BIORAMA #26

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P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien —— www.facebook.com/biorama

ausgabe 26 — SEPTEMBER / OKTOBER 2013. www.biorama.eu

KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR

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Im Fadenkreuz: Jagd Ist die Jagd in ihrer derzeitigen Form noch gesellschaftsfähig? All I Need: Neo-Ökologie im Alu-Mantel. Ein Unternehmens-Porträt Bienenkönigin als Queen: Arbeiten zum Thema Bienen von Deborah Sengl Marktplatz: Natürliche Pflege für empfindliche Kinderhaut

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präsentiert

eine Produktion von

sophie stockinger

nina proll

ein Film von Katharina Mückstein Official Selection Competition sarajevo int. ff 2013

Preis der Saarländischen Ministerpräsidentin - Beste Regie ff. ma x o ph ü l s preis 2 013

Preis für das beste Kostüm diagonale 2013

ab 13. september im kino mit Sophie Stockinger, Nina Proll, Philipp Hochmair, Andreas Patton, Eva Maria Gintsberg, Rita Waszilovics, Lili Epply, Megan Werther, Alina Schaller kamera Michael Schindegger casting Rita Waszilovics schnitt Natalie Schwager ton Johannes Preis szenenbild Katharina Haring, Mira König, Simon Sramek kostüm Monika Buttinger maske Nina Sabary sounddesign David Seitz filmmusik Tirana, Wolfgang Möstl, Alessandro Mannarino produktions- und herstellungsleitung Flavio Marchetti produzent/innen Flavio Marchetti, Katharina Mückstein, Michael Schindegger, Natalie Schwager regie Katharina Mückstein drehbuch Selina Gnos und Katharina Mückstein world sales und verleih filmdelights www.filmdelights.com

www.labandafilm.at/talea 26_001.indd 2

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Leser-safari

03

Neue Leser-safaris 01 Brot und Wein 20. September 2013 Eine einmalige Möglichkeit, jahrtausendealte Kulturgeschichte hautnah zu erleben, bietet die diesjährige Landesausstellung in Niederösterreich. Der Ausklang beim Bio-Heurigen Oppenauer in Poysdorf rundet die Leser-Safari ab. Preis für biorama-Leser: ¤ 21,— (exkl. Bio-Heuriger)

02 Schlachttag auf der juhu Ranch 28. September 2013 Wer Fleisch isst, muss sich auch im Klaren sein, dass dafür ein Lebewesen den Tod findet. Die biorama-LeserSafari führt uns auf die Juhu Ranch, wir schlachten, zerlegen und verarbeiten ein schottisches Hochlandrind. Juhu Ranch, Simmerstatt 6, 5162 Obertrum / Au Preis für biorama-Leser: ¤ 50,— (inkl. Mittagessen)

03 Weinmachen wie früher 29. September 2013 biorama-Leser haben die einmalige Gelegenheit, beim Lesen und Sortieren der Trauben auf dem Hof des Winzers Franz Reinhard Weninger dabei zu sein und sie mit ihren eigenen Füßen zu quetschen. Der Arbeitstag wird mit einem gemütlichen Picknick in den Weinbergen abgechlossen. Weingut Weninger, Florianigasse 11, 7312 Horitschon bzw. gemeinsame Anreise via Bahn ab Wien. Preis für biorama-Leser: ¤ 50,— (exkl. Zugticket)

Anmeldung www.biorama.eu / safari 26_002-016.indd 3

bild (1) Manfred Horvath (3) Gerhard Wasserbauer

reis tz

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auftakt

inhalt

07 Editorial 08 Global Village Die Welt im Großen & Kleinen

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Schwerpunkt: Jagd

18 Darf gejagt werden? Eine Parforce-Diskussion 22 Hochstandgeflüster Eine Typologie der Jägerschaft 26 Ökosystem Wald Jagd und Naturschutz 28 Echt wild Kann Wildfleisch bio sein? 30 Leichte Beute Die Rückkehr des Wolfes 28 Die Welt, die wir uns wünschen Keine Jagd auf meinem Grund 30 Edward, ein tierischer Held Geschichte der Menschwerdung

Magazin

38 Eine Region holt auf Bio in Osteuropa 42 Neo-Ökologie im Alu-Mantel Im Porträt: All I Need 46 Eine gelungene Symbiose Junghahn und Jungbauer 52 Der Bio-Aufdecker Ein Besuch beim Bestseller- Autor Clemens G. Arvay 56 Stilvoller Sinnesrausch Die biorama fair fair 2013 58 Arbeiten zum Thema Bienen von Deborah Sengl 62 Modestrecke Cycle-Chic für Männer 68 Unplugged and resampled Sinneserlebnis Nationalpark

männer auf rädern Wer noch einmal behauptet, Eco-Fashion für Männer sei A. schwer zu finden oder B. nicht lässig, hat ab jetzt keine Ausreden mehr: Herbstlich Angehauchtes für drinnen und draußen, mit Fahrrad oder ohne – Michael und Jürgen haben sich in Schale geworfen und wir sagen euch natürlich auch, wo man die schicken Teile bekommt.

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Marktplatz

74 Für kleine Bademeister Kinderpflege für die Wanne 76 DIY-Rezept Eierschwammerlgulasch 80 Früchte des Wald(rand)es Gutes von Baum und Boden

Kolumnen

50 Elternalltag 79 Speis & Trank 82 Und hinter mir die Sintflut

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darf gejagt werden? An der Jagd scheiden sich die Geister. Für die Einen ist sie der einzige Weg, die Natur im Gleichgewicht zu halten, für die Anderen eine skandalöse Praxis privilegierter Freizeitsportler. Was spricht für die Jagd? Was dagegen? Wer jagt denn eigentlich? Und welche Rolle spielt die Rückkehr des Wolfes bei der Diskussion um die Mentalität der Jagd?

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biokistl auf rumänisch Wie Cosul de Legume gesunde Ernährung und biologische Landwirtschaft in einem innovativen Geschäftskonzept vereint und damit Bukarest erobert.

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neo-ökologie im alu-mantel Ein Lifestyle-Getränk aus der Dose – und das soll die Welt verbessern? Porträt eines Getränks mit Charakter – die Gründer von »All I Need« im Gespräch.

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Die SchönSte Art Leben zu retten.

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editorial, impressum

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Warum Jagd?

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Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

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impressum HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Johanna Stögmüller AUTOREN Isabella Arcucci, Mirjam Bromundt, Anne Erwand, Juliane Fischer, Doris Fröhlich, Yannick Gotthardt, Katharina Grabner, Christa Grünberg, Robin Hauenstein, Jan Hestmann, Gabriella Hummel, Nina Daniela Jaksch, Micky Klemsch, Franz Knipp, Sarah Krobath, Astrid Kuffner, Martin Mühl, Ursel Nendzig, Karin Pointner, Sebastian Rahs, Theres Rathmanner, Parvin Razavi, Werner Reiter, Teresa Reiter, Jürgen Schmücking, Matthias Schickhofer, Mara Simperler, Wolfgang Smejkal, Sarah Stamatiou, Thomas Stollenwerk, Werner Sturmberger, Jonas Vogt, Katharina Wiesler, Jörg Wipplinger PRAKTIKUM Yasmin Nowak, Nicola Raunig FOTOGRAFIE Erli Grünzweil, Georg Nejeschleba, Michèle Pauty ILLUSTRATIONEN Nana Mandl, Georg Nejeschleba ART DIRECTOR Sig Ganhoer GESTALTUNG Elisabeth Els, Sig Ganhoer, Erli Grünzweil, Georg Nejeschleba LEKTORAT Wolfgang Smejkal, Adalbert Gratzer ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Wolfgang Hoffer, Nina Daniela Jaksch, Micky Klemsch (Leitung), Thomas Weber WEB Super-Fi, m-otion DRUCK Druckerei Janetschek, Gußhausstraße 24–26, 1040 Wien PRODUKTION & MEDIENINHABER Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama c/o Monopol GmbH, Favoritenstraße 4–6 / III, 1040 Wien; Tel. +43 1 9076766; www.biorama.eu, www.monopol.at, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Monopol GmbH, easybank, Kontonummer 20010710457, BLZ 14200 ABONNEMENT siehe Website: www.biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien VERLAGSPOSTAMT 1040 Wien Raumtemperatur: 33° C BLATTLINIE Biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für Mensch und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. Biorama erscheint sechsmal im Jahr. Biorama wird nach den Vorgaben des Österreichischen Umweltzeichens in der Druckerei Janetschek auf Lenza Top Recycling gedruckt. 100 % Recycling-Papier. Eh klar.

foto Michael Winkelmann

erade Städter müssen sich vom Gedanken verabschieden, Natur wäre Wildnis. Meist haben wir es mit intensiv bewirtschafteter Kulturlandschaft zu tun. Auf der Skipiste genauso wie auf der Alm oder im Wald, selbst wenn sie viele von uns als »unberührt« empfinden. In dieser massiv vom Menschen geprägten Landschaft geraten zwangsläufig die Interessen aneinander. Biobauern haben andere Bedürfnisse als Forstwirte oder die Betreiber von Windparks, eine Mountainbikerin andere als die Jägerin oder die Hüttenwirtin. Alle nutzen wir die Natur. Warum also tun wir uns diesmal das Thema Jagd an? Ein Thema, von dem absehbar ist, dass es Teile unserer Leserschaft emotional aufbringen wird, vielleicht sogar gegen uns? Wenn ein Medium wie biorama sich solch eines Themas annimmt, dann hat es dazu eine prinzipielle Haltung. Unsere ist kritisch, aber nicht kontra, sondern tendenziell pro Jagd. Das »tendenziell« ist deshalb wichtig, weil es erstens auch in unserer Redaktion eindeutig ablehnende Positionen gibt. Und wir uns zweitens sicher nicht solidarisch mit der gesamten Jägerschaft erklären. Es gibt genügend rückwärtsgewandte Idioten. Wären allerdings alle Jäger jene besoffen durch die Gegend ballernden Hobbyschützen, als die sie viele aburteilen, wir würden jede Woche von zig versehentlich erlegten Joggern, Radfahrern oder Traktorfahrern lesen. Jagd ist vielen von uns suspekt. Auch denen, die sie nicht schlicht »scheiße« finden – sich das aber nicht zu sagen trauen, weil die Deutungshoheit oft jene innehaben, die sie fundamental ablehnen. Ja, es gibt sehr vieles, das man an der Jagd, wie sie heute ist, kritisieren muss – doch viele Jäger denken nicht einmal darüber nach. Das müssen sie auch nicht, solange die Gegenstimmen vor allem vom radikalen Rand der Tierschutzbewegung kommen. Doch Jagd muss sich, so sie den Menschen weiterhin als legitim erscheinen will, ändern. Das ist mittlerweile auch mehr und mehr Jägern klar, von denen sich manche längst als »Ökobauern« sehen. Dafür braucht es eine Diskussion, und für diese wiederum mehr Menschen, die Bescheid wissen. Darin sehen wir unsere Aufgabe als Medium – und begeben uns dafür gerne zwischen die Fronten.

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bild der ausgabe

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09 Selbstversuch

»ENTHÜLLT« – wie man ohne müll leben kann

Text Johanna Stögmüller bild Erli Grünzweil

Das sind Sybille, Michi (beide 33), Ronja (2 ½) und Ilvie (3 Monate). Vor ihnen liegt: der Müll aus einer Woche Familienleben. Windeln, Joghurtbecher, Plastikverpackungen, Altpapier, leere Glasflaschen … Mit einem Biokistl-Abo, einem »Bitte keine Werbung«-Sticker am Postkästchen und Wiener Wasser aus der Leitung statt Getränken aus dem Supermarkt bieten sie dem Müllberg jetzt schon Einhalt. Sybille will’s aber wissen: Geht’s auch ohne Müll? Dieser Frage will sie im neuen biorama-Blog »Enthüllt« auf den Grund gehen. In einem parallel geführten Selbstversuch in der Stadt (Sybille / Wien) und am Land (Sarah, 29 / Nähe Vöcklabruck in Oberösterreich) machen sich zwei Freundinnen auf die Suche nach offenen, unverpackten oder in wiederverwendbare Alternativen gehüllte Produkte und werden über Höhen, Tiefen und Etappensiege berichten. Ab Anfang September auf www.biorama.eu

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global village

Wandern

Panoramaweitblick Wenn der Ausblick zum Weitblick wird: Der Wiener Alpen Viewer erweitert den Blickwinkel.

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Die Wiener Alpen sind ein Anziehungspunkt für Großstädter mit Erholungswunsch. Sie wirken wie eine kompakte Form des europäischen Alpenbogens und sind von der Stadt aus gut erreichbar. Bucklige Welt, Wechsel, das unesco-Kulturerbe Semmeringbahn, Rax, Schneeberg und Hohe Wand bilden gemeinsam eine eindrucksvolle Landschaft. Der Wanderweg durch das Gebiet lockt jetzt durch den Wiener Alpen Viewer mit ganz erweiterten Ausblicken. Ein einfaches Gerät aus Spiegeln verändert die Optik eines Ausschnitts und erlaubt einen Weitblick in der Natur. An jedem der 28 Blickplätze in den Wiener Alpen kann man die Landschaft neu erleben. Den Viewer gibt es aber auch in handlicher Form zum Mitnehmen. So kann man nicht nur auf den 290 Kilometer des Leitweges durch die Wiener Alpen, sondern überall, wo man unterwegs ist, flexibel sein Blickfeld erweitern. www.alpenbogen.wieneralpen.at

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street talk Wir fragen, fünf Nahrungssuchende antworten

» Bist du Jäger oder Sammler?« Jasmin 29, arbeitet in einer Bücherei Keines von beiden. Ich sehe mich als Bastlerin.

Gerhard 55, im Accounting tätig Eher als Jäger. Ich gehe aktiv an Sachen heran. Ich spiel mich auch ein bisschen an der Börse. Daher ist meins eher die Jagd.

Besser Zillertaler Schürzenjäger als Frei.Wild.

Stefanie 29, Journalistin Ich sehe mich auf jeden Fall als Sammlerin. Sammlerin deswegen, weil ich wenig Aggressivität in meine Nahrungsbeschaffung lege und Lebensmittel dort sammle, wo sie schon vorhanden sind. Ich gehe gern zum Bauernmarkt und nehm mir das Gemüse dort, in der Jahreszeit, in der es wächst und hol es mir nicht im Supermarkt zu einem Zeitpunkt, wo es eigentlich unnatürlich ist.

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Ingeborg 81, ehemals Sachbearbeiterin, in Pension Sammler. Ich habe Schwierigkeiten, etwas wegzuwerfen. Deshalb sammle ich vieles.

Nicholas 23, Student I see myself as a gatherer. Because hunter has a sort of wild connotation. Gathering is more about cumulation.

links text Doris Fröhlich bild www.walking-chair.com — RECHTS Interview und bild Lukas Traber, Doris Fröhlich

Stimme aus dem Off

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Kommen Sie auch ins Schwitzen wenn Sie an die nächste Heizsaison denken?

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global village

Green IT

Automatisiert Energie sparen Ein intelligentes Haus, das automatisch auf die Bedürfnisse der Bewohner reagiert, kann im Gegenzug auch den Energiebedarf reduzieren. Seit ein paar Monaten ist ein verstärkter Trend zur Heimautomatisierung zu beobachten. Start-ups präsentieren ihre Ideen, neue Produkte dringen in den Markt. Das soll nicht nur den Komfort erhöhen, sondern kann auch eine Energieersparnis bewirken. Durch die Vernetzung der Systeme werden beispielsweise Licht, Heizung, Kühlung nur bei Anwesenheit aktiviert. Die Beleuchtung wird gedimmt, wenn mehr Sonnenlicht einfällt. Automatisierte Raffstores schützen im Sommer vor Überhitzung. Die Wohnraumlüftung wird zum Kühlen in der Nacht verwendet. Manche Systeme stellen den aktuellen Energiebedarf dar und regen so zum Stromsparen an. Die intelligente Vernetzung von Komponenten unterschiedlicher Hersteller und Systeme ist jedoch eine Herausforderung, die einiges an Know-how seitens des Betreibers abverlangt. Für technikbegeisterte Haus- und Wohnungsbesitzer gibt es schon jetzt ein breites Betätigungsfeld, und in ein paar Jahren wird das vernetzte Haus zum Standard gehören. Mehr zum Thema Heimautomatisierung auf www.biorama.eu/heimautomatisierung

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27- 29. September 2013 Tabakfabrik Linz Die Messe für den guten Style und mehr -

schuhwerk

EISENFUSS Aus Nordrhein-Westfalen kommt ein neuartiger, eigenartiger Barfuss-Schuh aus EdelstahlRinggewebe. Ein kleiner Großstadt-Eignungstest. Am Anfang standen Paleo-Ernährungswochen in der biorama-Redaktion. Bei der Online-Suche nach Rezepten stießen wir zufällig auf die Paleos GoSt-Barefoots (GoSt für »Go Stoneage«) eines deutschen Herstellers. Die Verbindung zur Steinzeit sehen wir zwar nicht, interessiert hat uns aber vor allem der Nachhaltigkeitsaspekt. Zur Alltagstauglichkeit: Der erste Härtetest in 1.000 m Seehöhe in der Steiermark musste wegen niedriger Temperaturen, nasser Wiesen und drohender Unterkühlung abgebrochen werden. Der Großstadt-Test hinterließ gemischte Gefühle. Harte Untergründe soll man meiden, die Barefoots haften kaum auf Asphalt und Steinböden. Sie bieten kaum Schutz vor spitzen Steinen und Glasscherben. Auf weichen Böden und im Wasser bietet das Stahlgewebe dafür hohen Grip und nach ca. 20 Minuten beginnen die Füsse durch den MassageEffekt lustig zu kribbeln. »Lustig« auch die Reaktionen der Mitmenschen (»Höhö, Prinz Eisenherz!«). Fazit: kein Allround-Schuhwerk oder gar Sportgerät, dafür Spaß in der Natur und guter Gesprächsstoff. gost-barefoots.com

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Vom 27.-29. September 2013 wird Linz zur Drehscheibe für alle, die mehr Nachhaltigkeit in ihrem Leben wollen: Von Mode bis Ernährung, Mobilität bis zu alternativen Geldanlagen reicht das Spektrum. Über 100 AusstellerInnen aus ganz Europa, präsentieren in den denkmalgeschützten Räumen der Tabakfabrik Linz wie modisch, genussvoll, innovativ und vielfältig ein ökologischer, fairer und nachhaltiger Lebensstil sein kann. Begleitet wird die Messe von einem abwechslungsreichen und informativen Rahmenprogramm für Groß und Klein.

Fotos: milch.mur.at, wearfair.at

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global village

SEITE 12 text Franz Knipp bild Digitalstrom SEITE 14–15 Texte Doris Fröhlich fotos Mud Jeans, Wohnwagon illustration Georg Nejeschleba

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Recycling

Anders wohnen

Lease a Jeans

Der autarke Wohnwagon

Zurückgeben statt Wegwerfen. Auf dem Weg zur zirkulären Wirtschaft startet Mud Jeans mit einem revolutionären Geschäftsmodell durch.

Flexibilität aus Naturstoff – und das mit Stil. Der Wohnwagon überzeugt von der Finanzierung bis zur Toilette.

