teilnehmer E r ich Beck er: Verbrachte den grossen Teil seiner Karriere in der verstaatlichten Industrie. Von 1994 bis 1999 war er stellvertretender Generaldirektor der ÖIAG, ab 1996 zudem Vorstand der PTBG. Der VA Tech stand er bis zum Jahr 2004 vor. Franz Kubik: War bis 2001 Vorstand der CA-IB Investmentbank der Bank Austria Gruppe und anschliessend drei Jahre im Vorstand von Do&Co. Aktuell ist Kubik Geschäftsführer der Cube Consult Unternehmensberatung. Hermann Michelitsch: War bis Ende 2000 Kommunikationschef der OMV, anschliessend als selbständiger Presseberater tätig. Alfred Reisenberger: Ist Head of Austrian and CEE Equity Research bei CA Cheuvreux in Wien.


Freitag, 11. Februar 2011

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Cafe BE: Talk über eine Welt, die immer chartlastiger wird - worauf Sie achten sollten

„Charttechnik ist kein Allheilmittel“ Cafe BE Runde (v. l.): Heismann, Meier, Schultes, Schimmel, Schittler

manchmal zu spät, da Marktinsider Bescheid wussten,

Wo liegen Möglichkeiten und Grenzen der Charttechnik? Und was sind die Lieblingsindikatoren der Profis? Dieser Tage testete der ATX den Bruch des psychologischen Widerstands bei 3000 Punkten. Wie es weitergeht und ob man der Charttechnik wirklich vertrauen sollte, fragten wir Robert Schittler (RCB), Wolfgang Schimmel (FTC), Christoph Schultes (Erste Group), Roland Meier (TeleTrader) und Markus Weismann (Volksbank). BE Cafe: Die Erste Group änderte kürzlich Teile ihrer Research-Publikationen und bringt darin verstärkt Charttechnik. Was war der Auslöser dafür? Christoph Schultes: Das ist das Resultat einer Leserbefragung. Und da gab es die klare Aussage, dass sich die Leute für Charts interessieren. BE Cafe: Hat sich die Nachfrage etwa nach Seminaren bzw. entsprechenden Tools auch erhöht? Roland Meier: Früher hatten wir eher Spezialistentreffs – die Nachfrage wird aber immer breiter. Wir sehen immer mehr An-

leger, die nachvollziehen wollen, was ihnen die Spezialisten gesagt haben. Aber auch das Angebot an Spezialseminaren wird immer grösser. BE Cafe: Hat sich dabei an den Anforderungen etwas geändert? Roland Meier: Wir sind zunehmend gefordert, in die Charts auch Fundamentaldaten einzubauen. Wann war die HV, was hat sie beschlossen, was waren die Auswirkungen? Oder wann und welche Directors Dealings es gab – welche Auswirkungen hatte das, rückwirkend betrachtet? Robert Schittler: Ich sehe auch eine verstärkte Nachfrage nach Seminaren. Begonnen hat es eigentlich mit dem Ende des Neuen Marktes, als bemerkt wurde, dass eine betriebswirtschaftliche Analyse schnell an ihre Grenzen stossen kann. BE Cafe: Es heisst, die Info steckt im Kurs – wofür dann noch Charttechnik?

Robert Schittler: … Aber wenn die Info im Preis steckt, was für den Charttechniker Basisannahme ist, muss sie irgendjemand verarbeitet haben. Der Charttechniker hat draussen zigtausend Leute, sprich Anleger, die für ihn quasi gratis arbeiten. Charttechnik ist insofern praktisch, da sie den Preis bildlich erfasst und anhand gewisser Muster feststellen kann, die sich seit 350 Jahren nicht geändert haben, wie sich der Preis weiter entwickeln sollte – auch wie lange und wie weit. Und selbst wenn es nicht aufgehen sollte, lässt sich ein Stopp-Limit definieren. BE Cafe: Vor 350 Jahren war der primäre Sektor vorherrschend, aus dem sich die Candlestick-Charts entwickelt haben. Ist Charttechnik heute, mit Industrie und Dienstleistungen als klar dominierenden Sektoren, wirklich noch ein probates Mittel? Roland Meier: Ich würde weniger die Landwirtschaft als den Rohstoffsektor damit ansprechen. Das ist weiter ein ganz wichtiges Thema – die Nachfrage nach Daten ist in diesem Bereich enorm. Wolfgang Schimmel: Wenn wir im Westen über Charttechnik reden, sprechen wir eigentlich über die Zeit von Charles Dow und danach. Japaner haben es etwas früher erfunden, haben aber eine andere Herangehens- und auch Betrachtungsweise.

Robert Schittler: Fundamentaldaten sind im Kurs nicht unbedingt reflektiert, wenn es Insidertrading gibt. Wenn jemand Informationen vor anderen hat …

Robert Schittler: Wir bei Raiffeisen glauben, dass es nach wie vor ein Thema ist, wieviel das Scheffel Reis kostet oder Soja

Roland Meier: Die Nachrichten kommen

➤ Fortsetzung auf Seite 3


Freitag, 11. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS Handel ist die Charttechnik nicht wegzudenken.

➤ Fortsetzung von Seite 2 – und planen da eine regelmässige Publikation. Die westliche Methodik beschränkt sich darauf, andere Charttypen definiert zu haben, nicht mehr ganz so rund, etwas eckiger. Und hat es damit vielleicht etwas wertvoller gemacht.

BE Cafe: Wie ist es beim Erste ResearchZertifikat. Welches Gewicht hat die Charttechnik dort?

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Das eine kommt aus den 1930er-Jahren: der Handel nach gleitenden Durchschnitten. Die zweite grosse Familie sind Ausbruchssysteme. Das Ganze funktioniert im Prinzip immer nach einem mathematischen Generator. Trendfolger sind keine Prognosemodelle, sondern stellen Marken.

Christoph Schultes: Sie fliesst im- BE Cafe: Als Faustregel gilt , dass man mer mehr ein. bei Trendfolgesystemen eine Trefferquote BE Cafe: Wie wichtig Auch wenn eine von unter 50 Prozent hat …. Wolfgang Schimmel, FTC Aktie eine Kaufist in der Erste Group empfehlung ist - Wolfgang Schimmel: Die Gewinne entdie Charttechnik in der eigentlich die Vor- stehen nicht dadurch, dass man öfter recht Analyse? aussetzung, um überhaupt im Zertifikat auf- hat, sondern dass man mit den GewinChristoph Schultes: Wir sind Funda- genommen zu werden - kann es sein, dass nern deutlich mehr verdient als mit den mentalanalysten. Charttechnik ist etwas, wir den Titel im Zertifikat aufgrund der Verlierern verliert. Ich glaube auch nicht, das ich dazu nehme – die Aussage ist aber Charttechnik untergewichten. Das ist Fein- dass die Charttechnik ein Prognosemodell tuning anhand der Charts. Wenn etwas sehr ist, sondern eine Krücke, um sich die eisicher die eines Fundamentalanalysten. aktiv gemanagt gene Markteinschätzung BE Cafe: Und bei Volksbank Investments? wird, geht das vor allem über selbst besser Charts, die Funvisualisieren Markus Weismann: Bei uns hat Chartzu können. technik in der Produktentwicklung für Re- damentaldaten Christoph Schultes, Erste Group tailkunden eine untergeordnete Stellung. ändern sich BE Cafe: Ist Vor allem im Zertifikatebereich haben wir nicht jeden Tag. kein Produkt, das aufgrund von charttechCharttechnik in Wirklichkeit somit viel BE Cafe: Und bei FTC? nischen Ereignissen aufgelegt wurde. Bauchgefühl? Eine grosse Rolle spielt die Charttechnik dann aber beim Hedgen der Produkte. Wolfgang Schimmel: Systematische Robert Schittler: Überhaupt nicht. Es Handelssysteme beschäftigen sich nur am gibt für die Charttechnik rund 20, 25 ReBE Cafe: Gibt es da ein Komitee, das ent- Rande mit Charttechnik, basieren heute geln, die richtig angewandt zum Erfolg fühnicht mehr auf Chartlinien, sondern auf ren. Die Krücken in die Zukunft legen, woscheidet? klaren stochastischen Indikatoren oder hin der Weg wahrscheinlich geht. auch statistischen Gleichgewichtspaaren Markus Weismann: Nein, jeder Händler BE Cafe: Was halten Sie von den mittlerhat sein Buch, wo alles zusammenläuft. zwischen unterschiedlichen Märkten. Trendfolger, wie wir, unterscheiden sich weile im Internet oft gratis angebotenen Einer hat etwa das ATX-Buch, der andere den EuroStoxx. Aus dem klassischen vor allem anhand von zwei Konzepten. Charttools?

„Die Charttechnik ist kein Prognosemodell“

„Würde nie eine Aktie nur aufgrund der Charttechnik kaufen“

v. l.: Christoph Schultes (Erste Group), Wolfgang Schimmel (FTC), Markus Weismann (Volksbank Investments)


Freitag, 11. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS ➤ Fortsetzung von Seite 3

gehe etwa vom Tages- zum Wochenchart.

Christoph Schultes: Sie sind nicht ungefährlich …

BE Cafe: Was sind Ihre Lieblingssignale?

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Robert Schittler: Die wichtigste Regel ist, sich den Chart einmal anzusehen. Das klingt einfach, aber man sollte sich die ganze Historie anschauen, um zu sehen, wo man heute im historischen Vergleich steht. Zweitens Wendepunkte definieren. Dann sollte ich prognostizieren können – und sich langfristig an den Fibonaccis anhalten.

Markus Weismann: Längerfristig bin ich bei den klassischen Tools – Widerstände und klassische Muster. Gerade bei InChristoph Schuldikatoren ist in den tes: … Ich würde mir vergangenen Jahren nie eine Aktie nur soviel aufgekom- BE Cafe: Wo sehen Sie den ATX chartaufgrund der ChartRobert Schittler, Raiffeisen men, was sicher technisch? technik kaufen. nicht alles sinnvoll Mir ist nicht wohl, wenn ich nicht weiss, was fundamental ist, da bin ich eher back to basics. Christoph Schultes: Der Aufwärtstrend, dahinter steht. der sich zuletzt beschleunigt hat, ist intakt. Roland Meier: Wir haben bei TeleTrader Mittlerweile haben wir den wichtigsten Robert Schittler: Charttechnik ist sicher schon mehr als 150 Anwendungen, viele Widerstand bei 2770 überwunden, das kein Allheilmittel. Nur aufgrund dessen ist auf Userwunsch generiert. Die Zahl der entspricht dem 38,2-Prozent-Fibonaccider Kauf einer Aktie sicher ein grosses Ri- wirklich InteresRetracement. Die siko. Im Day-Trading ist es nicht anders santen ist 20 bis 50-Prozent liegen möglich. Aber sonst gehe ich mit eigenem 25, keine Frage. bei knapp 3200 Geld keine Position ein, wenn ich nicht Punkten. Das ist weiss, ob etwa am nächsten Tag eine Pres- Christoph Schulmein mittelfristiges Markus Weismann, Volksbank sekonferenz ist, oder vielleicht der Divi- tes: Klassiker wie Ziel für den ATX. dendenabschlag. Es macht sicher Sinn, RSI, MACD, Momentum. Und sehr gut beides zusammen zu nehmen – Charts gefallen mir Fibonacci-Wellen – das ist für Markus Weismann: Der Aufwärtstrend mich so etwas wie eine Selffulfilling pro- ist intakt. Der kritische Punkt ist vor allem und News –, und beide gibt es gratis. phecy. der 3000er. Wenn wir den leicht knacken, BE Cafe: Wieviegeht es bis 3300, vielleicht sogar 3400 PunkRobert Schittler: te. Falls nicht, kommen wir sicher wieder le Aktien kann Candlesticks und zurück bis etwa zum 2770er von Kolleman aufgrund ihvor allem Fibo- gen Schultes, um dann eventuell noch einrer Liquidität bzw. Roland Meier, TeleTrader naccis sind mir in mal einen Versuch nach oben zu starten. der Underlyings in Wien ernsthaft zur Chartanalyse heran- der Anwendung immer wieder eine Freude. Das Zeug funktioniert ganz einfach. Robert Schittler: Der Trendkanal reicht ziehen? bis 3500 Punkte, dort trifft er auf die Abwärtstrendlinie. Das Ziel aus der letzten Christoph Schultes: Vom ATX her wohl BE Cafe: Die wichtigsten Regeln? Seitwärtsbewedie liquidesten zehn gung, die immerAktien. hin seit Q4 2009 dauert, liegt bei Markus Weismann: 3400 Punkten. Ja, knapp zehn Aktien. Das sollte drinnen Wer es aber auf Tasein. gesbasis angehen will, dem bleiben sicher Die nächste Zielnicht viel mehr als marke sehe ich bei zwei, drei Titel. 3250 Punkten. Ich bin mir sehr sicher, BE Cafe: Was mache dass wir das sehen. Das Stopp-Limit ich eigentlich, wenn der setze ich bei 2850 Umsatz zu gering ist, Punkten, sonst mich der Titel aber interessiert? drohen 2590. Markus Weismann: Dem stimme ich zu.

„Das Zeug funktioniert einfach“

„Der Aufwärtstrend ist intakt“

„Die Nachfrage nach Rohstoffdaten ist enorm“

Robert Schittler: Ich

v. l.: Robert Schittler (Raiffeisen), Roland Meier (TeleTrader)

(gill/dra)


Mittwoch, 23. Februar 2011

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Cafe BE: Talk über das Lieblingsbuch Österreichs - das Sparbuch und seine Zukunft

Nur das Sparbuch ist zu wenig

Andreas Stoschka, Werner Meisel, Michael Tutsch, Michael Baumgarth

Möglichkeiten und Grenzen des Sparens: Wie lange binden, was bedeutet das Einschreiten der FMA, und warum die Laufzeitenvielfalt? Cafe BE: Die Medien sind voll von Inflations- und Zinserhöhungsängsten. Was heisst das für mein Sparbuch? MICHAEL TUTSCH: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir aus einer Krise kommen, auch wenn wir in Österreich relativ gut durchgekommen sind. Das bedingt jetzt, dass die Zinsen relativ niedrig bleiben, um die Konjunktur nicht abzuwürgen. Die aktuellen Zuwachsraten kommen primär über den Nahrungsmittel- und Energiesektor. Das wird als temporär angesehen, wird aber von der EZB genau beobachtet. Dementsprechend würden sicher Zinsschritte gesetzt. Dass der Sparbuchsparer mit den aktuellen Zinsen die Inflation nicht befriedigend abdecken kann, ist zwar derzeit so, wird aber wie gesagt eine temporäre Sache sein. ANDREAS STOSCHKA: Unsere Analysten er-

warten, dass die Zinsen im vierten Quartal 2011 zu steigen beginnen. Der Trend der Kunden im Fixzinsbereich geht in Richtung zwei bis drei Jahre, in der Hoffnung, die Inflation zumindest halbwegs abdecken zu können. Oder eben täglich fällig, um jederzeit dabei sein zu können. MICHAEL BAUMGARTH: Ich glaube, dass wir gerade beim grössten wirtschaftlichen Experiment der Geschichte live dabei sind. Es wurden wesentliche Gesetzmässigkeiten gebrochen. Ich glaube nicht, dass die EZB weiter die Hüterin der Geldwertstabilität sein wird, sie geht mehr den amerikanischen Weg, jenen der Konjunktursteuerung. Doch zur Inflation: Wenn ich davon ausgehe, das wir deutlicher zu einer konjunkturpolitisch gesteuerten Zinspolitik gehen, dann ist die Büchse der Pandora bereits geöffnet. Wie sich die Inflation in den nächsten Jahren entwickelt, traue ich mich daher nicht zu prognostizieren. Auch ist Inflation nicht Inflation. Es gibt die von Eurostat gemessene, aber jeder von uns ist auch Konsument. Ich glaube, dass die effektive Inflation höher ist als die gemessenen zwei Prozent, und dass der Konsument bereits jetzt

in der Schere ist, eine negative Realverzinsung zu generieren. Dessen sind sich aber die wenigsten bewusst. Ich glaube, dass wir in zehn Jahren bei vielen Sparbuchsparern erkennen werden, dass sie an Kaufkraft wesentlich mehr verloren haben, als aus den offiziellen Statistiken herauszulesen ist. Wir raten Kunden daher, auch weil wir die Zukunft selbst nicht kennen, das zu tun, was man in so einer Situation macht: zu streuen. WERNER MEISEL : Das Problem der gefühlten Inflation sehe ich auch so. Aber es ist auch jetzt so, dass jemand, der nur am Sparbuch veranlagt hat, unterm Strich nichts verdient. Und da ist die steuerliche Komponente zumeist noch gar nicht berücksichtigt. Wir versuchen daher, mit dem Kunden zu klären, wieviel Liquidität er für alltäglich Fälliges auf dem Sparbuch haben sollte und welche Fristigkeiten er eingehen kann, und versuchen dann, mit dem Kunden den Weg dorthin zu gehen, wo er Mehrertrag erzielen kann, hoffentlich über der Inflationsrate. Nur auf dem Sparbuch wird das nicht möglich sein. Cafe BE: Geht es dem Kunden im Gespräch eigentlich mehr um die Inflation, oder vor allem um einen Vergleich mit der Konkurrenz? MEISEL: Im Wesentlichen ist es der reine Vergleich, ein „Wer bietet mehr?“ Ohne zu schauen, ob das überhaupt das Richtige für mich ist. BAUMGARTH: Wir haben die Situation, dass der klassische Sparbuchsparer eine Inflationsrate von zwei Prozent fix im Kopf verankert hat. Wenn die Zinsen darunter liegen, verliert er gefühlt Geld. Da kann die Realverzinsung theoretisch noch so hoch sein, er ist unzufrieden. Es gibt zwar die Zinsgleitklauseln, aber unter zwei Prozent akzeptiert die ein Kunde nicht, da wird’s mulmig. Um Kunden und Marktanteile zu halten, sind wir teilweise gezwungen, mehr zu zahlen, als wir im Interbankenmarkt oder Kommerzgeschäft erzielen. Cafe BE: Hat es dann derzeit Sinn, Zinsen zu verhandeln? ➤ Fortsetzung auf Seite 6


Mittwoch, 23. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS ➤ Fortsetzung von Seite 5 STOSCHKA: Das hat ziemlich an Bedeutung verloren, da sich jeder aufgrund der breiten Angebotspalette bezüglich Fristigkeiten oder mittels gewisser fixer Anlagesummen seinen Zinssatz individuell steuern kann.

schaffen kann, mich renditemässig zufriedenstellend zu bewegen. MEISEL: Die grosse Nachfrage war in diesen Produkten nicht da.

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auch ganz genau an und bieten jene Laufzeiten an, wo wir attraktive Chancen sehen. Die Laufzeiten mögen durchaus ungewöhnlich sein, können für den Kunden aber Sinn machen. MEISEL: Das Angebot orientiert sich natürlich auch an unserer Zinserwartung. STOSCHKA: Bei den Laufzeiten kommt es auf die Ertragserwartung und auf die Risikoneigung an – dann kann man den entsprechenden Mix finden, was auch in andere Asset-Klassen führen kann. Das bedarf aber der Beratung. BAUMGARTH: Beim 7-Monatssparbuch mit einer Verzinsung von 2,011 Prozent ist sicher der marketingtechnische Aspekt mit der Jahreszahl im Vordergrund gestanden. Aber 7 Monate tun mir als Kunden in der Laufzeit nicht weh, sind unter einem Jahr und daher ein wenig beratungsintensives Produkt.

Cafe BE: Wieviel Geld sollte eigentlich auf dem Sparbuch/ Konto liegen? TUTSCH: Zwei bis Cafe BE: Die FMA drei Bruttomonatsgehälter sind ein sagt überspitzt formuMichael Tutsch, RLB Nö-Wien guter Richtwert. liert, „Wo Sparen drauf BAUMGARTH: Alles steht, muss auch Sparen drinnen sein“, und darüber hinaus ist reagierte damit auf strukturierte Produkte, Luxus und kostet Geld, denn es geht nicht die mit einem Sparbuch kombiniert waren jeden Tag die Waschmaschine ein, oder und unter „Sparen“ verkauft wurden. das Auto wickelt sich um den Baum. BAUMGARTH: Da ist man vielleicht ein bis- MEISEL: Viele Kunden beschäftigen sich zu serl übers Ziel hinausgeschossen. Die Pro- wenig damit, wann sie wieviel Geld zur dukte waren mit einer Kapitalgarantie Verfügung haausgestattet. Das ist zwar nicht der Einla- ben wollen bzw. gensicherungsfonds und natürlich gibt es müssen. Das dabei ein zusätzliches Emittentenrisiko sind dann oft zu beachten. Der Schritt von der System- jene Leute, die Andreas Stoschka, Bank Austria Cafe BE: Was relevanz zur Einlagensicherung ist in Geld jahrelang Österreich aber nicht weit. auf dem Sparhat es mit der Das zusätzliche Risiko war also nicht buch lassen und Ertragsmöglichkeiten ein- Ein-Jahres-Schwelle auf sich? BAUMGARTH: Es ist so, dass, wenn ich mich wirklich eines. Und seit Mifid muss der fach liegengelassen haben. Kunde auch in der schlechtesten Bank als Sparer länger als ein Jahr binde, ich in darüber aufgeklärt werden, dass er mit sol- Cafe BE: Es gibt immer mehr ungewohnte eine Entscheidungssituation komme - bechen Produkten ein Wertpapier kauft und Laufzeiten wie 7- oder 21-Monatsspar- züglich meines Liquiditätsbedarfs und ich dafür ein Depot eröffnen muss. bücher. Welche Fristigkeit raten Sie Kun- muss eine gewisse Zinsmeinung haben. Als TUTSCH: Wir sind sehr froh, dass diese den, denen es nur um den Zinssatz geht Berater brauche ich ein Gegenüber, das strikte Trennung gekommen ist. Damit – und sind all das nicht nur Angebote, um gewisse Entscheidungen treffen muss. Als wurden die Konditionen wieder ver- nur ja nicht mit der Konkurrenz vergleich- Bank bin ich Entscheidungsauf- und Vorbereiter, die Entscheidung kann ich aber gleichbarer, auch vom Risiko her. Immer- bar zu sein? hin haben wir in der Krise gesehen, dass TUTSCH : Ein Teil ist sicher ein Marketing- nicht treffen. Das müssen wir uns oft erst auch Grossbanken Pleite gehen können. Aspekt. Wir schauen uns den Markt aber mühsam aufbauen. Wenn ich mir aber STOSCHKA: Wir versudie Schulbildung ansehe, bekommt der chen, klassische Spardurchschnittliche einlage und anderes strikt zu trennen. Österreicher von Sparbuch ist SparZinskurven, Volksbuch und Wertpapier wirtschaft und ähnist Wertpapier. lichem recht wenig Das Sparbuch ist mit. Wir leisten da die solide Basis jedes oft echte EntwickVermögens, wo ich lungsarbeit. TUTSCH: Beim Thema die Sicherheit der Einlagensicherheit habe Volkswirtschaft gebe und jederzeit darauf ich Ihnen recht. Das zugreifen kann. Ich tangiert den Österreiglaube, dass ich es cher in seinen Überauch innerhalb eines legungen kaum. Sich v. li.: Michael Tutsch (RLB Nö-Wien), Andreas Stoschka (Bank Austria) Spareinlagenmix zu überlegen, in wel-

„Alte Strukturen aufzubrechen kann dauern“

„Unsere Hauptdienstleistung am Kunden ist die Beratung“


Mittwoch, 23. Februar 2011

BÖRSE EXPRESS tionen auszuhandeln, es geht um Gesamtpakete. Es gibt durchaus Online-Mitcher Konjunkturphase wir uns befinden, bewerber, vor allem ausländische, die je was das für das Zinsniveau bedeutet und ob nach Marketing-Budget sehr aggressiv in es dann sinnvoll ist, sich länger- oder kurz- den Markt gehen und sich Neukunden mehr kosten lassen als Bestandskunden. fristig zu binden, das fehlt. MEISEL: Es gibt eine Wir wollen Bestandskunden nicht kleine Gruppe, die schlechter behanhat sich damit bedeln als neue. Ich schäftigt und vor ein kann ja nicht als paar Jahren KapitalKunde aus der Tür sparbücher mit vier rausmüssen, um als bis fünf Prozent Werner Meisel Neukunde wieder abgeschlossen, die hereinkommen. sind jetzt glücklich. ➤ Fortsetzung von Seite 6

„Ich persönlich würde am Samstag nicht in eine Bank gehen wollen.“

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In einem boomenden Markt erfolgreich zu sein, ist keine Kunst. Das ist nicht die Qualifikation, die ein Kunde braucht. Den Berater braucht er vor allem, wenn das Wetter rauer wird, Risiken schlagend werden. Da hat der österreichische Konsument zuletzt bewusst wahr genommen, dass Beratung etwas wert ist.

Cafe BE: Jetzt sagte kürzlich die RLB, dass die City Wiens overbanked ist, und startet den Versuch einer Samstagsöffnungszeit. Was ist die Zukunft der Beratung? STOSCHKA: Die Zukunft ist sicher Beratung ausserhalb der klassischen Kassa-Öffnungszeiten. Das hat nicht zwingend etCafe BE: Stichwort Online-Sparen. On- Cafe BE: Wie hat sich der Zustrom Filial- was mit der Anzahl der Filialen zu tun. line-Banken bieten zumeist höhere Zins- /Onlinebank während der Krise entwickelt? BAUMGARTH: Wir machen immer wieder sätze an. Müsste nicht jeder Anlagebera- TUTSCH: Da hatUmfragen mit ter den Kunden dorthin schicken? dem Ergebnis, ten wir die grössSTOSCHKA: Der grosse Nachteil des On- ten Rückflüsse. dass der Kunde mit den aktuelline-Bankings ist, dass es keine Beratung Plötzlich stand len Öffnungszeigibt, wo auf die jeweiligen Bedürfnisse der Sicherheitsten zufrieden ist. eingegangen werden kann. Unsere Haupt- aspekt im Fokus. Michael Baumgarth, Volksbank Wir müssen dienstleistung für den Kunden ist die Be- STOSCHKA: Der dabei aber zwiratung, das Produkt kommt dabei erst an Kunde kannte zweiter Stelle. Ich glaube, dass der Nor- sich in der Krise nicht mehr aus, und schen der „Dienstleistung Bereitstellung mal-Kunde mit einem guten Beratungs- suchte jemanden, mit dem er möglichst von Infrastruktur“ und der „Dienstleistung gespräche unterm Strich besser fährt. ungeschoren durch die Krise gehen Berater“ unterscheiden. Diese ist ohnehin von den Öffnungszeiten unabhängig. Es wird aber immer Kunden geben, die konnte – das war der Berater. Da ist auch wichtig, dass der Kunde ge„fremdgehen“ und auf Lockangebote rea- BAUMGARTH: Unterm Strich brachte die gieren. Da schlägt dann die Gier durch. Krise den klassischen Filialbanken Vorteile: lernt hat, zu terminisieren. Er geht nicht Das sind aber auch jene Kunden, die Unsere Kunden wissen jetzt, warum sie bei mehr einfach in die Filiale und erwartet sehr schnell wieder zurückkommen, wenn uns zufrieden sind, keine ABS-Fonds oder kompetente Beratung ohne Vorbereitung. Ich glaube nicht, dass sich mit Samstagsman selbst ein attraktives Angebot hat. ähnliches verkauft bekommen haben. TUTSCH: Dass Online-Banken prinzipiell Dieses Bewusstsein ist in Zeiten nach ei- Öffnungszeiten mehr Geschäft machen bessere Zinsen bieten, stimmt so nicht. Das ner Krise natürlich wesentlich ausgepräg- lässt. Das wird mehr wie im Handel sein, eine Verlagerung des Volumens. konzentriert sich auf den Bereich täglich ter, als in einem prosperierenden Markt. MEISE L : Ich perfällig und kann vorkommen. Wenn wir unsere sönlich will am Filialen schliessen und Samstag nicht in nur noch Online-Baneine Bank gehen. king machen, können Das Wochenende wir das auch. Wir merist mir heilig. TUTS CH: ken aber, dass der Die Kunde grundsätzlich SamstagsöffnungsBeratung möchte. Dazeit ist ein Feldverbei müssen wir unseren such in einem Mehrwert beweisen. EKZ, wir werden BA UM GAR TH : Dienstsehen, wie es der leistung sollte man Kunde akzeptiert. nicht rein an den KonAlte Strukturen ditionen ausmachen. aufzubrechen, Da geht es nicht nur kann aber dauern. v. li.: Werner Meisel (Erste Bank), Michael Baumgarth (Volksbank Wien) darum, bessere Kondi(gill/dra)

„Wir sind beim grössten wirtschaftlichen Experiment der Geschichte live dabei“


Donnerstag, 3. März 2011

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Cafe BE: 1x Industrie-, 1x Versicherungsriese, 1x Börsekandidat, 1x Branchenpionierin

Grünes Licht für Social Media Cafe BE Runde (v. l.): Müller-Egewarth, Kürner, Hoffmann, Binder

Heute ist E-Day in der WKO. Im Vorfeld fand im Cafe BE eine Expertendiskussion zu den grossen Social Branding-Trends statt. In der letzten Februar-Woche ging es im Cafe BE um das kontroversiell diskutierte Thema Social Media. Die Gesprächsrunde: Bettina Binder (Social Media Management Allianz), Sabine Hoffmann (CEO Ambuzzador), G e rhard Kü rne r (Kommunikationschef voestalpine) und Alexandra Müller-Egewarth (Social Media Management beim Cafe BE-Gastgeber und Börsekandidat Griffner). Cafe BE: Versäumt man etwas, wenn man bei Social Media noch nicht aktiv ist? Hoffmann: So generisch möchte ich das nicht feststellen, man müsste mittlerweile

auch eigentlich Social Branding statt Social Media sagen, denn letzteres betrifft ja nur die Medien. Ich sage immer: Sobald sich mein Produkt dafür eignet, wäre es schade, würde ich es auslassen. Man muss sich aber sehr gut überlegen, was man tun will. Frontal-Botschaften absondern, macht keinen Sinn. Man muss es grösser fassen. Binder: Versicherungen sind ja leider kein Unterhaltungsprodukt und vom Thema her negativ behaftet. Wir wollen die neuen Kanäle daher nützen, um die Marke positiv aufzuladen. Ich muss aber zugeben, dass es gewisse Ängste gibt, dass auch z. B. auf Facebook negative Inputs kommen. Die Social Media-Strategie betrifft jedenfalls den ganzen Konzern; ich glaube, wir sind in Österreich durchaus sehr weit vorne, haben auch bereits Social Media Guidelines bzw. eine wöchentliche Sitzung mit allen Leuten, die es im Konzern betrifft. Müller-Egewarth: Auch bei uns gerät es

immer mehr ins Laufen. Einen Hauskauf macht man halt nur einmal im Leben, es gibt auch keine allzu hohe Freizügigkeit, weil ein Eigenheim schon sehr privat ist. Im Aufbau ist der grösste Teil der Arbeit im internen Bereich, um alle Sorgen und Bedenken aufzulösen. Man kann ja nicht wirklich auf viele Beispiele zurückgreifen. Interne Skepsis gibt es schon, da ist man auf Rückendeckung von ganz oben angewiesen. Einige Mitarbeiter fragen sich, was ich eigentlich den ganzen Tag tue. Kürner: Wir waren hier bewusst sehr früh aktiv, weil wir eben kein Produkt für die Öffentlichkeit haben, wir sind aber z. B. Bestandteil eines BMW oder haben die Schienen für den schnellsten Zug der Welt. Das interessiert die Leute. Über die voestalpine berichtet man auf den Wirtschaftsseiten und da geht es halt um EBITDAs. Erfreulicherweise zeigt sich, dass es viele Leute gibt, die sich auch für unsere Produkte interessieren. Mir ist Quantität egal, Qualität zählt. Wir freuen uns, dass wir ein positives Image haben und wissen eigentlich gar nicht exakt die Gründe dafür. Die Zugriffszahlen sind wie ein Lineal nach oben. Wir haben nie das Versprechen zum Dialog gemacht, sondern uns mit einem Informationsangebot an die Menschen gerichtet. Das wird sehr gut angenommen. Cafe BE: Welche Wirtschaftszweige haben die besten Chancen bei guten Social-Aktivitäten? Hoffmann: Gut funktionieren Produkte, die per se social sind: Sportartikel, tägliche ➤ Fortsetzung auf Seite 5


Donnerstag, 3. März 2011

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seren Arbeitern auf Papier, wir haben aber Kunden richten, kann es auch nicht sein. Ideen, wie wir das ändern. Selbst in der Arbeitskleidung haben die Arbeiter ja das Cafe BE: Und wie sieht es mit dem WerKonsumgüter, Smartphones und so. Einer Versicherung haben wir im Vorjahr bei- Handy dabei, d. h. wir wissen, wo wir hin- bemix aus? Verändert der sich trotzdem? spielsweise von Aktivitäten abgeraten. Ein wollen und -müssen.Wir haben vor ein- Kürner: Wir sehen, dass die Reichweiten Frontalkanal mit Gewinnspiel ist zuwenig. einhalb Jahren ein Social Media Manual in den klassischen Medien zurückgehen, an die Mitarbei- die technische Reichweite kann aber auch Es muss ja nicht immer ter verteilt, man nicht alles sein. Es wird keine EinzelreichFacebook sein, auch muss schon weitenkaiser mehr geben, es geht um den Blogs können oft Sinn aufpassen, was Mix. Viele haben in der Krise die Kommachen. Doch nicht jeman z. B. beim munikation abgedreht - das ist nicht der de Marke hat überGerhard Kürner, voestalpine Wirten erzählt. haupt ein Potenzial. richtige Weg. Kürner: Bei manchen Sprachlich spielt Müller-Egewarth: Es hat damit begonnen, Deutsch die dass Griffner nach und nach bemerkt hat, Facebook-Gruppen hat man den Eindruck, dass wir unter dem Hauptrolle, Englisch ist im Kommen. dass man jemanden wie mich überhaupt Verlust des Hausverstandes leiden. Zum Hoffmann: Vor allem Servicesachen ma- braucht. Bei uns kommt vieles über OnBeispiel, wenn man sich unbedingt an jun- chen viel Sinn. Z. B. für Flughäfen, leider line, die Leute finden uns im Web. Unser ge Leute richten will, aber kein Produkt nicht beim Flughafen Wien: Man kann ein Budget ist als kleineres Unternehmen befür junge Leute hat. Ticket buchen via Facebook, bei Proble- grenzt, da sind die neuen Kanäle wichtig. Hoffmann: Genau. Wenn ich mich auf Fa- men twittert man. Binder: Es wird Für Marken ergecebook nur mit Sonderpreis-Werbebanmehr Budget in ben sich nicht nur nern hinstelle, wird keiner mit mir reden. den Online-Teil Binder: Bei uns geht es um Unfall, um Möglichkeiten in der wachsen, wir wollen das Freizeit, um Sport, um Crash-Tests, um Kommunikation; nein, Sabine Hoffmann, Ambuzzador KnowledgeSponsoring, um Neuentwicklungen beim man kann vielmehr Sharing leben. Sicherheitsgurt. Ein weiterer Kontakt zu- die Intelligenz der sätzlich zum Vertrieb, der ja nicht öffent- Masse nutzen. Die Kommunikationsab- Hoffmann: Es ist wichtig, dass man optiteilungen haben es zuerst für sich entdeckt, miert, was man im Netz über sich findet, lich mit dem Kunden spricht. Müller-Egewarth: Auch bei uns geht es dann das Marketing, dann die Kunden. die Spuren zur eigenen Marke. u. a. um den klassischen Vertrieb. Wer in Kürner: Ein Hauptpunkt ist ja, dass intern Kürner: Genau: „Google First“, dazu der Musterhäusern agiert, hat bessere Chan- und extern hier das Gleiche ist. Man weiss Mix der anderen Möglichkeiten. Wir hacen, als jemand, der in der Pampa sitzt. ja nicht, wer wer ist. Bei Sales-Dingen mit ben getestet, wie man im Weichen- und Vor allem Deutschland haben wir eini- Werbebannern bin ich ebenfalls skeptisch, Schienenbereich in der Googlesuche nach ge, die bei Facebook und Twitter sehr gut der Ansatz kann nicht sein, Werbekosten oben kommt. Haben es in kürzester Zeit sind. Wir richten uns an Kunden, Interes- sparen zu wollen. geschafft, auf dem ersten Trefferbild zu Binder: Die Mitarbeiter gehören einge- sein, weit und breit kein Mitbewerber. Auch senten und den Vertrieb. Kürner: Wir kommunizieren intern mit un- bunden, das ist sehr wichtig. Nur an die bei „Auto der Zukunft“ waren wir vom Er➤ Fortsetzung von Seite 4

„Hausverstand sollte man schon mitbringen“

„Die Intelligenz der Masse für sich nutzen“

v. li.: A. Müller-Egewarth (Griffner), B. Binder (Allianz), G. Kürner (voestalpine), S. Hoffmann (Ambuzzador)


Donnerstag, 3. März 2011

BÖRSE EXPRESS NEWS ➤ Fortsetzung von Seite 5 folg überrascht. Man muss sich nur intensiv damit auseinandersetzen.

Hoffmann: Man muss mediengerecht denken, umgestalten, manches geht auch besser in Facebook, z. B. Consumer-Kampagnen mit Video- oder Foto-Uploads. Dies auf der Homepage zu tun, würde eher keinen Sinn machen.

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nauso. Die Apps, die sich durchsetzen werden, werden jene sein, die sehr aufwändig gestaltet sind. Man hat ja nicht unendlich Platz auf den Smartphones-Screens. Hoffmann: Für vieles habe ich nur in der U-Bahn Zeit, da ist eine App schön. Der Endkonsument liebt die Apps. Hinterfragen muss man natürlich. Cafe BE: Die Schlussfrage: Facebook will mit Aktien an die Börse. Glauben Sie an einen Börseerfolg á la Google?

Cafe BE: Stichwort Twitter ... Bi nder: Da sind wir Cafe BE: Apps? noch abwartend, es ist Binder: Sind für nicht leicht, einen Zugang für unser Produkt uns u. a. die zu finden. Chance, kleine Alexandra Müller-Egewarth, Griffner Müller-Egewarth: Mikroversicherungen an den Kürner: Reine Spekulation. Facebook hat Nichts für unser ProMann zu bringen. Oder die Online-Ab- meiner Meinung nach noch nicht begondukt. Kürner: Hat nebengestellte Bedeutung, vor bildung wie ein Foto von einem Schaden nen, richtig zu monetarisieren, die haben oder Sportversicherungen für kurze Zeit- derzeit noch eine andere Strategie. allem als Newsfeed für Journalisten. Hoffmann: Masseneffekte darf man sich räume, z. B. beim Skiwochenende. Die Frage ist auch: Was passiert, wenn Müller-Egewarth: Apps könnten für den sich irgendwann zwei dominante Player nicht erwarten. Servicebereich Sinn machen, Fassaden- den Werbemarkt teilen? Das kann spanCafe BE: Und wie sieht es mit dem Span- farben oder so. nend werden, weniger für die klasnungsfeld zwischen z. B. Facebook-Akti- Haben wir derzeit sischen Medien. vitäten und der eigenen Homepage der noch nicht. Kürner: Ich weiss gar Hof fman n: Ich Unternehmen aus? Binder: Bei uns wird alles rund um die nicht, wie viele Zuwürde nicht inveBettina Binder, Allianz griffe wir bei der App stieren, ich traue Homepage aufgebaut. Müller-Egewarth: Die Homepage ist das haben. Die aktuelle mich nicht zu beManie ist sicher übertrieben, man hinter- antworten, ob Facebook in seinem Feld Mutterschiff, Facebook ein Kanal. ürner: Facebook kann ohne die Home- fragt oft nicht, warum es die eine oder an- alleine bleibt. Kü page nicht leben, die Homepage ohne dere App - Stichwort Kundennutzen - über- Binder: Auch ich bin eher skeptisch. Facebook schon. Man muss schauen, wo haupt gibt. Sonderfall iPad: Das ist etwas Müller-Egewarth: Schliesse mich an. Die Facebook hingeht. Im HR-Bereich gibt es anderes, auch für firmeninterne Themen, Form der Kommunikation ist die Zukunft, wie z. B. Präsentationen. Im Vertrieb ge- aber ob das Facebook selbst sein wird ...? z. B. noch grosse Möglichkeiten.

„Wer in der Pampa sitzt, muss kreativer sein“

„Können unsere Marke positiv aufladen“

v. li.: Chladek (BE), Hoffmann (Ambuzzador), Binder (Allianz), Drastil (BE), Müller-Egewarth (Griffner), Kürner (voestalpine)


Montag, 7. März 2011

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Cafe BE: Treiber, Preisprognosen und Überlegungen zum Goldstandard

Der Goldzug ist nicht zu stoppen

Cafe BE (v. l.): R. Stöferle (Erste), A. Boschek (Schoeller Münzhandel), A. Böger (Absolute PM). T. Bachheimer (Meridian)

Der Goldpreis als Gradmesser für die Systemunzufriedenheit und das Freiheitsbedürfnis einer Gesellschaft eine launige Diskussion. Cafe BE: Ist Gold Geld? Andreas Böger: Da das Geldmonopol zur Zeit vom Staat wahrgenommen wird, sind der USD oder der Euro eher „das Geld“. Aber trotzdem kann man das Gold nicht entmonetarisieren. Gold wird aktuell quasi inoffiziell als Ersatzmittel verwendet. Ronald Stöferle: Der Markt hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte und Jahrtausende das perfekte Zahlungsmittel gesucht und das sind grösstenteils Gold und Silber und eben nicht, wie es temporär war, Kaffee, Zigaretten oder Papiergeld. Was sich immer mehr zeigt: Früher haben die Leute vor allem den schnellen Profit gesucht, indem sie in Gold und Goldaktien investierten. Jetzt kommt aber der monetäre Charakter immer mehr zum Vorschein, d. h. man besinnt sich auf diese Jahrtausende alte Tradition als Zahlungsmittel. Adalbert Boschek: Vor allem in den letzten Jahren haben sich Edelmetalle wieder monetarisiert. Wenn wir angesichts dieser unsicheren Wirtschaftslage – wir sprechen

ja dauernd von einer Währungskrise – den Begriff einfach umdrehen und die Metalle als Krisenwährung bezeichnen, dann hat das heute durchaus seine Berechtigung als Alternative zu den bestehenden Papierwährungen und als Notgroschen und Notfallzahlungsmittel.

Gold steigt nun seit mehr als einem Jahrzehnt. Was sind die Preistreiber? Böger: Gold wird als monetäres Gut interpretiert. Man muss einfach schauen, wo die Zinsen der Alternativen liegen, also von Staatsanleihen, Sparbüchern etc. Sind diese real negativ, dann sind die Opportunitätskosten von Gold sehr gering. Ein weiterer Faktor ist das Risiko der Alternativen. Wenn dieses steigt, dann wird Gold auch attraktiver, weil es kein Gegenpartei-Risiko hat. Ich würde nicht sagen, Gold steigt, weil die Zentralbanken Gold kaufen. Die Menschen kaufen Gold, weil sie keine Opportunitätskosten und weil sie kein Risiko haben. Darunter kann man alle Preistreiber subsumieren. Bachheimer: Gold steigt nicht, sondern Gold ist der Bewertungsmassstab für alles, und die Währungen fallen. Gold ist ein Zeugnis für die Wirtschaftsverantwortlichen und das Währungssystem. Je grösser das Misstrauen in die Währung ist, desto höher ist der Goldpreis. Im kollektiven Un-

terbewusstsein bildet Gold den Grad des Freiheitsbedürfnisses einer Gesellschaft ab. Je höher der Goldpreis ist, desto mehr wollen sich die Menschen aus diesem System befreien. Für mich ist der Goldpreis ein Revolutionsindikator. Je höher dieser Preis in meinem Währungssystem ist, desto eher kommt der Zeitpunkt, wo dieses System (ich meine damit keine politischen Parteien, sondern das Gesamtsystem) abgelöst wird von einer neuen Gesellschafts-, Wirtschaftsund Organisationsform. Insofern sehe ich den Goldpreis wichtiger als jeden anderen Indikator an, denn der Goldpreis sagt mir wirklich, wie weit es ist. Ich würde davon ausgehen, wenn die Unze zwei durchschnittliche Monatslöhne kostet, wird das System abgelöst. Das haben wir demnächst, und wir werden sehen, wie es dann weitergeht. Der Goldpreis zeigt an, wie weit wir im Zerfall der Eliten und Führungsstrukturen sind. Boschek: Ich gehe einen Schritt zurück, ganz so dramatisch sehe ich es nicht. Die aktuelle Zinssituation ist ein Indikator für den steigenden Metallpreis als Investmentalternative, ein weiterer Indikator ist die wirtschaftliche Unsicherheit. Und natürlich ist alles ein Spiel von Angebot und Nachfrage. Das Angebot lässt sich schwer erhöhen, ➤ Fortsetzung auf Seite 4


Montag, 7. März 2011

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Böger: Es ist nicht Geld, das uns aufdie Schmucknachoktroyiert wird, können wir nicht mehr die jährliche Produktion liegt bei 2500 Ton- frage aus China operieren. nen pro Jahr, dazu kommen aus der Wie- oder Indien, weil sie Und das sind die erderverwertung 2000 Tonnen dazu, also ins- dort plötzlich so viel sten Auswirkungen, gesamt 4500 Tonnen. Die Nachfrage ist im Geld haben. China die Menschheit beMoment noch immer höher als das Ange- hat negative reale freit sich davon. Das bot. Der grösste Verbraucher ist immer noch Zinsen beim Festlässt sich nicht die Schmuckindustrie, vor allem geld und ein Geldmehr stoppen. China, Indien und Russland sind Netto- mengenwachstum käufer. In den letzten Jahren hat sich Gold von 50% in den letzten Jahren. Bei auch als Investmentprodukt entwickelt. Wie lange erwarten Stöferle: Indien war im letzten Jahr noch negativen RealSie einen weiteren der grösste Nachfrager nach Gold, heuer zinsen wird dann Anstieg? könnte es China werden. In Indien wird die Gold gekauft. Die Stöferle: Um in Goldnachfrage zwar als Schmucknachfrage Inder machen das Kurszielen zu spresubsumiert, aber in Wirklichkeit ist das ein seit 40 Jahren, weil chen: Unser offiInvestment, wenn es sich etwa um eine Mit- der Staat ihnen eizielles Kursziel liegt gift handelt. Das sind Dimensionen, die ne konstante Geldfür Juni bei 1600 man sich kaum vorstellen kann. Generell entwertung gibt, ihUSD.Langfristig seist die Investmentnachfrage sicher der trei- nen aber verbietet, he ich die 2300 bende Faktor im Bullenmarkt. Langsam Goldkonten zu USD, was das insieht man auch institutionelle Investoren führen. Daher kauflationsbereinigte den Markt betreten, wobei diese noch im- fen sie das physiAllzeithoch von Thomas Bachheimer, Meridian mer massiv unterinvestiert sind. Was wir sche Gold, um sich 1980 wäre. Allerheute sehen, sind die Zeichen der Zeit. Es aus dem staatlidings beruht das ist nicht nur Libyen. In den USA waren in chen Geldsystem herauszuziehen. Gold ist auf der offiziellen Inflationsrate. Wenn man ein monetäres sich die Shadowstats-Daten hernimmt, käWisconsin Streiks Gut, weil das staat- me man relativ schnell auf 8000 USD. mit 100.000 Leuten liche Geldsystem Bachheimer: Bei einer Kurszielberechauf der Strasse, in Ineben missbraucht nung muss man auch beachten, was seit dien und China gibt wird. es Massenproteste. 1980 an Goldmenge und an Geldmenge Ich glaube nicht, geschaffen wurde. Und hier ist zehnmal sodass sich die SituaSie alle leiten so- viel Geld wie Gold geschaffen worden. Dation bald wieder bemit aus dem stei- mit kommt man auf einen fairen Preis von ruhigen wird. Die genden Goldpreis 23.000 USD. Das werden wir aber nicht Probleme von 2008 eine Systemunzu- erreichen, weil vorher das monetäre System wurden bei weitem zusammenbrechen würde. friedenheit ab? nicht gelöst, ganz im Böger: Es ist ein Stöferle: Generell besteht ein wunderschöGegenteil, es wurde staatliches Geld- ner Bullenmarkt und am Ende jedes Bulversucht, die Krise monopol, das an lenmarktes kommt eine parabolische Trendmit den Mitteln zu seine Grenzen beschleunigung, von der wir noch weit entlösen, die sie verurstösst, weil es fernt sind. Im Zuge dessen sollten wir sacht haben. Daher eine Überschul- zumindest 2300 USD sehen. Laut Bloommeine ich, dass die dung gibt. Die berg bin ich weltweit der mit Abstand opnächste Krise nur Leute entziehen timistischste Analyst aller grossen Häuser. noch grösser wird. sich dem staatli- Das Chance-Risiko-Profil ist heute weBachheimer: In der chen Geldmono- sentlich besser als 2006, als ich meine erKauf-Motivation gab pol, indem sie sich ste Goldstudie schrieb und die Welt oberes 2008 eine starke der Freiheit zu- flächlich noch in Ordnung war. 2300 USD Änderung. Der indi- Adalbert Boschek, Schoeller Münzhandel wenden. mag bullish klingen, das sehe ich aber eher sche Markt ist 2008 als Untergrenze. Bachheimer: beim Preis von 1000 USD um 50% ein- Die Leute werden gezwungen, das staatli- Böger: Man sollte die Kursziele im Singebrochen, aber dies wurde durch das In- che Geld zu verwenden, sehen aber, dass vestment der ETFs sofort aufgefangen. sie damit ständig die Verlierer sind. Mit dem ➤ Fortsetzung auf Seite 5 ➤ Fortsetzung von Seite 3

„Wenn die Unze Gold zwei durchschnittliche Monatsgehälter kostet, wird das System abgelöst“

„Vor allem in den letzten Jahren haben sich die Edelmetalle wieder monetarisiert“


Montag, 7. März 2011

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Auch 1600 sind im gesteckt, aber der Bereich des MögliRest ist quasi in chen. Ich möchte Gold. ne einer Kaufkrafterhöhung sehen. In den Ich habe 2002 30er Jahren ist Gold in den USA um 50% mich aber nicht auf den Aufsatz „Gold gestiegen, die Preise sind aber um 90% ge- eine Zahl fixieren. Mir fehlen momenund wirtschaftliche fallen: Kaufkrafterhöhung ca. 10-fach. Freiheit“ von Alan In den 70er Jahren ist Gold um das tan die Indikatoren, Greenspan gele20-fache gestiegen, aber auch die anderen die für Kursrücksprechen sen, meinen Job Preise, sodass sich die Kaufkraft um das gänge als Staatsanlei10-fache erhöht hat. So ähnlich wird es würden. Daher behenhändler in Irauch jetzt passieren. Wenn man die De- steht weiteres Poland gekündigt flation in Form von Masseninsolvenzen be- tenzial nach oben. und verfolge die kommt, dann wird sich Gold stabil halten, Stöferle: Die beSituation seither. während die anderen Preise sinken. Gibt scheidenen KursBoschek: Ich bin es eine Geldentwertung, dann wird sich die ziele in Bloomberg, da sicher etwas Kaufkraft auch erhöhen, weil dann Gold ich glaube, sie liekonservativer und als Inflationshedge genommen wird. Die gen aktuell unter erachte zwischen Probleme sind jedenfalls um ein Vielfaches 1450 USD, entkräffünf und 15% in grösser als in den 70ern. Der klassische Lö- ten auch jegliche Edelmetallen für sungsweg, ein Papiergeldsystem zu stabili- Bubble-Argumente sinnvoll. sieren, funktioniert über eine Zinserhöhung. klar. Ganz am EnStöferle: Wir Das war schon im 19. Jahrhundert so. Das de eines BullenAndreas Böger, Absolute PM marktes muss die empfehlen einerwäre dann das Ende der Goldhausse. seits das physische Stöferle: So wie 1980, als Paul Volcker breite Masse extrem den Bullenmarkt dadurch beendete, dass bullish sein und die Analysten müssten Investment und andererseits Aktien aus er die Zinsen auf 16,7% erhöhte. Das ist Kursziele haben, die weit vom aktuellen dem Bereich, wovon wir viele auf unserer Kurs entfernt sind. Empfehlungsliste haben. Vor eineinhalb nun absolut illuJahren haben wir einen Basket mit kanasorisch. Bachheimer: Die S ie haben ex- dischen Goldaktien aufgelegt, der nun 130% Häuselbauer köntreme Zinserhö- im Plus ist. Das sind schon empfehlensnen heute nicht hungen ange- werte Anlageformen. Innerhalb der Aktien einmal mit Null sprochen. Was findet man nach wie vor sensationell günZinsen ihre Kredisonst könnte die stige Bewertungen. Unser Haus empfiehlt te bedienen. Das Rally beenden? 5 bis 10% Investments in Gold, persönlich System hat sich zu Bachheimer: Ein habe ich ein bisserl mehr. Tode gelaufen. Währungswech- Böger: Ich orientiere mich an der RothWenn die Zinsen sel oder eine schildquote von 30%, persönlich allerdings viel mehr. Genauso wie Thomas Bacherhöht werden, Neustrukturiewas absolut wichrung des Welt- heimer habe auch ich 2002 meinen Letig wäre, dann ist währungssystems benslauf umgekrempelt, um auf den Goldalles aus. Insofern würde ein abrup- bereich umzuschwenken. gibt es kein Austes Ende bewir- Bachheimer: Eine Anmerkung zum weichen. Diese ken. Alles andere Bubbleargument: In den 80er Jahren war Krise hat keine hikann den Gold- der Goldanteil 26% und bei Bretton storische Entsprezug nicht brem- Woods 1944 ware es 40%. Nun ist es 1%. chung, weil es ein Bubbles fangen erst an, wenn wieder hösen. globaler FlächenBöger: Wenn here Goldanteile bestehen. brand ist. Es ist fast man risikoberei- Böger: Ich sehe Gold als Carry-Trade an. jedes Land betrofnigt wieder eine Gold ist eine gute Finanzierungswährung. fen. gute Alternative Jeder hat sein Gold verkauft und sein Geld Ronald Stöferle, Erste Group Research Boschek: Die genun in Immobilien, Aktien und Anleihen hat. glättete Prognose bei einer Konferenz im stecken. So hat niemand mehr Gold auf letzten Jahr über alle Teilnehmer lag bei Wie viel soll ein Privatanleger prozentuell seinem Konto, aber das wird sich ändern. 1450 USD für heuer, wovon wir nicht mehr in Gold investieren? weit weg sind. Bachheimer: Ich habe jetzt 400 Euro ein- ➤ Fortsetzung auf Seite 6 ➤ Fortsetzung von Seite 4

„Die Menschen kaufen Gold, weil sie keine Opportunitätskosten und kein Risiko haben“

„Ein Preis von 2300 US Dollar mag bullish klingen, ich sehe das aber eher als Untergrenze“


Montag, 7. März 2011

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➤ Fortsetzung von Seite 5

Wer streut dieses Bubble-Argument? Böger: Verschwörungstheorien sind immer problematisch, weil sie nicht objektivierbar sind. Alle Märkte werden offiziell oder inoffiziell manipuliert. Der Zinssatz wird manipuliert. Expectation-Management ist ein Grundpfeiler der Wirtschaftspolitik. Stöferle: Es wird überall interveniert, bei den Zinsen, Aktien, am Währungsmarkt. Wieso sollte am Goldmarkt nicht interveniert werden? 2008 war das beste Beispiel, als der Goldpreis gefallen ist. Bachheimer: Nachdem der Goldpreis 1000 USD erreicht hatte, beim Bear Stearns-Fall Mitte März 2008, verlor er dann „rein zufällig“ 30%. JP Morgan verdiente dann durch die Übernahme von Bear Stearns mit allen ihren Gold und Silber Short-Positionen eine Unmenge. Dies war die massivste bewiesene Goldmanipulation, die sogar im US-Congress durch Gary J. Miller Aufsehen erregt hat.

jedenfalls zu bevorzugen ist.

Ein weiteres Problem ist die Stückelung bei der Ausfolgung. Die ZKB verpflichtet sich z. B., nur Standardbarren (400 Unzen) auszufolgen. Stöferle: Ich bin auch kein grosser Freund von ETFs, der ZKB kann man sicherlich trauen. Eric Sprott hat z. B. bei der Auflegung seines Silber-ETFs sechs Wochen beNun zu den ETFs – es gibt ja sowohl physische Gold-ETFs als auch ETFs auf Gold- nötigt, um das Silber aufzukaufen. Da sieht aktienindizes. Wie seriös sind die physi- man, wie eng der Markt ist. Silber befindet schen Gold-ETFs? Es gibt ja immer wie- sich nach wie vor in Backwardation, was der Gerüchte, dass z. B. der GLD GoldETF die angespannte Lage am physischen Markt nicht oder nicht ausreichend gedeckt sein zeigt. Für mich ist hinsichtlich des Kapisoll. Dasselbe liest man da und dort vom talerhalts physisches Gold zu empfehlen. Geht es mehr um die Kapitalvermehrung, Silber-ETF SLV. Wie sehen Sie das? dann Aktien aus dem Bereich. Wenn man Bachheimer: Die ZKB hat ein enormes Gold als VersiGoldlager, ich cherung gegen war selbst dort. das enorme syEs ist eines der stemische Risiko grössten Lager sieht, das wir der Welt. Denen derzeit haben, vertraue ich. dann soll man Wenn es aber ETFs gibt wie kein Papiergold Thomas Bachheimer den SLV, der silim Depot haben. bergedeckt sein Bachheimer: soll, aber der Custodian für 50% aller Short- Wozu auch? Warum soll man einem FremKontrakte verantwortlich ist, dann wird das den noch dazu aus der s.g. Systemwelt verBild schief. So etwas kaufe ich sicher nicht. trauen, ein Länderrisiko und Risiko der VerBöger: Das Grundproblem bei allen ETFs waltung eingehen? oder ETCs, egal ob ZKB oder Xetra-Gold Böger: Man sollte physisches Gold haben. oder GLD, ist, dass in allen Verkaufspro- Und zur Diversifizierung des Rechtsrisikos, spekten steht, dass das Eigentumsverhält- denn auch physisches Gold kann konfisnis nur so lange gilt, als die jeweilige Zen- ziert werden, Goldaktien, weil die Aktien tralbank nichts dagegen hat. Es gibt aller- verbrieftes Eigentumsrecht auf Gold im Bodings einige privat organisierte geschlossene den darstellen. Man kann relativ gut kalFonds, die diese Klausel nicht haben, was kulieren, wie viel man für dieses Gold im

„Das war die massivste bewiesene Goldmanipulation, die sogar im US-Kongress Aufsehen erregt hat“

Boden bezahlt, man kann das Risiko beurteilen, was alles schief gehen kann, man kann über verschiedene Länder streuen und durch die Produktionskosten hat man noch einen kleinen Hebel dabei. Das Problem bei den Goldaktien ist die Volatilität. Man muss aber hinzufügen, dass die Goldaktien trotz des schlechten Rufes, den sie wegen des Einbruchs im Jahr 2008 haben, in diesem Jahrzehnt in Dollar um 1500% gestiegen sind, während Gold 500% gestiegen ist.

