Salzburger Nachrichten, Austria, August 2023

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Gestärkt von würzigen

Elefanten in Thailand: Zurück in die Freiheit | SN.at
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Die Vorgeschichte: Zu den touristischen Hauptattraktionen Thailands gehören die sogenannten Elefantencamps. Hier befinden sich mehr Elefanten im Einsatz für Touristinnen und Touristen als irgendwo sonst auf der Erde und fast alle sind im Besitz privater Eigentümer. Rund 3700 Elefanten leben in Gefangenschaft und sind oder waren für die Tourismusindustrie tätig; ebenso viele - nach optimistischen Schätzungen weniger als 4000 - leben noch in den Urwäldern des Nordwestens in freier Wildbahn. Vor 100 Jahren sollen es noch rund 100.000 gewesen sein - die meisten fielen Wilderern zum Opfer, die es auf das Elfenbein abgesehen hatten.

Doch dann kam Covid. Der Touristenstrom versiegte fast vollständig. Viele der Elefanten, nicht nur fürs traditionelle Schleppen von Baumstämmen, sondern auch als Reittiere und für allerlei Kunststücke eingesetzt und teils missbraucht, wurden "arbeitslos". Doch Futter ist teuer. Ein ausgewachsener Elefant verzehrt 100 bis 200 Kilogramm an Nahrung und trinkt 100 Liter Wasser pro Tag. Arbeitslos wurden auch die Mahouts, die Elefantenbetreuer, welche "ihre" Tiere ein Leben lang begleiten und eine innige Beziehung zu ihnen pflegen. Die freundlichen Dickhäuter hatten so dem Staat Thailand rund 770 Millionen Dollar pro Jahr in die Kassen gespült. Auch dieser Strom war versiegt.

Nicht nur die Pandemie hat den thailändischen Elefantentourismus erschüttert. Unter Touristen und Reiseorganisationen hatte es sich allmählich herumgesprochen, dass die Tiere in den Touristencamps oft nicht artgemäß behandelt und sogar gequält werden. Insbesondere die großen hölzernen Reitsättel sind für die Tiere quälend und schädlichmanche tierfreundlicheren Tourismusunternehmen bieten inzwischen Spaziergänge mit Elefanten statt der bisher üblichen Ritte. Bei diesen werden die Tiere an der Leine geführt oder begleitet, das gewährt Nähe und sogar Körperkontakt zu den mächtigen Tieren, ohne ihnen Schaden zuzufügen. Auch das bei den Touristen und Touristinnen so beliebte Bad der Elefanten ist in Wirklichkeit fragwürdig: Werden die Tiere von den Mahouts gewaschen, so wird die Schutzschicht aus Schlamm gegen UVStrahlung und Insektenbefall beseitigt. Die Folgen für die gar nicht so unempfindliche Elefantenhaut: Sonnenbrand und Insektenstiche.

Doch bei aller neuen Sensibilisierung: Nur elf der insgesamt 200 vor der

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Pandemie aktiven Elefantencamps haben von World Animal Protection (WAP) positive Bewertungen erhalten. Thailands Gesetze bieten zu wenig Rückhalt. Drei Ministerien sind für Elefanten in Gefangenschaft zuständig, doch angeblich gibt es zwischen diesen keine oder kaum Koordination. Kindred Spirit Elephant Sanctuary hat ein Ziel: möglichst viele Elefanten aus den Camps wieder in die Wildnis zurückzuführeneine extrem schwierige Aufgabe, denn die domestizierten Tiere können in freier Wildbahn nicht ohne Weiteres Fuß fassen. Daher heuert Biosphere Expeditions freiwillige Helfer aus aller Welt an, die täglich in den Urwald ausrücken. Gemütlicher Urlaub geht jedoch anders. Hier gibt's jeden Tag viele Kilometer Marsch durch den hügeligen Urwald bei Tropenhitze.

Tier- und Naturliebe sowie Furchtlosigkeit, aber auch Fitness und eine gewisse Bedürfnislosigkeit sind die Voraussetzungen für die Teilnahme an diesen Expeditionen. "Science is not safari", heißt es denn auch in den Unterlagen, die den Kandidaten für diese Expedition zugeschickt werden. Ein Paar, das diese Erfahrung mit seiner Hochzeitsreise kombinieren wollte, wurde vom Expeditionsleiter freundlich, aber bestimmt wieder heimgeschickt.

