Biologie in unserer Zeit, Germany, 2001

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R E P O R TAG E

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Auf den Spuren von Brillenbär und Andenkatze Wer von Flora und Fauna fasziniert ist, der hat nun die Möglichkeit, an einer internationalen Naturschutzexpedition teilzunehmen und so seinen Urlaub sinnvoll zu verbringen.

Abb. 1 Entlang von „transects“ suchen die Teilnehmer der Expedition nach Hinweisen auf Brillenbären, Pumas und Andenkatzen (Bild): Fährten, Kratzspuren, Aas, Haut und Haare und natürlich die Tiere selbst. (Foto: Matthias Hammer)

Anschrift & weitere Infos über Biosphere Expeditions: Sprat's Water, nrCarlton Colville, The Broads National Park, Suffolk NR33 8BP, England. Internet: www.biosphereexpeditions.org. E-mail: deutschland@biosphereexpeditions.org.

5000 Höhenmeter, die Anden, Cotapata Nationalpark, Bolivien. Seit den frühen Morgenstunden ist unsere Expedition wieder unterwegs. Es ist Mitte Juli,Trockenzeit. Kalte Nächte in den Hochtälern, aber relativ warme, sonnige Tage. Es gilt, Brillenbären (Tremarctus ornatus), Pumas (Puma concolor) und Andenkatzen (Felis jacobita) ausfindig zu machen. Entlang von „transects“ durch die Hochtäler bis hinunter in den Nebelwald suchen wir nach Hinweisen auf

I N T E R N AT I O N A L E N AT U R S C H U T Z- E X PE D I T I O N E N VO N B I OS PH E R E E X PE D I T I O N S

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Die Naturschutz-Expeditionen gehen u.a. nach Peru (Affen, Frösche und Papageien des Amazonasbeckens), Bolivien (Brillenbär, Puma und Andenkatze in den Anden), Polen (Wölfe in den Karpaten), Namibia (Großwild) und die Ukraine (allg. Fauna-Bestandsaufnahme einer fast unerforschten Schwarzmeerhalbinsel). Expeditionsmitglieder können von angefangen zwei Wochen bis hin zu mehreren Monaten mit dabei sein.

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31. Jahrgang 2001 Nr. 1

die Tiere: Fährten, Kratzspuren, Aas, Haut und Haare und natürlich die Tiere selbst. Jede Entdeckung und jede Sichtung werden genau kartografiert. Bestimmte Funde werden verpackt und mittels DNS-Analyse weiter untersucht, denn nur so kann festgestellt werden, mit wievielen Individuen wir es zu tun haben. Diese Information ist wichtig für spätere Schätzungen, etwa der Territoriengröße, der Individuendichte, oder um einfach einmal zu bestimmen, wieviele Brillenbären, Pumas oder Andenkatzen auf einem Gebiet bestimmter Größe in den Hochanden leben. Denn bis heute ist so gut wie nichts über deren Populationsgröße, geschweige denn deren Populationsdynamik bekannt; und ohne diese Informationen tut sich der Naturschützer schwer, ein Konzept zu entwerfen.

Laien als Expeditionshelfer Die Expedition betreibt also gewissermaßen Grundlagenforschung in Sachen Artenschutz und ist nebenbei

die größte Bestandsaufnahme dieser Art, die jemals von einer Expedition in Südamerika durchgeführt wurde. Groß muss sie sein, weil die Raubtiere an der Spitze der Nahrungspyramide stehen und dementsprechend viel Raum benötigen, der eben nur mit einer groß angelegten Expedition in relativ kurzer Zeit abgedeckt werden kann. Groß kann sie sein, weil der Naturschutz Laien als Expeditionshelfer entdeckt hat. Der Begriff „Expedition“, obwohl heute von der Tourismusbranche oft ge- und missbraucht, ist seit jeher umrankt von Abenteuer, fernen Ländern, Entdeckertum, Forschung und vielleicht sogar Gefahren. Bisher waren diese Expeditionen fast ausschließlich die Domäne von Wissenschaftlern, aber mit mehr Freizeit und gestiegenem Interesse der Öffentlichkeit am Naturschutz hat die Wissenschaft Laien als willkommene Helfer entdeckt. Als „Biosphere Expeditions“, einer Forschungs- und Expeditionsorganisation, ermöglichen wir es diesen interessierten Laien, zusammen mit Naturschutzforschern an einer solchen Expedition teil zu nehmen. Mitmachen kann jeder, auch ohne biologische oder andere Vorkenntnisse. Schlichtweg aktiver, unmittelbarer Naturschutz für jeden, der einmal an einer echten Expedition teilnehmen und gleichzeitig etwas Handfestes für das Überleben einer Spezies oder eines Habitats tun will.

