Was suchst du? Heidelberger Trilogie 1

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HEIDELBERGER TRILOGIE BAND 1

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MARIUS TIMMERMANS

beginnenden Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648). In seiner Heimat, der Pfalz, ziehen immer häufiger Soldatentrupps umher, die gewaltsam Angst und Schrecken verbreiten. Und der Krieg zwischen Katholiken und Protestanten droht noch viel schlimmer zu werden. Bei Johann, Sohn eines protestantischen Schmieds, wirft all das die Frage nach dem wahren Glauben auf. Er macht sich auf die Suche nach der Sicherheit, die nur Gott bieten kann. Zugleich verliebt er sich in das katholische Mädchen Mechthild. So geht er durch viele Kämpfe und Abenteuer, erleidet Rückschläge und findet Ermutigung und Hilfe bei Friedrich, dem alten Waldhüter, und bei Karl, dem jungen Kurier. Wird Johann schließlich Frieden mit Gott und Antworten auf seine Fragen finden? Johanns Entwicklung und Reise mit seinen so bewegend beschriebenen Erlebnissen und Auseinandersetzungen sind Gegenstandslektionen für uns heute.

Was suchst du?

Der 18-jährige Johann ist im Jahre 1621 aufgewühlt von den Wirren und Schrecknissen des

Die Heidelberger Trilogie vermittelt in erzählerischer Weise die drei Hauptpunkte des Menschen (Band 1), die Erlösung von Sünde und Elend (Band 2) und das christliche Leben aus Dankbarkeit für die Erlösung (Band 3).

TIMMERMANS

christlichen Glaubens, die den Heidelberger Katechismus gliedern: Die Sünde und das Elend des

Was suchst du? HEIDELBERGER TRILOGIE BAND 1

Auf der Reise zum wahren Glauben



Marius TiMMerMans

Was suchst du? Heidelberger Trilogie band 1

Auf der Reise zum wahren Glauben


1. Auflage 2016 © Marius Timmermans, 1999 Erschienen bei B.V. Uitgeverij de Banier, Utrecht (NL) Originaltitel: Wat zoekt gij? De boodschap van het troostboek. De Heidelbergse Catechismus in een levensecht verhaal in drie delen. © der deutschen Übersetzung Betanien Verlag 2016 Postfach 1457 · 33807 Oerlinghausen www.betanien.de · info@betanien.de Übersetzung: Carsten Evers, Hermann Grabe Redaktion: Hans-Werner Deppe Cover: Sara Pieper, Betanien Verlag Umschlagbilder: Zeichnung: Adri Burghout Fotos: istockphoto.com · Mann: amazingmikael, Frau: Studio-Annika Satz: Betanien Verlag Druck: Druckhaus Nord, Bremen ISBN 978-3-945716-21-2


Inhalt 1 Auf der Suche nach Gott

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2 Die Versammlung 29 3 Der gleiche Glaube 43 4 Das gefährliche Abenteuer 59 5 Wird Johann sie fragen? 76 6 Auf dem Balkon des Getreidespeichers 90 7 Der Waffenhändler auf dem Jahrmarkt 101 8 Wo gibt es Zuflucht? 122 9 Der Sturm 139 10 Ein überraschender Vorschlag 153 11 Der Winter kommt 171 12 Der alte Pferdeschlitten 200 13 In einer protestantischen Familie 220 14 In einer weißen Märchenwelt 235 15 Beim Kurier in Worms 249 16 Der wütende Junker 264 17 Sehnsucht nach dem wahren Glauben 289 18 Besuch aus Frankenthal 308 19 Der letzte Tag des Jahres 328 Über den Heidelberger Katechismus 334 Karte von Johanns Reise 338



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Auf der Suche nach Gott

A

n einem sommerlichen Samstagmorgen im Jahre 1621 verließ ein junger Mann, gerade einmal achtzehn Jahre alt, das heimatliche Stadttor und lief nun zügigen Schrittes dem großen Wald entgegen, der seine Stadt umgab. Er achtete weder auf das schöne, warme Wetter, noch auf die großartige Natur, die ihn umgab. Seine Gedanken waren bei dem alten Waldhüter, und sein Herz war voller Fragen, die er ihm stellen wollte. Wie sollte er nur anfangen? Außerdem stellte sich noch die Frage, ob er den alten Friedrich überhaupt zu Hause antreffen würde. Denn der Waldhüter kam meistens spät heim, weil er seine Arbeit sehr gewissenhaft tat und es in den Weiten des Pfälzerwaldes genügend zu tun gab. Nach Einbruch der Dunkelheit wagte Johann nicht mehr zu ihm zu gehen. Aber nicht, weil er etwa zu ängstlich war, das ganz gewiss nicht. Im Gegenteil, er hatte seinen Kameraden oft Kostproben seines Mutes geliefert. Aber es war eine gefährliche Zeit. Selbst am helllichten Tag konnte hier alles Mögliche passieren. Wenn er Soldaten begegnen würde, könnten diese ihn zum Militärdienst zwingen. Das war in dieser Gegend schon häufiger vorgekommen. Und wenn sie bemerken sollten, dass er ein Ketzer war, der weder Ehrfurcht noch Respekt gegenüber dem römischen Papst zeigte, wäre er seines Lebens nicht mehr sicher. Sie glaubten zwar alle an einen Gott und an eine Bibel; aber 7


die Menschen gingen mit beidem doch sehr unterschiedlich um. Johann konnte gut verstehen, dass sein Vater und seine Mutter und viele andere der katholischen Kirche den Rücken zugekehrt hatten. Dort bekam Gott immer weniger und die Kirchenleitung immer mehr das Sagen. Es war doch der Gipfel der Torheit, dass jemand ein Schriftstück mit der Unterschrift des Papstes kaufen konnte, worauf stand, dass ihm durch den Kauf seine Sünden vergeben worden seien. Der Kirche ging es doch nur darum, Geld damit zu verdienen. Ja, und was war dann mit den Armen, die nicht bezahlen konnten? Die kamen dann ja wohl alle in die Hölle. Nein, dann hatte er doch mehr Achtung vor den Menschen, die selbst unter Lebensgefahr ihrem einfachen Glauben an die Bibel treu blieben. Aber das Traurige war nun, dass auch unter denen Streit aufgekommen war. Gewiss waren die Protestanten (also jene Christen, die gegen die Kirche des Papstes protestierten) alle dafür, dass die Bibel in ihrer eigenen Sprache in jedes Haus kam. Und auch, dass es jedem gut täte, darin zu lesen, aber … wenn es darum ging, wie man nach der Bibel leben soll, war man leider oft unterschiedlicher Meinung. Wie schlimm war das doch, denn auf jeden wartete der Tod und dann das Jüngste Gericht. Und wenn man dann nicht so gelebt hatte, wie Gott es forderte, was dann? Eins hatte Johann deutlich empfunden. Der alte Waldhüter war ein echter Christ. Nicht nur deshalb, weil er den Protestanten in Zeiten der Gefahr geholfen hatte, sondern einfach, weil man merkte, dass er den Herrn Jesus Christus liebte. Von seinen Eltern hatte Johann wiederholt gehört, Friedrich sei ein Mensch, der Gott durch dick und dünn folgen 8


und ihm dienen wollte. Tatsächlich strahlte der Mann auch etwas davon aus, wenn man mit ihm sprach. Als er noch stärker darauf achtete, konnte Johann immer wieder sehen, dass bei Friedrich Freude und tiefer Frieden aus den Augen leuchteten, wenn er ihn über seinen besten Freund, den Herrn Jesus, sprechen hörte. Schon mehrfach war Johann drauf und dran gewesen, Friedrich aufzusuchen und ihn unter vier Augen zu fragen, wie er dazu gelangt sei. Er konnte den Gedanken einfach nicht mehr loswerden, ebenfalls das haben zu wollen, was der alte Waldhüter besaß. Darum hatte er sich ein Herz gefasst und war nun auf dem Weg zu ihm. Als sein Vater am vergangenen Sonntag ein Stück aus einem Büchlein von Doktor Martin Luther vorgelesen hatte, traf ihn besonders der Satz: »Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne … und doch Schaden an seiner Seele nähme?« So ist es, dachte Johann dann, und darum hatte er sich vorgenommen, die Wanderung in den Wald nicht länger aufzuschieben. Inzwischen näherte er sich der alten Blockhütte, die ziemlich weit oben auf dem Hügel zwischen den hohen, kerzengeraden Tannen errichtet war. Er betätigte den Türklopfer und sofort schlug hinter dem Haus ein Hund an. Es war einer von Friedrichs schönen Schäferhunden. Johann klopfte noch einmal. Schade, Friedrich war anscheinend nicht zu Hause. Dann hörte er in der Ferne, oben am Hügelrand, ebenfalls einen Hund bellen. Da wusste er, dass der Alte nicht weit weg sein konnte. Er lief um das Haus herum, kümmerte sich nicht um den Hund in seiner Hütte und lief den Pfad zwischen den Bäumen hinauf. Als er fast oben angelangt war, sah er den Waldhüter mit seinem silbrig-weißen Bart. Der Hund an seiner Seite blickte Johann 9


wachsam an und knurrte misstrauisch. Er war sicher nicht an viel Besuch gewöhnt. Johann sah, dass Friedrich ihm hastig winkte. Er rief rasch: »Tag, Johann, bist du es? Komm und schau einmal schnell dort hinunter! Deine Augen sind noch besser als meine.« Johann lief eilig nach oben. Auf der anderen Seite sah er die prächtige, wellige Landschaft. Kilometerweit! »Schau nur dort, die Staubwolke in der Ferne, sind das Reiter, die sich nähern?« »Ja sicher!«, rief Johann aufgeregt. »Und sie sind bewaffnet. Ich sehe ihre Rüstungen in der Sonne blinken. Es werden vermutlich wieder katholische Soldaten sein.« »Das ist doch nahezu sicher«, sagte Friedrich, »und dann haben wir gewiss dort unten in unserer kleinen Stadt Raub und Plünderung zu erwarten. Jedoch müssen sie nach meiner Meinung noch die Kreuzung passieren. Ja schau, zum Glück! Sie schwenken ab nach Frankenthal! Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass sie einen Offizier haben, der keinen Mord und Totschlag erlaubt.« Dann blickte er Johann an. »So, junger Mann, kommst du, um den einsamen Waldhüter einmal zu besuchen? Das hast du gut gemacht.« Fragend und freundlich schauten ihn die hellen, blauen Augen an. Plötzlich konnte der junge Mann nicht mehr an sich halten. Mit Tränen in den Augen stellte er die zwei überraschenden Fragen, die ihn so beschäftigten: »Was ist dein einziger Trost, im Leben und im Sterben?« Und: »Woher nimmst du bloß die innere Kraft in deinem Leben?« Was für Fragen! Es gehörte sich beinahe nicht, sie zu stellen, obwohl sie doch Fragen von allergrößter Wichtigkeit waren. Johann schwieg einen Augenblick, und das war kein Wunder. Auch der alte Friedrich wusste nur allzu gut, dass 10


Millionen von Menschen mehr mit ihrer Arbeit oder ihren Vergnügungen beschäftigt waren, als mit ihrem eigenen Seelenheil. Manche verwendeten beispielsweise mehr Zeit für ihre Katze, ihren Hund oder ihr Pferd, als für ihre wertvolle Seele. Darum war er erstaunt, dass sich Johann mit dieser Frage an ihn wendete. Verdiente diese Frage nicht eine deutliche und ehrliche Antwort? »Johann, das Geheimnis liegt darin, dass ich mit Seele und Leib meinem treuen Herrn und Retter Jesus Christus gehöre. Ich lebe nicht mehr für mich selbst, denn er hat für alle meine Sünden am Kreuz bezahlt. Er hat mich von der Macht des Teufels erlöst. Er sorgt dafür, dass ohne den Willen meines himmlischen Vaters nicht einmal ein Haar von meinem Haupt fallen kann und dass alles, was geschieht, zum Wohl meiner Seele dient. Darüber hinaus gibt mir der Heilige Geist die Gewissheit in meinem Herzen, dass ich ewig bei Gott leben werde, und der Geist macht mich auch willig, meinem Schöpfer von Herzen zu dienen. Dies ist also mein Trost und meine Kraft in diesem Leben und später im Sterben. Kannst du das alles ein wenig begreifen, Johann?« »Ja Friedrich, ich fühle und begreife sehr wohl, dass das was du sagst, wahr ist, aber … wie bist du dazu gekommen? Was ist dafür erforderlich? Was musstest du lernen, um diesen Trost wirklich zu haben?« »Ich merke, dass dir meine Antwort wichtig ist. Aber komm erst einmal mit ins Haus, Johann, dann werde ich dir etwas zu essen und zu trinken geben, bevor ich die Fragen beantworte.« »Essen ist nicht nötig, aber Durst habe ich schon«, sagte Johann. »Komm, du bist eine Strecke gelaufen, und so ein junger Kerl mag doch immer etwas essen.« 11


Sie liefen den Steig, der sich zwischen den Bäumen entlang schlängelte, wieder hinauf zur Blockhütte. Während sie darauf zugingen, sagte der alte Waldhüter: »Ich musste zuerst lernen, dass ich ein großer Sünder bin, der durch seine eigene Schuld sein Elend ständig vergrößerte. Und als Zweites, wie ich davon erlöst werden konnte, und drittens, dass ich Gott für solch eine Erlösung aus Not und Tod dankbar sein sollte.« »Woher weißt du denn, dass du ein großer Sünder bist?« Friedrich sagte bedächtig, während er die Tür mit einem großen Schlüssel öffnete: »Jeder besitzt ein Gewissen, und jeder hat auch ein Gespür dafür, dass eine höhere Macht existiert. Das weißt bestimmt auch du, Johann. Doch ich weiß es vor allem aus Gottes Gesetz, den zehn Geboten, wie sie in der Bibel stehen, dass ich ein Sünder bin. Ich habe gelernt, dass ich es nicht schaffe, das göttliche Gesetz zu halten. Ich suchte letzten Endes immer meinen eigenen Vorteil statt die Ehre Gottes.« Darüber musste Johann kurz nachdenken. ›Also, er ist dann wohl der Meinung: Wenn ich auch noch so ehrfürchtig zu Gott bete, suche ich in Wirklichkeit nur meinen eigenen Vorteil. Vielleicht schon, aber ich will doch wirklich gern in den Himmel kommen. Sollte das denn auch nicht gut sein?‹ Inzwischen bereitete der Alte vier dicke Schnitten selbstgebackenes Weizenbrot und war dabei keineswegs sparsam mit Wurst und Käse. Dann holte er zwei Krüge und schenkte Bier ein. Johann nahm seine Mütze ab, Friedrich seinen Jägerhut, und Johann betete vor seiner Mahlzeit. Er biss beherzt in das schmackhafte Brot, nachdem er einen kräftigen Schluck aus dem Krug genommen hatte. Der alte Mann schaute mit Erstaunen, wie schnell Bier und Brot verschwunden waren. Dann stand er auf, um noch mehr bereitzustellen, doch Johann fragte, während er die Krümel vom seinem Mund 12


wischte: »Was fordert Gott in seinem Gesetz denn vor allem von uns?« Sogleich antwortete Friedrich: »Dass wir Gott lieben mit allem, was in uns ist, mit ganzem Herzen und mit unserem ganzen Denken, mit allen Kräften, immer aufs Neue. Und du verstehst schon – das verlangt Gott von allen Menschen.« »Woher weißt du das so genau?« »Das lehrte der Herr Jesus selbst in der Bibel. Es ist sogar das Wesentlichste, ja der Mittelpunkt, an dem das ganze Gesetz hängt.« Einen Augenblick lang herrschte wieder Stille. Johann musste diese Aussage erstmal verarbeiten. Dann sagte er, weil Friedrich wieder in seinen Brotkorb griff: »Halt, hör auf, Friedrich. Ich habe nun wirklich genug gehabt. Es hat gut geschmeckt, danke.« »Nun gut, trink dann aber noch ein bisschen«, sagte Friedrich und schenkte Johann wieder ein. Dann überlegte Johann: ›Gott über alles lieben und den Nächsten wie mich selbst? Wie geht das? Ob Friedrich das wohl selbst schaffte?‹ Er fragte verlegen: »Kannst du denn Gottes Gesetz ganz und gar halten?« Der Waldhüter antwortete leise, aber bestimmt: »Nein, Johann, überhaupt nicht. Soll ich dir einmal ehrlich erzählen, wie das bei mir aussieht? Ich habe von meiner eigenen Natur aus die Neigung, Gott und meinen Nächsten zu hassen. Außerdem spüre ich, dass ich leider noch so oft meinen eigenen Vorteil suche.« Mit großen, verwunderten Augen blickte ihn der junge Mann an. Das hatte er nicht erwartet. Welche Chance hatte er dann, dahin zu kommen? Dann gab es für ihn wohl kaum die Möglichkeit, zu diesem Trost zu gelangen. ›Ach, warum ist das alles so, und was mache ich denn bloß?‹ Plötzlich 13