Ein Teil der Goldförderer war ja lange short auf Gold. Ist das vorbei? Böger: Weitestgehend. Das Hedging der Förderer hat aufgehört und die Zentralbanken haben aufgehört, zu verkaufen. Stöferle: Es sind insgesamt noch 180 Tonnen. Anglo Gold hat letztes Jahr das Hedgebuch aufgelöst. Barrick, der grösste Produzent und ein sehr umstrittenes Unternehmen, hat eine Kapitalerhöhung über fünf Milliarden gemacht, um das Hedgebuch zurückzukaufen. Das ergab in den letzten Jahren auch eine zusätzliche Nachfrage. Auch die Zentralbanken waren lange Verkäufer, aber nun sind sie auf der Käuferseite, nur die westlichen Zentralbanken sind das noch nicht. Bachheimer: Die Zentralbanken waren nach 29 Jahren 2009 erstmals wieder Netto-Goldkäufer, was einen echten Paradigmenwechsel darstellt. Sie vertrauen sozusagen den von ihnen gedruckten Währungen selbst nicht mehr.

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Montag, 7. März 2011

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gut. Beim Palladium würde z. B. ein Ex- System dann das, was für alle Teilnehmer portstopp durch Russland das Bewer- am fairsten ist. Böger: Die Menschen müssen erst einmal Könnte Gold bei einer Neustrukturierung tungsmodell massiv stören. des Währungssystems wieder eine Rolle Böger: Ich unterscheide immer zwischen erkennen, dass das Geldsystem nicht zum privatem Geld-Goldstandard und staatli- Staat gehört. spielen? Bachheimer: Meiner Meinung ja – es chem Geld-Goldstandard. Der private Geldmuss und es wird eine wesentliche Rolle Goldstandard ist einfach Gold: Wenn der Ich möchte nochmals Professor Fekete ziStaat sich nicht einmischt, dann ist es Gold, tieren: „Die Regierung müsste wieder das spielen! Stöferle: Ich hoffe ebenfalls. Nimmt man da braucht man keinen Standard. Wenn Münzen von Gold erlauben, d. h. jederdie Aussagen einiger doch recht honoriger der Staat das Geldsystem an sich zieht, dann mann, der sein Gold in anerkannte MünPersönlichkeiten wie etwa von Robert gibt es das staatliche Geldsystem. 1971 ha- zen schlagen möchte, müsste dies bei eiZoellick (Weltbank-Präsident, Anm.) her, in ben die Staaten quasi die komplette Kon- ner Prägeanstalt machen lassen können, denen auf den „Goldstandard“ eingegan- trolle zu 100% über das Geldsystem über- ohne Gebühren und Mengenbegrenzungen wird, zeigt das schon einen ganz kla- nommen. gen. Man würde also ren Paradigmenwechsel und war vor eini- Mometan entdas Gold Unze für gen Jahren undenkbar. Es gibt allerdings ziehen die PriUnze in geprägter nicht DEN Goldstandard, es gibt viele ver- vaten diesem Form zurückerhalten schiedene Formen. Ich glaube nicht an ei- Geldsystem und der Staat müsste ne 100%-ige Deckung. In Mexiko gibt es ihr Vertrauen, die Prägekosten übereine interessante Entwicklung, der Milliar- indem sie umnehmen, so wie der där Hugo Salinas-Price will parallel zum schichten. Staat auch für die Peso einen Silberstandard einführen. In Ma- Deshalb gibt Wartung der Straßen Ronald Stöferle laysia wurden in einer Provinz ein Gold- es die Entwersorgt.“ Dinar und Silber-Dirhem parallel einge- tung, und der Goldpreis steigt. Die Staaten Stöferle: Professor Fekete und Hugo Sawerden versuchen, dagegenzusteuern, in- linas-Price sind gute Freunde und haben führt. Hier tut sich einiges. Bachheimer: Wir brauchen bei jedem dem sie wieder etwas zurückstecken und dasselbe Grundprinzip „Open the Mint“ Währungssystem einen Gravitationspunkt. sich einer externen Kontrolle durch Gold (siehe oben), in gewissen Facetten besteDas haben wir mit Nixon 1971 verloren, unterwerfen. D. h. der Staat kontrolliert nicht hen Unterschiede. Professor Feketes Ausund alle Länder haben aus logischen, aber mehr 100% des Geldsystems, sondern wie führungen zum Goldstandard sollte jeder billigen Motivationen heraus mitgemacht. z. B. im 19. Jahrhundert nur 30%. lesen, auch wenn es sehr anspruchsvoll ist. Wenn das Vertrauen immer mehr schwin- Böger: Ich bin skeptisch, denn ich sehe Wir brauchen etwas Physisches, das nicht beliebig vermehrbar ist. Etwa einen Korb det, wird den Privaten also wieder etwas noch nicht den Wandel im Denken der Kontrolle in Form Menschen. Wieso wurde die Golddeckung aus Metallen oder einer partiellen verlassen? Damit die Staaten mehr Ausgaeventuell anderen Golddeckung zu- ben machen können. Und damit wird viel „tangible goods.“ rückgegeben. So- finanziert: der Wohlfahrtsstaat, der Verteilange es ein staatli- digungsapparat in den USA. Würde man Da würde Profesches System ist, ist den Leuten sagen, „wollt ihr wieder gutes sor Antal Fekete, das aber alles wie- Geld haben, das nicht entwertet wird“, würder Begründer des der nur eine Art der de jeder zustimmen. Dann müsste man Goldstandard-InKontrolle, weshalb aber auch fragen: „Verzichten Sie auf ihre stitutes, sofort wiich die Diskussion Rente, ihr Gesundheitssystem, Girokonto?“ dersprechen, der Andreas Böger über den Goldstan- Und dann wird es problematisch. nur Gold und dard nicht mag. Bachheimer: Aber eines ist schiefgeganeventuell Silber für Denn die Bevölkerung wird damit gen: Unter dem Deckmantel der Umvergeeignet hält. Bachheimer: Palladium und Platin gehen wieder um ihr 100%iges privates Geldsy- teilung hat man das Währungssystem jedeshalb nicht, weil man ein geeignetes stem betrogen, d. h. es gibt eine angeblich der Gravitation enthoben, damit man das Stock-to-Flow-Verhältnis benötigt (Verhältnis gute Lösung, die dann in 50 Jahren die Kapital bzw. die Produktionsmittel verteides vorhandenen geförderten Metalls zur nächste Krise hervorruft. len kann. Hier möchte ich auf meinen vor laufenden Förderung). Man hat offiziell Bachheimer: Dem Staat muss das Recht zwei Jahren verfassten Artikel „Umkehr165.000 Tonnen Gold und eine jährliche entzogen werden, uns zu diktieren, welche schub der Umverteilung“ hinweisen, denn Produktion von 2500 Tonnen. Wenn also Währung wir verwenden. Wir müssen ent- in Wirklichkeit hat es ganz anders funktiodie Produktion gegen Null geht oder sich scheiden können, was wir als Tauschmit- niert. Die Kaufkraft ist aus den Familien verdoppelt, dann hat das wenig Einfluss auf tel verwenden. Diese Entscheidung müs- herausgekommen. Wir haben zwar schöden Goldbestand bzw. den Goldpreis. Da- sen die Akteure des Wirtschaftslebens trefher ist Gold für ein Bewertungssystem sehr fen. Durchsetzen würde sich in solch einem ➤ Fortsetzung auf Seite 8 ➤ Fortsetzung von Seite 6

„In den Aussagen einiger honoriger Persönlichkeiten zum Goldstandard zeigt sich ein Paradigmenwechsel“

„Wenn das Vertrauen stärker schwindet, wird den Privaten etwas Kontrolle in Form einer partiellen Golddeckung zurückgegeben“


Montag, 7. März 2011

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nere Badezimmer und Autos, aber heute arbeiten zwei für das, was einer 1970 geleistet hat. Die Produktivität hat sich aber verdoppelt. Uns wird erzählt, dass die Umverteilung stattfindet. Sie findet auch statt, aber nicht so, wie es uns Kreisky, Olof Palme und Ähnliche erzählten: Vielmehr haben sich die Bankbilanzen seit 1971 verzigfacht, die Börsenindizes verzigfacht und die Parteienförderung verfünfundzwanzigfacht. Der Arbeitnehmer arbeitet noch immer gleich lange für eine Flasche Wein, den Friseur oder ein Brot. Aber der Farbfernseher, den man alle zehn Jahre kauft, oder Fernreisen, die man nie antritt, sind billiger und im Warenkorb enthalten. Und das ist die grosse Unverschämtheit. Das Geld, das für die Armen gedacht war, ist in Wirklichkeit in die Banken, Börsen und Parteien geflossen, und diese Apparaturen haben sich immens aufgebläht und stellen nun das grösste Risiko dar. Böger: Die Frage des Goldstandards ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern durchzieht sämtliche Gesellschaftsfragen, weil der Staat durch das Papiergeldsystem sehr viel Macht hat. Alle Ausgaben seit 1971 sind möglich gewesen, weil der Goldstandard verlassen wurde und müssten rückabgewickelt werden, wenn der Goldstandard in der richtigen Form wieder eingeführt werden soll.

Wie wird es auf Sicht der nächsten zehn Jahre weitergehen? Bachheimer: Wir stehen meiner Einschätzung nach vor der grössten gesellschaftlichen Transformation seit 1789 (Anm. Französische Revolution) in Europa. Es wird einen Umbruch geben. Es muss sich was ändern und es kann nicht sein,

dass die gesamte Gesellschaft unter der Herrschaft des internationalen Geld-Pöbels leidet. Das wird die jeweilige Bevölkerung in vielen Ländern wahrscheinlich nicht zulassen. Was danach kommt, darüber gibt’s nur Mutmassungen. Stöferle: Es hilft nicht, nur das Positive zu sehen. Man muss sich auf die Zukunft vorbereiten. Den klassischen Goldbugs wird nachgesagt, dass sie extrem pessimistisch sind und sich das finanzielle Armageddon wünschen. Das ist völliger Unsinn. Man muss sich aber auf die historisch besondere Situation richtig vorbereiten, und Gold ist in diesem Umfeld ein wichtiger Faktor. Böger: Das Grundproblem ist, dass mehr ausgegeben als eingenommen wird. Das ist möglich, weil ein ungedecktes Geldsystem vorhanden ist, kann aber nicht so weitergehen. Es kann sich innerhalb kurzer Zeit mit einer sehr grossen Krise lösen oder zieht sich über mehrere Jahre oder Jahrzehnte hin. Die Ausgabenmuster, die derzeit vorhanden sind, sind nicht finanzierbar. Das wird sich ändern und darauf muss sich jeder vorbereiten. Man muss die Krise einplanen oder mit einem jahrzehntelangen Korrekturprozess rechnen. So kann sich jeder überlegen, ob er sein Gehalt vom Staat bekommt und inwieweit er sich darauf verlassen kann. Eine Möglichkeit ist, sich aus dem Geldsystem zu entfernen und ins Goldsystem zu wechseln. Boschek: Man sollte nicht in Panik verfallen und unüberlegte Aktionen setzen. Man sollte sich aber in aller Ruhe überlegen, welche Probleme auf einen herankommen könnten, und versuchen, sich im Rahmen einer Anlagestrategie zu diversifizieren. Eine der einfachsten Möglichkeiten ist, keine Schulden zu haben. Man sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen, die Lösungen werden nach individuellen Vorlieben unterschiedlich

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ausfallen. Langfristige Planung und gute Streuung sind der Schlüssel zum Erfolg, und auch ich würde mich nicht darauf verlassen, dass ich von meiner Pension in ein paar Jahrzehnten mein Auskommen finde. Prepare for the worst, hope for the best.

Eine Buchempfehlung zum Abschluss? Bachheimer: Den zuvor erwähnten Greenspan-Artikel. Weiters von Roland Baader „Der papierene Selbstmord.“ Stöferle: Als Autoren Mises und Murray Rothbard, ferner von Hayek „Der Weg in die Knechtschaft“, von Ferdinand Lips „Die Goldverschwörung“, von Gregor Hochreiter „Krankes Geld, kranke Welt“ und von Stefan Zweig „Die Welt von gestern“. Boschek: Für jemanden, der beginnt, sich für Edelmetalle zu interessieren, etwa Bruno Bandulet „Das geheime Wissen der Goldanleger“. Böger: Mises, Hayek, für Einsteiger von Rothbard „Scheingeldsystem“ und für keynesianisch ausgebildete Volkswirtschaftler von Mises „Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel.“ Durch die Diskussion führten Christoph Rohrmoser, Bettina Schragl

Die Diskussionsteilnehmer Thomas Bachheimer Meridian Commodity Advisors, VizePräsident Goldstandard-Institut (Wien) Andreas Böger Absolute Performance Management Adalbert Boschek Schoeller Münzhandel Ronald Stöferle Erste Group Research


Dienstag, 15. März 2011

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Cafe BE: Das Thema Börsegang und seine Facetten; was neben der KESt lästig ist

IPO-Wünsche und Ideen für den mid market

Cafe BE (v. l.): S. Zapotocky (bast), W. Matejka (Investor), C. Drastil (BE), R. Berger (next march), T. Lenzinger (Griffner)

Der Talk über IPOs und den Mid Market fand am 10. März, einen Tag vor dem Erdbeben in Japan, statt. Cafe BE: Herr Berger, Sie arbeiten mit dem Investor Toto Wolff seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bereichen zusammen, nun hat Wolff gerade seine Beteiligung Williams an die Börse gebracht. Wie ist es aus Ihrer Sicht gelaufen? Wie aufnahmebereit waren die Märkte? R ene Berge r: Das Beispiel Williams ist sicher atypisch, lässt vielleicht nicht wirklich Rückschlüsse auf die generelle Situation zu. Der Bereich Formel 1 ist doch sehr speziell, das haben wir während der Bookbuilding-Phase gesehen. Da die Autohersteller die F1 lange als MarketingPlattform gesehen haben, war die F1 halt eine Cash Burning Industry. Die Institutionellen meinen etwa, dass der einzige, der in der F1 Geld verdient, der Bernie Ecclestone ist. Die Kosten mussten allerorts gesenkt werden, vor drei Jahren brauchten die Teams noch 250 Motoren, jetzt sind es 25 bis 40 je Saison, der Unterschied geht direkt in die Bottom Line. Das ist für die nächsten Jahre geregelt und auch Teil der Story. Mit diesen Vor-

Und wieviel wurde in Österreich platziert? Berger: Das waren ca. 10 bis 15 Prozent der Transaktion.

bruar wurde auch im Zusammenhang mit Griffner von der Börse gesprochen. Wie sind hier die Pläne? Thomas Lenzi nger: Für uns als mittelständische Firma, die aktuell ca. 50 Millionen Euro Umsatz macht, ist der gesamte Prozess der vorbörslichen Gestaltung, Transparenz, Professionalisierung, Managen des Wachstums – wir wachsen mit mind. 30 Prozent p. a. aktuell – jetzt einmal im Mittelpunkt. Das Ziel ist es, weltweit erstmals eine Marke im Wohnungsbau zu machen. Wir sind 30 Jahre alt und haben 27 Jahre nichts anderes getan, als Einfamilienhäuser zu bauen. Mit zwei Überschriften: Kompetenz der Materialien und der Architektur. Unsere Branche wandelt sich: Vor wenigen Monaten ist die neue Gebäuderichtlinie der EU erschienen, hier geht es um Energieeffienz, den Einsatz alternativer Energieträger und den Einsatz ökologischer Bau- und Dämmmaterialien. Das ist für Griffner perfekt, denn davor war der Holzbau jahrezehntelang gesetzlich diskriminiert. Nun wird es eine Renaissance geben. Die Vorurteile Brandschutz, Schallschutz, Statik und Preis sind wissenschaftlich ausgeräumt. Wir können

Herr Lenzinger, in einem Cafe BE im Fe-

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urteilen zu kämpfen, ist immer schwierig. Letztendlich war auch die Börsesituation schwierig. Insgesamt sind wir aber zufrieden, wir haben die Anleger problemlos zu den Terminen bekommen, in Zürich waren zum Beispeil 160 Investoren, in London 100. Es war ein bisschen eine Art Trophy-IPO, natürlich waren auch einige Williams-Watcher dabei, die nicht wirklich am IPO, sondern eher am Rennstall interessiert waren. Nach der Transaktion können wir durchaus sagen, dass der Markt aufnahmefähig ist und war.

Wieviel hat Retail gezeichnet? Berger: Relativ wenig, in der Gegend von fünf Prozent, nicht mitgerechnet einige grosse Private. Die Transaktion war insgesamt 60 Mio. Euro gross. Der nicht so stark regulierte Entry Standard in Frankfurt war die Destination, weil IFRS vorschreiben würde, dass jeder Kunde, der mehr als zehn Prozent vom Umsatz macht, dargelegt werden muss, das ist in der F1 bekannterweise unmöglich.


Dienstag, 15. März 2011

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schuld. Wir haben tunity, war aber – in Österreich einen bildlich gesprodringenden Nachchen – nicht mehr uns auf einen legistisch verursachten holbedarf an EiWachstumsschub vorbereiten. Was die weit genug offen, genkapital, die Börse betrifft: Wir sehen, dass Themen wie die IPO-Pläne wurenorme AbhängigClean Tech, Green Tech, Green Buildings den abgesagt. keit von der Kreditim Sinne einer Gesundsheits- und Ener- Geht das Fenster finanzierung muss giediskussion in der Private Equity-Indu- jetzt wieder auf? reduziert werden. strie grosse Themen sind. Das wird auch Stefan Zapotocky : Ich weiss, das ist in Richtung Börsen gehen. Wir bereiten Ja, absolut, ich erein Jahrhundertuns als Marktführer im Bereich „Zero Ener- warte für heuer wunsch. Aktuell gy Buildings“ vor. Wir sind in einer Nische, mindestens drei reverbessert sich die in der die westeuropäischen Länder die nommierte InduStimmungslage, die Emerging Markets sind, Österreich hat als striebetriebe, die an Unternehmen befünfgrösster Holz-Exporteur weltweit ein die Börse gehen. reiten sich wieder sehr gutes Know-How, einzig die Wert- Was mich immer auf grössere Dinge schöpfung gehört gesteigert. Man darf nicht wieder enttäuscht vor. Gemeinsam ausschliesslich Billigbretter nach Italien hat, sind die Vormit den Nachbarliefern. Aufbauend auf unserer relativ ho- gänge auf der Gebörsen könnte hier hen Bekanntheit in Österreich kann man setzgebungsseite, einiges Gutes funkeine schöne Story bauen. ich meine hier die tionieren, ich bin europäische EbeStefan Zapotocky sehr vor, dass die ne: Basel III oder Wäre die Destination aus heutiger Sicht Wiener Börse undie Solvencydie Wiener Börse? Lenzinger: Ich bin bekennender Österrei- Richtlinien für die Versicherungen sind ei- abhängig geblieben ist. Wir können einen cher. Man muss sich das dann – etwa ne Abwehr in eine Richtung, wo man ver- zentraleuropäischen Börseplatz aufbaumuten muss, dass man nicht bedacht hat, en, einen für den Mittelstand, für mittel2013 - ansehen, wenn es so weit ist. dass eigentlich die grosse Unternehmen. Die Wiener Börse Kapitalsuche von hat den grossen VorBanken und Ver- Stichwort Breitenfeld: Hätte man das IPO teil, dass Griffner in sicherung zu La- Ende 2007 durchboxen sollen? Österreich sehr besten der Industrie Zapotocky: Bei Breitenfeld war es richtig, kannt ist und wir ausgehen wird. auch Retail schön das mit privatem Kapital zu machen. AnDie Erforder- stelle des IPOs ist u. a. Morgan Stanley ansprechen könnnisse laut Basel III eingestiegen. Der krisenbedingt massive ten. könnten dazu füh- Abschwung der Stahlindustrie, den wir ren, dass es ein 2007 nicht so gesehen hatten, brachte für Geplant ist ein IPO reiner Banken- Breitenfeld schwierige Herausforderungen. mit Kapitalerhöund VersicheWir haben das bestanden, sind wieder hung? Lenzinger: Auf jeden rungsmarkt wird. gut auf Kurs. Es war richtig, den BörsenDas will niemand, gang zu verschieben. Ein Börsegang ist Fall, wir wollen ja auch die Banken trotzdem - vielleicht nicht kurzfristig, aber nicht Altaktionäre nicht, das ist ein mittelfristig - wieder ein Thema. Wir habefriedigen, sondern Wachstumskapital Damoklesben in der Krise den Standort wesentlich für das Unternehschwert, das über vergrössert und auch technologisch aufmen raisen. den Märkten gerüstet. Für Privatanleger wäre die Stahlhängt. Ich hoffe krise eine grosse Verunsicherung gewesehr, dass span- sen. Es ist immer besser, in guten Phasen Herr Zapotocky, ca. nende Transak- an die Börse zu gehen. 1100 Tage ist es tionen den Markt her, dass die Wiener Wolfgang Matejka wieder beleben Kann es neben Breitenfeld noch zu anBörse mit der Strawerden. Man hat deren Transaktionen aus Ihrem Umfeld bag ein IPO gesehen hat. Danach gab es noch die Versu- das Kind mit dem Bade ausgeschüttet in kommen? che von Frequentis, Saubermacher und den vergangenen drei Jahren, Österreichs Ihrer Breitenfeld, das Window of Oppor- Unternehmer waren ja an der Krise nicht ➤ Fortsetzung auf Seite 6 ➤ Fortsetzung von Seite 4

„Es braucht eine neue Begeisterung für die Finanzierung der Wirtschaft“

„Bei der Wertpapier-KESt geht es einzig um die Frage, wann sie wieder aufgehoben wird“


Dienstag, 15. März 2011

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te gehören motimachen, es war viert, nicht das Spareine ziemlich entZapotocky: Ja, durchaus. Auch generell: buch zum Billa zu würdigende Transaktion, die ein paar Die Wirtschaft läuft gut, wer hätte vor zwei tragen, sondern zuHedge Funds beJahren geglaubt, dass Branchen wie Au- kunftsorientierter zu friedigt hat. Damit tomotive jetzt wieder so stark wachsen. investieren. Ich meiwird noch längere Und dass aus der klassischen, insbe- ne damit, dass man Zeit herumgesondere der metallverarbeitenden und che- den Banken den nehmen murkst werden, mischen Industrie, einiges kommen wird. Druck muss, neben Dinweil viele Investogen wie Basel III ren einfach vor Herr Matejka, Sie beobachten die Märkden Kopf gestoste berufsbedingt und permanent. Wie ist auch noch die sen wurden. die Aufnahmebereitschaft der Investoren Wachstumsfinanzierungen durchBeim Verbund für neue Stories? Wolfgang Matejka: Sehr selektiv. Die In- führen zu müssen. kommt dazu, dass Das Steueraufdas Management stitutionellen als grösste Gruppe sind durch als Nach-IPOSolvency II und sonstige Unwägbarkeiten kommen kann nur Behandlung jetzt ziemlich verängstigt. Die IPOs, die Selbst- über Wirtschaftsmit einer Dividenläufer sind, werden dann nicht mehr Selbst- wachstum gesteidenherabsetzung läufer. Die Vielschichtigkeit des Marktes gert werden, alles kommt. Das sind ist nicht mehr gegeben, das Hintergrund- andere endet im Gemeindebau. Dinge, die meines geräusch fundierter Nachfrage fehlt. Rene Berger Damit haben wir Erachtens nach Es ist sehr stark erkennbar, dass sich einicht wirklich ne IPO-lastige Community gebildet hat. uns als Staat keinen Es wird sehr händlerlastig agiert. Es erin- guten Dienst getan; das wieder geradezu- nach einem IPO oder einer Kapitalerhönert mich stark an die Ära des Neuen biegen, setzt eine politische Revolution hung passieren sollten. voraus. Es müsste Marktes. Nur halt sich jemand hin- Stichwort Börsekandidaten: Wen würden umgekehrt: Heutstellen und unab- Sie sich an der Wiener Börse wünschen? zutage wird sofort hängig von Partei- Wer ist börsefähig, wer ist börsewillig? hineingeshortet. büchern über den Zapotocky: Es sollten Unternehmen sein, Beispiel: Derby Tellerrand blicken: die eine gewisse Dimension haben. Sonst Cycle, das erste Eine Börse für In- ist es, wie Herr Matejka gerade ausgeführt IPO der BHF-Bank dustriefinanzieseit zehn Jahren hat, wirklich zu händlergetrieben, wird platrungen gehört da- ziert und nochmal platziert und nochmal und ein wirklich zu. tolles Unternehplatziert. Es müssen auch wachstumsorimen mit vollem entierte Unternehmen sein, der Umsatz Comittment der sollte bei Industrieunternehmen mindeUnd auch die letzBank, ist gerade ten grossen Trans- stens 100 Mio. betragen. Da gibt es in noch über den Boaktionen in Öster- Österreich 30 bis 50 mögliche Kandidaden gekommen reich sind ja nicht ten. In Spezialnischen geht das auch mit und dann wurde perfekt gelaufen, kleineren Unternehmen, man muss sich gleich voll d’raufetwa die Energie- aber bewusst sein, dass das private Deals gehaut. Man muss versorger im Vor- werden können, mit vielleicht 50 Investoes zwei bis dreimal ren. Vor allem Familienunternehmen sind jahr ... Matejka: Verbund oft sehr zögerlich. Der Gang an den Puplatzieren, sonst geht es nicht. Vom weniger, EVN viel blikumsmarkt verlangt viele Standards für Publikum her ist in mehr waren durch hunderte oder tausende Anleger, da kann Österreich noch Machtspiele der ein einzelner Investor und Partner mehr dazu eine SonderSinn machen. Und um auf die Wunschinternationalen Thomas Lenzinger situation gegeben. IPO-Banken ge- namen zurückzukommen: Zum Beispiel Mit der Wertpapier-KESt hat man sich kennzeichnet. Dies erfolgte zu Lasten der grosse chemische Firmen im Donauraum fast alles zerstört, volkswirtschaftlich war Story. Das Sentiment ist vor der beängsti- oder Anlagebauer, bitte um Verständnis, das die völlig falsche Entscheidung. Der genden Transaktionshöhe in die Knie geumgekehrte Weg ist der richtige: Die Leu- gangen. Man wollte einen schnellen Shot ➤ Fortsetzung auf Seite 7 ➤ Fortsetzung von Seite 5

„Zwischenlösungen á la mid market machen viel Sinn. Sonst verhungert der Kapitalgeber“

„Die Story des Unternehmens ist wichtiger als der Markt, in dem das Unternehmen notiert“


Dienstag, 15. März 2011

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➤ Fortsetzung von Seite 6 dass ich die Namen nicht nennen will. Sehr wünschen würde ich mir auch eine Fortsetzung der Privatisierungen, sie haben in meiner Zeit als Börsevorstand den Markt extrem beflügelt. Weitere regionale Energiefirmen würde ich gerne an der Börse sehen. Lenzinger: Ich kenne ja beide Seiten (Anm.: Lenzinger war jahrelang im Private Equity-Geschäft tätig), ich glaube, dass die mittelständischen Unternehmen mehr Angst vor einem einzelnen Partner als vor der Börse haben. Und trotz aller Privatisierungen: Österreich ist ein Mittelstandsland. Der Versuch aus 1997, die KMU-Börse namens fit zu bringen, war die richtige Idee. Gut geführte Familienunternehmen gessen. Da gibt es viele Unternehmen in Umsatzes nicht wirklich das Kriterium, wie Hirsch Servo oder SW Umwelttech- Österreich, die mit etwas Kapital und neu- sondern vor allem die Story. In Wien gibt es ja derzeit so gut wie keinik müssen natürlich überzeugt werden, em Management viel erreichen könnten. Die Angst ist natürlich gross, wenn man ne technologisch hervorragenden Unterdie Hürde ist weniger hoch als die Hürde fünf Investmentbanken zu einem Pitch zu nehmen, Ausnahme ist hier eine SchoelHaifisch. Zapotocky Besuch hat. Am ler Bleckmann Oilfield. Börse als Ersatz Anfang schickt die für Bankkredite, die in Wirklichkeit ja staub(lacht): Es gibt Bank die erste Rie- trocken und boring sind; das muss für techauch positive ge, dann die zwei- nologieorientierte Unternehmen der AnFische, die te Riege, das IPO satz sein. Wie soll sich ein Kreditprüfer nicht alles macht dann die das Potenzial etwa von Williams ausauffressen. Berge r: Man dritte Riege. rechnen können? Und während Berger: Oder Intercell, das ist gut gelaufen kann nicht saThomas Lenzinger des Börsegangs und war der richtige Zeitpunkt. gen, wir brausieht es dann chen mehr Wagniskapital und sperren dann jeglichen nicht gut aus für den Unternehmer, der ja ... oder bwin. Ohne Website, aber mit eiExitkanal zu. Von der Phase, in der ein darin keine Erfahrung hat. Anders als die ner starken Idee und einem starken KonUnternehmen ca. 10 Millionen gross ist, Banken. Wenn man aber das Unterneh- zept zum richtigen Zeitpunkt über die Börbis zu dem Punkt, an dem man 100 Mil- men über Jahre begleitet, kann das anders se finanziert. Lenzinger: Genau. Rund lionen Umsatz macht, verhungert jeder funktionieren. Man steigt Wagniskapitalgeber. um die Intercell wurde Daher glaube ich, dass Zwischenlösun- ein, macht ja auch in Wien ein gen wie der Mid Market sehr viel Sinn ma- ein Private Cluster gebaut. Darum chen. Dazu kommen viele anstehende Ge- Placement, geht es, der Umsatz ist nerationswechsel bei Familienunterneh- kann neue meiner Meinung nach men. Und man weiss ja: Die zweite oder Märkte aufnicht so wichtig. Auch dritte Generation macht oft Unternehmen machen. rund um AVL ist einiStefan Zapotocky kaputt. Wenn man es hingegen schafft, ein Matejka: Leiges entstanden, dazu Unternehmen langsam in Richtung Kapi- der gibt es auch Energiethemen als talmarkt zu bringen – wie es in Amerika, immer den Verdacht, dass man bei einem Beispiel. Man muss halt InteressenskonEngland oder Deutschland funktioniert – Börsegang nur abcashen will. Es muss ge- flikte vermeiden. Da bin ich sehr skeptisch dann wäre das sehr gut, aber so etwas geht lingen, die vergangenen Jahre abzuhaken. bei den Landesenergieversorgern, bei dein Österreich derzeit leider nicht. NatürTechnologie und Innovation wären zum nen sich ja dauernd die Politik einmischt. lich wäre es auch schön, wenn die Ener- Beispiel wichtige Commitments, rund um Wenn man die Kelag an die Börse bringt, gieversorger oder eine Red Bull an die Bör- München gab es einmal einen Biotech- hat man einen Riesenpallawatsch. se kommen würden, man darf aber die Cluster. So etwas würde ich mir wünschen. vielen Perlen im Hintergrund nicht ver- Wenn das der Fall ist, ist die Grösse des ➤ Fortsetzung auf Seite 8

„Ich glaube, dass der Mittelstand mehr Angst vor einem einzelnen Partner als vor der Börse hat“

„Ich erwarte für heuer mindestens drei renommierte Industriebetriebe, die an die Börse gehen“


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Man muss die Versorger an dieser Stelle auch mal verteidigen, vor allem der Verbund war long term ein extrem starkes Investment. By the way: Exakt vor elf Jahren haben der Nemax 50, der heute in den ewigen Jagdgründen ist, und der Nasdaq Composite, der heute bei weniger als der Hälfte von damals notiert, parallel ihre Alltime-Highs gebildet. In der Vorwoche hatten wir 5000 Tage fit-Markt. Easdaq, Neuer Markt gibt es nicht mehr, in Österreich haben wir jetzt den mid market. Wie sehen Sie diesen? Matejka: Der mid market hat das Liquiditätsproblem, dass die Investoren ihre ja rundherum auch kein Research oder so Zapotocky: Was wir wirklich brauchen, ist Entscheidung, die sie unter Umständen gibt. Hier könnte eine verstärkte ad-hoc- eine neue Begeisterung für die Finanziesehr lange vorbereiten, dann nicht in ei- Verpflichtung ein Ansatz sein. rung der Wirtschaft. Aktuell sind wir mit Der Investor darf sich nicht permanent Angstthemen befasst, es geht um die „genem Schlag exekutieren können. Es braucht da auch ein anderes Provisionie- im Vakuum fühlen. rechte Verteilung“ der Mitrungssystem für Market Maker. Der mid Lenzinger: Ich würde tel, aber nicht um die Fimarket ist bisweilen zu einem sehr op- Intercell sogar mit nanzierung der Wirtschaft. portunitätsgetrieben Kursgemetzel ver- Strabag vergleichen. Medial ist das leider kommen, das bedeutet, dass man sich da- Intercell, sehr negativ überhaupt kein Thema. Rene Berger vor schreckt. Man müsste den Handel der in den Schlagzeilen, Mir geht einfach die BeAktien auf eine andere Plattform stellen, notiert immer noch geisterung ab. Wenn wir dann schrecken sich die Investoren und deutlich über dem im Wohlstand leben woldie Company nicht so sehr. Aktuell ist lei- Emissionskurs, bei der Strabag ist das nicht len, müssen wir die hiesigen Industrieunder der Markt und nicht die Company der so. Österreich hat in manchen Segmen- ternehmen entsprechend ausstatten könAuslöser für starke Kursveränderungen. nen. Das ist die Herausforderung an die ten grosse Chancen. Zapotocky: Der mid market hat das ProPolitik. blem, dass wir es – zumindest in meiner Ist der mid market für Griffner eine Option? Matejka: Ich glaube, dass es im mid marZeit an der Börse – nicht geschafft haben, Lenzinger: Ich glaube, dass das, was das ket eine neue technische Lösung geben die Händler dafür zu begeistern. Unternehmen zu erzählen hat, wichtiger sollte. Das aktuelle PreisfindungsverfahNatürlich ist ren gehört abgeändert. Zu oft ist der Marist als der Markt. Berger: Ich glaube, dass ket Maker, wenn es gerade ernst wird, bei auch eine Intercell – ich hoffe der mid market die rich- Tisch. Das System könnte sein, dass sich und gehe auch tige Idee war. Zuletzt war z. B. mindestens zehn Marktteilnehmer stark davon aus, das Problem, dass abge- verpflichten müssen, einen Kommentar dass das Unterstrafte Unternehmen, die abzugeben. Alle müssten informiert wernehmen wieder für grössere Segmente zu den, um dann ein Statement abzugeben. Wolfgang Matejka bessere Zeiten klein geworden sind, dort Eine Mindestliquidität wäre damit abgesehen wird – gelandet ist. Das trägt sichert. nicht im mid market gelandet. Ich habe nicht zum Image bei. mit meinem Team zwei Jahre dafür geIch glaube aber ebenso, dass die Equi- Quasi ein Quote Request ... kämpft, dass es überhaupt die Wiener Bör- ty Story viel wichtiger als der Markt ist. Matejka: D’accord. Das müsste verpflichse wird. Ich hoffe, es folgen andere Bio- Williams ist im Entry Standard, nicht der tend erkennbar sein. Und dann die genetechunternehmen nach. Die richtige Han- populärste Markt. Aber wenn gemäss Cor- relle volkswirtschaftliche Grundhaltung: delsplattform und die richtige Methodik porate Governance reiner Wein einge- Die Börse ist das einzige Medium, das dermüssen für den mid market noch gefun- schenkt wird und die Zahlen passen, war- zeit noch richtig tickt, dazu noch eine ÖIAG den werden, da bin ich bei Herrn Matejka. um soll der Kurs nicht nach oben gehen? mit Beyrer. Österreich provoziert mit aktuMatejka: Diese Plattform sollte eine InIn Österreich ist es auch leider so, dass ellen politischen Positionen passive Geldformationsplattform sein, man wird durch man mit kleinen IPOs als Bank nichts ver- entnahme durch neue, sinnlose Steuern. Information ja auch am Ball gehalten. Nur dient, damit wird das eher ausgelassen. die Quartalszahlen sind zu wenig, weil es Da habe ich Verständnis für die Banken. ➤ Fortsetzung auf Seite 9

„Williams war ein Trophy-IPO“

„Für den mid market braucht es eine neue technische Lösung“


Dienstag, 15. März 2011

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Das leitet die Schlussrunde ein: In Frankfurt sind die Börseumsätze im Jänner und Februar kumuliert um ca. 14 Prozent gestiegen, in Wien sind die Volumina im ungefähr gleichen Volumen gefallen. Österreichische Broker schlagen wegen der Wertpapier-KESt schon Alarm. Ist die KESt die Begrüdung für die scharfen Volumsrückgänge in Österreich? Matejka: Es ist die Wertpapier-KESt, die die Privatinvestoren wirklich schockiert hat. In diesem Zusammenhang ist die Unsicherheit, wann sie wirklich aufgehoben wird, die brennende Frage. Richtig gehört? Die Unsicherheit, wann sie aufgehoben wird? Matejka: Ja sicher, es geht ja gar nicht anders. Sogar in gesetzgebenden Gremien ist der Terminus „patschert“ des öfteren zu hören. Ich glaube, dass wir eine An- te, werden jetzt doppelt belastet. Das ist näherung an das deutsche System be- eine europäische Gefahr, denn in Amerikommen, wobei auch in Deutschland mitt- ka, China oder dem Fernen Osten gibt es lerweile wieder volkswirtschaftliche Ver- diese Problematik nicht. Lenzinger: Österreichischs Wirtschaftsnunft einkehrt. Weiters gibt es Verunsicherung bezüg- journalisten haben heutzutages ein ganz lich der Fonds, man braucht einen Steu- geringes Wissen, was Finanzmärkte beerberater als Fondsmanager. trifft. In den Lehrplänen der Schulen wird Auf der anderen hier völlig falsch geSeite gibt es die wichtet. Wer soll da mitWahrnehmung reissen? Matejka: Die Nischender unglücklichen Kapitalerhöhuninvestorengruppe der gen und SPOs der Versicherungen hat in Versorger, die den vergangenen Jahauch die beteiligren viel mitgemacht. ten Broker in FraDie meisten sind in die ge stellt. Bonds hineingehetzt Wolfgang Matejka Zudem ist worden, weil man die Österreich ein inAktien aufgrund der ternational sehr kleiner Markt, und das 2008er-Volatilitäten nur mehr gering gewar zuletzt kein Thema. Der Trigger für wichten kann. Jetzt fährt man halt mit 180 grosse Bewegung und grosse Hebel ist im gegen die Bondmauer. Wachstum über ATX aktuell nicht zu finden. Investment geht bei Versicherungen nicht Zapotocky: Der Schock der vergangenen mehr. Eine Idee ist, die Bewertungswahlbeiden Jahre ist noch da. Langfristig aus- rechte für Aktien ähnlich der Bewergelegte Anlageprodukte haben markant tungswahlrechte für Anleihen anzusetzen. verloren. Die Befassung mit Basel III und Was dann passieren würde, ist auch nicht Solvency II löst auch grosse Zurückhal- elegant: Zwei Jahre Rocket-Börse, dann tung aus, ich weiss das zum Beispiel von Absturz. Das vorausblickende Regulativ den Versicherungen. Das ist ein Riesen- fehlt total. thema. Genau die, die man im vergangeDurch die Diskussion führte Christian Drastil nen Jahrzehnt für Aktien begeistern konn-

„Die Versicherungen haben viel mitgemacht und werden jetzt mit 180 gegen die Bondmauer gehetzt.“

Die Diskussionsteilnehmer - Rene Berger next march, hat den Investor Toto Wolff beim Williams-Börsegang beraten

- Thomas Lenzinger will im Jahr 2013 mit Griffner an die Börse gehen - Wolfgang Matejka Matejka & Partners, Investor - Stefan Zapotocky bast, Ex-Vorstand Wiener Börse


Freitag, 18. März 2011

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Talk-Format Cafe BE widmet sich dem Thema Japan und den Folgen für die Märkte

„Die Zeit des Stockpicking ist angebrochen“

Cafe BE Runde (v. l.): Klaus Glaser (Raiffeisen Capital Management), Michael Kukacka (Ringturm), Ulrich Baumann (Volksbank)

Nach Japan wurden Aktien querbeet verkauft - auch solche, die von der Situation profitieren werden. Das ist der Grundtenor der Expertenmeinungen im Cafe BE-Talk. Das Cafe BE lud zum Roundtable - Thema Japan und die Folgen. Es diskutierten: Ulrich Baumann, Fondsmanager bei Volksbank Investments, Klaus Glaser, Head of Product Management der Raiffeisen Capital Management, und Michael Kukacka, Geschäftsführer der Ringturm KAG sowie Managing Director Equities Developed Markets and Asia Emerging Markets der Erste Asset Management.

Cafe BE: Ihre erste Diagnose zu Japan? Klaus Glaser: Die Finanzwelt reagiert wie wir alle – ratlos. Mit Querbeet-Verkäufen von Risky Assets, quer über alle Branchen. Wir haben in Europa und den USA eine Schuldenkrise und in Nordafrika und im arabischen Raum eine dramatische Entwicklung. Und haben eine Diskussion, ob das Wirtschaftswachstum im Abklingen und die Inflation im Anspringen ist. In dieser Situation ist der Tsunami an den Finanzmärkten stärker ausgefallen, als wenn es nur ein Erdbeben gewesen wäre.

Michael Kukacka: Mit einem Erdbeben hätten wir umgehen können. Das mit der nuklearen Verseuchung kannten wir bisher aber so nicht. Und da oft der Vergleich mit Tschernobyl gebracht wird: Das war vor allem landwirtschaftliche Fläche, da waren keine Millionenstädte in der Nähe. Jetzt reden wir vom weltwirtschaftlich gesehen drittwichtigsten Land, das sehr hoch technisiert ist und dementsprechende Industrien hat. Wir kennen die Spätfolgen einfach noch nicht. Bei einer nuklearen Verseuchung sind ganze Landstriche über Generationen hinweg nicht mehr verwendbar. Das hätte dann Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Diese ist so aufgestellt, dass ein einzelnes Land nicht autonom sein kann. Wir sind dermassen vernetzt, dass man aufeinander angewiesen ist. Aber es wird, den Horrorfall Verstrahlung etwa von Tokio ausgeschlossen, die Phase kommen, wo man erkennt, dass die Reaktion an den Finanzmärkten doch ein bisschen übertrieben ist, aber dafür ist es jetzt noch zu früh. U l ri c h B au m a nn : Japan ist ein hochtechnologisiertes Land - nun ohne Energie, mit Lebensmittelengpässen, ohne Wasser. Das ist für uns eigentlich unvorstellbar, das kannten wir aus Afrika. Das zeigt, wie verwundbar wir alle sind. Wenn man der Krise etwas Positives ab-

gewinnen muss, dann vielleicht, dass wir einen neuen Vorstoss in Richtung erneuerbarer Energien haben. Wir erkennen, wie abhängig wir von Basisprodukten wie auch Strom sind. Da rückt eigentlich für mich komplett in den Hintergrund, ob jetzt vielleicht das Handy eine Spur teurer wird. Klau s Gl as er: Japan ist bereits vorher etwa durch die Verschuldung auf dem falschen Fuss gestanden. Die nukleare Wolke ist der Unterschied zu Kobe. Und die Schulden sind grösser als damals. Mi ch ae l K uk a ck a: Kobe 1995 kostete rund 2,5 Prozent des BIP. Jetzt gibt es Schätzungen, dass wir bei fünf, sechs Prozent landen werden. Die ohnehin bereits hohe Verschuldung wird auch entsprechend steigen. Bisher dachte man, dass Japan von derzeit etwa 210 Prozent in den nächsten Jahren auf 250 Prozent des BIP kommen wird. Jetzt werden es eher 300 Prozent sein. Klaus Glas er: Tschernobyl war ein bisserl wie die gelbe Karte im Fussball, jetzt sehen wir gelb-rot. Ich denke, dass es jetzt ein Umdenken Richtung Nachhaltigkeitsthemen geben wird und glaube, dass man gewissen Technologien gegenüber sehr kritisch sein wird. Dass man erkennt, dass manche Technologien ökonomisch vielleicht doch teuer sind. Die Finanzwelt muss das unterstützen, indem sie gewis-


Freitag, 18. März 2011

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➤ Fortsetzung von Seite 4 sen Technologien freundlich gegenübersteht.

Also alles in Solarwerte investieren? Klaus Glas er: Ich würde nicht nur in regenerative Energien gehen, da gibt es auch genug Betrügereien und es wird Schindluder getrieben. Aber wir müssen weg von der Kernenergie und vom Verbrennen von Erdölderivaten. Der Rohstoff ist dafür eigentlich viel zu wertvoll. Michael Kukacka: Regenerative Energiewerte sind zuletzt deutlich angesprungen. Die Frage ist aber, wie nachhaltig diese Entwicklung ist. Leider ist es schwer zu glauben, dass jetzt der Wechsel stattfindet. In einiger Zeit wird wieder das ökonomische Argument kommen, dass Atomenergie günstiger ist - weil man keine Gesamtkostenrechnung macht. Seit Tschernobyl hat sich auch nichts verändert – wir haben heute so viele Atomkraftwerke wie noch nie. Wir müssen aber auch sehen, dass Atomkraftwerke kein CO 2 ausstossen. Ohne Atomkraftwerke muss ich die Zertifikate kaufen, das ist Geld - Geld, das ich heute sehe; Atommüll sehe ich immer erst in der Folge. Jedem Konsument muss klar sein, dass regenerative Energie kostet und der Strompreis teurer wird. Ulrich Baumann: Wenn man den Energiebedarf sieht und die CO2-Problematik, führt heute wahrscheinlich, und ich sage leider, noch kein Weg an Atomkraft vorbei. Michael Kukacka: Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, wenn wir in den Emerging Markets Wachstumsraten von sechs und mehr Prozent haben und auch sehen wollen, dann gibt es zusätzlichen Energiebedarf. Dazu kommt dort noch die Land-Stadt-Wanderung, die ebenfalls zu einem erhöhten Energiebedarf führt. Allein um das abzudecken, werden bereits neue Kapazitäten benötigt. Ulrich Baumann: Die Frage ist aber auch: Brauchen wir, und jetzt meine ich vor allem den Westen, überhaupt immer so viel? Alles ist günstig, also gehen wir nicht ressourcenschonend damit um - wir haben keine Achtung mehr davor. Wir werfen 30 Prozent der Lebensmittel weg. Wir

Cafe BE hat im Showroom von Griffner Haus seinen Platz gefunden (im Bild: die Diskutanten Glaser, Kukacka, Baumann - von links) suchen nach neuen Energien, statt mit den alten bewusst umzugehen. Es wird wie nach jeder Krise sein: Ein kurzer Schock, ein kurzes Nachdenken, und dann machen wir weiter wie bisher. Es sollte nicht nur die Frage sein, wie nachhaltig wir im Angebot sind, sondern auch in der Nachfrage. Klaus Glaser: Ich stimme zu, Energie ist viel zu billig und darum sind wir zu gierig und gehen damit nicht sorgsam um. Energiesparen wird aber nur kommen, wenn die Energie sehr, sehr teuer geworden ist.

Ist die Reaktion an den Aktienmärkten in Summe übertrieben? Michael Kukacka: Wenn die Lage in Japan nicht schlimmer wird als jetzt, ist die Reaktion vor allem an den europäischen und amerikanischen Märkten sicher übertrieben. Sollte allerdings der Grossraum Tokio als wichtiges Finanzzentrum richtig betroffen sein, dann wird das entsprechende Auswirkungen auf die Märkte haben. Das gilt dann nicht nur für Japan. An sich ist die japanische Industrie aber sehr stark im Ausland investiert. Daher wird die Belastung für die Unternehmen zu negativ gesehen. Ulrich Baumann: Japan hat vor fünf Jahren etwa 25 Prozent der Gewinne ausserhalb des Landes erzielt, heute sind es 35 Prozent. Klaus Glaser: Wenn wir die Situation global betrachten, wurde top-down verkauft, Risikoabbau betrieben. Wir sind im Gebot der Stunde der RiskManager, Risiko zu reduzieren. Dabei

werden Dinge gemacht, die in der Breite verständlich sind, auf Einzeltitelebene aber nicht – abverkauft werden auch Unternehmen, die von Japan gar nicht betroffen sind, oder vielleicht sogar profitieren. Wer ab heute risky assets reduziert, der kommt aber zu spät. Wenn wir über die nächsten Wochen hinausschauen, muss man sich überlegen, was macht man mit seinem Geld? Am Geldmarkt bleiben, oder wieder in riskantere Assets gehen? Ulrich Baumann: Geldmarkt und Bonds sind angesichts steigender Inflation zunehmend unattraktiv. Da ist die Aktie interessant. Von der Dynamik her ist die Story in Südostasien intakt – wenn nicht jetzt, wann dort dann? Klaus Glaser: Wer Angst vor Inflation hat und noch nichts getan hat, hat jetzt die Chance, die Duration zu verringern, da die Staatsanleihenkurse mit Japan teils deutlich gestiegen sind.

Bauunternehmen gelten so ein bisserl wie die sichere Bank unter den Gewinnern ... Michael Kukacka: Sektoren, die profitieren, sind sicher Baufirmen. Das muss man sich aber gezielt ansehen. Wer an den Wiederaufbau glaubt, für den sind Spezialangebote wie Infrastruktur-Titel sicher empfehlenswert. Es gibt aber auch grosse Weltkonzerne, die bisher Konkurrenten unserer Unternehmen waren und jetzt Probleme haben. Das werden unsere Konzerne teils nutzen können. Ich würde daher auch nicht auf ein globale oder europäische Fonds vergessen.


Freitag, 18. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE „Ich würde nicht nur in regenerative Energien gehen, da gibt es auch genug Betrügereien und es wird Schindluder getrieben.“ Klaus Glaser Raiffeisen

Die sind mitgefallen und wir sind ja eigentlich alle der Meinung, das zumeist zu Unrecht. Ulrich Baumann: Das gilt ähnlich für den südostasiatischen Raum auch, wo zerstörte japanische Kapazitäten übernommen werden können. Es gibt aber auch Sachen, die gibt es eben nur in Japan. Der Anleger muss also genau unterscheiden können, welche Produkte substituierbar sind, und welche nicht. Ein knappes Drittel des iPhone ist mit japanischen Teilen bestückt. DRAM-Preise sind auch bereits sehr stark angestiegen.

Gibt es in Südost-Asien so einen typischen Outsourcing-Gewinner? U lrich Bau mann: Als Japaner, der outsourcen will, würde ich nach Thailand gehen. Es ist politisch relativ stabil, Infrastruktur ist da und die Löhne wachsen nicht so schnell wie in China. Dazu gibt es riesige Industrie-Farmen. Wie beurteilen Sie Japans Börse? Ulrich Baumann: Wenn Märkte in eine Richtung gehen, und es gibt eine Naturkatastrophe – ich schliesse da jetzt den nuklearen Ernstfall aus -, gibt es einen kurzen Rücksetzer, dann geht es in der alten Richtung weiter. Das stimmt mich für Japan positiv. Denn Japan ist seit Oktober in einem Aufwärtstrend. Bei Kobe hatten wir einen Abwärtstrend, es blieb auch dabei. Naturkatastrophen sind tendenziell ein kurzer Störfaktor, dann geht es im alten Trend weiter. Und trotz aller Verschuldung: Japan ist der weltgrösste Gläubiger, hat fast nur Inlandsschulden. Die meisten Unternehmen haben 25 Prozent Cash in den Büchern, da gibt es keinen grossen Leverage

– die Unternehmen sind eigentlich attraktiv. Viele notieren unter Buchwert. Es ist eine Einstiegschance. Michael Kukacka: Von den Bewertungen spricht vieles für Aktien im Allgemeinen. Wir sind aber in einer Marktphase, da zählen fundamentale Faktoren nicht. Ich erwarte, dass Japan in nächster Zeit ein Underperfomer sein wird. Auch, dass die Volatilität hoch bleibt und das ist etwas, was der Privatanleger nicht sehr schätzt. An der Seitenlinie zu stehen, kann also auch seine Vorteile haben, den idealen Einstiegszeitunkt erwischt man aber ohnehin nie. Es werden sich Gelegenheiten ergeben, aber noch ist es zu früh. Klaus Glaser: Die Händler bei uns, die sich mit Einzeltitel beschäftigen - und das gilt nicht nur für Japan -, haben derzeit leuchtende Augen: Endlich kann ich

„Wir sind in einer Marktphase, in der fundamentale Faktoren nicht zählen. Ich erwarte, dass Japan in nächster Zeit ein Underperfomer sein wird.“ Michael Kukacka, Ringturm

meine Ideen umsetzen, sagen sie – die Titel waren vorher schon günstig, jetzt noch mehr. Vielleicht kauft man noch zu früh, aber es ist eine Chance da. Für Stockpicker ist jetzt eine gute Chance. Vieles war übertrieben. Die Panikprämie ist bereits erledigt. Wer längerfristig denkt, kann zu einen Asien-/Pazifik-Aktienfonds greifen. Kostolany hat gesagt: „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“ - aber man darf natürlich nicht alles blind kaufen. Ulrich Baumann: Das sehe ich auch so - es ist Stockpicking-Zeit, da alles mit dem Bade ausgeschüttet wurde. Baufirmen sind der einfache Weg, aber der Hype ging mir etwas zu schnell, da wäre ich vorsichtig. Es gibt Lebensmittelproduzenten, die nur in Osaka tätig sind und eigentlich gar nicht betroffen, aber jetzt 30

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Prozent günstiger sind. Ich würde sagen, es ist ein Eldorado für Stockpicker. Klaus Glaser: Die Asset Manager, die sagen: Risiko abbauen, werden auch wieder aufbauen und trommeln, da hat der Stockpicker seine Idee bereits umgesetzt. Nicht immer ist die Idee natürlich eine gute, man muss einfach diversifizieren, muss seine Kühnheit durch Diversifikation auch etwas bremsen. Und ich würde mich nicht nur auf Japan beschränken. Denn es ist nicht so, dass eine solche Katastrophe die Weltwirtschaft umdreht. Die generelle Story ist intakt, dass Aktien mittelfristig eine gute Performance zeigen werden.

Was sorgt Sie abseits von Japan? Klaus Glas er: Wir haben Nordafrika und den arabischen Raum wegen Japan übersehen. In Japan sind die Explosionen hoffentlich bereits erfolgt – im arabischen Raum ist der Druckdeckel grossteils noch zu, könnte aber auch wegfliegen. Die starke Ölabhängigkeit der westlichen Wirtschaft dürfen wir nicht vom Tisch wischen. Irgendwann wird es in Saudiarabien hochkommen, das ist der Öllieferant der Amerikaner. Da werden wir dann sehen, wie reagiert wird. Fällt mit Japan jetzt eigentlich ein wichtiger Finanzier der westlichen Schuldenpolitik weg? Michael Kukacka: Japan ist ein wichtiger Finanzier, vor allem der USA - grosse Auswirkungen sehe ich da aber nicht. Was aber klar ist: Alles, was in Japan gerade passiert, ist inflationstreibend, gibt einen zusätzlichen Schub zur ohnehin bereits gesehenen Tendenz. Das Gespräch führte Robert Gillinger.