Mud Jeans produziert Jeans und andere Kleidung – aus ökologischen Materialien und unter fairen Bedingungen versteht sich. Das Unternehmen geht jetzt noch einen Schritt weiter auf der Suche nach einem Ausweg aus der Wegwerfgesellschaft: Konzipiert wurde ein LeasingKonzept für Jeans, das viele Vorteile hat. Wertvolle Rohstoffe wie Bio-Baumwolle kommen zum Recycling an das Unternehmen zurück und der Anreiz ist groß, Waren mit langer Lebensdauer zu produzieren. Die Kunden zahlen kleinere Beträge in regelmäßigen Abständen und freuen sich immer wieder über neue Produkte – ganz ohne Wegwerfmanie. Ein revolutionäres Konzept mit der Vision einer zirkulären Wirtschaft. Aus ganz Europa kann man online Jeans aussuchen und bequem per Versand bestellen. Bezahlt wird eine Rate von 20 Euro im Monat und nach einem Jahr kann man die Jeans gegen ein neues Modell eintauschen. www.mudjeans.nl

Autarkie auf 25 Quadratmeter – der Wohnwagon ist eine kleine, aber feine Naturstoff-Oase. Das Gefährt besteht aus natürlichen, regional bezogenen Rohstoffen wie Holz und recycelten Bestandteilen. Damit erfüllt es auch höchste ökologische Ansprüche, es wurde sogar ohne Lacke gearbeitet. Die eigene Photovoltaik-Anlage, Bio-Toilette und Wasseraufbereitungsanlage machen flexibel und unabhängig, für besondere Naturnähe gibt es eine ausziehbare Terrasse. Ein Prototyp ist beim niederösterreichischen Weinfestival Carnuntum Experience im Einsatz. Gefertigt wurde der Wohnwagon in einer Werkstatt nahe Wien von Hand, samt Innenausstattung und Technik. Wer sich dafür interessiert, eines dieser besonderen Fabrikate zu erwerben, kann auch auf Wunsch selbst Hand anlegen und seinen Wohnwagon mitgestalten. Und wer schnell genug war, hat sich auf der Crowdfunding-Plattform auch einen Teil am Firmenwert gesichert. www.wohnwagon.at

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Obstbaum-Commons

Grundeinkommen

ernten 2.0

Das System überdenken

Obst als Allgemeingut, öffentliche Fläche als Anbaugebiet und Ernten als Gemeinschaftsaktivität. Eine schmackhafte Zukunft.

Europa bedingungslos sozial – Grundeinkommen zur Sicherung von Lebensstandards im Kampf gegen die Zukunftsangst.

Obst für alle – im Sinne dieser Vision startet die Initiative Jam Tram innerhalb des Kulturprojektes Wienwoche. In einer gemieteten Straßenbahn wird frei musiziert und Marmelade produziert und getauscht – doppelt gejammt eben. Erreichen will man damit mehr Obstbäume für die Allgemeinheit. Martin Mollay hat mit seiner Bewegung Obststadt bereits ganz Wiener Neustadt durch gemeinschaftlich nutzbare Obstbäume bepflanzt und die Gemeinde Übelbach, als erste essbare Gemeinde Österreichs, ist ein Vorbild in der Obstrevolution. Dort wird die Bepflanzung öffentlicher Flächen und gemeinsames Gärtnern und Ernten als Kulturgut gefördert. Noch weitreichender agiert Mundraub: Auf einer Landkarte im Netz werden Obstbäume im öffentlichen Raum eingetragen, damit alle Menschen auf öffentliches Erntegut zugreifen können. Also: Mitmachen, anpflanzen, Baumpate werden oder ernten – es gibt viel zu tun. www.wienwoche.org www.mundraub.org www.obststadt.at

Von 16. bis 22. September findet die sechste Internationale Woche des Grundeinkommens statt. Der Hintergrund der Diskussion: Sinkender Lebensstandard, Zukunftsangst, Politikverdrossenheit und nationalistische Haltungen breiten sich in Europa aus. Das sind logische Folgen der verschlechterten Mindestsicherung in unseren Breiten, meinen die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. Ein Mindestgrundeinkommen soll Existenzen sichern, Bildung fördern und Menschen flexibler machen. Erstmals hat diese Forderung mit der Internationalen Woche des Grundeinkommens nun eine europaweite Basis erreicht. Aus 20 Mitgliedsstaaten haben sich Menschen zusammengetan und eine Bürgerinitiative für ein Grundeinkommen gestartet, die noch bis 14. Jänner 2014 unterzeichnet werden kann. www.grundeinkommen.at www.grundeinkommen.de www.basicincome2013.eu

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Global Village

MEINE STADT: Bratislava

von Filip Śimek

MEINE Lieblingsplätze UND Eco-HotSpots

Filip stammt aus der ehemaligen cssr und ist als Kind nach Österreich gekommen. Heute lebt er bei Bratislava und unterrichtet dort Deutsch für Führungskräfte am International House, einer Sprachschule. Nebenbei schreibt er für Blogs und Magazine und ist an diversen sozialen Projekten wie z.B. der Demokratischen Bank beteiligt. Zudem gehört er der Radlobby Niederösterreich an und veranstaltet Radtouren.

text und bild Filip Simek

wien – bratislava, weltweit liegen keine zwei Hauptstädte so nah beieinander. Das macht das Besondere aus, man kann einfach mal einen Tagesausflug unternehmen. Zu bieten hat die Stadt genug, Langeweile kommt hier keine auf. Im Gegenteil, es lässt sich bis in die Morgenstunden durchfeiern oder mehrere Tage dranhängen.

radvariante: Vom Bahnhof Petržalka geht ein gut ausgebauter Radweg direkt durch neue und alte Siedlungen. Die achtspurige (!) Autobahn, die die Stadtteile trennt, quert man nur über die Personenbrücke beim Ausstellungszentrum Incheba. Danach führt der Radweg vorbei am Einkaufszentrum Aupark bis zur Brücke snp mit dem imposanten Wahrzeichen, dem ufo, inklusive oben angesiedeltem Restaurant.

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Quert man die Donau, gelangt man in die Altstadt und zur Flaniermeile Eurovea, bleibt man am rechten Ufer, kann man auf dem am meisten befahrenen Radweg der ganzen Slowakei bis nach Ungarn bzw. zurück nach Österreich radeln.

zu fuss: Wer nicht sofort ins Zentrum strömen möchte, begibt sich über die Fußgängerüberführung am Ende der Bahnhofszufahrt rechts, Richtung Hlboká Cesta und geht über einen mittelschweren Anstieg ca. 500 Meter hinauf. Oben angekommen, steht man vor einem Schanigarten, Funus genannt, in dem man mit erstklassigem naturtrüben Bier belohnt wird.

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Das Ö1 KulturPicknick Sonntag, 8. September 2013, ab 12.30 Uhr Hofgarten und Hofburg in Innsbruck Bei jedem Wetter – Eintritt frei!

DYNAMOWIEN

Danach empfehlenswert ist die Route zum Slavin mit dem imposanten Kriegsdenkmal, die weitere Route geht hinunter zur Burg und weiter Richtung Altstadt, über die beiden malerischen Gassen Beblaveho und Židovská, mit vielen individuellen Lokalen und Chill-Out-Zonen. Während der ganzen Route kann man die ausgezeichneten Aussichten über Stadt und Umland genießen.

Die Altstadt selbst ist übersichtlich und lässt sich leicht über die folgende Route begehen: Venturska - Michalska - Namestie SNP - Laurinska - Panska - Strakova - Hviezdoslavovo namestie (Alte Oper) und Mostova bis zur Donau. Zahlreiche Cafes und Verweilmöglichkeiten bei Kunstprojekten (Musik, Foto, Volkskunst) runden das sympathische Stadtbild ab.

Mit Attwenger, Manu Delago, Lidia Baich und Matthias Fletzberger,   dem Ö1 Quiz »gehört. gewusst«, Musik aus allen Richtungen, Literatur-, Kinderprogramm u. v. m.

MEINE HOTSPOTS U Certa – Teuflisches Kunstambiente Ufo bzw. Plaz pod Ufom am oder über dem Fluss Malecon & Havanna – kubanische Tanzrhythmen in der Altstadt T-Com Beach (Sandstrand in der City) Eurovea – linkes Ufer der Donau mit Cafes und Shops

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oe1.ORF.at/kulturpicknick

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Jagd

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geschossen:

180.000 pro jahr die am häufigsten geschossenen wildtiere* Rehwild (240.000 pro Jahr) Kann vor allem deshalb so oft geschossen werden, da es stark gehegt und im Winter gefüttert wird. Die Forstwirtschaft beklagt Verbiss durch Rehe an jungen Pflanzen. ——— Rotwild (40.000) Liefert mit imposanten Hirsch-Geweihen die begehrtesten Jagdtrophäen. Der Abschuss ist streng reglementiert. ——— Gamswild (25.000) Jagbar in spektakulären, hochalpinen Jagdrevieren, liefert Horn und den Gamsbart als Bestandteil vieler Trachtenhüte. ——— Schwarzwild (25.000) Die Wildschweinpopulationen in Europa sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Da es Anbauflächen umgräbt, gilt es in der Landwirtschaft als »Schädling«. ——— Feldhase (180.000) Durch immer weitläufigere, landwirtschaftliche Monokulturen schrumpfen die Lebensräume des Feldhasen. Gejagt wird er dennoch. ——— Fasan (200.000) Bei Treibjagden in Tschechien und Slowakei werden bis zu 800 Tiere an einem Tag geschossen. In Österreich und Deutschland wird versucht, männliche und weibliche Tiere in einem Verhältnis von 1:5 zu halten. ——— Wildente (90.000) Im Burgenland setzen Jäger jedes Jahr bis zu 10.000 Zuchtenten zu Jagdzwecken entlang der Leitha aus. Und das ist sogar legal. ——— Fuchs (65.000) Der Fuchs wird vor allem gejagt, weil er in Nahrungskonkurrenz zum Menschen tritt. (* in Österreich, Quelle: www.ljv.at)

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Thomas Stollenwerk

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Illustration

Nana Mandl geschossen:

240.000 pro jahr Eine Parforce-diskussion

An der Jagd scheiden sich die Geister. Für die Einen ist sie der einzige Weg, die Natur im Gleichgewicht zu halten, für die Anderen eine skandalöse Praxis privilegierter Freizeitsportler.

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ie Jagd hat mindestens genauso viele Kritiker, wie sie passionierte Anhänger hat. Dafür gibt es ethische, ökologische, soziale, politische, moralische, kulturelle und wer weiß wie viele andere Gründe. Manche lehnen das Töten und den Verzehr von Tieren per se ab. Andere betrachten das Hantieren mit Waffen als fragwürdig. Wieder andere halten die Ausübung der Jagd bloß für ein elitäres Statussymbol. Viele fragen sich: Wenn die Jagd doch angeblich so eine wichtige ökologische Rolle spielt, wieso kann sie dann nicht ausschließlich von hauptberuflichen Jägern erledigt werden? Würde es der Umwelt schaden, wenn nicht gejagt würde? Jäger sind davon überzeugt. Viele Kritiker sind der Ansicht, dass die Wildbestände sich auch selbst regulieren würden, würde man nicht durch gezielte Fütterung künstlich dafür sorgen, dass mehr Tiere abgeschossen werden können. Und dann gibt es Menschen, die an der Jagd gut verdienen und Jagdtourismus anbieten. Teilweise werden sogar im Gatter gezüchtete Wildtiere ausgesetzt, um künstlich für lebendige Zielscheiben zu sorgen. Ist das moralisch vertretbar? Über die Jagd lässt sich trefflich diskutieren.

Wer jagt denn da? Wenn es um die Jagd geht, dann sind Vorurteile und Klischees schnell zur Hand. Über Jahrhunderte war das Jagdrecht ein Privileg des Adels. Und auch wenn der

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Adel in Österreich schon seit 1919 nicht mehr so heißt: Irgendwie hat sich doch gar nicht so viel daran geändert, dass einige wenige und meist wohlhabende Familien einen sehr großen Teil der Jagdflächen besitzen. Wer sich zur Elite zählen möchte, der tut auch heute im Sinne inkorporierten kulturellen Kapitals nicht schlecht daran, eine Jagdkarte zu besitzen. In Österreich gilt für die Jagd ein Reviersystem. Das bedeutet: Das Recht zur Jagd liegt beim Besitzer des jeweiligen Grunds. Um diesen auch tatsächlich zu bejagen, benötigen Grundbesitzer das Eigenjagdrecht. Kleinere Jagdflächen werden zu Genossenschaftsjagdgebieten zusammengefasst und verpachtet. Eine Jagdgesellschaft – das hat bis heute den Ruch eines elitären und geschlossenen Zirkels in der Tradition des feudalen Jagdprivilegs. Für eine soziale Selektion bei der Jagd ist weiterhin gesorgt. Eine Jagdkarte zu erlangen, kostet in Österreich rund 1.000 Euro. Für ein Jagdgewehr legt man eine ähnliche Summe auf den Tisch – und dann hat man noch keinen Schuss abgegeben. Soziale Vorbehalte gegenüber Jägern sind allerdings nur eine Facette von Jagdkritik. Bei der Auseinandersetzung mit ökologischen Folgen und Auswirkungen der Jagd lohnt der differenziertere Blick – denn hier gibt es ganz unterschiedliche Ansichten auch innerhalb der Jägerschaft, ebenso bei ethischen Fragen zur Jagd.

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Jagd

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Jagdkritik: pauschal bis differenziert Die Bandbreite an Jagdkritik reicht von fundamentaler Ablehnung bis zur Kritik an bestimmten Formen und Entwicklungen der modernen Jagd. Da wäre zum Beispiel die Sichtweise des Ethikers Andrew Linzey. Der Oxford-Professor, Theologe und Tierrechtler bewertet die Jagd pauschal als ein Verbrechen: »Die Jagd gehört in jene Klasse von immer moralisch unerlaubten Handlungen, wie Vergewaltigung, Kindsmissbrauch und Folter«. Der Tonfall mag überraschen. Im Weidwerk, dem Magazin der österreichischen Landesjagdverbände, machte der Jäger und Publizist Alexander Schwab unlängst auf die vermeintliche Kriminalisierung der Jagd in Europa aufmerksam. Die Verankerung des Umweltschutzes im Strafrecht auf europäischer Ebene – die übrigens scheiterte – sieht er als »radikales Gedankengut« auf höchster Gesetzesebene. Seine Warnung an die Jäger ist deutlich: Die »Spinner« würden auch weiterhin versuchen, die als Sport betriebene Jagd unter Strafe zu stellen – das sei »Ethikhysterie«. Rechtlich verankerter Tierschutz als radikales Gedankengut? Tierrechtler als Spinner? Das lässt aufhorchen. Die Kritiker der Jagd schießen verbal oft scharf – doch stehen sie damit ihren diskursiven Opponenten in nichts nach. In der Auseinandersetzung über Jagd geht es um die Meinungshoheit bei ihrer Deutung. Es lohnt sich deshalb der Blick auf Details der Debatte. Wer in seiner Freizeit Jagd betreibt, wird von Kritikern häufig als Hobbyjäger bezeichnet. Passionierte Jäger reagieren darauf empfindlich, schließlich sehen sie die Jagd als einen sinnvollen Beitrag zur Pflege der Natur, als ein gemeinnütziges Ehrenamt. »Wer würde schon ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr als Hobby-Feuerwehrmann bezeichnen?«, schallt die Replik aus dem Revier. Jäger als selbstlose Naturschützer? Fragwürdig.

Was spricht für die Jagd? Die Jagd wäre kein umstrittenes Thema, gäbe es keine Gründe, die für sie sprechen. Die prominenteste Argumentation lautet, viele Wildtiere hätten ihre natürlichen Feinde verloren und müssten deshalb nun vom Menschen bejagt werden. Wenn nun aber die natürlichen Feinde von Wild durch die Jagd verschwunden sind, legitimiert sich die Jagd dann nicht mit viel Chuzpe durch sich selbst? Christian Nittmann, Unternehmer aus Wien, engagiert sich seit Jahren in der Initiative zur Abschaffung der Jagd. Er hält die Theorie vom Jäger als Wächter der Populations-Regulierung beim Wild für falsch. »Immer mehr Biologen gelangen zu der Ansicht, dass die Tiere ihre Populationsdichte am besten selbst

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regeln und Überpopulationen vor allem entstehen, weil bestimmte Tierarten wie Rehe und Hirsche von den Jägern durch Hege und Fütterung besonders gefördert werden. Die Erfahrungen in großen europäischen Nationalparks zeigen: Es geht Natur und Tieren ohne Jagd viel besser.« Befürworter der Jagd sehen neben dem Schutz vor Überpopulation von Wild, das Schäden am Wald verursacht, zwei weitere gute Gründe, um zu jagen. Durch die Eindämmung von sogenannten Kulturfolgern wie der Aaskrähe oder dem Fuchs würden bedrohte Arten geschützt. Die Jagd trage somit zur Erhaltung der Biodiversität bei. Außerdem liefert die Jagd mit dem Wildbret ein hochwertiges Lebensmittel. Eine Abschaffung der Jagd, würde nach Ansicht von Friedrich Reimoser, Professor für Wildökologie und Wildtiermanagement, eine ganze Reihe an negativen ökologischen Folgen mit sich bringen. Natur ohne Jagd – für ihn »kein sehr rosiges Szenario. Insgesamt ist bei ersatzlosem Wegfall der Jagd mit einem Biodiversitätsverlust und mit zunehmenden Schäden durch das Wild zu rechnen, weil es in der vom Menschen genutzten Kulturlandschaft, in der natürliche Regelmechanismen nicht mehr entsprechend wirksam sind, eine gewisse Steuerung braucht.«

Am Ende steht eine ethische Frage Dass Jäger in der Natur, die uns in Mitteleuropa umgibt, eine nicht unwesentliche ökologische Rolle spielen, ist eine Realität. Dass Tierschützer das Töten von Wildtieren ablehnen, auch. Dass es auf absehbare Zeit zu einem Ausgleich der Interessen zwischen beiden Seiten kommt, ist unwahrscheinlich. Der Tier- und Umweltschutz allerdings setzt Anhänger der Jagd unter Druck, ihre Passion, ihr Hobby, ihr Ehrenamt und Privileg zu reflektieren und zu rechtfertigen und schließlich auch bei der Jagd Kriterien der Nachhaltigkeit ihren Platz einzuräumen. Mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch das Bewusstsein vieler Jäger verändert. Ein ökologisch nachhaltiger Zugang ist heute im Jagdrevier keine Seltenheit mehr. Die Jagd als bloßen Schießsport oder Trophäenjagd zu sehen, wird kaum noch zugelassen, auch vom Großteil der Jäger nicht – sicherlich ein Erfolg. Was bleibt, ist die Frage nach dem legitimen Töten. Und die wird bleiben.

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Jagd-Typologie

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Astrid Kuffner

Illustrationen

Nana Mandl

Hochstandgeflüster Wer geht jagen und warum? Von Anfüttern über Verfüttern bis zur gefutterten Steppjacke – eine Typologie der Jägerschaft.

Der Trophäenjäger

Die Jägerin

Der Trophäenjäger legt mit hochpräzisen Gewehren, Swarovski-Optik und rasanter Munition auch aus großer Distanz an. Das Wild soll schließlich im Feuer liegen (bleiben). Gerne fährt oder fliegt er auf Safari. Wenn er zur Jagd eingeladen wird, erwartet er sich nichts unter einem Zwanzigender. Beim Aufbrechen ist er nicht mehr dabei, denn da werden die Hände schmutzig. Er hat kein Interesse am »kleinen Jägerrecht« – also der frisch gerösteten Leber oder der Wildbretvermarktung. Ihm geht es um Felle / Decken, Geweihe und Vorschlagpräparate fürs Wochenendhaus. Wer jagdliches Wohnflair schätzt, kann Trophäen auch im Dorotheum käuflich erwerben. Aber Achtung Falle: Die Ortsangaben auf den ersteigerten Schätzen müssen mit den Reiseberichten des Trophäenjägers übereinstimmen.