unterbrach Johann das Schweigen und sagte: »Friedrich, hat denn Gott die Menschen so böse und verkehrt geschaffen?« Erschrocken schaute der Alte ihn an: »Nein!«, rief er laut. »So ist es bestimmt nicht, Johann, im Gegenteil! Gott hat seine gesamte Schöpfung gut gemacht und insbesondere die Krönung der Schöpfung, den Menschen, hat er sehr gut und nach seinem Ebenbild geschaffen. Er hat den Menschen so geschaffen, dass er seinen Schöpfer recht erkennen und ihn von Herzen lieben und ehren kann. Dennoch kann ich sehr wohl verstehen, Johann, dass du so fragst. Unser Verstand will nach der Ursache des Bösen forschen und unser sündiges Herz sucht das Übel immer bei jemand anderem.« Johann überlegte einen Augenblick, ob der Alte wegen der Frage erbost sein könnte, doch bei seiner Erklärung hörte sich seine Stimme glücklicherweise wieder freundlich an. Das gab ihm Mut, weiter zu fragen: »Woher kommt denn diese böse und verkehrte Natur des Menschen?« »Die kommt durch den schrecklichen Sündenfall, den Ungehorsam unserer Ureltern Adam und Eva im Paradies. Da ist unsere Natur so vergiftet worden, dass wir alle das sündige Herz vererbt bekommen und als Sünder geboren werden. Wir kommen nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt, Johann, sondern das ansteckende Gift der Sünde wohnt schon in dem Herzen des kleinsten Kindes.« Der alte Friedrich nahm am Tisch gegenüber Johann Platz. Er stütze seinen Kopf auf seine Hände und schaute Johann an. Dann sagte er bedächtig: »Das ist alles sehr wichtig, Johann. Daher kommen all der Kummer und die Angst in der Welt um uns herum. Vergiss nicht: Gäbe es keine Sünden, dann gäbe es auch keine Wunden. Adam und Eva haben nämlich dem Teufel geglaubt, und Gott haben sie zum Lügner gemacht. Sie haben sich mutwillig von der Quelle des Lebens abgewendet und deshalb mussten sie sterben. 14


Gottes Wort bleibt auch wahr im Hinblick auf die Strafe: ›An dem Tag, da du davon isst, musst du des Todes sterben‹ (1. Mose 2,17). Weil wir um kein Haar besser sind als unsere Vorfahren, müssen auch wir sterben.« »Aber, Friedrich, können wir denn nichts Gutes mehr tun?« »Nein, Johann, weil unsere Natur verdorben ist, neigen wir alle zum Bösen. Ein Dornstrauch kann aus seinen Wurzeln lediglich Dornen hervorbringen. Nur wenn wir durch Gottes Geist wiedergeboren werden, folgt eine Veränderung zum Guten. Nun weißt du, worum du bitten musst, Johann. Sage zu Gott: ›Herr, bitte gib, dass ich wiedergeboren werde. Oh, Gott, gib mir ein neues Herz, das dich lieben und verehren will und das zugleich gut zu meinen Mitmenschen ist.‹ Das haben wir am dringendsten nötig, und nur Gott kann es uns geben.« Friedrich schwieg und dachte selbst verwundert: ›Wie schön ist es doch, dass ich diesem lernbegierigen jungen Mann so treffllich antworten kann! Vielleicht hat der gute Gott ein Werk seiner Gnade im Herzen des jungen Mannes begonnen.‹ Sie sprachen noch eine lange Zeit miteinander. Dann sprang Johann plötzlich auf und rief: »Friedrich, ich muss dringend nach Hause. Danke für alles, und äh … falls ich noch einmal wiederkommen darf?« Friedrich erhob sich und während er die Tür für Johann öffnete, sagte er: »Du kannst kommen, wann immer du willst. Abends bin ich fast immer zu Hause. Und was die Werktage angeht, die ersten beiden Tage befinde ich mich im Süden unseres großen Waldes, am Mittwoch im Westen. Am Donnerstag im Norden und freitags im Waldstück zur Stadt hin. Dies habe ich schon vor Jahren mit dem Grundherrn abgesprochen und das funktioniert recht gut.« 15


»Ich will dir nicht zur Last fallen, aber wenn ich dich in den großen Wäldern suchen müsste …«, sagte Johann vorsichtig. »Nun, dafür habe ich eine Lösung«, lachte der Alte. Er lief zur altersschwachen Scheune und nahm ein altes, blechernes Jagdhorn aus der Ecke, und als seine Ziegen in angrenzenden Stall ihren Herren sahen, blökten sie freudig. Das Horn war eher grün als gold. Er wischte das Mundstück mit einem Tuch ab, das dort ebenfalls hing, und gab es dann Johann. »Probier es einmal«, lachte er. Johann setzte das Mundstück an seine Lippen, und nach einigen zaghaften Versuchen erschallte plötzlich solch ein lauter Ton, dass die Ziegen verstört in eine Ecke ihres Stalls sprangen. »Nun«, sagte Friedrich, »falls du mich unbedingt brauchst, nimmst du dieses Horn mit in den Wald und bläst dann hier und da im Revier. Dann sollte ich dich eigentlich bald hören. Ich antworte dann mit meinem Jagdhorn, das ich immer bei mir trage und dann haben wir uns schnell gefunden. Es ist in diesen Zeiten, die wir erleben, vielleicht ganz gut, dass wir diese Vereinbarung machen. Wer weiß! Am Samstag bin ich meist in meinem Haus oder in der Nähe. Die Ziegen müssten übrigens bald Lämmer bekommen, wie du siehst. Nun, Johann, grüße deine Eltern! Am Samstag der folgenden Woche ist Jahrmarkt. Dann komme ich auch bei deinem Vater vorbei. Ich habe noch etwas Werkzeug zu reparieren. Arbeitest du noch nicht in der Werkstatt deines Vaters, Johann? Es ist doch Arbeit genug dort?« »Nein, ich bin noch immer von montags bis freitags beim Schmied in Frankenthal. Du weißt, dass Vater es für besser hielt, meine Lehrzeit bei jemand anderem zu verbringen.« »Ja, dass ist vernünftig. Aber dein Meister, der Herr Siegler, ist noch Katholik, oder nicht, Johann?« 16


»Ja, er und seine Frau sind der katholischen Kirche noch treu geblieben. Doch sie sind gute Menschen und Herr Siegler ist ein ausgezeichneter Fachmann. Aber Friedrich, wenn du mir nun die Sachen mitgibst, dann kann Vater sie in der kommenden Woche reparieren, und ich könnte sie in der folgenden Woche gleich wieder herbringen.« »Ja, daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Das liegt sicherlich am Alter. Ich merke, dass ich nicht mehr so gut denken kann.« »Na, das klappt noch ziemlich gut«, erwidert Johann, während er an die vernünftigen Antworten des Alten von vorhin dachte. Friedrich ging gleich ins Haus zurück und kam einen Augenblick später wieder mit einer alten Pfanne heraus, die ein kleines Loch im Boden hatte und mit einem alten Gewehr. »Sieh, Johann, der Abzug ist verbogen und ich traue mich selbst nicht, ihn gerade zu biegen. Ich habe Angst, dass er dann abbricht. Dein Vater weiß hier sicherlich Rat.« »Gib es mir einfach mit«, sagte Johann. »Vielleicht bringe ich es heute Nachmittag selbst noch in Ordnung. Und nun schleiche ich mich vorsichtig wie ein Hase fort. Bis bald und nochmals danke«, sagte er, während er dem Waldhüter die Hand gab. Der Alte nickte nur und schaute ihn dabei freundlich an. Johann wunderte sich über die Kraft, mit der seine Hand geschüttelt wurde, und ging dann schnell davon. Als er eine Stunde später durch das Stadttor lief, rief der Torhüter: »Johann, hast du an diesem Morgen schon feindliche Waffen erbeutet?« Johann blickte lächelnd hinauf und rief: »Nein, das ist nur Arbeit, die ich abgeholt habe.« »Na, dein Vater hat doch so schon Arbeit genug. Als er diese Woche meine Hellebarde schärfte, sagte er noch zu 17


mir, dass er immer stärker darüber nachdenkt, dich nach Hause zu holen. Er kann die Arbeit mit Kaspar allein nicht mehr bewältigen. Aber kommst du heute Abend mit deinem Vater zu unserer Versammlung?« ›Oh ja, das stimmt‹, dachte Johann. ›Heute Abend wollen die Männer der Stadt eine Zusammenkunft abhalten, um die Lage zu besprechen.‹ »Ja, wenn ich dabei sein darf?«, rief er zurück. »Du bist doch achtzehn Jahre alt? Dann darfst du kommen!«, entgegnete der Torwächter. Der Schlaukopf dachte nämlich: ›Wenn es auf Stimmen ankommt, muss ich sehen, dass ich so viel Protestanten wie möglich für meinen Plan gewinne.‹ Er war ein alter Soldat und hatte sich seinen Plan zurechtgelegt. »Bis heute Abend, Johann!«, rief er noch. Johann ging durch die Hauptstraße, wo sich die meisten Geschäfte und Betriebe befanden. Er gelangte zum Platz mit der schönen katholischen Kirche und dort gegenüber stand das uralte Wirtshaus ›Zum schwarzen Adler‹, wo am heutigen Abend die Versammlung stattfinden sollte. Neben der Gaststätte mündete eine Seitenstraße auf den Platz. Das zweite große Haus hinter dem Wirtshaus war Johanns Elternhaus. Neben der Wohnung stand die Schmiede. Zwischen der Gaststätte und der Schmiede befand sich auch ein Pferdehof. Dieser gehörte noch zum ›Schwarzen Adler‹, war aber nun an den Schmied vermietet. Dem war niemals irgendeine Arbeit zu viel, und außerdem konnte er etwas dabei verdienen. Johann war auch oft auf dem Pferdehof tätig und fand das auch gut so. Von den Fremden und Gästen, die dorthin kamen, hörte er so allerhand, was sich in der Welt um ihn herum zutrug. Er trat in das Haus und suchte in der Küche nach seiner Mutter. 18


Mit einem eisernen Stampfer vermengte Mutter das Sauerkraut mit der übrigen Suppe. Ein herrlicher Duft schwebte in der Küche. Der kam von den geräucherten Würsten, die bereits auf einem großen Brotbrett auf dem Tisch standen. Das Wasser lief Johann im Mund zusammen. Er legte seine Sachen ab, hängte das Gewehr an einen Stuhl und schnitt mit seinem Dolch ein Stück von einer Wurst ab. »Wie war es beim Waldhüter?«, fragte Mutter Ursula, nachdem sie ihn begrüßt hatte. Mit vollem Mund entgegnete Johann: »Ganz gut!« Diese Frage hatte er schon erwartet. Mutter drehte sich um und sagte: »Na, na, nicht vor den anderen anfangen! Ich kann durchaus verstehen, dass du nach solch einem langen Gang bis zum Wald hungrig bist, aber wir werden sofort essen. Stell erst einmal das Gewehr in den Waffenschrank und bring die Pfanne in die Werkstatt. Dann kannst du gleich die Männer zum Essen rufen.« Johann ging zu der schweren Tür, die den Zugang zur Schmiede bildete. Sein Vater schlug gerade ein Hufeisen in die passende Form. Die Funken sprühten umher. Mit spielender Leichtigkeit schien er das weiß glühende Eisen auf dem großen Amboss zu bearbeiten. Wenn Johann seinen Vater am Amboss sah, musste er immer an das eine Mal zurückdenken, als sein Vater diesen massiven Eisenklotz anhob und zwei Meter weiter an seinen neuen Platz setzte. Das war damals, beim Umbau, vor ungefähr sechs Jahren. Er hatte mittlerweile längst begriffen, dass wohl niemand in der Stadt ihm das nachmachen konnte. Jedoch war der Schmied ebenso freundlich, wie er stark war, und über seine Stärke sprach er selbst nie. Er wurde eigentlich niemals richtig zornig, doch wenn, dann sollte man zusehen, dass man wegkam. Jeder wusste, dass er einmal ei19


nem angetrunkenen Soldaten, der mit ihm kämpfen wollte, den Säbel zerbrochen und den Kerl so weit aus der Schmiede herausgeworfen hatte, dass er sich nie mehr traute, in deren Nähe zu kommen. »Kommt ihr essen?«, rief Johann über den Lärm hinweg. Inzwischen legte er Friedrichs Gewehr in eine Ecke. Die Männer schauten von ihrer Arbeit auf. »Tag, Johann. Das Gewehr stammt sicherlich vom Waldhüter? Stell es gleich in den Waffenschrank. Du weißt, dass ich keine herumliegenden Waffen in der Schmiede haben will.« »Ja, aber ich werde es sofort nach dem Essen reparieren, Vater.« »Dann hole es eben wieder aus dem Schrank, Johann. Hier kann jeder ohne weiteres ein- und ausgehen. Eine herumliegende Waffe wäre viel zu gefährlich.« Die Männer zogen ihre Lederschürzen ab und gingen sich die Hände waschen. Während Johann die Waffe in den Schrank stellte und das schwere Hängeschloss zudrückte, dachte er: ›Vater ist doch schon übertrieben vorsichtig wegen der einen Stunde.‹ Inzwischen hatte Mutter den Rest der Familie zusammengerufen. An dem schweren Eichentisch saß der jüngste Sohn Wilhelm neben Mutter. Die sechzehnjährige Tochter Anna war wie vernarrt in ihr Brüderchen und bemutterte ihn auch dauernd. Auf seinem Stammplatz saß der Schmiedeknecht. Er war schon um die fünfundsechzig Jahre alt, jedoch noch ziemlich kräftig. Johann kannte es nicht anders, Kaspar gehörte dazu. Er arbeitete schon früher in der Schmiede, als sie noch Johanns Großvater gehörte. Als alle am Tisch saßen, servierte Mutter das Essen und Vater schnitt mit einem großen Küchenmesser die Wurst in Stücke und verteilte diese möglichst gerecht. 20


Dann wurde es still und sie erbaten den Segen für das Essen. Während der Mahlzeit fragte Vater Johann, wie es im Wald gewesen war. Johann berichtete von den Reitern, die sie gesehen hatten. Aber über die anderen Dinge, die er heute Morgen gehört hatte, erzählte er nicht viel. Er bemerkte lediglich: »Friedrich findet auch, dass Gott so heilig und gerecht ist, dass er uns wegen unserer Sünden strafen muss, nicht nur halbwegs, sondern ganz und gar. Für unsere Sünden muss einfach von uns selbst oder durch einen anderen bezahlt werden.« Johann schwieg verlegen. Mutter schaute ihn kurz an. Sie kannte ihren Ältesten nur zu gut. Er redete nie leichtfertig über derartige Dinge. Morgen, wenn sie einen Augenblick mit ihm beisammen wäre, würde sie ihn weiter danach fragen. Ihr wurde klar, dass hierüber noch mehr zu reden war, und sie war sehr gespannt darauf. Nach der Mahlzeit nahm Anna die Lutherbibel. Da der Schmied einigermaßen wohlhabend war, hatte er das teure Buch kaufen können. Mit seiner tiefen Stimme las der Schmied den Lobpreis des Zacharias aus Lukas 1,68-70: »Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David – wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten.« Anschließend sagte der Schmied: »Wenn unsere katholischen Nachbarn nur dies richtig lesen, müssen sie schon Streit mit ihrem Priester bekommen. Hier steht glasklar, dass Gott uns erlösen will und muss, und nirgendwo steht, dass wir selbst oder andere sündige und schwache Geschöpfe dies können. Wir müssen die Erlösung suchen, wo Gott sie gibt: bei seinem eigenen Sohn, der nicht nur Mensch geworden ist, sondern zugleich auch immer Gott blieb und bleibt.« 21