„Es sollte nicht nur die Frage sein, wie nachhaltig wir im Angebot sind, sondern auch in der Nachfrage“ Ulrich Baumann, Volksbank


Dienstag, 29. März 2011

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Cafe BE: Medienrunde zur Wiener Börse und zur Suche nach „neuen“ Privatanlegern

„Schreiben wir alle ausschliesslich für Profis?“

Im Cafe BE (v. li.): Marius Perger (Börsen-Kurier), Michael Müller (Finanzberaterforum), Christian Drastil (BE), Hans-Jörg Bruckberger (WirtschaftsBlatt), Snezana Jovic (geld magazin)

Die Aufbruchsstimmung aus der Schüssel-Ära ist einer börsefeindlichen Grundhaltung gewichen. Die Finanzmedien müssen umdenken. Cafe BE: Was sind bei Ihren Lesern aktuell die grossen Themen? Marius Perger: Bei uns sind es ganz massiv Fragen rund um die Vorsorge, erfreulicherweise wird das auch von jungen Lesern nachgefragt. Parallel dazu nimmt das Interesse an Derivaten und Zertifikaten zu, während der klassische Fonds vielen Leuten vielleicht etwas zu fad wurde. Wer heute eine Finanzzeitung liest, muss jemand sein, der sich aktiv mit der Geldanlage beschäftigt. Der Sparer braucht das nicht, der Fondsbesitzer auch nicht. Michael Müller: Das Wissen über Kapitalanlage ist in Österreich - auch bei Banken und Beratern - im internationalen Vergleich wohl eher unterdurchschnittlich. Die so gross in Verruf geratenen Vertrie-

be mit drei Buchstaben sind ausbildungsmässig manchmal über einem angestellten Bankmitarbeiter in den Bundesländern. Es ist aber da wie dort eine produkt- sowie einkommensgetriebene Beratung. Ich sehe bei den österreichischen KAGs nur ein bis zwei Player, die wirklich gut informieren. Snezana Jovic: Ein Finanzdienstleister verkauft österreichische Versicherungs-Produkte, vielleicht die eine oder andere internationale Versicherung, dazu ausländische Fonds. Alles andere macht ja sowieso der österreichische Bankenvertrieb. Zur Frage, wofür sich die geld magazin-Leser interessieren: Das sind aktuell etwa volkswirtschaftliche Trends oder Dinge rund um Emerging Markets oder Rohstoffinvestments, das Ganze auf hohem Niveau. Müller: Altersarmut wird zum grossen Thema, die droht vielen. Nahezu alle österreichischen Versicherungen haben in der Vorsorge leider versagt, z. B. durch Ausstoppen der Garantieprodukte, die Leute

sind jetzt in Zerobonds investiert. Das ist in den österreichischen Printmedien tabu, weil Versicherungen ja heilige Kühe sind, welche die Medien füttern. Hans-Jörg Bruckberger: Ja, da gibt es leider immer noch relativ hohe Gebührenintransparenz. Themen im WirtschaftsBlatt sind neben Börse Wien-Dingen Beiträge über Rohstoffe, wir haben das ja eigentlich schon in Zeiten gemacht, als man noch gar nicht wirklich in Rohstoffe investieren konnte. Wenn wir irgendeinen Rohstoff - und sei es noch so ein exotischer aus dem Kursteil nehmen, hagelt es Anrufe. Da melden sich bisweilen auch Landwirte. Emerging Markets-Berichte kommen auch gut an, dazu „grüne“, nachhaltige Investments. Mül le r: Wie geht es Euren Lesern mit ETFs? Perger: Erst am Beginn, manche Leser fragen, ob man das in Österreich überhaupt kaufen kann. ➤ Fortsetzung auf Seite 4


Dienstag, 29. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE Herr Müller, was sind aktuell die Jovic: Das Interesse ist schon da, wir ma- grossen Themen in chen bereits zum 4. Mal einen ETF-Kon- der Finanzberagress, das betrifft aber hauptsächlich den tung? institutionellen Bereich. Ich glaube, wir al- Müller: Früher wale sind auch nicht mehr wirklich Medien ren es Investments, für den Privatkonsumenten, sondern für Finanzierungen Gutinformierte. und Vorsorge. Perger: Ich glaube auch, dass Finanzme- Finanzierungen dien sich immer stärker an eine Schicht sind weggebroder Financial Professionals richten. Aber chen, weil die in jedem Unternehmen muss es ja min- Fremdwährungsdestens eine Person geben, die sich in sol- kredite nicht mehr chen Dingen auskennt und die Informa- attraktiv sind. Es tionen braucht: Stiftungen, Family Offices gibt nur mehr ganz und so. Wer hingegen die Zukunftsvor- wenige, die das sorge gekauft hat, ist ja eigentlich vom Ty- tun. Und hier sprepus her nicht ein Aktionär, sondern hat che ich von einem ein Produkt, das wie Bausparen klingt, ge- wichtigen Einkommenstreiber kauft. Müller: Er hat es nicht gekauft, es wurde für Finanzberater, hier gab es früher ihm verkauft ... Bruckberger: Finanzjournalisten müssen viel Volumen. da sicher auch viel mehr querdenken. Im- Auch der Investmentbereich ist weitgemofinanz & Co. wurden ja auch von den hend weggebrochen, kraft des mangelnden Vertrauens von Kunden in den InMedien gemacht. Jovic: Aber das vestmentbereich ganz allgemein. WirtschaftsDas Thema VorBlatt hat ja sorge ist nicht zudurchaus vor letzt dank der Immofinanz neuen Wertpagewarnt. Bruckberger: pier-KESt am Wichtigsten, hier Haben wir ... wurden DirektinOder als anvestments im Verderes Beispiel gleich etwa zu Japan jetzt mit Versicherungsder weltweiten produkten unatPanikmache traktiver gemacht. und Hysterie, Die kreativere Verwas zu einem sicherungsinduzu starken Absturz geführt strie profitiert, z. B. hat. Fondsgebundene, Wir haben günstige Versidann eine Cocherungsmäntel. verstory mit Darauf haben „ruhig bleiben sich die Berater Michael Müller bzw. kaufen“ spezialisiert. gemacht, was aus heutiger Sicht richtig Der Bereich der Portfoliogestionierung war. wurde viel kleiner, ist aber noch da. Aber wenn in den ZiBs unreflektiert der Es gibt noch immer einige gute VermöAbsturz der Märkte gezeigt wird, ist das gensverwalter, das grosse Thema ist aber natürlich stärker. die Vorsorge.

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„In jedem Unternehmen muss es mindestens eine Person geben, die sich in Finanzfragen auskennt“

„Nahezu alle österreichischen Versicherungen haben in der Vorsorge versagt“

Marius Perger

Was erwarten sich Finanzmedien von der Wiener Börse? Bruckberger: Wir sitzen natürlich mit der Wiener Börse in einem Boot, wir sind die ersten, die von einer guten Grundstimmung profitieren. Und auch redaktionell: Wenn man nur über DAX & Co. schreibt, kann man auch das Handelsblatt kaufen. Umso trauriger ist es derzeit, weil der Kurszettel ausdünnt. Ich wünsche mir als Medienmacher, dass die Börsevorstände mehr die Werbetrommel für die gemeinsame Sache rühren. Als Finanzmarktmedium wünscht man sich auch mehr Support für redaktionelle Serien oder Ähnliches. Jovic: Ich muss sagen, ich bin enttäuscht, was die Wiener Börse betrifft. Wir haben mit dem geld magazin die Wiener Börse viele Jahre lang unterstützt, aber es kommt nichts zurück, ich habe mich daran gewöhnt. Bruckberger: Mir gefällt, was Stuttgart tut, dort wurden gute Nischen gefunden, beispielsweise für Zertifikate. Perger: Wenn Sie vor 20 Jahren zur Bank gegangen sind, und gesagt haben, Sie brauchen Geld, lautete die Antwort „da haben wir einen geförderten Kredit“, dazu gibt es für Anleger „geförderte Sparbücher“. Wir haben einfach nach wie vor ein kapital➤ Fortsetzung auf Seite 5


Dienstag, 29. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 4

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das Web, es stellt sich immer mehr die Frage, wie sehr die Wiener Börse die klassischen Kanäle noch braucht ...

marktfeindliches Umfeld. Ich habe z. B. vor einem halben Jahr mit dem Börsevorstand Michael Buhl gesprochen, er solle doch etwas gegen die Wertpapiersteuer tun. Doch er signalisierte, dass er da nichts ausrichten kann. Im Grunde gab es nur einmal in der 2. Republik ein kapital- Stichwort „braumarktfreundliches Klima, das war unter chen“: Was braucht Schüssel und Grasser. Wien ist von Hoch es von politischer zu Hoch geklettert und das bei einem Richtung? DAX, der sehr unter Druck war. Damals Bruck be rger: Die hat man sich politisch hinter den Kapi- Geschichte rund talmarkt gestellt. Es kamen die richtigen um den „bösen Signale, und damit meine ich nicht die Zu- Spekulanten“ gekunftsvorsorge, die ich aus heutiger Sicht hört beendet. als Fehlprodukt betrachte und die auch Der Österreicher ist in den Umsätzen der Wiener Börse nie ei- dafür besonders ne Bedeutung hatte. empfänglich und Bruckberger: Damals waren wir auf einem die Regierung spielt guten Weg, der Börsevorstand Zapotocky das Thema auch sehr aggressiv. Unter war laufend im ORF präsent, so kann et- Schüssel war das ganz anders, dem stimme ich zu. was kann dann Pe rger: Ein Aktionär auch zum Selbstläufer werden, das wird niemals als Eiwar positiv besetzt. genkapitalgeber oder Perger: Zapotocky als Unternehmer betrachtet, er wird auf den hat im Alleingang Spekulanten reduziert. sehr viel erreicht, Ich glaube, der Börsenda muss ich zuKurier kann von sich stimmen. Der hat behaupten, die Anleger mehr gebracht als ein wenig zu kennen: Jim Rogers in den Da sind nur wenige Achtzigern. Nun Spekulanten dabei. sind wir wieder in ein eigenkapitalfeindliches Klima Herr Müller, eine Frazurückgefallen. ge an den FinanzberaJovic: Die Frage ist, ter-Experten. Welche was können wir als Berührungspunkte haMedium tun? Wie ben die Finanzberater können wir z. B. als mit der Wiener Börse? geld magazin die Gibt es ausserhalb der Wiener Börse unbörsenotierten Immoterstützen, ohne bilienaktien noch etvon der Wiener was? Müller: Nein, ich sehe Börse unterstützt zu werden. ausserhalb der ImmoPerger: Am Wichbilienaktien keine BeHans-Jörg Bruckberger tigsten sind die gezugspunkte. Die Thelisteten Unternehmen. Zu einem Finanz- men werden woanders gesucht: Gold, platz gehört ja viel mehr als die Wiener Emerging Markets, aber nicht die Wiener Börse. Es spielt sich viel Over-the- Börse. Das Beispiel Immobilienaktien ist Counter ab, es läuft viel Information über ein gutes. Ich kann das Jammern ja ei-

„Volkswirtschaftliches, Emerging Markets, Rohstoffe - das wollen die Leser“

„Osteuropa? Der Hype ist vorbei, die Wachstumsstory aber noch lange nicht“

Snezana Jovic

gentlich nicht mehr hören. Hier wurde von Produzenten ein Nachfragemarkt erzeugt, der eine Zeit lang funktioniert hat. Der Markt ist das einzige Korrektiv. Ich glaube, es bringt nichts, wenn man sich Märkte schönredet. Perger: Ein wichtiger Gedanke. Wir haben als Medien die Pflicht, unseren Lesern Anlagemöglichkeiten vorzustellen. Wenn ich mir die Wiener Börse anschaue, so ist die Auswahl gering geworden. Trotz steigender Notierungen stagniert die Marktkapitalisierung, weil Unternehmen den Börseplatz verlassen. Man muss es sich eingestehen: Wien ist derzeit offenbar als Börseplatz nicht attraktiv. Einige Unternehmen haben zwar gut performt, aber der Gesamtmarkt enttäuscht. Und das ist wiederum nicht nur auf die Wiener Börse, sondern auch auf einige Unternehmen zurückzuführen, die enttäuscht haben: eine Immofinanz, eine Meinl European Land oder aktuell eine A-Tec, JoWooD oder S&T. Viele davon waren echte Publikumsfirmen, da waren massiv Privatanleger investiert. Und der Privatanleger ist jetzt sauer, wütend und resigniert. Viele werden nie mehr Aktien angreifen. Bruckberger: Leider gibt es im Vergleich zur Grösse des Marktes viele schwarze Schafe. Jovic: Ich bin überzeugt, dass der Privat➤ Fortsetzung auf Seite 6


Dienstag, 29. März 2011

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am Exposure in Osteuropa. Die Liebe der österreichischen Anleger zu diesen Themen sehe ich noch nicht. Ich glaube, die anleger auch wieder rasch zurückkommen Fantasie ist eher eine für österreichische kann. Wenn die Sicherheit suggeriert wird, Unternehmen im Osten, weniger für Andass alles wieder läuft, kommt der Privatleger und Börseplätze. Die Börsen sind ja anleger zurück. Perger: Der Prozentsatz an Leuten, die Aksehr klein, IPOs gibt es auch dort keine. Ich sehe auch ein totales Manko an intien halten, ist halt leider in Österreich teressanten Unternehmen, was die Börsehr, sehr klein. Bruckberger: ... erschütternd wenig im insen betrifft. Als Markt für österreichische Unternehmen sind die Länder interessant. ternationalen Vergleich. Die Österreicher J ovi c: Bei uns sind Sparer. Perger: Was die Wiesind osteuropäische Börsen kein ner Börse sehr gut Thema, internagemacht hat, ist die tionale LeitmärkAkquise von interte sehr wohl. Als nationalen HandelsMonatsmagazin teilnehmern, da fehlt muss man auch von den grossen Naanders denken, men niemand. wir schauen eher, dass wir mit den Die inländischen grossen HinterVersicherungen sind grundthemen hingegen weitgehend kommen. weggefallen, Themen Bruckberger: Tawie Solvency II, Basel III oder Bilanziegeszeitungen werrungsrichtlinien maden auch immer chen die Aktiensaanalytischer in che sehr schwierig. der Konkurrenz Themenwechsel: An zu den elektronieiner Börse sind ja schen Medien. nicht nur Aktien geWir haben Ostlistet, Stuttgart wureuropa-Berichterde als Zertifikatestattung durchaus börse genannt. als Schwerpunkt, Finanzmedienrunde im Cafe BE (v. li.): M. Perger (Börsen-Kurier), S. Jovic Welche Nische se- (geld magazin) H.-J. Bruckberger (WirtschaftsBlatt), M. Müller (Finanzberaterforum) ich glaube, dass hen Sie für die Wiedie Story noch ner Börse? nicht zu Ende ist. Der Hype ist vorbei, die Perger: Der Kapitalmarktbeauftragte Ri- im Aufschwung nicht mehr dabei. Einer- Wachstumsstory bleibt intakt. chard Schenz ist ganz massiv hinter der seits waren es Pleiten, Pech und Pannen, Idee der „Aktien für Startups“, der Idee andererseits – vielleicht noch schlimmer Und wo sehen die Medienkollegen den „Venture-Capital-Vehikel für die Börse“ – die vielen Squeeze-Outs. Schade um das ATX zum Jahresende? gestanden, daraus wurde leider nichts. Das Verschwinden der Constantia, dann das Perger: Fundamental bei ca. 3200 bis 3300 hätte ich als Chance für die Wiener Bör- grosse Zusammenlegen bei den Immo- Punkten, aber es können – wie wir wissen se gesehen, auch in Richtung Osteuropa. werten. Oder das Verschwinden der Bank – immer Dinge passieren, die nicht vorMüller: Wenn das Wort „Venture Capital“ Austria. Das war eine Katastrophe. hersehbar waren. Jovic: Alles ist möglich, das ist nicht wirkin Richtung FMA oder Politik fällt, ist sowieso gleich alles aus, Stichwort „Heu- Stichwort Ostbörsen. Interessieren sich die lich greifbar aktuell. Bruck berge r: Ich bin optimistisch, die schrecken“. Leser dafür? Perger: Aber wo wäre Microsoft, wo – um Perger: Das ist gespalten zu betrachten. Charttechnik signalisiert Aufwärtstrends. ein anderes Beispiel zu bringen – Body- Einerseits gibt es Ängste vor dem Osten - Fundamental sehe ich ähnliche ATX-Reshop, wenn nicht irgendjemand diesen Fir- im Bereich der Börse, im Bereich der Ar- gionen wie Herr Perger. Diskussionsleiter: Christian Drastil men Geld in die Hand gedrückt hätte. beitsplätze. Dass Wien in den vergangeJovi c: Der Finanzmarkt ist ja durchaus nen Jahren so abgestraft wurde, lag auch Fotos: Franz-Josef Galuschka ➤ Fortsetzung von Seite 5

kreativ, ich bin überzeugt, es werden neue Ideen, neue Produkte kommen. Ob jetzt das Wort kreativ rein positiv besetzt sein muss, stelle ich in den Raum. Bru ck be rger: Ich bin eigentlich optimistisch, dass wieder bessere Zeiten kommen. Perger: Mich sorgt lediglich der markante Rückgang der gelisteten Unternehmen im Prime Market, das gibt es an keiner anderen Börse. Die sind dann natürlich auch


Mittwoch, 30. März 2011

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Talk-Format Cafe BE widmet sich der Immofinanz, Hedging und Knock-Outs

„Wir spekulieren nicht gegen eigene Kunden“

Cafe BE Runde (v. l.): Philipp Arnold (RCB Zertifikate), Thomas Dietrich (RCB Handel), Michael J. Plos (Börse Express)

Am 11. März ist der Kurs von Immofinanz in den ersten Minuten nach der Handelseröffnung auf 2,8 Euro gefallen. Das hatte Knock-Outs und KundenÄrger zur Folge. Das Cafe BE lud zum Roundtable Thema Immofinanz, Knock-Outs und Hedging. Es diskutierten: Philipp Arnold, Zertifikate-Experte der Raiffeisen Centrobank, Thomas Dietrich, Trading Equities & Derivates Raiffeisen Centrobank, und Michael J. Plos, Börse Express.

Cafe BE: Am 11. März 2011 ist die Aktie von Immofinanz innerhalb weniger Minuten auf exakt 2,8 Euro gefallen. Das hatte für Besitzer bestimmter Knock Out-Zertifikate zur Folge, dass das Knock OutErgebnis eintrat. Was sagen Sie einem Anleger, der sagt: „So eine Punktlandung kann kein Zufall sein?“ Philipp Arnold: Am 11. März 2011 ist die Immofinanz in den ersten Minuten nach Handelseröffnung von 3,044 bis auf 2,8 Euro gefallen. Dies hatte zur Folge, dass insgesamt 12 Turbo Long-Zertifikate, davon zwei der RCB, auf Immofinanz ausgeknockt wurden. Die K.O.-Schwellen lagen jedoch nur bei einem Turbo-Zerti-

fikat, einem der Konkurrenz bei genau 2,8 Euro. Alle anderen Produkte wurden schon früher ausgeknockt.

Nur ein zufriedener Kunde mit Veranlagungskapital wird wieder in unsere Produkte investieren.

Cafe BE: Können Sie die ersten Handelsminuten aus Sicht des Händlers erklären? Thomas Dietrich: Nach der zum Schlusskurs des Vortages schwächeren Eröffnung fiel der Aktienkurs rasch in Richtung 3 Euro. Bei dieser Marke wurden offensichtlich einige grössere Stopp Loss Verkaufs-Orders ausgelöst. Dadurch beschleunigte sich der Kursverfall, bis die Aktie aufgrund der starken Kursbewegung in eine von der Wiener Börse automatisch ausgelöste Volatilitätsunterbrechung ging. Nach zweiminütiger Unterbrechung wurde der Handel mit einer Auktion unmittelbar im Bereich des Tagestiefs bei 2,8 Euro fortgesetzt. Sogar wir als professionelle Marktteilnehmer wurden von der Heftigkeit des Kursverfalls überrascht.

Cafe BE: Bevor wir zum Thema Hedging kommen. Wie verdient die Bank mit diesen Turbo-Zertifikaten Geld? Ein Knock Out bringt ja offensichtlich kein Geld ... Philipp Arnold: Die Bank verdient bei Turbo-Zertifikaten einerseits am Spread, also der Differenz zwischen Geld- und Briefkurs, und andererseits von der Zinsmarge, die auf die Finanzierungskosten aufgeschlagen wird.

Cafe BE: Ein mögliches Motiv für einen Knock Out wäre, wenn der Emittent hiervon profitieren würde. Frage: Profitiert die Raiffeisen Centrobank davon, wenn Zertifikate ausgeknockt werden? Philipp Arnold: Nein, ganz im Gegenteil. Da die RCB nicht gegen den Kunden spekuliert, sondern sich absichert, ist es in unserem Interesse, dass der Kunde mit den Produkten Geld verdient und nicht verliert.

Cafe BE: Thema Hedging: Mit welchen Instrumenten und in welchem Umfang werden Zertifikate gehedged? Wird immer ein voller Hedge angestrebt? Wer ist die Counterparty? Ist Marktneutralität immer das Primärziel? Philipp Arnold: Bei Turbo Long-Zertifikaten ist die Absicherung sehr einfach. Turbo Long-Zertifikate gehen eins zu eins mit dem Basiswert mit, also steigt die Aktie beispielsweise um 2,5 Euro, so steigt auch das Turbo-Zertifikat um den gleichen Betrag. Der Hebeleffekt entsteht ja nur dadurch, dass der Anleger einen Teil seines Investments, nämlich bis zum Strike des Turbo-Zertifikates, von der Bank vorfinan➤ Fortsetzung auf Seite 5


Mittwoch, 30. März 2011

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➤ Fortsetzung von Seite 4 ziert bekommt. Folglich ist auch das Absicherungsgeschäft für die Bank simpel: Wenn ein Anleger ein Turbo Long-Zertifikat kauft, sichert sich unser Händler ab, indem er eins zu eins den Basiswert, im Falle der Immofinanz-Turbos also die Immofinanz-Aktie, über die Börse kauft. Thom as D i et rich: Prinzipiell wird eine marktneutrale Position angestrebt. Das heisst, alle Kundengeschäfte werden möglichst rasch durch ein Aktiengeschäft abgesichert. Als Produkthändler sind wir bestrebt, keine eigenen Marktmeinungen in das Absichern von Kundenaufträgen einfliessen zu lassen.

Cafe BE: Was passiert konkret bei einem Knock Out? Was passiert für Anleger, was passiert innerhalb der Bank? Philipp Arnold: Die meisten Händler betreuen einige hundert Zertifikate, d. h. sie können natürlich nicht jedes einzelne Zertifikat laufend beobachten. Berührt also ein Basiswert die Barriere eines TurboZertifikates, so „schlägt der Computer des jeweiligen Händlers Alarm“. Das klingt spannender als es ist, in der Praxis ertönt einfach ein kurzes Signal. Der Händler ist nun informiert, dass ein Turbo-Zertifikat ausgeknockt wurde und er sein Absicherungsgeschäft auflösen muss. Bei der Auflösung des Absicherungsgeschäftes wird von RCB so „marktschonend“ wie möglich vorgegangen: Angenommen ein Turbo-Zertifikat mit einem ausstehenden Volumen von 100.000 Stück wird ausgeknockt: Zu diesem Zeitpunkt muss der Händler sein Absicherungsgeschäft (100.000 Aktien) auflösen und die Aktien über die Börse verkaufen. Um den Aktienkurs nicht weiter unter Druck zu bringen, wird er die 100.000 Aktien nicht mit einer einzigen „Bestens-Verkaufsorder“ in den Markt stellen, sondern auf mehrere Tranchen aufteilen. Thomas Dietrich: Somit war es im Fall des Immofinanz-Turbos, die Barriere lag bei 2,82 Euro, bedingt durch den sehr raschen Wiederanstieg des Basiswertes auch möglich, den Kunden einen deutlich höheren Restwert für dieses Turbo-Zertifikat abzumelden und automatisch auf ihren Konten gutzuschreiben.

Cafe BE hat im Showroom von Griffner Haus seinen Platz gefunden (im Bild: die Diskutanten Arnold, Dietrich, Plos - von links)

Cafe BE: Die Raiffeisen Centrobank tritt als Market Maker für Immofinanz auf. Sehen Sie hier einen Interessenskonflikt, in Anbetracht der Tatsache, dass man gleichzeitig auch als Zertifikate-Emittent tätig ist? Thomas Dietrich: Nein, wir sehen die jahrelange Market Maker-Erfahrung an der Wiener Börse als grossen Vorteil in punkto Kenntnisse der Liquidität und Eigenheiten des heimischen Marktes. Aus diesem Grund werden nur so viele Zertifikate aufgelegt und verkauft, wie es die Liquidität des zugrundeliegenden Basiswerts zulässt. So wurden zum Beispiel in der Vergangenheit in einem anderen Turbo Long-Zertifikat auf die Immofinanz keine weiteren Briefkurse gestellt, da ein vernünftiges Absichern sonst nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Geldkurse werden selbstverständlich fortlaufend gestellt, damit der Anleger das Zertifikat wieder an die RCB verkaufen kann. Cafe BE: Welchen Regularien ist die Raiffeisen Centrobank unterworfen? Philipp Arnold: Die RCB unterliegt den Regularien des jeweiligen Handelsplatzes, welche bei österreichischen Basiswerten mehrheitlich Wien, Stuttgart und Frankfurt sind. Für die Einhaltung dieser Regularien sind die jeweiligen Börseaufsichtsbehörden verantwortlich. Generell verhindern die einschlägigen für Banken geltenden Organisationsvorschriften klar eine Beeinflussung des Kursverlaufs des jeweiligen Basiswerts. Cafe BE: Warum wurde am 11. März in den ersten 15 Minuten nach Börseneröffnung kein einziger Marktkurs gestellt?

Thomas Dietrich: Der Handel für österreichische Aktien, die im Prime Market, also dem Top-Aktiensegment der Wiener Börse gelistet sind, startet nach der Eröffnungsauktion um ca. 9 Uhr. Da in vielen Fällen in den ersten Handelsminuten keine ausreichende Liquidität im Aktienmarkt gegeben ist, werden RCB-Zertifikate auf österreichische Basiswerte analog zu den Handelszeiten des Zertifikate-Segments an der Wiener Börse ab 9:15 Uhr fortlaufend quotiert.

Cafe BE: Was geben Sie Anlegern mit auf den Weg, die am 11. März Geld verloren haben? Ist das „part of the game“? Müssen Anleger, die auf Hebelprodukte mit Knock Out setzen, damit rechnen, innerhalb kürzester Zeit viel Geld zu verlieren? Der Kurs ist in den Folgetagen (bis zum 15. März) ja auf 2,685 Euro gefallen. Philipp Arnold: Die RCB betont immer, dass Hebelprodukte ein hohes Totalverlustrisiko nach sich ziehen. In allen Präsentationen und öffentlichen Aussendungen zum Thema „Hebelprodukte“ wird dieses Risiko kommuniziert. Hebelprodukte sind nur für erfahrene Anleger, die sich der Funktionsweise und deren Risiken bewusst sind, geeignet. Wenn man den österreichischen Zertifikatemarkt betrachtt, so machen Hebelprodukte lediglich 1,8% des gesamten ausstehenden Zertifikatevolumens aus, der mit Abstand grösste Teil entfällt auf Garantie-Zertifikate. Die meisten österreichischen Anleger investieren daher in Zertifikate, um das Risiko in ihrem Portfolio zu verringern und nicht zu erhöhen. Das zeigen die Zahlen des ZFA ganz klar.


Montag, 4. April 2011

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Cafe BE: Der Analysegipfel zum Quartals-Ultimo mit Blicken zurück und nach vorne

„Immofinanz ist jetzt unser Wiener Top-Tipp“ Mit Schmäh und Kaffee im Cafe BE (v. l. n. r.): Roland Neuwirth (Salus Alpha), Stefan Maxian (RCB), Günther Artner (Erste), Thomas Neuhold (Unicredit)

Die Unicredit liegt nach dem Q1 beim Salus Alpha AnalystAward 2011 hauchdünn in Front. Es war kein „leichtes“ Quartal, darüber sind sich die Profis einig. Cafe BE: Wenn man auf die Titel der Wiener Börse im Q1 rückblickt, wer hat positiv, wer hat negativ überrascht? Stefan Maxian: In Summe waren wir im Rahmen der Erwartungen. Positiv überrascht hat Andritz mit starken Margen, operativ waren auch die Immos stark, die Post deutlich über den Erwartungen, Zumtobel ebenfalls besser, als wir prognostiziert hatten. Intercell lag unter den Erwartungen, die Telekom war operativ im Rahmen, aber es hat ein paar Sondereffekte gegeben. Auch der Flughafen und Verbund lagen unter den Prognosen. Gü nther Artner: Die Unternehmen, die Stefan Maxian genannt hat, sehe ich ähnlich. Insgesamt waren die Q4-Zahlen et-

was schwächer als erwartet, vor allem, weil die grossen Berichtsleger ein wenig ausgelassen haben. Interessant ist, dass das aber kaum den Ausblick betroffen hat. Für 2010 hat es Revisionen nach unten gegeben, 2011 ziemlich ausgeglichen, für 2012 mehr Revisionen nach oben. Also ein gemischtes Bild: 2010 unter den Erwartungen, dafür mittelfristig besser. Schwächer waren auch noch Kapsch, AT&S und RHI. Noch nicht genannt bei den Besseren wurde die voestalpine. Mit der neuen ATXGewichtung haben wir nun leicht tiefere Gewinnschätzungen für den Index: Die Immos haben höhere KGVs als diejenigen Unternehmen, die herausgefallen sind. Das macht den ATX nach KGV etwas weniger attraktiv, dafür sieht es nach Buchwert jetzt besser aus. Thoma s N eu hol d: Das meiste ist hier schon gesagt worden. Aufgefallen ist mir, dass im Industriebereich Unternehmen, die früher geringe Auslastungen hatten, jetzt schöne Steigerungen erfahren, Bei-

spiel Zumtobel. Auch die Spätzykliker kommen ins Laufen, beispielsweise die Post mit den Anstiegen im Paketbereich. Die Post hat mich überhaupt sehr positiv überrascht. Negativen Einfluss hatten bei einigen Unternehmen die Rohstoffkosten, die nicht jeder ganz weitergeben konnte, z. B. bei Mayr-Melnhof oder RHI. Roland Neuwirth: Was mir aus der Investorensicht am meisten im Kopf geblieben ist: Österreich war sicher vom Reporting her schlechter als international, wo 70 Prozent der Reportings über den Erwartungen lagen. Wie Günther Artner sagte: Vor allem die Grossen, auch incl. Wienerberger und RHI, waren doch enttäuschend, das hat es international nicht so gegeben. Die Zuversicht – speziell vom Jahreswechsel 2010 /11 – hat aber zugenommen, daher auch die Gewinnrevisionen nach oben. Eventuell können gerade diejenigen Unternehmen, die mit dem Q4-Report enttäuscht haben, vielleicht mit den Q1-Zahlen positiv überraschen. ➤ Fortsetzung auf Seite 4


Montag, 4. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 3 Stefan Maxian: Das Schlussquartal ist halt auch jenes, wo man ehesten GoodwillAbschreibungen hineinnimmt.

Blick haben. Die Elektronikindustrie wird da wohl relativ unbeschadet herauskommen, die Automobilindustrie ebenfalls, vielleicht ist das ja sogar für die deutsche Automobilindustrie positiv. voestalpine ist sehr automobillastig. Der Markt ist sich da aber insgesamt noch nicht ganz sicher. Max ian : Für mich überraschend war, dass der Markt die Geschehnisse so rasch verdaut hat. Der Montag und der Dienstag waren keine so schönen Tage, das Bauchgefühl von vor zwei oder drei Jahren war wieder da. Die Geschwindigkeit der Gegenbewegung war aber beeindruckend. Neuwirth: Man hat wieder gesehen, wie stark die Märkte von derivativen Instrumenten getrieben sind. Ich sehe aktuell nicht viele Alternativen zu Aktien und die globale Wirtschaft wird nicht so betroffen sein.

Unser Talk findet 20 Tage nach dem Beben in Japan statt. Mit einem jetzt schon etwas gesetzteren Blick: Bei welchen österreichischen Aktien haben Sie Auswirkungen in der Story gesehen? Artner: So traurig die Geschehnisse in Japan sind, muss man sagen, dass es für die Energiepolitik grosse Auswirkungen haben wird. Die Wähler werden sagen: Wir wollen weg von der Atomkraft. Gewinner ist zum Beispiel der Verbund, bei dem ja das Umfeld alles andere als gut war, was sich aber durch Japan grundlegend geändert hat. Oder OMV: Man wird Gaskraftwerke bauen. Oder Wasserkraft, da kommt die Andritz ins Spiel. Ich sehe in Österreich eigentlich nur Unternehmen, für die es positive Auswirkungen hat, und zwar indirekt durch einen zu erwartenden Wechsel in der Energiepolitik. In Summe also für die Wiener Börse eher positiv. Neuhold: Die Frage ist, wie schnell das passieren wird. Jetzt ist noch jeder geschockt, aber das Bild kann sich auch wieder ändern. Atomstrom ist aktuell sehr Herr Neuwirth, Sie günstig, ein haben einen Ausstieg teuer. Fonds mit „SpeProfiteure sind cial Situations“ im neben dem Namen. Verbund auch Was waren die die EVN, die Special Situations Bewertung ist im 1. Quartal? Neuwirth: In diehier günstig deutlich unter sem Quartal war Buchwert. alles dabei, Börse Günther Artner Indirekt sollte pur. Der Jänner die Andritz deutlich profitieren, im Bereich ist mit grossen Erwartungen, aber nur seitWasserkraft oder auch z. B. mit den Pel- wärts, losgegangen. Im Februar ging es letsanlagen. stark nach oben, dann im März der FuNeuwirth: Die Elektronikindustrie und die kushima-Crash samt unmittelbar daraufAutomobilindustrie sollte man auch im folgender Erholung. Ich glaube, dass die

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„Die WP-KESt ist das Schlechteste, was man dem Wiener Markt in den vergangenen 50 Jahren zugeführt hat“

„Ohne KESt hätte Wien die Chance gehabt, auf Warschau wieder Terrain gutzumachen“

Roland Neuwirth

Märkte nun in ruhigeres Fahrwasser kommen, sie werden aber anfällig bleiben. Special Situations waren sicher die Kaufmöglichkeiten in den Ausverkaufstagen und bei mir im Fonds die deutsche Tognum. Es kam ein Übernahmeangebot, eine Sondersituation, bei der nicht dramatisch viel drinnen war – 5 bis 10 Prozent –, aber vom Chance/Risiko-Verhältnis her sehr attraktiv. Ich glaube, dass genau jetzt, nachdem drei Jahre die Bilanzen repariert wurden, die Phase begonnen hat, in der wir wieder M&A-Aktivitäten sehen werden. Neuhold: Sondersituationen bei uns waren die EVN, die wir gut erwischt haben, oder auch eine Zumtobel, die nicht zuletzt durch den geplanten Börsegang der Osram Rückenwind bekommen hat.

RCB und Erste haben Researchzertifikate, was waren da die Special Situations? Maxian: Auch mir fällt da Zumtobel ein, dazu die OMV: Nordafrika ist wahrscheinlich strukturell noch wichtiger als Japan. Wir haben uns das Libyen-Exposure der OMV genau angeschaut und wir haben die Aktie nach dem Selloff upgegradet. In Polen die Bank Millennium, weil man gesehen hat, dass es in Polen zu einem Konsolidierungsprozess kommt, z. B. Raiffeisen übernimmt Polbank. ➤ Fortsetzung auf Seite 5


Montag, 4. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 4 Artner: Für unsere Researchzertifikate war bis Anfang Februar die Welt himmelblau. Dann hat uns die OMV Performance gekostet oder der Verbund, der nach Fukushima nicht zu halten war. Das hat uns auf dem falschen Fuss erwischt. Auch Raiffeisen vs. Erste Group ist für uns immer ein Thema, die Raiffeisen war hier der Underperformer, was für unsere Researchzertifikate nicht gut ist. Viele der Topperformer 2010 haben in den ersten Monaten 2011 underperformt, z. B. Kapsch und AT&S. Neuwirth: Richtig. Es war insgesamt auch deshalb nicht einfach, Performance zu machen, weil die Favoriten aus dem Vorjahr eigentlich vom 1. Tag weg nicht mehr die Favoriten waren. Eine österreichische Sondersituation war meiner Meinung nach auch die Immofinanz. Die Platzierung des Convertibles und die Marktturbulenzen der Kursrutsch war schon eine gute Gelegenheit, auch der Wandelbond ist eine sehr interessante Geschichte.

Haben Sie den Wandelbond in Ihren Fonds genommen? Neuwirth: Ja. Artner: Auch Wolford und Do&Co haben Gelegenheiten geboten, wir haben sie bei tiefen Kursen auf Kauf gestellt, aufgrund der geringen Liquidität ist das aber für die Research-Zertifikate nur begrenzt umsetzbar.

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seit Jahren nicht mehr gecovered. Neuhold: Wir covern sie im Moment noch, müssen uns aber erst anschauen, ob es weiter Sinn macht. Neuwirth: Ein Marktteilnehmer hat mir schwerstens ans Herz gelegt, in die bwin.party zu gehen; aufgrund der vielen Shorts. Ich habe überlegt, und es war richtig, nicht reinzugehen. Konnte das nicht einordnen, vielleicht, weil ich nie ein bwinaffiner Typ war.

Wer darf etwas zur Amag sagen? (Gelächter bei den Banken) Neuwirth: Ich glaube, nur ich. Ich habe das Management eineinhalbmal getroffen. Eine typische österreichische Industriefirma, nischenorientiert und von den Margen her besser als der Industriedurchschnitt. Wie bei jedem Konglomerat ist die Investmentstory nicht so ganz einfach zu greifen. Das Management ist noch nicht sehr lange an Bord; okay, aber wenn man so kurz dabei ist, tut man sich halt schwer, ein Herzblut á la Raidl zu unterstellen. Die Bewertung? Einen IPO-Discount hätte ich nicht gesehen. Ich stehe der Amag unter dem Strich aber grundsätzlich leicht positiv gegenüber.

Die Handelsumsätze im Prime Market der Wiener Börse sind im Q1 deutlich gefallen, während es in Deutschland schön nach oben gegangen ist ... Artn er: Ich finde die Umsatzentwicklung sehr enttäuschend, es ist auch schön langsam schwierig für die Marktteilnehmer, das Geschäft bei diesen Volumina ohne Primärmarktgeschäft zu bwin.party handelt Stefan Maxian jetzt in London. finanzieren. Das muss Wie sieht es mit Coverage durch Sie aus? man offen sagen. Die Wertpapier-KESt Maxian: Wir covern sie nicht. hat nicht geholfen, eindeutig. Gerade in Artner: Wir haben die Aktie aufgrund des einer Situation, in der die polnischen Fonds Rechtsstreits mit der Deutsche Bank schon – aus österreichischer Sicht – endlich ein-

„Die Geschwindigkeit der Gegenbewegung nach dem Japan-Crash war beeindruckend“

„Ich bin überzeugt, dass Osteuropa ein gutes Thema werden wird“ Thomas Neuhold

mal weniger Zuflüsse haben und die Wiener Börse die Chance gehabt hätte, sich gegen Warschau wieder stärker zu positionieren, mit der KESt und der Bankensteuer zu kommen, ist politisch falsch. In Warschau ist das Liquiditätsthema vorbei und Wien kann aufgrund der neuen Steuern nicht profitieren. Das ist sehr schade. Maxian: Ich kann dem nur zustimmen. 2010 hatte man in Österreich zudem noch speziell mit einer Osteuropa-Story gespielt. Neuwirth: Diese Wertpapier-KESt ist das Schlechteste, das man dem österreichischen Markt in den vergangenen 50 Jahren zugeführt hat. Osteuropa gefällt mir als Story gut, ist irgendwie der Nachzügler unter den Emerging Markets. Könnte heuer stark kommen. Neuhold: Sehe ich genauso. Osteuropa wird ein gutes Thema werden. Die Erste Group könnte z. B. schöne Gewinnwachstumsraten zeigen. Neuwirth: Da könnte der Gesamtmarkt im 2. Halbjahr einen Schwung bekommen. ➤ Fortsetzung auf Seite 6


Montag, 4. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 5 Artner: Die Ratingagenturen hinken wieder einmal hinter den Spreads her. Wenn diese nachziehen in Richtung Investment Grade, kann einiges gehen. Freilich ist Osteuropa nicht Asien und die Wachstumraten vergangener Jahre werden wir nicht mehr sehen. Unter dem Strich aber sehr positiv.

erhöhung und Libyen belastend gewesen, die Aktie ist sehr günstig. Immofinanz hätte ich nicht schöner sagen könne, die charttechnische Hürde bei 3,30 macht noch Sorgen, aber da sollten wir durchmarschieren und dann in Richtung 4 Euro gehen. OMV 40, Raiffeisen 55.

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für diese Branche ja sonst nicht üblich ist.

Kurz noch zu Ihrem Produkt, Herr Neuwirth. Wie sind Sie mit dem ersten Jahr zufrieden? Neuwirth: Ca. 20 Prozent Plus in einem Stockpickerjahr, ich bin zufrieden. Die wahre Leistung war das geringe Risiko, im Schnitt nur mit 30 bis 40 Prozent in EquiUnd Sie, Herr Maxian, können Sie die Im- ty investiert, das drückt sich in einer Sharpe Ratio über 2 aus. Das Volumen hat mofinanz schöner beschreiben? sich sehr schön Bitte um jeweils die entwickelt, von 12 drei Top-Tipps unter Millionen zum den Buys für ÖsterStart jetzt auf 32 reich ... Neu hold: Für mich Millionen Euro. Bei 50 Millionen ganz oben die Imwürde ich einen mofinanz. Die ReSoft Close mastrukturierung ist mit chen, dann nur dem Convertible abnoch bestehende geschlossen, die Investoren aufMieten steigen wiestocken lassen. der, auch AufwerMit einem gröstungen sind wieder serem Volumen denkbar. Dazu ein kann man sich in positiver Trend in der meinen Titeln, ich Cash-flow-Entwickhabe zuerst z. B. lung, gemäss Disaustriamicrosycount zum NAV ist stems und Woldas Unternehmen ford genannt, ja das günstigste in Einigkeit, dass der ATX steigen wird (v. li.): Günther Artner, Stefan Maxian, kaum bewegen. Österreich. Die AkChristian Drasti, Roland Neuwirth, Thomas Neuhold Vier Fünftel der tie sollte deutlich Investments habe steigen. Als defensive Beimischung – weil wir der Meinung Maxian (schmunzelt ebenfalls): Nein, kann ich in Österreich gemacht. sind, dass der Markt zwar Aufwärtspo- ich auch nicht. Immofinanz ist bei uns tenzial hat, es aber ein Aufwärtskampf wer- ebenfalls eine Kaufempfehlung. Der Fi- Wer sind die Investoren? den wird – gefällt mir die Post, die sehr nanzsektor gefällt mir gut: Eine Erste Neuwirth: Instititionelle, Private Banker, gute Zahlen gebracht hat. Die offenen Bau- Group, die noch sehr konservativ ist, was Family Offices, durchaus auch Friends & stellen – Filialgeschäft, Paketgeschäft, Di- die Risikokosten betrifft. Um einen Ne- Family, ich habe privat auch etwas drinrect Mailings – sind angegangen worden. benwert zu nennen: bene - ein Spätzykliker, nen, weiters natürlich Salus Alpha. Dazu das neue Tarifsystem und eine gu- ein kleiner Wert mit Dynamik, der Turnte Cash-flow-Generierung. Die Post müss- around kann geschafft werden. Die klassische Schlussrunde: te sich gut entwickeln. Und als dritter Ti- Neuwirth: Auch ich nenne die Immofinanz. ATX per Jahresende? tel die Erste Group, bei der es zu einer po- Das Bigger Picture ist, dass wir – glaube Maxian: 3300 Punkte. sitiven Gewinndynamik kommen könnte. ich – das Tal gesehen haben. Die Sache Artner: Mindestens 3100 Punkte. Artner (schmunzelt): Gratulation an Tho- mit den Abwertungen sollte vorbei sein. Neuhold: 3125. mas Neuhold für diese Präsentation aus Eigentlich gefallen mir alle Immos gut, ich Neuwirth: Ich sage 3400. einem Guss, ganz ohne Papier. Ich ma- nenne hier die drei Grossen. Dazu Spe- Maxian: Wenn sich bei den Large Caps che es kürzer: Raiffeisen, OMV, Immofi- zialitäten wie austriamicrosystems und was tut, ist das realistisch. nanz, die grössten Positionen im Research- Wolford. austriamicrosystems hat konso- Artner: Das Prognoserisiko ist sicher nach Zertifikat. Bei Raiffeisen gilt Ähnliches wie lidiert, Wolford gefällt mir auch sehr gut, oben. 2012 sind auch 4000 Punkte möglich. bei der Erste Group, in puncto Bewertung die Restrukturierung ist abgeschlossen, Diskussionsleitung: Christian Drastil sehe ich Raiffeisen und OMV am günstig- jetzt im Wachstumsmodus, die Aktie noFotos: Franz-Josef Galuschka sten. Bei OMV sind die Themen Kapital- tiert nur knapp über dem Buchwert, was


Dienstag, 12. April 2011

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Cafe BE: Warum Privatanleger die Welt, die ihnen gefällt, nicht mehr verstehen

„Österreich ist das aktionärsfeindlichste Land“ Vier Privatanleger im Cafe BE (v.li.): Erhard Salchenegger, Günter Luntsch, Jürgen Stowasser, Wolfgang Beigl

Es war nicht leicht, Privatanleger für ein Roundtable-Gespräch zu finden. Der Anti-Börse-Populismus der Politiker scheint zu greifen. Cafe BE (Drastil): Im Vorgespräch ist die Frage an mich gefallen, warum ich mich für die Börse interessiere - nun, die Börsen spiegeln wie eine ewige „Education Soap Opera“ das Weltgeschehen wider. Beispiel: Die dramatischen Ereignisse in Japan und die erwarteten Auswirkungen auf die Energiepolitik. Oder Zukunftsthemen, Photovoltaik, die Wasser-Frage, oder Dinge rund um die Emerging Markets; Zusämmenhänge zwischen Zinsniveau, Verschuldung und Arbeitslosigkeit. Man lernt unglaublich viel on the job. Natürlich sind Börsen auch ein Spiegelbild guter bzw. weniger guter politischer Administrationen.

Und: Wie beantwortet die Runde die Frage? Warum interessieren Sie sich für die Börse? Wie lange sind Sie dabei? Wolfgang Beigl: Seit der Schulzeit, 7. Klasse Gymnasium, damals gab es Wirtschaftsgeografie als Wahlfach. Da bin ich auf den Geschmack gekommen, die erste Aktie war dann VA Tech - mit dem Geld aus einem Ferialjob bei der Post. Mich fasziniert, dass man am Unternehmen beteiligt ist. Einen Zockergedanken habe ich nicht. Günter Luntsch: Ich habe immer geglaubt, dass Investments in die richtigen Branchen für eine bessere Welt sorgen können. Ich schaue mir auch immer die Hauptversammlungen an, ich will wissen, was hinter den Kulissen läuft; dort hört man Dinge, die nie in die Medien dringen. Dabei bin ich schon seit 20 Jahren dabei. In homöopathischen Dosen. Jürgen Stowasser: Ich bin viel kürzer dabei, ca. fünf Jahre. Was mich reizt, ist die

Komplexität der Kapitalmärkte, das ist durchaus eine intellektuelle Herausforderung. Bei der Unternehmensbeteiligung spielen für mich ethische Komponenten eine wichtige Rolle. Erhard Salchenegger: Die Aktie ist einfach das langfristig beste Investment. Gerade in Zeiten, in denen die Inflation wieder anzieht, sollte man etwa in Sachwerte investieren. Beim Sparbuch hat man real eine negative Verzinsung. Ich bin jetzt seit 21 Jahren an der Börse aktiv. Angefangen hat es bei mir übrigens damit, dass mein Bruder bei einem Raiffeisen-Börsespiel die zur Verfügung gestellten 20.000 Schilling verdoppeln konnte. Da ist es losgegangen mit dem Interesse. Veitscher, Radex – das waren die ersten Investments. Anfang 1990 – eine schwierige Zeit, aber ich konnte viel lernen. ➤ Fortsetzung auf Seite 8


Dienstag, 12. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 7 Cafe BE: Ist der Wiener Aktienmarkt für Euch als Österreicher ein Schwerpunkt? Salchenegger: Ja, obwohl ich schon international denke. Es wäre natürlich hochinteressant, mal mit Warren Buffett zu reden, ich habe ja in den Staaten mal ein Interview mit Jim Rogers machen dürfen. Es ist sehr interessant, aber alles sehr aufwändig. Stowasser: Bei mir nur sehr eingeschränkt Wien, ich interessiere mich eher für bestimmte Branchen und möchte mich dabei nicht auf einen Börsenplatz fixieren; Nachhaltigkeit ist mir wichtig. In Österreich ist aus dieser Perspektive heraus nicht viel zu finden – eventuell Andritz, aber auch die ist ja immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt. Die Branche, in der BWT tätig ist, finde ich sehr interessant, die BWT selbst zählt aber nicht zu meinen Favoriten. Luntsch: Ich sehe mir fast ausschliesslich den Wiener Markt an. Hier kommt man wegen der Nähe leichter an Informationen. Man sieht, was die Firmen tun, kann sie auch besuchen. Beigl: Ich schliesse mich an, der Fokus ist auf Wien gerichtet. Werksbesuche oder Unternehmenstage gibt es leider nicht mehr so häufig, dort hat man viel erfahren. Cafe BE: Und gibt es auch ausserhalb der o.a. Events Kontakt mit IR-Vertretern? Beigl: Das tue ich oft. Die Qualität der Antworten ist vollkommen unterschiedlich. Luntsch: Ich nehme nie Kontakt mit der IR auf, die dürfen nicht alles sagen. Es ist besser, man sucht sich andere Kontakte im Unternehmen.

gemacht habe und die Zeit jetzt nicht mehr einschätzen kann. Ich schaue eigentlich den ganzen Tag n-tv, DAF, oder CNBC. Luntsch: Sehr unregelmässig, aber wenn man die Hauptversammlungsbesuche aufs ganze Jahr aufteilt, komm ich hier durchschnittlich auf 5 Stunden pro Woche, plus die regelmässigen 5 Stunden Zeitunglesen pro Woche, also insgesamt etwa 10 Stunden pro Woche. Stowasser: 10 bis 15 Stunden pro Woche. Da geht’s aber nicht nur um Anlageentscheidungen, sondern auch um ein grundsätzlicheres Interesse an den Märkten, ihrer Funktionsweise und den Zusammen-

hätte sollen. Es wird aber mein Anlegerverhalten nicht ändern. Fürchterlich ist, dass diese Geschichte für das Budget nichts bringt. Ein Flop. Lunts ch: Unverständlich für mich, dass Regierungspolitiker meinen und viele Revolverblattln das wiederholen, dass die Reichen zahlen sollen, die die Krise verursacht hätten, das seien die Aktionäre. So ein Schmarrn, kein österreichischer Aktionär hat eine Weltwirtschaftskrise verursacht. Ganz im Gegenteil, die österreichischen Kleinstaktionäre sind auch in schwierigen Zeiten voll hinter ihrem Unternehmen gestanden und haben teils 80% und mehr verloren. Aber es ist halt besonders leicht, hier die Schuldigen zu suchen. Wenn Politiker dem Volk das vermitteln wollen, was es hören will, und was für Menschen Aktionäre wirklich sind, das weiss der Österreicher nicht, der sein Aktionärsbild oft von Medien vermittelt bekommt, die genauso keinen Schimmer von der Realität haben wie er. Ich mache jetzt nichts mehr in Aktien, habe nur mehr an Wohnbauanleihen Interesse, die sind bis vier Prozent steuerfrei. Alles andere interessiert mich nicht mehr. Warum soll ich Arbeitsplätze sichern, das volle Risiko übernehmen, wenn der Staat bei den Gewinnen mitkassiert und mich bei den Verlusten alleine lässt? Das Verlustrisiko ist gross, es gehen auch Blue Chips pleite, ich nenne nur mal Maculan und Ankerbrot, wo keiner damit rechnen hat können. Ich kenne viele Anleger, die Hälfte davon möchte ganz aufhören mit Aktien. Der Ärger auf die Politik ist gross, es werden Langfristanleger bestraft, gleichzeitig wird behauptet, die Spekulanten würden bestraft. Wir waren Kernaktionäre, viel treuer als internationale Anleger, haben auch in schlechteren Zeiten die Aktien nicht gleich auf den Markt geschmissen, sondern sind zu den Unternehmen gestanden. Man braucht

„Ich kenne viele Anleger, die Hälfte davon will ganz mit Aktien aufhören“

Cafe BE: Wieviele Stunden pro Woche widmen Sie dem Kapitalmarkt? Sal che negger (lacht): Nebenbei bin ich Croupier im Card Casino Eggenberg in Graz, aber sonst kann man schon sagen, dass ich mein Hobby zu meinem Beruf

Günter Luntsch

hängen mit Politik, Wirtschaft etc. Beigl: Eine halbe Stunde pro Tag, dazu die Besuche bei den HVs. Cafe BE: Wir haben nun die WertpapierKESt. Hatte diese Auswirkungen auf Ihr Anlegerverhalten? Beigl: Eine Katastrophe für den Markt. Genau das Gegenteil, was die Regierung tun

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BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 8 ja nur auf den Auktionsmarkt schauen, da sind kaum internationale Anleger drin. Dieser Markt hat sich auch in der Krise viel besser gehalten. Die Österreicher waren die treueren Anleger. Beigl: Genau. Man hat das Gegenteil erreicht, von dem was man wollte und von dem, was Sinn macht. Die Aktionärsquote wird immer kleiner. Es geht vor allem um diejenigen, die überlegt haben, vielleicht einzusteigen. Die haben wieder abgewunken. Warum soll ich mich als Feindbild hinstellen? Lu nt s ch: Dazu kommt die Abwicklung mit dem Finanzamt. Die Leute würden eine automatische Gegenrechnung von Gewinnen und Verlusten akzeptieren, aber Verluste über das Finanzamt zurückholen, das wollen die Leute nicht und das ist offenbar das Kalkül der Politik, dass die Leute auf die Rückerstattung ihrer zuviel bezahlten Steuer verzichten. Ein paar Geheimnisse will der Österreicher haben, wie beim Sparbuch. Auch dass es weder Verlustvortrag noch Verlustausgleich gibt, stört die Leute. Wenn Kursgewinne schon als Einkommen gesehen werden: Der Staat will nur in guten Jahren besteuern, in schlechten Jahren die Menschen um Verlustvortrag und Verlustausgleich bringen. Selbstverständlich ja zu einer fairen Besteuerung! Selbstverständlich aber ein klares Nein zu dem Gesetz, das man noch zwischen Weihnachten und Neujahr durchgeboxt hat, ohne auf ein Mindestmass an Fairness zu achten. Stowasser: Die Argumentation, dass man die Spekulanten treffen kann, ist schierer Populismus. Internationale Player haben es nicht notwendig, an der Wiener Börse abzuwickeln, da gibt es andere Möglichkeiten. Statt dessen trifft

es die langfristig orientierten Anleger. Luntsch: Meine Bekannten behalten jetzt einfach noch ihre Aktien, aber dazugekauft wird nichts mehr. Salchenegger: Es laufen ja noch die Klagen der Grossbanken. Ich analysiere fundamental und charttechnisch, wenn der Chart nicht gut aussieht, verkaufe ich, unabhängig von steuerlichen Fristen. Ich habe schon viel Steuer gezahlt, vor allem in der Phase, als ich in Deutschland tätig war. Stowasser: Persönlich hat es für mich die Auswirkung gehabt, dass ich im Dezember noch eingekauft habe, obwohl ich vom Zeitpunkt her überhaupt nicht überzeugt

„Österreich wird am Pisa-Test für Finanzwissen nicht teilnehmen. Das sagt ja auch einiges aus“ Jürgen Stowasser

war. Beigl: Der österreichische Trend ist, dass man Langfristanleger nicht mehr will. Buy and Hold ist nicht mehr gewünscht, auch bei Banken und Analysten wird eher in

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Richtung kurzfristiger Spekulation informiert. Mit dem Buy/Hold-Anleger wird die Bank auch nicht reich. Cafe BE: Welchen österreichischen Unternehmen würden Sie eine gute IR- und Öffentlichkeitsarbeit unterstellen? Salchenegger: Andritz möchte ich zuvorderst nennen, dann AT&S, bet-at-home und auch bwin haben auch immer eine gute Arbeit gemacht. Beigl: Rosenbauer, voestalpine fallen mir spontan ein. Luntsch: Palfinger, die sind immer sehr freundlich, auf der Gewinn-Messe laden sie mich auf einen Kaffee ein, sowas finde ich sehr nett. Früher waren mehrere Firmen auf Messen sehr freundlich – etwa Jenbacher – das hat sich aber aufgehört, die Gewinn-Messe ist ja heute schon ziemlich klein, und manche Aussteller haben nur proforma einen Stand, und er wird von niemandem betreut. Beigl: Mir würde auf einer Messe zum Beispiel ein ATX-Dörfchen gefallen, dort wären dann wirklich alle dort und man kann Themen besprechen. Aber die GewinnMesse wird ja immer kleiner. Cafe BE: Ich ziehe den Hut vor Georg Wailand und seinen Messeaktivitäten, weil ja auch wir die Roadshow-Reihe haben, und ich weiss, wie schwer es in einem kleiner werdenden Markt oft ist. Da wie dort werden von den Unternehmen Unkostenbeiträge verlangt und daher kann man – gerade als Medium – nicht verlangen, dass da jeder mitmacht. Man will ja Geld dafür. Es bräuchte einen Overall-Sponsor, der sowas gut findet und als Hauptsponsor auftritt, dann könnte man die Preise für die Unternehmen auf echte Regiegebühren reduzieren. Solche generellen Unterstützer wird es aber im aktuellen politischen Umfeld einfach nicht spielen. Exkurs Ende. Luntsch: Ausser Palfinger fallen mir aktuell kaum Unternehmen ein, Werksbesuche gibt es ja wie erwähnt nicht mehr. Cafe BE: Da muss ich nochmal kurz einhaken, am 24.5. sind wir mit einer Aktienforum Börse Express Roadshow in Oberösterreich und zwar direkt bei Polytec. Ausser Polytec werden auch eben Pal➤ Fortsetzung auf Seite 10


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finger, HTI, THI und AT&S präsentieren. Die Idee dazu kam von Polytec und ich denke, es wird auch die Möglichkeit geben, ein bisschen was vom Werk zu sehen ... Luntsch: Bei den Messen stehen viele Unternehmen halt leider auch mit Statisten dort, hübsche Promotiongirls, aber niemand, der Fragen beantworten kann. Salchenegger: Ich schaue mir Messen gerne an, Gewinn in Wien und Salzburg oder jetzt gerade vor kurzem die Invest in Stuttgart, welche ich über n-tv und DAF verfolgte. Stowasser: Ich bin nicht der grosse Messebesucher. Was mir aber auffällt, ist, dass österreichische Unternehmen viel zu wenig mit Social Media arbeiten. Hier könnte man sehr gut kleinere Anleger ansprechen, um das Informationsgefälle zwischen den grösseren und den kleineren Anlegern besser ausgleichen zu können. Gut informieren die voestalpine oder von den Brokern brokerjet. Andere tun gar nichts, zum Beispiel der Raiffeisen-Sektor. Dort scheint das keine Rolle zu spielen, was ich auch auf einer Social Media-Tagung aus internen Kreisen so wahrgenommen habe.

sehr wichtig, natürlich die Spesen, auch kostenlose Stimmkarten erwarte ich mir. Stowasser: Ich erwarte mir, dass alle Asset Klassen handelbar sind, das trifft bei österreichischen Brokern nicht zu. Ich habe deswegen mehrere Broker. Schön

Luntsch: In meinem Umfeld handeln sehr viele über Kredit. Stowasser: Würde ich nicht tun; man muss den Worst Case verkraften können. Luntsch: Immofinanz ist ein Beispiel. Plötzlich steht die Aktie auf 2 Euro. Man glaubt, dass sie nicht tiefer fallen kann und geht mit allem rein, was man noch an Kredit kriegen kann, bei 1,60 sind dann alle wieder rausgeflogen. Bei 1,40 wieder rein, bei 1,00 wieder rausgeflogen. Unten mit 30 Cent konnte man nichts mehr zukaufen. Da hat es viele erwischt. Cafe BE: Thema Geschäftsbericht – wie wichtig ist der für Sie? Stowasser: Bei langfristigen Investments definitiv. Lu nt s ch: Ich lese gerne Geschäftsberichte beim Essen. Man lernt viel, zum Beispiel aus den Vorstands- und Aufsichtsratsbezügen. Wenn sich die Vorstände und Aufsichtsräte bei Firmen zuviel gönnen, denen es nicht so gut geht, dann auf alle Fälle Finger weg! Geschäftsberichte ganz durchzustudieren, dafür fehlt mir die Zeit. Herr Knap tut das aber, und von seinen Fragen zum Geschäftsbericht erfahre ich auf Hauptversammlungen sehr viel. Salchenegger: Geschäftsberichte sind für mich sehr wichtig, ich muss da wieder Andritz nennen. Inhaltlich gefällt mir das sehr gut. Ich glaube, auch das wirkt sich auf den Aktienkurs aus. Investoren sind zudem dankbar, wenn man sie besuchen kommt. Beigl: Auch für mich sind Geschäftsberichte sehr wichtig, ich hab sie gerne vor der Hauptversammlung zugesandt, das funktioniert nicht überall. Luntsch: Entbehrlich finde ich, dass der Nachhaltigkeitsbereich bei manchen schon so dick ist wie der Geschäftsbericht. Viel unnötig bedrucktes Papier, schad um die Umwelt. Beigl: ... und dann jedes Jahr das gleiche drinnen steht.

