Die verändernde Kraft des Evangeliums

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DIE

VERÄNDERNDE KRAFT

DES

EVANGELIUMS

Neun Lektionen über die Auswirkungen der Guten Nachricht

Name


"Die verändernde Kraft des Evangeliums"

Autoren

Bob Thune und Will Walker

Übersetzung

Melanie Born

Design und Satz

Simon Rühl und Benjamin Schmidt (Coverbild: © doris oberfrank-list)

Druck und Verarbeitung

Druckerei Gröer, Chemnitz

Copyright des englischen Originals ©2009 bei World Harvest Mission 1. deutsche Auflage 2013 © bei Herold-Verlag, 35638 Leun

ISBN 978-3-88936-073-1 · Bestellnummer bei Herold-Verlag: 073


Inhalt LEKTION 1 – DER KERN DES EVANGELIUMS......................................1

Das Kreuz-Schaubild Sechs typische Verhaltensweisen, die eigene Sünde zu schmälern Übung: Andere verurteilen

LEKTION 2 – LEUGNEN UND LEISTEN.................................................7

Das Kreuz klein halten Übung: Richtig und Falsch

LEKTION 3 – DEM EVANGELIUM VERTRAUEN................................13

Anerkennung und Identität Übung: Waisenkind oder geliebtes Kind

LEKTION 4 – GESETZ UND EVANGELIUM.........................................19

Das Gesetz und das Evangelium Das Evangeliumsraster Übung: Wenn das Evangelium uns herausfordert

LEKTION 5 – EIN LEBEN DER ERNEUERUNG...................................25

Buße als Lebensstil Übung: Echte Buße lernen

LEKTION 6 – DIE GÖTZEN UNSERER HERZEN...................................30

Die Götzen unseres Herzens erkennen

LEKTION 7 – MISSION.........................................................................35

Das Evangelium treibt uns nach Außen Ein Herz für die Mission bekommen

LEKTION 8 – VERGEBUNG.................................................................40

Das Evangelium gibt uns Kraft zu vergeben Übung: Zum Herz der Vergebung durchdringen

LEKTION 9 – KONFLIKTE.....................................................................45

Das Evangelium hilft uns, fair zu kämpfen Übung: Konfliktbewältigung, die vom Evangelium geprägt ist


LEKTION

1

Der Kern des Evangeliums

• HAUPTGEDANKE Wenn das Evangelium eine Botschaft ist, die „überall in der Welt Früchte trägt und sich immer weiter ausbreitet“ (Kolosser 1,6), dann muss sich bei uns alles um diese eine Botschaft drehen: Gott, Menschheit, Errettung, Anbetung, Beziehungen, Konsum, Freizeit, Arbeit, Charakter, einfach alles! In dieser ersten Lektion soll es um die Bedeutung des Evangeliums gehen und darum zu begreifen, dass es der Mittelpunkt in unserem Leben ist. Wir lernen jetzt also die Begriffe und Grundlagen kennen und werden dann lernen, welche Verbindung sie zu unserem Leben haben.

• BIBELTEXT: Jesaja 6,1-5 (NLB) In dem Jahr, als König Usija starb, sah ich den Herrn. Er saß auf einem hohen Thron und war erhöht und der Saum seines Gewandes füllte den Tempel. 2 Über ihm schwebten Seraphim, jeder hatte sechs Flügel. Mit zwei Flügeln bedeckten sie ihre Gesichter, mit zweien ihre Füße und mit dem dritten Paar flogen sie. 3 Sie riefen einander zu: »Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Allmächtige! Die Erde ist von seiner Herrlichkeit erfüllt!« 4 Dieses Rufen ließ die Fundamente der Vorhalle erzittern und der Tempel wurde mit Rauch erfüllt. 5 Da sagte ich: »Mir wird es furchtbar ergehen, denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen. Ich werde umkommen, denn ich habe den König, den Herrn, den Allmächtigen, gesehen!« 1