»Das ist aber doch recht schwer zu begreifen, Vater«, sagte Anna. »Wie kann jemand zwei Dinge zugleich sein?« »Ich denke, Anna, dass dies mit dem, was Johann eben sagte, zu tun hat. Gott muss die Sünde bestrafen, natürlich nur die von den Menschen. Tiere und Pflanzen haben in ihrer Natur nicht gesündigt. Und da die Schuld der Erwählten von Adam an bis zum Ende der Welt unbeschreiblich groß ist, muss der Erlöser auch so stark wie Gott selbst sein.« Johann nickte zustimmend und dachte zurück an das Gespräch von heute Vormittag mit dem Waldhüter. Er spürte das warme Gefühl in seiner Brust wieder zurückkommen, und obwohl er zunächst nichts sagen wollte, kam es nun bewegt aus ihm heraus: »Der Erlöser kann niemand anders sein als Jesus, der Herr. Davon ist die Bibel voll.« Er errötete, als er das sagte. Als er vor kurzem dasaß, um in der Bibel zu lesen, sagte Anna: »Liest du schon wieder in der Bibel, Johann? Du wirst noch ein richtiger Heiliger. Willst du etwa Mönch werden?« Seine Schwester hatte eine scharfe Zunge und sie suchte gern einmal ein bisschen Streit. Diesmal schwieg sie. Lag das daran, dass Vater und Mutter dabei waren und weil sie genau wusste, dass sie diese Streitigkeiten nicht ausstehen können? Oder lag der Grund darin, dass sie diesmal selbst etwas zu diesen Dingen zu sagen hatte? Es blieb noch einen Augenblick still, dann meinte Kaspar: »Wir dürfen dankbar sein, dass Gott uns Martin Luther gegeben hat. Er hat die Bibel übersetzt und nun können alle Menschen überall in den deutschen Ländern selbst in der Bibel lesen.« Darin waren sie alle einer Meinung. Als sie nach dem Dankgebet ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten, ging das Thema einigen noch weiter durch den Kopf. Sie fühlten alle, dass dies alles sehr wichtige Dinge 22


waren. Johann ging zum Waffenschrank und nahm das Gewehr. Er wollte es für Friedrich anständig in Ordnung bringen. »Vater, muss ich die Arretierung absägen und eine neue machen, oder ist sie noch zu reparieren?« Sein Vater sah sich die Sache an und meinte: »Nein, vorsichtig und nach und nach erhitzen und dann mit zwei Schlägen gerade richten. Das ist eine Waffe von höchster Qualität, also müsste das schon so klappen.« Während der Vater das Schmiedefeuer mit dem Blasebalg schürte und hierzu noch mehr Holzkohlen auflegte, begab sich Kaspar zum Pferdehof. Der Bote, der am heutigen Abend der Versammlung eine Nachricht überbringen sollte, hatte gefragt, ob der Schmied sein Pferd noch beschlagen wollte. Dann könnte er am Montagmorgen gleich in der Frühe aufbrechen. Jetzt im Hochsommer standen nur fünf oder sechs Pferde im Stall, die aber mussten regelmäßig zusätzlich Wasser bekommen. Sie kamen bei Kaspar, der ein großer Pferdeliebhaber war, nicht zu kurz. Einen Augenblick später kam er mit einem wunderschönen schwarzen Pferd angelaufen und sperrte es in eine stabile Box. Das Tier wusste bereits, was nun geschehen würde, und blickte neugierig umher. Johann tätschelte es auf den breiten Hals. »Was für ein liebes Tier du bist. Ja, gut, so ist es brav.« Inzwischen legte sein Vater die neuen Hufeisen in das Feuer. Dann hörten sie Gesang. Leise erklang aus Mutters Küche das Lied des Reformators Martin Luther:

Ein’ feste Burg ist unser Gott, ein’ gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen … 23


Johann dachte, während er mit der Arbeit an dem Gewehr begann: ›Dies Lied wird der alte Waldhüter wohl oft singen. Wie glücklich ist dieser Mann doch, denn Luthers Gott ist auch sein Gott. Aber wird er auch mein Gott werden wollen?‹ Obwohl es in der Schmiede schwarz und staubig war, kam sie einem doch gemütlich vor. Die vielen alten Arbeitsgeräte hingen an den Wänden entlang oder standen auf ein paar schweren Werkbänken. Das große Schmiedefeuer befand sich an einer Längsseite. Die starken Eichenbalken waren mit Haken und auch mit einigen Rollen versehen, um schwere Gegenstände hochzuziehen. Auf der rechten Seite stand die Pferdebox. Außen befand sich eine weitere. Bei dem schönen Wetter standen die Türen jetzt weit offen. Die Schmiede war zu jeder Jahreszeit ein Ort, an dem viele Männer und Jungen gerne ein- und ausgingen. Dem Schmied war das recht, solange sie ihm nur nicht vor die Füße liefen. Auch am Pferdehof schauten immer wieder gern einige Leute vorbei. Am Nachmittag, als die Werkstatt etwas aufgeräumt wurde, trat plötzlich ein Fremder herein. An seinem Hut wedelte eine blaue Feder und an seinem Gürtel hing ein Säbel. Es war der Kurier des Städtebundes, ein noch recht junger Mann. Anna war gerade mit ihrer Mutter und dem Brüderchen in die Schmiede gekommen, um nachzuschauen, ob die Männer schon fertig waren, und blickte den stattlichen Mann voller Bewunderung an. Der Bote meinte freundlich: »Danke, dass du mein Pferd so gut versorgt hast. Ich habe gesehen, dass du es neu beschlagen hast. Ich möchte als Erstes gern meine Schuld begleichen, dann kann ich Montagmorgen sehr früh aufbrechen. Und ich hoffe, mit gutem Ausgang.« »Vorab bezahlen ist an sich nicht nötig«, sagt der Schmied. »Aber was meinst du mit einem ›guten Ausgang‹?« 24


Der Kurier sah sich vorsichtig um und erwiderte dann: »Dass die Menschen dieses Ortes auch unserem Städtebund beitreten.« Der Schmied nickte und sagte: »Komm eben herein, um einen Krug Bier zu trinken, wenn du möchtest.« Während Kasper und der Schmied sich waschen gingen, machte sich Mutter mit den anderen auf zur Küche. Sie nahm einen schweren, tönernen Becher mit einem Henkel und setzte ihn dem Mann vor. Freundlich fragte sie, ob er Starkbier, Schwarzbier oder Tafelbier möchte. Er lachte und antwortete: »Ich muss heute Abend hellwach sein, so gebt mir einfach nur ein leichtes Bier.« »Wo kommst du her?«, erkundigte sich Mutter, während sie das Bier einschenkte. »Ihr seid lutherische Protestanten«, stellte der Kurier fest, »und wie ich gehört habe, wird der Schmied mich kräftig unterstützen, wenn ich auf der Versammlung um Hilfe ersuche. Deshalb darf ich hier offen reden. Ich selbst komme aus Worms, jenem Ort, wo Luther vor über hundert Jahren seinen Glauben vor dem Kaiser und der ganzen Welt mit den Worten bekannte: ›Sofern mir nicht aus Gottes Wort ein Unrecht bewiesen wird, will ich nichts widerrufen. Gott stehe mir bei. Amen.‹« Die letzten Worte sagte der Mann mit großer innerer Betroffenheit. Es blieb einen Augenblick lang still. Der kleine Wilhelm zupfte dabei an der Scheide des Säbels. In Gedanken strich der Mann über die blonden Locken des kleinen Jungen. »Bist du verheiratet?«, fragte Mutter. »Es ist in dieser Zeit doch ein gefährlicher Beruf, dem du nachgehst.« »Ja«, erwiderte der Mann, »ich habe auch zwei kleine Kinder. Und ich habe bereits mehrere Male meine Haut retten müssen, indem ich mich versteckte oder durch einen schnellen Ritt die mich verfolgenden Soldaten abschütteln musste. 25


Während dieser Unterhaltung kamen der Schmied und sein Knecht Kaspar herein. »Ich sehe, dass meine Frau bereits für dich gesorgt hat«, sagte der Schmied, als er seinen Platz am Tisch einnahm. Als Mutter auch die beiden Männer mit Bier versorgte, zückte der Kurier seinen Geldbeutel, um zu bezahlen. Vater entgegnete dem sympathischen Reiter: »Das macht einen halben Taler. Die Unterbringung des Pferdes im Stall ist gratis. Das habe ich gerne für eine gute Sache übrig.« Inzwischen gingen Johann allerlei Gedanken durch den Kopf. Sollte er es fragen dürfen? Dieser Fremde war nicht so viel älter als er, vielleicht sechs- oder siebenundzwanzig. Doch es schien, als habe er etwas von dem Glauben des alten Waldhüters. Und langsam wurde Johann klar, dass ihn allein der wahre Glaube an und durch Christus erlösen konnte. Er fragte den Kurier: »Du meinst also, dass Doktor Martin Luther die Reformation allein durch seinen starken Glauben begonnen hat?« Der Mann schaute ihn an. Dabei legte er eine kleine silberne Münze auf den Tisch und dankte dem Vater, während er ihm das Geldstück zuschob. Dann sagte er bedächtig: »Das ist sicher. Du musst recht verstehen, junger Mann, dass Gott ihm den Glauben geschenkt hat. Aus eigener Kraft hätte Luther, als einfacher Mönch, niemals allein gegen die mächtige Weltkirche ankämpfen können.« »Das ist richtig«, sagte Johann. »Doch was ist denn der wahre Glaube? Es werden doch nicht alle Menschen erlöst, sondern nur diejenigen, die diesen Glauben haben, oder?« Der Kurier antwortete: »Das stimmt. Und meiner Ansicht nach ist der wahre, rettende Glaube die Gewissheit, dass alles, was in Gottes Wort steht, die Wahrheit ist. Außerdem gehört dazu, dass der Heilige Geist im Herzen und Verstand 26


das feste Vertrauen bewirkt, dass meine Sünden durch Jesu Christi Opfer am Kreuz bezahlt und vergeben sind.« Alle blickten ihn nach diesen Worten interessiert an. Kaspar sagte daraufhin, was alle empfanden, und sprach in sehr freundlichem Ton: »Das hast du gut gesagt, Freund. Du könntest sehr wohl Lehrer anstelle eines Kuriers sein.« »Nun, dass würde nichts werden. So gelehrt bin ich nicht, jedoch habe ich Dutzende Male gelesen, wie es Luther in seinem Leben erging. Wie viele Jahre hat doch dieser Mann versucht, aus eigener Kraft erlöst zu werden. Was hat er nicht alles versucht und getan, um Vergebung der Sünden zu erlangen, so wie es die katholische Kirche und der Papst lehrten! Mitunter erging es ihm so schlecht, dass er davon krank wurde. Das dauerte solange an, bis er endlich in der Bibel den Vers Römer 1,17 las: ›Der Gerechte wird aus Glauben leben.‹ Er hatte das zuvor gewiss schon öfter gelesen, doch nun, zu Gottes Zeitpunkt, brach das Licht in die Dunkelheit seines ängstlichen Herzens. Nicht die Gerechtigkeit seiner eigenen guten Werke oder die Kraft eines selbst gemachten Glaubens, sondern die Gerechtigkeit Christi war die Quelle seiner Errettung. All die langen, bitteren Jahre hatte er an verkehrter Stelle gesucht und dann hat Gott es ihm ohne weiteres umsonst offenbart. Im Grunde hat er gelernt, dass Gott den Frieden durch den rettenden Glauben schenkt. Die eigenen Anstrengungen des Sünders fügen nichts hinzu. Luther hatte bis dahin gedacht, dass der Mensch hierzu selbst alle seine Kräfte aufbieten müsste. Darum war es kein Wunder, dass alle Leute in seinem Umfeld merkten, dass er etwas Großartiges erkannt hatte. Luthers Ketten waren gesprengt. Durch die Liebe zu Gott wurden seine Predigten lebendiger, ebenso auch die Liebe zu seinen Mitmenschen. Die ganze Bibel erkannte er als lebendig. Von diesem Augenblick an hat er Jesus als 27


den vollkommenen Erlöser verkündigt und die freie Gnade Gottes: Der Mensch kann nichts hinzutun. Welch ein Leben begann dann für Luther aus lauter Dankbarkeit! Dies hat uns bis zum heutigen Tag Segen gebracht.« Mit Erstaunen hatte die Familie des Schmieds ihm zugehört. Mutter reagierte spontan: »Bleib doch heute Abend noch bei uns zum Essen. Dann kannst du gleich darauf mit meinem Mann, Kaspar und Johann zur Versammlung gehen.« Der Kurier, der das Wohlwollen spürte, antwortete: »Ja, das wäre gut, wenn ich euch nur nicht zur Last falle.«

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Die Versammlung

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ach dem Abendessen wussten der Schmied und die Seinen, dass der Kurier Karl hieß. Der hatte gefragt, ob sie am heutigen Abend eine Mehrheit für den Beitritt zum Städtebund erwarten könnten. »Nun, dass ist noch völlig ungewiss«, sagte der Schmied. »Die knappe Mehrheit in unserer Stadt ist zwar lutherisch oder calvinistisch, doch die meisten Vorsteher und die reichen Bürger sind noch katholisch. Sie sind von jeher die Einflussreichsten. Auch in unserer schönen Marien-Kirche wird noch immer die Messe durch den Priester gelesen. Und die Mönche aus dem Kloster besitzen sehr viel Grund und Boden rund um unsere Stadt.« Um zehn vor acht brachen die vier Männer auf und begaben sich zum ›Schwarzen Adler‹. Dort war es sehr belebt. Sie fanden mit Mühe noch einen Platz hinten im großen Saal. Gegen acht Uhr mussten sich Nachzügler sogar mit einem Stehplatz im Gang zufriedengeben. »Warum konnten wir auch nicht den Hochzeitssaal im Rathaus nehmen?«, rief der Torwächter ergrimmt. »Es ist doch im Interesse der Stadt, dass wir hier beisammen sind?« »Ja, oder die große Halle des Klosters«, lachte Johann. Er kannte den Torwächter gut. Dieser sagte oftmals etwas sehr spontan und dachte erst später darüber nach. Das konnte an einem Abend wie diesem wie eine Explosion wirken. Um fünf nach acht ging einer der Stadträte nach vorn zum Podium und stellte sich hinter das Rednerpult. 29