Die Jägerin muss sich nicht für die verhaarte Hundedecke auf dem Autorücksitz rechtfertigen. Sie ist optischer Aufputz im Wald, am Schießplatz und beim Jägerball. Sie wird manchmal für etwas dumm verkauft, weil sie evolutionsbedingt nie und nimmer die Jagderfahrung der männlichen Kollegen aufholen kann. Das»Jagd-Gen« ist bei ihr schwächer ausgeprägt, denn sie gibt den Schuss nicht um jeden Preis ab. Nur wenn er wirklich sicher angetragen wird und absolut tödlich ist. Sie schmückt sich mit selbst erlegten Grandln und nicht mit fremden Federn, zaubert Wildgerichte und erliegt auf der Pirsch den Wundern und Reizen der Natur. Dann sammelt sie Beeren am Wegesrand statt (Bären-) Trophäen für die Wohnzimmerwand. Die Jägerin drängt sich in eine – bis vor Kurzem noch – fast reine Männerwelt und der Ansitz verlangt ihr Einiges ab: stundenlanges Schweigen.

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Der Business-Jäger Wie Tennis oder Golf ist auch die Jagd ein Rahmen zur Geschäftsanbahnung. Warum sonst wird ein Hobby (abseits von Hollywood) öffentlich bekannt? Etwa von Christian Konrad oder Graf Mensdorff-Pouilly? Honecker zeigte es in der Schorfheide bei Berlin vor. Voraussetzung ist idealerweise ein Jagdschein. Die Jagdeinladung war lange Garant für gute Geschäfte oder genehme Gesetze. Heute heißt das Anfüttern. Eingeladen wird auf einen kapitalen Bock, einen Hirsch oder einen Auer- oder Birkhahn (beide selten geworden) – es sollen ja auch keine Kaugummis verkauft werden. Auf dem Hochstand wird jedenfalls nicht gequatscht, denn ansitzen können maximal zwei: der Gast und der Pirschführer. Wenn die Abschüsse anschließend in der Jagdhütte tot getrunken werden, ist Zeit und Raum fürs Geschäft.

Der Heger Dem Heger gilt Weidmanns Dank. Der betagte Jäger kaschiert die senile Bettflucht mit morgendlichem Nach-dem-Rechten-Sehen im Wald. Uneigennützig wartet er die Reviereinrichtungen (Hochstand, Zäune, Krippen), füttert Rehe im kalten Winter, befreit die Pirschsteige von raschelndem Laub, schlägt Schneisen und markiert die Walddurchgänge mit Bändern. Die Jagdausübung ist zudem eine perfekte Ausrede, um sich vor Familienfesten, Kindererziehung und Schwiegermutter-Besuchen zu drücken. Wer das Jagd-Brauchtum intensiv pflegt, hat Lederhose und Hut genau so oft und gern an, wie den Pyjama. Auf den feinen Jäger kann man sich verlassen: Er kann bestimmt das eine oder andere Jagdlied anstimmen und die »Hohe Jagd« in Salzburg ist der erste Eintrag in seinem Messe-Kalender. Immer treu an seiner Seite Wastl, Hirschmann oder Fang. Der unangenehme Subtyp ist der Besserwisser. Er ist oft sehr erfahren, überlegt sich aber nicht, ob es anders besser gehen könnte.

Der Ausstattungsfetischist Der Ausstattungsfetischist findet, dass ihm Grün besonders gut steht. Er wartet sehnsüchtig auf das Erscheinen des aktuellen Kettner-Katalogs. Knallorange Accessoires nimmt er in Kauf. Schließlich dienen Warnweste, Armbinde oder Stirnband in Signalfarbe der eigenen Sicherheit, um von Kollegen nicht mit Baum, Strauch oder Wildschwein verwechselt zu werden. Die Distinktion liegt im Detail: Porsche Cayenne, Mercedes G oder Mitsubishi Pajero sind alles mehr oder weniger Jagdautos. Aber ein Suzuki tut es auch. Auch bei Flinten und Büchsen kann man sich von der Masse abheben. Kugelgewehre von Steyr-Mannlicher, Blaser, Ferlacher oder Suhler. Holland & Holland ist bei den Flinten die Oberliga. Überschüssiges Geld wird beim Jagdsport in der Dreifaltigkeit von Revier, Optik und Waffe ausgegeben. Außerdem besteht die Möglichkeit, über Vermittler für Abschüsse zu zahlen – etwa für ein 500-GrammRehbock-Geweih in Ungarn oder einen kapitalen Hirsch in Polen.

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Jagd-Typologie

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Der Versorger

Der Wilderer Umfangreiche exklusive Jagdreviere gehören der Vergangenheit an. Wilderer sind heutzutage nicht mehr arme Bauern und Arbeiter mit Rebellenimage, die ihre Familie ernähren wollen. Wilderer ist jeder, der mit oder ohne Jagdschein in fremden Revieren unbefugt jagt. Der technisch Versierte stiehlt unbemerkt den Chip aus der Wildkamera und weiß somit genau, wann er an der Fütterung oder Kirrung unterwegs sein muss. Verdächtig sind geländegängige Fahrzeuge mit ortsfremdem Kennzeichen und Suchscheinwerfer auf dem Dach am Reviereingang. So ein Gefährt braucht, wer Wild aufstöbern, blenden und rasch abtransportieren will und mit Karacho im Dunklen durch den Wald fährt. Damit es nicht zum Showdown im Morgengrauen kommt, schreibt der rechtmäßige Revierinhaber am besten das Kennzeichen auf, statt den Wilderer mit dem Gewehr zu stellen. In Bergrevieren ist der Wilderer mit einem zerlegten Gewehr im Rucksack und einem Feldstecher um den Hals perfekt getarnt.

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Der prinzipientreue Versorger ist ein Jäger und Sammler. Er hält sich an den Abschussplan wie an die zehn Gebote. In keiner Ausgabe von Weidwerk oder Anblick fehlt der Hinweis darauf, dass Wildbret gesund, fettarm, lang haltbar, schmackhaft und aus artgerechter Tierhaltung ist. Es gibt unter den Versorgern Feinspitze und Köche, die sich in der Küche verwirklichen. Wenn die Tiefkühltruhe übergeht, vermarktet der Versorger sein Wildbret an den Fleischhauer. Der Fleischer selcht, verwurstet und zerwirkt den Lungenbraten, selbstverständlich nach kundiger Fleischbeschau. Denn einen Fuchsbandwurm oder Trichinen hat niemand gerne im Menü. Die aktuelle Wildbretverordnung verpflichtet zu einer Einschätzung, ob das Tier krank war und zu einer Ortsangabe für die Rückverfolgbarkeit. Es handelt sich also um eine Art weidliche Bauernhofgarantie: Zurück zum Urwald!

Gerd / Gerda Grünrock Gerd/a Grünrock schätzt Bewegung im Wald, im Gebirge, an der frischen Luft und begreift die Jagd als Bewirtschaftungsform bzw. als Regulation gestörter natürlicher Prozesse. Wo Wolf, Bär und Luchs fehlen, muss ein Grünrock her, um Wildverbiss zu vermeiden. Es sind verantwortungsvolle, ruhige Menschen, die Jagd wie Biolandwirte betreiben, aufklären, und informieren. Sie stehen früh auf und gehen ungern auf Gesellschaftsjagden, weil sie nicht wissen, wie andere Schützen in der Jagdgesellschaft aufgestellt sind punkto Treffsicherheit, Disziplin, Geländegängigkeit und Vorwissen. Außerdem ist Wild bekanntlich scheu. Gerd/a Grünrock schickt konsequent jene wieder nach Hause, die kein oranges Signalband tragen oder alkoholisiert sind.

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Ökologische Jagd

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»Erfolg ist nicht, einen dicken Hirsch zu schieSSen« Elisabeth Emmert ist seit 1992 Bundesvorsitzende des Ökologischen Jagdverbandes in Deutschland. Sie erklärt, was Jagd mit Naturschutz zu tun hat und warum das Image von Jägern manchmal zu Recht schlecht ist.

biorama: Haben Sie selbst Jagdtrophäen? elisabeth emmert: Wir sind nicht der Meinung, dass man Trophäen wegwerfen muss. Wir haben aber das Problem, dass das Streben nach Trophäen zu überhöhten, unangepassten Wildbeständen führt. Ich habe schon ein paar Sachen aufgehoben als Erinnerung, aber es soll nicht im Mittelpunkt stehen. Was hat Jagd mit Naturschutz zu tun? Wir wollen so jagen, dass man Naturschutzbelange nicht gefährdet, sondern sie fördert. Im Wald kann man das so machen, dass natürliche Waldentwicklung gewährleistet ist. Auch in Österreich sind die Schalwildbestände wie Reh, Hirsch und Gams viel zu hoch und es müssen Schutzmaßnahmen ergriffen werden, damit Baumarten und andere Teile der Vegetation überhaupt wachsen können. Das ist für uns angewandter Naturschutz – großflächig dafür zu sorgen, dass die natürliche Waldentwicklung gewährleistet ist. Die Natur selbst kann das also nicht mehr regeln? Ja, weil es keine natürlichen Feinde gibt und weil das Wild massiv gehegt und gefüttert wird. Wenn man nicht füttert, verhungern die Tiere nicht reihenweise, sondern die Reproduktion geht zurück und die Wildbestände sind niedrig. Es ist Unsinn, ein Wild, das bei uns sowieso

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in rauhen Mengen vorhanden ist, auch noch zu füttern. Einen Fuchs oder einen Beutegreifer füttert niemand. Was steckt dahinter? Die Jäger wollen viel Wild haben und Füttern ist ein Lenkungsinstrument. Ich kann das Wild in meinem Revier halten. Manche glauben vielleicht wirklich, dass sie was Gutes tun. Das Argument, dass Fütterung zu weniger Wildschäden im Wald führt, stimmt aber nicht. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Was unterscheidet ökologische Jagd von traditioneller Jagd? Wir wollen so jagen, dass wir die gesamten Lebensräume im Fokus haben und nicht nur wenige Arten, die als jagdlich interessant gelten. Das Ökosystem, der Lebens- und Wirtschaftsraum Wald soll als Gesamtes betrachtet werden. Kann Tiere töten jemals ökologisch sein? Grundsätzlich werden in der Natur Tiere von anderen Tieren getötet. Wenn man den Mensch als Teil des Ökosystems sieht, ist er dazu berechtigt, Tiere zu nutzen. Das heißt aber auch, dass die geschossenen Tiere sinnvoll genutzt werden sollen. Wobei der Mensch natürlich, weil er ethisch verantwortlich ist, sich von Tieren abhebt. Es ist auch ökologisch sinnvoll, Wildbestände so

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Interview

Mara Simperler

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Privat

Tierschutz hat heute einen ganz anderen Stellenwert als vor 50 Jahren, und da haben die traditionellen, konservativen Jäger den Anschluss verpasst. Elisabeth Emmert (Ökologischer Jagdverband Deutschland)

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zu reduzieren, dass die im Wald vorhandenen Pflanzenarten alle wachsen können. Das Verhältnis von Wald und Wild passt einfach nicht mehr. Ist auch die Jagd Ursache für manche Probleme? Natürlich, nach wie vor werden jagende Tierarten als Konkurrenten gesehen. Für den Wolf und den Luchs sind illegale Abschüsse ein großes Hemmnis, sich weiter auszubreiten. Auf welche Probleme stoßen Sie in den Reihen traditioneller oder konservativer Jäger? Wenn die Kritik aus den eigenen Reihen kommt, wirkt das mehr. Man kennt sich ja untereinander und damit haben die Jäger natürlich ein Problem. Sie müssen die eigenen Positionen hinterfragen und oft haben sie keine sachlichen Argumente, sondern verschanzen sich hinter Pauschalbeschuldigungen. Das Verhältnis zu Tieren in der Gesellschaft ist ein anderes als noch vor 50 Jahren. Tierschutz hat einen ganz anderen Stellenwert und da haben die traditionellen, konservativen Jäger den Anschluss verpasst. Haben Sie das Gefühl, dass ein Umdenken passiert? Es ändert sich. Aber auch in der Vergangenheit haben sich das Denken und die Jäger nur auf Druck von außen geändert. Wichtig ist, dass von den Grundeigentümern,

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die ja eigentlich die Inhaber des Jagdrechts sind, Druck auf die Jäger ausgeübt wird. Oder dass man die Jäger, die es anders machen wollen, unterstützt. Finden Sie, dass das Image des Jägers oft zu Unrecht schlecht ist? Zu Unrecht nicht. Die Fakten sind ja kritikwürdig. Viele Jäger glauben, das öffentliche Bild von Jagd muss besser werden. Wir sagen aber, dass die Jagd sich ändern muss. Darf Jagen Spaß machen? Jeder Jäger hat einen emotionalen Zugang zur Jagd. Man muss es gerne machen, aber man darf das nicht mit der Lust am Töten verwechseln. Einem Metzger unterstellt man ja auch nicht, dass er Lust am Töten hat. Erfolg soll aber nicht nur sein, einen dicken Hirsch zu schießen, sondern dass der Wald gut wachsen kann. Ich freue mich, wenn Tannen und Eichen ohne Schutzzaun aufwachsen können. Oder wenn ich einen guten Braten habe, dann ist die sinnvolle Verwertung des Wildes gewährleistet.

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wild

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Katharina Maria Grabner

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Nana Mandl

Echt wild? E Wild ist ein Sammelbegriff für Landsäugetiere und Vogelarten, die für den menschlichen Verzehr gejagt werden. Im Wald geboren, im Wald gelebt – kann Wildfleisch bio sein?

ins vorweg: Gemäß der Europäischen-Öko-Verordnung gelten Erzeugnisse der Jagd nicht als aus biologischer / ökologischer Produktion stammend. Trotzdem können wir biologisches Damwildfleisch kaufen. Wie kommt das und wo kommt das Fleisch her? Wildfleisch kann entweder von frei lebendem Wild, Gatteroder Farmwild stammen. Farmwild ist Wild, das unter farmähnlichen Bedingungen zum Zwecke der Fleischgewinnung, Trophäengewinnung oder Lederproduktion in Kleinstgattern gezüchtet wird. Das kann auch auf Gatterwild zutreffen, welches aber in sehr großen Gehegen wie in freier Wildbahn lebt. Rein rechtlich gesehen ist es dann aber kein Wild, sondern Nutzvieh. In Österreich gibt es ungefähr 100 landwirtschaftliche Bio-Austria-zertifizierte Betriebe, die Damwild halten. Deutschlandweit hat zum Beispiel Bioland Vorgaben für eine ökologische Wildhaltung entwickelt.

Warum Wild essen? Wildbret, wie das Fleisch von freilebendem Wild auch genannt wird, zeichnet sich durch seinen geringen Fettgehalt und hohen Eiweißanteil aus, ist sehr cholesterinarm und zarter als das Fleisch der landwirtschaftlichen Nutztiere. Die Verabreichung von Arzneimitteln ist verboten. Rotes Fleisch, zum Beispiel vom Hirsch, ist zudem eine gute Eisenquelle. Besonders heimisches Wildbret hat auch einen hohen ökologischen Wert, da durch die Tierhaltung kaum Umweltbelastungen wie Bodenverluste durch Stallungen oder weite Transportwege aufkommen. Wildbret kauft man am besten direkt beim Jäger oder im Einzelhandel. Denn das Fleisch kommt nicht unbedingt aus der Region, wie man vielleicht annehmen möchte. Beinahe 3,8 Millionen Kilogramm Wild wurden 2012 aus der ganzen Welt nach Österreich importiert – und über zwei Millionen Kilogramm exportiert. Die größten Importe stammen aus Deutschland, Spanien, Ungarn und Neuseeland.* Wer Wildfleisch kaufen möchte, findet auf wildbret.at und wildhaltung.at/produkte österreichische und auf bioland.de deutsche Anbieter. * quelle: statistik austria

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Rückkehr des Wolfes

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Yannick Gotthardt

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Tomá Hulík

LEICHTE BEUTE Die mitteleuropäischen Bären, Luchse, Adler und Wölfe machen die Leidenschaft und den Beruf von Tomáš Hulík aus. biorama hat den Naturfilmer zum Gespräch über die Rückkehr des Wolfes und die Spuren, die er hinterlässt, getroffen.

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biorama: Das Kerngebiet jener europäischen Wölfe, die aus Westpolen in die Lausitz oder aus der Slowakei nach Ost-Österreich einwandern, sind die Karpaten. Kommt es dort seltener zu Konflikten zwischen Wölfen, Schäfern und Jägern? tomá hulík: Nein, in der Slowakei werden heute noch sehr viele Wölfe geschossen. Das Problem ist, dass es weder zur Population noch zur Zahl der Abschüsse seriöse Zahlen oder Untersuchungen gibt. Nach den offiziellen Statistiken der Jäger soll es bei uns um die 2.000 Wölfe, 2.200 Bären und 1.900 Luchse geben. Das wären furchteinflößende Zahlen. Die Jäger setzen sie nur deshalb so hoch an, um eine hohe Abschussquote zu erreichen. Letztes Jahr hat das Landwirtschaftsministerium dementsprechend eine Quote von 130 Wölfen zum Abschuss freigegeben. Sie haben dann trotzdem 150 erschossen. So etwas passiert, wenn die Quote bereits am Donnerstag erfüllt ist, die Jagdsaison aber erst am Montag endet, dann möchten sie natürlich trotzdem alle noch schnell am Wochenende einen Wolf erschießen. Wie hoch würdest du die Population in der Slowakei schätzen? Die offiziellen Zahlen liegen irgendwo zwischen 250 und 400. Das sind die Zahlen die die Slowakei an die EU weitergibt. Es ist wie gesagt schwer zu sagen, aber die Jägerstatistik liegt weit weg. Die geht jedes Jahr exponentiell nach oben, obwohl sie jedes Jahr nur zirka gleich viele Wölfe erlegen. Was sind deine Erfahrungen mit Schäfern? Mittlerweile ist ja auch die Schäferei in unseren Breiten oft eine ziemlich idealistische Sache, gelegentlich sogar ein alternativer Lebensentwurf mit einigem HippieTouch. Sind sie trotzdem mehrheitlich gegen die Rückkehr der Wölfe? Schäfer sehen ihre Schafe oft wie Haustiere. Ich habe mit einem Schäfer gesprochen, der natürlich sehr traurig war, als sein Lieblingsschaf vom Wolf gerissen wur-

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de. Aber dieser Schäfer hat auch gesagt, dass der Wolf ein Teil der Natur ist und dass er damit rechnen muss bzw. einfach schlauer sein muss als der Wolf. Die meisten Schäfer, denen ich begegnet bin, sind aber klar wolffeindlich eingestellt, weil die Wölfe für sie einfach nur Probleme bereiten. Viele der Schaffarmen sind immer noch sehr schlecht gesichert. Die haben zwar mittlerweile oft Hunde, aber die sind nicht auf Wölfe trainiert. Manchmal vielleicht auf Bären, aber gegenüber Wölfen wissen sie gar nicht, wie sie sich verhalten sollen. Einmal haben wir bei einer Herde gefilmt, als die Wölfe sich den Hunden näherten. Die Hunde haben sich einfach abgewendet und die Wölfe zum Fressen quasi eingeladen. So etwas verstehe ich nicht. Warum schließe ich mein Haus ab? Weil ich nicht will, dass mir jemand etwas wegnimmt! Gibt es für die Schäfer gar keinen Grund, vor Wölfen Angst zu haben? Für mich stellt sich die Frage nicht. Wölfe sind so scheu, dass sie eigentlich immer davonlaufen, wenn sie den Menschen riechen. Ich bin sehr oft in der Wildnis und habe den Wolf nur einmal gesehen. Ich war oft sehr nahe, wir folgen jeden Winter ihren Spuren, aber zu sehen sind sie kaum. Wir haben einmal bei einem frisch erlegten Reh eine Fotofalle installiert und 45 Minuten nach uns waren die Wölfe da. Also selbst, wenn sie sehr nahe sind, siehst du sie kaum. Wie schaffen es dann die Jäger jedes Jahr, in kurzer Zeit so viele zu erlegen? Sie jagen in großen Gruppen. Wenn du weißt, wo die Wölfe sind, dann kannst du sie als Gruppe in die Enge treiben und erschießen. Manchmal frage ich mich zwar trotzdem, wie sie so viele Tiere erschießen können. Aber sie haben ja auch andere Ziele als wir. Wenn Jäger sehr hoch sitzen, können sie die Wölfe mit ihren teuren Waffen auf viele hundert Meter erlegen. Das bringt einem Filmer natürlich nichts. Wenn ein Wolf irgendwo von links nach rechts geht, ist das genau ein Bild für einen Film, aber keine Story. Grundsätzlich betrachten sich Jäger oft als notwendiges Glied im Naturschutz, als diejenigen, die in den von der Zivilisation aus dem Gleichgewicht geratenen Wäldern wieder ein Ausgleich schaffen. Setzen sie andere Maßstäbe an, wenn es um den Wolf geht? Mit den Jägern und dem Naturschutz ist das so eine Sache. Das größte Problem mit dem Abschüssen ist, dass die Jäger oft ganze Rudel erschießen oder auf die mächtigen Trophäen aus sind, also die Alpha-Wölfe schießen.