Vergleiche auch: Jesaja 55,6-9; Jeremia 17,9-10

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Das Kreuz-Schaubild „Evangelium“ ist ein Begriff der häufig verwendet wird, ohne dass seine volle Bedeutung verstanden wird. Wir kennen und benutzen die typischen christlichen Floskeln, doch nur selten wenden wir die Inhalte des Evangeliums in unserem Leben an. Dabei ist es doch genau das, was sich Gott für unser Leben wünscht. Das Evangelium ist nichts Geringeres als die „Kraft Gottes“ (vgl. Römer 1,16). In Kolosser 1,6 lobt der Apostel Paulus die Gemeinde in Kolossä, weil das Evangelium bei ihnen „Früchte trägt und Wir kennen die typischen christsich immer weiter ausbreitet [...] seit dem Tag, lichen Floskeln, doch nur selten wenden wir die Inhalte des Evanan dem euch Gottes Gnade zum ersten Mal vergeliums in unserem Leben an. (NGÜ) kündet wurde“ . Der Apostel Petrus lehrt außerdem, dass der Grund für fehlende Veränderung in unserem Leben darin liegt, dass wir vergessen haben, was für ein großartiges und allumfassendes Geschenk uns Gott in dem Evangelium gegeben hat (vgl. 2. Petrus 1,3-9). Wenn wir in unserer Beziehung zu Christus wachsen möchten, dann müssen wir unser Verständnis des Evangeliums vertiefen und ausweiten. Nur so kann Gott uns selbst und unsere Beziehungen zu anderen verändern. Viele Christen leben mit einem oberflächlichen Verständnis des Evangeliums. Wir verstehen das Evangelium als bloße „Tür“ zum Himmel. Aber das Evangelium beinhaltet noch viel mehr! Es ist nicht bloß die Tür, sondern auch der Weg, auf dem wir Schritt für Schritt in unserem Leben als Christ gehen sollen. Es ist nicht nur das Mittel zu unserer Erlösung, sondern auch für unsere Veränderung und Umgestaltung. Es ist nicht nur die Befreiung von der Strafe der Sünde, sondern die Befreiung von der Macht der Sünde. Das Evangelium ist das, was unsere Beziehung zu Gott wiederherstellt (Rechtfertigung) und was uns die Freiheit schenkt, in Gott allein vollkommen glücklich zu sein (Heiligung). Das Evangelium verändert alles! Das folgende Schaubild ist hilfreich, um das Evangelium und was es beinhaltet besser zu verstehen. Es umfasst nicht alle Aspekte des Evangeliums, ist aber dennoch eine hilfreiche Illustration um das Wirken des Evangeliums zu verdeutlichen.

BEKEHRUNG

››› ZEIT ››› DAS KREUZ-SCHAUBILD

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R IN FÜ SSTSE U W E DES B HSEN WAC

ES GOTT KEIT IG IL E DIE H

WAC HSEN DES B EWU SSTSE IN FÜ R DIE

EIGEN E SÜN DE


Mein Weg als Christ beginnt dann, wenn ich mir der Kluft zwischen Gottes Heiligkeit und meinem sündigen Wesen bewusst werde (Bekehrung). In der Bekehrung setze ich mein Vertrauen und meine Hoffnung auf Jesus, der das getan hat, was ich selbst nicht konnte: Die tiefe Kluft zwischen mir, dem Sünder, und dem heiligen Gottes zu überbrücken. Jesus hat Gottes heiligen Zorn für meine Sünde auf sich genommen und hat mich mit Gott versöhnt. Allerdings ist mein Verständnis von Gottes Heiligkeit und von meiner Sünde zum Zeitpunkt meiner Bekehrung sehr beschränkt. Je mehr ich in meinem Leben mit Christus wachse, desto mehr wird mir die Heiligkeit Gottes und meine eigene fleischliche und sündige Natur bewusst. Wenn ich die Bibel lese, wenn ich erlebe, wie der Heilige Geist mich auf Sünde aufmerksam macht und wenn ich in Gemeinschaft mit anderen lebe, dann werde ich verändert. Das Ausmaß von Gottes Größe und die Schwere meiner Schuld werden immer klarer und deutlicher spürbar. Dabei wird Gott nicht heiliger oder ich sündiger, nein, es ist mein Bewusstsein, das immer mehr wächst. Ich erkenne Stück für Stück, wer Gott wirklich ist (vgl. Jesaja 55,8-9) und wie ich wirklich bin (vgl. Jeremia 17,9 -10). Während die Erkenntnis der Größe Gottes und meiner Sünde immer größer wird, wächst auch noch etwas anderes: Meine Wertschätzung und Liebe für Jesus. Seine Mittlerrolle, sein Opfer, seine Sündlosigkeit und sein Werk der Gnade berühren und erschüttern mich zutiefst. Das Kreuz Jesu wird in meinem Leben immer größer und wichtiger und ich fange an, mich über meinen Retter zu freuen, der für mich am Kreuz gestorben ist. Leider ist der Weg unserer Heiligung nicht so leicht und unbeschwert wie wir es gerne hätten. Da ich immer noch ein sündiger Mensch bleibe, werde ich automatisch weiterhin das Evangelium klein halten und das Kreuz „schmälern“. Dies passiert wenn ich a) nicht glaube, dass Gott so heilig ist, wie in seinem Wort beschrieben oder b) meine eigene Gerechtigkeit aufpoliere, indem ich mich für besser halte als ich es bin. Das Kreuz wird kleiner und Jesu Bedeutung in meinem Leben nimmt ab.