„Ich habe noch nie eine Werbung für eine Aktie in einer Bank gesehen“

Cafe BE: Stichwort Broker – ausser dem sehr menschlichen Bedürfnis nach vernünftigen Spesen - was erwartet sich der Privatanleger vom seinem Broker? Beigl: Ich glaube, Herr Luntsch wird mir beipflichten: Es geht um die Stimmkarten für die HV. Das schaffen die wenigsten problemlos in Österreich. Das neue Procedere ist zu komplex, oft braucht es Vollmachten und das funktioniert nicht mehr so leicht. Natürlich könnte man es im Internet anschauen, aber vor Ort ist halt vor Ort. Luntsch: Die Stimmkarte ist mir wichtig, es ist mein Aktionärsrecht, auf die HV zu gehen. Viele Banken verlangen da sehr viel Geld für die Abwicklung; subjektiv gesehen funktioniert das bei brokerjet am besten. Salchenegger: Das Kundenservice ist mir

Wolfgang Beigl

wäre es auch, wenn das Angebot an Kursdaten besser wäre, sonst muss man sich auch das zukaufen. Luntsch: Ich wünsche mir von brokerjet, dass Anleihen ins Angebot aufgenommen werden, das ist auch ein schönerer Sicherheitspolster für etwaige Überziehungen. Das löst weniger Margin-Calls aus und zieht auch konservativeres Publikum an. Stowasser: Interessanter Punkt – gibt es wirklich so viele, die via Margin-Linien unterwegs sind?

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➤ Fortsetzung von Seite 10 Cafe BE: Über den BE haben wir uns kennengelernt, welche Medien konsumieren Sie sonst noch? Beigl: Neben dem BE das WirtschaftsBlatt, Presse, Standard, Online-Foren. Salchenegger: Ich freue mich auch, dass es Apps gibt, von Euch, vom WirtschaftsBlatt. Zu den genannten Printmedien den „Aktionär“, bei dem ich ja mal gearbeitet habe, auch den Börsen-Kurier, Gewinn, Format, Börse Online, Euro am Sonntag, Fonds Professionell, Die Presse, Der Standard, Kleine Zeitung, Kurier und am Samstag die Krone. Luntsch: Beim WirtschaftsBlatt gefällt mir, dass hier auch mal negativ über Firmen berichtet wird, die mit Klage wegen Kreditschädigung drohen, also die trauen sich manchmal was, sowas will ich als Anleger lesen. Den Börsen-Kurier lese ich auch. Stowasser: Bloomberg, zusätzlich versuche ich Daten direkt zu holen, z. B. Fed oder Weltbank. Vor allem für Rohstofftrading ist das wichtig. Bei österreichischen Medien habe ich eine kleine Beobachtung: Ich schaue mir gerade anhand der Berichte im Staatsarchiv den Gründerkrach 1873 ziemlich genau an. Was auffällt ist, dass die Medien damals sehr gut und differenziert berichtet haben. Die ökonomischen Theorien sind natürlich auf dem Stand des 19. Jahrhunderts, aber im Vergleich zu heute sind die Berichte fundiert und erfrischend hochwertig. Cafe BE: Themawechsel: Geldanlage unabhängig von der Aktie – was interessiert die Runde sonst noch? Beigl: Bei mir steht die Aktie im Mittelpunkt, auch deshalb, weil ich bei der Hauptversammlung mein Stimmrecht ausüben kann und auch eine Dividende bekomme. Und ich habe ein Rede- und Auskunftsrecht; ich nütze das nicht immer, weil ich HVs nicht in die Länge ziehen will, aber ich finde es prinzipiell gut, dass gefragt wird. Das alles habe ich bei einem Fonds nicht. Es ist schon spannend zu sehen, wie ein Vorstand auf Fragen reagiert. Es gibt auch genügend Selbstdarsteller bei HVs aber in der Regel kommen überlegte,fundierte Fragen, und nicht der so gerne zitierte Buffet-Pöbel.

„Ich übe Kritik an den Massenmedien. An allen Dingen sind die ,Spekulanten‘ schuld“ Erhard Salchenegger

Salchenegger: Auch bei mir stehen Aktien im Mittelpunkt. Mir gefällt, dass ich bei der HV fragen kann. Dazu der Austausch mit den anderen Aktionären. Ich mache ein wenig mit Zertifikaten und CFDs, habe jahrelang Fonds vertrieben, aber die Aktie ist mir am liebsten. Ich trade u. a. im US- und UK-Öl, da kenne mich aus, da ich für ein internationales Öl-Unternehmen die Ölprognosen mache. Luntsch: Wohnbauanleihen habe ich genannt, dazu Corporate Bonds wie Immofinanz, das täte mich interessieren. Cafe BE: Täte? Luntsch: Es wäre schön, wenn es da mehr Informationen geben würde, z. B. auch von den Analysten, die Bedingungen sind für Private oft schwer zu durchschauen, Kündigungsrechte und so. Die ImmofinanzAnleihen wurden z. B. von einem Schweizer Medium gut recherchiert und erklärt, damals, als sie nicht einmal ein Fünftel des Nominales gekostet haben. Ich habe mich aber nicht getraut.

Stowasser: Im Positionstrading setze ich auf Zertifikate und CFDs, längerfristig Aktien und Anleihen. Fonds nur dann, wenn der Markt oder das Thema passen, ich aber nicht die Kapazitäten für eigenes Research habe. Cafe BE: Schlussfrage: Was liegt der Runde am Herzen? Luntsch: Ich wünsche mir, dass der Aktionär wieder einen besseren Ruf bekommt. Das geht in Richtung Politik, aber auch in Richtung Massenmedien. Ich glaub, so eine Feindseligkeit den Aktionären gegenüber wie in Österreich gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Der BE hat sich ja schwer getan, überhaupt vier Privatanleger für diese Runde zu gewinnen. Es schämt sich jeder. Ich hoffe, dass nächstes Mal zwanzig Leute hier sitzen. Salchenegger: An den Massenmedien übe ich auch Kritik, an allen Dingen sind „Spe➤ Fortsetzung auf Seite 12


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➤ Fortsetzung von Seite 11

kulanten“ schuld. Auch Privatisierungen sollten forciert werden. Lu nts ch: Wir Österreicher sind ja froh, wenn die RLB OÖ Aktien von oberösterreichischen Firmen kauft, dann scheinen Politikern, Bevölkerung und Mitarbeitern die Chancen grösser, dass die Firma nicht abwandert. Warum also jetzt die privaten Langfristaktionäre von Beteiligungen an inländischen Firmen verdrängen? Diese kurzsichtige Vorgangsweise wird sich garantiert einmal rächen, und dann werden die Politiker wieder Krokodilstränen weinen, wenn Maschinen abgeholt und Werke geschlossen werden, weil die Firma in ausländischer Hand ist, für die nur Profite zählen, die aber keine emotionale Beziehung zu Land und Menschen hat. Stowasser: Das Finanzwissen in Österreich ist erschreckend gering. Es gibt so gut wie kein Angebot an Schulung und Ausbildung, Österreich wird auch am Pisa-Test für Finanzwissen nicht teilnehmen, das sagt ja auch viel aus. Wenn die Leute dann unwissend sind, hat man es in der Politik und in den Medien mit groben Vereinfachungen leichter. Da sollte man ansetzen, aber dafür ist eine Börserunde wohl das falsche Forum. Auch der Ruf der Banken ist extrem

schlecht, wichtig wären mehr Transparenz und sachliche Information für die breite Öffentlichkeit. Da ist etwa auch eine Nationalbank mehr gefragt. Beigl: Ich habe noch nie eine Werbung für eine Aktie in einer Bank gesehen. In Skandinavien ist das ganz normal. Wo sind die ganzen Investmentabteilungen? Salchenegger: Heutzutage dürfen in den Banken ja schon gar keine Aktien empfohlen werden. Sie werden als zu spekulativ hingestellt. Es müsste viel mehr gemacht werden in Richtung Kleinaktionäre. Oder ganz aktuell: Man sieht ja, was bei der Amag pas-

siert, da war die ganze Information zur Zeichnung intransparent. Beigl: Und es gibt auch keine Roadshows mehr, der Streubesitz ist mittlerweile nicht mehr im Fokus. Schade. Salchenegger: Ich interessiere mich sehr für die Isovoltaic und habe beim Unternehmen nach einer Veranstaltung gefragt, wurde aber lediglich auf die Unternehmenshomepage verwiesen. Auch Research findet man keines. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Franz-Josef Galuschka


Donnerstag, 21. April 2011

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Cafe BE: Digitalexperten zum Thema App-Entwicklung, Strategie und Vermarktung

„Mit Apps zum Kern des eigenen Produkts“

Im Cafe BE (v. li., Uhrzeigersinn): Alexis Johann (WirtschaftsBlatt Digital), Matthias Schodits (Yoc), Robert Ulm (CMC Markets), Christa Grünberg, Josef Chladek (BE), Lorenz Edtmayer (Tailored Apps), Walter Rubik (Bank Austria)

Apps verändern die digitale Welt. Ein Cafe BE-Talk über den Zugang von Unternehmen zu diesem Thema; Chancen und Strategien. Cafe BE: Fragen, die der Börse Express oft von Kunden und Partnern hört: Wie seid Ihr auf das Thema „App“ zugegangen, wie lange habt Ihr entwickelt, mit welchem Unternehmen habt Ihr gearbeitet, wie wurde das Projekt aufgezogen, wie viele Abteilungen habt Ihr da mit einbezogen? Frage an das WirtschaftsBlatt: Ihr seid iPadPionier in Österreich gewesen, bereits im Mai/April des Vorjahres wurde mit der Umsetzung begonnen ... Alexis Johann: Das spannende war, dass man uns angekündigt hat, das iPad verändert die Zeitungsbranche nachhaltig. Das ist wie der Farbdruck für die Zeitungen. Ich konnte es nicht glauben, warum ein iPad alles verändert. Aber wir haben darauf vertraut. Die grosse Frage am An-

fang war aber: Was tut man da drauf, die Zeitung oder den Online-Bereich? Wozu soll man eigentlich speziell etwas dafür konstruieren? Aber wir waren uns einig, wir mussten es machen, weil auch damals beim Farbdruck, da hat man nachhaltig neues Geschäft damit erzielen können. Wir haben für die Strategie vom CEO angefangen alle mit eingebaut, auch Marketing und Redaktion. Wir haben Mockups gebaut, aber schlussendlich haben wir dann alle Ideen wieder verworfen und die Zeitung draufgestellt. Fürs erste hat sich herausgestellt, dass das richtig ist, weil auch andere wie z.B. der Daily Telegraph es genauso gemacht haben. Da waren dann die Kunden begeistert, Werbekunden und die User. Jeden Tag das Rad wieder ganz neu zu erfinden und etwas eigens dafür zu konstruieren, das geht ganz einfach von den Kosten her nicht. Zweitens wollen die User das fertige Produkt, das sie kennen. So gesehen haben wir ein einfaches Produkt geliefert, für das wir dann nicht die Redaktion, sondern viel

mehr das Marketing gebraucht haben. Cafe BE: Wie ist die Bank Austria das Projekt angegangen? Wurden vorab Kunden/User befragt oder wurde mit einem klaren Plan für die Umsetzung gestartet? Walter Rubik: Wir haben ja bekanntlich seit 2003 Mobile Banking. Das wurde aus diversen Gründen sehr zaghaft genutzt, und wir, ein relativ kleines Team, haben relativ lang mit der App zugewartet, weil wir überzeugt waren, dass wir mit dem Mobile Banking alleine gut genug unterwegs sind. Umgestimmt haben uns dann der explosionsartige Zuwachs der Apps und die Konkurrenzsituation, denn Raiffeisen und Erste Bank hatten schon Apps. Wir standen da schon mit dem Rücken zur Wand. Auch die Entscheidung für eine Hybridlösung zwischen App und mobile banking war vorgegeben, denn unser mobile banking secure war gut entwickelt und mit den erforderlichen Funktionen ➤ Fortsetzung auf Seite 8


Donnerstag, 21. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 7 bestückt. Wir haben also nur ein neues Mascherl rundherum gemacht. Das wurde jetzt z. B. einmal für die App Stores von Apple gemacht, die Android-Apps werden in einigen Tagen oder Wochen gelauncht. Die anderen Jobs muss man sich anschauen, sind die sinnvoll oder nicht, denn das ist natürlich auch ein nicht unerheblicher Kostenfaktor, den ich als Werbeverantwortlicher lieber in die Promotion hineinstecken würde als in die Entwicklung. Jetzt werden vielleicht noch ein Filial- und ein Bankomatfinder mit eingebaut, um das ganze Service-Paket auch etwas zu heben.

Wie lange hat die Projektphase vom Beginn bis zum Launch gedauert? Johann: Zwei Monate. Rubik: Sechs Monate, aber das liegt daran, dass der Entwickler der App der gleiche Entwickler ist, der gerade sehr viele Erweiterungen beim online banking macht. Ohne diese erschwerten Rahmenbedingungen geht das sicher viel schneller.

Australien und Kanada gelauncht. Die Entwickler haben sich sehr viel einfallen lassen, aber auch die Produkt-Designer. Jetzt testen wir gerade die iPad-App. Wir wollen ganz einfach in den Lifestyle-Bereich hinein. iPad- und iPhone-Kunden sind finanzkräftig und interessieren sich auch für die Finanzmärkte. Nur muss man das ein bisschen jünger aufbereiten, denn wir sind in einer Fun-Gesellschaft. Unsere Projektphase hat sich sehr lange aufgebaut und war sehr ressourcenaufwendig. Die heisse Phase hat dann drei bis vier Monate gedauert.

„Das Smartphone soll einen durch den Tagesablauf begleiten“

Cafe BE: Yoc hat Cafe BE: im Vorjahr ca. 90 Apps für Kunden CMC Markets entwickelt. Sohat ja kürzlich wohl beim Preis die Webplattals auch der Proform reljektdauer gibt es auncht. Wurde enorme Unterdie App sepaschiede. Wie werrat entwickelt? R o b e r t Ul m : den hier die Kundenwünsche so Wir haben die kanalisiert, dass neue App pardas in einem sinnallel entwikvollen Budgetkelt. Die Idee dahinter war, und Zeitrahmen dass man sich bleibt? M a t th ia s Sc h o mit den Tradits: Letzten Ending-Geschichten vom des ist die Frage: Markt abheWas ist das Ziel ben muss. Wir des Kunden? Will haben schon er eine schnelle, Walter Rubik lange daran einfache App, gearbeitet und wussten, dass wir uns et- dann kann man das um 10.000 bis 15.000 was Neues einfallen lassen mussten – auch Euro realisieren. Oder will er eine highvon der Usability. Da wir international auf- end-App, mit der er glänzen kann. Unsegestellt sind, haben wir die Apps auch in re Kunden gehören Gott sei dank eher UK, Deutschland und Österreich, Japan, meist zur zweiten Gruppe. Wir haben z.B.

„Wir agieren kurzfristig. Langfristige Strategien sind eher nicht zielführend“

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Lorenz Edtmayer

für das Mercedes-Magazin eine App in medien-adäquater Form gemacht, das kann dann gleich in den sechsstelligen Umsatzbereich gehen und es dauert dann auch gleich vier Monate oder mehr. Die durchschnittliche App wird allerdings in zwei Monaten gebaut, wobei wir so positioniert sind, dass wir massgeschneiderte Lösungen anbieten. Da gibt es dann ein Konzeptteam, das überliegt sich die Usability. Das sieht man dann auch an den Rankings. Cafe BE: Tailored Apps arbeitet momentan an vielen Projekten parallel. Wie lange sind da die Zeitspannen vom ersten Kundengespräch bis zur Fertigstellung? Lorenz Edtmayer: Da wir sogar Tailored Apps heissen, sind unsere Ziele auch massgeschneiderte Lösungen, weil wir glauben, dass die App nur dadurch einen Zusatznutzen für den User darstellt. Wir sind ja auch ein sehr junges Team (seit 7 Monaten aktiv) und es stellt sich immer die Frage, will ich eine einmalige Lösung anbieten mit einem eventuellen Kleinsupport, oder hat der Kunde eine Vision für die Zukunft und will ich den Kunden in die App einbauen? Insofern kann man die Dauer schwer abgrenzen, aber ich würde sagen: eine durchschnittliche App dauert ca. zwei Monate, sonst bis zu sechs Monate. ➤ Fortsetzung auf Seite 9


Donnerstag, 21. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 8 Cafe BE: Eine App veröffentlicht zu haben, ist der erste Schritt. Aber dann fängt in Wahrheit die Arbeit erst an. Userfeedback, Konkurrenzbeobachtung, Forderung der Nutzer nach Updates, nach der iPhone-App die Android-App. Nimmt man das externe Feedback ernst oder sollte man sich selbst einen Plan zurechtlegen? Schodits: Also auf die User hören ist immer wichtig, auf die Bewertung des AppStore zu schauen, schon weniger, weil dort eher das Design als die Usability zählt. Aber es ist richtig, die wirkliche Entwicklungshölle fängt an, wenn die App gelauncht ist. Nämlich mit der Frage, wie mach ich mich so wichtig, dass meine App täglich als erstes aufgerufen wird. Das ist das eigentliche Brainwork, wo ich auch noch gar nicht zufrieden bin mit dem was wir tun. Wir arbeiten z.B. viel daran, die Öffnungsrate/Wiederkehrrate zu erhöhen. Oder wo ich spezifisch frage, was sind die Funktionen einer Webseite, die ich täglich brauche und was sind die Highlights, die bringe ich dann in eine eigene App. Da habe ich dann wirklich einen Shortcut.

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man die Aufmerksamkeit des Kunden gewinnt, in dem man durch die App – und das ist aus unserer Sicht ihr grösster Vorteil - auf der Startseite des User-Handys steht und das Logo als Branding-Effekt ist dann endlich wieder zwanzig mal am Tag sichtbar. Cafe BE: Herr Ulm, Ihre Updatestrategie? Ulm: Wir wollen alle sechs bis acht Wochen etwas Neues bieten. Es ist also etwas anderes, als Kontostand abfragen, sondern der Kunde soll aktive Geschäfte damit machen und das soll uns auch Geschäft bringen. Wir sind schon neugierig, was die Mitbewerber machen.

„Der App-Store ist auch Werbevertriebsfläche“

Cafe BE: Ich vergleiche das jetzt immer mit jener Goldgräberstimmung, die es vor knapp zehn Jahren im Netz Cafe BE: Bank Augegeben hat. Da war man mit einer Seite onstria ist zwar erst line und wenig später relativ kurz im Stowar die Ernüchterung re, aber in der kurzen Zeit ist bereits da: Wir haben eine Seienorm viel positite, jetzt müssen wir ves User-Feedback auch etwas dafür tun. gekommen (im Herr Schodits, wie Gegensatz zur App schaut das in Sachen der Erste Bank). Apps aus? Schodits: In der Regel Gibt es schon Pläne für Erweiterunhaben unsere Kunden Robert Ulm gen? nicht nur eine App, Rubik: Man muss sondern sie ist eher das sich natürlich auf das Publikum konzen- Beiwagerl. Und, wie gesagt, die eigentliche trieren: Was können die unterwegs wol- Entwicklungsarbeit beginnt dann, wenn len? Wie stifte ich Ihnen dafür einen Mehr- die App da ist. Und wenn ich mit Apps wert? Und man muss eher eine kurzfristi- wirklich eine grosse Reichweite erzielen ge Strategie fahren. Das wichtigste ist, dass will, müsste ich mindestens fünf Apps ha-

„Wir wollen alle sechs bis acht Wochen etwas Neues bieten“

Alexis Johann

ben. Das sind fünf Softwarepakete, die ich im Markt draussen habe, die von einer Schnittstelle bedient werden. Wenn ich etwas ändern will, muss ich das also fünfmal ändern, d.h. ich muss fünf Softwarepakete aktualisieren. Ich habe aber nicht die Sicherheit, dass sich jeder User das Update downloaded, d.h. in Wirklichkeit existieren dann zehn Versionen dieser Software und ich brauche eine Schnittstelle, die mit diesen 10 Softwarepaketen arbeiten kann. Wie sich das dann exponentiell hochrechnet, kann man sich vorstellen. Von da her ist ein Kunde, der nur Apps hat, in der Regel immer unglücklich. Und wir kennen da auch Beispiele, die den Browser komplett vernachlässigt haben, auf die App-Strategie gesetzt und jetzt kein Budget mehr für die Weiterentwicklung haben, weil die Wartung der Apps alles aufgefressen hat. Deshalb wird aus unserer Sicht die Lösung der Zukunft der Browser sein. Er ist extrem leistungsfähig, gerade im Medienumfeld kann er dasselbe wie die App. Und der Content, der im App drinnen ist, ist versteckt vor Google. Das heisst, jeder, der mich auf Google sucht, wird meine App nicht finden. Das sind nur einige wenige Gründe, die für einen Browser sprechen. Cafe BE: Die Frustration der Anbieter ist ➤ Fortsetzung auf Seite 10


Donnerstag, 21. April 2011

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nicht zielführend.

hoch, weil man in Wahrheit nur schwer alle Endgeräte bedienen kann. Ist es in Zeiten von HTML 5, CSS und dem, was Webbrowser mittlerweile können, noch notwendig, native Apps zu bauen?

Cafe BE: Die zentrale Frage, die sich jeder App-Publisher stellt: Was kann ich finanziell damit erlösen? Welche Zeitspannen, denkt zB das WirtschaftsBlatt, sind für die Refinanzierung der Entwicklungskosten nötig? Johann: Produkte die wir launchen, müssen sich spätestens innerhalb von 12 Monaten refinanziert haben. Matthias Schodits In Wahrheit müssen sie einen Deckungsbeitrag abwerfen, Cafe BE: Kerngeschäft von Yoc neben dem der bei 30 Prozent liegt. Wir wissen, dass App-Bau sind Vertrieb und Marketing für der mobile Sektor da ambitioniert ist, weil Partner bzw. auch Ad-Server-Lösungen. die Entwicklung viel kostet und die Wer- Man liest hier von enormen Wachstumsbeformate kleiner sind, aber reaktiver. Dis- raten beim Erlöspotenzial – trifft das auch kussionen mit Kunden haben wir vor al- auf Österreich zu? lem bei einem: Sie sagen, wir kosten so Schodit s: Yoc ist in Europa der grösste viel und dann habt ihr auch noch so viel Vermarkter für Mobile-Advertising und in Werbung drinnen. Wie geht denn das zu- Deutschland und Spanien Marktführer. In sammen? Wenn ich etwas zahle, dann England sind wir unter den Top-Drei oder muss das auch werbefrei sein, das ist das Top-Vier und in Wahrheit sind wir auch Verständnis. Tatsächlich stecken wir die- in Österreich Marktführer. Im Endeffekt, se zusätzlichen Deckungsbeiträge dann so glauben wir, ist das der Geschäftsbeauch wieder in die Entwicklung rein. Wir reich, in dem in Zukunft das meiste zu hoerhöhen dadurch die Budgets und versu- len sein wird – digitale Mediaspendings chen bessere Produkte zu liefern. Wenn über den mobilen Kanal. In Österreich stedas gesamte Wettbewerbsumfeld sich än- hen wir oft noch vor der Herausforderung, dert, wenn z.B. Standard, Kurier und Pres- dass wir bei Unternehmen sind, die ihre se auf ihren Websites und Apps komplett mobilen Hausaufgaben – grundsätzlich werbefrei ist, dann müssen wahrschein- präsent zu sein – noch nicht gemacht halich auch wir etwas verändern. ben. Und da liegt auch das Wachstum. Die Unternehmen werden nach und nach Cafe BE: Wird die App aus der App be- mit mobilen Websites vertreten sein und worben oder über klassische Kanäle, sei dann besteht für sie auch das Bedürfnis, es Print oder Web? für diese mobilen Services Werbung zu Rubik: Zur Ergänzung noch zu dem, was machen. Noch etwas wird sich ändern. In Alexis Johann gerade gesagt hat: Da gab England zum Beispiel gibt es einen groses kürzlich eine Umfrage: 64 Prozent der sen Markt für Performance-Marketing, weil Befragten sagen, wenn ich für eine App die Werbung schon sehr gut klickt und bezahle, dann möchte ich keine Werbung sehr reaktiv ist. Die Premium-Formate, wo sehen. Zu Ihrer Frage: Ja, natürlich muss man gute TKPs (Tausender-Kontakt-Preis) die Werbung medienhomogen sein. Also zu erzielen versucht, gehen immer mehr unsere iPad-App wird auf dem iPad beworben. ➤ Fortsetzung auf Seite 11

Johann: Die ganz grosse Chance von Apps ist, wieder zum Kern des eigenen Produkts zurückzufinden. Ich finde z.B. Facebook (FB) viel schöner als App als auf der Website, wo ich so viele Popups und Elemente auf FB habe, die mich ablenken und stören. Auf der iPhone-App ist es dagegen so reduziert. Das ist wirklich die Chance, im Content-Design und im Usabilty-Design zu sagen, was ist der Kern meines Produkts und was ist der Kern des Endgerätes und wie mische ich die beiden zusammen. Das macht es zwar komplexer, aber vielleicht habe ich dann am Ende wirklich bessere Produkte, die besser zu den Menschen passen. Und das kann ich dann auch kommerzialisieren. Schodits: Das kann ich zu 100 Prozent unterstreichen. Ich möchte im Prinzip nicht lange herumsurfen, sondern auf Knopfdruck schnell das Wesentliche an Informationen haben. Aber das ist eigentlich eine Argumentation für einen mobilen Service, ob der dann als App- oder als Weblösung umgesetzt wird, ist eine technologische Entscheidung im Hintergrund. Dadurch, dass Browser schon so viel können, kann ich eben genau diese Usability, die mir eine App bietet, auch im Browser gewährleisten und das ist genau das, wo wir glauben, dass es hingeht. Ed tmay e r: Das Smartphone soll einen durch den Tagesablauf begleiten. Einerseits Information kurz in der Früh auf dem Weg zur Arbeit, dann wieder dazwischen. Ich glaube auch, dass eine App nicht alles abbilden soll, was auf der Website ist, sondern sie muss einen Mehrwert stiften. Also eher kurze und prägnante Funktionen, die es immer spannend machen. Cafe BE: Herr Rubik, ihr habt ja den Hybridansatz gleich von Beginn an gelebt. Denkt die Bank Austria noch an weitere Plattformen oder wartet man ab? Rubik: Wir beobachten und agieren kurzfristig. Langfristige Strategien sind da eher

„Die eigentliche Entwicklungsarbeit beginnt dann, wenn die App da ist“


Donnerstag, 21. April 2011

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macht wird. Ihre Meinung? Johann: In-app-purchases sind sehr simpel, daher glaube ich, dass das auch im in Richtung Rich Video und das sind DinContent-Bereich funktionieren kann. Und ge, die wir Mitte des Jahres auch in Österich bin ein Freund des Outsourcens. reich einführen werden. Wir werden verEdtmayer: Es macht bei grossen Firmen stärkt auf Rich Video-Formate setzen, um für einen Kunden, der Sinn, die Appeinen guten TKP beEntwicklung inzahlt, auf dem mobihouse zu malen Endgerät mehr zu chen, aber nicht haben, als einen kleibei kleinen Unnen Banner. Es sollte ternehmen. Das vielmehr Werbung ist ja auch eine sein, die sich bewegt Kostenfrage, und einen grösseren denn die guten Eindruck beim User Leute wissen, hinterlässt. was sie verlangen können. Cafe BE: CMC MarSch odit s : Bekets hat eine englische züglich AppMutter und den VorEntwicklung inteil, dort in den Markt house, das behineinhören zu köngegnet uns eher nen und die Erfahim Bankenberungswerte weiterzureich, wo es um geben. Herr Ulm, ist sensible Daten Österreich noch ein geht. Zu den In„mobiles Entwickapp-purchases: Cafe BE digital (v. li.): A. Johann (WirtschaftsBlatt Digital), W. Rubik (Bank lungsland“? Das ist für viele Austria), L. Edtmayer (Tailored Apps), R. Ulm (CMC Markets), M. Schodits (Yoc) Ulm: Das will ich jetzt Branchen sicher ein interessantes so nicht sagen, das hat natürlich immer mit der Grösse und wir werden jetzt gezwungenermassen die- Thema, wie zum Beispiel in der Spieleden finanziellen Mitteln des Marktes zu ses System launchen. Man wird uns bald branche. Der Erfolg liegt ja darin, das es tun. Wir versuchen diese mobile Werbung auch im App-Store kaufen können, was einfach zu bezahlen ist und man es nicht jetzt vorerst in Deutschland auf den Sei- man bisher nicht kann. Ich bin ganz si- spürt. Das Wirtschaftsblatt zB mit seinem ten von Onvista durchzuführen. Wir ge- cher, dass die meisten trotzdem über uns Unique Content, da ist der User auch behen aber auch den anderen Weg, mit iPho- agieren werden und nicht über den App- reit, etwas zu bezahlen. ne- und iPad-App die Apple-User anzu- Store. Aber es ist in Ordnung, wenn beisprechen und die auch als Kunden zu de Vertriebssysteme parallel laufen – das Cafe BE: Die drei Lieblings-Apps? Johann: Wall Street Journal, Facebook gewinnen. Aber ich sehe das auch so wie beste soll gewinnen. Herr Schodits, hier muss die Werbung (FB), Twitter. Cafe BE: Denkt die Bank Austria darüber Rubik: Dienstlich schaue ich mir alle an, mehr sein als nur ein Banner. nach, Teile der Apps kostenpflichtig zu privat nichts. Cafe BE: Ein viel diskutierter Punkt der machen? Sch odit s: Safari, Google Maps, Dropvergangenen Wochen war der, dass App- Rubik: Nein, das ist auch Produktstrate- box/FB. le quasi alles diktieren kann und auf App- gie, mit dem habe ich nichts zu tun. Mei- Ulm: Handelsblatt, FB, KonkurrenzbeobVerkäufe 30 Prozent Provision kassiert. Ist ne persönliche Meinung ist, dass die User achtung. diese „70: 30“-Erlösteilung gerechtfertigt? mittlerweile einfach gelernt haben, dass Edtmayer: Safari, Mail, FB. Johann: Ja, ich finde das absolut gerecht- mobile Services gratis sind - und das wird BE: Teletext, FB, BE. fertigt, denn sonst würde ich mein eige- auch nicht mehr zu ändern sein. nes Geschäft auch nicht rechtfertigen könDiskussionsleiter: Josef Chladek nen. Wir liefern Werbepartnern auch neue Cafe BE: Zwei Trends zeichnen sich ab: Redaktion: Christa Grünberg Kunden und verlangen dafür auch ein Zusätzliche Erlöse durch in-appFotos: Franz-Josef Galuschka Geld. Und wenn man es so sieht, dann ist purchases einerseits, und andererseits, dass der App-Store auch Werbevertriebsfläche. die Entwicklung verstärkt in-house gehttp://www.boerse-express.com/cafebe ➤ Fortsetzung von Seite 10

Was bei Apple nicht in Ordnung ist, dass sie diktieren, welche Preissetzungen ich dort machen kann und wie der Ablauf (z.b. wie lange Tests dauern dürfen) funktioniert. Aber 30 Prozent finde ich sehr fair für ein gutes Vertriebssystem. Und auch


Dienstag, 26. April 2011

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Cafe BE: Talkrunde zu Erneuerbarer Energie, der Zukunft, Chancen und Risken

„Das bessere Immobilien-Investment“ Im Cafe BE (v. li.): Werner Albeseder (Prime Communication), Peter Maierhofer (WM Maierhofer), Michael Sponring (PwC), Cornelia Daniel (www.oekoenergie-blog.at), Michael Richter (Sonneninvest)

25 Jahre nach Tschernobyl und im Jahr 0 nach Fukushima talkt eine Expertenrunde etwa über Gründe, warum Österreich in Sachen Erneuerbare Energie kein Vorreiter ist. Cafe BE: Seit Fukushima sagen wir alle Ja zu alternativer Energie. Aber ist das nicht mehr Schein als Sein, reines Wunschdenken? Cornelia D aniel: Fukushima hat aufgezeigt, was passieren kann. Mein Wunschdenken wäre, dass in die Energieszene Kostenwahrheit einzieht. Es sind in den billigen Energien viele externe Kosten nicht eingerechnet, vor allem bei fossilen Energieträgern und der Atomenergie. Die günstigste Kraft ist Wasserkraft, aber auch dort muss Kostenwahrheit hinein. Es darf nicht gebaut werden, was den meisten Ertrag

bringt, sondern den wenigsten Schaden an der Umwelt anrichtet – das geht natürlich auf Kosten der Rentabilität. Für mich ist Photovoltaik so etwas wie die Volksenergie. Es ist die einzige Energie, die jeder Unternehmer oder Haushalt für sich nutzen kann. Michael Richter: Deshalb bläst der Fotovoltaik in Österreich ja so der Wind ins Gesicht, weil es nicht im Interesse der etablierten Stromerzeuger ist, dass jeder am Dach seinen eigenen Strom produziert.

Volksenergie klingt ein bisserl wie Volksaktie, mit der wir nicht immer die besten Erfahrungen gemacht haben – glauben Sie an die Wende? Werner Albeseder: Langfristig ja, aber es wird dauern. Die Stärke, die wir Gott sei Dank in der Wasserkraft haben, wird leider gern als Ausrede verwendet, dass wir alternative Energiequellen nicht entsprechend fördern und forcieren müssen, wie

teilweise in anderen Ländern. Auch die jetzt in Vorbereitung befindliche Ökostromnovellen ist … Richter: … ein Witz ... Albeseder: … kann man sagen, richtig – sie geht jedenfalls am Ziel vorbei. Ich glaube dass es gut wäre, die dezentrale Wirkung der Erneuerbaren Energie zu fördern, da es auch dem Prinzip der Selbstverantwortung des Menschen entspricht, sich mehr auf die eigene Energiegewinnung zu konzentrieren. Vom Konzept her ist es eine gute Sache, die in der Politik viel zu wenig Unterstützung findet. Michael Sponring: Areva hat bereits im Vorjahr, also vor Fukushima, um 200 Millionen Dollar einen US-Entwickler für thermische Solaranlagen gekauft. Das heisst, es gibt bereits ein Umdenken. Einige Unternehmen haben erkannt, dass ➤ Fortsetzung auf Seite 6


Dienstag, 26. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 5 es so umwelt- und sozialpolitisch so nicht weiter geht. Wir verzeichnen auch im Bereich Energie Effizienz, etwa Facility Manager, steigende Anfragen. Das ist ein Trend, der so weitergehen wird. Es wird künftig sicher einige Atomkraftwerksbetreiber geben, die sich á la Zwentendorf Erneuerbare Energien auf ihre Dachflächen setzen.

Wie ist die Nachfrage bezüglich Erneuerbarer Energie-Fonds? Peter Maierhofer: 2009 haben wir das erste Retailprodukt zu Erneuerbare Energie, einen geschlossenen Fonds, in Österreich platziert. Wir haben aufgrund der Ereignisse verstärkt Anfragen, welche Anlagemöglichkeiten es im Bereich Erneuerbare Energien gibt, und bringen in den kommenden Wochen zwei neue Produkte: ein Fotovoltaikprojekt mit Italien mit etwa 15 MW und einen Portfoliofonds Wind, Wasser und Fotovoltaik. Man braucht für solche geschlossenen Fonds aber immer erst das Asset - ein Asset das sich rechnet. Kurz zur Trendwende. Ich wäre froh, wenn wir weltweit so weit wären wie in Österreich, nämlich 80 Prozent des Stroms aus Wasserkraft zu erzeugen. Eine Trendwende brauchen wir in Österreich somit eigentlich nicht, da sind wir auf dem wichtigen Weg. Richter: ...da spielen Sie aber sehr in die Argumentation der Politiker, da muss man aufpassen … Maierhofer: … nicht falsch verstehen. Die Wasserlobby ist viel zu stark, dreht alles andere ab, was der falsche Weg ist. Es ist gut, dass wir bereits soviel aus Erneuerbarer Energie gewinnen, aber man sollte deshalb Wind und Photovoltaik nicht vernachlässigen und entsprechende Massnahmen setzen. Zur Zukunft: Erinnern Sie sich an das erste Autotelefon vor 15 Jahren! Es war ein riesiger Kasten, hat ohne Stromversorgung exakt fünf Minuten funktioniert und hat soviel gekostet wie ein kleines Auto. Heute bekommt man es zum Auto dazu ge-

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schenkt. Wir sind bei der Erneuerbaren Energie in einer ähnlichen Situation – vor vier, fünf Jahren war sie noch teuer. Richter: Die Frage ist, was in einem Jahr vom aktuellen Hype überbleibt. Denn was haben wir aus der Katastrophe im Golf von Mexiko gelernt – zusammengefasst kann man wohl Null sagen.

„In Österreich wird das Thema Venture Capital total vernachlässigt“

Ma ie rh ofe r: Ich habe dazu kürzlich einen Bericht im TV gesehen: Die Strände sind mittlerweile wunderschön - weil dort rund um die Uhr geputzt wird. BP ist überhaupt so eine Perversität in sich. Die haben vor einigen Jahren das Logo verändert und sind einer der grössten Investoren im Bereich Erneuerbare Energie, haben auch den Trend erkannt, dass fossile Brennstoffe nicht für die Ewigkeit sind und haben sich ein zweites Standbein geschaffen. Richter: Was nicht alle erkannt haben. Wir brauchen nur nach Österreich schauen. Was es einmal kosten wird, das Gelände der OMV in einen normalen Zustand zu versetzen, da werden Beträge notwendig sein, mit denen noch Generationen zu tun haben. Das ist wie mit alten AKWs. Wenn das einmal abgeschaltet ist, was in Deutschland bereits der Fall war, sind noch Jahre später zig Leute dort beschäftigt – in Japan hätte man auch gerne einfach abgedreht, der Schalter ist aber nicht so einfach umzulegen.

Werner Albeseder

hängt mit der Gier der Energieversorger zusammen. Die haben nur Interesse gehabt, Milliarden an Dividenden auszuschütten, haben sehr, sehr wenig für die Netze gemacht und behindern auch noch die Durchleitung. Sponring: Das ist ein bisserl anders. Die Regulierungsbehörde lässt nur eine gewisse Verzinsung zu. Daher haben sich etwa E.ON und RWE bereits von ihren Übertragungsnetzen getrennt, bei Vattenfall laufen die Verkaufsverhandlungen.

Wie sieht es in Österreich mit Venture Capital für den Bereich Erneuerbare Energien aus?

Sponring: Bei den Smartgrids sind noch Milliarden an Investitionen notwendig – die Wende wird kommen, aber noch länger dauern ...

Albeseder: Wichtig wäre es, die technologische Weiterentwicklung in der Erneuerbaren Energie stärker zu forcieren – de faco gibt es in Österreich aber kein Venture Capital für junge Technologien. Daher sind die Entwickler auf Family & Friends und gewisse Förderungen angewiesen. Damit ist in der Regel aber ein Produkt nicht auf den Markt zu bringen. In Österreich wird das Thema Venture Capital total vernachlässigt. Wir hätten genug Brain-Potenzial, können heimische Unternehmen aber nur mit ausländischem

Richter: ... dass die Netze so schlecht sind,

➤ Fortsetzung auf Seite 7


Dienstag, 26. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 6 Venture Capital versorgen – hier besteht Handlungsbedarf. Die Lösung besteht darin, dass man Rahmenbedingungen schafft, die es für Stiftungen und Family Offices attraktiv machen, in junge Technologien zu investieren. Es wird Ausfälle und Konkurse geben, das ist bei jungen Technologien so – aber man kann die Investments durchaus so streuen, dass sie für den Anleger interessant sind. Je früher wir die Technologie weiterentwickeln, desto früher erreicht man die entsprechende Preisdegression. Richter: Es wäre aber auch wichtig, den Etikettenschwindel zu beenden. Es gibt Stromanbieter, die mit 100 Prozent grün werben. Das funktioniert ganz einfach: Man kauft sich den billigsten Atomstrom plus entsprechende Zertifikate und schon ist es grüner Strom – das weiss die Allgemeinheit aber nicht. So einen ähnlichen Schwindel gibt es bei AKWs. Es ist zwar seit den 80er-Jahren nicht mehr erlaubt, Atommüll in Fässern im Meer entsorgen. Es ist aber bis heute erlaubt, Atommüll ins Meer abzulassen, wenn auch nicht stark verstrahlten. Darum stehen ja so viele Atomkraftwerke in der Nähe des Meeres. Wenn das der Allgemeinheit bekannter wäre, gäbe es diese Thematik gar nicht. Sponring: Ein anderes Beispiel sind gibt die klassischen Atomstrompumpspeicherkraftwerk-Verträge. Da kommt jetzt ein Umdenken, die Tiwag etwa ist kürzlich erst daraus ausgestiegen. Dass man etwa Pumpspeicherverträge nicht mehr mit AKW-Verträgen tauscht, sondern zum Beispiel mit norddeutscher Windkraft – die geht bei Tag und Nacht.

Wie beurteilen sie das österreichische Fördersystem? Richter: In Österreich haben wir so etwas, was ich eine dumme Förderung nenne. Es ist ein Blödsinn, wenn ich 30 bzw. früher 50 Prozent der Kosten zahle. Nach Fukushima hat der mittlerweile Ex-Minister Pröll gesagt, dass wir etwa in Niederösterreich so toll fördern.

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Man hätte ihm vielleicht sagen sollen, dass sein Onkel die 50-ProzentFörderung in Niederösterreich am 31. 12. abgedreht hat. Die Leute können jetzt beim Klimaschutzfonds um 30 Prozent ansuchen, wobei der Topf sehr schnell weg ist. D an i el: Die Investitionsförderung an sich ist ein Blödsinn, da sie auf den Marktpreis nicht eingeht.

„Beim Thema Förderung wird immer vergessen, dass der Nutzen für das Land höher ist als die Förderung“

R icht er: In Italien gibt es einen fixen Preis, der auf den normalen Strompreis aufgeschlagen wird. Maierhoffer Wir haben in Europa ein EEG (Erneuerbare Energie Gesetz), nur in Österreich nicht. Warum? Da ist die Wasserkraftlobby zu stark. Das EEG sagt nichts anderes als „wir fördern diese Technologie, reduzieren aber jedes Jahr die Einspeistarife“, damit wird die Industrie motiviert, günstiger zu produzieren, das war beim Handy genauso. Langfristig muss sich die Energie-Investition mit fünf bis sechs Prozent verzinsen, wie auch eine Immobilie. Richter: Wir orientieren uns immer an gewissen Vorgaben, sagt etwa, man will 20 GW Erneuerbare Energie bis 2020 haben, was spricht aber dagegen, wenn es 50 GW sind? Als Investor muss man immer unterschiedliche Rechtsvorschriften beachten. In Deutschland etwa ist man 100-Prozent-Eigentümer des Daches. Da ist es egal, wenn der Besitzer der Immobilie darunter Pleite ist, in Italien ist das anders. Ausserdem gibt es dort bürokratische Hürden, die gewaltig sind. Albeseder: Wir beobachten weiter sehr grosse Nachfrage nach Investionen in Er-

Michael Richter

neuerbare Energien in Italien. Dort ist aber mittlerweile die Finanzierung das Problem, die Banken stehen etwas auf der Bremse. Der neue Einpeisetarif - monatliche Absenkung des Tarifs plus eine Dekkelung - macht die Kalkulierbarkeit von Projekten sehr schwierig. Richter: Deckelungen haben immer das Problem, dass sie nie erreicht werden. Denn es traut sich keiner, etwas zu planen, wenn er nicht weiss, wann der Deckel erreicht ist. Daniel: Degressionen sind durchaus sinnvoll, aber ohne Deckelung. Richter: Es werden Öko-Gesetze präsentiert, und jeder, der sich nicht auskennt, hat den Eindruck, dass da ohnehin etwas gemacht wird. Maierhofer: Viele wissen auch nicht, dass wir von der Politik her Erneuerbare Energien behindern, aber um Milliarden CO2Zertifikate kaufen. Würde man diese Beträge in Erneuerbare Energien investieren, wären diese sinnvoller eingesetzt und man hätte etwas für die Umwelt getan.

➤ Fortsetzung auf Seite 8


Dienstag, 26. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 7

Was wäre in Österreich ein sinnvoller Förderbetrag, sagen wir auf 20 Jahre, um für Investoren interessant zu sein?

Vorausgesetzt, ich habe lange Nutzungszeiten. Unter dem Strich ist es die beste Energie-Investition.

In welche Richtung steuern die Investments?

„Würde mir wünschen, dass die volkswirtschaftliche Betrachtungsweise mehr in die Politik Einzug hält“

Sponring: In erster Linie geht es bei Investments um Wasserkraft, da haben wir Anfragen wie noch nie. Deshalb steigt auch der Preis. Es ist oft unglaublich, was pro MW gezahlt wird, das kann sich nie rechnen. Danach kommt Wind. Da glaubt man bereits, dass sich die Leute auskennen und daher nachhaltig eine gewisse Rendite erzielen. Was wir aber sehen, ist, dass es extrem viele Gruppierungen bzw. One-man-Shows gibt, speziell im Fotovoltaik-Bereich, die glauben, dass sie bereits die Profis sind. Beschäftigen sich ein paar Monate mit der Materie und kommen dann mit irgendwelchen Zetteln daher, wo ich als seriöses Unternehmen eigentlich die Finger davon lassen muss. Es ist oft ein Wahnsinn, was teilweise an Projekten präsentiert wird. Es will immer jeder von Beginn etwas verdienen. Zuerst war es der Wind, jetzt ist es die Fotovoltaik. Manche haben es mit Biomasse versucht. Die haben jetzt das Problem, dass ihnen die Rohstoffpreise davon galoppiert sind.

Cornelia Daniel

Für einen Berater ist das nicht schlecht ... Richter: Die Branche wäre schon dankbar, wenn man sich an Deutschland orientieren würde. Über 20 Cent würde man sich sicher freuen. Es ist heute kein Problem, eine kleinere Gemeinde rein mit Fotovoltaik über eine Fläche von 2,5 Hektar zu 100 Prozent energieautark zu versorgen, am besten kombiniert mit einem mittelgrossen Windrad. Sponring: Es geht nicht nur um Förderungen. Wasserkraft ist à la longue die günstigste Energieform.

Sponring Für uns ist das natürlich toll, weil es immer wieder etwas zu restrukturieren gibt und unsere Beratertätigkeit gefragt ist. Es ist gut, dass sich Unternehmen mit der Materie beschäftigen. Die kommen etwa zu uns und sagen, wir brauchen neun GWh und wollen das im Ausmass einer Investition selbst erzeugen und im Nachhaltigkeitsbericht ausweisen können. Der Ansatz, mit dem in solche Projekte eingestiegen wird, ist oft katastrophal, was aber gut für den Beratungsaufwand ist.

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Wenn ich kurz zusammenfassen darf: Erneuerbare Energie ist etwas teurer und wir reden von einzelnen Entwicklungen etwa in Italien oder Österreich. Können sich einzelne Länder den Weg Richtung 100-Prozent-Erneuerbarer überhaupt leisten? Maierhofer: … Es gibt EU-weite Ziele ...

… sprich, kann sich die Industrie teureren Grundlaststrom im Wettbewerb überhaupt leisten ... Daniel: ...Das wäre nur kurzfristig ...

... aber auch kurzfristig kann ich tot sein. Und es wurde gesagt, nicht jeder Projektentwickler kennt sich aus. Was heisst das auch für Anleger? Maierhofer: Für den „normalen“, kleinen Retailkunden, der in den Bereich investieren und legitimerweise auch verdienen möchte, bewegen wir uns nicht in Österreich. Da bewegen wir uns in Deutschland, Italien, Spanien, aber auch etwa Slowakei. Dort kann man investieren und Rendite machen. Daher muss man auch die Länder einzeln betrachten. Sponring: Es wäre trotzdem vielleicht vernünftiger, sich in Österreich wieder mehr auf die Wasserkraft zu besinnen, da ich etwa in Spanien für die Fotovoltaik bessere Voraussetzungen habe, und damit die bessere Rentabilität. Richter: Was will man über die Rentabilität von Fotovoltaik diskutieren, wenn man ein Einfamilienhaus nur damit beheizen kann? Daniel: Man weiss etwa in Italien noch gar nicht, wie lange die Module die Hitze aushalten. Das ist in Österreich sicher länger, womit wir beim Thema Langfristigkeit wären. Richter: 30 Jahre wird für die Module sicher möglich sein, auch in Italien. Was problematischer sein könnte, sind Standorte in wüstenähnlichen Gegenden. ➤ Fortsetzung auf Seite 9


Dienstag, 26. April 2011

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Ma ie rh ofe r: Auf Projektebene braucht man eine höhere Rendite, das ist klar.

sechs Prozent derzeit sehr zufrieden. Es gibt auch private Anleger, die unter 25 Prozent nichts anrühren. Die 25 Prozent wird er in einer normalen Anlage nicht bekommen können. Aber als Zwischenfinanzierer in einer Bauphase kann er das mitunter erhalten. Vor allem, wenn sich die Banken bei der Finanzierung nobel zurückhalten. Und natürlich geleveragt. Denn eine Projekt rendite von 25 Prozent ist ohnehin nicht möglich. Kurz zum Vergleich mit der Immobilie: Tatsächlich sind Investments in Erneuerbare Energie, in Infrastruktur, mit Immobilien vergleichbar. In Österreich wurde die Althaussanierung über steuerliche Anreize gefördert. Die ganzen Bauherrenmodelle, an denen sich Heerscharen von Managern und Zahnärzten beteiligt haben, zeigten durchaus einen volkswirtschaftlichen Nutzen. Vergleichbares gibt es in Österreich im Bereich Erneuerbarer Energien nicht. Wohl aber in Dänemark, wo man 25 Prozent Sonderabschreibung bekommt, wenn man sich an einer Solaranlage beteiligt. Und zwar überall, das muss nicht in Dänemark sein, solange die Anlage kleiner als 1 MW ist. Deshalb gibt es im Moment einen Drang der Investoren nach Italien, da diese dort gute Möglichkeiten sehen. Das wäre ein Modell, das man in Österreich auch einsetzen könnte, um privates Anlegerkapital zu lenken. Diese Möglichkeit wird nicht wahrgenommen.

Welche Renditen erwarten eigentlich Investoren, wenn Sie zu Ihnen kommen. Oder ist das gar kein Thema?

Haben rückläufige Förderungen bzw. die Finanzkrise etwas an der Finanzierungsart für EE-Projekte verändert?

Albeseder: Die Rendite ist ein grosses Thema. Kommt aber auch auf die Art des Investors an. Pensionsfonds sind mit fünf,

Sponring: Beim Finanzieren muss man vielleicht umzudenken anfangen, wie 2004/05 bei der Windkraft. Damals sind

➤ Fortsetzung von Seite 8 Ein Sandsturm ist für die Technik nicht gut. Wir betreiben in Mitteldeutschland ein sieben Jahre altes Photovoltaikkraftwerk und hatten bisher praktisch keine Verschleisserscheinungen.

Welche Rolle wird China in dem Markt spielen und was heisst das für zu erwartende Renditen im Bereich der Erneuerbaren? Maierhofer: Wir dürfen nicht vergessen, dass sich China die Technologie in Deutschland gekauft hat. Dort ist es kein Thema, ein Werk mit zwei Kilometer Länge hinzustellen, in Europa haben wir die Baufläche dazu gar nicht, China produziert in ganz anderen Mengen. Ich vergleiche das mit dem Handy. Vor zehn Jahren war es unerschwinglich, heute bekommt man es geschenkt. Auch Solarmodule etc. werden billiger und wir müssen uns auch einmal auf normale Renditen zurückbesinnen. Wir haben jetzt etwa deutsche Produkte mit einer Nettorendite von zehn, elf Prozent. Das ist eine richtig gute Rendite. Wir müssen uns zurückbesinnen auf normale Renditen wie bei einer Immobilie. Wenn ich dort vier Prozent verdiene super, das wird auch bei Erneuerbaren Energien in ein paar Jahren so sein. Richter: In Deutschland sehen wir derzeit Renditen von 8,0 bis 8,5 Prozent. Und die braucht man auch im Projektmanagement, sonst wird kein Entwickler etwas anfassen. Wenn sich das Vergütungskarussell weiter so schnell wie derzeit nach unten bewegt, wird es für Unternehmen schwierig werden, in ein zwei Jahren noch Renditen vorzufinden.

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„Es ist ein Wahnsinn, was teilweise an Projekten präsentiert wird, vor allem in der Photovoltaik“ Michael Sponring

die Investoren zu den Banken gegangen und haben gerade mal fünf Prozent Eigenkapital aufgebracht. Und dann vielleicht noch ein Beteiligungsmodell auf 5000 Euro mit Abschichtung aufgelegt. Heute laufen dieselben Investoren herum und klagen, dass die Banken 30 Prozent Eigenkapital fordern. Da kann ich nur sagen: Früher hat man auch gespart und sich dann etwas gekauft. Diese extremen Leverages sind nicht ungefährlich. Richter: In Deutschland gab es sogar Projekte mit Null Prozent Eigenkapital. Es hat aber kein einziges dieser Projekte zerlegt. Aber es gibt in Deutschland heute keine Bank, ausser vielleicht für Bestandskunden, die unter 20 Prozent macht. An sich ist man in Deutschland auf Bankenseite dem Thema viel aufgeschlossener als in Österreich. Da gab es in Süddeutschland Bankberater, wenn zu denen ein Kunde kam und einen Bausparvertrag wollte, fragte er ihn, ob er nicht ein Dach hat – da gibt es zehn Prozent Rendite.

Sonstige Neuerungen bei der Finanzierungsart? ➤ Fortsetzung auf Seite 10


Dienstag, 26. April 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE zu, da die Einspeistarife jetzt in Italien sinken. Richter: In Österreich haben die Leasinggesellschaften dieses Geschäft nicht erkannt.

Warum soll ich jetzt ein Solarmodell kaufen bzw. in eines investieren, wenn ich es in zwei Jahren günstiger bekomme? Sponring: Weil bis dahin der Tarif gefallen ist.

„Wir müssen uns auf normale Renditen zurückbesinnen, wie bei einer Immobilie“ Peter Maierhofer

Sponring: Leasing ist ein Thema, das ich für interessant halte. Es gibt eine italienische Bank, die sich darauf spezialisiert hat. Sie verspricht die Auszahlung der Gelder binnen zwei Wochen, damit habe ich aber noch keine Erfahrung gemacht. Leasing ist vor allem für kleinere Projekte, die 1 bis 2 MW-Anlagen, ein Weg. Maierhofer: Für die Bank ist Leasing angenehmer, sie ist Eigentümer des Parks, auch wenn der Betreiber aus irgendwelchen Gründen Pleite gehen sollte. Wenn man gut kalkuliert hat, macht man seine Rendite, für die Bank ist es daher fast ein Null-Risiko. Albeseder: Das Thema Leasing wird bei allen italienischen Grossbanken mittlerweile forciert. Ich habe den Eindruck, dass die entsprechenden Anträge gegenüber Kreditanfragen vorgereiht werden. Eben da die Bank eine höhere Sicherheit hat und mehr verdient. Die Bearbeitungszeit ist ein wesentlicher Aspekt, denn jeder Projektentwickler will sein Projekt immer möglichst rasch durchziehen. Noch da-

R ich ter: Ich vergleiche das mit einer angekündigten Zinssenkung. Wenn man weiss, dass eine kommt, ist es besser, sich noch den höheren Zinskupon zu kaufen. Und auf Erneuerbare Energien kann man nur bullish sein, da wir alle miteinander keine andere Alternative haben. Investments in den Bereich sind Investments in die Zukunft und bringen eine Rendite, die über jener von Bausparen oder ähnlichem liegt.

Es gibt aber auch das Problem leerer Staatskassen. Wer soll den Umstieg zahlen? Es gab kürzlich bei Börse am Sonntag eine Umfrage - das Resultat: Mehr zu zahlen für grünen Strom kommt für 59 Prozent nicht in Frage. Das sind aber dieselben Leute, die in Solaraktien investieren ... Maierhofer: Die Kassen der Staaten sind nicht leer, da sie fördern. In Deutschland etwa gibt es das Umlageverfahren. Was in Erneuerbaren Energien gefördert wird, wird ohnehin auf die breite Masse umgelegt. Sponri ng: Der Konsument merkt nicht wirklich, dass er mehr zahlt, da die Aufschläge im Preis versteckt sind. Albeseder: Aus der Sicht des Investors ist jetzt der richtige Zeitpunkt, da die Renditen attraktiv sind und wahrscheinlich bleiben werden, möglicherweise aber mit sinkender Tendenz. Im Hinblick auf den erhöhten Stromverbrauch, den wir auch in

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den westlichen Industrieländern haben werden, wird sich insgesamt ein Investment in Erneuerbare Energie für jeden Anleger auf längere Zeit rechnen. Maierhofer: Erneuerbare Energie haben den Riesenvorteil der Kalkulierbarkeit. Die Sonne etwa hat über Tausende von Jahren eine Schwankungsbreite in der Strahlung von wenigen Prozent. Und ich habe eine Technologie, die 30 bis 40 Jahre ohne Wartung hält. Die Photovoltaik ist eigentlich das bessere Immobilieninvestment. Denn das muss ich nach zehn Jahren wieder herrichten. Bei einer Anlage, die die ersten drei Jahre nach Plan läuft, ist es fast auszuschliessen, dass die nächsten zehn Jahre etwas ausser Plan läuft. Al bes eder: Und ich habe nie ein Leerstandsrisiko wie bei der Immobilie. Sponring: Bei der Wasserkraft wäre das natürlich noch besser, da der Erneuerungszeitraum bei bis zu 70 Jahren liegt. Und der Grossteil der Kosten sind die Errichtungskosten. Mai e rh ofe r: Im Gegensatz dazu steht Wind. Da hat man oft zwei, drei schlechte Jahre, dann wieder gute Jahre. Richter: Eine Windkraftanlage oder Photovoltaikanlage zu betreiben, ist im Gegensatz zu Biomasse fast schon simpel. Dort habe ich ja die Rohstoffabhängigkeit - ich bewundere immer die Leute, die sich in ein 20jähriges Investment stürzen, wo sie von Rohstoffen abhängig sind.