Ein sinnvolles Abenteuer In Bolivien, zum Beispiel, könnte die Expedition ohne Laienhelfer nicht stattfinden. Das groß angelegte Projekt benötigt bis zu fünfzehn zusätzliche Personen, verteilt auf fünf Wissenschaftler, um die Bestandsaufnahme durchführen zu können.Vom Basislager in einem der Hochtäler schwärmen die zwei bis drei Personenteams täglich aus, um nach den Tieren und Hinweisen auf sie zu suchen. Nur so kann in relativ kurzer Zeit ein relativ großes, schwieriges Gelände abgedeckt werden. Die Laienteams kommen für jeweils zwei Wochen, akklimatisieren sich in La


| Abb. 2 Expeditionsstandort in den Bergen des Cotapata Nationalparks, Bolivien. (Foto: Matthias Hammer)

Paz, treten den Weg ins Basislager an und helfen dann mit bei der Forschungsarbeit. Drei Teams bedeuten insgesamt sechs Wochen kontinuierliche Forschungsarbeit, in der mit viel Arbeitskraft viel geleistet werden kann. Es ist aber nicht nur die reine Arbeitskraft, die den Unterschied macht. Jedes Expeditionsmitglied zahlt einen Expeditionsbeitrag, von dem sich das Projekt insgesamt finanziert. Auf diese Weise können zum Beispiel relativ kostspielige DNS-Analysen und die Logistik einer solchen Expedition finanziert werden. Für die Forscher vor Ort in Bolivien Kosten, die anders gar nicht hätten getragen werden können. Der Laie tut also dreifach gut: erstens Unterstützung für wichtige Naturschutzforschung durch seine Arbeitskraft, zweitens finanzielle Hilfe, und drittens für sich

G E N T EC H N O LO G I E

selbst das Abenteuer mit Sinn und Gewissen, und die Gewissheit einen aktiven Beitrag zum Schutz und Erhalt unserer Biosphäre geleistet zu haben. Dr. Matthias Hammer, Gründer und Expeditionsleiter von „Biosphere Expeditions“

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Neues Markersystem für transgene Nutzpflanzen Novartis Seeds startete Mitte August einen Werbefeldzug, mit dem die weltweite Unterstützung der Pflanzenwissenschaftler für ein Positech, neues Markergen-System, mobilisiert werden soll. Der Konzern möchte in Zukunft auf die Verwendung von Antibiotika-Resistenzgenen als Markergene verzichten. Damit wird versucht, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit von Nahrungsmitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen wieder herzustellen.

Pflanzengenetiker können heutzutage fast nach Belieben fremde Gene in Pflanzenzellen einführen. Aus den solcherart transformierten Zellen lassen sich unter geeigneten Kulturbedingungen ganze Pflanzen regenerieren, die dann weiter über Samen vermehrt werden können.Transformierte Pflanzen, die das fremde Gen enthalten und zur Ausprägung brin-

gen, besitzen neue Eigenschaften und Merkmale, in denen sie sich von den Ausgangspflanzen unterscheiden.Was einfach klingt, wäre jedoch ohne einen zusätzlichen Trick nicht durchführbar. Nur ein kleiner Teil der Pflanzenzellen eines Transformationsansatzes nimmt nämlich die fremde DNA tatsächlich auf. Aber auch nichttrans-

S C H L AG L I C H T E R

formierte Zellen regenerieren zu ganzen Pflanzen, die dann allerdings keine neue Qualitäten aufweisen. Am Fehlen neuer Merkmale könnte man – theoretisch – transformierte von nichttransformierten Pflanzen gegeneinander abgrenzen. Es sind aber oft die Eigenschaften von ausgewachsenen Pflanzen oder ihren Früchten, die man mit Hilfe von Fremdgenen verändern und verbessern möchte. Bevor man unterscheiden kann, in welchen Pflanzen das Fremdgen in der erwarteten Weise aktiv ist, müssten also zunächst sehr viele Pflanzen großgezogen werden. Erst dann könnte man versuchen, die wenigen herausfinden, die neue Merkmale zeigen. Ein solches Vorgehen wäre in der Umsetzung zu aufwendig. Diese Schwierigkeit wird traditionell dadurch umgangen, dass das Fremdgen zusammen mit einem Resistenzgen übertragen wird. Resistenzgene verleihen auch schon den ganz jungen Pflänzchen die Fähigkeit, nach Zugabe bestimmter Antibiotika (im Fall von Antibiotika-Resistenzgenen) oder Unkrautvernichtungsmittel (im Fall von Herbizid-Resistenzgenen) weiter zu gedeihen, während alle anderen Pflänzchen, die nicht Träger eines entsprechenden Resistenzgens sind, das Wachstum alsbald einstellen und absterben. In den resistenten, gewissermaßen markierten Pflanzen ist in aller Regel auch das eigentlich interessante Fremdgen aktiv. Die Verwendung von Antibiotikaund Herbizid-Resistenzgenen erscheint vielen Menschen jedoch als eine Bedrohung unserer Gesundheit und deshalb als unverantwortlich. Die Befürchtung wurde wach, Antibiotika-Resistenzgene könnten von resistenten Pflanzen auf Mikroorganismen „überspringen“, beispielsweise auf Bakterien im menschlichen Verdauungstrakt; eine erhöhte Antibiotikaresistenz beim Menschen würde die Folge sein. Wissenschaftlich belegen lässt sich ein solches Szenarium bislang kaum. Dennoch sind allerorts Forscher seit Jahren um eine praktikable Alternative bemüht.

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Nr. 1 31. Jahrgang 2001

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