BEKEHRUNG

››› ZEIT ›››

DAS KREUZ KLEIN HALTEN

ES GOTT KEIT IG IL HE R DIE IN FÜ E S T S US S BEW ENDE S H C WA WAC HSEN DES B EWU SSTSE IN FÜ R DIE

EIGEN E SÜN DE

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Wir werden gleich noch genauer betrachten, auf welche Weise wir das Evangelium schmälern. Um der Tendenz, das Evangelium klein zu halten, entgegenzuwirken, müssen wir unser Denken beständig mit den Wahrheiten der Bibel füllen. Wir müssen lernen, Gottes heiliges und gerechtes Wesen zu ergründen, zu genießen und zu bestaunen. Zudem sollten wir die Tiefe unserer Sündhaftigkeit und Verdorbenheit erkennen, es Gott und Menschen bekennen und zugeben, wer wir wirklich sind. Wir „müssen“ diese Dinge nicht tun, weil ein „Christ dies eben tun sollte“. Der Grund liegt nicht in der reinen Pflichterfüllung – wir tun dies, weil hier das Leben zu finden ist, das Gott sich für uns wünscht: Ein Leben, das von Freude, Hoffnung und Liebe geprägt ist. Das wird uns verändern. Im Evangelium zu wachsen, bedeutet immer mehr von Gottes Heiligkeit und meiner eigenen Sünde zu erkennen. Weil Jesus für uns ans Kreuz gegangen ist, muss ich auch keine Angst davor haben, diesem heiligen Gott zu begegnen und mich meiner eigenen Verdorbenheit zu stellen. Unsere Hoffnung basiert nicht darauf „wie gut wir doch sind“ oder in der vergeblichen Erwartung, dass Gott seine Ansprüche senken würde und es nicht so genau mit unserer Sünde nimmt. Vielmehr können wir in Jesus zur Ruhe kommen, weil er unser vollkommener Erlöser ist. Er selbst ist unsere „Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“ (vgl. 1. Korinther 1,30).