Er erhob seine Hand und unter den dicken, jahrhundertealten Balken wurde es stille. »Männer, ich möchte euch im Namen der Stadtverwaltung willkommen heißen und dies gilt insbesondere für den Abgeordneten unseres Landesherren und den Kurier, der aufgrund seiner Ermächtigung durch den Städtebund hier an diesem Abend anwesend ist. Wir alle wissen, worum es bei dieser Zusammenkunft geht. Die Frage lautet: Müssen wir unsere Stadtwache verdoppeln und hierbei so viel Freiwillige wie möglich bewaffnen? Und sollen wir uns an den Städtebund anschließen, um uns gegenseitig zu helfen? Ich gebe sogleich das Wort an die beiden Sprecher, doch zuerst werde ich die Auffassung unserer Stadtverwaltung mitteilen. Danach wird dann jedem, der möchte, Gelegenheit geben, Fragen zu stellen oder seine Meinung zu äußern. Anschließend sollte es zur Abstimmung kommen.« Johann blickte umher. Er erkannte in einer Ecke einige Mönche und den Prior des Klosters. Es verwunderte ihn, dass diese hier anwesend waren, doch auf der anderen Seite, waren auch sie Einwohner, hatten Stimmrecht und … sie wollten natürlich gleichzeitig über die neuesten Entwicklungen auf dem Laufenden sein. Der Vorsitzende fuhr indessen fort mit seinem Anliegen. Er sagte, dass ihm wohl jeder darin zustimme, dass diese Zusammenkunft aus Furcht heraus zustande gekommen sei – aus Angst vor einem Übergriff durch umherziehende Soldatentrupps. Und er äußerte, dass Furcht ein schlechter Ratgeber sei. Deshalb wolle die Stadtverwaltung vorläufig abwarten. »Selbstverständlich müssen wir vorsichtig sein und die Anzahl der Wachen an den Mauern und Toren verstärken. Unser tapferer Torwächter sollte dies dann organisieren. Und das Wichtigste ist: Die Stadtverwaltung möge ein ehrerbietiges Schreiben an Kaiser Ferdinand von Habsburg 30


richten, worin wir seinen Schutz ersuchen. Er ist schließlich als höchster Regent über uns gestellt, und wenn wir seine Zusicherung mit kaiserlichem Siegel auf Papier vorweisen können, müsste doch eigentlich jeder Offizier, der mit seinen Soldaten vor unsere Stadt kommt, zurückschrecken.« Einer der Anwesenden sprang auf und rief erbost: »Die Soldaten von Tilly (das war der General des Kaisers), diese Schurken und Mörder, können nicht einmal lesen, Mann! Wenn es schiefgeht, schlägt er euch euer eigenes Papier um die Ohren! Die sind allesamt große Verbrecher, die am höchsten Baum aufgehängt werden müssen!« Er schrie diese letzten Worte heraus und eine Woge der Entrüstung ging durch den Saal. Die Männer wussten, dass der einzige Bruder des Sprechers samt dessen Frau und ihren zwei Söhnen durch Tillys Soldaten getötet worden war. Ihr abgelegener Bauernhof wurde geplündert und in Brand gesteckt. Schließlich fand man ihre verstümmelten Leichen. Einer der Knechte hat es aus der Ferne ansehen müssen. Es war schrecklich; aber viele arme Menschen aus der ganzen Provinz waren zu ähnlichen Opfern geworden. »Schweig jetzt, Freund! Erst müssen die anderen Redner an die Reihe kommen und dann bist du wieder dran«, sagte der Vorsitzende. Der Torwächter, der sich auch erhoben hatte, merkte, dass Johann an seinem Ärmel zog und nahm wieder Platz. Dann gab der Vorsitzende das Wort zunächst an den Abgeordneten des Landesfürsten Friedrich von der Pfalz. Der alte Edelmann kam nach vorne. »Ich überbringe euch die Grüße meines Herrn Friedrich dem Fünften. Er ist, wie ihr wisst, ein König ohne Land. Als wir mit unserer Armee in Böhmen die Protestanten unterstützten, nachdem sie unseren Fürsten zum König ausgerufen hatten, ist unser Heer gemeinsam mit dem Heer der Böhmen vernichtend geschla31


gen worden. Es sah erst so gut aus, als Friedrich in Prag zum König von Böhmen gekrönt wurde. Er hatte bereits Pläne, mit den Protestanten in England und den Niederlanden zusammenzuarbeiten. Er wollte die Freiheit des Gottesdienstes und beabsichtigte, die Macht des Kaisers zu bändigen, doch leider zog uns der unbesiegbare Feldherr Tilly im März mit einer mächtigen Armee entgegen. Am Weißen Berg wurden wir durch das kaiserliche Heer geschlagen. König Friedrich konnte mit Mühe und Not fliehen, und ganz Böhmen wurde durch die kaiserlichen Truppen besetzt. Ich würde es nahelegen, fürs Erste dem Rat der Stadtverantwortlichen zu folgen. Ich sage dies möglicherweise aus anderen Gründen als ihr Vorsitzender.« Einige Männer schmunzelten und dachten sich: ›Das ist wohl wahr, doch der Kerl plädiert am Ende immer für Rom und den Kaiser.‹ Der Edelmann fuhr fort: »Die kaiserlichen Truppen zeigen sich stets mehr in unseren Gegenden. Als zersplitterte Protestanten können wir nicht viel mehr tun, als abwarten oder flüchten. Ich hoffe von Herzen für euch, Gott möge es schenken, dass in unserem Lande jeder in Frieden und Freiheit seinen Glauben bekennen darf und wir dennoch zusammenarbeiten können.« Karl begab sich hinter das Rednerpult. Das Stimmengewirr verstummte und der Kurier ging ohne Weiteres zum Angriff über. »Männer, der Vorsitzende hat darüber gesprochen, dass ›Angst ein schlechter Rategeber‹ sei. Jedoch deshalb abzuwarten und auf einen Brief des Kaisers zu hoffen, das gleicht mehr dem Verhalten, das man dem Vogel Strauß nachsagt. Der steckt den Kopf in den Sand, wenn Gefahr droht, und wird somit eine leichte Beute für die Jäger. Und Jäger nach Geld und Gut und unschuldigem Blut, die schwirren doch momentan überall herum. Wie viele Bauern und 32


andere Bürger sind dem schon zum Opfer gefallen! Ihr müsst euch bewaffnen mit allem, was ihr zu fassen kriegen könnt. Alle Männer und Jungen müssen sich beteiligen. Ihr müsst sogar Übungen abhalten, so dass beim ersten Alarm jeder richtig helfen kann, die Mauern und Tore zu verteidigen. Lasst euch nicht zum Narren halten. Ich bin in Böhmen gewesen. Schrecklich viele Protestanten wurden dort getötet, ihre Kirchen geschlossen und Tausende Menschen sind geflüchtet. Über große Teile dieses armen Landes ist die Geißel des Krieges gezogen und ich befürchte, dass der protestantische Glaube beinahe ausgerottet ist. Wenn ihr euch mit aller Kraft dafür einsetzt, könnt ihr Angehörige unseres Städtebundes hier in der Pfalz werden. Im Augenblick wagen die kleinen Gruppen von Soldaten nur noch die Dörfer und kleineren Städte anzugreifen. Wenn ihr dann beim ersten Alarm ein paar schnelle Boten nach den anderen Orten sendet, dann können wir einander helfen. Wir könnten so einen halben Tag später einige hundert Reiter zusammenhaben, um Hilfestellung zu geben. Erweist euch als tapfere Männer und kämpft um euer Leben und das eurer Familien. Von Tilly habt ihr nichts Gutes zu erwarten. Ich habe gesprochen.« Karl ging zurück auf seinen Platz. Nach seiner beherzten und klaren Darlegung blieb es einen Augenblick lang still. Der Torwächter erhob sich und sagte spontan: »Ich habe bestimmt fünf Männer, die mir helfen wollen, um die Verteidigung der Stadt in rechter Weise anzupacken. Wir können bereits morgen beginnen.« Darauf stand einer der reichsten Bürger der Stadt auf. Er besaß viele Häuser und Ländereien in der ganzen Umgebung. Er sagte: »Männer, ich würde doch vorsichtig sein, denn wenn wir es so angehen, wie unser Torwächter und andere es gerne wollen, dann wird es bald überall bekannt werden. Und dann werden wir es womöglich schon bald mit 33


Tillys großem Heer zu tun haben. Dann sind wir Aufständische gegen den Kaiser. Und jeder hier weiß, wie Seine Majestät darüber denkt. Nur wenn jeder zur katholischen Kirche zurückkehrt, kommt der Frieden wieder, und dies wird das Beste für alle Untertanen des Kaisers sein.« Dann rief jemand aus dem Saal: »Es wird niemals geschehen, dass jedermann wieder katholisch wird. Die ›allein selig­machende Kirche‹ unter der Leitung des Papstes hat zu lange die Menschen betrogen und zu viele wirkliche Christen auf grausame Art und Weise umbringen lassen. Und der Kaiser unterstützt diese Schwindler. Es ist wieder genauso wie früher. Johannes Hus, der Reformator Böhmens, hatte zu seiner Zeit das Versprechen des Kaisers, dass er sich gefahrlos auf dem Konzil von Konstanz verteidigen könne. Wir alle wissen, wie das ablief. Der Kaiser hat sein Versprechen des sicheren Geleits aufs Niederträchtigste gebrochen. Sie haben Johannes Hus um seines Glaubens willen auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Müssen wir solchen Regenten und Fürsten, die so mit ihren Untertanen umgehen, gehorchen? Brauchen die ihre Nächsten denn nicht zu lieben?« Nach diesen Worten entstand helle Aufregung. Der eine sagte dies, der andere wieder etwas anderes. Es drohte, zu einer großen Verwirrung auszuarten. Deshalb erhob sich der Prior, der Leiter des Klosters. Die Männer schwiegen verdutzt. Durfte dieser Mann hier noch etwas von sich geben? »Männer, hört einmal zu. Es ist sehr schwierig, aber über eine Sache sind wir uns doch alle einig. Er ist für jeden erforderlich, dass wir am Wesentlichsten unseres christlichen Glaubens festhalten. Die zwölf Artikel des christlichen Glaubens sind für jeden von uns von höchstem Wert. Die bekannten Worte: ›Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und 34


an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria …‹ und die anderen acht Artikel kennen wir alle. Können wir von daher nicht in Frieden zusammenleben und zusammenarbeiten? Jeder kann in unser Kloster kommen, um über die Unterschiede zu sprechen. Dies ist doch eine bessere Art und Weise, als uns gegenseitig mit Feuer und Schwert zu vernichten!« Währenddessen hatte sich der Torwächter umgeschaut und still für sich abgezählt. Wenn es auf Stimmen ankommen würde, sollten die Protestanten schon gewinnen können, zumindest … wenn sie alle den Plan des Kuriers und den seinen richtig finden würden, doch das war noch die große Frage. Auch nach den Worten des Mönchs erhob sich wieder lautes Stimmengewirr und alle gaben ihre Meinung an ihre Nachbarn weiter. Auch der Stadtverantwortliche, der an jenem Abend die Leitung hatte, beratschlagte sich mit seinen Kollegen. Dann marschierte er nach vorne und rief: »Wir sollten zunächst eine kleine halbstündige Pause einlegen, da kann jeder auf Kosten der Stadtverwaltung etwas zu trinken bekommen. Danach gebe ich noch kurz Gelegenheit für weitere Fragen oder Bemerkungen. Danach sollten wir zur Abstimmung kommen.« Einen Augenblick später blickte der Schmied über seinen Krug Bier gelassen um sich. Er dachte: Es scheint gerade so, als ob sich die Menschen zunehmend in zwei Lager teilen. Nein, daraus kann nichts Gutes werden. Er sann darüber nach, wie er der drohenden Zwietracht zuvorkommen konnte. Johann richtete sich an den Boten: »Karl, ist es wahr, dass alle – Lutheraner, Calvinisten und Katholiken – die zwölf Artikel des Glaubensbekenntnisses als das Wesentliche des christlichen Glaubens anerkennen?« 35


»Ja, das ist so, aber damit erschöpft sich auch das Gemeinsame, Johann. Diese Artikel werden wohl fast alle auswendig können; aber danach zu leben, ist etwas völlig anderes. Abgesehen davon, scheint der Prior des Klosters mir gar nicht mal der Übelste zu sein.« »Nein«, erwiderte Johann, »das ist er bestimmt nicht. Er ist ein freundlicher Mann, der immer Frieden sucht. Ich glaube nicht, dass er die Ketzer foltern oder verbrennen will. Aber er gehört zu einer Minderheit. Es gibt bedauerlicherweise genügend Leute, die so fanatisch sind, dass sie sogar Frauen und Kinder umbringen würden.« Die halbe Stunde war bereits vorüber, als die Bediensteten des ›Schwarzen Adlers‹ noch immer mit Bierkrügen umherliefen. Da die Getränke an jenem Abend kostenlos waren, hatten einige Männer offensichtlich besonders viel Durst. Dann eröffnete der Vorsitzende die zweite Hälfte der Zusammenkunft und erkundigte sich, ob noch jemand das Wort ergreifen möchte. Während es einen Augenblick lang still blieb, erhob sich der Schmied. Er sagte mit seiner tiefen Stimme: »Männer, wir befinden uns in einer sehr schwierigen Lage.« Es wurde mucksmäuschenstill. Der Schmied genoss in der ganzen Stadt Respekt, und sie wussten, dass er überall das Eisen schmiedete, solange es heiß war. »Der Prior hat darüber gesprochen, in Frieden zusammenzuarbeiten. Er ist ein friedfertiger Mann, und glücklicherweise sind in unserer Stadt noch viele Menschen, die so denken wie er. Und lasst uns nicht vergessen, wir sind nicht nur Bürger, sondern oft auch Familienmitglieder, Nachbarn oder Kollegen voneinander. Wenn aber unsere bedeutsamsten, gelehrtesten und achtbarsten Männer nicht auf eine Linie mit der katholischen Kirche kommen, dann können wir es als einfache Menschen sicher auch nicht. Ich 36


befürchte, dass der Papst und seine Prälaten aber ihre Sache durchsetzen wollen: Friss oder stirb! Und solange der Papst den Oberherrn spielen will, selbst über Könige und Kaiser, und weiterhin in Saus und Braus leben möchte, sehe ich keine Aussicht auf Verbesserung. Eine breite, allgemeine Rebellion unserer Stadt fordert eine Belagerung durch Tilly und sein großes Heer regelrecht heraus, und da dieser Mann noch nie auf dem Schlachtfeld besiegt wurde, fürchte ich, dass auch der Städtebund uns nicht zu helfen vermag. Welch eine Situation ist es doch, in der wir uns befinden! Was steht uns noch bevor! Gott allein weiß es, und ich bete jeden Tag, dass er sich über unser armes Volk erbarmen möge. Aber wir müssen nicht nur beten, sondern auch handeln. Ich schlage vor, die Stadtwache um etwa dreißig Freiwillige zu erweitern. Dies kann uns in Zeiten wie diesen schließlich niemand verübeln. Sollte sich dann eine kleine Gruppe Reitersoldaten wie die wilden Tiere aufführen wollen, dann können wir einander helfen. Fürs Erste braucht der Städtebund aber nur für Benachrichtigungen zu sorgen. Ich werde mich der etwa fünf jungen Männer annehmen, die sich im Augenblick auf den Anhöhen rund um die Stadt befinden, dass sie besser lernen, ein Auge darauf zu werfen, ob Gefahr droht. Rudolf, unser Torwächter, kann sich sicher um die notwendige Ergänzung und Ablösung der Wachen kümmern. Es tut mir so sehr leid für meine jungen Freunde, die so gern alles für die gute Sache tun möchten. Aber ich denke, dass Weisheit im Augenblick wichtiger ist, als auf Stärke zu hoffen. Ich danke euch.« Sofort sprang der Vorsitzende auf. Er witterte seine Chance, mit ein wenig Glück die Zusammenkunft zu einem guten Ende zu führen. Er schritt nach vorne und rief über die Köpfe der Männer hinweg: »Dann möchte ich mich gerne dem Vorschlag unseres Schmiedes anschließen und fragen, 37


ob jemand dagegen ist. Der sollte sich dann erheben und erläutern, warum.« Es blieb still. Niemand stand auf. Darauf hatte der Stadtverantwortliche gehofft. Er sagte dann auch sehr rasch: »Dann sollten wir seinen Vorschlag in die Tat umsetzen. Der Kurier bekommt heute Abend noch ein offizielles Schreiben von uns mit. Und dann möchte ich jedem für seine Anwesenheit und seine Mitarbeit danken und wünsche euch allen einen guten Heimweg. Auf Wiedersehen.« Die Männer erhoben sich gruppenweise, und lebhaft miteinander redend verließen sie den ›Schwarzen Adler‹. »Begleite uns noch ein wenig bis zu unserem Haus, Karl. Ich habe dir noch etwas zu sagen«, bat der Schmied. Karl nickte und erwiderte: »Ich muss nur kurz den Vorsitzenden fragen, wann ich den Brief abholen kann.« Etwas später waren sie unterwegs zum Hause des Schmiedes. Gespannt blickten Mutter und Anna auf die Männer, als diese eintraten. »Um zehn Uhr kann ich den Brief abholen. Doch wir wissen bereits, dass dieser Ort sich nicht am Städtebund beteiligt.« Während dieser Worte schaute Karl den Schmied vorwurfsvoll an. Dieser meinte verständnisvoll: »Bist du enttäuscht, dass ich deinen Vorschlag nicht vollständig unterstützt habe?« »Nun, ehrlich gesagt, schon« entgegnete Karl. »Und wenn du vorhin ebenso mannhaft gesprochen hättest, wie ich es sonst von dir kenne, hätte es sicherlich zur Zustimmung gelangt. Gemeinsam sind wir stark, das denke ich zumindest.« »Ich habe bereits genug Bier, Mutter«, sagte Johann, als seine Mutter die Becher auf den Tisch stellte. Dann berichtete der Schmied, was an diesem Abend beschlossen worden war. Er versuchte, Karl zu überzeugen, welche Gefahr für ihre Stadt bestand, wenn Tilly sie um38