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Dann bleiben die jungen Wölfe in einem total zerstörten Sozialgefüge zurück. Diese Wölfe sind in den Rudelverhaltensweisen unsicher. Das sind dann oft auch die Wölfe, die auf Schaf-Farmen Probleme machen. Dann wiederum füttern Jäger zum Beispiel das Wild im Winter und es fühlt sich für sie an, als ob sie sich wirklich um die Natur kümmern, aber meiner Meinung nach verursachen sie damit auch wieder Probleme. Denn dann kommen die Bären wiederum nicht zur Winterruhe, weil das Nahrungsangebot nie endet. Bei minus 20 Grad hatten wir dann bei einer Untersuchung vier große Bären außerhalb ihrer Quartiere. Wie werden Wolfs-Dokumentationen gedreht, wenn sie derart schwer vor die Linse zu bekommen sind? Alle Filme, die du gesehen hast, wurden mit Wölfen aus Ungarn gefilmt. Das ist Naturfilmer-Know-how und ich werde es dir nicht im Detail sagen, aber es gibt einen Typen in Ungarn, der Wölfe aller Arten hat und mit denen man dann einen ganzen Film drehen kann. Die einzigen Wölfe, die man in unserer Gegend besser filmen kann, sind die in Tschernobyl. Es gibt eine Doku über diese Tiere, die heißt »Radioactive Wolves«. Das war nicht ganz so schwer, weil die keine Menschen zu Gesicht bekommen und etwas weniger ängstlich sind. Was braucht es, damit Wölfe in Europa wieder heimisch werden können? Es braucht einen Mentalitätswechsel der Menschen. Vor allem in den Hirnen der Jäger. Es ist keine Lösung für die Probleme der Natur, alles zu erschießen, was sich bewegt. Europa ist dicht bevölkert, aber wenn es an bestimmten Orten Probleme mit dem Wolf geben sollte, dann sollte man die erstmal wissenschaftlich angehen, anstatt alle Wölfe über den Haufen zu schießen. Die Karpaten sind das Kerngebiet des europäischen Wolfs. Von dort kommen sie über Korridore wie das Marchfeld auch nach Österreich. Zurzeit wird aber eine größere Ausbreitung von unseren Jägern von vornherein verhindert.

Tomá Hulík mit Biberdame Rachel: Der Naturfilmer und Biologe erkundet die Natur und ihre Bewohner hautnah.

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»Willkommen Wolf« In der relativen Ruhe des Truppenübungsplatzes Oberlausitz wurden vor 13 Jahren zum ersten Mal seit ihrer Ausrottung wieder freilebende Wölfe in Deutschland geboren. Der Naturschutzbund (nabu) begann früh, die Rückkehr der Wölfe zu begleiten. Seit drei Jahren geschieht das nun im Rahmen der Initiative »Willkommen Wolf«. Zwischen 1945 und den späten 1990ern versuchten Wölfe immer wieder, in Deutschland sesshaft zu werden. Sie alle fielen Abschüssen oder dem Verkehr zum Opfer. Willkommen Wolf begann daher mit Sendehalsbändern, Fotofallen und Spurensuchern die Möglichkeiten eines Zusammenlebens von Mensch und Wolf systematisch zu erforschen. Bald stellte sich heraus, dass der Wolf durch seine Anpassungsfähigkeit sehr gut in Nachbarschaft zum Menschen leben kann, so fern ihm geeignete Rückzugsräume zur Verfügung stehen. In den Schweizer Alpen konnte sich der Wolf in den letzten Jahren deutlich schlechter als in den italienischen oder französischen Alpen festsetzen. Sein Vorkommen wird derzeit auf nicht viel mehr als 20 Einzelgänger geschätzt. Erst 2012 scheiterte die Schweiz in Straßburg mit dem Versuch, die Berner Konvention zum Schutz der Wölfe zu lockern. Die Boulevardzeitung »Blick« berichtet regelmäßig von Wölfen, die Walliser Dörfer terrorisieren. Zahlreiche Initiativen durch wwf, Pro Natura, CHWolf oder die Gruppe Wolf Schweiz konnten diese Widerstände bislang nicht überwinden. In Österreich gibt es heute ebenfalls einige Initiativen, die sich mit dem Wolf beschäftigen. Von einem Weg zum einheitlichen Management, wie ihn Willkommen Wolf eingeschlagen hat, ist man aber noch weit entfernt. Das Wolf Science Center (wsc) im niederösterreichischen Ernstbrunn erforscht Gemeinsamkeiten zwischen domestizierten Wölfen und Hunden. Die Rolle des deutschen nabu als Naturschutzorganisation beim Erarbeiten von Leitfäden zum Wolfmanagement übernimmt in Österreich hauptsächlich der wwf. Seit 1997 geschieht das in der länderübergreifenden Koordinierungsstelle für den Braunbären, Luchs und Wolf (kost). Außer dem wwf sind in diesem Gremium Vertreter des Umweltministeriums, der Landwirtschaftskammer, der Jagdrechts- und Naturschutzabteilungen der Länder, der Zentralstelle der Landesjagdverbände, der Land- und Forstbetriebe Österreich, sowie die Bärenanwälte bzw. Wolfsbeauftragten der Länder beteiligt. Dass es noch kein wirklich einheitliches Management gibt, liegt wohl auch daran, dass weder Bär noch Wolf bislang wirklich Fuß in Österreich gefasst haben. Sobald sich die ersten Rudel dauerhaft in Revieren einleben, wird sich herausstellen, ob die Interessenkonflikte überwiegen oder ob sich auch in Österreich Initiativen wie Willkommen Wolf organisieren und sich den Rückkehren annehmen, um sie vor ihrem eigenen Mythos in Schutz zu nehmen.

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Die Welt, die wir uns wünschen

34 Die Natur braucht keine Jäger der europäische gerichtshof verkündete kürzlich in einem mit spannung erwarteten urteil, dass die zwangsmitgliedschaft von grundstücksbesitzern in jagdgenossenschaften gegen die menschenrechte verstösst. — Eigentum verpflichtet, auch zum Töten: nämlich von Tieren, wenn es sich bei dem Besitz um ein ausgewiesenes Eigenjagdrevier handelt. Wer über ein solches Grundstück verfügt, ist laut gültigem Recht verpflichtet, für regelmäßige Jagden darauf zu sorgen. Der Urteilsspruch betraf nun die Beschwerde eines solchen Grundstückseigentümers darüber, dass er die Jagd auf seinem Land dulden muss, ob-

die welt, die wir uns wünschen von Wolfgang Smejkal

wohl er sie aus ethischen Gründen ablehnt. Der Gerichtshof für Menschenrechte befand, dass diese Verpflichtung jenen Grundstücksbesitzern, die die Jagd ablehnen, eine unverhältnismäßige Belastung auferlegt. Somit sind alle im Urteil berücksichtigten Aspekte künftig in die rechtliche Würdigung ähnlicher Beschwerden EU-weit einzubeziehen. Für die deutsche Initiative Zwangsbejagung-ade ist damit nach fünfjähriger Prozessdauer ein wichtiges Etappenziel erreicht und die angestrebte Zerschlagung von Jagdgenossenschaften in greifbare Nähe gerückt. Der von der Vereinigung beauftragte Bürger-Anwalt Dominik Storr ist überzeugt, dass das System der gemeinschaftlichen Jagdreviere nicht mehr länger haltbar ist und rät allen Betroffenen, bei der zuständigen Jagdbehörde die Befreiung vom Zwang der Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft zu beantragen, damit auf ihrem Grundstück nicht mehr gejagt werden darf.

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Glaubt man den eindringlichen Argumenten der Jägerschaft, wäre Österreich ebenso wie Deutschland ohne Jagd dem Untergang geweiht: Jäger retten den Wald vor Rehen und Hirschen. Jäger retten die Landwirtschaft vor der Verwüstung durch Wildschweinhorden. Jäger schützen die Bevölkerung vor Seuchen: vor Fuchsbandwurm, Tollwut, Räude und Staupe. Ohne Jäger würden die Wildtiere überhand nehmen – schließlich gibt es keine großen Raubtiere mehr. Die Mär vom Jäger als Naturschützer ist aber längst widerlegt. Wissenschaftliche Studien belegen die Selbsterhaltungsfähigkeit der Natur, deren Tierbestand sich in unbejagten Gebieten ebenfalls selbst reguliert – und die Jagd somit überflüssig, ja in manchen Fällen sogar kontraproduktiv macht: Obwohl in Deutschland so viele Wildschweine geschossen werden wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen in den 30er Jahren, steigt ihre Anzahl immer weiter. Denn so paradox es klingen mag: Je mehr Jagd auf Wildschweine gemacht wird, umso stärker vermehren sie sich. Eine Langzeitstudie kommt zu dem Ergebnis: Starke Bejagung führt zu einer deutlich höheren Fortpflanzung und stimuliert die Fruchtbarkeit bei Wildschweinen. Jagd provoziert vielfach erst sogenannte Wildschäden und den »Verbiss« im Wald. Rehe sind von ihrer Natur her Bewohner von Wiesen und Waldrand. Die Jagd treibt die Tiere in den Wald hinein, wo sie dann keine für sie lebenswichtigen Gräser und Kräuter finden und ihnen nichts anderes bleibt, als an Knospen zu knabbern. Zudem werden die Tiere durch die Jagd unnötig aufgescheucht, was ihren Nahrungsbedarf und damit die Fraßschäden oft weiter erhöht. Die Jagd auf Füchse versucht die Jägerschaft gegenüber der Öffentlichkeit mit zwei Argumenten zu rechtfertigen: dem Schutz der Bevölkerung vor Tollwut und Fuchsbandwurm. Der Haken daran: Deutschland und Österreich gelten seit 2008 nach den internationalen Kriterien der Weltorganisation für Tiergesundheit als tollwutfrei. Und seit Jahren weisen Forscher darauf hin, dass die Angst vor dem Fuchsbandwurm übertrieben ist. Auch die Erfahrungen in großen europäischen Nationalparks zeigen: Es geht Natur und Tieren ohne Jagd viel besser.

Jagdfrei in den Niederlanden Bereits seit über einem Jahrzehnt können Hollands Wildtiere aufatmen, denn seit 2002 ist die Jagd dort weitgehend abgeschafft. 1998 wurde das »Flora- und Faunawelt-Gesetz« verabschiedet, ein neues Naturschutzgesetz, das die meisten Tierarten ganzjährig unter Schutz stellt. Wildschweine, Füchse, Marder, nahezu alle Vogelarten und auch Rehe und Hirsche dürfen mit dem Inkrafttreten der neuen Gesetzgebung nicht mehr

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28. September bis 6. Oktober 2013

Jagd bedroht Tierarten europaweit Viele Pflanzen- und Tierarten, die früher selbstverständlich waren, kommen heute nur noch selten vor oder sind vollständig verschwunden. Rund die Hälfte der mitteleuropäischen Arten gilt als gefährdet, die Roten Listen werden von Jahr zu Jahr länger. Aus ihnen geht hervor, dass der Artenschutz in den letzten 30 Jahren weitgehend erfolglos blieb – trotz der ungezählten Anstrengungen von Natur- und Tierschützern. Artenschutzerfolge zeigten sich vor allem dort, wo die Bejagung beendet wurde. Bestes Beispiel dafür ist der Biber: Seine Rückkehr verdankt sich der aktiven Wiederansiedelung und dem Schutz vor Verfolgung. Doch solange selbst in deklarierten Zonen wie den »Europareservaten für Wasservögel« immer noch gejagt werden darf, bleiben die seltenen Arten weiter bedroht und eine ernsthafte wissenschaftliche Beforschung unmöglich. Die Auffassung aber, wonach die Lizenz zum Töten von Wildtieren im Rahmen einer Freizeitbeschäftigung (Jagd) weiterhin ein Rechtsanspruch einiger weniger sein soll, wird auf Dauer einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten können. Die zu erwartenden Veränderungen im Jagdrecht werden auch die Naturschutzgesetze beeinflussen. Die daraus resultierenden, konsequenten Jagdverbote werden uns dabei helfen, Naturzusammenhänge und Naturprozesse besser zu verstehen. www.abschaffung-der-jagd.at www.zwangsbejagung-ade.de

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Ausstellung / symposium progrAmm im rautenstrauch-Joest-museum, Köln Das Festival möchte seine Besucherinnen für Design, Kunst und nachhaltigkeit begeistern. es bietet spannende Workshops, inspirierende Vorträge und weitere interessante Formate, die lust am mitmachen und Querdenken wecken. samstag, 28.september eröffnung & Vernissage der Ausstellung "react" sonntag, 29.september Kunst & protest: irritation, intervention, reaktion montag, 30.september symposium "react - Veränderung durch reaktion" Dienstag, 1.oktober Cluster umweltkommunikation sprache und symbole der nachhaltigkeit mittwoch, 2.oktober themen-tag Creative social Business mit dem ökorAusCH Brutkasten Donnerstag, 3.oktober Cluster sustainable Fashion Freitag, 4.okotber Führung durch die Ausstellung samstag, 5.oktober "satelliten"-tag Die Kölner nachhaltigkeitsszene stellt sich vor! sonntag, 6.oktober Finissage der Ausstellung

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gejagt werden. Selbst das in die Kritik von Tierschützern geratene niederländische Königshaus hat auf seine traditionellen Treibjagden verzichtet. Das Ziel des Floraund Faunagesetzes ist der Erhalt jener Pflanzen- und Tierarten, die in freier Wildbahn vorkommen. Ein zweites Ziel des Gesetzes ist, dass alle wild vorkommenden Pflanzen und Tiere grundsätzlich geschützt werden sollen, nicht nur die seltenen Arten. Das Gesetz erlaubt die Jagd nur noch auf sechs wilde Tierarten: Hase, Fasan, Rebhuhn, Stockente, Kaninchen und Ringeltaube. Pro Tierart ist im Einzelnen festgelegt, wann sie gejagt werden darf. Unter besonderen Umständen (wie z.B. schweren landwirtschaftlichen Schäden) dürfen Tiere, die zu den geschützten Tierarten gehören, getötet oder gefangen werden. Wenn Tiere Schaden verursachen, wird nicht automatisch Zustimmung gegeben, diese auch zu bekämpfen. So können Dachse – eine geschützte Art – mitunter großen Schaden anrichten. In diesem Fall kann der Grundbesitzer beim Faunafonds einen Schadensersatz beantragen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Bauern auch den für sie schädlichen Tieren weiterhin einen Lebensraum gewähren.

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Literatur

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Romanheld Edward schaut so grimmig, weil ihn die Verdauung plagt – es wandelt ihn gerade vom Pflanzen- zum Fleischfresser.

Edward, ein tierischer held Eine Wiederentdeckung: »Edward« erzählt, wie es gewesen sein könnte, als wir Affen zum Menschen wurden – spöttisch, blasphemisch und unglaublich komisch.

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ie Geschichte der Menschwerdung ist eine Geschichte voller Missverständnisse, unfassbar lang und in der gewohnten Maßeinheit eines Menschenlebens schwer begreiflich. Denn den einen Punkt in der Evolution, an dem der Affe zum Menschen wurde, den gibt es nicht. Er wäre willkürlich festgelegt, was wiederum wissenschaftlich unzulässig wäre. Für Anthropologen, wie Roy Lewis (1913–1996) einer war, mag das kein Problem darstellen; für den Durchschnittsmenschen aber durchaus, denn wer außer Wissenschaftern denkt schon in Jahrmillionen. Da der Brite aber nicht nur studierter Anthropologe und Ökonom, sondern auch Afrika-Korrespondent des Economist und der Times war, fiel es ihm leicht, komplexe Zusammenhänge verständlich zu schildern – freilich ohne sein wissenschaftliches Fundament zu verlassen.

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Thomas Weber

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Erli Grünzweil

Wir ” bringen Bio in die Stadt.“

Wie es sicher nicht war, aber doch wie es gewesen sein könnte, das erzählt »What We Did To Father«, sein Familienroman aus dem Pleistozän. Erstmals 1960 erschienen, wurde er nun unter dem deutschen Titel »Edward« zum 100. Geburtstag seines Schöpfers vom Zürcher Unionsverlag zu neuem Leben erweckt. Alles, was uns Menschen ausmacht – die Wandlung vom Pflanzen- zum Allesfresser, vom Gejagten zum geschickten Jäger, die Sesshaftwerdung, erste Versuche der Nutztierhaltung, ein gewandter Umgang mit dem Feuer – all das hat Lewis darin im Zeitraffer verdichtet und in eine mehrere Generationen überblickende UrgeschichteSaga gerafft. Die Sippe um die Menschenaffen Edward und Oswald, Tante Mildred und Onkel Wanja (der reaktionär sein »back to the trees« predigt), Ann, Doreen und wie sie alle heißen, macht alles durch, was uns im Laufe unserer Menschwerdung irgendwann tatsächlich widerfahren ist.

Gerhard Zoubek

Recommended Reading Das liest sich kurzweilig, wunderbar respektlos und klingt doch durchwegs plausibel. Der Roman lebt vom spöttischen Witz und den Kontrasten, die entstehen, wenn – ein gelungener Kunstgriff – sich die Protagonisten ihrer Bedeutung für die Evolution und den menschlichen Fortschritt bewusst sind und all das aus der Gegenwart der 50er Jahre durch die Brille eines weitsichtigen Ökonomen reflektiert wird. Edward hat zwar keine Ahnung, in welcher Phase des Pleistozäns er lebt, weiß aber doch, was ihn weiterbringt und »dass das Erfolgsgeheimnis der modernen Industrie in der intelligenten Nutzung von Nebenprodukten liegt«. Oder dass Copyrights die Evolution und den Fortschritt verhindert hätten. Solch bewussten Stilbrüchen zum Trotz bleibt Lewis bildhaft gebrochene Urgeschichtsromantik immer schlüssig. Etwa, wenn Edward schwelgt: »Sie schaute mich fragend aus großen, braunen Augen an, die sanft schimmerten wie Teiche, unter deren Oberfläche Krokodile lauern.« Immerhin: Er hat überlebt und auch heute noch prominente Fürsprecher. Fantasy-Autor Terry Pratchett sah in dem Roman gar »das witzigste Buch der letzten 500.000 Jahre«. So hat es »Edward« nicht nur zu einiger Popularität geschafft, sondern, zumindest in Großbritannien, auch auf die Leselisten für angehende Anthropologen. Roy Lewis’ Roman »Edward. Wie ich zum Menschen wurde« wird im Unionsverlag wiederaufgelegt.