Österreich als Land der Wasserkraft - Warum gibt es hier keine Wasserkraftfonds, wenn das Interesse so gross ist? Sponring: Würde es geben, wenn es attraktive Anlagen gäbe, die man hineingeben könnte. Aber wir haben derzeit Preise, da schlackert man mit den Ohren. Und wem Anlagen gehören, der bleibt oft auch in seinem Investment drinnen, deshalb ist der Markt komplett illiquid. Keiner weiss, wohin der Strompreis geht. Anzunehmen ist, dass er steigt. Wer investiert ist, für den ist das eine tolle Sache. ➤ Fortsetzung auf Seite 11


Dienstag, 26. April 2011

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„Öko“-Runde im Cafe BE (v. li.): P. Maierhofer, W. Albeseder, C. Daniel, M. Richter, M. Sponring

Auch wenn das Leben keine Wunschveranstaltung ist, was wäre denn ein Wunsch Ihrerseits?

Richter: Beim Thema Förderung wird immer vergessen, dass der Nutzen für das Land höher ist als die Förderung.

Albeseder: Ich würde mir wünschen, dass es in Österreich zur Schaffung und Absicherung langfristiger Rahmenbedin gungen kommt. Derzeit besteht noch ein riesiger Handlungsbedarf. Dazu gehören steuerliche Rahmenbedingungen neben Investitionsförderungen und den Tarifen. In Summe sehe ich Investments in Erneuerbare Energien als interessante Alternative zu anderen Investments. Man sollte es durch die Schaffung von Rahmenbedingungen schaffen, dass österreichische Investoren auch in Österreich investieren können. Derzeit fliessen erhebliche Anlegergelder ins Ausland. Venture Capital ist auch mein Anliegen: Dass man bei uns bessere Voraussetzungen schafft, auch für Fondsstrukturen.

Maierhofer: Für 2009 gibt es aus Deutschland Zahlen. 5,5 Milliarden wurden an Förderungen investiert, die Umweltrentabilität lag bei 6,5 Milliarden.

Daniel: Ich würde mir wünschen, dass die volkswirtschaftliche Betrachtungsweise in der Politik mehr Einzug hält.

Richter: Auf meiner Wunschliste ganz oben steht ein Ökostromgesetz, das den Titel auch verdient. Sponring: Auch vernünftige Rahmenbedingungen in den Bearbeitungszeiten, nicht wie derzeit jahrelange UVPs. Es muss alles schneller gehen. Und noch eines: Immer die, die „ich bin bei Atomstrom auch dagegen“ schreien, sind auch gegen den Ausbau der Wasserkraft. Dort müsste man überspitzt formuliert eigentlich die Steckdose abmontieren. Maierhoffer: Ein schönes Beispiel, das ich einmal gehört habe: „Wir fahren alle Autos, die meiste Zeit über stehen sie aber sinnlos in der Gegend herum, 80 Prozent der Zeit.

Man ist heute in der Lage, Fotovoltaiksolarmodule als Folie zu produzieren. Warum nicht in die Innenstadt damit fahren, keinen Kurzparkschein ausfülln, sondern das Auto ans öffentliche Netz anstecken? Wir können einfach vorhandene Flächen, Gebäude etc. viel effizienter nutzen, ohne dass hektarweise landwirtschaftliche Flächen verbaut werden. Es ist auch für den Investor eine gute Story. Alles, was in Japan passiert, ist eine Momentaufnahme, da gibt es einen kurzfristigen Hype – aber die Wasserkraft-, Atom- und Erdöllobby ist sehr stark. Wir reden alle vom 3-Liter-Auto und wann wir es endlich bekommen – Porsche hat es bereits entwickelt, es steht aber seit den 60er-Jahren im Museum. Richter: Den wirklichen Durchbruch wird die Fotovoltaik in Österreich erst schaffen, wenn möglichst viele Bundesländer vorschreiben, dass sich jeder, der ein neues Haus baut, etwa Solarthermie dabeihaben muss. Diskussionsleiter: Robert Gillinger Fotos: Franz-Josef Galuschka


Montag, 9. Mai 2011

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Der Vorstand des Zertifikate Forum Austria steht im Cafe BE Rede und Antwort

Was der Zertifikate-Verband auf der Agenda hat

Im Cafe BE (v. l.): Frank Weingarts (UniCredit), Heike Arbter (RCB) und Thomas Schaufler (Erste Group)

Das Gipfeltreffen zum Zertifikate Award Austria 2011 über Kodex, Kooperationen, Kosten, Kommunikation, Klassifizierung & Co. Cafe BE: Wie lange gibt es das Zertifikate Forum Austria jetzt und wie sieht es aktuell mit den Mitgliedern aus? Heike Arbter: Die Gründung war vor fünf Jahren, im Jahr 2006. Aktuell sind Volksbank, Erste Group, UniCredit, RCB und die Royal Bank of Scotland Mitglieder. Kurzfristig waren es sechs Mitglieder, Sal. Oppenheim ist wieder ausgeschieden. Cafe BE: Ist man offen für weitere Mitglieder?

Arbter: Einer der Schwerpunkte des Vorjahres war es, eine breitere Basis für die Mitglieder zu schaffen. Also um nicht nur in den Nimbus zu kommen, ein Vertreter für die Emittenten zu sein. Es ist uns gelungen, die Börsen – Wiener Börse, Euwax, Scoach – als Fördermitglieder zu gewinnen. Auch mit der OeKB gibt es gute Gespräche. Cafe BE: Und weitere Emittenten? Arbter: Auch hier gibt es natürlich Interesse, die Bedingung ist ein Committment zum österreichischen Zertifikatemarkt, wir wollen uns an Häuser richten, die ein Interesse am Mitaufbau des österreichischen Markts haben und nicht nach einem vielleicht schwächeren Jahr gleich wieder weg sind.

Cafe BE: Wie kann ich mir so eine Akquise vorstellen? Frank Weingarts: Es gibt ja einige bekannte Häuser aus Deutschland, der Schweiz, Benelux oder Frankfurt. Das Thema ist, dass viele Banken schon über ihre nationalen Verbände engagiert sind. Wir freuen uns über jedes neue Mitglied, jedes neue Mitglied bringt neue Chancen. Ein höheres Budget hilft uns bei der Erreichung unserer Ziele. Viele Banken sind auch in mehreren Ländern Mitglied, wie z. B. wir (die UniCredit, Anm.). Also der Ansatz ist, dass man nicht dort präsent ist, wo die Emissionen herkommen, sondern auch in den Ländern, in denen man sie platzieren will.

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C afe BE: Wie oft bandsarbeit kümmern. Da ist natrifft sich der VorCafe BE: Werden bis Jahresende weitere türlich eine ganz stand des Forums andere Schlagzahl physisch oder z. B. Mitglieder dazukommen? Weingarts (lacht): Wir arbeiten ja an ver- möglich. Wir haper Mailkonferenz oder Telefonkonfeschiedenen Ebenen, es geht um die Emit- ben diese Resrenzen? tenten, aber auch um die fördernden Mit- sourcen weder perArbt er: Die Vorglieder. Bei den fördernden Mitgliedern ist sonell, noch finanein Zuwachs nicht unwahrscheinlich. Bei ziell. Das ist ein standssitzungen den Emittenten wissen wir, dass der eine bisschen die dunkfinden einmal im oder andere interessiert ist, es ist aber im- lere Seite. Monat statt, das ist Weingarts: Wir hamer auch ein budgetäres Thema. quasi die physische Anwesenheit, Teleben es in den fünf Cafe BE: Es geht um einen mittleren fünf- Jahren geschafft, fonkonferenzen dann, wenn es notdas Thema Zertifistelligen Betrag, richtig? Weingarts: Wir wollen das nicht öffentlich kate bei den Anlewendig ist. Mailkontakt in Zeikommunizieren, aber es ist definitiv so, gern, den Vertrieten wie diesen tägdass jeder Emittent das gleiche zahlt. Auch ben und bei der lich. Wir haben eibei den Fördermitgliedschaften geht es für Presse zu positione sehr häufige nieren. Die Wahralle um die gleiche Summe. Kommunikation. nehmung ist geCafe BE: Fünf Jahre Zertifikate Forum Au- stiegen, auch der Heike Arbter, RCB Cafe BE: Und die stria. Es waren ja wirklich keine leichten Einsatz in den Jahre. Worauf ist man stolz, woran muss Portfolios. NatürKommunikation lich ist der österman noch arbeiten? mit internationalen Arbter: Ich glaube, dass wir die Krise im reichische Anleger Verbänden? Zertifikatebereich sehr gut bewältigt ha- sehr kapitalschutzorientiert. Ich glaube, Arb ter: Mit dem DDV gibt es viele gedass sich jedes meinsame Interessen, wir sind auch Mitben. Das hat mehHaus wünschen glied in der europäischen Vereinigung eurere Gründe. Zum würde, wenn sipa, die aktuell sechs Verbände umfasst. einen ist es die Inmehr Teilschutztelligenz der Proprodukte oder li- Cafe BE: Welche sechs sind das? dukte, die geholfen neare Zertifikate We inga rts : Österreich, Deutschland, hat. Es gab in Östermiteingesetzt wer- Schweiz, Italien, Frankreich und Schwereich keine sachliden können zur den. Österreich war hier eines der Grünche Kritik, von der Beimischung. Produktakzeptanz dungsmitglieder mit Deutschland, Schweiz Letztendlich ist und Italien. eusipa-Sitzungen finden zweihaben die Kunden, auch die Wahr- mal im Jahr in unterschiedlichen Hauptdie auf Zertifikate nehmung beim städten statt, die eusipa selbst sitzt in Brüssetzen, diesen die Gesetzgeber ge- sel. Die Länderverbände haben immer Treue gehalten. Es stiegen. Wir waren wieder Veranstaltungen, beispielsweise gab keine Abflüsse. Das gibt uns Verja jahrelang be- Awards. Die Verbindung ist eng. Arbter: Und das nicht nur bei Veranstaltrauen, dass die einnachteiligt. gesetzten InstruMit der aktuellen tungen, sondern auch bei Arbeitskreisen. Weingarts: Genau, es gibt beispielsweise mente die richtigen Steueränderung sind. Etwas neidisch ist die Benachtei- ein Legal Komitee und ein Kodex Komischaue ich auf anligung weg, in der tee, da sind wir aktiv miteingebunden. Da dere Verbände, was Übergangsphase werden viele Signale in die nationalen Verdie Organisation begibt es jetzt sogar bände geschickt. Das Tempo ist ja durchtrifft. Bei uns ist es ein Window einer aus unterschiedlich. Die Schweiz gehört Frank Weingarts, UniCred so, dass wir das neBesserstellung für sicher zu den führenden Ländern, allein ben unserer Baneinige Kategorien. schon vom Einsatz im Private Banking beikentätigkeit machen. In Deutschland oder Wir haben viel in Broschüren, in Marke- spielsweise, auch Skandinavien vollzieht in der Schweiz gibt es Geschäftsführer, die ting investiert, auch das möchte ich ersich um nichts anderes als um die Ver- wähnen. ➤ Fortsetzung auf Seite 6 ➤ Fortsetzung von Seite 4

„Zertifikate haben Derivate für die breite Masse interessant gemacht”

„Jedes Haus würde sich wünschen, dass mehr Teilschutzprodukte eingesetzt werden“


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BÖRSE EXPRESS CAFE BE ➤ Fortsetzung von Seite 5 eine starke Entwicklung. Nicht in jedem Land gibt es aktuell einen Kodex. Arbter: Das dritte Thema neben Legal und Kodex ist die Produktklassifizierung, die einheitliche Einteilung in Anlage- und Hebelprodukte. Da gibt es monatliche Calls auf europäischer Ebene. Weingarts: Die Produktinformationsblätter, um Finanzprodukte miteinander vergleichen zu können, sind auch ein grosses Thema. In Deutschland wird das bei den Zertifikaten in Kürze verpflichtend, in Österreich noch nicht. Da es aber ab Juli bei Fonds auf europäischer Ebene zur Pflicht wird, bereiten wir uns auch schon darauf vor.

blenden. Das kommt bei Kunden, die das verstanden haben, sehr gut an. Uns geht es jetzt noch darum, die Leute, welche die Produkte verkaufen, noch viel stärker abzuholen. Da gibt es noch Berührungsängste.

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dern eher die Vertriebsverantwortlichen, die entscheiden über die Budgets. Wenn man wie wir in der Erste Bank 900 Berater hat, und die Sache gut ist, dann sollte man es allen geben. Inklusive Ausbildung davor ist das eine Sache, die nicht ohne Planung geht.

Cafe BE: Es gibt ja seit einem Jahr die Möglichkeit, sein Wissen prüfen zu Cafe BE: Wir halassen. Wieviele sind anben über die Zusammenarbeit mit (Thomas Schaufler, Erste Group, stösst getreten, wie viele haben es geschafft? Zertifikateverbännach einem Termin dazu) Thomas Schaufler, Erste Group Schaufler: Es haben den untereinander Cafe BE: Herr Schaufler, Sie sind im Vor- alle geschafft, die gesprochen. Gibt es auch Zustand des Forums ja für die Ausbildung bisher angetreten zuständig. Es wird da durchaus gute Auf- sind. Mit der absoluten Menge sind wir sammenarbeit z. B. mit Fondsverbänden? klärungs- und Transparenzarbeit unter- nicht zufrieden, da hätten wir uns mehr Arbter: Ja, laufend. Viele Leute sitzen ja erwartet. Es ist ja auch in Arbeitsgruppen in der Wirtstellt, daher wohl eine Möglichkeit, schaftskammer, wo einiges koordiniert auch weniger Abden eigenen wird. flüsse in der Krise. Marktwert zu stei- Schaufler: Wirtschaftstreuhänder und WirtWas sind aktuell gern. Man kann schaftsprüfer sind eine Zielgruppe, die wir die Schwerpunkte? Thomas Schaufler: zeigen, dass man im Vorjahr gut erreicht haben. Es ist wichin der Asset Klas- tig, dass diese Experten mit den ProdukZertifikate haben se fit ist. Ich glau- ten gut vertraut sind. In der Kooperation den Vorteil der be, das Setup ist mit der Wiener Börse richten wir uns z. B. späten Geburt. Wir gut gewählt, im an Leute aus dem Private Banking, an Inhaben von Beginn Vertrieb sind wir stitutional Sales. Heuer wird es in Österan darauf geachtet, noch nicht durch- reich acht Termine geben, in allen grosdass die Produkte gekommen, was sen Städten. an die richtigen die Entschei- Arbter: Das wurde im Dialog mit der WieLeute verkauft werdungsträger be- ner Börse entwickelt, im Rahmen der Förden. Die Branche hat sich kurz vor trifft. Man zögert derpartnerschaft. Es ist gut, dass wir als der Krise selbst noch mit der Bud- Forum bei den Roadshows dabei sind, daüberholt, das mit getfreigabe. Die Si- zu auch vor Ort bei einigen Banken. Für den komplexen gnale von ganz uns sehr wichtig war auch der Kongress Auszahlungstheoben sind aber die am 5. Mai. Hier haben wir uns bemüht, men hat sich zum richtigen. Bisher das Ganze auf eine breitere Basis zu stelGlück wieder rehaben knapp 20 len, 130 Anmeldungen hat es für 2011 duziert. In der AusLeute die Prüfung gegeben, das ist eine deutliche Steigerung. bildung geht es uns abgelegt. Alexandra Baldessarini, VB SI Cafe BE: Was sind die speziellen Aufgagemeinsam mit Wiener Börse und Finance-Trainer dar- Cafe BE: Sie arbeiten alle in Grossban- ben von Alexandra Baldessarini, die heuum, das Thema „Rendite und Chance in ken. Sind da nicht die Personalchefs eine te leider nicht dabei sein kann, im Vorjeder Marktlage“ zu transportieren. Man gute Adresse für die Akquise? kann Überraschungen weitgehend aus- Schaufler: Weniger die Personalchefs, son- ➤ Fortsetzung auf Seite 7

„Themen und Auszahlungsvarianten können sehr schnell erzeugt werden“

„Müssen die Entscheidungsträger im Vertrieb für Zertifikate gewinnen“


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stand des Forums? Arbter: Alexandra Baldessarini kümmert sich u. a. um den Veranstaltungsbereich, sie ist z. B. federführend für den Zertifikate-Kongress verantwortlich. Dazu mit mir gemeinsam für Steuerthemen.

Cafe BE: Der 5. 5. mit Kongress und Award – ist das Euer Jahreshighlight im Forum? Arbter: Ja, es ist ganz klar der Tag der Branche. Allein schon aus budgetären Gründen müssen wir da fokussieren. An diesem Tag wollen wir ganz besonders zeigen, was wir können und was wir tun. Weingarts: Es ist auch die mediale Aufmerksamkeit da, es gibt auch die Möglichkeit einer pointierteren Darstellung und nicht zuletzt ist es eine wichtige Zusammenkunft der Branche.

Cafe BE: Welche Anliegen hat die Branche aktuell? Arbter: Wichtig ist uns, zu zeigen, dass Zertifikate Dinge können, die andere Instrumente nicht können. Nämlich, dass sie DeVorstand des ZFA: Cafe BE: Die halbpririvate nutzen und einHeike Arbter (Vorsitz), setzen, um für den vate Schlussfrage – wie Alexandra Baldessarini Kunden ein verbeslange seid Ihr dabei Thomas Schaufler sertes Auszahlungsund was fasziniert Frank Weingarts profil zu liefern. In Euch am Thema? Arbter: Mein Interesse dem Moment, in dem man das Wort Derivat in den Mund kommt aus dem Interesse für den Bereich nimmt, wird es leider gefährlich. Schade, Derivate. Das Zertifikat ist das Instrument, denn das Gegenteil ist der Fall: Man ver- welches das Derivat salonfähig und für wendet Derivate, um das Risiko heraus- den Privatanleger zugänglich gemacht hat. zunehmen. Das ist mein Anliegen. Die Terminbörsen, ich bin seit dem ÖTOBStart vor fast 20 Jahren dabei, war ja imSchaufler: Ein Anliegen ist auch, dass bei mer nur ein Thema für einige wenige. Die den Journalisten die Bereitschaft besteht, Aufbereitung für die interessierte breite bei Fragen auch anzurufen. Jeder von uns Masse ist für mich persönlich die Fasziist erreichbar. Zuletzt wurden verstärkt Din- nation des Geschäfts. ge geschrieben, die so einfach nicht rich- Weingarts: Ich bin seit 1998 dabei, war tig sind. Immer wieder fällt der Begriff Börsenhändler für Bundesanleihen, im „Black Box“ auch in österreichischen Me- Neuemissionsgeschäft für Fixed Income dien. und Equity-Produkte. Als die ersten Struk-

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turierten Produkte gekommen sind, war mein Interesse sofort geweckt. Was mich fasziniert: Es gibt Phasen, da gehen nur Aktien; es gibt Phasen, da gehen nur Anleihen. Aber Zertifikate gehen immer. Ob es nun um Märkte geht oder um Zertifikate-Varianten, man kann Portfolios sehr gut diversifizieren. Die Wandelbarkeit der Branche fasziniert mich auch. Wir müssen Orientierung geben. Schaufler: Ich komme aus der Beraterecke, bin seit 1997 im Treasury, seit 2004 für die Zertifikate verantwortlich. Ich finde es spannend, dass kein Jahr so wie das letzte ist. Jedes Jahr neue Herausforderungen, neue Märkte, neue Modetrends. Die Planung ist schwierig, auf die Schnelligkeit kommt es an. Alexandra Baldessarini (per Mail eingeholt): Ich in seit 2000 im Zertifikategeschäft. Faszinierend finde ich die Schnelligkeit, wie Themen oder Auszahlungsvarianten für unterschiedlichste Kundenbedürfnisse erzeugt werden können und wie flexibel mit Zertis auf Marktänderungen und Chancen daraus reagiert werden kann.

Diskussionsleitung: Christian Drastil

Fotos: Franz-Josef Galuschka

➤ http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Medienrunde zur VC- und PE-„Szene“ und zum allgemeinen „Gründerklima“

„Neue Top-Firmen braucht das Land“

Im Cafe BE (v. li.): Heinrich Gröller (Junge Industrie Wien), Siddhartha Sampath-Kumar (LPC Capital Partners), Martin Puaschitz (Junge Wirtschaft Wien), Susanne Seifert (Franchise-Verband), Paul Jezek (BE), Burkhard Feurstein (Gamma Capital)

Zu wenig Geld, zu wenig Bildung und/oder zu wenig Selbstvertrauen? Und kann uns die Politik (noch) retten? Cafe BE: Wie empfinden Sie das aktuelle Gründerklima? Martin Puaschitz: Wir vertreten von der Wirtschaftskammerseite her die Unternehmer von 18 bis 40. In Wien sind die Gründungen Spitze. Im Jahr 2010 gab es rund 8800 Neugründungen, wir sind damit Vorreiter unter den Bundesländern, Das Klima ist also insgesamt durchaus positiv, erfreulich ist, dass es sich zwischen Weiblein und Männlein total annähert, es ist fast schon ausgeglichen, im Moment noch 48:52. Die Leute wollen wieder etwas tun, sie sehen auch diverse Chancen, die Wirtschaft läuft wieder an und alle sind ganz „g’schaftig“. Heinrich Gröller: Auch wir vertreten (als

Junge Industrie, Anm.) einige Start-Ups. Übrigens empfinde ich die Themen Gründer und Venture Capital als SEHR börsenlastig, denn im Wesentlichen sind das die Unternehmen, die in 10 bis 15 Jahren an der Börse notieren werden. Wenn man sich die heutige Wiener Börse ansieht, dann waren von denen im Prime Market vor 15 Jahren vielleicht zwei oder drei vertreten, der Rest ist neu. Das komplette Thema Venture Capital und Private Equity wird leider von der Öffentlichkeit viel zu wenig ernst- bzw. wahrgenommen, es gibt auch zu wenig politisches Interesse, wir warten seit Jahren auf gesetzliche Änderungen, die nicht stattfinden. Was die Finanzierungsseite betrifft, hat es in den vergangenen drei Jahren - krisenbedingt - einen starken Rückgang bei den Start-Ups gegeben. Early Stage, Venture Capital und Start-Up-Finanzie-rungen sind natürlich mit relativ hohem Ri-

siko behaftet. Aus unserer Sicht verbessert es sich im Moment, es sind auch die Banken wieder bereit, etwas mehr Risiko einzugehen. Allerdings sind wir von den Grössenordnungen her weit entfernt von einem Punkt, wo wir schon einmal waren: 2010 war etwa halb so gut wie 2007 ... Burkhard Feurstein: Uns interessieren natürlich in erster Linie Themen, wo es die Chance gibt, innerhalb von fünf bis acht Jahren wirklich bekannte Unternehmen zu generieren, die dann an die Börse gehen können. Das schönste Beispiel war sicher bwin.party (damals bet-and-win) von Null auf Weltmarktführer in einem bestimmten Bereich. Die Rahmenbedingungen sind in Österreich meiner Meinung nach so gut und so schlecht wie in Deutschland, Italien, Frankreich oder anderswo. In vielerlei Hinsicht ist mir Österreich sogar bei weitem lieber als Deutchland (vor allem, was das Arbeitsrecht angeht).


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Der Kern des Problems ist die Skalierbarkeit, deshalb macht z. B. der Franchiseverband sehr viel Sinn - und der Kapitalmarktzugang, wie er „verkauft“ wird. Wir brauchen Geschichten: bwin.party war gut, Phion war schlecht. Susanne Seifert: Zum Sinn des Franchising für Start-Ups: In den vergangenen Jahren wurden durchaus sehr gute Leute freigesetzt in einem Alter, wenn sie gesagt haben, sie möchten noch etwas tun, und die haben sich dann mit Franchising selbständig gemacht. In der Franchiseszene gibt es eine sehr positive Stimmung, was das Umsatzwachstum betrifft. Laut einer aktuellen Studie, die wir initiiert haben, wollen heuer 86 % der Franchisegeber neue Partner aufnehmen, d. h. es ist genug Raum hier. Umgekehrt liegt die Schliessungsrate bei etwas mehr als 4%, das ist natürlich sehr wenig, verglichen mit der „konventionellen“ Wirtschaft. Und auch wenn der Franchisenehmer scheitern sollte, es wird sehr selten ein Standort ganz geschlossen, der Franchisegeber bemüht sich dann um einen neuen Partner.

„Die Deutschen haben als Unternehmer ein ganz anderes Aussenauftreten und Selbstvertrauen als wir Österreicher“ Susanne Seifert, Generalsekretärin des Österr. Franchise-Verbandes

Was die Finanzierung betrifft, hat sich der Franchiseverband in den vergangenen Jahren sehr bemüht, den Banken das Geschäftsmodell klarzumachen, aber die Kreditinstitute erkennen nach wie vor nicht die Bedeutung des Franchising, hier herrscht eindeutig Aufholbedarf bei den Banken! Viel zu häufig hören wir die Meinung, ein Franchisenehmer sei ja kein „wirklicher“ Unternehmer, weil er nichts zu entscheiden hätte. Dabei reden wir von einem Jahresnettoumsatz der Franchisesysteme von rund acht Milliarden Euro. Kurz: Dem Franchising geht’s sehr gut.

„Die potenziellen Gründer werden schon in der Schule eben nicht zu Unternehmern erzogen“

Heinrich Gröller, Vorstand der Jungen Industrie Wien

Sollten Sie nicht noch mehr am Image arbeiten? In der Öffentlichkeit ist z. B. zu

wenig bekannt, dass Franchising in sehr vielen Branchen existiert. Seifert: Ja, unsere Breite von Rechtsanwälten über Steuerberater bis hin zu Sonnenstudios und den allgemein bekannten gastronomischen Konzepten ist viel zu wenig bekannt. Auch die Leistungen des Franchisegebers sind zu wenig geläufig. Natürlich wird es immer da und dort ein System geben, das nicht so optimal funktioniert, aber das ist ja in allen wirtschaftlichen Bereichen so. Noch einen Hemmschuh gibt es bei der Mentalität: So wie der Österreicher sein eigenes Häuschen bauen will, will er seine eigene Firma haben. Ein absoluter Freidenker, ein Freigeist mit einer tollen, innovativen Idee wird beim Franchising nicht glücklich sein. Si ddhart a S ampa th- Ku mar: Ich unterscheide zwischen dem kurzfristigen Gründerwetter und dem Gründerklima. Beim ersterern ist mein subjektiver Eindruck, dass da durchaus Bewegung d’rin ist (z. B. gleich drei Gründungen im Freundeskreis in letzter Zeit). Wir haben auch eine durchaus sehr geprägte Förderlandschaft und ich sehe es bei meinen Bekannten, dass die durchaus Zugänge finden. Aber ein echter KlimaWandel?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Wobei, die politischen Rahmenbedingungen sind vielleicht gar nicht so schlecht. Als schlimmer empfinde ich das allgemeine Negativimage, wenn hier in der Öffentlichkeit der böse Spekulant bzw. der böse Unternehmer ganz oben stehen. Und noch etwas: Wir haben nach wie vor einen sehr starken wirtschaftlichen Analphebetismus. In meiner Karriere bei Roland Berger haben wir potenzielle Kandidaten interviewt - die Top 5% der WU-Abgänger -, die wurden mit der Fragestellung konfrontiert, Bilanz und GuV eines Würstelstandes zu berechnen - und das haben 95% nicht geschafft. Gröller: Die meisten haben wohl nicht einmal gewusst, was eine GuV überhaupt ist? Kumar: Auch das Umfeld ist ein Thema, Stichwort „Kultur des Scheiterns“.

Ich möchte noch einmal auf die Rahmenbedingungen zurückkommen, da gibt es unterschiedliche Meinungen hier in der Runde?

„Wenn jemand wirklich interessiert ist, kann man schon 20.000 bis 50.000 Euro auftreiben und damit starten“ Burkhard Feurstein, Gamma Capital

Gröller: Die wesentlichen Punkte sind, dass Gesetze nicht entschieden werden. Es soll eine steuerliche Regelung für Private Equity-Investitionen kommen, die seit fünf Jahren diskutiert und nicht und nicht zum Gesetz wird, es ist eine provisorische Regelung herausgekommen, die aber ausdrücklich als provisorisch gekennzeichnet wurde. Noch etwas Wichtiges ist die „kulturelle Komponente“ auf beiden Seiten. Die potenziellen Gründer werden schon in der Schule eben nicht zum Unternehmer erzogen. (Die Junge Industrie unterstützt deshalb u. a. die IFTE, die Initiative für Martin Puaschitz, Vorsitzender d. Jungen Wirtschaft, Wien Teaching Entrepreneurship.)

„Die Wirtschaft läuft wieder an und alle sind ganz g’schaftig“

Auf der Investorenseite sind und bleiben die Österreicher eine Sparnation, das beginnt sich zwar langsam zu ändern, ist aber ein sehr schleppender Prozess. In den USA ist es einfach leichter, Investorengelder für Risikoprojekte zu akquirieren, das ist eine Kulturfrage. Natürlich tragen auch die Medien dazu bei, die schreiben viel zu oft, dass es nur ein Betrug sein kann, wenn wo Geld verdient wird. Dabei gehen ja bei StartUp-Finanzierungen von 10 Projekten acht ziemlich schief und schon deswegen müssen die beiden, die übrigbleiben, total gut sein.

Wir vom Börse Express sehen unheimlich viele Initiativen, Awards und Wettbewerbe, ist das nicht schon inflationär? Gröller: Stimmt, es gibt sehr viele Privatinitiativen, aber praktisch nichts „Institutionalisiertes“, Strukturiertes. Es ist extrem schwierig, mit Know-how in die Schulen zu kommen - auch mit wirklich guten Angeboten. Es würde viel mehr Sinn machen, wenn solche Initiativen ordentlich gebündelt würden und die PS auf die Strasse kämen. Pu as chi tz: Ich möchte auch das Lehrlingsthema erwähnen. Viele Unternehmer tun sich total schwer: Grundrechenarten


BÖRSE EXPRESS CAFE BE funktionieren oft nicht mehr und wenn sich der Unternehmer auch noch darum kümmern soll bzw. muss ... Es kommen von der Schule bzw. von den den HTLs viele, die das nicht können, was sie eigentlich gelernt haben sollten. Kumar: Noch ein Thema ist das „Mindset“: Probieren die Leute das Gründen hart genug? Bei meinem Austauschseminar am MTI in Boston habe ich ein Start-Up kennengelernt, bei dem der Gründer gemeint hat, die eigentlichen Kreditgeber sind doch die Kreditkartenfirmen. Der hat bei fünf oder sechs Kreditkartenfirmen jeweils 20.000, 30.000 US-Dollar überzogen und damit sein Start-Up finanziert. Hier bei uns ist es eher so, es schreibt eine(r) einen Business Plan, geht damit zur Bank, die Bank sagt, sie will Sicherheiten haben, die nicht vorhanden sind - und das war’s. Mein Vorwurf lautet: Es fehlt (auch) an der Einstellung, es hart genug zu probieren. Seifert: Aber bei wem würden Sie es denn probieren, wenn Sie kein Eigenheim haben?

Puaschitz: Ich glaube, es geht ganz eminent um das Vertrauen - um die Person. Und es ist richtig, dass wir ein Land der Sparer sind. Aber das ist doch auch positiv, es gibt viel Erspartes, man müsste eben verstärkt Privatpersonen mit Ideen zusammenbringen: Investiere in eine neue Start-Up-Idee, dann bekommst Du z. B. steuerliche Anreize Sicher darf man sich nicht nur auf das Bankensystem verlassen. Gröller: Die Bankenfinanzierungen werden durch Basel III ja auch nicht einfacher werden. Kumar: Die Banken sind aber auch nicht die richtigen Ansprechpartner, z. B. die Erste Bank als klassisches Retailinstitut bekommt das Geld ja nicht von ihren Sparen, um damit zu spekulieren. Wenn es um grosse Summen geht, sind solche Adressen wie Kollege Feurstein die richtigen Ansprechpartner. Oder Manfred Reichl, der ist als Business Angel durch das Land getingelt und hat mitgeholfen, Apeiron zu finanzieren - und die haben jetzt tolle Meilensteinzahlungen bekommen. Eine Nummer kleiner ist z. B. das Business Angels Netzwerk, zu nennen sind auch die Förderbank austria wirtschaftsservice (aws) oder, wenn man in Niederösterreich präsent ist, tecnet.

„Kreative Zerstörung nach Joseph Schumpeter war und ist Teil unseres Wirtschaftssystems“ Siddhartha Sampath-Kumar, LPC Capital Partners

Die Venture Capitalund Private Equity„Szene“ war doch vor einem Jahrzehnt auch in Österreich schon viel deutlicher ausgeprägt als heute? Feu rs te in: Schauen Sie, auch für uns ist der Kapitalzugang heutzutage viel schwieriger, wenn Sie sich Basel III oder Solvency II anschauen. Noch ein Detail: Bei unserem aktuellen Fonds beträgt der Anteil der Privatinve-

storen etwa die Hälfte, bei der „älteren Generation“ der Gamma Capital-Fonds waren es etwa 10% Privatinvestoren. Aber: Wenn jemand wirklich interessiert ist -, und da bin ich ganz bei Kollege Kumar - kann man schon 20.000 bis 50.000 Euro auftreiben und damit starten. „Bevor ich nicht die erste Million Investment beisammen habe, tu’ ich nix“, ist definitiv die falsche Einstellung. Es ist selten, dass ambitionierte und talentierte leute gar keine Chance bekommen. Noch etwas: Erwarten wir uns nicht zu viel von der Politik. Wir sind nun einmal rot/schwarz in Österreich und die Schwarzen möchten keinen Wettbewerb und dieRoten wollen keinen Profit. Kumar: Vor wenigen Tagen stand in der Zeitung, dass bei Austria Tabak rund 320 Arbeitsplätze weggefallen - das ist bitte schön Teil unseres Wirtschaftssystems, dass es Lebenszyklen gibt, dass Firmen anfangen, zusätzliche Arbeitsplätze schaffen und dann reifen. Und danach ist es völlig klar, dass die ATX-Grosskonzerne in reifen Märkten - Andritz z. B. nicht, aber die Telekom Austria schon - über die nächsten zehn Jahre massiv Stellen abbauen müssen. Darüber braucht man sich nicht aufzuregen, sondern man muss die nächsten Businesswellen surfen und neue Firmen und neue Arbeitsplätze schaffen und man muss nach Josef Schumpeter „kreativ zerstören“. Feurstein: Es gibt ein sehr gutes Buch vom führenden Harvard-Forscher Josh Lerner, „Avenue of broken dreams“ über gelungene und gescheiterte Versuche staatlicher Förderung von Start-Ups. Aufgefallen ist mir dabei vor allem das Beispiel Singapur. Die Asiaten haben ja (auch) keinen „leichtfüssigen“ Zugang zum Scheitern und Gesichtsverlust ist ein Riesenthema. Deshalb hat man in Singapur ziemlich früh beim Bündel der Initiativen einen Phoenix Award gestiftet und zeichnet damit alljährlich jenen Unternehmer aus, der aus einer Pleite heraus den besten Re-Start geschafft hat. Motto: „Fallen und wieder aufstehen!” Seifert: Noch ein psychologischer Aspekt: Wir verleihen Newcomer Franchise Awards mit dem Kriterium „maximal zwei Jahre am Markt“ und wir bekommen (auch hier) kaum bis keine Einreichungen. Für mich


BÖRSE EXPRESS CAFE BE ist das ganz wesentlich eine Frage des (nicht vorhandenen) Selbstbewusstseins, wenn ich gar nicht glaube, dass ich diesen Award gewinnen kann - sehr österreichischspezifisch, die Deutschen haben da ein ganz anderes Aussenauftreten als Unternehmer. Kumar: Institutionelle Finanziers stehen durch Basel III und Solvency 2 vor einem dramatischen Problem auf ihrer Finanzierungsseite. Und generell haben institutionelle Investoren wie Banken, Versiche-

Pensionskassen schlecht performen, liegt auf der Hand. Gröller: Das bringt mich zu den viel zu niedrigen Eigenkapitalquoten in der heimischen KMU-Landschaft - und zum entsprechenden struktureller Fehler in der österreichischen Bankenlandschaft. Und das wird sich leider nicht ändern, eher noch in die andere Richtung, zu noch weniger Risikokapital. Feu rs tei n: Das fürchte ich leider auch. Qualitätstitel für das Publikum müssen

Gröller: Für mich ist das Bildungsthema ein ganz wesentlicher Ansatz: Wie bereite ich junge Leute auf das Unternehmertum vor? Seifert: Franchising muss vor allem am Image arbeiten. Darüber hinaus wird Franchising auch in der Förderlandschaft sehr stiefmütterlich behandelt, auch hier gibt’s Aufholbedarf. Puaschitz: Man muss auch verschiedene Unternehmertypen differenzieren - es gibt z. B. den sehr wichtigen „Erhalter“ und

VC/PE-Runde im Cafe BE (v. l.): M. Puaschitz (Junge Wirtschaft Wien), H. Gröller (Junge Industrie Wien), S. Seifert (Franchise-Verband), B. Feurstein (Gamma Capital), S. Sampath-Kumar (LPC Capital Partners), P. Jezek (Börse Express) rungen und Pensionskassen bei uns nie die Tradition wie in den angloamerikanischen Ländern entwickelt, auch einen Teil ihres Portfolios - sagen wir 5 bis 10% - in Risikokapital bzw. in Start-Ups zu investieren. Das ist in Österreich ganz dramatisch! Wobei: Die Banken sollten das vielleicht eh weniger tun, aber die Versicherungen und die Pensionskassen müssten sich ganz massiv engagieren. Motto: Mehr Rendite bei längerer Bindungsdauer! Die Pensionskassen betreiben ihre Veranlagungen heute ja so wie die österreichischen Sparer mit ihrem Sparkonto: als täglich fällige Gelder. Dass da natürlich keine Renditen herauskommen und die

her. Wann immer niederschwelliger Zugang zum Kapitalmarkt aufgetan wurde (z. B. Neuer Markt in Deutschland, Wien hat’s vor ein paar Jahren versucht), waren in kürzester Zeit die Scharlatane da, eine Runde Abzocke und die sind dann mit dem Geld irgendwohin verschwunden. Ob man da einen Ethikbeirat machen kann, der die Zulassung reguliert: Welches Anreizsystem und welches Regulationssystem braucht man? Intercell war ein superposititves Beispiel, ist aber unmittelbar vor dem Börsegang beinahe durch einen schlecht recherchierten Artikel „abgestochen“ worden, was Gott sei Dank doch nicht funktioniert hat..

eben nicht den Freigeist. Der „Erhalter“ hat ein gewisses Set, mit dem kann er gut arbeiten, während der „Zauberer“ halt jede Woche eine neue Idee hat, ein StartUp mit Venture Capital auf Schiene bringt und dann dem Erhalter gibt. Wir brauchen beide „Typen“. Und noch ein Wunsch zur Gründungserleichterung: dass es die 10.000Euro-GmbH geben möge. Kumar: Auf die Politik zu warten, ist jedenfalls Zeitverschwendung. Diskussionsleiter: Paul Christian Jezek Fotos: Franz-Josef Galuschka


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE mit den Börse-Chefs zu Umsätzen, Umfeld, Privatisierungen und Treichl-Sager

„Rückkehr zu kapitalmarktfreundlicher Wirtschaftspolitik sehr, sehr dringend“

Heinrich Schaller (li.) und MIchael Buhl erzählen über „verhaltene“ Polit-Reaktionen zum Thema Privatisierung

Interessiert die Politik der Kapitalmarkt einfach nicht oder versteht sie dessen Bedeutung nicht? „Beides,“ sagen die Börse-Vorstände Michael Buhl und Heinrich Schaller. Cafe BE: Im April ist das Handelsvolumen im Prime Market mit 4,05 Mrd. Euro (laut FESE) auf den tiefsten Monatswert seit Dezember 2008 gerasselt. Betrachtet auf die ersten vier Monate des Jahres, zeigt sich in Wien ein Minus von 18%, während Frankfurt und Warschau zweistellig zulegen konnten. Was läuft falsch? Michael Buhl: Wir haben mittlerweile ziemlich intensiv nachgeforscht und mit den Marktteilnehmern gesprochen. Es haben sich zwei grosse Komplexe als Gründe herauskristallisiert. Der eine ist rund um die Wertpapier-KESt zu sehen, deren Einführung zu Vorziehkäufen im Dezember und jetzt zu geringeren Umsätzen und schlechterer Stimmung geführt hat. Dazu gehören leider auch die seit einiger Zeit

nicht verstummenden Stimmen, meistens aus der Politik, die Verunsicherung hervorrufen. Das sind Themen, wie Ideen zur Erhöhung der Bankensteuer, zur Einführung einer Transaktionssteuer, einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer und die wirklich abstruse Idee, gesetzlich in die Art und Weise einzugreifen, wie Dividenden gezahlt werden. Das sind alles Bereiche, die sowohl national als auch international wahrgenommen werden und zu einer Verunsicherung führen, was wiederum niedrigere Umsätze zur Folge hat. Der zweite Themenkomplex ist, dass Österreich und die anderen osteuropäischen Märkte derzeit wenig attraktiv sind, auch aufgrund solcher Diskussionen. Und es gibt etliche andere Emerging Markets, in die das Geld sehr schnell ausweichen kann. Heinrich Schaller: Was man ergänzen sollte: Wir machen immer wieder Vorschläge, wie man den Kapitalmarkt stärken könnte, etwa mit Blick auf die Privatisierungen. Dieses Thema wurde jetzt auch von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung aufgegriffen. Problematisch dabei ist allerdings, dass das in der Politik

sofort als ideologisches Thema aufgefasst wird. Unserer Meinung nach ist das kein ideologisches, sondern vielmehr ein wirtschaftliches Thema. Dafür hat man in der aktuellen politischen Konstellation aber nur sehr wenig Verständnis. Es wäre schon sehr, sehr dringend, dass man wieder zu einer vernünftigen kapitalmarktfreundlichen Wirtschaftspolitik zurückfindet. Das ist für den Standort extrem wichtig.

Wann hat es denn zuletzt eine kapitalmarktfreundliche Politik gegeben? Schaller: Eine kapitalmarktfreundliche Politik hat es sicher in der schwarz-blauen Regierung gegeben. Aber – und das darf man nie vergessen – die wirklich guten Privatisierungen über die Börse haben in den 90er Jahren begonnen, in einer grossen Koalition unter Führung der Sozialdemokraten. Da waren wirklich sehr erfolgreiche Privatisierungen darunter. Man sollte dieses Kind nicht weglegen, sondern den Gedanken wieder aufgreifen und sehen, was daraus geworden ist. Sie haben die Einstellung der Politik zum


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Kapitalmarkt angesprochen. Die Statements von Erste-Chef Andreas Treichl zur heimischen Politik werden dieser Tage rege diskutiert. Wie finden Sie das? Schaller: So wie vorher gesagt. Wir stehen voll hinter dem Gedanken, dass eine wirtschaftsfreundlichere Politik betrieben werden muss. Wie man das dann ausdrückt, bleibt jedem selbst überlassen. Aber es ist dringendst notwendig. Buhl: In der Sache selbst gebe ich Treichl persönlich vollkommen Recht. Wir sind momentan weit entfernt von einer Situation, die dem Kapitalmarkt, der Wirtschaft hilft. Das wird momentan - wahrscheinlich aus ideologischen Gründen heraus hintangestellt. Wirtschaft wird fast als etwas Negatives angesehen. Wirtschaft schafft Arbeitsplätze, aber all diese Dinge werden derzeit ausgeblendet. Momentan wird das Fell oftmals ohne den Bären verteilt. Haben Sie eigentlich mit der neuen Finanzministerin schon Gespräche geführt? Schaller: Wir werden demnächst die konkreten Gespräche mit ihr aufnehmen. Mit dem Kabinett sind wir natürlich ständig in Verbindung. Wir sprechen aber mit allen politischen Parteien. Wie es aussieht kommt es zur Verschiebung der Wertpapier-KESt auf April 2012. Zufrieden? Buhl: Das ändert aus meiner Sicht noch gar nichts. Denn es verschiebt sich ja nicht der Zeitpunkt, ab wann sie gilt, sondern wann sie eingehoben wird. So wie es momentan aussieht, ist nur der unmittelbare Einführungszeitpunkt verschoben, aber jeder Kauf ab dem 1.1.2011 fällt darunter. Wir hoffen nach wie vor, dass die Versuche, die Wertpapier-KESt zu kippen, erfolgreich sind. Als diese Steuer entstanden ist, haben sich im Vorfeld eigentlich Politiker bei der Börse über mögliche Auswirkungen erkundigt? Schaller: Nein. Buhl: Wir sind zur Politik gekommen. Zuletzt gab es Berichte über den Wunsch zahlreicher Wirtschaftstreibender für die Gründung einer neuen wirtschaftspolitischen Partei. IV-Präsident Veit Sorger spricht von einem Unmut, der vorhanden

„Problematisch ist, dass Privatisierungen in der Politik sofort als ideologisches Thema aufgefasst werden. Es gibt sehr wenig Verständnis dafür“ Heinrich Schaller

ist. Spüren Se diesen auch? Schaller: Der Unmut ist da und ist sehr, sehr gross, das ist überhaupt keine Frage. Was eine mögliche neue Parteigründung betrifft, davon wissen wir nichts.

ideologischen Problemen die Hand reichen. Rund 4 Mrd. Euro davon entfallen auf Restprivatisierungen von bereits an der Börse notierenden Unternehmen, die relativ schnell das Budget entlasten könnten.

Sie haben Privatisierungen angesprochen. Finanzministerin Fekter meinte prinzipiell ja, Privatisierungen zum Schuldenabbau. SP-Staatssekretär Schieder sagte daraufhin in einem Interview, ihm fällt zu Privatisierungen „gar nichts“ ein.... Buhl: Das spricht für sich.

Eine Sperrminorität von 25% ist aber nicht in jeder Branche notwendig? Buhl: Natürlich nicht, das ist prinzipiell eine Frage, wie marktliberal man grundsätzlich denkt.

Es gab jedenfalls deutliche Reaktionen. Glauben Sie wirklich, dass es in dieser Legislaturperiode noch zu Privatisierungen kommen könnte? Schaller: Ich hoffe, und ich halte es für nicht ganz ausgeschlossen, wenn man es endlich schafft, die wirklichen Vorzüge der Privatisierung über die Börse darzulegen. Buhl: Wir konnten aufzeigen, dass eine Win-Win-Situation schnell möglich wäre. Wir haben auf ein potenzielles Volumen von 24 Mrd. Euro hingewiesen - unterlegt durch eine Studie - und betont, 25% plus eine Aktie sollen in österreichischer Hand bleiben. Damit wollten wir bereits dem grösseren Koalitionspartner und seinen

Wie war das Feedback der einzelnen Parteien? Schaller (überlegt kurz):: Verhalten. Es gibt unterschiedliche Meinungen zu der Problematik: Interessiert die Politiker der Kapitalmarkt einfach nicht oder verstehen sie Thematik und Bedeutung nicht? Schaller: Offen gestanden, ich glaube fast beides. Und da geht es wirklich um die Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarkts in einer Volkswirtschaft. Buhl: Das würde ich genau so sehen. Und damit sind wir letztendlich wieder beim Treichl'schen Sager. Um auf die anfangs erwähnten Gründe zurückzukommen. Gegen das Argument, dass


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Osteuropa derzeit nicht so interessant ist, spricht aber der Erfolg des Warschauer Marktes? Buhl: In Warschau haben wir auf der politischen Seite das Kontrastprogramm zu uns. Dort wird seit einigen Jahren ein kapitalmarktfreundliches Klima stark gefördert, das ist ein anderes Umfeld. Wenn dann laufend Unternehmen an die Börse kommen, darunter einige grosse Privatisierungen, erhöht sich das Volumen automatisch. Wenn die internationalen Investmentbanken wissen, dass sie ein Ticket von der Privatisierungsagentur bekommen, tun sie auch etwas, um diesen Markt zusätzlich bekannt zu machen. Sie schreiben Research, betreiben Sales - auch für kleinere Transaktionen -und engagieren sich als Market Maker und Händler. Das bringt in Summe zusätzliches Volumen. Wir hatten die grossen Investmentbanken auch in Österreich, in der Zeit der grossen Koalition und dann unter Schwarz-Blau. Jetzt sehen wir sie in Österreich nicht mehr. Es gibt keine Mandate zu vergeben, und dementsprechend wird weniger gehandelt. Die polnische Kapitalmarktpolitik hätte somit Vorbildfunktion? Schaller: Jetzt wieder. Wobei man durchaus sagen kann, wir waren früher das Vorbild für die anderen. Jetzt ist es umgekehrt. Mit Blick auf die Rolle der Wiener Börse in Osteuropa: Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen Warschau sämtliche Ränge ablaufen wird? Buhl: Nein, Warschau ist im Wesentlichen eine nationale Börse und eindeutig dominiert vom Staat. Wir sind vier Börsen, haben einen dezentralen Ansatz und versuchen, nach dem lokalen Prinzip Listings an die Börsen zu bringen. Warschau hat hier einen viel zentralistischeren Ansatz. In allen Bereichen, etwa Umsätze, Marktkapitalisierung, Internationalität, Datenvertrieb, Indexberechnung, haben wir bei weitem die Nase voran. Der grössere Anziehungspunkt von Warschau ist derzeit der IPO-Bereich, aber hier handelt es sich um viele kleinere Unternehmen. Schaller: In 98% der Fällen sind es auch polnische Unternehmen. Buhl: Aber wir unterschätzen die Entwicklung Warschaus natürlich nicht. Wir

„In der Sache selbst gebe ich Treichl vollkommen Recht. Wir sind weit entfernt von einer Situation, die dem Kapitalmarkt, der Wirtschaft hilft“ Michael Buhl

glauben aber nicht, dass wir in einer Konkurrenzsituation sind, sondern dass wir synergetisch gemeinsam etwas tun könnten. Und wir sind auch nach wie vor dazu bereit.

Synergien mit Warschau? Buhl: Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, die zentral- und osteuropäischen Märkte zu konsolidieren. Ohne Warschau sind wir nicht komplett. Genauso wie Warschau nicht komplett ist, wenn es für sich den Anspruch stellt, CEE zu repräsentieren. Ich glaube, es gäbe vielschichtige Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit, aber momentan ist es von polnischer Seite nicht gewünscht. Gemeinsam wären wir jedenfalls stärker. Nochmals zum Handelsumsatz: Es verlagert sich immer mehr Volumen der Institutionellen auf alternative Börsen, so genannte multilaterale Handelsysteme (MTF), wie etwa Chi-X. Im Jahr 2009 wurden ca. 1,8 Prozent des Handelsvolumens der ATX 20 über Chi-X abgewickelt, im Jahr 2010 waren es 7,3 Prozent und in den ersten vier Monaten 2011 schon 11 Prozent. Wohin soll das führen? Schaller: Was die österreichischen Titel anbelangt, so sind die MTFs beim Umsatz im Verhältnis zu uns derzeit stabil, nach-

dem sie im letzten Jahr etwas dazu gewonnen haben. Wir sehen darin keine unmittelbare Gefahr. Tatsache ist aber schon, dass wir gegenüber den gesetzgebenden Stellen immer wieder auf die Notwendigkeit von Regeln hinweisen, die die verschiedenen Marktplätze gleichstellen. Derzeit sind geregelte Börsen gegenüber MTFs eindeutig benachteiligt.

Ein Beispiel dafür? Schaller: Geregelte Börsen müssen etwa die gesamte Infrastruktur für die Zulassung eines Unternehmens vorhalten. Ein MTF setzt einen zugelassenen Titel einfach auf die Plattform und beginnt zu handeln. Buhl: Wir sind im Zuge der MiFID-Reviews guter Dinge, dass die EU hier für eine gleichartige Reglementierung sorgen wird. Für die weitere Expansion der Wiener Börse haben Sie angekündigt, Zukäufe im südosteuropäischen Raum ins Auge zu fassen. Wie gross ist Ihr finanzieller Spielraum dafür? Schaller: Gross genug, um noch das eine oder andere zu erledigen. Aber derzeit ist nichts Konkretes am Tisch. Ich frage, weil Sie 2009 zur teilweisen Refinanzierung der Zukäufe in CEE eine Ka-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE pitalerhöhung für rund 100 Mio. Euro durchgeführt haben. Damals ging es um den kurzfristigen Teil der Refinanzierung und es hiess, Sie hätten bislang 300 Mio. Euro in die Expansion gesteckt. Wie schauen die weiteren Pläne in punkto Refinanzierung aus, brauchen Sie in absehbarer Zeit wieder eine Kapitalerhöhung? Schaller: Auf absehbare Zeit brauchen wir keine. Wenn eine erfolgt, haben wir natürlich nichts dagegen. Buhl: Wir liegen mit unseren langfristigen Kapitalrückführungen im Plan. Das ist kein Problem. Wenn sich weitere Möglichkeiten ergeben, so wissen Sie, wie unser Aktionariat zusammengesetzt ist. Wenn die Story stimmt, bin ich überzeugt, dass wir sowohl Financiers als auch Unterstützung unserer Aktionäre finden.

Insofern werden Sie mir jetzt auch nicht sagen, welchen Firmenwert Sie dafür noch in der Bilanz stehen haben? Buhl: Das ist die logische Konsequenz. 2010 drohten daraus aber keine Gefahren mehr über Abschreibungen? Schaller: Nein. Ihre Verträge wurden zuletzt bis 2016 verlängert. Wo wird die Wiener Börse dann

lusionen hin. Wir haben es mit vielen, vielen Massnahmen, etwa unserem Unterrichtspaket, geschafft, das eine oder andere Prozentpunkterl zu gewinnen. Aber das ist ein Generationenprojekt. Dass der Privatanleger-Anteil massiv steigt, sehe ich nicht. Nicht zuletzt wegen der jüngsten Massnahmen, wie Wertpapier-KESt.

Schlussfrage: Wie veranlagen Sie persönlich? Buhl: Ich bin ein untypischer Österreicher: Rund 85% in Aktien, darunter eine grosse Anzahl österreichischer Titel, der Rest ist in Cash. Schaller: Völlig gemischt, von Cash über Investmentzertifikate bis zu Aktien. Prozentuell oder wertmässig kann ich es Ihnen aber nicht sagen.