zingeln sollte. Aber auch davon, dass die verbündeten Städte aufgrund der weiten Entfernung zu spät eingreifen würden, selbst wenn nur eine kleinere Heeresgruppe die Stadt angriffe. Die anderen Städte des Bundes lagen viel dichter beieinander, doch auch wenn die Reiter schnell wären, benötigten sie mehr als sechs Stunden, und damit kämen sie zu spät. Mutter schaute zu dem Kurier hinüber. Sie verstand nun dessen Enttäuschung. Sie fragte: »Karl, du darfst gerne bei uns essen und übernachten, dann kannst du am Montagmorgen auch früh aufbrechen.« »Ich danke dir für das freundliche Angebot, doch ich habe die Unterkunft im ›Schwarzen Adler‹ bereits bezahlt, und darum ist es unnötig, ein Bett für mich zu richten.« »Nun, dann übernachte im ›Schwarzen Adler‹ und morgen besuchst du mit uns die Kirche. Und danach kommst du dann zu uns zum Essen.« »Ja, Karl, mach das so«, sagte Johann. »Dann kannst du uns noch etwas mehr über den Feldzug in Böhmen erzählen.« Karl stimmte zu, denn er fühlte sich trotz seiner Enttäuschung bei dieser Familie wie zu Hause. Darüber hinaus begriff er den Standpunkt des Schmiedes nun besser. Das sagte er ihm auch ehrlich. Und dann äußerte der Schmied zu Karls Überraschung seine tiefsten Gedanken. Geheimnisvoll senkte sich seine Stimme: »Karl, hat der Städtebund auch um Hilfe im Ausland ersucht?« »Soweit ich weiß, nicht. Unser Fürst Friedrich der Fünfte hatte bereits um Unterstützung gebeten. Denn seine Familie ist mit dem Fürstenhaus Oranien verwandt, das in den Niederlanden gegen das katholische Spanien kämpft. Außerdem ist er verwandt mit dem König von England. Doch durch die entsetzliche Niederlage in Böhmen am Weißen Berg ist daraus nichts geworden. Aber warum fragst du danach?« 39


Der Schmied sagte nachdenklich: »Wir müssen auf Gott vertrauen und ihn an aller erster Stelle um Hilfe bitten, aber daneben müssen wir Hilfe aus dem Norden suchen. Ein Freund und Kollege von mir aus einer Stadt an der Ostsee ist ein tüchtiger Waffenschmied. Vor allem das Gießen von Kanonen ist seine Spezialität. Von ihm habe ich erfahren, dass die Schweden ein fortschrittliches und starkes Heer mit einer starken Artillerie aufbauen. All diese Menschen sind Lutheraner. Sollten die uns nicht zur Hilfe kommen können? Dieser Gedanke beschäftigt mich schon lange. Ich würde mich persönlich dafür einsetzen, das zu prüfen.« Verwundert blickte auch Johann seinen Vater an. Er dachte: ›Vater ist oft tagelang sehr schweigsam, man weiß allerdings nie, was sich alles hinter seiner hohen Stirn abspielt. Das zeigt sich heute Abend auch wieder.‹ Während sie am Tisch versammelt waren, meinte Karl: »Ich werde deine Frage gewiss den anderen Verantwortlichen unterbreiten. Falls dies jemals durchführbar wäre, würde uns das in der Tat einen hellen Hoffnungsschimmer geben.« Auch Mutter und Anna hörten sehr aufmerksam zu, und Mutter fragte dann: »Wie denkst du darüber, Kaspar?« Alle Blicke waren auf den alten Knecht gerichtet. Er war noch schweigsamer als der Schmied, doch die ganze Familie wusste, dass er der Sache der Protestanten gegenüber herzlich zugeneigt war. Kaspar meinte: »Wenn die Schweden uns zur Hilfe kommen, wäre das sehr gut. Bloß dann stellt sich doch die Frage, ob sie, rein menschlich gesprochen, gegen das mächtige Heer des Kaisers siegen können. Es ist leider Tatsache, dass sein höchster Feldherr, der Tilly, noch keine Schlacht verloren hat. Doch wisst ihr, was ich so schlimm finde? Dass wir Protestanten so gespalten sind. Einige lutherische Kurfürsten arbeiten gegen andere, die eher die Lehre Calvins vorziehen. 40


Es sollten durchaus zwei unterschiedliche Richtungen existieren können, doch das diese sich gegenseitig unterstützen müssten, steht außer Frage. Wie bedauerlich ist der Streit unter den Protestanten doch. Johann, dein Vater hat uns vor Jahren einmal einige Bücher von Melanchthon vorgelesen, weißt du das noch? Es hat mich damals sehr getroffen, dass dieser edle Freund Martin Luthers schon zu jener Zeit versuchte, die Protestanten zu vereinigen. Er war ein Mann des Friedens, und darum hatte er auch sein Leben lang Kummer über all diese Uneinigkeit. Wir müssen einfach einmütiger werden, sonst sehe ich die Schweden noch nicht so bald hier, besonders hier bei uns in den südlichen deutschen Ländern.« All diese Dinge erörterten die Freunde noch eine Zeit lang, dann meinte der Schmied: »Es wird allmählich Zeit, zu Bett zu gehen. Du musst den Brief noch abholen, Karl!« Karl sprang auf. Er bedankte sich für alles und fragte, wann sie morgen bereit sein müssten, um die Kirche zu besuchen. »Ach, wenn du morgen um neun Uhr hier bist, ist es früh genug.« Der Schmied ging noch kurz mit zur Tür, um sie zu verschließen, und daraufhin begaben sie sich zu Bett. Noch lange lag Johann da, den Kopf auf seine Arme gestützt, und starrte in die Dunkelheit. So viele Gedanken gingen durch seinen Kopf. ›Wie glücklich war der alte Waldhüter doch‹, dachte er, ›und Karl bestimmt auch. Sollte ich ihn fragen dürfen, vielleicht morgen? Und wenn er jetzt selbst bald getötet werden sollte, wenn es zu den erwarteten Kämpfen käme, was dann?‹ Denn dass es Krieg gäbe, schien ihm sicher zu sein. Doch Sterben bedeutete Gott gegenüberzutreten, und dann käme das Gericht. Er konnte so nicht sterben, weil er dann für ewig verloren wäre, wie er dachte. Er versuchte, 41


das Glaubensbekenntnis auswendig aufzusagen, doch selbst das konnte er nicht. Da wird doch von einem dreieinigen Gott gesprochen? Von Gott dem Vater und von unserer Erschaffung, von Gott dem Sohn und unserer Erlösung, und von Gott dem Heiligen Geist und von unserer Heiligung. Drei Personen und doch ein Gott. Und dann kommt das wichtigste Werk Gottes, die Vergebung der Sünden. Wie schwer war das alles zu begreifen. Er faltete seine Hände unter der Decke und betete: »Herr, hilf mir! Oh Gott, lehre mich durch deinen Geist und dein Wort, was ich wissen muss, um selig zu werden! Schenke mir ein neues Herz. Mein Herz ist erfüllt mit weltlichen Dingen und sündigen Gedanken.« Nach dem Gebet sann er noch nach über den dreieinigen Gott. ›Verhält es sich wie mit den Wurzeln, dem Stamm und den Zweigen, die dennoch einen Baum darstellen? Oder ist das vielleicht kein gutes Beispiel? Diese Frage muss ich ebenfalls einmal mit dem alten Waldhüter klären.‹ Dann fiel Johann in den Schlaf. Denn die Nacht hatte längst das stille, dunkle Städtchen im weiten Pfälzerwald in tiefe Dunkelheit gehüllt.

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Der gleiche Glaube

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b es an dem schönen Wetter lag, dass der kleine Wilhelm schon so früh wach geworden war, wusste Johann nicht. Doch um halb sieben stand Wilhelm schon neben seinem Bett. »Hannes, auf!«, sagte er immer wieder und zog seinem großen Bruder an den Ohren. Dieser hatte nicht sonderlich lange geschlafen, aber er war jung und kräftig. So nahm er sein Brüderchen und setzte es mit einem mächtigen Schwung auf seinen Bauch. »So kleiner Halunke, kommst du, um mich jetzt schon zu wecken? Du bist sicher auch schon bei Anna gewesen, oder?« »Ja, Anna gewesen«, krähte Wilhelm. Johann warf sein Brüderchen in die Luft und fing ihn wieder auf. Der fand das prächtig. Einen Augenblick später sagte Johann: »Wilhelm, du musst im Bett von Hannes schlafen.« Er stieg aus dem Bett heraus und steckte sein Brüderchen unter die Decke. Wilhelm machte das Spielchen brav mit, doch bevor sich Johann ganz angekleidet hatte, schauten ihn die hellblauen Äuglein an. »Hannes, ich raus!«, rief er wieder. Johann riss das Fenster sperrangelweit auf und ließ die frische Morgenluft durch das Zimmer strömen. Er blickte über seinen alten Geburtsort. An diesem herrlichen Sonntagmorgen fiel das goldene Sonnenlicht auf all die blaugrauen Dächer. Plötzlich durchfuhr ihn ein Schrecken: ›Du darfst überhaupt nicht daran denken, dass dieser Ort durch Tilly ein43


genommen werden könnte! Wie viel Angst und große Not würde das geben!‹ Mittlerweile stand Wilhelm schon neben ihm und zog an seiner Hose. Er streckte seine Hände hoch. »Ich auch gucken, Hannes«, sagte er. Johann hob sein Brüderchen hoch, aber innerlich war er voller Furcht. Was konnte hier alles passieren? Sein Brüderchen würde vermutlich ums Leben kommen. Und wenn die Soldaten Menschen umbrächten oder verwundeten, dann würde sein Vater nicht tatenlos zusehen. »Oh Gott«, seufzt er, »mögest du uns bewahren? Du kannst doch alles!« Dann hörte er seine Mutter rufen. »Kommt ihr nach unten? Es wird langsam Zeit.« Mutter hatte es gern, wenn ihre ganze Familie gemeinsam frühstückte. Um Viertel nach neun bewegte sich die kleine Gruppe von der Schmiede zum Gottesdienst. Karl war dabei. Mutter blieb mit dem kleinen Wilhelm zu Hause. Ihnen kamen die Leute entgegen, die auf dem Weg zur katholischen Kirche waren. Die Marienkirche überragte mit ihren schönen Türmen alle anderen Gebäude. Der Schmied grüßte alle Entgegenkommenden. Er achtete alle Menschen und trat jedem mit Freundlichkeit und Respekt entgegen. Neben seinem fachmännischen Können hatte ihm vor allem dieses Verhalten Ansehen und Autorität bei nahezu allen Einwohnern verschafft. Das Grüppchen lief durch einzelne Straßen in Richtung Stadtmauer. Parallel zu deren Innenseite befand sich eine große längliche Scheune. Hierin kam die evangelische Gemeinde an den Sonntagen zusammen. Einen eigenen Pastor hatten sie nicht mehr, doch glücklicherweise kam oft ein Gastprediger zu ihnen. Der heutige Prediger hatte eindeutig den Glauben der Reformatoren. Er wählte das Lied Luthers, um es zum Anfang 44


gemeinsam zu singen. Wie prächtig und kraftvoll erklangen die Worte durch die offenstehenden Fenster und Türen: Ein’ feste Burg ist unser Gott, ein’ gute Wehr und Waffen … Danach las er den Predigttext vor, Jesaja 46,4, wo Gott sagt: »Ich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es tun, ich will heben und tragen und erretten.« Er unterteilte sein Thema ›Gottes Sorge um sein Volk‹ in zwei Hauptpunkte: ›Wer ist es, der sorgt?‹ und ›Für wen sorgt Er?‹ Nach seinem innigen und glaubensvollen Gebet las er zunächst, was für den 9. Sonntag in dem bekannten Heidelberger Katechismus angegeben war. Johann war erfreut darüber. In letzter Zeit las er selbst häufig in diesem Lehrbüchlein, das die wesentlichen Lehren der Bibel auf rechte Weise erklärte. Als er den Text des Predigers hörte, war er zunächst der Meinung, dass dieser Mann Mitleid mit den alten und betagten Menschen habe, die in dieser bedrohlichen Zeit lebten, in der sie sich nun zurechtfinden mussten. Doch im Laufe der Predigt merkte er schon bald, dass seine Auslegung für jeden von Bedeutung war. »Was versteht ihr unter den Worten: Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde?« Mit farbenprächtigen Worten schilderte der Prediger die Macht und Herrlichkeit seines Gottes und Königs, der alles erschaffen hatte, der aber auch durch seine ewige, unendliche Kraft noch alles tragen und erhalten würde. Er war die Quelle allen Lichts und Lebens. Er alleine war es auch, der durch die Gabe seines eigenen Sohnes, den gefallenen Sündern gnädig sein wollte. Der Prediger versuchte, seine Zuhörer davon zu überzeugen, dass Gott seine Schöpfung nicht 45


passiv wie eine aufgezogene Uhr ablaufen lässt, sondern dass seine väterliche Sorge sich in jedem Augenblick um alles, was lebt, aktiv bemüht. Außerhalb von Gott befände sich nichts als Kälte, Finsternis und Tod. Durch ihn aber seien nicht nur alle guten Dinge entstanden, sondern würden von ihm auch erhalten; er sorgt für sie. Dann legte der Prediger klar und deutlich seinen zweiten Punkt dar: Für wen sorgt Gott als ein Vater besonders? Er wies aufgrund des Wortes Gottes darauf hin, dass dies nicht für diejenigen gelte, die einen falschen Glauben haben. Der Herr Jesus sagt: »Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Königreich Gottes eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist.« Auch jene würden nicht in das Himmelreich eingehen, die sich vorgenommen haben, Jesus zu einem späteren Zeitpunkt annehmen zu wollen, den sie selbst für geeignet halten. Er erklärte: Gottes Gnade hängt nicht vom Sünder und seinem Willen ab, sondern von Gott selbst, der zu vergeben vermag und seine Gnade schenken kann. Allein Gott kann geistliches Leben geben. »Wenn auch der Papst aus Rom mit all seinen hohen Bischöfen und Kardinälen, ja alle Menschen auf Erden, euch für selig erklärten, und Gott, der gerechte Richter des Weltalls, dies nicht anerkennt, dann geht ihr ewig verloren. In Wirklichkeit ist alles völlig anders. Nur arme Sünder oder Sünder, die mit Herz und Seele, Gefühl und Verstand wissen, dass sie nichts anderes als Strafe verdient haben, gilt diese Gnade. Sie allein können betteln, so wie der Zöllner: ›Oh Gott, sei mir Sünder gnädig.‹ Solche nehmen nichts vorweg, denken sich auch selbst nichts aus, sondern warten, bis Gott sich ihnen gnädig erweist, wann es ihm gefällt.« Als Zwischengesang hatte der Prediger Psalm 145,1 gewählt. Und zuletzt sangen sie schließlich Psalm 139,1. In 46


diesem Vers bekannte der Psalmist David, was auch ein echter Christ oft denkt:

Herr, du erforschst mich und kennst mich. Ich sitze oder stehe auf, so weißt du es. Du verstehst meine Gedanken von ferne.