ADAMAH BioHof-Fest 7. und 8. September 2013 Frisch von unseren Feldern liefern wir Bio Gemüse und eine Vielfalt von Bio Produkten im ADAMAH BioKistl direkt zu Dir nach Hause, ins Büro und auf die Bauernmärkte in Wien und Umgebung. Besuch‘ uns am BioHof-Fest in Glinzendorf und lerne uns kennen. Wir freuen uns auf Dich! Frische Infos unter 02248 2224 // www.adamah.at

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Das bin ich.

Das bin ich. 26_018-039.indd 37

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Bio in Osteuropa

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Eine Region holt auf Während der nationale Konsum in den meisten osteuropäischen Ländern erst im Anlaufen ist, haben sich Länder wie Rumänien und Ungarn zu Exportmeistern biologischer Erzeugnisse entwickelt.

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n Österreich verbindet man biologische Landwirtschaft nicht unbedingt mit Osteuropa, ist doch Österreich Biovorreiter in der EU: 20 % der Anbauflächen werden biologisch bewirtschaftet. Die Biolandwirtschaft in Osteuropa ist jedoch auf dem Vormarsch, und so sind auch viele Bioprodukte in heimischen Supermärkten aus Osteuropa importiert, um die hohe Nachfrage zu decken. Es ist nicht möglich, von Osteuropa als einem einheitlichen Markt zu sprechen, gibt es doch große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. Nach Marktöffnungen und dem Beitritt zur EU hat sich die biologische Landwirtschaft in Osteuropa unterschiedlich entwickelt. So befinden sich Tschechien und Estland neben Österreich und Schweden im europäischen Spitzenfeld mit einem Anteil von mehr als 10 % biologisch bewirtschafteter Anbaufläche. Während Polen und Ungarn mit 3–4 % noch in der Nähe des EU-Durchschnitts von 5,6 % liegen, weist Rumänien nur einen Anteil von 1,3 % auf.

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Exportschlager: Bio Produktion bedeutet aber nicht automatisch Konsum: Viele osteuropäische Länder, in denen der biologische Landbau stark gestiegen ist, produzieren für den Export und nicht notwendigerweise für den lokalen Markt. So werden in Rumänien und Ungarn 80–95 % der Bioerzeugnisse exportiert, nach Deutschland, Österreich, die Schweiz, und im Fall von Rumänien auch nach Italien und die Niederlande. Rumänien hat sich sehr stark auf Bioexportgüter wie Getreide, Hülsenfrüchte und Ölsaaten spezialisiert. Dementsprechend steht biologische Landwirtschaft nicht notwendigerweise auch für eine kleinteilige Landwirtschaft: Während der rumänische landwirtschaftliche Durchschnittsbetrieb 3,4 Hektar zählt, liegt die durchschnittliche Größe von Biobetrieben bei 60 Hektar. Die meisten Betriebe finden sich jedoch nicht in dem Durchschnittwert: 40 % der biologischen Anbaufläche werden von Betrieben mit 100

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bis zu mehreren Tausend Hektar bewirtschaftet. Die Produktion für den Export bedeutet aber auch, dass Standards und Kontrollen implementiert werden, und Zertifizierungen Sicherheit geben, so dass die Produkte auch im Ausland bestehen.

biologische Landbau seit Anfang der 90 er Jahre intensiv von staatlicher Seite gefördert wird. Das staatliche Ziel von 10 % Biolandbau bis 2010 wurde erreicht, und bis 2015 wird nun ein Anteil von 15 % angestrebt.

Heimische Nachfrage

Bei der Distribution von Bioprodukten an Konsumenten stellt sich vor allem die Frage, wie leicht es ist, frische Bioprodukte zu bekommen. Je höher die Nachfrage, desto eher finden sich Produkte in Supermärkten, also in Orten, in denen Konsumenten normalerweise einkaufen, was in der Folge den Konsum weiter ankurbelt – der Griff zu Bio wird leichter gemacht. Während in Rumänien und Ungarn noch fast keine lokalen, unverarbeiteten Bioprodukte in Supermärkten zu finden sind, sind Supermärkte in Tschechien der wichtigste Distributionskanal und machen Biolebensmittel so einer großen Öffentlichkeit zugänglich. 50 % des Absatzes müssen noch über Importe gedeckt werden, da es noch zu wenig lokale Produktion und Verarbeitung gibt. Diese sollen nun bis 2015 gestärkt werden, um so den Biolebensmittelverbrauch zu verdreifachen und 60 % des Angebots lokal zu decken. Vor allem in Ländern wie Rumänien, Polen und Ungarn, in denen der lokale Markt noch nicht stark entwickelt ist, können Bioprodukte vor allem in Reformläden und über Direktvermarktung ab Hof oder auf Biomärkten gekauft werden. Hauptbarriere für den Biokonsum sind die zum Teil sehr hohen Preise bei relativ niedriger Kaufkraft. Das Biobewusstsein der Konsumenten ist jedoch dabei, sich zu entwickeln. Die typischen Biokonsumenten leben in der Stadt, sind eher jünger, mit hoher Bildung und hohem Einkommen, und vor allem weiblich. Auch Familien mit Kindern bekommen immer mehr Interesse an biologisch angebauten Produkten. Bei den Motiven überwiegt ganz klar die Gesundheit: Biologische Lebensmittel werden als nahrhafter und gesünder wahrgenommen. Darüber hinaus zählen für viele Konsumenten der bessere Geschmack und der Verzicht auf Pestizide und andere potenziell gefährliche Stoffe. Während Umweltschutzbedenken in vielen westeuropäischen Ländern ein wichtiges Motiv für den Konsum von Bioprodukten sind, spielen sie in Osteuropa nur eine untergeordnete Rolle, die meisten Konsumenten verbinden Landwirtschaft nicht mit Umweltproblemen. Viele gesundheitsbewusste Konsumenten geben Reformhäusern den Vorzug, und man kann annehmen, dass sie nicht dasselbe Vertrauen in eine Supermarktkette wie zu einem spezialisierten Naturladen oder Bauern beim Ab-Hof-Verkauf haben.

Als Faktoren, die das Entstehen und das Wachstum eines lokalen Marktes für Bioprodukte fördern, haben sich Intensität der staatlichen Unterstützung und Subventionen, Distributionskanäle für Bioprodukte, und ökologisches Bewusstsein und aktive Nachfrage von Konsumenten herauskristallisiert. Es sind also vor allem wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen, die bestimmen, ob und wie stark sich die biologische Landwirtschaft entwickelt. Die Tschechische Republik weist momentan mit 10,6 % die größte anteilige Bioanbaufläche in Osteuropa auf. Der Marktanteil von Biolebensmitteln am Lebensmittelgesamtmarkt liegt bei 0,7 %. Zum Vergleich: In Österreich liegt der Anteil bei 5 %, der höchste innerhalb der EU. Tschechien ist somit Vorreiter in Osteuropa. Ein Hauptgrund für die starke Entwicklung ist, dass der

Biokonsum: Je höher die Nachfrage, desto eher finden sich Produkte in Supermärkten, also an Orten, an denen Konsumenten normalerweise einkaufen.

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Sarah Stamatiou

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Cosul de Legume

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Verfügbarkeit und Kaufkraft

All diese Umstände haben auch Matei Dumitrescu und seine Kollegen zu ihrem Biokistl Cosul de Legume in Bukarest inspiriert. Dieses bietet wöchentlich frisches Obst und Gemüse von Kulturpflanzen an zentralen Knotenpunkten Bukarests zur Abholung an.

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Bio in Osteuropa

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Sarah Stamatiou

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Cosul de Legume

Biokistl auf Rumänisch Wie Cosul de Legume gesunde Ernährung und biologische Landwirtschaft in einem innovativen Geschäftskonzept vereint und damit Bukarest erobert.

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ie Auseinandersetzung mit gesunder und ökologisch nachhaltiger Ernährung hat nicht notwendigerweise für jeden höchste Priorität. Sobald Kinder da sind, kann sich dies jedoch schlagartig ändern, und es stellt sich die Frage, wo denn das Essen auf dem Teller eigentlich herkommt, wie es angebaut wurde und wie nahrhaft es wirklich ist. So ging es auch Matei Dumitrescu und seiner Frau, als sie Eltern wurden. Gemeinsam mit einem befreundeten Pärchen wurden sie selbst aktiv und gründeten mit Cosul de Legume Bukarests erfolgreichstes Biokistl, das biologische Landwirtschaft, die Verwendung alter Kulturpflanzen und Bildung zum Thema Ernährung in einem innovativen Geschäftsmodell vereint. biorama: Wie ist Cosul de Legume entstanden? matei dumitrescu: Wir sind zwei Jungfamilien und kennen uns schon seit vielen Jahren. Wir kommen aus unterschiedlichen beruflichen Richtungen: von IT, über Psychologie und Architektur bis hin zu Volkswirtschaft. Als wir Eltern wurden, haben wir begonnen, uns für gesunde Ernährung für unsere Kinder und uns zu interessieren. Unsere Werte und Prinzipien hinsichtlich der Ernährung unserer Familien haben uns schnell zur biologischen Landwirtschaft gebracht. Andrei baut schon seit 2009 Kräuter an. Hinzu kommt, dass er, Alexandra,

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Sabina und ich, alle an innovativen Geschäftsmodellen und Unternehmertum interessiert sind. Nach vielen Gesprächen haben wir uns auf ein Konzept geeinigt und 2011 Cosul de Legume gegründet. Wie produziert Cosul de Legume? Unter dem Konzept »beyond organic« haben wir uns dem Anbau und Vertrieb von biologisch angebautem Gemüse verschrieben, welches ohne Pestizide oder chemische Dünger auskommt und so einen maximalen Nährwert erzielt. Die Landwirtschaft in Rumänien ist nicht so entwickelt wie in Westeuropa. Hier gibt es entweder riesige Bauern, die auf zehntausenden Hektar Fläche anbauen, oder es gibt ganz kleine Bauern mit nur ein bis zwei Hektar Land. Wir befinden uns da irgendwo in der Mitte. Wir sind kein biologischer Industriebetrieb, in dem nur die produktivsten Hybridsamen verwendet werden, für Gemüse, das dann monatelang gelagert und durch ganz Europa transportiert wird. Für unsere Produktion verwenden wir fast ausschließlich Samen von Kulturpflanzen. Diese liefern nicht nur einen besseren Geschmack: Gemüsesorten, die seit Jahrzehnten, manchmal sogar Jahrhunderten in Rumänien angebaut werden, sind auch eine nährstoffreichere Alternative zu modernen Hybridsorten. Zusätzlich bauen wir nur auf dem offenen Feld an, um noch mehr Nährstoffe und Geschmack zu erhalten. Das bedeutet aber natürlich

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A City Full of Design

auch, dass unser Gemüse klein und hässlich sein kann und nicht länger als drei Tage im Kühlschrank hält – eine Herausforderung für den Transport. Wie funktioniert euer Vertriebskonzept? Wir produzieren 50 Gemüsesorten sozusagen vom Feld direkt auf den Tisch. Wir liefern unser Gemüse in Warenkörben wöchentlich über Vertriebspartner an Endkonsumenten, entweder nach individueller Bestellung oder über ein Abonnement. Wir liefern die Gemüsekörbe an zentrale Knotenpunkte in Bukarest, zum Beispiel an Kindergärten, kleine Familienrestaurants, ein Gemeinschaftsbüro für nachhaltiges Unternehmertum usw. Die Endkonsumenten, die diese Orte sowieso frequentieren, können sich dann ganz praktisch ihren Gemüsekorb abholen. Was sind die Überlegungen hinter eurem Vertriebskonzept? Verschiedene Nischenprodukte und Leistungen für Kunden an einem Ort zu vereinen, erschien uns als interessante Geschäftsmöglichkeit. Daher arbeiten wir mit anderen Organisationen und Firmen zusammen, die als Vertriebspartner fungieren und ähnliche Kunden wie wir ansprechen. Wir erzielen damit tolle Ergebnisse: So bringen wir Vertriebspartnern neue Kunden, wenn Leute kommen, um ihren Korb zu holen; und wir profitieren von den bestehenden Kunden des Vertriebspartners, die auf uns aufmerksam werden und Gemüse bestellen. Nehmen wir zum Beispiel einen Kindergarten: Wenn sich die Leitung des Kindergartens dazu entscheidet, Distributionspartner zu werden, haben wir mit den Eltern der Kinder mit einem Schlag Zugang zu 50 potenziellen Kunden. Wir helfen dem Kindergarten auch, selbst im Garten Gemüse anzubauen und machen Workshops mit den Kindern, in denen sie über Gemüse und biologischen Anbau lernen. Der Kindergarten kann aber auch Gemüse von uns beziehen. Die Partnerschaft wirkt sich insgesamt positiv auf das Image des Kindergartens aus und es für alle Beteiligten wird Wert geschaffen. Was sind eure nächsten Ziele? Wir wollen der führende Online-Händler für biologisches Gemüse in Bukarest werden. Darüber hinaus möchten wir verschiedenste Produzenten biologischer Lebensmittel in der Region zu einer Marke bündeln: von Milchproduzenten in den Karpaten über Früchte und Beeren aus Moldawien bis zu Entenzüchtern aus dem Donaudelta. Wir möchten unser Sortiment um verarbeitetes Gemüse und Obst, vielleicht sogar biologisches Fleisch und Milchprodukte erweitern und so den Markt für biologische Lebensmittel in Rumänien weiter aufbauen. Wir machen schon Workshops und Seminare zu gesunder Ernährung und biologischer und nachhaltiger Landwirtschaft und wollen diese Informationen so vielen Menschen wie möglich näher bringen und auch weiter an gesunder Ernährung, vor allem für Kinder, arbeiten. www.cosuldelegume.ro

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Von der Idee zum Produkt

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NeoÖkologie im Alu-Mantel D

Die Idee: Selfness. Das Produkt: ein Bio-Getränk. All I Need-Gründer Thomas Miksits und Alexander Jiresch auf gemeinsamer Mission.

Ein Lifestyle-Getränk aus der Dose – und das soll die Welt verbessern? Das Porträt eines Getränks mit Charakter.

Jeder Mensch sollte sich die Frage stellen, was er im Leben braucht und was nicht. Alexander Jiresch

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ie Gründer von All I Need, Alexander Jiresch und Thomas Miksits, wirken grundverschieden und haben doch viel gemeinsam. Alexander sieht aus wie ein vielgereister Yoga-Lehrer und strahlt eine unglaubliche Ruhe aus, in Thomas hingegen sieht man sofort den aktiven, permanent optimierenden Geschäftsmann. Die beiden haben sich beim Kellnern kennengelernt und in ihrem Bezug zur Bio- und Nachhaltigkeits-Bewegung einen gemeinsamen Nenner gefunden: Der Anspruch, die Welt besser zu machen und die Suche nach einem idealen Bio-Getränk haben schließlich zur beruflichen Mission geführt. »Früher haben wir eben Bionade oder Höllinger Apfelsaft getrunken, natürlich auch viel Wasser oder Soda-Zitrone. Das ist ja alles ganz nett, hat uns aber nicht überzeugt. Deswegen wollten wir ja etwas Eigenes

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Doris Fröhlich

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All I Need

machen.« Durch eigene Eindrücke von Reisen haben die Gründer Spezialitäten wie frischen Sencha-Tee aus China oder Acaí aus Brasilien kennen und schätzen gelernt. Aus den besten Zutaten wollten sie eine überzeugende Mischung komponieren.

Globaler Ansatz statt kleinkarierten Bio-Gedankens Das Beste vom Besten zu kombinieren klingt gut, aber warum Açaí-Beeren aus Brasilien, Agavensaft aus Mexiko und Sencha-Tee aus China herankarren, wenn es doch in Österreich köstlichen Apfelsaft gibt? »Österreich als eine Insel der Seligen mit einem weiteren regionalen Bio-Produkt auszustatten reicht nicht. Wir glauben, dass lokal und bio schön sind, aber nicht als ganzheitliches Zukunftskonzept funktionieren«, sind Alexander und Thomas überzeugt. Der kleinkarierte Bio-Gedanke soll einem globalen Ansatz weichen. Bio-Landwirtschaft hätte die Förderung in anderen Ländern viel nötiger als in Österreich. Ein internationales Unternehmen kann kleine Produzenten und Händler auf der ganzen Welt unterstützen und somit soziale Verantwortung übernehmen. Unterm Strich ist der Containerschifftransport auch das CO2-freundlichste Transportmittel – viele Berechnungen belegen das, es kommt im Vergleich aber immer auf die zurückgelegten Distanzen an. Schließlich kommt man zur Gretchenfrage: Warum die Dose? Die Aluminium-Dose hat in der Bio-Szene ein zweifelhaftes Image und wird nicht gerade mit ressourcenschonendem Handeln assoziiert. Die perfekte Verpackung wäre keine Verpackung – da stößt man spätestens bei Getränken aber an die Machbarkeitsgrenze. »Eine ideale Lösung gibt es hier nicht. All I Need gibt es auch in der Mehrweg-Glasflasche, aber das ist – gerade bei langen Transportwegen – aufgrund ihres Eigengewichts, der unhandlicheren Größe und wegen der Notwendigkeit des Rücktransports auch nicht optimal«, meint Thomas Miksits. Welche Verpackung die umweltfreundlichste ist, hängt von vielen Faktoren ab und ist noch nicht vollständig erforscht, auch Erfahrungswerte mit Umlaufzahlen fehlen. Auch die Wiederverwertung spielt eine große Rolle. Die All I Need-Dose wird aus 80 Prozent Recycling-Aluminium hergestellt. Der Rohstoff kann fast vollständig wiederverwertet werden und ist im Müll leicht zu trennen. Dazu kommt die ideale Schutzfunktion der Inhaltsstoffe vor Lichteinfluss. Das Verpackungsdilemma ist komplex – All I Need bietet je nach den individuellen Ansprüchen der Partner Dosen und Mehrwegflaschen an. Denn schließlich ist man auch an den Willen des Kunden gebunden, resümieren die Geschäftsführer: »Viele Menschen sprechen sich für Mehrwegflaschen aus, kaufen diese aber dann doch nicht. Man kann nichts anbieten, was sich nicht

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Von der Idee zum Produkt

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Junghahnmast

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Gelungene Symbiose: Junghahn und Jungbauer Das traurige Schicksal der männlichen Eintagsküken ist für aufgeklärte Konsumenten kein Geheimnis mehr. Ein experimentierfreudiger Biobauer in Finnland löst das Problem auf seine eigene Weise.

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in Kochrezept. Eine der Hauptzutaten: ein Hähnchen, küchenfertig. Hähnchen? Früher, zur Zeit unserer bäuerlichen Vorfahren, waren die Brathähnchen wirklich noch Hähne. Denn die Hennen blieben zur Vermehrung, also zum Legen und Bebrüten von Eiern, auf dem Hof. Die überzähligen Hähne wanderten gut ausgemästet in den Kochtopf oder auf den Bratspieß. Die vielfältigen Hühnerrassen von damals legten Eier und setzten Fleisch an. Das änderte sich in den Anfängen des 19. Jahrhunderts mit der Trennung von Lege- und Mastrassen. Von nun an wurden Legerassen auf Legeleistung und Mastrassen auf schnellen und starken Fleischansatz gezüchtet. Bis heute gilt: Je mehr Eier ein Huhn der Legerassen legt, desto weniger Fleisch setzt es an. Nun aber legt eine Henne Eier, und aus diesen schlüpfen zu gleichen Teilen weibliche und männliche Küken. Was tun also mit den männlichen, die später weder für Eier noch für den Kochtopf interessant und daher aus menschlichem Blickwinkel keine Nutztiere mehr sind? Der Mensch entschied sich dafür, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen – das männliche Eintagsküken war geboren. Egal ob biologische oder konventionelle Legehuhnhaltung, die männlichen Küken wurden und werden an ihrem ersten Lebenstag getötet – heute etwa jährlich 335 Millionen Tiere allein in Europa.