Wenn Sie auf Ihre AkEs geht auch nur um tionäre ansprechen, die Einstellung. Zahlmacht da eine Trenreiche österreichische nung in ein BankenMinister haben in der und ein EmittentenVergangenheit ja imkonsortium eigentlich mer wieder betont, noch Sinn? nicht in Aktien zu investieren. Schaller: Die beiden Gruppen sind in der Buhl: Damit komZwischenzeit eigentlich Zu Gast im Cafe BE: www.boerse-express.com/cafebe men wir wieder zu fast immer einer MeiTreichl zurück. Wie nung und kooperieren soll bei einer solchen sehr gut. Die Frage sollte eigentlich den Ver- stehen? Einstellung eine diesbezügliche Kultur tretern der beiden Gruppen gestellt werden. Buhl: 2016 haben wir eine einheitliche wachsen? Wir können nur festhalten, dass die Zu- Handelsplattform, ein einheitliches Cleasammenarbeit derzeit sehr gut funktioniert. ring und - so weit rechtlich möglich - ein Werden Ihre Schulpakete eigentlich gut einheitliches Regelwerk. Wir haben ein angenommen? Cross Membership, und zu den vier Bör- Schaller: Sehr stark. Und was halten Sie von einer Öffnung weisen sind zumindest noch zwei weitere Han- Buhl: Es besteht Hoffnung für die nächteren Investoren gegenüber? Schaller: Wir haben grundsätzlich kein delsplätze dazu gestossen. Und wir haben ste Generation. Problem damit, in welcher Art und Weise als Gruppe zumindest das Doppelte Hanauch immer. Das ist aber eine Frage, die delsvolumen von heute. Das war ein schönes Schlusswort, herzliSchaller (schmunzelt): Das ist eine ge- chen Dank.. wir nicht beantworten können. wagte Ansage. Wie viel haben Sie insgesamt in die Zukäufe im Osten investiert? Und wie hoch ist der Privatanleger-Anteil Das Gespräch führte: Bettina Schragl Buhl: Das ist etwas, das wir nicht publi- im Jahr 2016? zieren. Buhl: Da gebe ich mich keinen grossen Il- Bilder: Franz-Josef Galuschka


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Zertifikatehäuser Socgen und EFG sowie die Broker daoe.at und Sino im Cafe BE

„Wir setzen auf den Wiener Finanzplatz, gerade jetzt!“

Im Cafe BE (v. l.): Peter Bösenberg (Socgen), Hakan Özal (Sino), Pedram Payami (EFG) und Florian Herfurth (daoe.at)

Markant sinkende Handelsvolumina, geschlossene Niederlassungen (Cheuvreux). Es gibt aber auch Institute, die die Aktivitäten am Wiener Finanzplatz ausweiten. Cafe BE: Die Überschrift zum Termin lautet „neue oder verstärkte Aktivitäten in Österreich“. Herr Payami, Sie waren für ABN Amro / RBS in Österreich sehr präsent und kehren jetzt als Repräsentant der Schweizer EFG an den Wiener Finanzplatz zurück. Bitte um kurze Vorstellung der EFG und der Österreich-Strategie ... Pedram Payami: EFG Financial Products ist eine Schweizer Gesellschaft, 2007 gegründet, die als Muttergesellschaft eine internationale Privatbankengruppe hat. Als Zertifikateemittent ist die Bonität massgeblich, man verkauft ja Inhaberschuld-

verschreibungen. Neben dem Kerngeschäft der Strukturierten Produkte haben wir die Bereiche Asset Management, Brokerage und Pensions Solutions ausgebaut. Nach dem Wechsel zu einem neuen Anbieter lag es für mich nahe, dass man auch jene Märkte wieder angeht, auf denen man sich wohlfühlt und wo man Wachstumspotenzial sieht. Der erste Step war es, in der Schweiz für EFG das Retailgeschäft auszubauen. Deutschland / Österreich ist auch immer eine Kombination, die man gerne sieht, das kann man auf einmal angehen aufgrund der rechtlichen und sprachlichen Gemeinsamkeiten. Nachdem wir in Deutschland aktiv wurden, haben wir nun Österreich im Fokus. Die Strategie ist es, kein eigenes Listing in Wien zu machen, die Kunden sind sehr an die deutschen Börsen gewöhnt bzw. auch ausserbörslich mit dem Emittenten zu handeln. Da braucht man nicht primär ein lokales Listing. Also Listing in Deutschland, zum

öffentlichen Vertrieb in Österreich zulassen und dann aktiv vermarkten über Marketingaktivitäten in Österreich. Cafe BE: Welche Produkte aus der grossen Zertifikatebandbreite werden Sie bringen? Anlage oder Hebel? Payami: Den Anlagebereich, da können wir das Know-How aus der Schweiz mitnehmen. Die Zielgruppe sind konservative Anleger, da gibt es ja in Österreich sehr viele davon. Cafe BE: Herr Bösenberg, auch die Zertifikate-Unit der Societe Generale ist nun stärker in Österreich präsent. Bitte um ein paar Worte dazu ... Peter Bösenberg: Wir sind seit 20 Jahren international tätig, zunächst mit Optionsscheinen, seit ca. 10 Jahren auch mit Zertifikaten. Österreich hat da immer dazu❲ Fortsetzung auf der nächsten Seite


BÖRSE EXPRESS CAFE BE mehr als 1000 Tranerseits die, die des im Monat masehr aktiv traden chen. und zum Teil schon ein AusCafe BE: Herr Herlandskonto haben. Und es gibt andefurth, Sie sind mit rerseits Kunden, dem Bankhaus die schon etwas Jungholz und Ditun, aber jetzt rekt-Anlage Östernachdenken, das reich geographisch ganze aktiver und an der Grenze zwiprofessioneller anschen Österreich zugehen. In jedem und Deutschland Cafe BE: Wie sieht das bei Ihnen aus? An- zweiten oder dritangesiedelt. Wie ten Gespräch geht nehmen Sie die aklage- oder Hebelprodukte? Bösenberg: Prinzipiell sind wir Komplett- es darum, dass die tuelle Situation wahr? anbieter, der Schwerpunkt ist aber der An- Leute sagen, das F l o r ia n H e r f ur t h : nun zum Beruf lagebereich. Im Rohstoffbereich haben wir machen zu wollen. eines der grössten Handelsbücher mit hoWir finden die akher Bandbreite an Basiswerten. Die Fran- So etwas geht tuelle Situation und zosen sind immer ganz stark, wenn es um nicht von heute den Markt sehr inneue Dinge geht: Innovative Strukturen, auf morgen, da teressant. Wir sind wird das Gespräch ein paar neue Pay-Outs. seit bereits 16 Jahgesucht. Auch hier ren mit der DirektPedram Payami, EFG Cafe BE: Herr Özal, der Broker Sino ist muss man wieder Anlage aktiv, schwerpunktmäsbereits seit einigen Wochen in Wien auf- differenzen: Leute, fällig präsent. Wie sind Sie mit dem Start die bisher zwischen zehn und dreissig Tra- sig immer in Deutschland. Allerdings steldes im Monat len wir seit ein bis zwei Jahren fest, dass zufrieden? Hakan Özal: Die ermachten und sol- wir immer mehr Anfragen aus Österreich che, die mehr als bekommen, ohne hier Werbung gemacht sten Wochen waren 50 machten. Mit zu haben. durchaus zufriedenSino vor Ort gibt stellend, es war aber es einen An- Cafe BE: Woran, glauben Sie, liegt das? kein Hype, den hasprechpartner für Herfurth: Ich denke, das Produkt passt einben wir auch nicht diese Klientel, das erwartet. Gerade in fach gut. Wir sind zwar ein kleines Haus ist den Leuten lie- mit knapp 4000 Kunden, haben uns daÖsterreich nicht. Die ber als ein Kon- für aber auf sehr guten Service mit gut ausLeute schauen erst takt in London gebildeten Mitarbeitern spezialisiert. Das mal: Wer ist da geoder Frankfurt. wissen die Kunden zu schätzen. Dazu kommen, was bietet Was nicht pas- kommt unsere Unternehmensphilosophie: der an? Ich glaube, siert, ist, dass An- Wir sind eine Genossenschaft, nicht der wir haben uns ganz fänger auf uns zu- Gewinnmaximierung verpflichtet, wir vergut ankündigen können, der Markt kommen. Wir suchen sämtliche Gesellschaftsgruppen weiss Bescheid. Die sind ein High in Einklang zu bringen. Das merkt man ersten KontoeröffEnd-Broker und bei den Kunden, zB beim Thema Reklanungen sind da. Aldas erkennen die mation. Bei Grossbanken landet man im les angenehm, man Leute auch. Es Call Center, bei uns glaube ich passiert muss jetzt sehen, gibt interessant- das menschlicher mit Herz und Verstand wie es weitergeht. weiser auch gute von Börsefachleuten. Dazu kommt, dass Leute, die schon die Leute sagen, „die sind ja eine Bank aus Peter Bösenberg, Socgen C afe BE: Welche seit Jahren traden, Österreich mit einer langen Tradition“, so aber Sorgen ha- hatten wir 2010 die Situation, dass 25 ProKlientel, welchen Anlegertypus haben Sie als Interessenten ben, dass sie nicht zu uns passen könn- zent der Neukunden aus Österreich geten, weil wir eventuell noch mehr Highausgemacht? Özal: Es gibt zwei grosse Gruppen. Ei- End sind. Wir haben auch Kunden, die ❲ Fortsetzung auf der nächsten Seite gezählt, wobei wir bisher in Österreich schwerpunktmässig im Institutionellen Bereich tätig waren. Wir haben dieses Jahr angefangen, die Produkte auch für den öffentlichen Vertrieb zuzulassen, das ist jetzt im Mai abgeschlossen. Wir werden die Marketing- und PR-Aktivitäten verstärken. Wir versprechen uns davon, dass wir das Know-How und die Expertise, die wir am deutschen Markt gesammelt haben, auch am österreichischen Markt gut ausrollen können.

„Täglich aktuelle Reports zu unseren Zertifikaten downloadbar, sogar inklusive Optionskomponenten“

„Wenn ich Anlageideen an Institutionelle ausschicke, dann kaufen die das oft auch privat“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE kommen ist, ohne dass wir dafür Werbung machten. Das war für uns der Auslöser, im Heimatland auch etwas präsenter zu werden. Cafe BE: Wie sind die ersten Monate 2011 gelaufen? Herfurth: Uns geht es ähnlich wie den Kollegen von Sino. Der grosse Hype ist noch nicht ausgebrochen, wenn ich aber gewichte, was wir an Werbung und PR ausgegeben haben, ist es sehr zufriedenstellend. Einige sagen, sie wollen das mal testen und können sich vorstellen, später das eine oder andere zusätzlich zu uns bringen.

Bei Silber ist Volatilität explodiert, da werden Discountsoder Bonuszertifikate massiv nachgefragt.

ob das auch passt für die Interessenten. Wir wollen lieber einen engen Rahmen, wollen die Gäste nicht überfordern und mit Infos erschlagen. Die Plattform hat einige Funktionalitäten und alternative Orderarten, dazu Stabilität und Schnelligkeit. Auch Geschäftsleitung, Chefhändler und Trading Desk werden heute Abend dabei sein.

Caf e BE: Stehen Rohstoffe auch bei Ihren Vorträgen im Mittelpunkt? Bös enbe rg: In einem Markt, in dem 40 Häuser aktiv sind und 20 Häuser versuchen, Komplettanbieter Cafe BE: Sie alle setzen auch stark auf zu sein, muss man sich abgrenzen. edukative Elemente ... Payami: Wenn man als junge Gesellschaft Das ist etwa mit in ein besetztes Geschäftsfeld eintritt, muss Discount-ZertifikaHakan Özal, Sino Cafe BE: Wird das man einen guten Plan mitbringen. Wir ha- ten auf den EuroStoxx nicht so ben gesehen, dass Emittenten mit den ein regelmässiges Kampagnen und Factsheets in der Zeich- leicht. Bei Rohstoffen können wir Produkte Veranstaltungsforum werden? Gibt es das nungsphase sehr stark sind; ist das Pro- anbieten, die wie wir glauben, sonst kei- in Deutschland auch? dukt aber bereits gelistet, gibt es oft Infor- ner so anbieten kann. Das steht auch bei Özal: Ja, das Ziel ist, das einmal im Moden Vorträgen im nat durchzuführen, der nächste Termin in mationsdefizite. Zentrum. EFG hat eine PlattWien ist der 9. Juni. In Deutschland haform entwickelt, ben wir München, Düsseldorf und Berlin Caf e BE: Herr im Programm. Heute Abend wird zB ein die standardisierte Infos während der Özal, heute abend österreichischer Kunde, der bereits seit gesamten Sekun(Anm.: die Cafe Jahren bei uns ist, dabei sein. Er freut sich, därmarktphase anBE-Runde fand dass wir das nun auch in Wien sind, und bietet. Wir haben am 19. Mai statt) er sich für neue Trading-Ideen inspirieren da täglich aktualigibt es die 1. Sino- lassen kann. Herzlich willkommen, kann sierte Reports und Akademie in ich nur sagen. gehen sehr tief in Österreich. Was die Materie hinein, werden die The- Cafe BE: Und wie ist die InformationszB legen wir auch men sein? nachfrage bei der Direkt-Anlage ÖsterÖzal: Es geht dar- reich? die Optionskomponenten der einum, einem ausge- Herfurth: Wir machen immer wieder unzelnen Strukturen wählten Kunden- terschiedliche Veranstaltungen, sind zum offen. kreis, einen Mehr- einen bei Messen und Börsentagen präBösenberg: Wir sewert zu bieten. sent. Wir haben auch den ein oder andehen uns als KomUnsere Plattform ren Vermittler, der an uns herantritt, wenn plettanbieter, eben ist High-End und es Sonderthemen betrifft, beispielsweise, vor allem im Bebirgt auch für be- wenn es um Zertifikate geht oder Wertreich der Rohstofstehende Kunden papierkredite. Ich halte ebenfalls nichts Florian Herfurth, daoe.at fe, die Favoriten immer wieder davon, Massenveranstaltungen zu machen. wechseln hier relaneue Überra- Klein und exklusiv gefällt es uns besser. tiv schnell. Aktuell schungen. In Uns ist es wichtig, die Kunden mit der Zeit sind die Bewegungen bei den Edelmetal- Österreich haben wir aktuell 15 Kunden, kennen zu lernen, umgekehrt soll auch len im Fokus, bei Silber war zuletzt die darunter auch zwei Corporates, wo gleich uns der Kunde besser kennenlernen, wir Nachfrage enorm. Komplettanbieter im mehrere dahinterstecken. Dazu auch InSinne von Hebel- und Anlageprodukten. teressenten. Ich frage da persönlich nach, ❲ Fortsetzung auf der nächsten Seite

„Stellen bei Österreichern steigende Nachfrage nach Auslandskonten fest“

„Die Wiener Börse sollte viel aktiver gegen die WPKESt auftreten“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE entscheiden, direkt in Deutschland zu investieren, dort ist es einfacher, sogar inklusive Besteuerung der Auslandskonten in Österreich. Wir haben im Oktober ein Stuttgarter Bankhaus übernommen, und stellen aktuell schon von Seiten der Österreicher eine steigende Nachfrage nach einem Auslandskonto fest. Viele warten aber einfach ab. Payami: Für uns als Zertifikateemittent ist die Aufklärung bei den Retailkunden wichtig. Die deutsche Fachpresse hat zB einen grossen Beitrag geleistet, die Press Coverage in Deutschland ist sehr hoch. In Österreich gibt es bei den Medien noch viel Potenzial.

haben 12 Kundenbetreuer in der persönlichen Kundenbetreuung bei Wertpapieren. Da baut sich mit der Zeit eine Bekanntschaft auf, zum Teil Freundschaft und Nähe. Man ruft einfach nicht anonym in einem Call Center an. Cafe BE: Und wie sieht es mit der Trennung zwischen B2B und B2C aus, da gibt es aktuell gerade im medialen Bereich ein Auseinanderdriften ... Payami: Wir sind ganz klar gewachsen mit dem Instititutionellen Anleger, und das Geschäft mit dem Endanleger ist erst später losgegangen. Es gibt auch regionale Differenzen; was man in der Schweiz als Privatanleger bezeichnet, ist in Österreich ein Semi-Institutioneller. Sowohl von der Grösse der Positionen her, als auch vom Know-How her. Wir haben für das B2BGeschäft, das klar ein One-on-OneGeschäft bei uns ist, ein eigenes Team und für die Privatanleger ein anderes. Das ist klar getrennt. Bösenberg: Das B2B-Geschäft im Institutionellen Bereich muss noch weiter differenziert werden. Mit etwa Versicherungen spricht man ja nicht über Zertifikate, sondern über massgeschneiderte Lösungen mit Derivaten. Ich glaube, es ist auch ein Irrglaube, dass man das strikt trennen muss. Wenn ich beispielsweise Anlageideen an meine Vermögensverwalter aussende, dann kaufen die das oft auch privat. Wenn man sich unseren Flow ansieht, ist zu vermuten, dass sehr sehr viele Tickets von Leuten aus der Industrie oder Medienleuten

kommen. Ich glaube, das ist auch unsere Stärke, dass da bei uns alles zusammenläuft. Özal: Institutionelle gehen bei uns direkt an die Mutter, die HSBC. Auch ich möchte die B2Bs ansprechen, die Fondsmanager sind ja oft auch selbst sehr aktiv. Herfurth: Wir sind von der Ausrichtung her komplett auf Privatanleger zugeschnitten, wir sind selbst relativ erfolgreich in der Vermögensverwaltung tätig, liegen in diversen Rankings in Deutschland mit Summa cum laude-Auszeichnungen weit vorne. Wir bieten Beratung incl. Besuchen zu Hause, aber auch die Plattform für Self Directed Trader. Cafe BE: Sie alle haben sich für einen Aufoder Ausbau in Österreich entschieden. Was sind die Wünsche an die Verantwortlichen für den Standort? Bösenberg: Das steuerliche Thema gehört ähnlich einfach und transparent wie in Deutschland angegangen. Da ist sehr viel Verunsicherung im Land. Özal: Sino wurde in Österreich freundlich empfangen, der Termin von Seiten der FMA war angenehm. Es besteht grosses Interesse, das läuft auf kollegialer Basis. Die steuerliche Sache ist natürlich ein Problem, das Schlimmste ist, dass alles in Schwebe ist oder verschoben wird, das macht keinen Spass. Wenn man Dinge ändert, muss man sie sofort ändern, das muss passen. Verunsicherung hilft niemandem. Herfurth: Das kann natürlich auch dazu führen, dass sich österreichische Anleger

Cafe BE: An die Zertifikateemittenten: Ist eine Mitgliedschaft im Zertifikate Forum Austria ein Thema? Bösenberg: Das kann ich jetzt noch nicht abschliessend beantworten. Wir sind am Start. Wenn es sich mittelfristig so entwickelt, wie wir uns das vorstellen, dann ist das natürlich ein Thema. LobbyingTätigkeiten sind für unsere Branche sehr wichtig. Payami: Ich bin überzeugt, dass man, wenn man langfristig in einem Land aktiv sein will, auch etwas für die Branche tun muss. Für einen Neuling wie uns ist es eine budgetäre Sache, ich sehe aber sehr wohl den Mehrwert eines Verbandes. Herfurth: Die Privatanleger nehmen die Arbeit für die Branche schon wahr. Die RCB hat gerade wieder den Award gewonnen, da wird gleich mehr getradet. Da ist schon viel Wahrnehmung rundherum. Wir unterstützen das auch mit einer FreeTrade-Aktion. Cafe BE: Brokerfrage - was wird bei Ihnen vorwiegend gehandelt? Özal: Ganz klar Aktien, vor allem Deutschland und USA. Österreich sehr wenig. Immer grösser wird die Nachfrage nach Futures, die sind für den Trader noch angenehmer, weil noch transparenter und liquider. Neu seit 2009 ist auch das Trading in Anleihen. Cafe BE: Die Marginanforderungen rund um die Futures; haben das Eure Kunden ❲ Fortsetzung auf der nächsten Seite


BÖRSE EXPRESS CAFE BE im Griff? Özal: Unsere Kunden verstehen das, sind sehr diszipliniert, es gibt wenige Margin Calls. Da wird nichts liegengelassen. Das kenne ich auch ganz anders. Herfurth: Bei uns findet eine Konzentration auf den DAX statt. Konservative Kunden gehen eher in Indexzertifikate, spekulativere in Hebelprodukte. Aber auch Einzeltitel sind gefragt. Der Wertpapierkredit ist sehr beliebt, wir können hier meines Wissens nach den günstigsten Zinssatz im Markt anbieten. Auf Kredit gekauft werden auch Anleihen, gerade jetzt. C afe BE : Österreichische Bank, deutsche Kunden. Handeln diese auch ATX-Titel? Herfurth: Nein, das muss mein leider sagen. Österreich ist für deutsche Anleger nicht allzu attraktiv. Ausnahme sind Einzelwerte, die gerade eine gute Story haben. Cafe BE: Die Zinsen steigen. Was heisst das für Ihr Geschäft? Bösenberg: Steigende Zinsen sind gut für uns, weil die Volatilität in der Regel steigt. Bei hoher Volatilität wird mehr gehandelt. Bei Anlageprodukten kann ich viel interessantere Garantiestrukturen bauen, vieles, was aktuell nicht so schön aussieht, kann man dann darstellen. Cafe BE: Aber bestehende Garantieprodukte fallen dafür im Kurs ... Bösenberg: In den vergangenen drei bis vier Jahren sind wenige neue Garantieprodukte gekommen, es gibt also kurze Restlaufzeiten. Zinsunsensitive Floater waren stärker gefragt und da gibt es ja keine Problem2. Payami: Wir sind bisher eher im Bereich der renditeoptimierenden Produkte, also Teilschutzprodukte, unterwegs gewesen, bei steigenden Zinsen sind auch für uns Kapitalschutzprodukte besser darstellbar. In Österreich mag man so etwas ja ganz besonders. Herfurth: Langfristige Investoren würden vielleicht umdenken, eine Verlagerung von Wertpapieren hin zu Festgeld. Spekulativer veranlagte Kunden würden hingegen vielleicht wieder stärker zu Hebelzertifi-

katen greifen. Özal: Für uns ist das gut, wenn die Volatilität steigt. Long oder Short, die Leute tun mehr. In Österreich sind Short-Möglichkeiten nicht so bekannt, das Interesse ist da, viele Leute trauen sich aber nicht, denken, dass das was Aussergewöhnliches ist. Wissen braucht man schon, beispielsweise bei Dividendenzahlungen. Cafe BE: Vor der Schlussrunde – gibt’s noch ein Anliegen? Özal: Die KESt ist zu spüren, die Leute gehen raus und halten sich zurück. Dabei war ja der Österreicher ohnedies noch lange nicht so weit, wie der deutsche Anleger. Ich möchte da auch die Wiener Börse auffordern, viel aktiver gegen diese Steuer und für den Finanzplatz aufzutreten. Rein die Ausbildungsveranstaltungen sind zu wenig. Man muss es schaffen, eine Gemeinschaft zu erzeugen. Das muss ein Volkssport werden. Aktuell fehlt jede Dynamik. Payami: Die gesamte Grundsatzdiskussion, die in Österreich sehr ausgeprägt ist, dass Aktien böse sind, muss durch Aufklärungsarbeit ganz anders geführt werden. Der Kauf eines Fernsehers wird wochenlang geplant, im Anlagebereich vertraut man einem Berater oder nimmt einfach das Sparbuch. Mehr Eigeninitiative der Österreicher bei der Geldanlage wäre wünschenswert.

stoffe, Währungen auf Sicht sechs Monate performen? Bitte um kurze Inputs, gerne auch die private Sicht. Özal: Meine private Meinung ist, dass die Aktienmärkte drehen werden, steigende Zinsen unterstützen das. Im Bereich Rohstoffe sage ich, dass alles, was mit Nahrung zu tun hat, weiter steigen wird. Bösenberg: Ich bin auf Sicht sechs Monate bullish, bei Rückgängen wird ja aktuell sofort wieder gekauft. Erfahrungsgemäss braucht der Markt nach Zinserhöhungen eineinhalb Jahre, bis er dreht. Und was sind die Alternativen? Die Dividendenrendite passt auch, ich bin bullish, trotz dunkler Gewitterwolken auf dem Horizont. Payami: Dunkle Gewitterwolken gibt es leider immer. Generell sehe ich positiv in die Zukunft. Man hat den Boom in den Emerging Markets-Regionen, die Rohstoffmärkte sehen auch gut aus, vor allem bei Energie- und auch bei den Agrargütern. Herfurth: Ich gehe von steigenden Zinsen aus, die Länder, die heute schon wackeln, werden noch grössere Probleme bekommen. Die Verunsicherung wird zunehmen, Aktien könnten fallen, Flucht in Rohstoffe, neue Anstiege bei Edelmetallen. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Franz-Josef Galuschka ❲ http://www.boerse-express.com/cafebe

Cafe BE: Wie werden die Weltbörsen, Roh-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Viel zu verdauen: WP-KESt und weitere nationale/internationale Unsicherheitsfaktoren

Über den ATX, die Abwärtsspirale, die KESt und das Prinzip Hoffnung Der Vorstand eines grossen Brokers, ein WP-Club-Chef, ein Halb-Aussteiger und ein Aussteiger sinnieren im Cafe BE über die Wiener Börse. Cafe BE: Herr Proschofsky, man kennt Sie vom Austria Börsenbrief und von Anlegerschützer-Themen; zuletzt hat man jedoch weniger von Ihnen gehört. Schauen Sie sich den Wiener Markt noch regelmässig an? Alexander Proschofs ky: Ich schaue mir den Markt jetzt wieder stärker an, investiere immer noch in Österreich. Mein restlicher Tag hat mit Häusern zu tun, was mein zweites Standbein wurde; und das seit mittlerweile acht Jahren. Ich schaue auch mehr international als früher, weil ich in Wien langfristig eine Unterwicklung erwarten würde aufgrund der vielfältig schlechteren Rahmenbedingungen. Cafe BE: Die Schreiberei aufgegeben? Proschofsky: Auf professioneller Basis habe ich 20 Jahre lang geschrieben, heute freue ich mich, wenn ich auf Eure be24.at die Dinge veröffentlichen kann, die mir am Herzen liegen. Hätte ich 40 Stunden mehr Zeit in der Woche, täte ich auch die Schreiberei vielleicht noch 20 Jahre weiterverfolgen. Ich habe immer gerne geschrieben, aber irgendwann reicht es dann auch mit Redaktionsterminen. Cafe BE: Zur Frage nach der Underperformance kommen wir später noch. Herr Karasek, Sie sind ja ein Komplettaussteiger aus dem Markt. Was waren die Beweggründe - ausser dem Wunsch, etwas völlig Neues zu tun? Heinz Karasek (lacht): Also keine, die man jetzt hier .... (alle lachen). Nein, es war einfach ein tiefer Wunsch nach Veränderung. Ich glaube auch nicht, dass das die letzte grosse Veränderung in meinem Leben war. Cafe BE: Ihr Lokal „Das Heinz“ an die Bör-

Im Cafe BE (v. l.): Hans-Peter Schweighofer (Investment-Club Austria), Wolfgang Siegl-Cachedenier (brokerjet), Alexander Proschofsky (Investor), Heinz Karasek (Wirt)

se bringen? Nein, Spass beiseite. Sie waren im Zertifikatebereich tätig, einige Zeit als Vorstand des Zertifikate Forum Austria. Warum ist gerade der Bereich der Strukturierten Produkte einer, der auch in den aktuellen Wiener Krisentagen noch gut funktioniert? Karasek: In den Produkten steckt viel Innovationscharakter. Ich glaube, es ist die Umstrukturierung eines Ertragsprofils, die man ja bei klassischen Anlagen nicht hat. Motivierend für Anleger sind auch negative Erfahrungen, die sie mit anderen Produktgruppen gemacht haben und die sich über längere Zeit summiert haben. Man muss sehen, wie das nach einer längeren Zertifikate-Ära aussieht. Cafe BE: Informieren Sie sich als Privatperson noch laufend über den Markt? Karasek: „Der Markt“ beschränkt sich bei mir auf Geschichten an der Theke. Es freut mich, dass viele Leute aus dem Finanzsektor gerne zu mir ins Lokal kommen. Die sind teilweise sehr heiter, teilweise aber auch sehr traurig dieser Tage. Cafe BE: Sie werden also nach wie vor mit

Börsethemen vollgeschwatzt, obwohl Sie es ja eigentlich gar nicht mehr hören wollen, oder? Karasek: Ja, kommt vor. Aber ich plaudere sehr gerne, mache nur selbst nichts mehr. Cafe BE: Herr Siegl-Cachedenier, wie stark steht die Wiener Börse eigentlich im Zentrum Ihrer brokerjet-Aktivitäten? Wolfgang Siegl-Cachedenier: Wenn man sich rein die Umsätze ansieht, so hatten wir im vergangenen Jahr rund 20 bis 25 Prozent unserer Umsätze an der Wiener Börse, das hat sich im bisherigen Verlauf 2011 halbiert. Das ist quer durch die Bank im ganzen Retailgeschäft zu sehen. Wir stellen gerade deshalb jetzt die Wiener Börse in den Mittelpunkt. Die Leute sind sehr verunsichert, was die Wertpapierbesteuerung in Österreich betrifft, wir wollen da mit viel Information Hilfe leisten: Webinare, Seminare, Roadshow; alles zum Thema Steuern, wir wollen da die Angst nehmen. Da gibt uns das Feedback auf der einen Seite recht, dass sich die Kunden sehr dafür bedanken. Andererseits bleibt die Zurückhaltung trotzdem beste-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE hen, was man an den Volumina ablesen kann. Die Unsicherheit ist das schwierigste an der aktuellen Situation, die Verschiebung auf April 2012 hat das noch verstärkt; die Eckpunkte der Steuer sind zudem in vielen Punkten noch sehr vage, beispielsweise ist die Besteuerung bei Splits noch unklar. Das erhöht die Unsicherheit. Cafe BE: Vor wenigen Tagen hatten Sie den grossen Trading Kongress. Standen auch hier die Steuern im Mittelpunkt oder doch eher die Anlagechancen? Siegl-Cachedenier: Beides. Das Steuerseminar war eines der Bestbesuchten auf dem Kongress. Die Frage, wie man seine Veranlagung umgestalten kann, ist natürlich eine Folgethematik. Interessant war, dass auch die Aussagen der einzelnen Referenten unterschiedlich waren. Norbert Walter beispielsweise sagte, dass das 21. Jahrhundert nicht im Zeichen von China stehen wird. Jim Rogers hat genau das Gegenteil gesagt – für die Leute eine Möglichkeit, sich ein Bild zu machen. Das macht so einen Kongress interessant.

Cafe BE: Wird es den Kongress auch 2012 geben? Siegl-Cachedenier: Ja, aber wahrscheinlich im März, weil wir gesehen haben, dass der Mai aufgrund des Wetters vielleicht nicht ganz passend ist. Wir haben den Kongress fünf Mal gemacht und zum fünften Mal hatten wir mehr als 25 Grad.

„Die Kapitalgarantie hat aus der Zukunfsvorsorge ein Nadelöhr-Produkt gemacht“

ter unseren Mitgliedern sind viele dabei, die in Ruhestand sind, und sich die Zeit gut einteilen können. Da werden viele HVs abgeklappert. Unser Club ist 20 Jahre alt und sehr gut etabliert, wir machen monatliche Clubtreffen, 11 Mal im Jahr, nur der Dezember wird ausgelassen.

Ca f e B E: Herr Cafe BE: Wie kann Schweighofer, während ich die anderen ich mir die Clubdrei Gäste seit einer treffen vorstellen, ist Ewigkeit kenne, sitzen das ein stabiler wir heute das erste Kreis an TeilnehMal zusammen. Kurz mern? Heinz Karasek, Ex-Banker, Wirt Schweighofer: Ein die Vorstellung auch für unsere Leser: Sie gewisser Kern an sind Chef des InvestmentClub-Austria, der Stammbesuchern ist da. Bei den Veran1991 als InvestmentClub der CA mit 100 staltungen bewegen wir uns zwischen 30 C afe BE : Warum Mitgliedern ge- und 50 Personen, in den Spitzenzeiten lagründet wurde. Ab gen wir bei 70 Personen, das hängt namacht man den 2003 Loslösung türlich mit der Börsenphase zusammen. Kongress an einem von der Bank Au- Wir versuchen auch immer, relativ aktuSamstag? S i e g l - C a c h e d e n i e r: stria und Umbe- elle Themen zu finden, die den Mitglienennung auf In- dern am Herzen liegen. Da hatten wir vor Ganz offene AntvestmentClubkurzem ebenfalls das Steuerthema mit wort – weil es eine Austria. 
Als Matthias Hofstätter von Leitner & Leitner Retailveranstaltung Verein ins Veroder zuletzt einen Beitrag von der volksist und die gehört einsregister eingewirtschaftlichen Stelle der Bank Austria. einfach an einem tragen. 
Derzeit Die Leute wollen zwischendurch die HardSamstag durchge333 Mitglieder Facts haben. Die Veranlagungsgruppen führt. mit einem Ge- sind in sich geschlossen, haben separate C afe BE: Im Versamtvermögen Strategien. Da gibt es zB eine reine Fondsvon 3,7 Mio. Euro gruppe, die meisten sind aber auf Einzelgleich mit den Vorin sieben Veran- aktien fokussiert. Die Ansätze variieren, jahren: Wie hat sich die Dimension der lagungsgruppen, mal gibt es den Value-Ansatz, mal den reVeranstaltung entdavon je eine in gionalen Ansatz. wickelt? Graz und KitzbüSiegl- Cachedenier: hel. Inwieweit Cafe BE: Gibt es eine reine Börse Wiensteht die Wiener Gruppe? Wir hatten heuer Alexander Proschofsky, Investor Börse bei Ihnen Schweighofer: Direkt nicht, aber ist na2500 Teilnehmer im Mittelpunkt? bei den Seminaren, türlich in den Gruppen ein Thema. Wir das ist im Vergleich zum Vorjahr ca. 40 Hans-Peter Schweighofer: Die Wiener Bör- haben uns intensiv mit dem Thema WertProzent mehr. Das ist sicher auch darauf se hat bei uns einen gewichtigen Aspekt. papier-KESt auseinandergesetzt und die zurückzuführen, dass halt einige Fragen Die Österreicher sind Home Buyer, ver- Portfolios so aufgestellt, dass Investments offen sind, andererseits hatten wir gute folgen den Markt sehr intensiv, gehen auch Ende 2010 getätigt wurden, um langfristig Speaker für den Event gewonnen. zB gerne auf Hauptversammlungen. Un- aufgestellt sein. Natürlich vor dem Hin-

„Österreicher, die im Inland veranlagen, werden diskriminiert“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE dass Andritz ein fanten auch. Das zutastisches Unternehrückgehende Vomen ist, das gleiche lumen und die zugilt für Mayr-Melnhof. nehmende UnsiCafe BE: Welche drei Titel würden Sie von Im Gegensatz gefalcherheit, das ist alles eine sich den österreichischen Titeln in Ihren Grup- len mir viele Unternehmen, bei denen selbst befeuernde pen hervorheben? Schweighofer: Sicher eine OMV als Blue- der Staat dabei ist, Abwärtsspirale für die Umsätze. ImChip Wien, dazu der Verbund und die voe- nicht. Da gehört auch die OMV dazu, ich mer mehr wird stalpine. finde das Manageüber Dark Pools Cafe BE: Ziehen Sie die Gruppen bei der ment furchtbar. Eine abgewickelt, das ist Kapitalerhöhung auf natürlich auch ein OMV-Kapitalerhöhung mit? Schweighofer: Das wird von Gruppe zu dem Level EV/EBITSpesenthema. Ich habe bei den AusGruppe variieren, was ich aber so her- DA von unter 3 zu machen, statt eine Insagen der anderen ausgehört habe, ist, dass wohl mit Limits vestition wie TuneGesprächsteilnehunter 30 agiert werden wird. Bekommt sien oder Tankstellen mer zugehört und man die Aktie, dann soll es recht sein, in der Türkei auszunachgedacht, was wenn nicht, auch egal. lassen. Die Aktie ist mich interessieren Cafe BE: Und welche Titel sind bei bro- billig und wird immer würde. Tut mir billig bleiben. Auch leid, aber da fallen kerjet die Gefragtesten? Siegl-C achedenier: In den vergangenen die Tatsache, dass Wolfgang Siegl-Cachedenier, brokerjet nur die guten alten Titel wie Leydrei Monaten wurde bei uns besonders man ein Jahr über die Kapitalerhöhung geredet hat, statt sie einkam, Lambacher oder so ein. Es ist schaviel (Anm.: zitiert eine Liste) in Intercell, fach zu machen, sodass das auch der letzde, der Platz ist historisch; ich war ja HändRaiffeisen, voestalpine, Immofinanz, OMV, te Hedgefondsler der CA, da sind wir jeden Tag in der Erste Group, AnManager in den Früh da, wo wir jetzt bei Griffner am Schotdritz und Verbund USA oder London tenring sitzen, am Weg zur Wiener Börse gehandelt. Dahinweiss; da bin ich vorbeispaziert. Die Orders wurden hänter mit Commerznicht so begeistert disch eingegeben. Da sind die Sensale mit bank, Conergy und von der ganzen dickem Buch und Bleistift zu den PatroSolarworld drei Transaktion. Posi- nanzbanken hingegangen. Am Anfang wurdeutsche Titel. Frütiver sehe ich die de das Buch so gehalten, dass man die her stand bwin im Lenzing-Transak- Orderlage nicht erkennt, im Verlauf ist das Mittelpunkt, da tion, die Emission Buch dann immer waagrechter gelegen. wird jetzt kaum wird auch auf die- Und dann hat halt der Chefhändler der noch etwas gehansem Preisniveau Patronanzbank eine Kursbildung verandelt. gut laufen. Kurz- lasst. Cafe BE: Der Aufristig, weniger langfristig, ist voe- Cafe BE: Was muss passieren, damit die stria Börsenbrief stalpine glaube ich Abwärtsspirale an der Wiener Börse gewar und ist beein ganz guter stoppt werden kann? kannt für das Pick, im Automo- Siegl-Cachedenier: Zwei Dinge, einerseits Stockpicking. Weltive-Bereich gibt es die Kommunikation von allen in der Branche Titel der Wiegute Signale. Das che an die Kunden, Anleger oder Interesner Börse schaut wars dann in etwa. sierten. Zweitens ein faires Gesetz, was die sich die Privatperson Alexander ProWertpapiersteuer betrifft. Cafe BE: Und Sie, schofsky heute Hans-Peter Schweighofer, InvestmentClub-Austria noch an? Herr Karasek, ha- Cafe BE: Was wäre aus Ihrer Sicht fair? Proschofsky: Also ben ja gesagt, dass Siegl-Cachedenier: Zum Beispiel, dass man anschauen tu ich mir weiterhin fast alles, Sie aktuell nicht aktiv sind. Spricht man Verluste sofort mit Gewinnen gegenrechzumindest das, was innerhalb eines ge- im Lokal über Aktien- und Zertifikatetipps nen kann. wissen Grössenfilters ist. Gut gefallen mir oder geht es eher um Gschichtln? aktuell eine Strabag, ich finde immer noch, Karasek: Befindlichkeiten und Gschich- Cafe BE: Das hört man ja sehr stark, dass tergrund der Vermögenszuwachssteuer, wenn sie noch so kommt, wie sie geplant war.

„Informationsnachfrage grösser als vor einem Jahr, aber die Leute halten sich mit Trades zurück“

„Die Österreicher sind Home-Buyer, aktuell herrscht Verunsicherung“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE das gerade evaluiert wird ... Siegl-Cachedenier: Genau. Es ist ja nicht so, dass es kein Verständnis für so eine Steuer gibt, nur fair muss es sein. Gewinne sofort zu versteuern und die Verluste erst im nächsten Jahr zurückholen zu können, das sieht der Privatanleger zu Recht nicht ein. Proschofsky: Was ist das für ein Gesetz, in dem ein in Österreicher, der in Österreich Wertpapiere veranlagt, gegenüber einem Österreicher, der in Deutschland Wertpapiere verlanlagt, diskriminiert wird? Siegl-Cachedenier: Richtig, das hören wir auch sehr stark von den Kunden.

gende Säule der Wirtschaft ist. Wenn die Unternehmen an Ausländer gehen, ist das ja sicher nicht besser. Da ist die Branche zum Aufrütteln aufgerufen, auch die Politik. Und letztendlich darf man auch die börsenotierten Unternehmen nicht aus der Pflicht nehmen. Leider sehen doch immer mehr Unternehmen den Aktionär als lästig an, man wird ja durch das politische Bild dazu eingeladen. Daher: Wir gehen zu den Hauptversammlungen, stellen Fragen, das ist auch das Recht der Aktionäre. Der Vorstand des Unternehmens soll sehen, dass die Leute kommen und interessiert sind.

C afe B E: Ein Austro-AktienUmsatzminus von 50 Prozent bei den meisten Brokern; gibt es da auch einen Dialog zwischen den Brokern selbst? Einen gemeinsamen Strang? Ist was geplant? Siegl-Cachedenier (lacht): Dialog ja, da würde ich mal dabei bleiben. Schweighofer: Durch die ganzen gesetzlichen Änderungen gibt es mittlerweile nur mehr sehr wenige Investmentclubs in Österreich.

Cafe BE: Herr Proschofsky, wie schätzen Sie die Chancen der Banken beim VfGH in Bezug auf die Wertpapiersteuer ein? Proschofsky: Da tu ich mir schwer, ich hab das alles vor Monaten gelesen. Der Aspekt,

Cafe BE: Wegen der aktuellen Änderungen? Schweighofer: Nein, vorher schon. Die Vermögen dürfen nicht mehr auf den Verein laufen, das ist ein Verstoss gegen das Bankwesengesetz, daher haben wir eine Treuhandschaft zwischengeschaltet. Das wollten sich aber viele andere Clubs nicht antun, zu viel Aufwand, zu hohe Kosten. Zurück zum aktuellen Umsatzrückgang: Der steuerliche Aspekt ist hier nicht der Hauptgrund, es sind meiner Meinung nach eher die Unsicherheiten wie Fukushima, der arabische Raum oder die Schuldensituation im Euro-Raum. Das führt dazu, dass Entscheidungen hinausgeschoben werden. Und bei der Vermögenszuwachssteuer ist die Problematik mit dem unklaren Zeitpunkt des Inkrafttretens deutlich komplexer geworden. Ein weiterer wichtiger Punkt: In den Neunzigern hatten wir zum Beispiel eine tolle Stimmung, die Leute wollten sich an den Unternehmen beteiligen. Zuletzt hatten wir eine Diskussion, dass der derjenige, der Aktien hat, ein böser Mensch ist, der bestraft gehört. Vergessen wird, dass der Aktionär die tra-

der mir sehr wichtig ist, ist, dass die Inlandskonten doch nicht diskriminiert werden dürfen. Das Grundübel der Steuer ist nichts anderes, als dass man die SparbuchKESt auf ein Wertpapier, das eine Kursbewegung hat, umlegen wollte. Ich glaube auch gar nicht, dass das böse Absicht ist, sondern politisch und österreichisch, so nach dem Motto „tun wir das doch in das Bestehende dazu“. Und leider hat es niemand gegeben, der da Widerstand geübt hat und jetzt haben wir den Salat. Cafe BE: Wie sehen Sie die Steuer, Herr Karasek? Karasek: Ich halte das für eine rein populisitische Massnahme. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aus so einer Steuer etwas rauskommt, das irgendwas im Haushalt

bewegt. Es ist eine Showsteuer, die noch dazu schlecht gemacht wurde. Das Thema Aktieninvestment ist in den vergangenen Jahren immer mehr vom Beteiligungscharakter zum Wettcharakter gegangen. Die Volatilität, die stellenweise im Markt war, das war zu viel. Zertifikate haben das noch einmal verstärkt. Und da ist wohl auch der Ansatz mit der Steuer zu suchen. Cafe BE: Herr Schweighofer, inwieweit sind Zertifikate bei Euch in den Anlagegruppen ein Thema? Schweighofer: Sind drinnen, aber werden eher stiefmütterlich behandelt. Wir haben im Club einen langfristigen Horizont, für Value-Investoren sind Zertifikate von der Philosophie her nicht so geeignet. Man sieht sich das an und gibt dem Investment Zeit.

Cafe BE: Also lieber gleich die voestalpine-Aktie statt dem Discount-Zertifikat, auch wenn eine eventuell hohe Volatitlität eine vielleicht sehr starke Ausstattung ergibt ... Schweighofer: Genau. Und es ist uns ja auch wichtig, zu HVs zu gehen. Zudem wollen wir in den Gruppen lieber die Langfristigkeit. Wir wollen am Unternehmen beteiligt sein, die Substanz sehen. Ein Besuch eines Stahlwerks in Linz gehört da dazu. Die HVs geben auch wichtige Indikationen zur Stimmung. Wird gestritten, geht alles ruhig zu? Wie geht es dem Vorstand mit dem Aufsichtrat und umgekehrt? Arbeiten vielleicht alle gegeneinander? Man lernt viel über das Unternehmen. Cafe BE: Und wie gross ist der Zertifika-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE te-Anteil bei den brokerjet-Kunden? Siegl-Cachedenier: Bei uns sind ca. 50 Prozent der Trades mit Zertifikaten. Cafe BE: Wirklich wahr? Siegl-Cachedenier: Ja, auf der einen Seite ist das durch die Spesenstruktur bedingt, andererseits hat brokerjet bei den Funktionen eine Vorreiterrolle, Kunden können bespielsweise auch im ausserbörslichen Handel Trailing Stopps verwenden. Cafe BE: Hebelprodukte statt Anlageprodukte, richtig? Siegl-Cachedenier: Ganz klar Hebelprodukte.

dem theoretischen Wert. Jetzt kommt Sozialminister Hundstorfer und möchte die staatliche Prämie auf ausgestoppte lebenslange Verträge kürzen. Auch das passt ins Bild. Ich möchte die klassischen Anbieter von strukturiert verpackten Derivaten ein wenig in Schutz nehmen, schliesslich kann ja, würde es deren Produkte nicht geben, ein Privatanleger nur schwer zB von einem erwarteten Rückgang der Vola profitieren können. Bei grossen Institutionellen sieht es anders aus, da blickt man oft wirklich nicht durch. Siegl-Cachedenier: Was ich positiv finde, ist, dass man in Märkte investieren kann, in die man sonst nicht reinkönnte.

Cafe BE: Und wann wird man Anleihen bei Euch handeln können? Siegl-Cachedenier: Seit zwei, drei Monaten machen wir auf Facebook recht viel und da kam ebenfalls vor kurzem diese Frage: Ich habe das mit 2012 beantwortet. Anleihen sind für die Diversifikation sehr wichtig, wir hatten es bisher technisch nicht aufgesetzt. Also: 2012. Cafe BE: Herr Proschofsky, sind für Sie Zertifikate ein Thema? Proschofsk y: Ich bin ein Direktinvestor. Bei Zertifikaten sehe ich schon den Punkt, dass es vor Spesen 50:50 steht, je nach Derivateklasse steht es dann nur noch 40:60, ohne Anspruch auf Genauigkeit. Ich habe zwar meine Diplomarbeit und Dissertation über Derivate geschrieben, setze sie aber selten ein. Ausnahme vielleicht Hegding. Derivate bräuchten meiner Meinung nach mehr Regulierung, sie sind Verstärker der Marktdynamik, haben die Krise verstärkt. Ich bin nicht dafür, dass Derivate verboten werden, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es sinnvoll ist, dass Aktien verstärkt über Derivate gehandelt werden. Karasek: Das ist schon zum Teil richtig. Beispiel Zukunftsvorsorge, das war nicht ganz durchdacht mit der Kapitalgarantie. Man lässt über Jahre Volumen hineintröpfeln, das dann zu einem schlechtem Moment durch ein und das gleiche Nadelöhr wieder raus muss, weil eben eine Kapitalgarantie darauf ist. Cafe BE: 2008 hatten wir den ATX-Future 100 Punkte unter der Kassa und unter

Schweighofer: Wer eine klare Meinung hat, kann das mit Zertifikaten gut umsetzen, für steuerehrliche Menschen ist das auch eine einfache Handhabe. Cafe BE: Auf zur klassischen Schlussrunde. Wohin gehen die Märkte? Wo notieren ATX & Co per Jahresende, gerne auch die private Meinung ... Siegl-Cachedenier: Ich glaube schon, dass wir bis Ende des Jahres im ATX und auch im DAX noch eine positive Entwicklung sehen werden. Viele warten ab, nicht nur bezüglich der KESt, sondern auch wegen Griechenland oder dem nahen Osten. Cafe BE: Glauben Sie an einen Anstieg der Vola? Das müsste dann ja auch wieder ansteigende Handelsvolumina geben. Siegl-Cachedenier: Ich denke, dass wir aktuell ein historisch tiefes Niveau bei den Handelsumsätzen haben. Das wird schon wieder etwas ansteigen, das ist auch ein bisschen eine Hoffnung natürlich. Schweighofer: Ich glaube, die Anleger werden sich an die Unsicherheiten gewöhnen, und vielleicht fällt ja die eine oder andere Unsicherheit weg. Ich sehe in der zweiten Jahreshälfte durchaus Potenzial. Ich bin optimistisch, der Markt braucht

jetzt ein wenig Zeit, um Luft zu holen. In Österreich und Deutschland haben die Unternehmen gute Arbeit geleistet. Karasek: Ich habe zum Aktienmarkt gar keine Meinung mehr, will auch keine Prognosen abgeben. Die Frage ist, ob eine Prognose von mir aktuell nicht eine höhere Trefferchance hätte als früher. Aber das, was ich rundherum sehe dieser Tage, gefällt mir gar nicht. Die Krisenherde in Europa und im Nahen Osten sind bekannt, auch der Aufschwung in Amerika steht meiner Meinung nach nicht auf einem gesunden Fundament. Cafe BE: Herr Proschofsky, Sie sprachen eingangs davon, dass der Wiener Markt nur eine Underperformer-Einschätzung verdiene ... Proschofsky: Die Märkte haben sich recht gut gehalten, die Stimmung zeigt jedoch die schlechte Laune. Ich war erst in der vergangenen Woche bei einer Konferenz mit österreichischen und deutschen Unternehmen, dort ist die Stimmung erfreulicherweise sehr gut. Ich glaube, die Unternehmen sind viel besser aufgestellt als vor der Krise. Die Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gemacht. Der DAX gefällt mir in Europa am besten, auch der ATX könnte am Ende des Jahres ein Stück höher liegen, aber etwas hinterherhinkend. Hier gibt es noch viele offene Punkt: Das KESt-Thema, die Beachtung der Wiener Börse, einige grosse Unternehmen, zB die Staatsnahen, sind einfach schlecht gemanagt. Es gibt gute Unternehmen in Österreich, aber die Verlagerung der Zentralen weg aus Österreich ist schon ein Problem. Oder Cheuvreux mit der Aufgabe der Niederlassung. Weiters sind die Börsegebühren sind viel zu hoch und das Klima ist börsefeindlich. Die Problemlösung ist komplex, man kann da nicht einfach an einer Schraube drehen, es geht nämlich um viele kleine Faktoren. Ich fürchte, die Umsätze werden noch weiter bröckeln. Börsegänge klappen nicht wegen der Historie (Amag, Isovoltaic), aber es ist immer einzeln zu betrachten. Lenzing wird gut laufen, da bin ich überzeugt. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Franz-Josef Galuschka ❲ http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE über Managed Futures, Trends, deren Brüche und Performance-Erwartungen

„Was will man mit Anleihen oder Aktien im aktuellen Umfeld noch verdienen?“

Im Cafe BE: Oliver Prock (Salus Alpha), Thomas Steiner (apano), Gernot Heitzinger (SMN), Wolfgang Schimmel (FTC)

Wer Aktien hat, kann auch einen ebenso hohen Anteil an Managed Futures im Portfolio haben, lautet die einhellige Empfehlung. Cafe BE: Lehman-Bankrott, MadoffSchwindel – wie haben sich diese Ereignisse auf die Branche ausgewirkt und wie hat sich das Volumen der Managed Futures (MF) weltweit seit 2007 entwickelt? Thomas Steiner: Die Branche hat jetzt ein Volumen von rund 266 Mrd. USD, 1994 waren es erst 20 Mrd. Das Wachstum ist überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Asset-Klassen, aber insgesamt ist die Industrie noch immer klein. Auch 2008/09 gab es keine Einbrüche wegen der guten Kursentwicklung. Oliver Prock: Wichtig ist das Wachstum, seit 2007 sind es 40% aufgrund der Unkorreliertheit der Assetklasse und der Performance. Gernot Heitzinger: Es sind stete Zuwächse, weil es im Vergleich zu Aktien stete Performance-Zuwächse gibt. 2008, das Jahr von Madoff und Lehman, war unser erfolgreichstes Jahr, wir hatten starke performance-bedingte Zuwächse, aber auch Abflüsse, weil viele Kunden einfach Liquidität haben wollten. Immer wenn MF ein sehr gutes Jahr hatten, war das Umfeld so

schlecht, dass man nicht wie in anderen Assetklassen plötzlich einen massiven Geldzufluss bekommt. 2009 spürte man auch bei den MF eine Zurückhaltung. Prock: Massive Zuflüsse gab es eigentlich nur beim Platzen der New EconomyBlase. Das war ein isoliertes Problem. Wie gesagt, 2009 waren die Anleger zurückhaltend, aber 2010 ist es mit den Zuflüssen wieder ganz gut gelaufen.

Prinzipiell sollten Trendfolger zumindest mittelfristig immer Gewinn machen? Warum ging 2009 so schief? Prock: Man muss es so sehen: 2008 wurde eine enorme Überrendite erzielt, von der 2009 wieder etwas abgegeben wurde. Das ist aber an sich nichts Schlimmes, das gehört dazu. Trends an sich wird es aber immer geben, da hat sich nichts verändert. Die Assetklasse hat Volatilität, aber das heisst auch Ertrag. Steiner: 2009 war gefühlsmässig ein Jahr mit Trends, aber de facto das Jahr mit den wenigsten Trends. Es gab viele Trendbrüche, und das ist eigentlich die grosse Gefahr für MF. Wenn man den ganzen Zeitraum seit der Krise betrachtet, hat sich die MF-Industrie sehr gut gehalten. Heitzinger: 2009 kann man nicht dazu heranziehen, die Aussage zu widerlegen, dass MF immer Gewinne machen müssten. Was ist mittelfristig? Schaut man rol-

lende 5-Jahresperioden an, gibt es kaum eine Assetklasse mit stabileren Ergebnissen. Gerade bei den Trendfolgern zeigt sich gut, dass jene, die 2008 besonders gut waren, 2009 besonders schlecht waren. Das ist auch eine Frage der verwendeten Trendmodelle. Steiner: Wichtiger ist die Frage, wie gross der maximale Drawdown ist. Denn –50% sind für Kunden besonders schmerzlich. Schaut man sich den Barclays-CTAIndex seit 1986 an, dann war der maximale Drawdown (Einbruch) –15,7%, was sensationell zu den Aktienmärkten ist, wo wir zwei Mal eine Halbierung hatten. Nimmnt man den MAN AHL her, ein eher dynamisches Produkt im MF-Segment, dann liegt der maximale Drawdown bei –18%. Das ist eine andere Welt als die zweimalige Halbierung bei Aktien. Dennoch haben viele Leute noch das Gefühl, MF seien etwas wahnsinnig Riskantes, wo man überlegen muss, ob man sich das trauen kann. Für viele Berater sind MF immer noch Produkte, die mal –50%, dann +50% machen. Aber das stimmt nicht, wenn man sich die Indizes und die grossen Anbieter anschaut.

Wurden wegen der Erfahrungen aus dem Jahr 2009 strategische Änderungen durchgeführt, also wurde etwa auf kurzfristigere Trendfolge-Modelle umgestellt? Ist das überhaupt sinnvoll?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Heitzinger: Das ist eine Philosophie-Frage. Wir glauben nicht daran. Wir sind der Meinung, dass die ganze Welt und die Wirtschaft fundamentalen Dingen folgen. Und diese brauchen einfach länger. Ganz kurzfristige Sachen sind stark vom Zufall getrieben und daher schwer fassbar. Wir haben uns jedenfalls absolut der langfristigen Ebene verschrieben. Prock: Nochmal zurück zur Frage, ob es Trends immer gibt. Die Nobelpreisträger für Behavioural Finance, Kahneman und Tversky, argumentieren, dass es Trends gibt, weil sich die Leute sehr langsam anpassen und dadurch die Preise nach oben lizitieren. Die MF-Branche ist darauf ausgelegt, dass jede Information im Preis ist. Die Konsequenz ist, dass Manager nun schon auch versuchen, adaptiv unterwegs zu sein, also in beide Richtungen gehen zu können. Steiner: Das hat auch MAN gemacht. Man hat 2008 erkannt, dass die Trends immer kurzfristiger werden und versucht, das Modell zu adaptieren. MAN ist immer noch ein mittelfristiger Trendfolger, das heisst zwei bis drei Monate. Diese Trends sind historisch die besten Rendite-Bringer. In den letzten Jahren gab es aber viele kurzfristige Trends und nun hat das Handelssystem auch die Möglichkeit, Märkte schneller zu handeln.

Kann es sein, dass Trendfolger plötzlich prinzipiell nicht mehr funktionieren? Heitzinger: Diese Frage kommt immer wieder, in meiner Zeit als Aktienfondsmanager hat mich interessanterweise nie jemand gefragt, ob Aktienfonds plötzlich nicht mehr funktionieren können. Prinzipiell sind Szenarien vorstellbar, etwa wenn alle nur mehr Trends folgen. Aber davon sind wir noch weit weg. Gerade auch die politischen Entwicklungen und Regulatorien deuten darauf hin, Dinge zu verstetigen, alles noch länger zu machen und Blasen stärker auszubilden. Steiner: Es wird schon immer schwieriger. Es hat einen Grund, dass MAN 120 Leute in der Entwicklung hat. 1980 konnten mit ganz einfachen Modellen, wie etwa diesen Turtle-Trader-Geschichten, sehr gute Erfolge erzielt werden. Inzwischen ist es so hochgezüchtet, dass die Vorteile immer geringer werden. Ja, Trendfolge wird es weiter geben, aber es ist nicht mehr so trivial,

„In meiner Zeit als Aktienfondsmanager hat mich nie jemand gefragt, ob Aktienfonds plötzlich nicht mehr funktionieren können“ Gernot Heitzinger, SMN

dass sich jeder, der ein wenig vom Programmieren versteht, einen eigenen Trendfolger bauen kann. Prock: Auch wir bei Salus Alpha denken in diese Richtung. Der Markt, die ganze Welt, ist ein Makro-Player geworden. Es gibt nur mehr risk on/risk off. Die Modelle müssen dieses Umfeld beherrschen, d. h. schnelle Korrekturen in den Trends.

Was passiert bei Weltuntergangsszenarien? Sind MF auch dann eine gute Anlage, wenn es z. B. zu einer Hyperinflation käme? Heitzinger: Sowohl Deflations- als auch Inflationsszenarien oder auch Szenarien wie jetzt, wo beides denkbar ist, werden Trends auslösen. Die Frage, wie es in der Hyperinflation ausschauen wird, ist eigentlich paradox, denn Hyperinflation ist ein Kollaps der Geldwirtschaft. D. h. ein Finanzprodukt, das einem in der Hyperinflation hilft, ist ein Paradoxon per se. Es wird wahrscheinlich sehr gut performen: Man bekommt dann zwar Milliarden Euros, die alle nichts wert sind. Es ist also eine Frage, wie stark die Inflation ist. Für ein starkes Inflationsszenario, solange Märkte funktionieren und offen bleiben, wird es gut funktionieren. Aber bei einem Kollaps der Geldwirtschaft muss man sich mit Finanzprodukten nicht auseinandersetzen, hier kauft man besser einen Acker.

Wolfgang Schimmel: So würde ich das auch sehen. Aber ein Szenario wie 2008, das als Untergang der bekannten Finanzwelt erschien, war mit Abstand eines der besten Jahre, einfach weil die Trendfolger schon richtig positioniert waren. Prock: Wir versuchen schon, MF als Absicherung gegen Inflation zu sehen. Wir gehen davon aus, dass steigende Preise einen entsprechenden Trend auslösen. Andererseits ist man bei Inflation am besten in Hard Assets veranlagt. Ich glaube, man muss einfach die Vorsilbe „Hyper“ wegstreichen, dann ist man mit MF nicht so schlecht aufgehoben.