Nach dem Gottesdienst gingen unsere Freunde bald nach Hause. Zuvor grüßten sie aber die anderen Gemeindemitglieder, und Karl bemerkte, dass die Zusammenkünfte in Zeiten der Gefahr noch stärker besucht wurden als sonst. »Ja«, sagte der Schmied, »das schweißt zusammen. In Zeiten von Wohlstand und Frieden meinen die Menschen ja, Gott nicht mehr nötig zu haben.« Johann meinte: »Das ist aber ganz falsch. Aus Dankbarkeit für Frieden und Wohlstand sollten die Menschen erst recht mit Gott rechnen und ihm danken. Wenn ich es richtig verstehe, betrifft Gottes Vorsehung alle Dinge. Nicht allein hinsichtlich der Schöpfung, sondern auch bezüglich der Dinge wie Gesundheit und Krankheit, Reichtum und Armut, Regen und Dürre, Krieg und Frieden.« Karl erwiderte: »Ja, so ist nun einmal die allmächtige Kraft Gottes, sie ist überall gegenwärtig. Heutzutage aber vernimmt man manchmal merkwürdige Dinge. Ich hörte kürzlich, wie ein Prediger nach einem Todesfall zu der Familie sagte: ›Dies hat Gott so nicht gewollt.‹ Der Mann war bei einem Unglück umgekommen. Der Kummer war natürlich groß. Doch wenn man mit solchen falschen Worten getröstet wird, dient das nicht dem Heil der Trauernden. Zumindest heißt das ja doch, dass eine Macht existiere, die größer als Gott sei. Selbstverständlich züchtigt Gott nicht, um Menschen zu quälen. Und natürlich ist das 47


Sterben eine Folge unserer Sünden. Doch ich glaube fest daran, dass alle Dinge, auch die betrüblichsten, uns aus seiner väterlichen Hand zukommen.« Der Schmied sagte nachdenklich: »Aber gibt es dir wirklich Trost, Karl, wenn du weißt, das Gott in allen Dingen gegenwärtig ist?« »Ja, sicher«, antwortete Karl spontan, »das lehrt mich nicht nur, wie Johann es formulierte, im Glück dankbar, sondern auch in Rückschlägen geduldig zu sein. Und darüber hinaus kann alles, was sich in der Zukunft ereignen wird, nicht ohne Gottes Willen geschehen. Auch dann soll uns nichts von der Liebe Gottes scheiden können, da nichts gegen seinen Willen passieren kann.« Seine Stimme stockte an dieser Stelle. Es blieb einen Moment ruhig. Lag es daran, dass sie gerade aus der Kirche traten? Johann blickte zur Seite. Voller Mitgefühl nahm er jetzt in den Augen des tapferen Kuriers Tränen war. Mit zitternder Stimme sagte Karl einfach: »Ich glaube, dass Gott mein treuer Vater ist und bleibt, welcher um Christi Willen immer für mich sorgen wird. Wenn ich hiervon nicht so stark überzeugt wäre, würde ich meinen Beruf in dieser Zeit auch nicht mehr länger ausüben können. Denn mein Leben ist recht häufig in Gefahr.« Siehst du, dachte Johann plötzlich bei sich, er hat den gleichen Glauben wie der alte Waldhüter. Wie ist das möglich? Bei meinem Vater spüre ich davon manchmal etwas. Beim alten Friedrich sprüht es aus seinen Augen, wenn er darüber spricht. Aber die beiden sind schon älter. Karl ist noch sehr jung. Mutter sah sofort, dass alle sehr ernst aussahen. Sie wollte sie aufmuntern und sagte: »Lasst uns doch zum Essen nach hinten gehen. Es ist so schönes Wetter.« 48


Johann ging voraus. Zu seinem Erstaunen fand Karl hinter der Schmiede einen wunderschönen Garten vor. An dessen Hinterseite befand sich eine alte Mauer, die bis kurz vor das Wirtshaus reichte. Daran blühten die verschiedensten Kletterpflanzen, von denen die alte, steinerne Mauer fast gänzlich bedeckt wurde. Zwischen den Blumen und Pflanzen fanden sich darüber hinaus Gemüsebeete. In einer Ecke des Gartens stand eine Gartenlaube, die aus Eisenstangen gefertigt war. Auch diese war vollständig mit weißen und blauen Reben bewachsen. Es war sehr still hier. Jeder, der einmal hier war, mochte in all der Pracht gerne eine Zeit verweilen. »Was für ein wunderschöner Garten!«, meinte Karl bewundernd. »So etwas hätte ich hier hinten nie vermutet.« Der Schmied entgegnete lächelnd und mit einem gewissen Stolz: »Das ist das Werk meiner Frau und das von Kaspar. Sie bekommt die Ideen und er führt sie aus.« »Ich finde es wunderbar hier«, sagte Karl. »Obwohl alles durcheinander wächst und blüht, vermittelt es doch ein Gefühl der Ruhe.« Die Schmiedsfrau freute sich sehr über ein solches Kompliment: »Du hast es rasch erfasst, Karl. Viele Menschen können das gar nicht sehen. In den letzten zwei oder drei Jahren habe ich den Garten bewusst so angelegt. Die Ruhe entsteht, indem im gesamten Garten die gleichen Gruppen von grünen Pflanzen immer wieder auftauchen und auch die Steine immer die gleiche Farbe haben.« Während sich Mutter um Getränke und Kuchen kümmerte und Johann mit seinem Bruder spielte, unterhielt Karl sich mit dem alten Schmiedegesellen. Kaspar berichtete, dass er immer noch nicht verheiratet sei und daher viel Zeit in den Garten investieren könne. Seitdem sie den Pferdehof übernommen hatten, konnten sie über einen so großen Gar49


ten verfügen. All das Gemüse könnten sie gar nicht verwerten. Doch die Frau des Schmieds gab gerne etwas ab, somit sei das gar kein Problem. »Hast du noch mehr solch schöner Freizeitbeschäftigungen?«, erkundigte sich Karl. »Ja, ich bin auch ein großer Pferdeliebhaber. Ich besitze selbst eins, ein braunes. Ich mag sehr gern damit abends durch die Gegend reiten. Doch in letzter Zeit wurde daraus fast nie etwas. Übrigens hast du auch ein sehr schönes Pferd. Wie alt ist es?« »Wodan ist fünf Jahre alt«, antwortete Karl, »und er ist enorm stark und schnell. Neben Gott habe ich, rein menschlich gesprochen, diesem Pferd schon einige Male mein Leben zu verdanken. Es ließ meine Verfolger immer in kürzester Zeit hinter sich.« Das Gespräch führte sie nun wieder zu den gefährlichen Zeiten, in denen sie lebten. Nach dem Mittagessen liefen Karl und Johann durch das Städtchen. Der kleine Wilhelm schlief. Anna saß im Garten und las ein Buch. Als sie aufblickte, sah sie, dass nicht nur Vater und Mutter, sondern auch Kaspar in ihren bequemen Stühlen eingeschlafen waren. Sie lächelte. Es war ja auch ziemlich warm heute Mittag. Johann erzählte Karl etwas über die Häuser, ihre Besitzer und über die Betriebe, an denen sie vorbeikamen. An einer Stelle führte eine Treppe zur Oberkante der Mauer. Johann kannte hier jedes Eckchen. Wie oft hatte er hier mit seinen Freunden gespielt! Sie liefen an der Mauer entlang bis zum Haupttor. Oben hinter den schweren Türen lebte Rudolf, der Torwächter, mit seiner Familie. Er war Offizier in der Armee des Kurfürs50


ten gewesen und hatte später dankbar diese Arbeit und diese Wohnung angenommen. Die große Niederlage in Böhmen und der Verlust so vieler Freunde und Kameraden, auch in seinem eigenen Truppenteil, hatten ihn gegenüber allem, was katholisch war, stark verbittert. Diese Stellung als Torwächter hatte er nur deshalb bekommen, weil er als ein fähiger und tapferer Soldat bekannt war. Es gab allerdings auch Stadtabgeordnete, die den Beschluss, ihn zu ernennen, wieder rückgängig machen wollten. Denn Rudolf nahm kein Blatt vor den Mund, sondern äußerte immer offen seine Ansicht. Als Johann und Karl über die Mauer zum Torgebäude liefen, hatte Rudolf sie längst gesehen. In diesen gefährlichen Zeiten nutzte er einen Aussichtspunkt oben auf seinem Haus. Von dort konnte er die Umgebung ziemlich weit überblicken. Er winkte und rief: »Kommt doch mal nach oben!« Johann lachte und rief zurück: »Das haben wir überhaupt nicht vorgehabt.« Nun fing die kleine Glocke des Turmes der Marien-Kirche zu läuten an; ihr folgte die große Glocke. Der Klang ertönte an diesem windstillen Nachmittag sehr laut. Als Karl und Johann oben bei Rudolf ankamen, konnten sie sich kaum verständigen. Der alte Offizier wies auf eine Bank unter dem Vordach. Dies war ein schöner Fleck, der nach allen Richtungen eine gute Aussicht bot. Als die Glocken nach einigen Minuten schwiegen, meinte Rudolf: »Die Katholiken läuten immerzu, dass geht die ganze Woche durch. Sie haben so viele heilige Tage. Ich verstehe nicht, wann sie überhaupt noch zum Arbeiten kommen. Mein Vater sagte immer: ›Morgenstund’ hat Gold im Mund‹, die Katholiken aber sitzen schon morgens in der Frühmesse, um all ihre Heiligen anzurufen. Sie sollten sich besser gleich 51


nach dem Aufstehen an die Arbeit machen, denn diese toten Heiligenfiguren hören doch nichts.« Johann erwiderte: »Nein, nein, Rudolf, so dumm sind sie auch nicht. Sie wissen sehr wohl, dass diese Statuen in ihren Kirchen nichts hören können, doch meinen sie, die Heiligen, die sich im Himmel befinden, die sollen ihnen helfen. Die Figuren sollen ja nur an die Heiligen erinnern.« »Ich finde es einfach dumm«, sagte Rudolf, »und darüber hinaus wird durch das alles nur Jesus Christus beleidigt, denn er allein ist der Heiland. Das solltest du doch wissen, Johann! Ihr seid doch zuhause noch strenggläubiger als ich.« Er blickte dabei auch zum Kurier hinüber, als er das sagte. Karl meinte entschieden: »Das ist wahr, Rudolf. Gott selbst hat durch den Engel Gabriel den Namen Jesus – das heißt Heiland, Retter – kundgetan. Ich finde es immer merkwürdig, dass genau dieser Abschnitt der Bibel in Lukas 1 von den Katholiken gebraucht wird, um Maria so hoch zu verehren, wo es doch vor allem um Jesus geht, den Sohn des allerhöchsten Gottes. Er allein ist die Person, durch die wir gerettet werden können. Gott hat ihn gesalbt, also eingesetzt, und ihn uns als vollkommenen Erlöser gegeben. Uns ist nur ein einziger Name gegeben, durch den wir selig werden können, und das ist der Name Jesu.« »Nun, Johann, siehst du, dass ich Recht habe?«, sagte Rudolf. Er dachte: ›Der Kurier hat mehr von der Bibel in seinem Kopf als irgendein anderer. Er weiß sogar, wo es geschrieben steht.‹ Laut sagte er dann: »Es ist glasklar. Entweder muss Jesus der einzige, wirkliche Heiland sein, oder er ist gar nichts. Und wenn die Katholiken ihre Seligkeit bei etwas oder jemand anderem suchen, so irren sie sich gründlich!« »Ja, Rudolf, doch du mäkelst immer an den Katholiken 52


herum«, entgegnete Johann, »immerhin bleiben sie unsere Nächsten.« Rudolf brauste auf und sagte: »Diese Leute unterstützen mir viel zu viel den Mörder Tilly. Er und sein Gesindel müssen vom Erdboden vertilgt werden. Selbst ein unschuldiges Tier ist nicht sicher vor ihnen. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass vier oder fünf Soldaten mutwillig sogar einen Hund erschossen haben. Und dann war ich dabei, wie sie meinen verwundeten Männern die Kehle durchschnitten. Mann, wenn mein Gesicht nicht so blutüberströmt gewesen wäre und ich mich nicht totgestellt hätte, dann würde ich hier nicht stehen. Sobald ich die Chance habe, ihnen das heimzuzahlen, werde ich nichts unversucht lassen.« Vorsichtig meinte Karl: »Ich kann dich schon verstehen, Mann. Ich habe genau wie du genug von deren Grausamkeit gesehen. Doch Jesus ist der höchste Prophet, Priester und König. Er ist stark genug, selbst solche Männer zu verändern. Bevor ich gestern schlafen ging, habe ich in der Bibel gelesen, wie er Saulus, den grimmigen ›Löwen‹, bekehrt und sanftmütig wie ein Lamm gemacht hat. Und wir wissen alle, wie dieser Saulus später als Heidenapostel Paulus seinen Erlöser als den einzigen, vollkommenen Heiland verkündigt hat.« »Ich bin immer wieder erstaunt über deine Bibelkenntnis«, erwiderte Rudolf verblüfft. »Von dem können wir beide noch viel lernen, Johann.« Johann antwortete: »Du sagst es, Rudolf. Ich muss wirklich noch viel in meiner Bibel und in meinem Katechismus lesen.« »Wie kam es eigentlich dazu, dass du Kurier wurdest, Karl?«, fragte Rudolf daraufhin. Während die Männer hierüber redeten, fiel Johann auf, dass die scharfen Augen des Torwächters aus Gewohnheit stets in die Ferne schweiften. 53


Ihm wurde bewusst, dass Rudolf aufgrund der schrecklichen Dinge, die er mitgemacht hatte, so wachsam war. Nach einer Stunde nahmen die Männer Abschied voneinander. Sie waren sich einig, dass das Resultat der Versammlung irgendwie zu erwarten gewesen war. Rudolf berichtete außerdem noch, dass er bereits morgen die Männer aufsuchen werde, mit denen er die Stadtwache verstärken wollte. »Wenn du morgen früh nicht nach Frankenthal müsstest, dann hättest du auf der Hügelkuppe den Aussichtsposten belegen können«, sagte Rudolf zu Johann. »Das hätte ich sicherlich getan«, erwiderte Johann, »doch das geht nun leider nicht.« Auch hatte Johann sich bereits früher erkundet, ob der alte Friedrich nicht vor Gefahr warnen könnte, wenn er eine entdecken würde. Er hörte dann aber, dass der Waldhüter und der Torwächter bereits Vereinbarungen in diese Richtung getroffen hatten. Als die beiden zur Schmiede zurückgingen, fragte Karl: »Wie ist das eigentlich mit dir, Johann? Hast du noch keine Verlobte? Ich meine, ein so tüchtiger junger Mann wie du müsste das doch wohl zustande bringen können.« »Nun, auf diesem Gebiet bin ich sicherlich kein Held«, antwortete Johann. »Du willst doch nicht behaupten, dass du unsere Mädchen hier rings umher nicht hübsch genug findest?«, meinte Karl, um ihn ein wenig zu ärgern. »Nein, das nicht. Ich habe schon eine im Auge«, sagte Johann ganz leise. »Doch schweig hierüber bitte, denn das weiß bisher niemand. Das Mädchen selbst auch nicht. Sie wohnt in Frankenthal. Sie ist die Tochter eines reichen Bierbrauers dort; leider ist sie katholisch. Sie sieht wunderschön aus und hat dunkles Haar und blaue Augen.« Karl lächelte und schlug ihm auf die Schulter. »Na, Jo54


hann, kommt Zeit, kommt Rat, Mann! Das wird schon alles werden! Jetzt gehen wir aber erst einmal zu euch nach Hause. Beim Abendgottesdienst sprach der Prediger vom Morgen erneut. Der Mann versuchte deutlich zu machen, dass die Menschen in dieser wirren Zeit die Unterweisung aus Gottes Wort besonders nötig brauchten. Am heutigen Abend sprach er davon, wie Gott seine Pläne durchsetzt, nicht nur mit der ganzen Welt, sondern auch mit jedem von uns. Der treue Gott und Vater hatte seinen einzigen Sohn gegeben, um das große Werk auszuführen, Sünder zu retten und selig zu machen. Der hat uns den Willen Gottes kundgetan, um sein Volk zu erlösen. Und er selbst hat den höchsten Preis bezahlt. Sein eigenes Leben gab er als vollkommenes Sühnopfer für dieses Volk. Nun regiert er als König durch sein Wort und seinen Geist über seine Gemeinde. Er ist von Gott befähigt, berufen und eingeweiht um das Werk der Errettung bis zum Ende der Welt vollkommen auszuführen. »Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden«, hat Christus selbst gesagt. Und gern wendet er diese Macht an, um alle, die aufrichtig an ihn glauben, als deren eigener und vollkommener Heiland zu beschützen und zu bewahren. Karl war an diesem Abend noch einmal mit zum Haus des Schmiedes zurückgegangen. Dem Schmied, der beim kleinen Wilhelm zuhause geblieben war, dankte er herzlich. Und der Frau des Schmiedes nicht minder für ihre Gastfreundlichkeit. Auch die anderen empfingen einige herzliche Worte, als er ihnen die Hand zum Abschied reichte. Anna errötete dabei und hoffte, dass niemand es gesehen hatte. »Wann reist du morgen früh ab?«, fragte Johann. »Ich möchte bereits um fünf Uhr losreiten«, antwortete 55