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Im Zeichen des Hahns Seit mehreren Jahren schon möchten Biobauern und Tierschützer das Töten stoppen. Drei Wege sind denkbar und werden bereits beschritten. Projekte zum Zuchtversuch von Hühnerrassen, die sowohl Eier als auch Fleisch produzieren, gibt es heute wieder vereinzelt in Österreich, der Schweiz und Deutschland. Die vorsorgliche Geschlechterbestimmung der Hühner im Ei ist ein zweiter Lösungsansatz, der allerdings noch im Forschungsstadium steckt. Beispiele für die dritte Alternative, die Aufzucht männlicher Legehühner – entweder, indem die teureren Eier der Hennen das Überleben der Hähne subventionieren oder, indem neben der Eierproduktion auch Junghahnmast betrieben wird – sind die Bruderhahn Initiative Deutschland oder Toni Hubmanns Initiative Henne & Hahn. Vor rund einem Jahr ist in Finnland noch ein Projekt dazugekommen: Philipp Mayer, ein dorthin ausgewanderter junger Österreicher, hat sich ebenfalls der Junghahnmast verschrieben. Die Idee der Zucht von Zweinutzungsrassen findet der studierte Agrarier allerdings am spannendsten: »Eine Zweinutzungsrasse wäre im Einklang mit der Idee des Biolandbaus, in dem das Tierwohl und nicht die Leistung der Tiere im Vordergrund steht.« Die Struktur des landwirtschaftlichen Betriebes der Schwiegereltern in Finnland, seine Erfahrungen

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Christa Grünberg

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Philipp Mayer

mit biobäuerlichen Experimenten als Thema seiner Masterarbeit und der Wunsch, innovativ zur Weiterentwicklung der Bio-Idee beizutragen, beeinflussten Philipp maßgeblich. Mit der Aussicht, den Hof ab 2015 übernehmen zu können, starteten Philipp und seine Frau Niina im Vorjahr die ökologisch basierte Aufzucht und Mast von zunächst 450 Junghähnen. Damit waren sie – laut Aufzeichnungen der finnischen Lebensmittelbehörde Evira – alleine auf weiter Flur, was für Philipp weiterer Ansporn ist: »Daraus ergibt sich für uns eine durchaus vorteilhafte Situation, da einer immer weiter steigenden Nachfrage nach Bio-Hühnerfleisch ein nur sehr geringes Angebot gegenübersteht.« Denn der Jungbauer verschließt trotz seines Ideals von einer nachhaltigen Landwirtschaft unter Gesichtspunkten, die von biologisch und saisonal über lokal bis hin zu ethisch und sozial reichen, nicht die Augen vor Wirtschaftlichkeit und Rentabilitätsgedanken. »Wir wollten beweisen, dass es möglich ist, eine wirtschaftlich tragfähige und

ganzheitlich nachhaltige Produktion mit Einsatz geringer finanzieller Mittel auf die Beine zu stellen, um nicht in die berüchtigte Schuldenfalle zu tappen und dadurch unsere Flexibilität und Kreativität im Umgang mit der Landwirtschaft einzubüßen.«

Bummelfahrt Hühnertraktor Heute, ein Jahr später, ist für Philipp der Beweis gelungen. Die Investitionen sind abgegolten und das erzielte Zusatzeinkommen ist zufriedenstellend: »Möglich war das vor allem durch den saisonalen Charakter unserer Bio-Junghahnmast und die damit einhergehenden weidebasierten Haltungsbedingungen, die täglichen Auslauf mit frischem Grünfutter garantieren.« Das Herzstück dieses Haltungssystems ist der Nachbau des berühmten »chicken tractor« der ebenso berühmten Polyface Farm von Joel Salatin in Virginia, usa. Eine Dokumentation über diesen außergewöhnlichen Farmer – bekannt aus dem Film »Food Inc.« – und seine mobilen Hühnerställe, die täglich über die Weide bewegt werden, hatten den Ausschlag für Philipps Hühnertraktor gegeben. Der selbst gebaute, rund 12 Quadratmeter große Hühnerstall für rund 60 Hähne kommt nicht teuer und bietet laut Philipp einige Vorteile: „Man kann ihn in ein bestehendes Weidesystem integrieren und die Flächen mehrfach nutzen. Die tägliche Aufnahme von Grünfutter hat gesundheitliche Vorzüge für das Tier und durch

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Junghahnmast

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Der immer weiter steigenden Nachfrage nach Bio-Hühnerfleisch steht ein nur sehr Philipp Mayer geringes Angebot gegenüber.

Neo-Finne und Jungbauer Philipp Mayer (in der Mitte) hat eine wirtschaftlich tragfähige und ganzheitlich-nachhaltige Produktion mit Einsatz geringer finanzieller Mittel auf die Beine gestellt.

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das vorteilhafte Fettsäurenmuster des Hühnerfleisches auch für den Menschen. Die Haltungsumwelt der Tiere ist belastungsfrei und der Hühnerstall mit Dach schützt weitgehend vor Räubern.« Philipp evaluiert und adaptiert das JunghahnmastProjekt laufend. Aus 450 wurden heuer im Mai bereits 1.050 männliche Küken, die von einem nahegelegenen Bio-Legehennen-Betrieb bezogen wurden. Die ersten drei bis vier Wochen verbrachten die Küken in einem 120 Quadratmeter großen, durchlüfteten Folientunnel. Als sie dem Kindergartenalter entwachsen waren, begann der Großteil im Hühnertraktor die Bummelfahrt über die 1,5 Hektar große Kuhweide. Die restlichen 300 Hähne tummeln sich dagegen in einem neu angelegten großzügigen Auslauf rund um den Folientunnel. Viel Licht, Luft und trockene, saubere Flächen in den ersten Lebenswochen, danach täglich genügend Bewegung im Freien und eine gut durchmischte Futterration aus Gras, Weizen und Ackerbohne der Marke Eigenbau plus etwas Insekten und zugekaufte bio-zertifizierte Eiweißfuttermittel – was brauchen Hähne mehr, um glücklich zu sein? Apropos Futter, auch daran tüftelt Philipp noch. Er möchte den Anteil an hofeigenem Futter auf über 90 Prozent anheben, um unabhängiger zu sein. Aber auch das Leben glücklicher Hähne hat ein Ende. Nach 110 Tagen haben sie ihr Mastgewicht erreicht. Die erste Generation von 450 Hähnen hat Phillip im Oktober 2012 schlachten lassen und bis März 2013 ab Hof verkauft – zu einem Preis, der selbstverständlich weit über dem für konventionelle Masthähnchen liegt. Aber das muss auch so sein, schließlich brauchen Phillips Hähne bis zur Mast dreimal so lang und sind auch hinsichtlich der Futterverwertung nicht so effizient. Dafür schmecken sie besser – sagen zumindest die Konsumenten von Phillips Junghähnen.

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Emil – die Flasche®:

Ein Herz aus Glas ist seine Stärke Kein Verpackungsmüll! Schon 1990 hatte man bei Familie Weiß die Nase voll vom allgemeinen Verpackungsmüll. Deswegen erfand Agnes Ziegleder-Weiß die wiederverwendbare, transportsichere Pausenflasche aus Glas, die auch hinsichtlich der Lebensmittelechtheit keine Fragen offen lässt. Tochter Magdalena arbeitet heute in der Geschäftsleitung des Familienunternehmens mit.

»Henne & Hahn« machen »Eier mit liebe« Toni Hubmanns Initiative Henne & Hahn hat letztes Jahr in drei Durchgängen ca. 3.000 Hähne aus einer Zweinutzungsrasse großgezogen. Im ersten Anlauf wurden frische Hähne in vier Billa-Filialen und bei Meinl am Graben verkauft. Toni Hubmann resümiert: »Dieser Versuch war leider wenig erfolgreich, sicher auch auf Grund dessen, dass das Produkt Junghahn nicht sehr bekannt war und das Mindesthaltbarkeitsdatum nur sehr begrenzt ist.« Der Verkauf im Tiefkühlregal brachte dagegen bereits erste befriedigende Ergebnisse und wird daher in Zukunft forciert. Seit Mitte März können die Österreicher in allen Merkur-Märkten und ausgewählten Billa-Filialen des Landes frische Bio-Eier (»Eier mit Liebe gemacht«) von Zweinutzungshühnern – das Moosdorfer Haushuhn – kaufen; »Das Angebot wird sehr positiv aufgenommen, die Nachfrage ist groß«, zieht Katharina Krovat von Rewe International eine erste Zwischenbilanz. Auch Hubmann ist optimistisch, denn die Eintagsküken-Problematik hat die Konsumenten sensibilisiert. Weil Junghähne aber bisher kaum auf ihrem Speiseplan stehen, müssen die Kunden deren »einzigartige Qualität und den exzellenten Geschmack« noch kennen und schätzen lernen.

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elternalltag / Ursel Nendzig

illustration Nana Mandl 26_040-055.indd 50

Kein Kind ohne schlechtes Gewissen. An allen Ecken und Enden lauert es. Kommt automatisch mit dem Elternsein. Erweiterter Lieferumfang, sozusagen.

Vom Gewissen, dem schlechten

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»Wo ist mein leben hin, womit hab ich das verdient?«

Gefühl ist, man handelt wider die Vernunft oder entgegen dem, was man von sich selbst als Mutter oder Frau oder Freundin oder, oder, oder so erwartet hätte. Da waren wir noch gar nicht beim direkten, weil begründeten schlechten Gewissen: Wenn einem as Baby weint, ich dusche. Kann jetzt der Kleine von der Vorzimmerbank nicht, muss eine halbe Minute warten, bis ich nass und mit Shampooresten fällt, obwohl man nur drei Millimeter hinter den Ohren aus der Dusche hechdaneben war. Oder wenn man endte, um es an mich zu drücken. Schlechtes Gewissen. lich draufkommt, warum der seit drei Zuerst, weil ich mit eine Dusche gönne und das Stunden so quengelt, weil nämlich die Kind warten muss. Dann, weil es weinen muss. Windel vollgekackt ist. Oder wenn man Und dann, weil ich mir doch eine lange, heiße im Auto fährt und so nach fünf Minuten stellt der Große fest, lustig, er ist ja Dusche gönnen sollte. heute gar nicht angeschnallt. Auch die Die Kinder sitzen in der Sandkiste und spielen, unscheinbarste Situation kann gar nicht ich lese nebenher Zeitung. Schlechtes Gewissen. Der kleine stopft sich Sand in den Mund, weint so unscheinbar sein, dass sie nicht ein bisbitterlich. Schlechtes Gewissen zum Quadrat. serl schlechtes Gewissen parat hätte. Man Ich bringe den Großen in den Kindergarten, füttert dem Kind zu heiße Suppe, nur so montagmorgens, schlechte Laune, er weint. als Beispiel. Oder man hat vergessen, einen Die Urmutter des schlechten Gewissens. Ich Pullover einzupacken und das Kind meldet unterwegs, dass es friert. Überall schlechtes führe ein Interview und linse mit einem Auge aufs Telefon, ob der Kindergarten anGewissen, hoch dreimilliarden! gerufen hat. Schlechtes Gewissen. Und habe ich schon das general-schlechte Gewissen erwähnt? Das ist dann, wenn die Ich gehe mit meinem alten Freund auf Kinder nachts richtig schlecht geschlafen haeinen Kaffee (in die verrauchte Bahnhofskneipe) und bestelle ein Bier. Schlechtes ben, dafür aber sonntagmorgens um sechs schon Gewissen hoch drei. Zuhause rümpft aufstehen wollten, schlechte Laune überall, müde, der große die Nase weil mein Pulli nach müde, müde. Man packt sie dann grummelnd zuRauch stinkt. Hoch vierzigtausend. sammen, trottet auf den Spielplatz, schubst mit Dem Kaffeehausbesuch ging selbstregrimmiger Mine die Schaukel an, sehr großes Selbstmitleid im Gesicht tragend. Wo ist mein Ledend ein sehr schlechtes Gewissen voraus, weil ich den alten Freund schon ben hin, womit hab ich das verdient, usw. Und dann kommt eine Frau mit ihrem Sohn daher, die kenn ich ewig nicht mehr auf einen Kaffee von früher und ich denk mir noch: komisch, die war getroffen habe. doch schwanger, als ich sie das letzte Mal sah, wo ist Sie merken schon. Und das ist denn bloß das zweite Kind? Und sie erzählt mir, dass erst das Einmal-ums-Eck-schlechte-Gewissen, das nicht unbedingt sie eine Totgeburt hatte. Schlechtes Gewissen. Vierbegründet sondern ja nur so ein hundertmilliarden Mal bis zum Mond und zurück.

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Clemens G. Arvay im Porträt

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Thomas Weber

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Michèle Pauty, Lukas Beck

Mit seinen Büchern – beide Aufreger wie Bestseller – hat der Biologe Clemens G. Arvay Bewegung in die Bio-Branche gebracht. Wer ist der Mann, der sich mit Edward Snowden solidarisch erklärt und sich mit Geflügelzüchtern und der »Bio-Industrie« angelegt hat?

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ielleicht werde ich das Schinkenbrot bestellen«, überlegt er laut, während wir beide die Speisekarte studieren. Das ist bemerkenswert. Denn nichts auf der Karte ist bio – und Clemens G. Arvay immerhin der vielleicht gnadenloseste Bio-Propagandist des Landes. »Wie handhabst du das, wenn du wo essen gehst, wo kein Bio angeboten wird?«, fragt er mich. »Isst du dann prinzipiell kein Fleisch?« – Eher nicht. Also nicht prinzipiell keines, nein, antworte ich, leicht irritiert. Ausnahmen gibt es, ganz wenige, aber es gibt sie. Also auch bei Arvay. Ganz ehrlich: Das hätte ich nicht erwartet. Eigentlich hätte er eine andere Buschenschank bevorzugt. Weil die geschlossen war, sind wir mit seinem alten Opel Frontera, einem Pick-up, durch die Weinberge gebrettert. Haben wir bei dem von ihm gepachteten Acker Halt gemacht: einem ehemaligen Weingarten, dem er heuer eine Saison Brache gönnt, damit sich der Boden erholt und die Humusschicht regeneriert, damit nach dem Winter die Kürbisse, Zucchinis und Paradeiser gedeihen. Schließlich haben wir etwas abseits von Bildein, der kleinen Ortschaft, in der sich Arvay im Stockwerk eines Zinshauses eingemietet hat, einen Heurigen gefunden, bei dem »ausg‘steckt is«. Die Sonne verschwindet hinter den Hecken, wir beißen in belegte Brote, trinken sauren Most und irgendwo ganz in der Nähe sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht. Schinken-

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brot hat Arvay doch keines bestellt. Obwohl der Bauer in der Karte ausgewiesen hat, dass alles Fleisch aus eigener Landwirtschaft stammt, die Tiere ganz in der Gegend geschlachtet werden und auch die Futtermittel weitestgehend selbst angebaut werden. Nein, bio ist das natürlich nicht. Aber: »Selbst produzierte Futtermittel und eine Schlachtung in der Nähe sind nicht einmal in der Bio-Landwirtschaft vorgeschrieben«, betont Arvay. Konventionelle Bio-Produkte sind da oft bedenklicher, soll das heißen.

Ansichten eines Insiders Ginge es nach ihm, dann wäre das ohnehin anders. Arvay ist davon überzeugt, dass der moderne, oftmals längst industriell betriebene Bio-Landbau die Bewegung ausgehöhlt und die Absichten der Öko-Altvorderen pervertiert haben. In seinen beiden Büchern »Der große Bio-Schmäh« (2012) und »Friss oder stirb« (2013) kritisiert er nicht nur die verschleiernden Praktiken der großen Produzenten. Er prangert darin auch die Handelskonzerne (rewe, Hofer, Spar) und die Praxis hinter deren Eigenmarken (Ja! Natürlich, Zurück zum Ursprung, Natur pur) an. Industriell bewirtschaftete Anbauflächen, Massentierhaltung oder der durchaus problematische Einsatz von schlecht bezahlten, osteuropäischen Erntehelfern lassen sich beim großflächigen

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Biolandbau nicht leugnen. Dass in der Vermarktung der dabei entstandenen Produkte ein Bauernidyll von anno dazumals weichgezeichnet wird, ist zwar fragwürdig, aber auch bei konventioneller Ware üblich – und einer der Hauptangriffspunkte des investigativ arbeitenden Autors. Seine kompromisslose Kritik hat Arvays Arbeit glühende Befürworter wie Widersacher eingebracht. »Akribisch und kunstvoll seziert Clemens G. Arvay die industrielle Landwirtschaft, die in grüner Gestalt auftritt«, äußerte sich etwa Wilfried Huismann, dreifacher Grimme-Preisträger und Autors des »Schwarzbuch wwf«. Auch Karoline M. Jezik, die Leiterin der Abteilung Gartenbau an der Wiener Universität für Bodenkultur (boku) sieht wie Arvay »die eigentlichen Ansprüche der Bio-Landwirtschaft durch Konzerninteressen gefährdet«. Dennoch bleibt als Faktum: Ihren hoch entwickelten Bio-Markt verdanken die Österreicher zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dem Umstand, dass die großen Handelsketten Bio als lukratives und ihrem Image zuträgliches Marktsegment entdeckt und sich ernsthaft engagiert haben. Dass jeder fünfte Bauer in Österreich heute biologisch wirtschaftet, wäre ohne die von Arvay angefeindete Bio-Industrie kaum denkbar. Gar nicht wenige kleine Biobauern und Produzenten sehen in Arvay dennoch einen Mitstreiter. Auch wenn keine seiner Enthüllungen wirklich neu ist: Seine Schil-

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derungen von Geflügelfarmen und die Reportagen aus Schlachthöfen wirken auch durchaus überzeugend. Mich haben sie dazu gebracht, im Supermarkt gar kein Geflügel und auch Schweine- oder Rindfleisch nur mehr in Ausnahmefällen zu kaufen. Und ich werde nicht der einzige sein. 14.000 Mal hat sich »Der große BioSchmäh« bislang verkauft. Die Fortsetzung »Friss oder stirb« hält bei bereits knapp 10.000 Exemplaren. Vieles, das Arvay anprangert, fordert dennoch zum Widerspruch heraus. »Seine Kritik an der Bio-Landwirtschaft fußt meist weniger auf Fakten als auf nicht erfüllten persönlichen Erwartungshaltungen. Was die Bio-Landwirtschaft leistet und garantiert, steht in der EU-Bio-Verordnung und nicht im sozialromantischen Klischeebilderbuch«, meint Reinhard Gessl vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Dennoch schaffe er es »mit seinem Krawalljournalismus punktgenau, jene Bereiche offenzulegen, die die Bio-Landwirtschaft medial gerne umschifft. Die Bio-Landwirtschaft arbeitet auch ohne Herrn Arvay an der Lösung der Schwachstellen.« Vielleicht versöhnlich gemeinter Nachsatz: »Womöglich beschleunigt die Offenlegung ein wenig die Umsetzung«. Arvay selbst, der vor seinem Biologiestudium eine Buchbinderlehre abgeschlossen hat, sieht sich in der Tradition des investigativen Journalismus und sieht in Aufdeckern und »Whistleblowern«

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Clemens G. Arvay im Porträt

54 wie Edward Snowden Gleichgesinnte. »Menschen, die nach ethischen Grundsätzen handeln, werden kontrolliert und kriminalisiert, weil sie den ökonomischen und politischen Verschleierungstaktiken entgegenarbeiten. Wir haben aber einen gesellschaftlichen Entwicklungsauftrag.«

Gesprächsband »Leb wohl, Schlaraffenland« arbeitet, der im November als Buch erscheinen soll, besucht er motorisiert. Um Bio geht es in diesen Gesprächen nur ganz am Rande, sondern um einen »Rückzug aus dem System«, so der ursprüngliche Arbeitstitel.