Ein Grossteil der Mittel wird ja bei Futures-Käufen nicht investiert. Was passiert mit diesem Geld? Ist es in Staatsanleihen angelegt und was passiert dann bei einem Staatsbankrott? Schimmel: Wir haben im Cash-Management unterschiedliche Termingelder bei unterschiedlichen Banken und teils kurzlaufende deutsche Staatsanleihen. Steiner: Bei MAN haben wir nur Taggeld bei verschiedenen, AAA-gerateten Banken. Wir versuchen nicht, mit der CashKomponente Ertrag zu machen. Heitzinger: Auch wir haben nur kurzfristige Staatsanleihen aus v. a. Deutschland und Österreich und haben Bankeinlagen


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Sind MF im UCITS-Mantel sinnvoll und welche Einschränkungen gibt es? Schimmel: Rohstoffe kann man nicht direkt abbilden, d. h. man kann keinen Futures-Handel im UCITS-Fonds haben. Folglich müsste man die Rohstoffe über Welcher Prozentsatz wird in Futures ver- eine Swap-Konstruktion indexieren. Heitzinger: Sinnvoll nein, denn ein anlagt und was bleibt im Cashbereich? Prock: Margins von 5 bis 20% sind üb- UCITS-Fonds stiftet hier für den Anleger keinen zusätzlichen Nutzen. Aber es ist lich. Steiner: Hängt von den Märkten ab, im ein Thema, das der Markt immer mehr Schnitt sind die Margins über unsere 200 haben will, und als Brand gesehen wird. Steiner: Es hat schon einen gewissen Märkte zwischen 16 und 18%. Mehrwert, etwa einen rechtlichen. Es ist Ist es auch üblich, mehr als die Margin zu ein Luxemburger Fonds, die Leute wissen, was ein Sicav ist, ein rechtlicher Rahmen, investieren? der vertraut ist. Bei MAN gibt es immer Steiner: Das wäre dann ein Leverage. Heitzinger: Das hängt davon ab, wie man noch beide Möglichkeiten: offshore mit das Produkt konzipiert und in welcher Ri- Vorauskasse oder UCITS. Man kann den sikoklasse es man aufsetzt. Wir haben 20% täglichen Handel leichter abdecken, was Margin to Equity, aber auch ein Spezial- die Leute wollen. Auch die InstitutionelProdukt mit 40%. Der Kunde muss nur wis- len kaufen inzwischen fast ausschliesslich sen, wie er damit umgeht. Für die breite die UCITS-Tranche bei uns, weil es verwaltungstechnisch für sie leichter abMasse ist das aber nichts. Schimmel: Schwankt und hängt von der deckbar ist. Aber das kostet etwas, wir saMarktvolatilität ab, bei uns liegt sie zwi- gen bis zu 0,4% an Performance pro Jahr. Prock: Ich muss jetzt Flagge zeigen: Ein schen 18 und 22%. Prock: Bei unseren Fonds im Schnitt zwi- UCITS-Mantel ist auf alle Fälle sinnvoll. Am besten packt man dabei das gesamte schen 10 und 15%. Portfolio in einen Index. Nur dadurch hat der UCITS-Investor überhaupt die Möglichkeit, an dieser Assetklasse in vollem Umfang zu partizipieren. Warum gibt es überhaupt UCITSKonstruktionen? Weil es der Markt will. Der Markt hat die Kritikpunkte an der alten Konstruktion erkannt: Offshore, keine Zahlung gegen Lieferung, kein Wertpapier, Illiquidität. Dass es Kosten verursacht, lasse ich gelten, aber dafür hat der Anleger eine höhere Liquidität. Heitzinger: Einige der Punkte sind sicher so. Aber anders als bei Wolfgang Schimmel, FTC Hedgefonds kann man minimiert. Prock: Wir sind UCITS-konform unterwegs, wo der Gesetzgeber schon Diversifikation vorschreibt und das ist auch die Sicherung gegen Ausfälle.

„2008, das als Untergang der bekannten Finanzwelt schien, war mit Abstand eines der besten Jahre“

MF genauso in einem Luxemburger Fondsmantel abbilden, der genauso funktioniert und keinerlei Nachteil gegenüber einem UCITS-Fonds hat. Hingegen kostet ein Swap etwas, verursacht ein Counterpart-Risiko usw. Eigentlich wäre vernünftiger zu hinterfragen, warum der Gesetzgeber sagt, dass Commodities in keiner Form in UCITS einsetzbar sind. Zusammenfassend ist meiner Meinung nach die UCITS-Verpackung nicht sinnvoll, sondern bringt nur den Investmentbanken viel Geld, das der Anleger nicht bekommt. Schimmel: Weite Teile des Marktes verlangen UCITS, darum macht man das eben. Notwendig ist es nicht. Der FTC Managed Futures Fund Classic ist eine SICAV-Konstruktion seit 1998, täglich handelbar, liquid, völlig transparent. Man kann beides haben, das eine widerspricht nicht dem anderen. Prock: Nochmals zum Counterpart-Risiko beim Swap: Das hängt von der Konstruktion ab, besteht nicht notwendigerweise. Wir haben „unfunded Swaps“, damit bleibt das Geld komplett im Fonds, es gibt kein Kollateral und damit auch kein Ausfalls-Risiko auf das Kollateral. Man kann es aber auch anders machen. Ich sehe es auch kritisch, wenn Anbieter mit 110% Kollateral werben, weil das mglw. 110% Kollateral mit schlechter Bonität bedeuten kann, was dann ein höheres Ausfallrisiko bedeutet. Der Anleger ist gefordert, das zu verstehen. Das Gesetz ist nun aus dem Jahr 1986 und veraltet. Da steht auch drinnen, man darf keine Goldinstrumente haben. Das kommt alles aus einer Zeit, als die Futures kein Cash-Settlement hatten, also physisch geliefert wurde. Es werden sicher Commodity-Futures über kurz oder lang gesetzlich zulässig werden. Am Ende des Tages wird bei der Diskussion zwischen UCITS oder Non-UCITS die Performance entscheiden. Noch sind die Statistiken zu jung, das zu beurteilen. Heitzinger: Ich begrüsse den Trend zu einer gewissen Regulierung, es sollte aber möglichst transparent gemacht sein und ohne viele Umwege. Wenn die Regulatoren zulassen wollen, dass Commodity-Risiko beim Anleger ankommt, dann soll das möglichst direkt realisierbar sein. Es hat keinen Sinn, alles irgendwie zu verpacken. Prock: Ja und nein. Der Gesetzgeber hat


BÖRSE EXPRESS CAFE BE viel früher gesagt, dass Commodities im UCITS-Fonds zulässig sind, aber nur als Index, weil die UCITS-III-Richtlinie nicht mehr hergegeben hat.

Sieht man sich lang zurücklaufende Indizes für die Branche, etwa den CASAMCISDM-CTA equal weighted bzw. assetweighted, an, so haben diese seit 1980 rund 6000 bzw. 3000% gemacht (14,6 bzw. 12,0% p. a). Wie stark sind diese Indizes verzerrt, etwa durch Survivorship-Bias? Schimmel: Dieser Index ist schon durch viele Hände gegangen und wird in seinen Subindizes teilweise gar nicht mehr nachgeführt. Wenn man ihn mit dem BarclaysCTA-Index vergleicht, derzeit der StandardIndex für CTAs, kommt man auf ähnliche Zahlen. Inwieweit nun der SurvivorshipBias eine Rolle spielt, wäre ein akademisches Untersuchungsprojekt. Prock: Survivorship-Bias gibt es. Wenn man einen Backtest mit den Survivors macht, dann erhält man eine ganz andere Performance, als wenn auch die pleite gegangenen Fondsleichen mitberücksichtigt werden. Heitzinger: Ich halte vor allem die zuvor genannten Zahlen nicht für völlig absurd. Unseren Fonds gibt es nun seit 15 Jahren und wir haben 10% p. a. Steiner: Das Ziel ist auch bei MAN immer noch, bei der Performance zweistellig zu sein. Den Fonds gibt es seit 20 Jahren, er hat knapp 10% des gesamten MFMarktes an Volumen und kann daher ganz gut zum Vergleich verwendet werden. Prock: Nicht vergessen sollte man, dass in den 80er Jahren, der Pionierphase, nur wenige Teilnehmer im Index waren und dadurch die Aussagekraft für diese Phase, die eine sehr gute Performance aufwies, stark eingeschränkt ist. Spielen Rohstoff-Futures bei MF überhaupt noch eine bedeutende Rolle oder konzentriert sich inzwischen alles auf Zins-, Aktienindizes-, und Wechselkurs-Futures? Schimmel: Das kommt aufs Produkt an. Es gibt reine Financial Futures Trader, es gibt sogar reine Agrar-Trader. Bei den in Österreich auf dem Markt befindlichen Produkten sind das durchwegs diversifizierte MF-Produkte. Bei uns ist es im Schnitt ein Viertel des Exposures, und wir sehen den

„Warum kauft man Managed Futures? Weil keine Diversifikation mehr möglich ist, nur weil man europäische und US-Aktien hat“ Thomas Steiner, apano

Rohstoffanteil nach wie vor als wichtigen Indikator, obwohl die Korrelation zwischen Rohstoff und Aktien inzwischen weit höher ist. Aber es gibt Phasen, wo fast nichts ausser Rohstoffen läuft. Heitzinger: Diversifikation ist extrem wichtig, wir haben bis zu 40% Rohstoffe. Prock: Die Branche generell hat immer noch einen grossen Anteil an Rohstoffen. Was wir schon sehen: Je grösser Fonds werden, desto stärker geht der Commodity-Anteil zurück. Steiner: Je breiter diversifiziert, desto besser. Es kommen auch viele neue Märkte dazu. 1990 haben wir 50 Märkte gehandelt, jetzt sind es 250. Jeder neue Markt bringt weitere Diversifikation, von Aktienfutures bis Stromfutures schaut man sich alles an, was halbwegs liquide ist. Warum kauft man überhaupt MF? Weil mittlerweile einfach keine Diversifikation mehr möglich ist, nur weil man europäische und amerikanische Aktien hat. MF sind eine der wenigen Assetklassen, mit denen man noch eine Diversifikation erzielt. Schimmel: In Wahrheit liegt dies weniger an den vielen Assets, die wir handeln, sondern das kommt aus dem Assetmix.

Wie hoch sollte der MF-Anteil in einem Privatanleger-Depot sein? Prock: 15 bis 30% macht Sinn.

Steiner: 15 bis 20%. Gerade jetzt, wo ein grosses Fragezeichen über den Aktienmärkten steht. Das ist auch der Anteil, den die grossen Investoren seit Jahren fahren, etwa die Universitätsstiftungen Yale und Harvard. Unsere grössten Kunden in den letzten Jahren waren deutsche Pensionskassen und Versicherungen, also wirklich konservative Anleger, die in diese Produktkategorie investierten. Ein Kunde, der von seinem Risiko her einen gemischten oder Aktienfonds verträgt, kann 15 bis 20% MF beimischen. Schimmel: Ich bin der Ansicht, das ist abhängig vom Aktienanteil. Zwar diversifizieren auch die MF ein Anleiheportfolio gut, allerdings wird man bald feststellen, dass das Risiko auch steigt, was solch ein Anleger nicht will. Risikominimierung funktioniert am besten mit Aktien. Wer jetzt etwa 40% Aktien hat, kann davon die Hälfte in MF tauschen. Heitzinger: Es gibt aus meiner Sicht nicht DEN Privatanleger. Der Veranlagungshorizont und der Risikoappetit sind zu verschieden. Falsch ist jedenfalls die Denkweise, langfristig werde man mit Aktien mehr performen als mit Anleihen, denn wir haben schon 30-Jahres-Perioden gehabt, wo es nicht so war. Aktien wird ein zu hoher Stellenwert eingeräumt, denn vom Risiko-/Ertragsverhältnis haben sie


BÖRSE EXPRESS CAFE BE über die Jahre erbärmlich performt. Wer Aktien hat, kann auch einen genauso hohen MF-Anteil haben und wer sich nicht über Aktien traut, sollte auch keine MF haben.

Sind Österreicher eher MF-Muffel oder begeisterte MF-Investoren? Schimmel: Im Verhältnis zum deutschen Markt sind Österreicher geradezu MF-begeistert, aber das liegt auch am regulatorischen Umfeld, weil hier publikumsvertriebene MF-Fonds sehr viel einfacher Fuss fassen konnten als in Deutschland. Steiner: Die Berater sind in Österreich relativ MF-affin. Ein Grossteil der Vermögensverwalter hat sich schon mit dem Thema befasst. Schimmel: Unser Anteil an Privatanlegern ist in den letzten drei Jahren stark gestiegen. Wir haben vorher fast nur institutionelles Geld verwaltet, aber inzwischen ist der Anteil der Privatanleger schon deutlich. Auch bankunabhängige Berater greifen das Thema dankbar auf, weil es derzeit sehr schwierig ist, etwas mit einer befriedigenden historischen Performance zu finden. Wer vor zehn Jahren Aktien kaufte, sitzt immer noch auf Verlusten, während MF in den letzten Jahren wirklich etwas brachten und auch die Portfolios sehr gut abstützen. Steiner: Bei MAN sieht es in Gesamteuropa und Asien so aus, dass von den 24 Milliarden auf Institutionelle und Private je die Hälfte entfällt. Heitzinger: Für Privatkunden wären MF wegen ihres langen Anlagehorizonts eine ideale Anlageklasse. Für Institutionelle mit ihrem jährlichen Bilanzdenken ist die starke Volatilität ein Nachteil. Wenn er Pech hat, muss er im ersten Jahr abschreiben. Über rollende 10-Jahresperioden betrachtet gibt es eine extrem hohe Wahrscheinlichkeit für einen sehr guten, ja besseren Anlageertrag als mit den meisten anderen Assetklassen. Prock: Bei uns ist der Anteil der Privatanleger ca. um die 20%, weil wir UCITSFonds haben. Wir sind ausgerichtet auf Institutionelle, aber Privatanleger nehmen das Angebot auch wahr. Österreich ist auch meiner Meinung im Vergleich zu Deutschland bei MF weit vorne, weil das Umfeld in Österreich von der regulativen

„Managed Futures sind ideal für Privatanleger. Man hat mit einem Produkt ein globales Portfolio und ist in allen Märkten aktiv“ Oliver Prock, Salus Alpha

Seite besser war. An sich kann ich das nur unterstreichen, dass MF ein ideales Produkt für Privatanleger sind. Der Vertrieb liebt oder hasst MF, er versteht das Produkt oder versteht es nicht. MF machen Sinn, auch für die Zeiten, die kommen. Was will man noch mit Anleihen oder Aktien im aktuellen Umfeld verdienen? Mit MF hat man mit einem Produkt ein globales Portfolio und ist in allen Märkten aktiv. Man kann auch weit mehr als 30% MF nehmen.

Wenn ich zur Bank gehe und MF von Ihnen kaufen will, geht das? Allgemeines Nicken. Heitzinger: Sie können es gerne probieren, uns interessiert das Feedback sehr. Prock: Ich habe einmal einen solchen Feldversuch gemacht. Kaufen, ja. Aber die Bankberater am Schalter konnten keine befriedigende Beratung anbieten, die bekommt man nur beim Anbieter. Schimmel: Das wird aber allmählich besser, es gibt schon Private Banking Abteilungen, die MF in ihren Musterportfolios drinnen haben. Sind Managed Futures schuld an den hohen Rohstoffpreisen? Steiner: In jeder Diskussion kommt der Vorwurf, MF seien schuld am schwachen

Euro-Kurs, am festen Euro-Kurs, am hohen Weizenpreis, am teuren Kaffee etc. Hier kann man nur sagen: Die MF-Industrie ist zu klein, um Märkte zu bewegen und will es als Trendfolger auch nicht. Wir haben 266 Milliarden, aber allein an Währungsmärkten werden jeden Tag 3000 Milliarden USD gehandelt. Wir sind auch nicht die, welche die Rohstoffe treiben, weil wir ja long und short gehen. Aber allein in Deutschland sind über 100 Milliarden Euro in den letzten fünf Jahren in Rohstoff-long-only-Produkte geflossen. Das sollte man sich mal anschauen. Schimmel: Die gesamte Indexindustrie im Rohstoffbereich hat eine Kapitalisierung von 300 Milliarden. Die gesamten MF liegen mit 266 Mrd. weit darunter.

Ein Schlusswort? Prock: MF sind definitiv eine Alternative zu long-only-Aktien und es macht Sinn, nicht nur des Airbag-Charakters in der Krise wegen, sondern auch langfristig, MF im Portfolio zu haben. Das Gespräch führten: Christoph Rohrmoser, Bettina Schragl Bilder: Franz-Josef Galuschka

Bilder und frühere Cafe BE-Runden: http:www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE IR-Talk: Warum Online-Reports ungeliebt sind, die C.I.R.A wichtig ist und vieles mehr

IR-Job zwischen GBs, Roadshows, (Bezahl)Research und Social Media Investor Relations im Umbruch. Wo gespart wird, was wichtiger wird. Hier die Zusammenfassung eines Experten-Talks im Cafe BE. Cafe BE: Wie ist die IR-Abteilung bei Ihnen dimensioniert, wo hierarchisch angesiedelt? Beginnend vielleicht gleich mit Wienerberger ... Barbara Braunöck: Wir sind angesiedelt beim CFO, wobei wir natürlich auch sehr eng mit dem CEO zusammenarbeiten. Wir decken die Bereiche Finanzmarktkommunikation mit Aktionären, Analysten ab, aber auch den Teil der Berichte, der nicht „Anhang“ ist, also Geschäftsberichte, Quartalsberichte. Und dann gibt es auch immer wieder Sonderaufgaben. Cafe BE: Wie gross ist die Abteilung, die Sie leiten? Braunöck: Fünf Leute mit mir. Cafe BE: Und wie sieht es mit Mehrsprachigkeit aus? Braunöck : Alles fokussiert auf englisch. Die Investoren, die für uns relevant sind, sprechen englisch. Cafe BE: Weiter in der Runde geht die Frage an einen Vorstand, der den IR-Bereich mitmacht. Wie ist das Thema IR bei Brain Force strukturiert, Herr Melzer? Thomas Melzer: Strukturiert ist es in Wahrheit überhaupt nicht, die IR-Abteilung gibt es nicht, Investor Relations-Dinge mache ich nebenbei mit – auch wenn „nebenbei“ ein bisschen abwertend klingt, aber so ist es. Ich habe einen Mitarbeiter, der mir bei der Erstellung der Quartals- und Geschäftsberichte hilft und auch für Präsentationen zuarbeitet. Er macht aber auch Treasury, M&A, Bewertungen, Risk Management und das hauptsächlich. Ich selbst widme etwa 10 Prozent meiner Arbeitszeit der Investor Relations. Das sind

Im Cafe BE (v. li.): Barbara Braunöck (Head of IR Wienerberger), Thomas Melzer (Vorstand /IR Brain Force) und Kerstin Schabhüttl (IR update software) vor allem intensive Kontakte zum Kernaktionär Cross. Cafe BE: Und wie sieht das bei update aus, Frau Schabhüttl? Kerstin Schabhüttl: Bei update ist das Thema auch beim CFO angesiedelt, die IRAbteilung besteht aus mir. Die Tätigkeit umfasst den klassischen Bereich der Geschäftsberichte, rechtliche Abwicklungen, gemeinsam mit der Legal-Abteilung vor allem deutsches Recht. Dazu Investorenkontakte, wir haben doch etwas mehr Free Float; Investorenkontakte stellen sich natürlich für eine Ein-PersonenMannschaft doch etwas schwierig dar. Aber es funktioniert recht gut. Cafe BE: update ist ein österreichisches Unternehmen, notiert aber in Deutschland. Wo fliesst mehr Zeit rein? Deutsche Investoren nehme ich an ... Schabhüttl: Definitiv Deutschland, unser Unternehmen ist auch am deutschen Markt viel stärker vertreten. Seit ich im Unternehmen bin, haben wir begonnen, auch den österreichischen Investorenmarkt stär-

ker in den Fokus zu nehmen. Wir sind da ein Aussenseiter, das wissen wir. Es wird mehr und es ist ein Spagat. In Deutschland nimmt man uns nur begrenzt wahr und in Österreich ist es auch nicht leicht, aber der Weg stimmt. Cafe BE: Wie kann man sich den typischen Tagesablauf eines IR-Mitarbeiters bei Wienerberger vorstellen, wobei schon klar ist, dass nicht jeder Tag gleich ist? Braunöck: Auch wenn wir grösser sind, ist es nicht so, dass es ganz fixe Zuordnungen gibt. Jeder macht alles und es ist sehr jahreszeitenabhängig. Wenn Geschäftsberichts-Zeit ist, dann arbeiten alle am Geschäftsbericht. Da kann die Investorenund Analystenkommunikation schon tageweise etwas in den Hintergrund rücken. Nach den Ergebnissen richtet sich der Fokus wieder auf Roadshows, Meetings, Conference Calls. Cafe BE: Wieviele Roadshowtage macht Wienerberger in einem Jahr? Braunöck: Zwischen 35 und 40 netto.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE: Und wie hat sich diese Zahl in den vergangenen Jahren verändert? Braunöck: Das ist relativ stabil, weil auch die geografische Verteilung unserer Aktionäre relativ stabil geblieben ist. Das bedeutet, dass wir regelmässig die selben Destinationen anfliegen. Cafe BE: Welche sind das? Braunöck: Nordamerika, wir haben viele angelsächsische Investoren, dazu die europäischen Finanzzentren; London, Frankfurt, Paris ... Cafe BE: ... Warschau? Braunöck: Warschau weniger, weil die polnischen Investoren auf die österreichischen Bankenkonferenzen kommen und dort stark vertreten sind. Wir nennen diese Konferenzen von UniCredit, Erste Group und RCB „Speed Dating“, das ist sehr effizient für uns. C afe BE: Und wie viele One-on-Ones macht Wienerberger im Jahr? Ist das eher CEO- oder CFO-Sache? Braunöck: Ich würde sagen zwischen 300 und 400. Es liegt ein bisschen mehr beim CFO, aber es wird grundsätzlich geteilt. Wir gehen immer gleichzeitig mit zwei Vorstandsteams auf Roadshow, ein Vorstand fliegt mit ein Mal IR nach Frankfurt, ein anderer gleichzeitig mit ein Mal IR nach Paris zum Beispiel. Auf manchen Konferenzen macht auch die IR-Abteilung tageweise die One-on-Ones alleine. Cafe BE: Herr Melzer, wie oft präsentieren Sie Brain Force im Jahr? Ich zähle Sie doch zu den auffälligeren Unternehmen unter den Kleinen ... Melzer: Ehrlich gesagt hab ich noch nie die Roadshowtage gezählt, in den vergangenen zwei Jahren war das aber auch an einer Hand abzählbar. Man muss sich ja auch immer überlegen, was man den Investoren eigentlich erzählen soll. Wenn ich mir die Entwicklung der Brain Force in den vergangenen Krisenjahre ansehe, dann standen Restrukturierung und Optimierung im Mittelpunkt. Solange ich ergebnismässig keinen wirklichen Erfolg aufzeigen kann, kann ich auch schwer auf Roadshow gehen. Ich war 2010 zwei Tage in Deutschland unterwegs und eben

bei Euch auf einer Rowir uns wieder auf adshow. Für 2011 Roadshows begemöchte ich das intenben. Beim Eigensivieren, da sich die Erkapitalforum hagebnisse bessern. Ich ben wir versucht, war vor kurzem in reinzukommen, Deutschland unterdas aber nicht gewegs und es hat mich schafft. Wir werden sehr gefreut, dass man aber dort sein. Melzer: Wir werden sowohl im Kurs als auch besonders im beim EigenkapitalHandelsvolumen etforum auch nicht was gesehen hat. Der präsentieren, aber Plan ist jetzt, die sich Termine vor Ort abzeichnende erfolgmachen. S c h a b h üt tl : reiche RestrukturieIn rungsstory der Brain München machen Force ein bisschen wir im Dezember stärker wieder in den einen Termin, Markt hinauszutragen Wien wahrscheinund bei diversen Verlich erst 2012. Wir anstaltungen zu prähaben eine gute sentieren, zB am 16. Geschichte dahinBarbara Braunöck, Wienerberger Juni am Small Cap ter, verfügen aber Day in Wien, dazu Eneher über einzelne de August auf einer Small Cap Konferenz Investoren, seit Dezember zB einen sehr in Frankfurt. Weiters das Eigenkapitalfo- interessierten Fünf-Prozent-Investor. rum im November – hier überlegen wir, ob wir gemeinsam mit unserem Market Cafe BE: Neues Thema, der GeschäftsbeMaker Silvia Quandt ein paar Investoren- richt. Wieviele Ressourcen werden da intermine organisieren. Ein Microcap wie vestiert bei Wienerberger? wir muss sich das alles gut überlegen. Ich Braunöck: Relativ viele Ressourcen, die traue mich zu behaupten, dass man mich Endverantwortung liegt bei mir, inhaltlich im österreichischen Kapitalmarkt – ja eben in Abstimmung mit dem Vorstand und auch jahrelang Wienerberger - ein wenig Controlling. Wir beginnen im Dezember kennt, viele Fondsmanager und Banker mit den Vorbereitungen, veröffentlicht wird habe ich mal getroffen und denen die Sto- er im März. Dazwischen absorbiert der ry erzählt. Es ist aber schwer, wirklich spe- Geschäftsbericht gut und gerne zwei Dritzialisierte Microcap-Investoren zu finden. tel unserer Zeit. Da bin ich in Deutschland, wo wir ja auch an die Börse gegangen sind, wahrschein- Cafe BE: Der gesamten IR-Abteilung? Braunöck: Ja, das muss alles abstimmt lich besser aufgehoben. werden, geschrieben werden, übersetzt werCafe BE: Frau Schabhüttl, Sie haben bei den, die Zeit fliesst eigentlich mehr in die vielen Dingen, die Herr Melzer eben ge- Korrekturarbeiten ein. sagt hat, genickt ... Schabhüttl: Im Endeffekt ist es von der Cafe BE: Und wie läuft der optische KreaUnternehmensgeschichte in den vergan- tivprozess, da gibt es ja recht nette Stücke, genen Jahren ganz ähnlich gewesen – der auch der von Wienerberger kann ja einiUmsatz ist weggebrochen, das Ergebnis ges ... ist weggebrochen, wir haben ebenfalls ei- Braunöck: Das wird mit der Agentur abnen Umbau des Geschäftsmodells ge- gestimmt, das kreative Briefing kommt zumacht. Das ist keine Zeit für Roadshows. nächst einmal von mir. Vorschläge werHeuer sehen wir, dass sich das alles wie- den dem Vorstand präsentiert, der entder gut entwickelt, im 2. Halbjahr werden scheidet dann, welche Variante wir

„Wenn Geschäftsberichts-Zeit ist, müssen wir einige andere Dinge hintanstellen“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE machen. Cafe BE: Und auch hier die Frage nach der Dimension. Ist der Kostenrahmen über die Jahre stabil geblieben? Braunöck: Wir haben das Budget für den Geschäftsbericht gekürzt, also ein bisschen weniger Aufwand, zB bei Fotostrekken, aber insgesamt genauso viel Arbeit. C afe BE : Inwieweit ist der Online-Geschäftsbericht eine wesentliche Karte geworden? Braunöck: Ich persönlich sehe das nicht. Wir haben sehr geringe Zugriffsraten auf den Online-GB. Das mag auch daran liegen, dass sämtliche Informationen ohnedies auch auf der IR-Homepage stehen. Der Online-GB ist eine Zusatzübung, die nicht intensiv genützt wird.

ein PDF mit ein paar Gustostückerln. Da konnten wir viel sparen. Im Verhältnis zu den Zugriffsraten hat sich der OnlineGB nicht gerechnet. Cafe BE: Wieviele Stück druckt Wienerberger physisch? Braunöck: Rund 20.000, etwas mehr in englisch als in deutsch. Ein paar tausend Stück werden direkt über uns bestellt. Melzer: Wenn ich mir den Geschäftsbericht von einem Unternehmen ansehe, dann mache ich das nicht online. Ich will das blättern können, in der Hand haben. Die Idee des Online-GB mit Querverweisen ist recht gut, aber aus meiner Sicht funktioniert das nicht, ich kann mir zB auf eine elektronische Sache keine Notizen machen.

Cafe BE: Wieviel Zeit fliesst bei Brain ForCafe BE: Dafür merken wir selbst dieser ce in den GB? Tage, dass die Geschäftsberichte als sim- Melzer: Ich würde sagen, dass wir ein Moples PDF, sei es nun über unser Digital nat ziemlich intensiv daran arbeiten. Wir Paper-Tool auf Issuu oder in der IReport- haben ein schiefes Wirtschaftsjahr, wollen App für das iPad, stark gelesen werden. immer vor Weihnachten fertig sein. Da arIhr seid ja mit Wiebeiten im Unternerberger, danke nehmen drei Leudafür, dabei, 5500 te sehr intensiv Abrufe in einem daran: Mein KonMonat für den GB solidierer für das 2010 ist eine schöZahlenwerk und ne Zahl. Ich selbst den Anhang, dann hab ihn auch auf der Treasury-Mitdem iPad durcharbeiter für den gewischt und kenn Text, mein Job ist ich daher gut ... das Redigieren Me lze r: PDF ist und das Einbringen von ein paar gut, den alternatiIdeen. Unsere ven Online-GB Marketingabteibraucht man eigentlich eher, um lung in Deutschbei Awards dabei land setzt den GB zu sein. Ich finde, inhouse. Für uns das ist eine absurist das ein grosser de Entwicklung. Aufwand, 100 SeiIch selbst stelle ten Information auch das PDF onliefern ein Riesenline, wir sind ja potenzial an mögauch bei Euch in lichen Fehlern. Thomas Melzer, Brain Force der App dabei. Die Tablet-PCs haben das PDF greifbarer ge- Cafe BE: Wieviel Stück machen Sie phymacht. sisch? Braunöck: Wir haben das umgestellt, ma- Melzer: Unter 1000, einige hundert in engchen nicht mehr den Online-GB, sondern lisch. Die brauchen wir für unsere Toch-

„Es war ein Fehler, von Frankfurt nach Wien zu gehen. Ich nehme das auf meine Kappe“

tergesellschaften und die brauchen das wiederum für die Kunden. In den drei Jahren, in denen ich bei Brain Force bin, hatte ich noch keinen einzigen englischsprachigen Investorenkontakt. Wir konzentrieren uns ganz klar auf Deutschland und Österreich. Schabhüttl: Bei uns ist es ebenso ein intensives Thema, beginnt im Dezember, endet mit dem Druck Anfang Mai. Aktuell produzieren wir 600 Stück, das hat sich immer weiter reduziert. Auch wir produzieren alles selbst, ganz ohne externe Dienstleistung. Zuständig sind IR und Controlling, dazu eine Abstimmungsrunde mit dem Marketing. Marketing wird wichtiger, weil der GB vom Finanzinformationsinstrument auch zum Marketinginstrument wird. Die Möglichkeiten sind ja vielfältig. Online haben wir auch ein PDF mit ein wenig Navigation, ein weiterer Aufwand würde nicht in Relation stehen. Eine Agentur wickelt uns das dann mit Druck und so ab. Cafe BE: Die Performance der updateAktie passt, Ihr liegt year-to-date schön im Plus. Wie schafft man es, dass die Leute das überhaupt mitbekommen, wie schafft man Visibilität für das Unternehmen, für die Aktie, ohne jetzt einen Batzen Geld in die Hand zu nehmen? Schabhüttl: Das ist wirklich schwer, es geht vor allem über persönliche Kontakte. Wir haben auch früher gesehen, dass – selbst, wenn wir wirklich gute Quartale hatten – sich kaum etwas im Kurs getan hat. Es fängt jetzt an, weil die Story eine andere, eine spannendere, ist. Cloud-Computing, die ganze SaaS (Anm.: Software as a Service)-Geschichte ist mehr in den Medien, so bekommen wir mehr Visibilität. Social-CRM bringt uns nach vorne, da geht es eher um Innovationskraft beim Produkt. Cafe BE: Neue Story kann ja ein Fall für Research sein ... Schabhüttl: Wir haben mit der MM Warburg einen guten Researcher und viele unabhängige in Deutschland, die über uns berichten. Die tun das gerne und intensiv. In Österreich sind wir nicht abgedeckt. Kontakte mit Banken in Österreich sind nicht vorhanden, was Research betrifft. Melzer: Natürlich ist es positiv, wenn zwei


BÖRSE EXPRESS CAFE BE oder drei Analysten eine Aktie covern, weil es dann auch zwei oder drei externe Meinungen zur Aktie gibt. Wir müssen ja für Research zahlen. Uns macht niemand Gratis-Research, weil das daraus erzielbare Volumen für die Händler zu gering wäre. Cafe BE: Eure Aktie ist ja year-to-date auch im Plus ... Melzer: Ich glaube, wenn die Branche nicht im Trend liegt, wenn sich alle auf Large Caps konzentrieren, wenn grosse MakroThemen vorherrschend sind, kann man tun, was man will, es wird nichts helfen. Das ist eine ganz andere Welt. Man ist teilweise sehr weit unter jeder Wahrnehmungsgrenze. Was bleibt, ist, dass man sich die Stockpicker heraussuchen kann. Da gibt es Microcap-Spezialisten. Und das geht nur über persönliche Kontakte und Meetings. Die Investoren wollen auch den Vorstand sehen. Cafe BE: Sie waren jahrelang bei Wienerberger; ein Unternehmen, das nicht für Research bezahlen muss, jetzt bezahlen Sie. Besteht da nicht die Gefahr einer anderen Wertigkeit? Melzer: Die Gefahr besteht natürlich. Da ist es wichtig, dass man sich gute und integre Analysten sucht. Felix Ellmann von Warbung, der das bei uns macht, würde niemals eine Meinung von sich geben, von der er selbst nicht überzeugt ist. Der Bezahl-Research ist auch so gestaltet, dass man zu Jahresbeginn zahlt, damit man dann keinen Druck ausüben kann. Schabhüttl: Ellmann hat viel Ahnung von der Branche, macht auch update software. Der lässt sich da auch nicht dreinreden. Cafe BE: Fehlt kostenpflichtiges Research aus österreichischer Hand oder wäre das gar nicht marktfähig? Schabhüttl: Wenn man sich nicht nur auf den österreichischen Markt spezialisiert, kann das schon funktionieren. Melzer: Ich kann die Wirtschaftlichkeit nicht beurteilen, aus Unternehmenssicht wäre das sicher interessant. In Österreich müssen ja nur die ATX-Unternehmen nicht für Research bezahlen. Insofern glaube ich schon, dass so etwas gut wäre. Braunöck: Ich glaube, es ist wahnsinnig schwierig, Industrieexperten aufzubauen,

die dann auch Auslastung erzielen. Und jemand, der alles abdeckt, weiss zwar von allem ein bisschen was, aber das ist zu wenig. Cafe BE: Und wie sieht es mit der Analysten-Coverage bei Wienerberger aus? Braunöck: 20 Analysten covern uns, das ist eher ein Luxusproblem, weil das natürlich auch sehr viel Aufwand in der Betreuung ist. Es ist zwar schön, ein breites Spektrum zu haben, aber viel Arbeit mit Treffen und regelmässigen Conference Calls. Es gibt Analysten, die sich regelmässig melden, und solche, die vielleicht einmal im Jahr updaten.

„Bezüglich Social Media haben wir einen Vorteil. Das ganze Unternehmen ist jung und technologie-affin“ Kerstin Schabhüttl, update software

Cafe BE: Die Umsätze sind in Wien deutlich zurückgegangen heuer, einige Ihrer Kollegen machen sich Sorgen, dass Investoren vergrault werden, weil man eventuell aus den einmal gekauften Aktien nicht mehr rauskommt ... Braunöck: Bei uns ist das kein grosses Thema, wir haben noch immer ausreichende Liquidität. Cafe BE: Eine kleine Runde mit Anliegen ...

Melzer: Ich glaube, die Wiener Börse muss sich überlegen, wie sie mit dem Prime Market weiter umgeht, irgendwann kommen die ganzen Unternehmen abhanden, wenn sich die Entwicklung so fortsetzt, das kann nicht im Sinne des Handelsplatzes sein. Rückwirkend betrachtet war es für uns sicher ein Fehler, in Frankfurt zu delisten. Das wird die Wiener Börse nicht gerne hören, aber dem muss sie sich stellen. Wir sind aus dem Wiener Prime Market gefallen aufgrund des Grössenkritieriums, in Frankfurt gibt es dieses Kriterium nicht. Ich sehe den Prime Market als Qualitätssegment und Qualität hat nichts mit Grösse zu tun. Wenn ich als kleines Unternehmen ohnehin schon schwer Aufmerksamkeit bekomme, dann hilft es nicht viel, wenn ich mich aus dem Prime Market verabschieden muss, weil ich klein bin. Das hilft imagemässig natürlich nicht. Wenn sich unser Kurs nicht verdoppelt, sehe ich derzeit auch keine Möglichkeit für unser Comeback im Prime Market. Cafe BE: Und der mid market? Melzer: Die Herumspringerei in den Segmenten bringt meiner Meinung nach überhaupt nichts. Wir halten uns immer noch an Prime Market-Regelwerk, sind aber nicht drinnen aufgrund der Streubesitzkapitalisierung. Ob ich nun im Standard market continues oder im mid market, der ja ohnedies nicht wirklich funktioniert, bin, ist mir egal. Ich verstehe es nicht, dass man den ohnedies kleinen Wiener Markt in so viele Segmente aufteilt. Ich finde es schade, wie mit dem österreichischen Kapitalmarkt umgegangen wird. Wien ist ohnedies sehr klein, da ist alles Negative umso verheerender. Die Investoren spüren es, wenn die Sozialdemokratie den Kapitalmarkt am liebsten in Grund und Boden stampfen will. Viel mehr kleine Unternehmen sollten an den Kapitalmarkt strömen, jedoch fehlen die Rahmenbedingungen. Braunöck: Vor allem auch im Hinblick auf Basel III, wo die Finanzierung ja ohnedies schwieriger wird. Gerade da ist es notwendig, dass man einen Rahmen schafft, damit sich Unternehmen Eigenkapital holen können. Melzer: Der Börse Express schreibt ohnedies laufend über den Rückgang der


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Handelsumsätze, was auch richtig ist. Cafe BE: Wir werden dafür durchaus kritisiert. Es ist dies aber das einzige „beweisbare“ Argument, das die aktuelle Fehlentwicklung in unserem Land, nämlich entgegen dem internationalen Trend, aufzeigt. Alles andere fällt in den Bereich der Parteiprogramme, der Ideologie. Und nicht nur die Sozialdemokratie ist daran schuld, das Finanzministerium hat meiner Meinung nach auch ausgelassen, obwohl dort wie ich höre die KESt-Befürworter intern klar in der Minderheit sind. Der Preis einer nicht funktionierenden Koalition zu Lasten des Standorts. Bei den aktuellen Volumina mit Hälfte-Rückzug der Inländer wäre das KESt-Aufkommen ein Witz. Melzer: Über die Sinnhaftigkeit der KESt brauchen wir nicht reden. Ein Drama. Cafe BE: Ist für update die Börse Wien ein Thema? Schabhüttl: Ausschliessen möchten wir das nicht, aber so wie es sich aktuell entwickelt, ist es kein Thema. Melzer: Seit wir mit Silvia Quandt einen Designated Sponsor haben, wird in Deutschland wieder deutlich mehr gehandelt, das Volumen hat sich verdoppelt. Wir sind wieder im Fliesshandel, das kostet aber Geld. Ich nehme den Fehler, auf zwei Börseplätze aufzuteilen, auf mich. Man kann nicht so einfach zwischen zwei Börseplätzen umbuchen, das ist auch für den Market Maker komplex. Cafe BE: Hat Wienerberger eigentlich noch ADRs in New York? Braunöck: Ja, aber ohne grössere Bedeutung. Mittlerweile bekommen wir Unternehmen sogar ein bisschen Geld dafür, ich bin da emotionslos. Zum vorher gesagten: Das Verständnis, dass der Kapitalmarkt in Österreich eine volkswirtschaftliche Bedeutung hat, fehlt. Es ist schade, denn es geht ja auch um Arbeitsplätze. Cafe BE: Und ich denke, die Frage bezüglicher Shareholder ID geht auch ex-

klusiv an Wienerberger ... (alle lachen) Brau nöck: Wir führen das zweimal im Jahr durch, zum Halbjahr und zum Geschäftsbericht. Wir wollen vor den Roadshows einfach aktuellere Daten haben. Cafe BE: Thema C.I.R.A.. Wie erleben Sie die Verbandstätigkeit? Braunöck: Vor zwei Jahren wurde die Organisation und die Struktur der Veranstaltungen geändert, hin zu Round Tables zu gewissen Themenschwerpunkten. Das finde ich sehr gut und sehr spannend. Leider habe ich persönlich sehr oft keine Zeit dafür - zu viel unterwegs oder zu viel zu tun. Ich finde das schade, weil das Format

sehr gut für einen Austausch ist. Schabhüttl: Die C.I.R.A. hat zuletzt sogar eine Telco angeboten, das war interessant. Braunöck: Je später am Abend, desto eher haben die Leute Zeit, aber das ist wieder für die vielen Kollegen aus den Bundesländern kompliziert. Melzer: Ich glaube, die C.I.R.A. hat mit der Generalsekretärin Marlene Binder sehr an Servicekompetenz gewonnen. Früher haben wir das alle ehrenamtlich nebenbei mitgemacht. Jetzt gibt es mit der – dankenswerten – starken Unterstützung der Wiener Börse eine viel bessere Plattform. Man merkt ganz klar, dass, wenn sich jemand auf eine Aufgabe konzentriert, alles viel besser läuft. Man bekommt auf Fragen innerhalb kürzester Zeit schönes Feedback. Schabhüttl: Wir waren länger nicht in der C.I.R.A., ich sehe das jetzt aber extrem positiv. Die Themen sind spannend, Themen, die beschäftigen, zB Social Media im IRBereich. Braunöck: Es ist ein institutionalisierter Best-Practice-Austausch, und das ist po-

sitiv. Sonst müsste man mit all diesen Menschen Mittagessen gehen und das geht ja zeitlich nicht. Cafe BE: Und wie sieht es mit dem Thema Social Media bei Ihnen aus? Hat das für die IR eine Bedeutung? Schabhüttl: Es ist ein Dialog mit dem Marketing, wir wollen gute, aber auch die weniger guten Nachrichten bringen. Marketing sieht das anders. In Österreich gibt es da insgesamt Aufholbedarf. Wir haben einen Vorteil, weil das komplette Unternehmen jung und technologie-affin ist. Facebook, Twitter, LinkedIn, das sind schon wichtige Kanäle für uns. update hat auch ein Social-CRM-Tool entwickelt. Die Nachfrage ist gross, obwohl ein Tool nicht alle Fragen beantwortet. Melzer: Bei uns ist das noch kein Thema, wir haben die Ressourcen nicht dafür. Twitter nutze ich gerne als Empfänger. Die Landesgesellschaften haben teilweise eigene Twitter-Accounts. Xing und LinkedIn verwenden wir vorwiegend für das Recruiting. Braunöck: Ich glaube, dass wir an diesem Thema nicht vorbeikommen. Auch ich sehe das eher im Marketing angesiedelt. Im IR-Bereich bin skeptisch. Man muss sich erst die Frage „was will ich damit erreichen?“ stellen und macht man das intensiv, man muss sich auch die Kosten/Nutzen-Frage stellen. Weiters muss man die rechtlichen Pflichten bzgl. Veröffentlichungen beachten. Cafe BE: Abschliessend je zwei kurze Sätze zur HV bitte ... Braunöck: Es kommen rund 400 Leute, Anwesenheitsquote zwischen 30 und 40 Prozent. Melzer: Bei uns ist das umgekehrt, 30 bis 40 Personen anwesend, Präsenz aber über 50 Prozent. In einer Streubesitzgesellschaft hat es eine andere Relevanz. Schabhüttl: Bei uns ca. 40 bis 50 Personen, etwas mehr als 30 Prozent Anwesenheitsquote. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Franz-Josef Galuschka ❲ http://www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Cafe BE mit Managern von Immofinanz, s Immo und Warimpex

„Unter gewissen Bedingungen bildet sich eben einfach kein Markt“

Im Cafe BE: E. Zehetner (Immofinanz), D. Folian (Warimpex), F. Wachernig (s Immo), B. Schragl (BE)

Viele Investoren sind zu wenig an der nachhaltigen Entwicklung der Unternehmen interessiert, ist ein Tenor der Cafe BE Runde. Weiters ging es um Zweitlistings, Indizes, Dividenden und Kapitalmarktstimmung. Cafe BE: Mit Blick auf Osteuropa heisst es immer wieder, Investoren glauben den Wertansatz der Immobilien in den Bilanzen nicht. Wie sehen Sie das und wie lautet Ihre aktuelle Einschätzung der Immobilien- und Transaktionsmärkte? Eduard Zehetner: Ich glaube, das ist ein vordergründiger Aspekt. Dahinter steht wahrscheinlich auch, dass viele Investoren und Unternehmen bzw. Fonds, die früher heftig in der Region investiert waren, der osteuropäischen Wirtschaft nicht ganz trauen. Generell gesprochen resultiert das letztlich betrachtet in einer geringen Zahl an Transaktionen, obwohl sich das nicht in allen Ländern gleich verhält. Der nächste in der Kette - der Analyst oder Fondsmanager, der in Real Estate Papiere investiert sagt dann, das wird wahrscheinlich deshalb sein, weil die Bewertungen nicht stimmen.

Das ist natürlich eine furchtbare Fiktion. Es gibt keine Transaktionen, weil sich der Markt zu den Einschätzungen eben nicht bildet. Die, die verkaufen wollen, tun das nicht zu Preisen, die von den Käufern bezahlt würden bzw. zu jenen Preisen, die letztlich die internationalen Bewerter in die Gutachten hineinschreiben. In Russland galt bis Mitte 2010 der klassische Spruch: 'Es kommt ein Amerikaner und sagt: I wanna buy distressed assets.' Es gab aber keine distressed assets bzw. nur solche, die dann wirklich keiner haben wollte. Wir interessierten uns z.B. für zwei, drei Bürohäuser in Moskau und sind mit Bewertungen ins Feld gezogen. Das führte dazu, dass die Developer - nur aufgrund unseres Interesses - Geld aufstellen konnten und die Projekte jetzt fertig bauen. Es bildet sich eben kein Markt zu den Preisen, wie sie in den Gutachten stehen. Wo sich die Dinge annähern, wie in Polen, gibt es einen Markt und Transaktionen finden statt. Aufgrund einer allgemeinen Flucht in die Sachwerte steigen dann die Preise wieder sehr rasch. Friedrich Wachernig: Ich sehe es durchaus ähnlich, man muss bei den Märkten aber klar differenzieren. In Polen und Russland gibt es durchaus Transaktionen, wenn auch auf einer geringen Basis. In Rumänien, Ungarn, Bulgarien kam der Markt hin-

gegen definitiv zum Erliegen. Daher ist es auch sehr schwierig, anhand von Transaktionen Bewertungen aufzustellen. CEE als eine einheitliche Region zu sehen, ist ohnehin nicht leicht. Wir als s Immo konzentrieren uns eher auf die Märkte der europäischen Union. Was die Bewertungen als solche betrifft, muss man einfach noch zuwarten. Die bereits angesprochenen 'distressed assets', die mit Sicherheit in den Banken noch irgendwo schlummern, hat es am Markt aber nicht gegeben. Uns wurden diverse Objekte zum Kauf angeboten, das waren aber im Grunde genommen Schrottimmobilien. Ich denke trotzdem, dass es sehr starke Märkte gibt, wie Polen oder Tschechien, die wieder kommen werden, wenn auch nicht mehr in dieser Ausformung und Expansion, die wir in den Jahren 2002 bis 2007 gesehen haben, als die Preise explodiert sind. Daniel Folian: Das Gute ist, es finden wieder Transaktionen statt. 2009 herrschte in Osteuropa eine Schockstarre, 2010 gab es schon wieder eine kleinere Anzahl, aber keine Portfoliotransaktionen. Von Jänner bis Mai 2011 wurden in CEE 4,4 Mrd. Euro Immobilientransaktionen durchgeführt. Das ist eine Steigerung um 180%. Wir sind aber natürlich noch weit von den Volumina aus 2007 oder 2008 entfernt.


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Nochmals zur Fiktion des Marktes. Wie löst man das Problem? Zehetner: Die Bewertungen in unseren Bilanzen unterliegen einer Fiktion, nämlich jener, dass sich zu jedem Zustand des Marktes ein solcher bildet. Das heisst, dass wir genügend Transaktionen haben, damit sich Preise bilden und die Bewerter aufgrund von Referenztransaktionen einen Wert der Immobilien feststellen können. Das war in den vergangenen Jahren nicht der Fall, in einzelnen Ländern funktioniert das bis heute nicht. Wir müssen in unseren Bilanzen aber so tun. Meiner Meinung nach gehört dieser Blödsinn allerdings raus unseren Abschlüssen - und zwar in der Form, dass die Veränderungen in den Wertansätzen nicht mehr über die Gewinn- und Verlust-Rechnung zogen werden. Wir könnten etwa einen eigenen Eigenkapitalspiegel oder einen Anlagenspiegel aufstellen, in dem die Aufwertungen, Abwertungen, etc. dargestellt sind. Unsere GuV wird verseucht von den Bewertungen, das ist in Wahrheit unerträglich. Unerträglich für die Unternehmen, unerträglich für das Management und unerträglich für die Aktionäre. Wachernig: Bei den Bewertungen bin ich 100% d'accord mit Herrn Zehetner. Das ist ein Spiel, das uns durch die IFRS (International Financial Reporting Standards) vorgegeben wird. Nichtsdestotrotz gibt es Transaktionen, und es ist sehr viel Geld im Umlauf, das investiert werden will. Ich denke da nur an Pensionsversicherungsfonds oder Versicherungen generell, die natürlich auch in Immobilien anlegen. Aber man muss sich die Objekte eben genau ansehen, die Mieterstruktur, Cashflows, etc. Daraus kann man sehr wohl eine Bewertung ableiten. In weiterer Folge stellt sich natürlich die Frage, zu welcher Rendite gekauft wird bzw. wie die weitere Zukunft eingeschätzt wird. Und hier hat sicher die gesamte Branche aus den vergangenen Jahren die Lehre zu ziehen, nicht wieder irgendwelchen Träumen und Projekten, die eine unbändige Expansion darstellen, nachzulaufen. Vielmehr muss man sich das Wachstum, das auf einem niedrigeren Niveau stattfindet, in den einzelnen Regionen ansehen und dann entscheiden, welche Projekte gemacht werden. Zehetner: Die Märkte bilden sich dort, wo eine positive wirtschaftliche Entwicklung

„Unsere GuV wird verseucht von den Bewertungen, das ist in Wahrheit unerträglich“ Eduard Zehetner, Immofinanz

sichtbar wird, deswegen Polen, deswegen Moskau. Das ist ganz typisch. Immobilien und Immobilienentwicklung sind keine Leading Indikatoren, sondern Trailing Indikatoren des Zyklus. Wachernig: Das stimmt mich auch durchaus positiv. Denn ich glaube, dass die wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern deutlich besser als im Westen sein wird. Deswegen ist der Nachholbedarf in den nächsten Jahrzehnten gegeben, wenn auch in einer anderen Geschwindigkeit. Mit Blick auf den Hotspot Polen bin ich allerdings etwas vorsichtig. Auch wir werden immer wieder gefragt, warum wir nicht nach Polen gehen. Aber das kann sich auch wieder als Lauf der Lemminge erweisen, wenn alle in Polen investieren.... Zehetner: ... es ist dort teilweise schon jetzt wieder zu teuer. Wachernig: Und Russland ist ein Markt, der spannend ist, aber auch mit sehr grossen Risiken verbunden ist. Das ist eine klare Unterscheidung, die der Investor treffen muss: Investiert er in ein Unternehmen, das vorsichtiger und langsamer wächst, oder will er durchaus ein gewisses Risiko eingehen und ist auch bereit, dieses zu tragen. Folian: In der Hotellerie vermieten wir den Quadratmeter ja quasi auf Tagesbasis und sind damit viel zyklischer als ein Büroinvestor. Wir sehen ganz klar, dass es in Osteuropa steil bergauf geht. Wir sind in Warschau mit den Zahlen bereits wieder dort,

wo wir 2007 waren. Es gibt natürlich Unterschiede, in Bukarest wird es wahrscheinlich noch länger dauern. In unseren Hotels in München und Berlin beobachten wir auch, dass die deutsche Wirtschaft sehr stark ist. Zu den Büroentwicklungen: Es wurden in Osteuropa in den letzten zwei Jahren sehr wenig neue Entwicklungsprojekte gestartet. Wenn die Wirtschaft sehr stark wieder kommt, müssten eigentlich auch die Mieten in 2012 und 2013 massiv steigen, weil einfach nichts Neues auf den Markt kommt.

Die Immofinanz hat zuletzt einige Transaktionen getätigt. Wenn Sie verkaufen, welche Spanne über Buchwert streben Sie an? Zehetner: Wir haben alle Transaktionen zum oder über dem Buchwert realisiert. Das ist eine Grenze, die wir nicht verletzten wollen, allenfalls in Einzelfällen, um etwas zu bereinigen. Im Schnitt ist die Zielsetzung für die Transaktionsabteilung, zehn Prozent über Buchwert zu verkaufen. Wobei gemäss IFRS ist der Buchwert letztlich immer jener Wert, zu dem realisiert wird. Wir ziehen die letzte Jahresbilanz als Vergleichswert heran, hier streben wir dann 10% an. Im Residential Bereich, etwa wenn wir aus der Buwog heraus verkaufen, ist das relativ einfach, weil die Bewertungen im Schnitt sehr konservativ sind und wir in der Regel 20% bis 30% im Einzelwohnungsverkauf darüber liegen. In den anderen Be-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE reichen in Westeuropa tun wir uns mit den Verkäufen ebenfalls nicht schwer und legen uns mit den Asking Preisen über die Buchwerte. In Osteuropa ist es halt so: Dort wo es billig ist, haben wir genug, und wo wir nicht genug haben, wird es schon wieder relativ teuer. Wir setzen daher sehr viel stärker auf eigene Entwicklungen. Eine börsenotierte Aktiengesellschaft hat eine Kostenstruktur, die mit einem Fonds nicht vergleichbar ist. Wir müssen einfach mehr Wertschöpfung generieren und auch mehr Risiko nehmen. Wir haben ja von den Anlegern auch Risikokapital erhalten. Daher setzen wir mehr auf diese Seite und weniger auf grossflächige Akquisitionen. Folian: Unsere Strategie sah immer den Verkauf einer Immobilie vor, die schon länger im Markt ist und einen stabilisierten Cashflow hat. Mit diesen Mitteln haben wir dann neue Entwicklungsprojekte begonnen. In den vergangenen zwei Jahren war es sehr schwierig, Immobilien zu verkaufen. Aber da wollen wir wieder hin. Wir sind sehr engagiert bei Budgethotels, vor allem in Polen und Tschechien, wo wir bereits sieben Grundstücke gekauft und mit dem Bau von zwei begonnen haben. Wachernig: Ich sehe es ähnlich, dass die Objekte, die zu kaufen sind, entweder zu viel kosten oder nicht die entsprechende Qualität haben. Daher gehen wir in Osteuropa ebenfalls tendenziell in Richtung Development, auch wenn wir die grössten Projekte vorerst hinter uns haben und jetzt auch darauf achten müssen, das Portfolio zu optimieren. Es werden uns immer wieder Objekte zum Kauf angeboten, bei denen wir aber unserer Meinung nach noch nicht das untere Ende der Preisstange gesehen haben. Generell denke ich, dass es in Osteuropa derzeit zu wenig Immobilien gibt, die man tatsächlich zu einem vernünftigen Preis kaufen kann. Somit bleibt nur die Abarbeitung der Landbank, die ja alle Gesellschaften in der Vergangenheit aufgebaut haben. Die berühmte antizykli-

sche Investition wäre halt sehr ratsam. Noch eine Anmerkung zum Hotelbereich: Auch wir haben gesehen, dass die Hotels die ersten waren, die unter der Krise gelitten haben, vor allem in Budapest, Prag, aber auch in Wien. Und hier hat tatsächlich wieder eine Erholung eingesetzt. Wir bekommen zwar noch nicht überall die selben Preise wie vor der Krise, aber die Auslastung ist wieder da - ein weiterer Puzzlestein, dass es wieder aufwärts geht.

Zehetner: Natürlich. Quartalszocker.

Was sind momentan die wichtigsten Themen, die Investoren bewegen? Zehetner: Einfach steigende Kurse. Das ist alles. Es gibt bei den Investoren eine zu geringe Bereitschaft für eine langfristige, nachhaltige Entwicklung. Jeder möchte schnelle Kursgewinne und möglichst rasch die Lücke zwischen Kurs und NAV geschlossen sehen. Das ist das Thema. Wachernig: Bei unserer letzten Hauptversammlung war interessant, die unterschiedlichen Interessensgruppen bei den Aktionären zu sehen. Die einen wollen unbedingt eine Dividende, die anderen sagen hingegen, es passt alles, investiert das Geld lieber und schaut, dass der Wert der Aktie steigt. Ich denke, dass der Fokus der Anleger verstärkt auf den Hausaufgaben, auf der Arbeit mit den Immobilien und der Stärkung der Cashflows liegen wird und weniger auf den Bewertungen. Dann wird für die Investoren auch wieder sichtbarer, welche Unternehmen tatsächlich stark sind und das Geschäft beherrschen. Folian: Es ist immer wieder erstaunlich, wie hoch der Abschlag zum NAV nach wie vor ist. Deutsche offene Immobilienfonds - also jene, die noch offen sind - haben massive Zuflüsse. Dort kauft sich der Investor eigentlich zum NAV ein. Immobilienaktiengesellschaften notieren noch immer mit einem Abschlag von 30%, 40% und es spricht eigentlich nichts dagegen, dass die Immobilienwerte in Osteuropa steigen sollten. Die Yields werden dieses Jahr weiter fallen, die Mieten sollten aufgrund der geringen Neubautätigkeit ab 2012 steigen. Das erstaunt mich. Wachernig: Das Problem ist auch, dass sich viele Anleger die Finger mit Immobilienaktien verbrannt haben. Und da hat die Branche einiges selbst dazu beigetragen. Folian: Bei den Immobilienfonds sind auch etliche gesperrt. Wachernig: Es wäre zwar vernünftig, Immobilienaktien zu kaufen. Aber da müssen

„Die berühmte antizyklische Investition wäre halt sehr ratsam“ Friedrich Wachernig, s Immo

Zehetner: Weil Sie gerade das Wort antizyklische Verhaltensweise erwähnt haben: Einer von zehn Fondsmanagern oder Analysten hat mich je gefragt, warum wir nicht antizyklisch investieren. Die anderen neun sagen: ‘Der Kurs ist unter dem NAV, also kauft eigene Aktien.’ Nur so viel dazu, welches Sentiment bei den sogenannten Ausgebildeten, Wissenden im Markt - unseren Kunden auf der Aktionärsseite - herrscht.

Also ein deutlich zu kurzfristiges Denken?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE wir alle darauf achten, dass das Vertrauen wieder zurückkehrt. Ich glaube, man muss hier Geduld haben.