Von Chiang Mai aus geht es nun im Jeep durch die dicht mit tropischer Vegetation bewachsene Bergwelt des Sri-Lanna-Nationalparks bis nach Baan Naklang, ins Dorf der Karen, einer zu den Bergvölkern gerechneten Ethnie. Nach der herzlichen Begrüßung gibt's für jeden von uns eine einfache Unterkunft in Homesteads, den auf Stelzen erbauten, von üppiger Urwaldvegetation umgebenen Holzhütten. Ein winziger Raum, eine Matratze und darüber - wie beruhigend - ein Moskitonetz, zwei Kleiderhaken und ein Holzbrett; die Waschhütte liegt extra. Ein wohltuendes Erlebnis, mit so wenig auskommen zu können, das gilt auch für die schlichten Gemüsemahlzeiten. Wer auf die Toilette möchte, tut dennoch gut daran, eine Taschenlampe mitzunehmen, es wurden schon Schlangen gesichtet. Hier, am Rande des Dorfes und nur über eine Hängebrücke erreichbar, befindet sich dann auch die Basis des Kindred Spirit Elephant Sanctuary.

Nach einem Plan werden die Aufgaben verteilt: Küchendienst, Vorbereitung der Mahlzeiten, Abräumen. Dann Nachtruhe. Lange bevor der mitgebrachte Wecker läutet, krähen die Hähne des Dorfes. An Schlaf

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ist nicht mehr zu denken, aus allen Hütten wanken bald die mit Bambuswanderstab und großen Rucksäcken ausgerüsteten Volontärinnen und Volontäre über den wackeligen Steg zum Base Camp, einer offenen Hütte auf Stelzen. Am Abend zuvor hatte jeder von uns, der individuellen Sympathie folgend, einen Bullen mit imposanten Stoßzähnen oder eines der friedlicheren Weibchen der zu beobachtenden Elefanten ausgewählt, quasi aus dem Katalog - deren Biografie samt Foto war in der Hütte angeschlagen. Die Tiere gehören jeweils einer KarenFamilie - es sind also frühere "Touristiker", die jetzt im Urwald leben. Rasch werden so aus anonymen "Urwaldelefanten" vertraute Wesen, ja so etwas wie Freunde mit individuellen Eigenschaften und Gewohnheiten. Drei von uns folgen jeweils denselben Elefanten, beobachteten und registrieren das Verhalten nach genau definierten Kriterien. Alle fünf Minuten schrillt eine Stoppuhr, was einen neuen Eintrag auf der Checkliste bedeutet - Disziplin und Präzision sind bei dieser Expedition grundlegend.

Wir sind sieben Teilnehmer aus verschiedenen Ländern - und fühlen uns ein bisschen wie Forscherinnen, ein bisschen wie Abenteurer, aber alle nehmen die ihnen anvertraute Aufgabe sehr ernst, verrichten sie mit größter Sorgfalt, aber auch viel Spaß an der Sache. Nach Rückkehr ins Camp werden diese Aufzeichnungen jeweils in die Laptops übertragenam Ende der Woche verdichten sich die Beobachtungen dieser Tage zu aufschlussreichen Grafiken.

Abwechslung ist bei aller Routine auch dabei, etwa die für wenige Baht angebotenen Heilmassagen, ein kleiner "Markt" im Basislager, auf dem selbst gewebte Schals und Gemüsegerichte verkauft werden. Am Abend gesellen sich die freundlichen Dorfbewohner samt Kleinkindern zu uns, singen und lassen Blumengebinde im kleinen Flüsschen dahintreiben. Während unserer Forschungstätigkeit - und das ist sie ja auch - werden wir von den Mahouts begleitet. Ihre Unbekümmertheit neben den tonnenschweren Tieren verleitet uns gelegentlich zu Unvorsichtigkeit, ja Leichtsinn. Vor allem die Bullen, heißt es, sind unberechenbar und manchmal launisch. Deshalb wird uns eingeschärft, bei der Arbeit mit dem Clipboard immer einen Fluchtweg vorzumerken, falls einer der grauen Herren ärgerlich wird. Doch dies geschieht nicht. Die Nähe zu diesen Tieren hinterlässt jedoch bleibende Eindrücke. Wie auch die Hoffnung, dass die von uns gesammelten Daten möglichst vielen

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Tourismuselefanten eine freie Zukunft in den verbleibenden thailändischen Urwäldern ermöglichen werden.

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