Karl. »So früh steht Tillys Lumpenpack meistens noch nicht auf den Beinen.« »Für gewöhnlich beginne ich um halb sechs mit meiner Fußwanderung zur Arbeitsstelle«, meinte Johann, »doch dann stehe ich eben eine Stunde früher auf. Wir können dann gemeinsam durchs Stadttor gehen.« Schon bald fühlte sich Johann mit dem Kurier verbunden und wollte ihn gern noch etwas unter vier Augen fragen. Doch dann mischte sich der alte Knecht in das Gespräch ein: »Johann, wenn du willst, kannst du gerne mein Pferd nehmen. Aber pass gut darauf auf. Zurzeit mag es ja etwas sicherer sein als im letzten Jahr. Außerdem würde dem Tier ein langer Ritt am frühen Morgen guttun. Die letzten Wochen kam ich selbst nicht dazu.« »Gerne«, reagierte Johann überrascht. Eigentlich würde er das ganze Stück nach Frankenthal mühelos zu Fuß schaffen, doch gegen ein ausgezeichnetes Pferd hätte er nichts einzuwenden. Zudem könnte er dann Karl bis zur Wegkreuzung begleiten. »Ich danke dir für dein vortreffliches Angebot, Kaspar. Ich werde gut für das Tier sorgen.« Johann wusste sehr wohl, wie sehr Kaspar an seinem Pferd hing. »Falls du den schwarzen Sattel nimmst, kannst du zwei Halterungen anbringen, Johann. Dein Vater besitzt noch ein Paar gute Kavallerie­ pistolen. Man weiß ja nie.« »Nein, das lassen wir lieber«, entgegnete Johann. »Ich nehme lieber meinen Dolch.« In dieser Zeit besaßen alle jungen Männer solch einen Dolch, den sie für alles Mögliche gebrauchten. Dann machte sich Karl auf dem Weg zum ›Schwarzen Adler‹ und die Familie des Schmiedes suchte die Schlafkammern auf. Die Menschen gingen gewöhnlich früh zu Bett, standen dann jedoch auch früh wieder auf. 56


Auch am folgenden Morgen ging die Sonne in all ihrer Pracht auf. Johann meinte zu Karl, der neben ihm im Schritt ritt: »Sieh doch wie die Sonne emporsteigt, Karl. Wunderschön!« »Ja, Johann, heute bekommen wir schönes Wetter. Die Luft ist absolut rein. Liebst du auch die Natur, Johann?« »Ja«, antwortete Johann aus vollem Herzen. »Ich sehe hierin einen Teil von Gottes Größe. Ich habe einmal den Abt unseres alten Klosters eine Weihnachtsgeschichte erzählen gehört. Darin verglich er die Ankunft Jesu in Bethlehem mit dem Aufgang der Sonne am frühen Morgen. Er erzählte mit so viel Einfühlungsvermögen, dass ich es bis heute nicht vergessen habe. Und oft, wenn ich an einem schönen Tag die Sonne aufgehen sah, musste ich daran zurückdenken.« »Das ist auch ein sehr schönes Beispiel«, meinte Karl. »Jesus ist ja die Sonne der Gerechtigkeit, oder nicht? Allein seinetwegen kann Gott diese Welt mit seiner Liebe und Kraft erwärmen.« An diesem Morgen waren sie beinahe gleichzeitig in dem Pferdehof angekommen. Zu ihrem Erstaunen standen die Pferde bereits reisebereit hinter den Hoftüren. Über ihren Köpfen erklang eine tiefe Stimme vom Heuboden herab: »Ihr dachtet sicherlich, dass alte Menschen nicht mehr so früh aufstehen, was?« Der alte Kaspar lachte über ihre erstaunten Gesichter. Nachdem er die Leiter hinuntergestiegen war, warf er die Türen auf und führte die beiden Pferde nach draußen. Er sagte: »Diese beiden Tiere schaffen es gemeinsam besser als allein, und das gilt für euch beide ebenso, denke ich.« Seine Stimme wurde ernsthaft, als er schließlich meinte: »Passt gut auf, Jungs, denn die Gefahr lauert überall. Und du, Karl, wenn du wieder in unsere gute Stadt kommst, 57


dann suche wieder die Familie des Schmiedes auf. Du hast gehört, dass du jederzeit willkommen bist.« Die Pferde schnaubten und zogen an den Zügeln, sobald sie aus dem Tor hinaus auf dem Landweg ankamen. Sie waren zu schnellem Ritt gewillt. Doch die jungen Reiter hielten die Zügel fest. Sie begriffen, dass es vielleicht ein Abschied für lange Zeit sein würde.

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Das gefährliche Abenteuer

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ohann deutete auf eine Reihe von Anhöhen vor ihnen. Er sagte: »Wenn man bei der Gabelung, wo wir bald rechts und links abzweigen, den schmalen Pfad geradeaus hinaufläuft, gelangt man schließlich zum Haus des Waldhüters. Dort wohnt der alte Friedrich. Der spricht von Gott, dem Herrn, genauso wie du. Wenn du jemals die Gelegenheit hast, musst du ihn unbedingt besuchen. Ich bin am Samstagmorgen noch dort gewesen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass er ein wirklicher Christ ist. Nicht allein durch seine Worte, sondern eben auch durch Taten hat er das schon viele Jahre lang bewiesen.« »Bist du denn kein echter Christ, Johann?«, fragte Karl. »Wenn das für deinen alten Freund so wichtig ist, dann sollte das doch auch für dich wichtig und notwendig sein, oder etwa nicht?« »Ja, aber ich wage nicht ein ›Ja‹ auf diese Frage zu sagen, ob ich ein wirklicher Christ bin. Es mangelt mir an so Vielem. Es gab ganze Tage in meinem Leben, an denen ich nicht einmal an Gott oder den Herrn Jesus gedacht habe. Aber warum wirst du als Christ bezeichnet, Karl?« »Ich will ganz behutsam antworten, Johann, denn ich bin kein Haar besser als du. Was ich empfangen habe, habe ich sicherlich nicht verdient. Gott hat mir nach viel innerem Kampf und Elend zugesichert, dass ich zum Herrn Jesus Christus gehören darf. Und deshalb will ich seinen Namen bekennen und mich ihm als lebendes Dankopfer zur Verfü59


gung stellen. Der wahre Glaube gibt mir ein reines und gutes Gewissen, solange ich in diesem Leben gegen die Sünde und den Teufel anstreite. Allein Gottes Gnade hat mich aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen. Darum will ich seine Tugenden verkündigen, bis zu dem Tag, an dem er mich in seine Herrlichkeit aufnehmen wird. Doch ich will auch zugeben, Johann, dass es mir fast niemals so gelingt, wie ich es gerne tun möchte und wie ich es tun sollte. Denn auch mir gerät der Herr so oft aus dem Blick. Ich bin ständig mit allen möglichen Dingen beschäftigt. Doch seitdem Gott mich verändert hat, bin ich mir trotzdem darüber im Klaren, dass es tatsächlich das Beste ist, Gott für all die Dinge sorgen zu lassen, die für uns zu schwierig sind.« »Ja« meinte Johann, »wenn man das doch könnte! In der vergangenen Nacht war ich noch so ängstlich wegen allem, was noch passieren kann, wenn zum Beispiel Tillys Heer unsere Stadt angreifen und einnehmen sollte. Ich wünschte, auch diesen Glauben und das Vertrauen zu Gott zu haben, so wie du und Friedrich.« Karl legte ihm inständig nahe, diesen Wunsch so lange vor Gott zu bringen, bis er diesen wahren Glauben hat, und ergänzte: »Johann, Gott selbst hat es mir geschenkt. Ich kann dir gar nicht alles erzählen, aber ich habe in meinen jungen Jahren einige böse Dinge angestellt. Doch Gott wirkte kräftig in meinem Leben und so habe ich meine Sünden vor ihn gebracht, worüber ich bis heute froh bin. Erbitte es ebenfalls! Seine Antwort müsste eigentlich ›Nein‹ lauten, und ein solches ›Nein‹ haben wir auch verdient, doch wir können ein ›Ja‹ empfangen – aus Gnade und um Jesu Willen.« Sie gelangten nun zur Gabelung und nahmen voneinander Abschied. Bevor sie sich jener Stelle des Waldes näherten, von der aus sie sich gegenseitig nicht mehr sehen konnten, wandte sich Johann im Sattel um und rief mit schwenken60


dem Arm: »Bis bald, Karl, und sei vorsichtig. Und danke für alles!« Der Kurier winkte zurück, dann setzte er unverzüglich sein Pferd in Trab. Johann blieb noch stehen. Er hatte noch über so vieles nachzudenken. Er wurde, in einem guten Sinne, mehr und mehr eifersüchtig auf die Menschen, die Gott liebten und den seligmachenden Glauben von Gott empfangen hatten. Es war gut, dass sowohl der Waldhüter Friedrich als auch Karl ihm ehrlich gesagt hatten, dass sie selbst gewiss noch nicht vollkommen waren. Im Gegenteil, sonst würde Johann noch ehrfürchtiger zu ihnen aufblicken oder sich sogar vor ihnen fürchten. Er begann zu begreifen, dass sie allein durch Gottes Gnade als seine Kinder angenommen worden sind. Gott hat sie abgeschnitten von ihrem ersten sündigen Vater, Adam, und hat sie durch seinen Geist und sein Wort eingepflanzt in Christus und sein Volk. Und Jesus Christus ist der eingeborene Sohn Gottes, des Vaters, voller Gnade und Wahrheit. Er allein hat durch sein Blut ihre große Schuld bezahlt. Und wieder betete Johann: »Oh Gott, vergib meine Sünden, in Jesu Namen.« Er erhob dabei seinen Blick zum Himmel, als ob er von dort Hilfe erhoffte. Als sein Blick die hell strahlende Sonne traf, musste er sofort seine Augen von dem grellen Licht abwenden. Da wurde ihm klar: So ist Gottes Sohn. Zu rein und zu groß für mich. Ich bin es einfach nicht wert, dass er sich um mich kümmert. Langsam ritt er weiter. Während seine Augen nach vorn, entlang des vor ihm liegenden Weges schweiften, sah er auf einmal etwas, was hell im Sonnenlicht leuchtete. Und weil er gerade oben auf einer Anhöhe war, konnte er recht weit blicken. Erschrocken hielt er sein Pferd an. Einige hundert Meter vor ihm hielt ein Soldat Wache am Weg. Glücklicher61


weise hatte der Soldat Johann den Rücken zugewandt, wobei die Morgensonne seine Waffenrüstung aufblitzen ließ. Schnell sprang Johann aus dem Sattel und führte sein Pferd zwischen die Sträucher am Wegesrand. Er begriff sofort, dass dies ein Wächter der Reitergruppe sein musste, die am Samstag den Weg nach Frankenthal eingeschlagen hatte. Auch wusste er, dass hier in der Nähe des Waldes zwei Lichtungen unweit des Weges waren. Dort würde sich sicherlich ihr Lager befinden, und darum stand auch der Soldat hier Wache. Was sollte er nun tun? Umkehren und es gegen Mittag noch einmal versuchen? Oder sollte er nicht lieber zurückgehen, um die Leute in seiner Stadt zu warnen? Da fiel ihm der schmale Pfad ein, der zwischen den Bäumen und Sträuchern am Fuße des Hügels verläuft. Dieser Pfad wurde fast ausschließlich von Tieren und Jägern benutzt. Es war eine gute Sache, dass Johann mit diesem Landstrich so gut vertraut war. Mehrere Male war er bei schönem Wetter vom normalen Weg abgewichen, um entlang dieses Pfades heimzugehen. Eigentlich brauchte er nicht zurückreiten, um die Menschen zu warnen. Nach der Versammlung vom Samstagabend würde man dort wachsam genug sein. Und wenn die Reitergruppe sich der Stadt ohne irgendeine Tarnung nähern sollte, würden sie diese schon aus der Ferne kommen sehen. ›Ich sollte den Pfad nehmen können und an ihnen vorbeischleichen‹, dachte Johann. Dort stünde bestimmt niemand Wache. Diese Schurken würden sicher nicht einmal wissen, dass hier ein Pfad entlang läuft. Zwischen ihrem Lager und diesem Pfad lag ein Streifen Wald von etwa hundertfünfzig Metern Breite. Aber was wäre, wenn Johanns Pferd die anderen Tiere witterte? Dort befanden sich ganz in der 62


Nähe sicher sechzig bis siebzig Pferde, die unter den Bäumen festgebunden waren. Wenn sein Pferd wiehern würde, könnte es gefährlich werden. Erst musste er noch einmal genau nachsehen! Er schaute vorsichtig durch die Sträucher und bekam plötzlich einen Schreck. Zwei Reiter kamen auf ihn zu. Sofort erkannte Johann, dass einer von ihnen verkehrt herum im Sattel saß und noch etwas zu dem Wächter sagte, an dem sie gerade vorbeiritten. Waren das Kundschafter? Schnell ergriff Johann sein Pferd beim Zügel und brachte es unter die Bäume außer Sichtweite des Weges. Die beiden ritten sehr gemächlich. Wenn sie in Trab übergehen würden, wären sie sofort bei Johann. Rasch holte Johann die Leinentasche mit dem Hafer aus einer der Satteltaschen und hängte sie seinem braunen Pferd um den Hals. Es hatte von seinem Herrn bereits heute Morgen eine Extraportion bekommen, doch in diesem Fall durfte noch etwas dazukommen. Wie durch Eingebung eilte Johann zurück zum Weg und kletterte auf einen dicken Baum. Hinter dem schweren Stamm konnte er in einer Höhe von ungefähr drei Metern bequem auf einem seitlichen Ast sitzen. Er musste noch etwas warten, denn die Reiter näherten sich nur langsam. »Ich tue das nicht, das ist viel zu gefährlich. Du bist verrückt, Mann!«, hörte Johann zu seiner Verwunderung und dachte: ›Haben die beiden etwa einen Streit?‹ Er versuchte sich so klein wie möglich zu machen und spitzte die Ohren. »Ich bin ganz und gar nicht verrückt. Du bist verrückt, weil du nicht mitmachst. Das ist die Chance deines Lebens, Mann. Die Kameraden schlafen wie die Murmeltiere – ebenso auch Schwarzkopf. Zweitausend Silbertaler! Ein Sack voller Geld! Wir könnten mit einem Schlag steinreich sein. Das wäre so einfach!« 63