Man könnte angesichts der Meldungen über Probleme bei den offenen Immobilienfonds auch fragen, warum eine Immobilien AG sicherer sein soll? Folian: Sie ist nicht sicherer, aber der Anleger kann jederzeit verkaufen, es findet keine Schliessung statt. Zehetner: Die beiden Dinge kann man nicht vergleichen: Eine Immobilien AG ist für eine wesentlich längere Dauer angelegt, hat eine wesentlich breitere Kompetenz, Werte zu schaffen, Cashflows zu generieren, hat unvergleichbar mehr Freiheitsgrade in ihrem Geschäftsmodell. Das sind zwei verschiedene Assetklassen. Immobilien AGs sind letztlich die Unternehmen, die Immobilien so aufbereiten, entwickeln, optimieren, dass ein Fonds die Objekte übernimmt, ein paar Jahre hält und möglichst ohne Wertverlust aussteigt, wenn die Mietverträge abreifen. Denn dann würde die Arbeit ja wieder anfangen, und der Fonds hat niemanden, der diese Arbeit erledigen kann. Wachernig: Die Langfristigkeit spiegelt sich auch in den Entwicklungen wider. Es dauert ja teilweise bis zu sieben Jahre, bis eine Immobilie überhaupt einmal ins Geldverdienen kommt. Diese Langfristigkeit können die offenen Fonds nicht abwickeln. Zehetner: In vielen Köpfen steckt noch immer das alte Model der Immobilien AG Marke 'Karl Petrikovics': Wertsteigerungen und Bewertungen hinauf schrauben, nicht zuletzt weil in den Märkten sehr viel mehr Geld als kaufbare Objekte verfügbar war. Von diesem Thema muss man sich verabschieden. Das ist kein tragbares Modell, das über mehr als einen halben Zyklus hinaus funktionieren kann. Sinuskurven bestehen eben nicht aus Geraden - nur über sehr kurze Zeiträume. Da muss man komplett umdenken und sagen: Was kann eine Immobilen AG tatsächlich für einen langfristigen Anleger leisten. Stichwort Bewertungen und Darstellung in der Ergebnisrechnung: Es ist aber jetzt einmal nicht davon auszugehen, dass sich die IFRS-Standards gleich ändern…. Zehetner: Aber sorry, man muss das Bewusstsein dafür schaffen. Wenn keiner et-

„Wir sind zwar eine kleine Gesellschaft, profitieren aber klar von unserem Zweitlisting in Polen“ Daniel Folian, Warimpex

was sagt, wird sich nichts ändern. Das ist wie bei unseren Politikern. Folian: Dieser IFRS-Standard hatte ja ursprünglich eine andere Intention: Es ging um Industriekonzerne, die nicht-betriebsnotwendige Grundstücke und Immobilien hatten, die auf Null abgeschrieben waren. Natürlich war es für den Investor relevant zu sehen, welche stillen Reserven hier schlummern. Bei dieser Überlegung wurde aber vergessen, dass es Unternehmen gibt, deren Geschäftsmodell das Halten von Immobilien ist. Zehetner: Ich kann nicht eine GuV durch eine Bewertung verseuchen. Wenn Sie sich die Bewertungshandbücher ansehen, steht in vielen sinngemäss: Die errechnete Bewertung gilt letztlich in einer Bandbreite von plus/minus 15%. Wissen Sie, was 15% in unserer Bilanz sind? Allein auf die Standing Investments sind das 2,7 Mrd. Euro. Unser Verlust 2009 war knapp grösser als die 2,7 Mrd. Euro. Das kann doch nicht für die Ergebnisfindung in einer Periode eine Komponente sein? Daher raus aus der GuV! Das geht in eine Rücklage, atmet im Eigenkapital, und jeder Investor kann entscheiden, ob er diesen Posten für seine Beurteilung heranzieht oder nicht. Folian: Die Entwicklung geht aber leider in die ganz andere Richtung. Früher wurden nur Bestandsimmobilien zum Marktwert bewertet, jetzt sind auch Entwick-

lungsprojekte davon betroffen. Für ein Development ist es noch viel schwieriger, einen künftigen Marktwert zu berechnen.

Bei der anhaltenden Markterholung werden die grossen Ergebnissprünge nach oben daher wieder zurückkehren? Zehetner: Nicht unbedingt die Sprünge, weil die Erholung hoffentlich nicht in dem Ausmass zyklisch ist. Es wird eine Zeit lang hinauf gehen, und dann wieder hinunter. Unter der herrschenden Lehre, ja. Das Management der einzelnen Gesellschaften ist allerdings gefordert, konservativ darauf zu achten, was in der Bilanz steht. Und wenn die persönliche Einkommenssituation von Managern daran hängt, kann leicht einmal der Frömmste schwach werden. Nochmals zur Bewertungslücke: Was antworten Sie einem Investor, der sagt, Sie können morgen nicht ihr gesamtes Portfolio zum NAV verkaufen. Deshalb sei der Kursabschlag zum NAV gerechtfertigt? Zehetner: Das ist bescheuert. Das kann keiner. Das ist auch nicht das Thema, so ist der Marktwert nicht definiert. Jeder weiss, dass Transaktionen einen gewissen Zeitraum dauern. Können Sie morgen ein Industrieunternehmen liquidieren und die Werte realisieren, die in der Bilanz stehen? Da reden wir von Zerschlagungswerten, das ist etwas ganz anderes. So einen Ansatz


BÖRSE EXPRESS CAFE BE kann ich nicht einmal denken.

Die Dividenden wurden vorher schon angesprochen. Die Immobilienaktien waren ja ursprünglich die klassischen Thesaurierer. Jetzt sind in den meisten Unternehmen bereits Dividendenstrategien eingezogen, zumindest in der Ankündigung. Wie war das bei der Warimpex? Folian: Wir haben als privates Unternehmen immer Dividende gezahlt, auch in den ersten zwei Jahren nach dem Börsegang. Das Problem in 2006/2007 war, dass es keine Cashgewinne im UGB-Abschluss gab, sondern Buchgewinne durch Aufwertungen. Der operative Cashflow war negativ. Man muss Immobilien verkaufen und mit ihnen arbeiten, um liquide Mittel ausschütten zu können. Ich glaube, die Tendenz geht eindeutig dahin, dass die Gesellschaften mit Dividendenausschüttungen auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell hinweisen wollen, bei dem ein Cashflow übrig bleibt. Zehetner: Aus meiner Sicht ist es absolut notwendig, dass eine Immobilien AG Dividenden zahlt. Das Modell muss darauf ausgelegt sein, dem Aktionär Cashflow zurückzugeben – und zwar konsequent und nachhaltig. Nur das dokumentiert eine langfristige Strategie. Was Sie gesagt haben, stimmt absolut: Die Immofinanz hat zum ersten Mal im Jahr 2009/10 aus dem normalen operativen Geschäft Cash generiert. In allen Jahren davor, die ich mir angesehen habe, bis zum Jahr 2001 oder 2000, bestanden die Gewinne nur aus Aufwertungen. Für die Dividende, die wir für das Jahr 2008 storniert haben, war das Geld nie da, nicht einmal zum Zeitpunkt des Beschlusses. So geht’s doch nicht. Wachernig: In der Vergangenheit war der Aktionär meist zufrieden, wenn der Kurs gestiegen ist. Damit wurde die Aktie mehr wert. Nachdem alle Titel massiv eingebrochen sind und deutlich unter dem NAV notieren, wollen viele Aktionäre zumindest eine Dividende erhalten. Aber auch hier muss man sich genau ansehen, ob die Gesellschaft das verdient. Über eine Fremdfinanzierung eine Dividende auszuschütten, ist Schwachsinn. Es ist eine klare Änderung der Strategie, wenn man weg vom thesaurierenden Papier hin zum Dividendenpa-

pier geht. Und ein Unternehmen kann nicht einmal ausschütten und dann wieder nicht. Es muss eine klare Perspektive geben.

Welche Grössenordnungen schweben Ihnen für die Ausschüttung vor? Zehetner: In Relation zum heutigen NAV streben wir drei bis vier Prozent an. Folian: Wir haben immer 25% bis 30% des Konzerngewinns ausgeschüttet. In den Jahren mit Verlust, haben wir nichts gezahlt. Mit Blick auf die Aktienkurse würde ich noch gern auf die Bedeutung von Indizes und die Rolle von Zweitlistings eingehen. Warimpex ist in Wien und Warschau gelistet, die Immofinanz überlegt wieder eine Notiz in Polen. Warum? Zehetner: Ein Zweitlisting ist in Zeiten, in denen die Welt technologisch zusammenwächst, eigentlich ein Anachronismus. Faktum ist allerdings, dass die EU aus Nationalstaaten besteht, die ihre eigene Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben und gewisse Anlagen und Aktien, die im Land notieren, in Fonds, Produkten bevorzugt werden. Solange es das gibt, muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen. Unser Volumen mit der Immoeast in Warschau lag bei rund 40 Mio. Aktien, etwas mehr als 5%. Wir wollten dieses Listing für die Immofinanz (nach der Fusion, Anm.) aufrecht erhalten, die polnischen Behörden erwiesen sich aber als sehr bürokratisch. Per Automatik, aber mit viel Mühen, fiel die Notiz dann weg. Gleich danach und in periodischen Abständen immer wieder fragt die Börsen nun an, ob wir nicht zurückkommen wollen. Der polnische Markt ist bei den Investitionen für uns eine wesentliche Kategorie, und damit ist natürlich ein Listing in Warschau interessant, zumal wir in Wien ja nicht gerade unter steigenden

Umsätzen leiden. Wir sind in den ATX gekommen, und der Leitindex ist eingeschlafen. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass das mit uns Immobilienaktien zusammenhängt. Grundsätzlich: Wenn die Entwicklung in Österreich auch hinsichtlich der Kapitalmarktfeindlichkeit der Regierung so weitergeht, muss man sich das überlegen – und zwar intensiv. Und vielleicht nicht nur ein Listing in Warschau, sondern auch in anderen Märkten, die bei den Investitionen bedeutend sind.

Je kleiner das Unternehmen, desto grösser ist aber doch die Gefahr für die Liquidität? Folian: Wir sind mit einer Marktkapitalisierung von rund 150 Mio. Euro eine kleine Gesellschaft, nichtsdestotrotz profitieren wir sehr von dem Listing in Polen. Unsere grössten Kleinaktionäre sind ein polnischer Pensionsfonds und ein polnischer Mutual Funds. Die polnischen Investoren betrachten uns eigentlich als polnisches Unternehmen, der Grossteil unserer Hotels steht in Polen, man liest in den Zeitungen über Warimpex. Der polnische Kapitalmarkt ist zudem sehr aktiv, es gibt laufend Privatisierungen, ein eigenes Segment für ukrainische Unternehmen wird gerade überlegt. Die polnischen privaten Pensionskassen haben 60 Mrd. Euro in Polen investiert, verzeichnen weiterhin massive Zuflüsse und müssen erstmals in 20 Jahren auszahlen. Es herrscht ein kapitalmarktfreundliches Umfeld in Warschau. Wachernig: Ich glaube, die Pensionsfonds dürfen auch nur in polnische Unternehmen investieren…. Zehetner: Das ist dieser Nationalismus, den ich angesprochen habe. Wir haben das mit der Zukunftsvorsorge auch gemacht, die ja super funktioniert und den Kapitalmarkt dramatisch belebt hat.


Montag, 7. März 2011

BÖRSE EXPRESS CAFE BE tatsächlichen und vermeintlichen Skandas Immo bleibt in Wien? Wachernig: Wir bleiben der Börse Wien len, über die wir täglich in den Zeitungen treu, sind auch klar als österreichisches Un- lesen, zu tun hat. Und es ist halt für die Poternehmen in der Region positioniert. Viel- litiker en vogue geworden, auf Kapitalleicht macht es Sinn, sich ein Polen-Listing marktteilnehmer, Banken, Manager einzuzu überlegen, wenn man in diesem Markt prügeln und diese für – ja wofür eigentlich? tätig ist. Man muss aber auch den admi- – verantwortlich zu machen. Das muss sich ändern. Die Voraussetzungen, in diesem nistrativen Aufwand vor Augen haben. Folian: Der Aufwand für das Doppel-Li- Land Geschäfte zu machen, Investoren und sting ist relativ gering: Wir müssen einfach Kapital zu erhalten und anzuziehen, müsalle Geschäftsberichte und Publikationen sen sich ändern. Nur in der Regierung gibt ins Polnische übersetzen und die Veröf- es überhaupt nicht das Bewusstsein, dass fentlichungen in Wien auch in Warschau wir ein Problem haben, welches sich im tätigen. Es kommen aber keine zusätzli- Lauf der Jahre dramatisch verschärfen wird. Wenn Sie heute mit Ministern sprechen, chen Aufwendungen hinzu. Wachernig: Ich denke, viel wichtiger wä- sagen diese: 'Es geht uns doch gut, schaure eine neue Ausrichtung der internatio- en Sie sich unsere Wirtschaftsdaten an.' nalen Indizes. Es ist sehr zu hinterfragen, Als ob die Politiker etwas dafür könnten? warum weder Immofinanz noch s Immo Das einzige, das sie getan haben, war eine Hybris von Bank im EPRA-Index in Südösterreich abgebildet sind. aufrechtzuerhalEine solche Geten. Ansonst hawichtung wäre für ben sie Geld internationale inverliehen, welstitutionelle Inveches anderswo storen, die durchausgeborgt wuraus indexgetrieben de. Das war das sind, interessanter. einzige, um die Zehetner: Es gibt Eduard Zehetner, Immofinanz Kapitalmarktkrijetzt relativ viel Druck von Investoren, die in der Immofi- se zu bekämpfen. nanz engagiert sind, die EBITDA-Grenzen Wachernig: Ich sehe den Kapitalmarkt in für die Aufnahme in die EPRA-Indizes zu einem Dornröschenschlaf und glaube nicht, verändern. In den kommenden Wochen dass sich das sehr schnell ändern wird. Die gibt es eine Sitzung, in der dies entschie- internationalen Institutionellen sind teilden werden soll – gerüchteweise mit Ef- weise auch in anderen Regionen unterwegs. fektivität im nächsten März, also wieder Insofern kann ich nur nochmals betonen: blitzartig sozusagen. Wir werden sehen, ob Wir müssen unser Geschäft ordentlich eres passiert oder nicht. Natürlich würde das ledigen sowie dementsprechend transpaautomatisch den Umsatz in der Aktie be- rent darstellen und verkaufen. Wir müssen leben. Die Titel werden damit aber auch das positive Sentiment durch unsere bestärker zu einem Makro-Play. Wir gehen ständige und konsequente Arbeit reaktimit den Bankaktien rauf und gehen mit den vieren. Bankaktien runter. Das bestimmt eigent- Zehetner: Das ist vollkommen richtig. Aus lich heute die kurz- und mittelfristigen Kurs- Sicht unseres Unternehmens muss man natürlich auch sagen „nostra culpa“, wir haverläufe.

„In der Regierung gibt es nicht das Bewusstsein, dass wir ein Problem haben, welches sich dramatisch verschärfen wird“

Diese Änderung würde der s Immo ebenfalls nutzen? Wachernig: Ja, absolut. Die Kapitalmarktfeindlichkeit wurde angesprochen. Wie beurteilen Sie die Lage? Zehetner: Es ist grundsätzlich eine kapitalmarktfeindliche Stimmung entstanden, die mit der Finanz-, der Bankenkrise, mit

ben zu diesen Skandalen beigetragen. Gäbe es allerdings eine raschere Bereinigung dieser Themen, wie in anderen Ländern durchaus möglich, könnten wir wieder rascher zur Tagesordnung und zum normalen Geschäft zurückkehren.

Dann wäre es für Warimpex ja fast nahe liegend, komplett nach Polen zu wechseln? Folian: Wir sind trotz allem ein österreichisches Unternehmen und wollen an der Wiener Börse bleiben. Aber für eine Volkswirtschaft ist ein funktionierender Kapitalmarkt natürlich ganz wichtig, gerade auch in Zeiten von Basel III. Ich sehe schon, Herr Zehetner wird nach der Zeit bei Immofinanz eine Wirtschaftspartei gründen. Zehetner: Das werde ich ganz sicher nicht. Ich werde in Pension gehen. Eine Frage noch an Sie, Herr Zehetner: Sie erwähnten bei der Verleihung der CEO/CFO-Awards, dass Sie nie in der Bankbranche arbeiten wollten. Warum eigentlich nicht? Zehetner: Es gibt zwei Gründe: Zum einen komme ich vom beruflichen Werdegang aus der Industrie und hatte immer sehr viel Bezug zum Produkt. Da tut man sich mit einer Immobilie bereits schwerer, aber es geht noch. Der Bezug zu digitalen Dingen, zu Geld, ist inhaltlich schwer. Zweitens: Wenn Sie sich ansehen, welchen Regularien Banken und Bankvorstände heute unterliegen, dann laufen Sie vor einem Job in diesem Umfeld so schnell wie möglich davon. Durch das Gespräch führte: Bettina Schragl F r a n z J o sef Galuschka Bilder:

Bilder und frühere Cafe BE-Runden: http:www.boerse-express.com/cafebe


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Im Cafe BE: Ein Vermögensverwalter, ein Broker und ein Journalist über Schule, Unis & Co.

Bestandsaufnahme Finanzbildung: Es hapert an allen Ecken und Enden In den Unis lernt man praxisferne Dinge, in der Schule fast gar nichts über Finanzen. Auch die Politik unternimmt alles, damit nur ja kein Interesse aufkommt. Cafe BE: Herr Friedl, eine aktuelle Studie des Aktienforum zeigt, dass sich immer weniger Österreicher für Aktien interessieren. Wie erlebt brokerjet die Nachfrage nach Einsteigerinformation? Thomas Friedl: Wir haben eine eigene Akademie, diese wurde bereits 2002 gegründet. Der ursprüngliche Antrieb war eher „wie funktioniert das Internet, wie kann ich überhaupt auf der Plattform navigieren“? Dabei sind wir draufgekommen, dass viele Anleger enormen Wissensdurst an Wertpapier-Basics haben und wenig bis kein Know-How über z.B. Handelsregeln an den Börsen mitbringen. Dazu kommen Probleme, das richtige Instrument auszuwählen. Am leichtesten tun sich die Leute mit der Chartanalyse, mit fundamentalen Dingen tut man sich schon schwerer. Das Interesse ist ungebrochen, wir sehen das bei unseren Webinaren, bei denen wir zwischen 18 und 19 Uhr doch um die 50 Teilnehmer haben. Ich glaube, das Übel liegt in der Bildungspolitik hierzulande, in Skandinavien gibt es zB eine Aktionärsquote von mehr als 20 Prozent.

Im Cafe BE (v. li.): Stefan Klocker (Leiter Vermögensverwaltung Semper Constantia), Thomas Friedl (Produktmanager Sales brokerjet), Florian Godovits (Journalist)

über die Zeitschiene entwickelt? Friedl: Wir haben seit dem Akademie-Start im Jahr 2002 einen kontinuierlichen Anstieg bei der Kundenanzahl und bei den Trades gesehen, was die Wiener Börse betrifft. Mit Ende 2010 ist das abgeflaut, weil die KESt einfach für zu grosse Verunsicherung sorgt. Österreich-spezialisierte Broker wie wir sind im Umsatzranking deutlich nach hinten gefallen. Die Inländer haben einen geringeren Anteil an ohnehin geringeren Umsätzen.

Cafe BE: Habt Ihr auch die echten Einsteigerdinge a la „Was ist eine Aktie“? Friedl: Gibt es, die Seminare waren immer hoffnungslos überbucht. Das Problem ist hier, dass es doch erhebliche Unterschiede beim Vorwissen gibt. Dazu melden sich fast schon zu viele Teilnehmer. Wir haben daher die wichtigsten Themenblöcke als Video aufbereitet, das ist über die Homepage abrufbar und erfreut sich hoher Beliebtheit.

Cafe BE: Auch wir hatten schon mal mehr Zugriffe ... Friedl: Es ist so schade, dass da ein Trend gebrochen wurde. Die Kleinanleger fehlen, die waren ja manchmal sogar wichtige Market Maker bei Nebenwerten.

Cafe BE: Und wie hat sich das Interesse

Cafe BE: Herr Klocker, bitte stellen Sie

Cafe BE: Die Orderbuchbuchtiefe ist weg, nur noch die Spitzen gehen über die Börse, der Rest OTC. Friedl: Genau.

sich unseren Lesern kurz vor. Stefan Klocker: Ich bin seit 2007 bei der Semper Constantia, war anfänglich Anleihenfondsmanager für Lokalwährungen, seit einem Jahr bin ich Leiter der Vermögenswaltung. Da geht es vor allem um die Leitung des Asset Allocation-Prozesses. D.h., wie teilen wir das Vermögen der Kunden, das wir diskretionär verwalten, in Aktien, Anleihen und Alternative Investments auf. Im Konjunkturzyklus eben entsprechend zB Aktien über- oder untergewichtet. Das ist die Hauptaufgabe. Aber ich kümmere mich auch mit einem Team um Depots oder Fonds. Cafe BE: Führen Sie auch persönliche Gespräche mit den Kunden? Klocker: Ja, ich bin auch beim Private Banking-Team regelmässig in Gespräche mit Kunden eingebunden. Cafe BE: Manche Leute kommen recht schnell zu Vermögen, beispielsweise bei einer Erbschaft. Wie geht man als Bank mit „reichen“ Einsteigern um?


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Klocker: Hier ist das Beratungsgespräch meist ein sehr langer Prozess. Man muss erkennen, wie der Zeithorizont und die Risikobereitschaft aussieht. Welche Verpflichtungen finanzieller Natur gibt es zB in einem Jahr? Wichtig ist auch, dass der Kunde ein Grundverständnis mitbringt. Es gibt schon viele Fälle, bei denen die Exponierung bezüglich Kapitalmarkt bisher sehr gering war. Da kommt es schon auf Aufklärung durch uns an, vor allem bezüglich der Risken. Das ist eine grosse Aufgabe. Das ist auch Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit. Man muss Enttäuschungen vorbeugen, das Verständnis auf der Kundenseite geschaffen werden. Cafe BE: Herr Godovits, Sie waren lange bei der APA tätig, haben auch viele eigene Projekte gemacht. Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Berufsbild des „Journalisten im Finanzbereich“ in den vergangenen Jahren verändert? Florian Godovits: Ich glaube nicht, dass es sich sehr stark verändert hat. Die grösste Problemzone ist, dass die wirklichen Experten meistens keine guten Schreiber sind. Natürlich gibt es Leute, bei denen das zusammenkommt, aber das ist relativ selten. Finanzjournalismus muss ja gar nicht trocken und langweilig sein, Ihr macht das recht gut vor, seid in der Kollegenschaft ein gern gelesenes Medium ..., Cafe BE: ... danke ... Godovits: ... im Allgemeinen wirkt der Finanzjournalismus aber fad. Und wenn dann bunt geschrieben wird, ist es oft nicht gut recherchiert und der Kollege kommt vielleicht aus dem Chronik-Ressort. Die Kriterien sind aber die gleichen wie vor zehn Jahren: Man muss gut schreiben können, die Sprache beherrschen, auch das journalistische Handwerkszeug. Cafe BE: Die Leser haben ganz andere Recherchemöglichkeiten als früher, kommen via Internet an fast alles ran. Ist der Journalist nun einer der kommentiert oder hinterfragt? Godovits: Leider ist er meistens Schreibvieh. Ich hatte öfters den Gedanken, ob da draussen Konsumenten bereit sind, für ein Printprodukt zu bezahlen, das wirklich

wäre da. Wir hatten immer wieder Schulklassen bei brokerjet zu Besuch. Was macht ein Händler? Wie entscheide ich mich für welche Aktien? Aus der Erfahrung heraus kann ich sagen, dass das die Hälfte der Schüler sehr interessiert hat, die andere Hälfte nicht. Ich glaube, das ist aber bei jedem Thema so und 50 Prozent ist sogar ein guter Wert. In Summe passiert viel zu wenig. G odovit s: Wieviel lernt man allgemein über das Kaufen und Verkaufen als Kind? Hie und da begleitet man Eltern in den Supermarkt, Thomas Friedl, brokerjet Cafe BE: Wir haben aber das wars dann schon. Ich glaube, vor vier, fünf Jahren DKT ist eine gute Sache. Bewerbungen en masse gehabt, weil die Leute woanders unter Druck gekommen sind, weil sie damals – so wie heute auf Cafe BE: Eine Erfahrung ist auch das eiFacebook – während der Arbeitszeit auf gene Taschengeld, wenn man 10 Euro unBrokerage-Seiten herumnavigiert haben. nötig versenkt, kann das schon prägend Das ist völlig abgerissen, heute bewirbt sein ... sich fast überhaupt niemand Börseinte- Klock er: Wenn ich mich an die Wirtressierter mehr. Nicht bei uns, aber auch schaftsuni zurückerinnere, so war das so, nicht bei den Kollegen von der Konkur- dass man das Thema Finanzen nur bei renz. Herr Friedl, was sagen Sie zur Bil- den spezialisierten Richtungen hatte, sonst dungspolitik, was Finanzwissen betrifft? konnte man das Thema eigentlich sehr Thomas Friedl: Da habe ich persönliche leicht meiden, wenn man das wollte oder Erfahrungen. Meine Töchter sind nicht danach suchte. Das müsste alles viel 22 bzw. 24 Jahre alt, ich habe den verpflichtender sein, weil es ja zu unserem AHS-Werdegang mitbekommen. Leben einfach dazugehört. Jeder hat mit Positiv finde ich zB die Aktivitäten Geld zu tun und ist dann ins kalte Wasmit dem Raiffeisen-Börsespiel für ser gestossen. Es wäre bildungspolitisch Schüler, aber auch dort fehlen die ein Auftrag da. Börsespiele sind das EinBasics wie das Treffen der richtigen Aus- zige - optimal ist aber nicht, dass da meiwahl. Nach welchen Kriterien kauft man stens der Sieg nur über sehr riskante Poösterreichische oder internationale Aktien? sitionen möglich ist. Im Unterrichtsplan gibt es keine Zeit da- Godovits: Ich hatte Geografie und Wirtfür, ich glaube, das Interesse der Schüler schaftskunde, aber dieses winzige Büchunabhängig ist. Das müsste anzeigenfrei sein. Sobald man auch nur eine Anzeige drin hat, ist man in einem Spannungsfeld. Da gefallen mir die Blogs recht gut, rein über die Page Views macht man ein wenig Umsatz. Journalist ist zudem schon fast jeder zweite. Wieviele davon sind seriös, wieviele können davon leben? Nur die Angestellten. Viele freie Journalisten schreiben wiederum nichts, womit sie anecken könnten. Die österreichische Medienlandschaft ist geprägt von wenigen grossen Anzeigenkunden.

„Wenn jemand, der von der WU kommt, mich fragt, was ein KGV ist, dann passt etwas nicht“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE lein (Anm: „9 Steps to Financial Freedom“) brachte mehr Erhellung als die ganze Schulzeit, in der es nicht um einen selbst geht. Der beste Theoretiker kann ein absolutes Schwammerl in der Praxis sein. Was helfen mir angelernte Begriff, wenn ich mir im täglichen Leben dann ganz andere Fragen stellen muss? Ein übersetzter Satz aus dem Buch: „Dein Geld wird für Dich arbeiten und Du wirst immer genug haben – mehr als genug - wenn Du Energie, Zeit und Verständnis widmest“. Man muss Geld wie einen Freund beachten, es nie fürchten oder denken, dass es nicht existiert. Die Börse ist ja nicht die einzige Möglichkeit, Geld zu veranlagen. Bildung, was den Umgang mit Geld anbelangt, ist in Europa sehr mager – eine Auswirkung von sozialistisch-kommunistischem Denken, dass der Staat alles für mich macht. Meine Liebe zu den Amerikanern hat sich in der Zeit, in der ich dort angesiedelt war, zwar etwas reduziert, aber in Gelddingen sind sie schon fit.

gute Ausbildung, an der Uni beschäftigt man sich auch damit, aber der Normalverbraucher findet da kaum Zugang. Godovits: Wenn man sich interessiert, geht aber viel. Ich habe Tischler kennenlernt, die unglaubliches Wissen über das Investieren haben. Ich glaube, man kann sich das aneignen. Die Frage ist, ob man sich die Zeit nimmt. Friedl: Das ist ja der Punkt. Das Interesse zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, es ist relativ unabhängig vom Ausbildungsgrad und es geht auch durch alle Altersgruppen. Es geht natürlich auch um den Ehrgeiz, besser als der Finanzmarkt zu sein. Andere wollen Vermögensaufbau betreiben. Das vielfältige Angebot im Internet kann auch ein Problem sein. Godovits: Sich selbst auszukennen, ist ein guter Rat. Wer sinnvoll an der Börse agieren möchte, muss sich wohl täglich damit

Cafe BE: Die Ausbildung bei den Banken für Bankmitarbeiter gilt als hervorragend ... Friedl: Ich habe jetzt aktuell nicht so den Einblick. Aber das, was wir früher da angeboten bekommen, wäre ein tolles Schwerpunktthema auf der Uni gewesen. Das würde etwas bringen. Dann könnte man Leute von der Uni relativ rasch einsetzen. Was heute von der Wirtschaftsuni kommt, hat oft nicht viel mit WirtStefan Klocker, Semper Constantia schaftswissen zu tun, da fehlt viel. Godovits: Was fehlt Ihrer Meinung nach? beschäftigen. Während der Arbeitszeit wird Fri edl: Wenn jemand, der von der WU das nicht möglich sein. kommt, mich dann fragt, was ein KGV ist, Friedl: Für Daytrader gilt das. Ich glaube, dann passt da etwas nicht. Das zieht sich dass sonst 10 Minunten am Tag reichen, durch. Wir reden hier ja von der Spitzen- um die wesentlichsten Dinge zu lesen. gruppe: Bankmitarbeiter bekommen eine Man entwickelt ein gutes Wissen on the

„Man kann dem Thema Finanzen auf der Uni leicht ausweichen“

job. Cafe BE: Frage an die Privatbank. Ihr habt Euer Logo nicht an jedem Häuserblock. Wie kommt man an neue Kunden? Kl ocke r: Die beste Werbung ist Mundpropaganda, dazu Veranstaltungen. Private Banking-Mitarbeiter leben von ihrem Kontaktnetzwerk, das oft über Jahre aufgebaut wurde. Cafe BE: Welche Zielgruppen laden Sie zu Veranstaltungen ein? Klocker: ZB Ärzte, oder zB Veranstaltungen, die auf Stiftungen ausgerichtet sind oder Events, die institutionelle Anleger interessieren. Manchmal probiert man auch, verwandte Zielgruppen zu einem Event einzuladen. Ich möchte auch noch etwas zur Diskussion davor sagen. Eine Vermögenswaltung kann da natürlich helfen, wenn man selbst nicht die Zeit hat. Auch Aktien müssen nicht immer langfristig auf Buy/Hold-Basis funktionieren, der 10-Jahres-Horizont passt bei Japan schon lange nicht, und jetzt auch immer mehr bei uns. Da kann eine Vermögensverwaltung gut einspringen und Ein- bzw. Ausstiegspunkte im Zyklus aktiv auswählen. Cafe BE: Was gefällt Ihnen momentan? Klocker: Anleihenseitig sind wir bei den Industriestaaten schon eher vorsichtig, die Zinsen sind tief und die Schuldenkrise Tag für Tag in den Märkten. Chancen sehen wir in exportorientierten Wachstumsmärkten, auch China. Bei den Unternehmensanleihen gibt es auch gute Möglichkeiten, viele haben gesunde Bilanzen und sind weit weniger in der Verschuldungsproblematik gefangen. Daher gefallen uns auch Aktien, das KGV vom DAX liegt knapp unter zehn. Wir glauben, dass es da Potenzial bis Jahresende gibt. Kurzfristig bleibt alles schwer einschätzbar, die Volatilität wird bleiben. Auf der AlternativeSeite sehe ich einen intakten Aufwärtstrend bei den Rohstoffen, die Preise werden nachfragebedingt steigen. Uns gefällt auch der Markt der RückversicherungsRisken. Nach den Katastrophen in Australien, Neuseeland und zuletzt in Japan sind die Prämien stark nach oben gegangen, Katastrophen-Bonds sind jetzt inter-


BÖRSE EXPRESS CAFE BE essante Beimischungen, noch dazu ohne Korrelation. Mir gefallen auch PortfolioBeimischungen aus Skandinavien, Norwegen ist stabil und interessant. Cafe BE: Eine österreichische Privatbank wird ja hie und da auch die Frage nach der Wiener Börse gestellt werden, vielleicht auf Kundenwunsch. Welche Titel gefallen Ihnen? Kl ocke r: Unserem Österreich-AktienFondsmanager Walter Harecker gefällt aktuell beispielsweise der Verbund. Cafe BE: Herr Friedl, direktanlage.at bietet Vermögensverwaltung aktiv und erfolgreich an. Ist da bei Euch auch etwas geplant? Friedl: Auf absehbare Zeit glaube ich eher nicht. Es gehört eine Vertriebsstruktur dazu, das hat man dort gut gelöst. In einer Grossbank ist das alles ein bisschen anders aufgestellt. Ich sehe auch einen grossen Unterschied zwischen den Kunden einer Privatbank und einer Brokerage: Bei grossen Vermögen geht es ja vor allem um den Vermögenserhalt und vielleicht einen Zuwachs über der Inflation. Bei kleineren Vermögen kann man auf diese Dienste nicht zugreifen. Daher geht unser Augenmerk stark in die Ausbildung in die ZurVerfügstellung von Research-Material. Da werden wir unser Angebot noch ausbauen, eventuell durch Research von anderen Banken. Vor allem, was den internationalen Markt betrifft. Deutschland, die Nr. 2 beim Interesse bei uns, wird zum Beispiel von österreichischen Researchteams so gut wie nicht abgedeckt. Die Tschechen interessieren sich wiederum klarerweise für den Heimatmarkt, dahinter aber gleich für den amerikanischen Markt. Cafe BE: brokerjet ist in Tschechien sehr präsent. Wie unterscheidet sich der tschechische Anleger vom Österreicher? Friedl: Ich denke, dass die Anzahl der Leute, die für Aktieninvestments in Frage kommen, weit geringer ist als in Österreich. Dafür ist Wissen da, das wurde von Mitbewerbern gut aufbereitet. Man interessiert sich für FX und Leverage. Der Tscheche hat ja die Krone gegen die internationalen Leitwährungen, die er

handeln kann. Was man noch feststellen kann: Je weiter man nach Osten kommt, desto höher ist die Risikobereitschaft, bis hin zum Thema „Alles oder Nichts“. Und das durchaus mit hohen Beträgen. Cafe BE: Herr Godovits, Sie beobachten Edelmetalle, sagten Sie mir einleitend ... Godovits: Für mich sind das keine Rohstoffe, sondern Geld. Ich glaube, man wird mit Edelmetallen auch in Zukunft nicht falsch fahren. Leute, die Geld haben, setzen stark auf Edelmetalle. In physischer Form Gold oder Silber zu besitzen, ist sicher kein Nachteil, es lässt sich in jeder

China, weil ich das vor denen, die nach mir kommen, nicht verantworten könnte. Die Zerstörung des Planeten durch die chinesische Regierung im Inland, aber auch in Ländern, in denen China die Finger im Spiel hat, ist nur ein Aspekt davon. Wirtschaftlicher Aufschwung bringt nicht automatisch eine Verbesserung der Moral im Land, 25 Jahre zweistelliges Wirtschaftswachstum brachten menschenrechtliche Verschlechterungen und eine Zerstörung der Umwelt. Auch in Österreich gibt es tolle Firmen, vielleicht nicht zum schnell reich werden, aber solide: Mir gefallen Verbund und voestalpine.

„Ich kenne Tischler, die ein unglaubliches Finanzwissen haben. Man kann sich das aneignen“ Florian Godovits, Journalist (ex APA finance)

Wirtschaftslage gegen andere Sachen tauschen. Cafe BE: Münzen oder Barren? Godovits: Barren, Münzen sind für Sammler, haben Aufschläge. Bei Aktien nur Dinge, die ich verstehe, dessen Zahlen nachvollziehbar sind, die Dividende zahlen. Auch der Kunstmarkt gefällt mir, hier nicht der völlig verrückte Markt moderner Kunst, sondern klassische Dinge wie realistische Malerei oder zB historische Streichinstrumente. In Osteuropa wäre ich generell vorsichtig, im zuvor genannten Tschechien sehe ich die positive Ausnahme. Nicht investieren würde ich auch in

Cafe BE: Herr Friedl, Sie sind mehr als 25 Jahre am Wiener Markt tätig. Gibt es Titel, die Ihnen besonders gefallen oder ans Herz gewachsen sind? Friedl: Natürlich, und da deckt sich mein Bauchgefühl sehr oft mit dem Research der Erste Group. Die OMV ist aktuell sehr günstig, weiters gefällt mir eine BWT, interessant ist auch Kapsch. International sollte man auch die Türkei nicht vergessen. Abschliessend möchte ich sagen: Aktien kaufen, die man kennt. Marken, die einem im täglichen Leben begegnen.

Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Franz-Josef Galuschka


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Im Cafe BE: Österreich-Aktienresearch-Chefs analysieren, woran es im 1. Halbjahr haperte

ATX wird Outperformance zugetraut, Top-Picks sind Immofinanz und RHI Halbjahresgipfel der Analysten über Timing, Tipps, Bildungsdefizite, Bezahlresearch und das Hobby ATX. Cafe BE: Herr Neuhold: Immofinanz, Post, Erste Group waren Ihre Favoriten für das 2. Quartal. Wie sind Sie rückblickend damit zufrieden bzw. hat sich bei den Favoriten etwas verändert? Thomas Ne uhol d: Wir haben die Topempfehlungsliste leicht verändert. Das wichtigste Thema im 2. Quartal war die Griechenland-Krise, die dazu geführt hat, dass ein Small Cap Markt wie Wien, der noch dazu Banken stark gewichtet hat, schlechte Karten hatte. Die Berichtssaison war ähnlich wie im 1. Quartal, wir hatten wenig positive Ausreisser, Ausnahmen Andritz und voestalpine. Bei den Industrieunternehmen hat man gesehen, dass die Weitergabe von Preissteigerungen auf der Rohstoffseite teilweise recht schwierig ist. Bei den Banken waren die Zahlen durchaus in Ordnung, aber eben keine positive Überraschung. Bei der RBI kommt dazu, dass immer mehr Leute der Überzeugung sind, dass eine Kapitalerhöhung notwendig ist, daher hat RBI schlechter performt als die Erste Group. Was die Topempfehlungen aus dem Q2 betrifft, so sehe ich alle drei weiter positiv. Ich glaube, dass bei der Erste Group das Gewinnwachstum sehr schön ausschauen wird, ich glaube an ein Kreditwachstum, gleichzeitig sollten die Risikovorsorgen in den kritischen Märkten sinken. Bei der Immofinanz gibt es eine sehr gute operative Entwicklung, der Discount zum NAV beträgt nach wie vor mehr als 50 Prozent. Der Immobilienaufschwung in Osteuropa wird sich fortsetzen, aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung werden Cashflows generiert werden können, weiters sollten Aufwertungsgewinne möglich sein. Das Unternehmen hat zudem vor kurzem angekündigt, die Dividende

Im Cafe BE (v. li.): Thomas Neuhold (UniCredit), Günther Artner (Erste), Stefan Maxian (RCB), Alfred Reisenberger (Noch-Cheuvreux) und Christian Drastil (BE) von 0,10 auf 0,20 Euro ansteigen zu lassen. Damit wäre Immofinanz ein starker Dividendentitel mit einer Bruttodividendenrendite von 7 Prozent. Das ist eine gute Überleitung zur Österreichischen Post, die mir aus der Dividendenperspektive sehr gut gefällt, wir haben acht Prozent Dividendenrendite, die aus meiner Sicht mittelfristig sogar noch nach oben gehen könnte, weil sich das Geschäft operativ sehr gut entwickelt, kaum Verschulung da ist und viel Cash-flow generiert wird. Die Dividende kann in Richtung 1,90 bis 2,00 Euro gehen in den nächsten Jahren. Cafe BE: Das heisst, Sie bleiben bei diesen drei Top-Picks Erste Group, Immofinanz und Post? Neuhold: Ja, das sind nach wie vor meine heissesten Tipps. Cafe BE: Herr Artner, die Erste Group fällt für Sie aus. Sie hatten Raiffeisen, OMV und ebenfalls Immofinanz für das Q2 genannt ... Günther Artner: Die drei Titel sind aus Value-Gesichtspunkten günstig bewertet und bleiben Kaufempfehlungen. Timingmässig waren das im Q2 sicher nicht die be-

sten Titel, das muss man rückwirkend klar sagen. Bei der RBI haben die anhaltenden Diskussionen über Kapitalmassnahmen nicht gut getan, langfristig bleibt die Aktie ein Buy. Bei der Immofinanz verstehe ich die zuletzt schwache Performance nicht, sie bleibt eine lupenreine Kaufempfehlung. Bei der OMV wäre nach der abgeschlossenen Kapitalmarkttransaktion eigentlich der Befreiungsschlag fällig gewesen, aber genau zu diesem Zeitpunkt sind dann die Rohstoffpreise gefallen. Die Aktie ist spottbillig auf dem aktuellen Niveau mit der Gewinnschätzung von 5 Euro und KGV von unter 6, OMV bleibt ein Buy. Cafe BE: Bleibt das Ihr Top-Trio? Artner: Alle drei bleiben ein Buy, aber timingmässig würde ich im Q3 die RHI der RBI vorziehen, bei der RHI wurden zuletzt klare Statements gebracht, dass es eben keine Kapitalerhöhung gibt und die Expansion aus dem Cash Flow finanziert werden kann. Die Aktie ist ganz unten. Cafe BE: Herr Maxian, die RCB nannte Immofinanz, Erste Group und bene ... Stefan Maxian: Das Quartal war kein Finanzquartal, da waren die fundamentalen


BÖRSE EXPRESS CAFE BE Stories der österreichischen Unternehmen nicht so dominierend, das Thema hiess vielmehr Griechenland und die Schuldenkrise in den Euro-Peripherieländern allgemein. Zur Erste Group: Die Zahlen waren ganz gut, die Bottom Line hat gepasst, einzig das Nettozinsergebnis war schwächer als erwartet. Die Aktie bleibt ein Buy, Sorgen macht die Entwicklung bei den Bankensteuern. Erstmal in Österreich, dann die Slowakei. Das politische Risiko bleibt ein hohes, weitere Länder könnten dazukommen, der für die Erste Group wichtige tschechische Markt eher nicht. Auch der Bankenstresstest steht bevor, ich glaube aber, das wird, nachdem der OeNB-Bankenstresstest schon durch ist, kein so grosses Thema sein. Erste bleibt ein Buy, aber nicht unter den Top Drei. Immofinanz bleibt weiterhin ein Buy, dort sehen wir fundamental die meiste Upside, auch conwert ist ein schöner Immobilienpick für defensivere Investoren, mehr Upside sehe ich aber eben bei Immofinanz. Unser dritter Tipp war bene, da gab es die Sondersituation der extrem geringen Sekundärmarktliquidität in Wien, gerade kleine Titel hatten es schwer. Auch uns gefällt die RHI sehr gut. Die Q1-Zahlen erfüllten die Erwartungen nicht ganz, aber Q2 sollte besser werden, auch Semperit gefällt uns jetzt sehr gut.

Cafe BE: Aber wir werden heuer noch von Ihnen hören? Reisenberger: Ja.

pitalerhöhung aus dem Vorjahr, das eigentlich war schrecklich. Art ner: Ohne Fukushima hätte die Performance auch beim Verbund anders ausgehen.

Caf e BE: Bitte ein paar Worte zum Q2, Cheuvreux ist ja beim Salus Alpha AnalystAward zum Halbjahr vorne ... Reisenberger: Es ist schon Cafe BE: Fukushiviel gesagt worden, das 2. ma ist eine gute Quartal war weniger durch Überleitung: Grieunternehmensinterne Dinchenland war soge getragen, als mehr durch wieso in einer Nemakroökonische Dinge. gativliga mit sich Wobei es interessant ist, selbst, aber dann wenn man sich die Topkam bereits Wien performer ansieht: Nur voebei den Negativstalpine und Andritz konnperformern, noch Thomas Neuhold, UniCredit ten mit den Zahlen positiv schwächer als Jaüberraschen und sind auch pan, erst in den die einzigen Gewinner. Wir haben ja ein letzten beiden Juni-Handelstagen hat Wien etwas anderes Rating, die Selected List. noch aufgeholt. Wird Wien in der zweiten Aus dem ATX hatten wir voestalpine, An- Jahreshälfte ein Underperformer bleiben? dritz, CA Immo und Zumtobel. Zumtobel Neuhold: Es steht ja schon in der Bibel, war die einzige Enttäuschung von den Zah- dass die Letzten die Ersten sein werden len her, und das hat sich im Kurs nieder- und umgekehrt. geschlagen. Ich glaube, dass voestalpine Reisenberger: Auch die Bibelseite parat ...? und Andritz weiterhin gute Neuhold (lacht): Nein, im Jahr 2010 war Zahlen bringen, ich sehe ein der Wiener Markt einer der besten, davor sehr geringes Enttäu- einer der schwächsten, danach auch. Die schungspotenzial. CA Immo Griechenland-Krise bzw. die Risikoaverist unser dritter Titel, den wir sion war zudem nicht gut für eine Indexfavorisieren. Warum die Im- zusammensetzung „Banken, Zykliker, Small mofinanz im Q2 so schwach Caps“. Das Griechenland-Thema sollte war? Ich glaube, da gibt es jetzt kurzfristig vom Tisch sein, ich sehe C afe BE: Zuhalt immer noch die eine durchaus die Chance, dass wir eine Rally oder andere Altlast, die in hinlegen könnten, um das aufzuholen. Das sammengefasst den Köpfen der Investoren Wachstum ist hoch, die Firmen haben eialso Immofiherumschwebt. Sonst alles ne starke Position in Deutschland und nanz, RHI und sehr durchwachsen, SBO Osteuropa. Die Bewertungen sind absoSemperit? Maxian: Ja. hatte gute Zahlen, trotzdem lut, relativ und auch im historischen Verim Kurs schwach. Banken gleich günstig. Es bestehen ganz gute ChanC afe BE: Herr muss man aussen vorlassen, cen für viele Titel. Das Gewinnwachstum leider. Die Stimmung ist ein- 2011 und 2012 wird stark ausfallen. Wir Reisenberger, fach schlecht. Die Telekom sehen 40 Prozent für 2011 und 20 Prosind Sie noch bei Austria lieferte schwache zent für 2012, das findet man in Europa Cheuvreux? A l fr ed R ei s enZahlen, hat zwar eine gute nicht so oft. berger: Noch bis Dividende gezahlt, aber jetzt Artner: Ich bin vom jetzigen Niveau weg Günther Artner, Erste Group keine Chance auf Erholung. ebenfalls klar optimistisch. Ein BelaEnde Juli. Was mich überrascht, ist, stungsfaktor waren ja auch die VorziehCafe BE: Kann man schon sagen, was Sie dass der Verbund im 1. Halbjahr gut ab- käufe im Zusammenhang mit der Wertgeschnitten hat. Rein fundamental hat es papier-KESt Ende 2010, darauf folgte der künftig machen werden? Reisenberger: Nein. dafür keine Berechtigung gegeben. Die Ka- Durchhänger. In Osteuropa geht es stabil

„RHI, OMV und Immofinanz“

„Erste Group, Post und Immofinanz“


BÖRSE EXPRESS CAFE BE und positiv weiter. Der für österreischische Unternehmen sehr wichtige südosteuropäische Raum dreht erst jetzt schön langsam, Rumänien ist beispielsweise für die Erste Group, die OMV, die Immofinanz, die VIG, auch für eine Raiffeisen ein ganz wesentliches Land. In Rumänien gab es auch hohen Griechenlandbezug. Für den Finanzsektor sehe ich nicht mehr so negativ in Österreich, wir haben vor allem gegen Jahresende hinaus durchaus positives Überraschungspotenzial. Maxian: Auch wir sehen keinen unmittelbaren Grund, dass Wien weiter underperformen sollte. Wir sind ebenfalls positiv, die geringen Handelsvolumina sind aber schon ein grosses Problem, obwohl die Bewertungsniveaus günstig sind. Man muss sich ja immer fragen, ob man aus einem Titel wieder herauskommt. Finanzthemen rund um Griechenland werden weiter bestimmend sein, allein aus

Halbjahr besser wird. Wir trauen dem ATX eine leichte Outperformance zu, Belastungsfaktoren wie die OMV-Kapitalerhöhung sind ja nicht mehr da. Reisenberger: Alles, was die drei Herren gesagt haben, ist richtig oder zumindest teilweise richtig. Eine Outperformance des ATX sehe ich aber nicht. Der Wiener Markt ist ja für viele Kunden maximal ein Hobby, oftmals aufgrund persönlicher Beziehungen. Viele unsere Kunden haben sich das nur angesehen, weil wir ihnen das nahegebracht haben. Das grosse Thema sind die Volumina, bei um die 5 Mrd. Monatsvolumen geht nicht viel. Kunden brauchen die Sicherheit, auch wieder aussteigen zu können. Auch Dinge wie nicht stattgefundene IPOs, völlig schiefgegangene IPOs oder verpatzte Kapitalerhöhungen stören. Wenn alle anderen performen, kann auch der ATX performen, aber das sagt nicht viel. Das Traurige ist, dass immer wenige Anleger das Hobby Wien spielen, es muss ja nicht sein. Viele Unternehmen haben auch zu wenig Wert geschaffen, zB die Telekom. Cafe BE: Zwischenfrage – bleiben Sie künftig überhaupt am österreichischen Markt tätig? Reisenberger: Das nehm ich an, man wird sich aber eventuell auch in Richtung Osteuropa stärker orientieren müssen.

„voestalpine, Andritz und CA Immo“ Alfred Reisenberger (Cheuvreux)

dem politischen Druck werden wir auch künftig Schlagzeilen haben, die uns nicht so gut gefallen werden. Es wird holprig bleiben. Viele Länder in Osteuropa haben im 1. Halbjahr besser performt als Österreich, darauf kann man sich nicht ausreden, die Nachzieheffekte bei Südosteuropa wurden schon erwähnt. Zusammenfassend glauben auch wir, dass das 2.

Cafe BE: Was bedeutet das sinkende Volumen für die Dimension Ihrer Abteilung, Herr Neuhold? Neuhold: Wir sind vier Analysten in Wien, da wird es keine Kürzungen gehen. Auch wir beobachten die sinkenden Volumina sehr kritisch. Es ist zu aber beachten, dass der Wiener Markt auch historisch von starken Schwankungen heimgesucht wurde. Positiv zu sehen ist, dass sich viele Unternehmen operativ ganz gut entwickeln. Leider können Benchmarkinvestoren Wien ganz gut meiden, auch wenn es wirklich einige gute Geschichten gibt, das haben wir zuletzt zum Beispiel bei Andritz und voestalpine gesehen. Cafe BE: Herr Artner, Ihre Abteilung ist grösser als vier Personen ... Artner: Wir sind über neun Länder aktiv, haben viele Sektoranalysten in Wien sit-

„Immofinanz, RHI und Semperit“ Stefan Maxian, RCB

zen, das kann man also nicht so ganz vergleichen, es ist ein bisschen vermischt. Wir hatten Anfang des Jahres 13 Personen, gehen jetzt in Richtung 11. Wir haben während der Krise in Osteuropa etwas reduziert, tun das jetzt in Wien, aber nur im Aktienbereich. Im Bondresearch wird aufgestockt, also ein „leider“ nur aus Aktiensicht. Wir haben stagnierende Volumina, haben ein stagnierendes Pricing, als Analyst kann man das nicht besonders attraktiv sehen. Cafe BE: Herr Maxian, Klaus Ofner ist zu Wienerberger gegangen ... Maxian: Wir werden nachbesetzen; auch wir haben in Wien ein Zentral- und Osteuroparesearch, wir covern von Wien aus polnische, russische, tschechische, rumänische Werte und vieles mehr. Wir sind also diversifiziert. In Osteuropa gab es einige Emissionen, die brauchen alle Research. Unser Ausblick ist stabil. Reisenberger: Cheuvreux hatte drei Analysten in Wien, die Vergleichbarkeit mit den anderen ist nur begrenzt gegeben. Ich habe drei als eine ausreichende Anzahl betrachtet. Letztendlich muss man ja auch etwas verdienen. Wir hatten beim Kundengeschäft gute Top3-Marktanteile in einigen Monaten, taten uns trotzdem schwer, Geld zu verdienen. Es kommen ja auch


BÖRSE EXPRESS CAFE BE noch Kosten für IT oder die Miete dazu. Was immer vergessen wird, ist die enorme Anzahl an Marktteilnehmern in Wien, auf die sich die paar Milliarden im Monat aufteilen. Cafe BE: Es macht den Eindruck, als würde Research zuletzt wieder restriktiver verteilt. Haben sich die Geschäftsmodelle verändert, vielleicht hin in die Richtung „weniger an Retail“ oder sogar „hin zu bezahlten Researchtätigkeiten“? Maxian: Es stimmt schon, Research ist in erster Linie für die Institutionellen gedacht, aber es gibt auch Retail-Produkte in deutscher Sprache. Bezahl-Research? Ich halte das für ein interessantes Modell, aber man muss aufpassen, dass man nicht in einen Interessenskonflikt kommt. Art ner: Wir glauben, dass wir das Geschäftsmodell doch überdenken müssen. Für viele Werte rechnet sich die Coverage nicht, rein vom Sekundärmarktumsatz her. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder, wir stellen immer mehr Werte ein, dann dreht sich die Negativspirale weiter. Oder wir stellen einige Titel auf Bezahlresearch um. Wir haben uns für zweiteres entschieden. Wir haben uns überlegt, wo die Grenze ist und sehen diese bei einem Tagesumsatz von durchschnittlich 500.000 Euro. Wir werden das mit Jahresbeginn 2012 einführen, als Basis dient die ATXBeobachtungsliste. Das Ganze beruht auf gegenseitiges Einvernehmen. Wollen das die Unternehmen? Haben wir das KnowHow zur Branche überhaupt? Ich versuche damit, die Negativspirale zu beenden. Als Grossbank müssen wir ein Committment zum Markt haben und können nicht permanent alles zurückschrauben. Wir müssen hier auf Kostenwahrheit schauen. In den Vorabgesprächen gibt es durchaus positives Feedback bei Small Caps, die wir aktuell nicht covern. Bei Titeln, die wir jetzt covern, muss es um Stichtage gehen. Unter 500.000 sind aktuell eine BWT, Rosenbauer, Wolford, Agrana, Warimpex - interessante Werte, bei denen es sich vom Sekundärmarkt her nicht rechnen kann. Wir wollen uns das mal für ein Jahr anschauen. Cafe BE: Sehr spannend, sind auch andere Länder denkbar?

Artner: Ja, wenn es in Österreich funktioniert. Wir wollen da nicht Geld verdienen damit, sondern nur Kostenwahrheit erreichen. Den Unternehmen geht es weniger um Ratings, sondern um mit aktuellen Schätzungen in den Systemen wie Bloomberg und Reuters zu stehen. Wir wollen unabhängig bleiben, alles klar offenlegen und die Unternehmen wollen ein Rating haben. Es ist ein Add-on-Service. Cafe BE: Wie sieht das die UniCredit? Neuhold: Ich sehe auch die Interessenskonflikte und dazu das „cui bono?“ wie der Lateiner sagt. Ich bezweifle, dass sich gravierend was ändert, weil ja die Fonds-

manager auch erst gewonnen werden mussen. Reisenberger: Dass es für kleine Unternehmen Schätzungen gibt, finde ich gut, ich glaube aber auch nicht, dass es die Liquidität steigert. Das Thema ist ja auch „wie bezahle ich meine Leute“. Cafe BE: Ich möchte die Schlussrunde einläuten. Gibt es Anliegen, die man zum Halbjahr loswerden möchte? Artner: Ich würde mir wünschen, dass bei IPOs und Kapitalerhöhungen die Firmen erkennen, dass diejenigen österreichischen Banken, die ein Committment zum Markt abgeben, dann auch in den entsprechenden Konsortien vertreten sind. Niemand kennt die Kunden für österreichische Aktien besser als Raiffeisen, UniCredit und wir bzw. auch Cheuvreux vor ein paar Monaten. Ich glaube, so ein Konsortium hätte Isovoltaic an die Börse gebracht. Maxian: Das stimmt, Transaktionen sind wichtig für den Markt, wir brauchen Free Float. Lenzing hat ja zum Beispiel durch-

aus belebt. Es sollten nun ähnliche Kaliber folgen. Reisenberger: Ich möchte noch etwas zu den Volumina sagen. Die vielen Marktteilnehmer waren ja auch ein Verdienst der Börse. Die Börse sollte sich jetzt überlegen, inaktive Marktteilnehmer vielleicht mit höheren Gebühren zu versehen, dass diejenigen belohnt werden, die mehr tun und Research schreiben. Das Hauptthema ist, dass es keine Kapitalmarktkultur in Österreich gibt. Das kann nur durch Anreizmodelle verändert werden, das dauert aber einige Jahre. Leider ist viel Falschinformation im Markt. Neuhold: Mittel- bis langfristig ist die Attraktivitätssteigerung das Wichtigste. Kaum wirtschaftliche Ausbildung in der Schule, kaum jemand kann Umsatz vom Gewinn unterscheiden, die Politik denkt börsefeindlich. Ich würde mir Massnahmen wie in anderen Ländern wünschen, um hier zB die Fondsindustrie zu stärken. Auch die Exekutive war nicht immer schnell. Die ganzen Immo-Sachen oder Libro mit einer Entscheidung jetzt nach zehn Jahren. Man hat den Eindruck, als würde es keine Rechtssicherheit in Österreich zu geben. Reisenberger: Das mit der Bildung ist ein guter Schlusspunkt. Ich bin in der glücklichen Situation, seit letzter Woche kein schulpflichtiges Kind mehr zu haben, beide haben maturiert ... Alle/Cafe BE: ... Gratulation ... Reisenberger: ... danke, nicht mein Verdienst. Es gibt aber auch in der Schule keinerlei inhaltliche Ausbildung. Das wäre ein abendfüllendes Thema. Ich vergleiche das immer mit den Schikursen. Wenn es keine Schikurse gibt, wird man nicht Schifahren lernen. In der AHS gibt es keinerlei Ausbildung in Finanzfragen. Cafe BE: Genau das, die „Initiative Finanzwissen“, wird dafür unser Schwerpunkt im 2. Halbjahr. Vielen Dank, meine Herren, wir sehen uns Ende des Q3 wieder. Diskussionsleitung: Christian Drastil Fotos: Franz-Josef Galuschka ❲ www.boerse-express.com/cafebe


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