Der Aufdecker als Aktivist

Ganz innerhalb des Systems bewegt sich die Produktion der Bücher und bewegen sich auch die Verlage, bei denen sie erscheinen. Sein Debüt – eine Publikation über Fruchtgemüse – gab der unerfahrene Biologieabsolvent vor Jahren im rechtskonservativen Grazer Stocker Verlag. »Der große Bio-Schmäh« erschien bei Ueberreuter, »Das große Fressen« bei ecowin – ein auf Bestseller ausgerichteter Verlag, der mittlerweile vom Medienimperium des Red Bull-Gründers Dietrich Mateschitz geschluckt wurde. Die Gespräche mit Düringer bringt nun die dem Populismus nicht abgeneigte Edition a auf den Buchmarkt. »Natürlich sind alle meine Bücher industriell hergestellt«, gesteht Arvay, während er sich – mit abbaubaren ocb-Bio-Filtern – eine Zigarette dreht. Er weiß natürlich, dass alles andere unter Liebhaberei fallen würde. »Aber«, schwärmt er mit den leuchtenden Augen des gelernten Buchbinders und nimmt einen tiefen Zug, »irgendwann möchte ich eines meiner Bücher selbst drucken und binden«. Man wird ja noch träumen dürfen.

Dass Arvay in den wunden Punkten des Bio-Booms bohrt, steht außer Frage. Ob seine Lösungsvorschläge – eine kleinstrukturierte Bio-Landwirtschaft, lokale Strukturen und eine weitestmögliche Abkehr vom Prinzip Supermarkt – allerdings fürs 21. Jahrhundert taugen oder ob aus ihnen ein reaktionärer Romantiker spricht, bleibt umstritten. Wenn Arvay betont, dass er bei aller Kritik an der Massentierhaltung niemals von »Tier-KZs« sprechen würde und auch niemals auf den Einsatz von Traktoren verzichten wollte, dann zeigt das zwar, in welchem Dunstkreis er sich bewegt. Allerdings auch, dass er eben doch nicht der »Fundi« ist, der er manchmal zu sein scheint. Dennoch macht er es seinen Kritikern manchmal leicht, wenn er nicht nur als Autor, sondern auch als Aktivist auftritt – etwa auf den Facebook-Seiten der großen Handelskonzerne. Einen an der Grenze zum Aktionismus agierenden »Troll« kann man einfacher als weltfremden Spinner abtun als sachlich vorgetragene Kritik. Seine Recherchen im weit verzweigten Bio-Universum haben jedenfalls nicht nur für Aufruhr in der Biobranche, sondern bei dem 33-Jährigen auch für ein Umdenken gesorgt. »Seit ich mit 13 das Buch »Tiere als Ware« gelesen habe, bin ich Vegetarier, meist ernähre ich mich sogar rein pflanzlich. Mein Vegetarismus weicht sich allerdings auf, seit ich bei meinen Recherchen viele Biobauern getroffen habe, die wirklich artgemäße Tierhaltung betreiben«, erzählt er. Sollte sich sein eigener Lebensstil etwas weiter »settlen« und er in absehbarer Zeit weniger reisen, dann reizt ihn auch die Haltung von Altsteirer oder Sulmtaler Hühnern. Dass ihn an diesen alten, sogenannten »Zweinutzungsrassen« neben den Eiern auch ihr Fleisch interessiert, daran lässt er keinen Zweifel. Im Supermarkt wird man ihn aber auch künftig nur treffen, wenn er seinen Lieblingswein, einen ungarischen Muskat-Ottonel kauft. Der kommt zwar aus der Gegend, aber zu bekommen ist er dennoch nur im Supermarkt. Unnötige Kilometer möchte er mit seinem Diesel-Geländewagen – »Ein wunder Punkt, ich sollte längst auf altes Speiseöl als Treibstoff umgestiegen sein« – vermeiden. Nach Graz, wo er am FH Joanneum ökologische Landwirtschaft unterrichtet, pendelt er mit der Bahn. Nur seine Felder und den Aussteiger und Kabarettisten Roland Düringer, mit dem er zum Zeitpunkt unseres Treffens gerade am gemeinsamen

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Rückzugsgefechte aus dem System

Sagen gemeinsam »Leb wohl, Schlaraffenland«: Das Buch von Roland Düringer und Clemens G. Arvay widmet sich dem »Rückzug aus dem System«. Es erscheint im November.

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Drei Tage lang stilvoller Sinnesrausch, drei Tage lang biorama fair fair 2013. Von 12. bis 14. Juli präsentierten 50 ausgewählte Eco-Fashionund Design-Aussteller, Produzenten von feinsten Bio-Lebensmitteln und Initiativen ihre Produkte und Projekte vor und im MuseumsQuartier Wien.

Zum Thema »Is(s)t Bio gesünder?« diskutierten Jörg Wipplinger, Katharina Seiser, Claus Holler, Theres Rathmanner und Ekkehard Lughofer (v.l.n.r.).

Zur Nachlese auf Twitter: #fairfair13 www.fairfair.at

Öko-Sneaker neben nachhaltiger Monatshygiene neben gots-zertifizierten T-Shirts neben Bücher über Bienen – so schaut Vielfalt aus!

Strahlender Sonnenschein über Wien, strahlende Gesichter am Outdoor-Foodmarket der biorama fair fair.

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Voll im Öl – vor allem das feine Bio-Haselnuss-Öl von Fandler hat es uns angetan (ganz oben). In der Mitte links: Der An- und Abtransport der Eco-Fashion-Kollektion des eza-Labels Anukoo wurde stilecht und co 2 -frei mit Lastenfahrrädern von Heavy Pedals erledigt. Zur Stärkung dann einen kleinen Abstecher zum Verkostungseck von Biohof Adamah, bei dem täglich neue Gast-Produzenten vorgestellt wurden. Und währenddessen im Fashion-, Design- und Kosmetikbereich: Schöne Sachen zum Anfassen, Riechen und Kaufen.

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Bienen

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Thomas Weber

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Deborah Sengl

» Der Drohn, die männliche Honigbiene, hat außer der Begattung junger Königinnen wenig zu tun – weshalb ich ihn als lasziven Toy Boy zeige.«

Deborah ist das hebräische Wort für Biene. Deborah Sengl ist dem Tier privat verbunden. Die Honigbiene war das inoffizielle Wappentier der diesjährigen biorama Fair Fair. Naheliegend also, dass sich die Wiener Künstlerin auch beruflich dem Thema widmet. Im Rahmen der biorama Fair Fair stellte sie fünf »Arbeiten zum Thema Bienen« vor. Die Serie widmet sich der Arbeitsteilung und den Rollen innerhalb eines Bienenvolks. Deborah Sengls »Arbeiten zum Thema Bienen« können demnächst ersteigert werden. Der Reinerlös kommt einem karitativen Zweck zugute. Infos dazu auf www.deborahsengl.com

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www.biorama.eu / organic-instinct Mit freundlicher unterstützung von:

»Die Varroamilbe trägt den furchteinflößenden wissenschaftlichen Namen Varroa destructor und ist in der Tat ein gefährlicher Bienenschädling. Daher wird in meiner Interpretation aus dem Parasiten ein vampirgleiches Wesen.«

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ad personam Deborah Sengl, 1974 in Wien geboren, studierte ab 1992 in der Meisterklasse von Mario Terzic an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien. 1997 schloss sie ihr Studium mit einem Diplom in der Meisterklasse von Christian Ludwig Attersee ab. Deborah Sengl hat zu Beginn Biologie studiert. Ihr großes Interesse an Tieren im Besonderen und an dem Verhältnis zwischen Tier und Mensch schlägt sich in ihrem künstlerischen Werk nieder.

»Die Bienenkönigin ist eine echte Queen – kein Wunder, denn im Stock dreht sich alles um ihr Wohlbefinden.«

»Die Entwicklung vom Ei bis zur Biene dauert zwischen 16 und 24 Tagen. Dem Bienennachwuchs verpasse ich einen passenden Strampler.«

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bezugsquellen: Armed Angels www.armedangels.de — Green Ground www.greenground.at — All Upcycled www.allupcycled.biz Vega Nova www.veganova.at Radlager www.radlager.at — Die Vintage-Kleidung der Stylistin kann in der Burggasse 24, Wien erstanden werden. www.facebook.com/burggasse24

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Nationalparks

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2013 und 2014 widmet sich biorama in regelmäßigen Abständen den österreichischen Nationalparks. www.nationalparksaustria.at

Sinneserlebnis Nationalpark unplugged and resampled Wie riecht, schmeckt und tönt Österreichs Wildnis? b io ra m a hat sich zu Wäldern, Bergen und Steppen aufgemacht, um die heimischen Nationalparks mit allen Sinnen zu erfahren.

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Luma.Launisch: NationalparkSounds neu arrangiert »Das Klopfen des Spechts und das Knacken des Zweiges wird zum Beat. Das Rauschen des Gebirgsbaches wird zur Klangfläche, das Quaken der Frösche zur Bassline und das Treiben der Ameisen zum Soundeffekt.« Dazu waren spezielle hypersensible Mikrophone im Einsatz, die auch kleinste, fast unhörbare Schwingungen aufzeichnen. So entstanden die Bausteine für die Kompositionen. »Die Natur macht die Musik. Die analogen Field-Recordings bringen Wärme ins Klangspektrum der elektronisch erzeugten, digitalen Musik. Die Musik ist eine Symbiose aus analog und digital, aus Natur und Mensch.« Die Visuals zur Musik bestehen aus einem Mix aus Naturschauspielen und Making-of-Sequenzen. Luma.Launisch: »Das Ganze soll auch einen charmanten Schmäh haben. Da sitzen verrückte Musiker auf Bäumen und tauchen in Flüssen.« w w w .lu m a la u n is c h .c o m

text und bild Matthias Schickhofer

ehnen wir uns kurz zurück und schließen die Augen. Und denken an unser letztes Naturerlebnis in Österreich. Welcher Duft kommt da in die Nase? Nach Wiesengewächsen? Harz von Kiefern oder Fichten? Nach See, Moos und Sumpf? Vielleicht auch nach Schnee und Gletscher? Welche Geräusche ertönen in unseren geistigen Ohren? Das Krächzen von Raben? Das Tosen eine Gebirgbaches oder das Gurgeln eines stillen Waldflusses? Wind in den Zweigen? Gar der Schrei eines Adlers oder Pirols? Wer offline geht – Smartphones, Tablets, Pods und Pads ausschaltet – und mit offenen Sinnen aus den Städten auszieht, kann nämlich Wunderbares erleben. Und dafür muss man gar nicht weit reisen: etwa zu den nach Wasser und Wald riechenden Donauauen, zu Steppe und Niedermoor beim Neusiedlersee, in die wilden Mischwälder des Thayatals, ins Gesäuse mit seinen Kalkzacken und dem tobenden Ennsfluss, in die dichten Bergwälder und rauen Schluchten des KalkalpenNationalparks oder zu den Hochtälern, Gletschern und Bergwiesen der Hohen Tauern … biorama hat in den heimischen Nationalparks nach Tönen, Gerüchen und Geschmäckern gefahndet. Und nach vollzogenem analogen Sinneserlebnis bieten die Visual Artists Luma.Launisch eine digitale Bearbeitung der analogen Sounds – zum Nachhören und Nachfühlen: Astrid Steiner und Florian Tanzer haben in den Nationalparks Sounds und Views der Natur aufgenommen, danach mit Elektronik-Musikern gesampelt und zu eigenen Kompositionen verarbeitet (siehe Kasten).

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Nationalparks

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Nationalpark Donau-auen

Nationalpark GesÆuse

Neben den unzähligen Vogelstimmen ist der hohe Ruf des Eisvogels besonders einprägsam. Wer kennt das »Singen der Donaukiesel«? Das Fluss-Geschiebe rollt nämlich unentwegt die Flusssohle entlang und man hört sein Sirren und Knirschen vom Ufer oder vom Boot aus. Optisch dominiert grünes Dickicht und Wasser. Auf den zweiten Blick erscheinen aber zahllose kleine Details – von zarten Libellen und prächtigen Blüten über Spuren und Fährten bis zu Muschelschalen am Ufer … Der unverkennbare Duft der Donau ist leicht schlammig, aber dennoch frisch. Die Samen des Drüsigen Springkrauts schmecken angenehm nussig. Die Kraft der freifließenden Donau ist am besten bei einer Bootstour zu erleben, der feine Sand und Kies unter den Füßen bei einem Uferspaziergang und der üppige, dunstende Auwald bei einer Spätsommerwanderung.

Das Donnern und Sausen der namensgebenden Wassermassen im Gesäuse-Eingang ist das prägende Geräusch. Das Gesäuse bietet aber auch gewaltige Höhenunterschiede auf engstem Raum. Sich himmelhoch auftürmendes Kalkgestein beherrscht die Landschaft. Wenn es zermalmt wird, riecht es nach Schwefel. Vor allem die Kletterer kennen (und fürchten) diesen Geruch: Steinschlag. Der Steinadler vermittelt Freiheit. Im Gesäuse gibt es einige Pärchen dieser majestätischen Vögel. Es herrscht Vollbesetzung: Es sind so viele Adler hier, wie der Lebensraum ermöglicht. Der Himmel ist nah im Gesäuse. Es ist einer der dunkelsten Flecken Österreichs. Fernab von Ballungszentren funkeln die Sterne besonders intensiv. Unvergesslich: Ein Sonnenuntergang auf der Haindlkarhütte, mit Blick auf die rot leuchtenden Nordwände der Hochtorgruppe, die von hier über 1.000 Meter in den Himmel ragen. Auch kulinarisch sind die Gesäuse-Berge ein bemerkenswertes Gebiet: Die Schutzhütten bieten exquisite Gaumenfreuden inklusive feiner Weinkarten.

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Nationalpark Hohe Tauern

Nationalpark Kalkalpen

Von Anfang Juli bis Mitte August duftet das Bergheu auf den Bergwiesen und Almen. Typisch ist das Schreien (nicht Pfeifen!) der Murmeltiere, die von Juni bis Ende September gut zu beobachten sind. Ist der Warnschrei lang gezogen, droht potenzielle Gefahr aus der Luft. Eine Abfolge von mehreren Schreien warnt vor nahendem Ungemach am Boden. Im Hochgebirgsnationalpark finden sich 342 Gletscher. Ein Stück Gletschereis in der Hand zu halten ist eine besondere Erfahrung: Neben seiner eiskalten Ausstrahlung hält man einige »Jahrzehnte« Eisgeschichte in der Hand. In der Wärme des Sommers hört man die Gletscher auch »stöhnen« und knacken. Eine Vielfalt an Bergkräutern bereichern die lokale Küche und allerlei Heil-Produkte: Das alte Wissen der Bauern findet Anwendung in Form von Salben, Seifen und Tees. Viele Gasthöfe verwenden heimische Kräuter in ihren regionaltypischen Gerichten. Optisch geben majestätische Bergpanoramen schon im Tal den Ton an. Wer höher steigt erblickt Almen, wandert durch teils wilde Wälder und dringt dann vor in die Gebirgstundra, mit ihren Gletschern und bizarren Felslandschaften.

Ähnlich dem Flieder duften die Mondviolen von April bis Mai. In den Buchenwäldern riecht es im Frühling stark nach Bärlauch. Auf den Almen finden sich Düfte von Wildrosen (Hundsrose), Weißdorn und Thymian. Im Nationalpark Kalkalpen gedeihen ausgedehnte Buchenwälder, die im Herbst Millionen von wohlriechenden Blättern fallen lassen. Im Oktober und November kann man das fallende Buchenlaub auch deutlich hören. Die über 800 Quellen, darunter mächtige Karstquellen, bieten ein Klangspektrum vom Gurgeln und Gluckern bis zu tosendem Rauschen. In den Bergwäldern lässt der Wind die wiegenden Bäume ächzen. Auf sonnseitigen, trockenen Berghängen knackt die Borke der Lärchen in der Hitze. Im waldreichen Nationalpark Kalkalpen fällt viel stehendes und liegendes Totholz auf. Die Spechte – Buntspecht, Grünspecht, Schwarzspecht, Grauspecht und die selteneren Dreizehen- und Weißrückenspechte – wissen das zu schätzen. Alle produzieren ihre charakteristischen Sounds, wenn sie auf die Bäume einhämmern. Von Mitte September bis Anfang Oktober röhren in den Wäldern die brunftigen Hirsche – ein überaus archaisches Hörvergnügen.

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Nationalparks

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Nationalpark Neusiedlersee – Seewinkel

Nationalpark Thayatal

Im April liegt tagsüber oft ein Klangteppich von Unkenrufen über den Feuchtwiesen. Das kann so gleichmäßig klingen, dass Erstbesucher irritiert nachfragen, woher das kommt. Höllisch laut kann es in der Nacht in Rufnähe von Möwenkolonien oder in einem von Fröschen bevölkerten Feuchtareal werden. Und dann natürlich das immer vielstimmiger werdende Konzert der aus dem Winterquartier zurückkehrenden Vogelarten: Im Schilf sind Drosselrohrsänger zu hören, an den Lacken tönen Rotschenkel und Uferschnepfen, in den Baumkronen ist es der Pirol. Besonders melodiös klingt es, wenn sich ab Anfang August die Bienenfresser zu Trupps formieren. An den seltenen windstillen Tagen im Hochsommer kann man an den Lacken den abtrocknenden Zickboden (ung.: Zick = Soda) riechen. Im Seewinkel wächst alles, was typisch ist für den pannonischen Raum. Das schmeckt man auch in der lokalen Küche. Hier gedeihen das erste heimische Freilandgemüse im Jahreslauf, das erste reife Obst und selten gewordene Spezereien wie Safran. Von den Weinen, Bränden und Säften gar nicht zu reden …

In den Wäldern des wilden Grenztales dringen Düfte nach Waldboden, Bärlauch, Pilzen und Holz-Moder in die Nase. Im Herbst entwickelt das welkende Laub einen betörenden Geruch. Frühaufsteher können sich an der taufrischen, wohlriechenden Morgenluft erfreuen. Auf den Blumenwiesen duften Diptam (Vanille und Zitrus) und Heckenrosen. Entlang der Thaya verbreitet der vorbeirauschende Fluss seinen typischen Geruch. In den Blumenwiesen summen Insekten, Heuschrecken und Grillen zirpen nach Herzenslust. Über die Trockenrasen streichen warme Luftströme. Im Thayatal zwitschert eine reiche Vogelwelt. Außerdem sind das charakteristische Klopfen der Spechte und die Rufe von Waldkauz, Uhu, Kolkraben und Kuckuck zu vernehmen. Im Wald rauschen die Blätter und knarren die alten knorrigen Buchen und Eichen im Wind. Allabendlich konzertieren die Frösche im Talgrund. Eine wahre Augenweide sind die Blütenteppiche der Frühblüher (Schneeglöckchen, Leberblümchen, Buschwindröschen, Schlüsselblumen …), die Pracht der Sommerwiesen und natürlich an den herbstlichen Farben der Mischwälder. Im Herbst und nach Gewittern ziehen romantische Nebel durch das Tal.