»Ja, unsere Köpfe wird es kosten! Das wird uns passieren. Wenn die Münzen klingeln und der Schwarze wach wird … Er wird dich gleich niederstechen.« »Er wird nicht wach. Nachdem er uns den Befehl erteilt hat, mit dem Trinken aufzuhören, da wir nun als Beobachter an der Reihe sind, hat er selbst noch das große Bierfass leergesoffen, Mann. Ich habe ihn gut im Auge behalten. Der Sack mit dem Geld aus Frankenthal liegt in seinem Zelt am Rand des Waldes. Während du Ausschau hältst, schleiche ich mich hinein und hole ihn raus.« »Ich mache nicht mit! Ich denke nicht im Traum daran. Das ist Verrat. Wenn sie uns fassen, werden sie uns hängen.« Zwischenzeitlich hatten die beiden die Stelle, wo Johann saß, passiert. Der beugte sich entlang des Stammes nach vorne, um kein Wort zu verpassen. »Wenn Tilly demnächst zum großen Angriff ansetzt, können wir noch genug Beute bekommen. Und ansonsten kannst du ja bei Wallenstein in den Dienst treten, da kannst du nach Herzenslust plündern.« Das Letzte konnte Johann kaum noch verstehen. Sein Verstand und Gefühl drehten geradezu durch. Sollte er versuchen, dass Geld zurück nach Frankenthal zu bringen? Die Leute von Frankenthal hatten das Geld sicherlich gesammelt und als Tribut bezahlen müssen, um Plünderung, Mord und Totschlag abzuwenden. Und dass die feindlichen Soldaten dort außerdem reichlich Proviant sowie Bier und Wein verlangt hatten, war nur allzu deutlich. Vielleicht hatte Mechthilds Vater das Bier liefern müssen. Er war schließlich der Bierbrauer der Stadt. Ihr Zwillingsbruder kam drei oder viermal pro Woche zu Meister Siegler in die Schmiede, wo Johann arbeitete. Von ihm wusste Johann, dass Mechthild noch nicht vergeben war. Wenn es ihm gelingen würde, diese große Geldsumme an die Bürger 64


von Frankenthal zurückzugeben, dann sollte er es sicherlich wagen können, sie zu fragen. Das hatte er schon mehrfach vorgehabt, doch nie den Mut dazu aufgebracht. Johann ließ sich vorsichtig vom Baum hinuntergleiten und ging zum Weg. Er beugte sich vor und schaute zunächst nach links und dann nach rechts. Die Reiter entfernten sich und nichts wies darauf hin, dass jene Männer, die ihre Kameraden bestehlen wollten, ihr Vorhaben in die Tat umsetzen würden. In der Ferne stand noch immer die Wache. Dann ging Johann zurück zu seinem Pferd. Als er mit dem Pferd am Zügel sich einen Weg durch das Dickicht der Sträucher bahnte, gelangte er in ein dichtes Waldstück. Während er das Tier vorsichtig durch das Geäst führte, suchte er nach dem Trampelpfad. Wenn er in diese Richtung weitergehen würde, müsste er automatisch auf ihn stoßen. Fieberhaft arbeitete er einen Plan aus. Wo sollte er aber sein Pferd abstellen? An welcher Ecke der Lichtung würde sich das Zelt mit dem Geldsack befinden? War das alles nicht zu gefährlich? Hätte er doch nur die Reiterpistolen mitgenommen! Andererseits war es ziemlich sicher: Wenn er schießen würde, dann hätte innerhalb kürzester Zeit die komplette Bande im Nacken. Er ließ die Zügel los und tastete nach seinem Dolch. Einen Augenblick lang schauderte ihn, doch er dachte, dass diese Waffe doch wohl besser sei. Wenn es nötig wäre, würde er Gebrauch von ihr machen. Dann würde es um sein Leben oder das des Feindes gehen. Sollte er überhaupt sein Leben wegen einem Sack Geld aufs Spiel setzen? Würden Friedrich oder Karl das wohl tun? Sie standen ja unter der Obhut, Regierung und dem Schutz ihres Herrn Jesus, der sie mit Leib und Seele erkauft hat. Und das nicht für eine Tasche voller Geld, Gold oder 65


Silber, sondern mit seinem kostbaren Blut. Johann konnte dieses Verhältnis eines Gläubigen zu seinem Herrn nun gut nachempfinden. Karl und Friedrich standen unter der Liebe und Treue ihres Heilandes. Der Teufel konnte über sie keine Herrschaft mehr ausüben. Da sie Christi Eigentum waren, konnten sie auch in größter Gefahr auf ihn vertrauen. Dann erreichte er den Pfad. Hier konnte er aufsitzen, doch Johann entschied sich dafür, vor seinem Pferd herzugehen. So blieb ihm etwas mehr Zeit. Plötzlich dachte er: Ich sollte mein rotes Hemd ausziehen, denn das ist zu auffällig. Es hat nicht gerade eine Tarnfarbe, um unbemerkt umherzuschleichen. Er band sein Pferd an einem Zweig fest, zog sein Oberteil aus und drehte es mit der Innenseite nach außen. Innen war das Hemd braun und fiel zwischen den Ästen und dem Nadelgehölz des Waldes viel weniger auf. Dann begab er sich zum Fuße der Anhöhe und begann mit seinem Dolch die Erde aufzustochern. Hier fand er etwas feuchte, dunkle Erde, die er sich in sein Gesicht und auf den Hals und auch auf seine Hände rieb. Für einen Augenblick ließ er seinen Dolch fallen und faltete seine Hände: »O Herr, hilf mir, denn ich begebe mich nun in größte Gefahr. Du kannst alle Dinge tun. Vergib mir meine Sünden! Ich bitte dich, für die Menschen zu sorgen, die ich liebe. Ach, sorge doch bitte dafür, dass ich den Menschen in Frankenthal ihr Geld zurückbringen kann! Um Jesu Willen. Amen!« Nun ging er zurück zu seinem Pferd. Während er einen kleinen Schluck aus seiner Feldflasche nahm, wurde er etwas ruhiger: Wenn Gott wirklich alle Dinge lenkt, dann hatte er ihn auch jetzt in diese Situation gebracht und dann würde auch alles gelingen. ›Komm Johann, du bist der Sohn des Schmiedes. Keine Worte, sondern Taten!‹ 66


›Wie weit ist es wohl noch?‹, dachte er. Er stand einen Augenblick still und lauschte. Doch er hörte nichts als das Rauschen in den Baumwipfeln. Dann schaute er zu den Hügeln zu seiner Linken. Er musste noch ein wenig weitergehen; wie weit jedoch genau, das wusste er nicht. Jetzt straffte er mit seiner linken Hand die Zügel des Pferdes und drückte seine rechte Hand fest über die Nase des Tieres, damit es nichts riecht und schnaubt. Vorsichtig ging er weiter und versuchte, jeden dürren Zweig zu umgehen. Er marschierte so weit, bis er sicher wusste, dass er das Lager in ausreichender Entfernung passiert hatte. Schließlich band er sein Pferd zwischen den Bäumen fest und hängte ihm erneut den Hafersack um. Er klopfte dem Tier auf den Nacken und sagte: »Stehen bleiben und warten, Brauner.« Das Pferd bewegte die Ohren. Alles schien an diesem Morgen bestens zu gelingen. Nun ging Johann zurück. Äußerst angespannt suchte er nach jenem Punkt, von dem er dachte, dass er dem vermuteten Lagerplatz gegenüberlag. Er begab sich in den Wald. Glücklicherweise war das Wetter ausgezeichnet. Selbst unter den dichten Tannen war ausreichend Licht, um sehen zu können, wo er gehen oder kriechen konnte. Er wusste, dass um die offenen Flächen herum Sträucher wuchsen und dass danach der Wald wieder beginnen würde. Nach kurzer Zeit erblickte er das Grün der Büsche, die die Lichtung umgaben. Dann wurde es heller, weil das Sonnenlicht einfiel. Johann schlich näher heran und betrat dann die offene Fläche, die aber gänzlich verlassen zu sein schien. Sofort begriff er, dass er sich auf den Weg zur anderen, noch größeren Lichtung machen musste. Er war froh, dass er sich hier so gut auskannte. Vorsorglich hielt er sich zwischen den Sträuchern, während er sich in Richtung der Freifläche bewegte. Dann drang er wieder in 67


den Wald ein. Bald müsste er da sein. Er sah wieder, dass es heller wurde. Er blieb still stehen und lauschte erneut. Es war totenstill. Anscheinend schliefen die Reiter ihren Rausch aus. Aber wenn nur einer von ihnen wach wäre und ihn sehen würde, dann … Er schlich noch zwanzig Meter weiter und legte sich flach auf den Boden. Wie eine angreifende Katze kroch er vorwärts. Selbst vom Rascheln der Blätter unter den Sträuchern schreckte er auf. Trotzdem wagte er sich weiter vor und kroch zu zwei Büschen, die dicht beieinander standen. Er schlüpfte zwischen sie und blickte angespannt. Aber hier war der Wald noch nicht zu Ende; er musste noch weiter vorwärts. Dann endlich war er da. An der anderen Seite des offenen Platzes sah er eine Vielzahl von Füßen ihm zugewandt liegen. Manche hatten noch ihre Reiterstiefel an. Er sah ihre Sporen blinken. Johann begab sich äußerst vorsichtig in die Hocke. Ihm gegenüber lagen mindestens fünfzig Soldaten in einer langen, ungeordneten Reihe. Die meisten hatten eine Art Umhang über sich liegen. Andere hingegen lagen zwischen den Sträuchern und halb unter den Bäumen in ihren Kleidern unter freiem Himmel. Auch zu den Hügeln hin konnte er eine Gruppe schlafender Leute erkennen. Dann schreckte er auf. Dort auf der rechten Seite war das Zelt, ungefähr fünfzehn Meter von ihm entfernt! Das schien günstig für ihn zu sein, schoss es ihm durch den Kopf. Das Zelt stand zudem etwas zurückgesetzt zwischen dem Gebüsch, und Johann befand sich ungefähr auf gleicher Höhe. Von hier sah er außerdem, dass ein großes Tuch vor den Bäumen entlang gespannt war. Hier und dort wurde es durch hölzerne Stangen gestützt. Neben hohen Stapeln von Sätteln und allerlei Arten von Waffen lagen noch weitere Soldaten im Tiefschlaf. 68



Über den Heidelberger Katechismus Der Heidelberger Katechismus (lateinisch Catechesis Palatina, d. h. »Katechismus der Pfalz«) ist der verbreitetste Katechismus der reformierten Kirche. Ab 1545 war in der Kurpfalz die lutherische Reformation eingeführt worden, doch wurde diese Reformbewegung schon bald vom Kaiser des »Hl. Römischen Reiches deutscher Nation« unterdrückt. Ab 1560 berief Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz mehrere Theologen nach Heidelberg, um einen Katechismus zu erarbeiten, der zu Einheit und Stärke der Reformbewegung verhelfen sollte. Zu diesen reformierten Theologen gehörten u. a. Zacharias Ursinus, ein Schüler Melanchthons und Calvins, und Caspar Olevian, ein Schüler Calvins und Freund des Sohnes Friedrichs III. Die Theologen und Pfarrer zogen mehrere andere Katechismen zu Rate, z. B. den Kleinen Katechismus von Martin Luther und den Genfer Katechismus von Johannes Calvin. 1563 wurde der Katechismus schließlich unter dem Titel Catechismus oder christlicher Vnderricht, wie der in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz getrieben wirdt in Heidelberg offiziell herausgegeben. Im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 1648) wurde der Heidelberger Katechismus von den Protestanten besonders in der Pfalz als Trostbuch geschätzt. Dort wurden die Protestanten zeitweise besonders stark unterdrückt, zu anderen Zeiten aber war die Pfalz, besonders auch die Stadt Frankenthal, Zufluchtsort für verfolgte und flüchtende Calvinisten. 335


Der Heidelberger Katechismus zeichnet sich dadurch aus, dass er sowohl lutherische als auch calvinistische Auffassungen vereint. Darüber hinaus kennzeichnen ihn zwei weitere herausragende Merkmale: Erstens ist er allein aus der Bibel hergeleitet und will allein zur Bibel hinführen. Dazu sind alle Antworten reichlich und systematisch mit Bibelstellen belegt. Zweitens verdeutlicht schon seine Gliederung, dass der Mensch durch sein eigenes Tun nichts zu seiner Erlösung beitragen kann. Denn die 129 Fragen und Antworten (verteilt auf die 52 Sonntage des Jahres) sind in drei Stücke unterteilt: 1. Von der Sünde und dem Elend des Menschen, 2. von der Erlösung von Sünde und Elend durch den dreieinigen Gott, und 3. von der Dankbarkeit des Gläubigen für die Erlösung. Da die ganze Praxis des Christseins ausschließlich im dritten Teil behandelt wird und nicht im zweiten Teil über die Erlösung vorkommt, ist klar, dass der Mensch durch sein eigenes Tun nichts zu seiner Erlösung beitragen kann.

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Einleitung des Heidelberger Katechismus 1. Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele, beides im Leben und im Sterben, nicht mein, sondern meines treuen Heilandes Jesu Christi Eigentum bin, der mit seinem teuren Blute für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst hat und so bewahrt, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann, ja, mir auch alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum versichert er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens und macht mich von Herzen willig und bereit, von nun an ihm zu leben. (Es folgt der Text von Apg 4,12; Röm 14,8; 1Petr 1,18-19; Röm 8,28; Röm 8,14) 2. Wie viel Stücke sind dir nötig zu wissen, damit du in diesem Trost selig leben und sterben kannst? Drei Stücke: Erstens, wie groß meine Sünde und mein Elend ist; zum anderen, wie ich von allen meinen Sünden und meinem Elend erlöst werde; und zum dritten, wie ich Gott für diese Erlösung danken soll. (Es folgt der Text von Röm 7,24-25; Psalm 50,15 und der Verweis auf die entsprechende Dreiteilung des Römerbriefes: 1. Römer 1,18 – 3,20; 2. Römer 3,21 – 11,36; 3. Römer 12,1 – 16,27 ) 337


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Johanns Reise im Dreißigjährigen Krieg

Katholisch

Grenze des Kaiserreiches

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Lutherisch Reise von Johann

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MÄHREN

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Frankenthal PFALZ

Calvinistisch

Reise von Karl

Feldzug von Gustav Adolf


Fortsetzungsbände

Weiterlesen? Zur Heidelberger Triologie gehören noch die zwei Folgebände: Band 2: Wer sucht, der findet ISBN 978-3-945716-22-9 Erscheint vorraussichtlich im Sommer 2016 Band 3: Den Glauben bewahren ISBN 978-3-945716-23-6 Erscheint vorraussichtlich im Herbst 2016


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Mit seiner Geistes- und Kulturgeschichte aus christlicher Sicht bietet Schaeffers Klassiker Allgemeinbildung im besten, biblischen Sinne und schärft unser geistliches Urteilsvermögen bezüglich der Entwicklung dieser Welt. Bilddokumentation unter www.betanien.de/schaeffer Charles H. Spurgeon

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Spurgeons Matthäus-Auslegung ist sein letztes Buch und geprägt von seinen Markenzeichen: Ehrfurcht vor jedem Wort aus dem Mund Gottes, gesunde tiefgründige Lehre, praktische Anwendung, schlichte Christuszentriertheit und geistliche Kraft. Unterteilt in 365 Abschnitte. R. C. Sproul

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Diese von Liebe zum Herrn geprägte Kurzbiografie skzizziert das Leben von Susannah Spurgeon (1832 – 1903), der Frau von Charles Haddon Spurgeon, und ermutigt, Gott in Hingabe zu dienen. Die Frau des berühmten Predigers baute u. a. einen fruchtbringenden Literaturdienst auf, obwohl siean einer schweren chronischen Krankheit litt.


HEIDELBERGER TRILOGIE BAND 1

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MARIUS TIMMERMANS

beginnenden Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648). In seiner Heimat, der Pfalz, ziehen immer häufiger Soldatentrupps umher, die gewaltsam Angst und Schrecken verbreiten. Und der Krieg zwischen Katholiken und Protestanten droht noch viel schlimmer zu werden. Bei Johann, Sohn eines protestantischen Schmieds, wirft all das die Frage nach dem wahren Glauben auf. Er macht sich auf die Suche nach der Sicherheit, die nur Gott bieten kann. Zugleich verliebt er sich in das katholische Mädchen Mechthild. So geht er durch viele Kämpfe und Abenteuer, erleidet Rückschläge und findet Ermutigung und Hilfe bei Friedrich, dem alten Waldhüter, und bei Karl, dem jungen Kurier. Wird Johann schließlich Frieden mit Gott und Antworten auf seine Fragen finden? Johanns Entwicklung und Reise mit seinen so bewegend beschriebenen Erlebnissen und Auseinandersetzungen sind Gegenstandslektionen für uns heute.

Was suchst du?

Der 18-jährige Johann ist im Jahre 1621 aufgewühlt von den Wirren und Schrecknissen des

Die Heidelberger Trilogie vermittelt in erzählerischer Weise die drei Hauptpunkte des Menschen (Band 1), die Erlösung von Sünde und Elend (Band 2) und das christliche Leben aus Dankbarkeit für die Erlösung (Band 3).

TIMMERMANS

christlichen Glaubens, die den Heidelberger Katechismus gliedern: Die Sünde und das Elend des

Was suchst du? HEIDELBERGER TRILOGIE BAND 1

Auf der Reise zum wahren Glauben


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