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Marktplatz Beauty

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Nina Daniela Jaksch

Für kleine Bademeister Empfindliche Kinderhaut braucht natürliche Pflege. Und Produkte,die beim Baden und Waschen Spaß machen.

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Erli Grünzweil Georg Nejeschleba

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2 // Extra sanft

K

inderhaut ist dünner, zarter und empfindlicher als Erwachsenenhaut und braucht entsprechend mehr Unterstützung, sanfte Pflege und wirksamen Schutz, insbesondere im Windelbereich oder auch beim Draußentoben in Kälte und Regen. Pflegeprodukte auf Mineralölbasis sind tabu! Denn Kinderhaut reagiert sehr sensibel auf falsche Pflege, wie zum Beispiel auf chemische Inhaltsstoffe, Silikon- oder Paraffinöle oder synthetische Duftstoffe. Naturkosmetikhersteller arbeiten inzwischen auch mit Hebammen und Aromatherapeuten zusammen. Sie setzen auf natürliche Inhaltsstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau, auf natürliche Farben, mit denen auch der Spaß beim Plantschen und Baden nicht zu kurz kommt und auf naturreine Düfte, die auf den natürlichen Eigengeruch der Babyhaut abgestimmt sind. Sie konzipieren extra milde Rezepturen wie zum Beispiel Waschsubstanzen, die besonders rückfettend sind, durch die Zugabe pflegender Pflanzenöle. Empfindliche Baby- und Kinderhaut soll in ihrer Funktion nur unterstützt werden, daher empfiehlt es sich, Hautpflegemittel immer sehr sparsam einzusetzen. Pflegeklassiker unter den Wirkstoffen in der Kinderpflege sind das Mandelöl und die Ringelblume. Die altbekannte Heilpflanze, auch Calendula genannt, wirkt ausgleichend, entzündungshemmend, wund- und hautheilend. Mandelöl ist besonders mild, hautglättend und -pflegend und zieht schnell ein.

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Für zarte Baby- und Kinderhaut entwickelt: Die Tensidreduzierte Kombination mit biologischem SeifenkrautSaponin in der Baby- und Kinder-Waschcreme kann im Badewasser oder auf dem Wasch-Handschuh verwendet werden. Tipp: Das Kinderköpfchen im Badewasser sanft mitwaschen.

3 // Wasch-SpaSS Mit dem (blauen) Waschschaum für coole Piraten können sich kleine Jungs Staub und Schmutz wegrubbeln, aber auch prima spielen. Mit Natur- und Lebensmittelfarben sowie Calendula und Panthenol. www.tinti.eu

4 // Mildes für Baby & Mama In Zusammenarbeit mit Hebammen vom Pionier der natürlichen Babypflege entwickelt. In der Calendula Gesichtscreme beruhigen Kamille und Ringelblume und schützen im Windelbereich vor Nässe und Wundsein. Prima für Kind und auch Mutter: Feuchtigkeitsspendende Calendula Pflegemilch für die tägliche Hautpflege. Zieht rasch ein und duftet fein nach Palmarosa und Kamille. www.weleda.de

5 // Für kleine Rabauken Auch wenn es mal bei Regen oder Schnee nach draußen gehen soll, Wind & Wetter Creme Komm raus schützt zarte Kinderhaut mit pflegendem Öl von Mandel und Avocado sowie Bienenwachs. Der feine Orangenduft hebt die Laune und vermittelt Wärme und Geborgenheit. www.dresdner-essenz.com

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RINGELBLUMENÖL SELBER MACHEN An einem sonnigen Tag ein Glas voll Ringelblumenblüten sammeln, Olivenöl über die Blüten gießen, bis sie bedeckt sind. Das verschlossene Glas drei Wochen an einen sonnigen, warmen Platz stellen, danach absieben und das fertige Ringelblumenöl in eine dunkle Flasche füllen.

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6 // Kunterbunte Pflege

8 // Haare waschen ohne Drama

Wanne einfüllen, dann Badegranulat Magische Badewasserfarbe Kleine Nixe einstreuen und der Badespaß kann beginnen. Erst ist das Badewasser knallrot, dann violett. Mit pflegendem Calendulaextrakt und Färberdistelöl. Die Produkte unterstützen den Förderverein Kinderhospiz Sterntaler. www.luetteswelt.de

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7 // Moodmaker Irgendwer zickt immer mal: Freundin, Bruder oder Onkel Horst. Lavendelöl im Raumduft Zickenspray gebietet Nervenzehren und schlechter Stimmung Einhalt, der frische Duft gleicht aus und schafft eine ruhigere Atmosphäre. www.liebeskummerpillen.de

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DIY-Rezept

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Parvin Razavi

Wer suchet, der findet! Vom Waldboden direkt in die Küche und frisch auf den Teller. Unglaublich viele kulinarische Schätze verbergen sich im Wald, und wer sich die Zeit nimmt, diese zu suchen, kann von einem Jagdfieber erfasst werden. Wenn man in die Berge fährt und Einheimische nach guten Pilzplätzen befragt, so kommt meist dieselbe Antwort: Es gibt kaum welche. Kein Wunder, denn die wenigsten Sammler und Jäger erzählen gerne freiwillig von ihren geheimen Fundorten. Man muss also einfach rein in den Wald und sich auf die Suche begeben. Die Augen stets auf den Boden gerichtet, kann es sein, dass man auch mal stundenlang nichts findet. Dann aber plötzlich blitzt etwas gelb Leuchtendes im Waldeslicht, es ist ein Eierschwammerl, ein Pfifferling. So wunderbar! Das Herz fängt an, lauter zu schlagen und pure Freude macht sich breit. An guten Tagen kommt man mit bis zu drei Kilo Pilzen nach Hause und am besten schmecken sie, wenn sie noch am selben Tag zubereitet werden. eierschwammerlgulasch:

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l in einem Topf leicht erhitzen und die Zwiebel Ö ganz langsam anschwitzen, bis sie leicht Farbe bekommen. Je langsamer sie angebraten werden, umso besser karamellisiert der in den Zwiebeln enthaltene Zucker, das verleiht dem Gericht einen intensiveren Geschmack. ach etwa einer halben Stunde den gehackten N Knoblauch zufügen und weitere fünf Minuten langsam anschwitzen. Wichtig: Dabei immer wieder umrühren, damit nichts am Topfboden kleben bleibt und anbrennt. aprikapulver zufügen, zwei Minuten anschwitP zen und erst dann die Eierschwammerl in den Topf geben. Leicht wenden und mit 300 ml heißem Wasser aufgießen. Nach weiteren 15 Minuten Kochzeit ist das Gulasch fertig.

Tipp: Wer gerne eine molligere Sauce hat, kann einen Teelöffel Mehl dazugeben.

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ZUTATEN (für 4 personen) Eierschwammerlgulasch » ½ kg Eierschwammerl, geputzt und geschnitten » 3 Zwiebel, fein gehackt » 2 Knoblauchzehen, fein gehackt » ½ EL Tomatenmark » 1 gestrichener TL Zucker » 1 EL Paprikapulver, edelsüß » ½ TL Paprikapulver, geräuchert » 2 EL Öl » Sauerrahm

Semmelknödel » 250 g Semmelwürfel » 50 g Butter » 60 g Zwiebeln, fein gewürfelt » 2 dl Milch » 3 Eier » 40 g Mehl, griffig » 2 EL Petersilie, fein gehackt

semmelknödel:

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Zwiebel in der Butter hell rösten. Eier und Milch gut verschlagen, salzen, über den Semmelwürfel gießen. lle Zutaten miteinander vermengen, kurz anA ziehen lassen und anschließend Mehl unterheben. Mit nassen Händen Knödel formen und in reichlich Salzwasser schwach wallend kochen.

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speis und trank

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Micky Klemsch

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Nana Mandl

Essen ist mir was wert Für Essen haben wir noch nie so wenig ausgegeben wie heute. Dabei wäre mehr Geld für Essen nicht nur qualitätsverbessernd – sondern auch fair!

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ben auf der biorama Fair Fair ist mir wieder aufgefallen, wie unterschiedlich der Begriff »fair« im Konsumbereich verwendet, aber auch verstanden wird. Ein Gros der Menschen denkt sofort an Fairtrade, ein Begriff, der ausschließlich für den Handel mit gewissen Entwicklungsregionen der Erde geschützt ist. Fairness im Handel geht uns aber auch in den florierenden Wirtschaftsstaaten immer mehr ab. Der Konsument wird gerade im Lebensmittelbereich zum »billiger« gedrillt, beim Kaufverhalten dominiert der Preis vor der Qualität. Diese bleibt damit auf der Strecke, genauso wie die handwerkliche, bäuerliche Produktion. Wie kann es sein, dass ein Bund Radieschen beim Discounter, sogar in ausgewiesener Bioqualität, nur 39 Cent kostet? Ich pflanze dieses Gemüse in meinem Selbsterntegarten an und weiß, wie viel Platz und Arbeit jede einzelne Knolle braucht! 39 Cent? Niemals. Oder fragen sie einmal einen heimischen Landwirt, wie viel Geld er für einen Liter Milch noch erhält. Und wie viel er und seine Familie dafür arbeiten müssen?

Preisdiktat Markt Frauke Weissang ist gebürtige Deutsche. Seit 30 Jahren lebt sie in der italienischen Marche als Bioproduzentin von Getreide und Hülsenfrüchten. Für die Bio-Kooperative Terrabio reist sie durch Europa und vermarktet die gleichnamigen Teigwarenprodukte. Auf der Terrasse

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ihres Agriturismo nahe Urbino erzählt sie mir von Verhandlungen in Deutschland, wo Einkäufer den Preis diktieren: »Der Kunde zahlt nicht mehr als X für so ein Produkt!«, versucht man sie unter Druck zu setzen. »Wenn Sie mir die Nudeln für Y verkaufen, dann sind sie bei dem Discounter gelistet und setzen Unmengen um!« Frauke ist darauf nicht eingegangen. Ihre Kollegen und Bauern werden fair bezahlt. Über 90 Prozent der Arbeiter von Terrabio sind ganzjährig angestellt, alle aus der Region. In der Landwirtschaft ist das leider eher die Ausnahme denn die Regel. Aber der Konsument muss auch bereit sein, dafür zu zahlen. So vertreibt Terrabio seine Produkte vor allem über die klassische Bioschiene. Durch den Partner Naturland Fair sind Terrabio Teigwaren aus der Marche auch das weltweit erste fair-zertifizierte Pasta-Sortiment. Das Label steht hier für ökologisch, sozial und fair produzierte Lebensmittel. Eine der größten Aufgaben der nächsten Jahre wird es sicherlich sein, dem Konsumenten wieder die Wertigkeit von Lebensmittel zu vermitteln, vor allem in Relation zu anderen, durchaus verzicht- bzw. reduzierbaren Gütern wie Auto, Technik oder Reisen. Immer wieder rufe ich mir einen Satz des Soziologen Harald Welzer ins Gedächtnis: Kaufen sie nichts zu billig, denn irgendjemand hat dann zu wenig verdient. www.terrabio.eu

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Biorama Nº. 26

Marktplatz Food

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Nina Daniela Jaksch

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Erli Grünzweil Georg Nejeschleba

Früchte des Wald(rand)es Der Wald birgt eine Vielfalt an Aromen und Schätzen. Waldwissen ist Teil unseres Kulturerbes und lohnt sich, neu entdeckt zu werden. Wertvolles von Baum und Strauch.

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on Beeren, Pilzen, Kräutern, Honig, Zapfen hin zu Holz oder Wild – der (Misch-)Wald war seit jeher Quelle von Nahrungs-, Genuss- und Heilmitteln. Manche Großeltern erinnern sich noch an das Nahrungsreservoir Wald in Notzeiten, es brachte Eichelkaffee oder wertvolles Bucheckernöl auf den Speiseplan und Fichtennadelsirup und Lärchenharz in die Hausapotheke. Im ökonomischen Wald der Neuzeit mit seinen gleichaltrigen Monokulturen lässt sich die ursprüngliche Vielfalt nur mehr erahnen. Heute wird jedoch vielerorts versucht, den Wald wieder naturnäher zu bewirtschaften, offene Kronendächer machen den Wald lichter und die Vegetation wird wieder vielfältiger. Die »Früchte des Wald(rand)es« kennenzulernen ist eine Entdeckungsreise, ob indoor beim Verkosten von Manufaktur-Genüssen oder outdoor beim Beerensammeln und Naschen von Waldsauerklee. Und es gilt stets die goldene Regel des Waldbesuchers: Hinterlasse nichts – außer deinen Fußspuren.

Let’s Mushroom Ob Bio-Speisepilz oder Heilpilz – Pilze selber züchten lernt man bei Mark Stüttler und seinen Jungs vom Mushroom Research Center in Innsbruck. www.mrcashop.org

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1 // Für Honigbären Im Rannatal, Oberösterreich, werden in der Manufaktur Urprodukte wie Met, Wachs und Propolis, aber auch feine Honigsorten produziert. Für den würzigen Waldhonig Lage Falkenstein sammeln Bienen in der Rannaschlucht ab Mitte Juni den Honigtau auf den Fichtennadeln und den Nektar der Buchen und Linden. www.hochlandimker.at

2 // Für Liebhaber Gertrud Henzl hat sich der Entdeckung ungenutzten Nahrungspotenzials verschrieben. In ihrer Wiener Manufaktur verarbeitet sie saisonal Wild-, Wald- und BioGartenpflanzen zu ungewöhnlichen Genüssen. Zum Beispiel würziges Essigsaures von Maiwipferl und Nasenzwicker, aromatisches Schlehen-Orangen-Salz und hinreißendes Bärlauchblütenpesto. www.henzls.at

3 // Für Naschkatzen Haselnussöl schmeckt intensiv nach Nuss, angenehm und zart-süßlich und wird durch kalte Pressung der ungerösteten Nüsse gewonnen; es passt prima zu Blattsalaten, für Dressings und zur Abrundung von Süßspeisen und Gebäck. www.fandler.at

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4 // Für Kenner

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»Bieraculix« Axel Kiesbye liebt die Vielfalt. In der Tradition der Kelten, ihres Zeichens Waldverehrer und Bierverfeinerer, braute er 2012 das Waldbier Limited Edition mit einer Veredelung aus hocharomatischen Zirbenzapfen, handgeerntet auf 2.000 Höhenmeter im Tiroler Radurschltal. Das Aroma: fein rauchig-harzig, mit einer Note von Waldhonig und Minze. Dank Uli von gartenrast.at durfte biorama noch in den Genuss einer der letzten Flaschen kommen. Die kommende WaldbierEdition gibt es Ende September, sie wird eine Ode an die Lärche sein. Wir sind gespannt! www.bierkulturhaus.com

Kraftspender vom Waldboden genießen: Die charmante Heidelbeere ist ein leckerer, süß-säuerlicher Brotaufstrich; sie veredelt (als Fruchtbelag) Kuchen und bringt sinnliches Purpur in Desserts oder Müsli. Unser Tipp: zum Kaiserschmarrn pur dazulöffeln.

8 // Für Entdecker In ihrer Heimat, der kalten Taiga, spenden sie Mongolen und Sibirjaki durch ihren hohen Nährwert Kraft und Energie: Zedernnüsse ähneln Pinienkernen, zeichnen sich aber durch einen besonderen, fein waldig-harzigen Geschmack aus. Auch prima zum Pestomachen geeignet.

5 // Für Feinschmecker

9 // (Nicht nur) für Pfadfinder

Da weint die Pasta vor Glück: In der Würzkomposition Trüffelglück geben sich Stein- und Mandelpilz, Trüffel, Herbsttrompeten und fein abgestimmte Gewürze ein duftendes Stelldichein. Prima zu Risotto und Nudelgerichten. www.herbaria.com

Studentenfutter war gestern. Katharina und Verena lieben Nüsse. Und Früchte. Und ganz besonders das Soulfood, das sie in ihrer Manufaktur zu interessanten Knabbereien wie Berry Well, Garden Gusto, Frisco Crisp oder Gooood Karma verarbeiten. www.foodloose.net

6 // Für Schwelger Zergeht auf der Zunge und verfeinert süße Sünden wie Croissants oder Crepes: Haselnuss-Creme vegan. www.rapunzel.de

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Ist es eine Phase, eine sogenannte Krise oder doch das Ende der Beziehung zwischen mir und den Stauden? Vom Schlussmachen.

Ochsenherzschmerz

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und hinter mir die sintflut / Johanna Stögmüller

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»Könnte ja sein, dass sie glauben, die Welt sei ganz in Ordnung.«

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ochen- und monatelang war ich der Meinung, dass ich das mit den Tomaten in der Wohnung genauso gut kann wie der Mann in dem Youtube-Video. Wenn nicht sogar besser. Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall, ich hab das pflanzliche Genie des grauhaarigen Alt-Hippies unterschätzt. In seinen hingepopelten Video-Tutorials wuchern die Wohnungs-Tomaten nämlich nur so die Fensterbänke an der ganzen Staude«) – eine emotioentlang – im Winter noch dazu. Er erzählt davon, nale Debatte heraufbeschwört: Bin ich wie einfach es wäre. Alles kein Problem. Wie gut das funktioniert. Wie schön es ist, die eigenen eine schlechte Bestäuberin? Früchte zu ernten. Das will ich auch, eigene Ich habe gerüttelt, geschüttelt, ich habe Früchte ernten, in meiner Wohnung, nicht bio-gedüngt. Irgendwann habe ich dann weil ich muss, sondern weil es geht. Eine Ausauch professionelle Tricks angewandt: Ich saat, pikieren, zwei Mal umtopfen, viele Male habe mit dem Pinsel bestäubt, mit dem feinausgeizen und unzählige Hitzestaus ob nicht haarigsten, den ich finden konnte. Das hat zugezogener Vorhänge (Sonne, Sonne!) spänatürlich nichts mit dem lieblosen Gepinsel ter bin ich mir sicher, dass es nur eines gibt, zu tun, das man aus Filmen kennt, wo es nur was mich Youtube jemals gelehrt hat: Water um oberflächlichen Pollenkontakt ohne echte Gefühle geht. Ein Zeichen setzen gegen die BeMarble Nails. Kennen Sie nicht? Googeln Sie mal. Sie werden überrascht sein, wie stäubungsindustrie, im eigenen Wohnzimmer; komplex das Themenfeld Nagel-Design eine Antwort auf die Frage finden: Wie mache ist. Rocket-Science. Dagegen ist das mit ich es richtig? Sie haben ja keine Ahnung davon, wie viele Wohnungs-Tomaten-Threads das Word den Pflanzen noch scheinbar einfach. Wide Web in petto hat. Man erfährt alles, was man schon immer über Bestäuben wissen wollte Was Sie schon immer über – und noch ein bisschen mehr. Zum Beispiel, dass Bestäuben wissen wollten Zurück zu den Tomaten: sechs Klaus007s Frau zu ihrer Schwester gezogen ist, weil Stauden, dutzende Blüten, zwei (!) die Wohnung irgendwann einem Glashaus ähnelte; Früchte. Die Bilanz offenbart ein dass Pummels Onkel heimlich den Kosmetikpinsel Minusgeschäft sondergleichen, das seiner Frau zur Bestäubung der Pflanzen benutzt; – angereichert durch fiese Unteroder dass Sunflower_2 Tomaten zieht, obwohl sie Tostellungen (»Die Pflanzen hassen maten gar nicht mag! Das ist mir alles zu arg. Ich hör dich« oder »Du bist nur an ihren jetzt auf damit. Nicht weil ich muss, sondern weil ich Früchten interessiert, aber nicht noch kann. Tomatenstauden, anyone?

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