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ZUM NACHDENKEN Sechs typische Verhaltensweisen, die eigene Sünde zu schmälern Rechtfertigen Mir fällt es schwer Kritik bezüglich meiner Schwächen oder Sünden anzunehmen. Wenn ich darauf angesprochen werde, versuche ich Dinge wegzuerklären, über meine Erfolge zu reden oder mein Handeln zu rechtfertigen. Deshalb zögern andere, mich auf Fehler anzusprechen und ich führe nur selten Gespräche über die „unangenehmen Themen“ in meinem Leben. Vortäuschen Ich probiere mit allen Mitteln den Schein zu wahren und in einem guten Licht da zustehen. Mein Verhalten wird häufig dadurch gelenkt, dass ich anderen gefallen möchte. Es ist mir sehr wichtig, was andere von mir denken könnten. Ich betrachte mein Leben ungern kritisch. Daraus folgt, dass wenige Leute mein wahres Ich kennen. (Vielleicht weiß nicht einmal ich, wer ich wirklich bin.) Verstecken Ich versuche so wenig wie möglich von meinem eigenen Leben preiszugeben, vor allem was meine schlechten Seiten angeht. Dies ist nicht das Gleiche wie „vorzutäuschen“, denn beim Vortäuschen geht es darum, andere zu beeindrucken. Beim Verstecken handelt es sich eher um Schamgefühl und Angst. Ich habe Angst, dass andere Menschen mein „wahres Ich“ nicht akzeptieren oder lieben könnten. Übertreiben Ich denke (und rede) häufig besser von mir als es der Wahrheit entspricht. Ich schmücke meine positiven Eigenschaften aus, um dadurch Aufmerksamkeit zu bekommen. So werden zu viele Dinge einfach viel zu wichtig. Das Resultat ist ein stressreiches und sorgenvolles Leben! Beschuldigen Ich ertappe mich öfter dabei, die Schuld für alles Mögliche anderen in die Schuhe zu schieben. Es fällt mir schwer, meinen Teil der Schuld bei Sünde und Konflikten zuzugeben. Mein tief sitzender Stolz und/oder meine Angst vor Ablehnung verhindern, dass ich meine Schuld offen zugebe. Beschönigen Über Sünde in meinem Leben mache ich mir nicht viele Gedanken. Sünde ist doch etwas Normales und halb so schlimm. Daraus folgt, dass ich mich nicht genügend mit diesem Thema beschäftige. So wächst der Berg der Schuld immer weiter an, bis er mich zu erdrücken droht.

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ÜBUNG Andere verurteilen Die Bedeutung des Kreuzschaubildes wird praktisch, wenn wir es auf eine unserer typischen Problemzonen anwenden: Andere verurteilen. Jeder von uns be- und verurteilt andere – ob in kleinen oder großen Dingen. Überlegt und unterhaltet euch in der Gruppe ganz konkret darüber, auf welche Weise wir Menschen verurteilen. Die Fragen unten sollen dabei helfen, den Zusammenhang zwischen unserem Verurteilen von anderen und unserem Verständnis des Evangeliums zu sehen. 1. Wie verurteilen wir andere? Werde konkret.

2. Warum verurteilen wir andere? Wie begründen wir unser Verhalten?

3. These: Wenn wir andere verurteilen, spiegelt das ein oberflächliches Verständnis von Gottes Heiligkeit wider? Versuche das zu erklären.

4. These: Wenn wir andere verurteilen, spiegelt das ein oberflächliches Verständnis von unserer Sündhaftigkeit wider? Versuche das zu erklären.

5. Denke an eine konkrete Person in deinem Leben, die du innerlich immer wieder verurteilst. a. Wie würde ein tieferes Verständnis von Gottes Heiligkeit deine Beziehung zu ihm/ihr beeinflussen?

b. Wie würde ein tieferes Verständnis von deiner eigenen Sündhaftigkeit deine Beziehung zu ihm/ihr beeinflussen?

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LEKTION

9

Konflikte

• HAUPTGEDANKE Konflikte sind etwas, was wir alle täglich erleben. Aber oft gehen wir mit ihnen auf sehr menschliche Weise damit um. Das Evangelium schenkt uns die Möglichkeit, einen gesunden Lösungsansatz zu finden.

• BIBELTEXT: Galater 2,11-14 (NGÜ) Doch als Petrus dann nach Antiochia kam, sah ich mich gezwungen, ihn vor der ganzen Gemeinde zur Rede zu stellen; denn so, wie er sich dort verhielt, sprach er sich selbst das Urteil. 11

Zunächst hatte er zusammen mit den nichtjüdischen ´Geschwistern` an den gemeinsamen Mahlzeiten teilgenommen. Als dann aber einige Leute aus dem Kreis um Jakobus kamen, zog sich Petrus aus Angst vor den Verfechtern der Beschneidung zurück und sonderte sich ´von den Nichtjuden` ab. 13 Und genauso unaufrichtig verhielten sich in der Folge die anderen jüdischen ´Geschwister`. Sogar Barnabas ließ sich dazu hinreißen, dieses heuchlerische Spiel mitzumachen. 12

Als ich nun sah, dass sie den richtigen Weg verlassen hatten, den Weg, der mit der Wahrheit des Evangeliums übereinstimmt, sagte ich in Gegenwart aller zu Petrus: „Du selbst nimmst dir – obwohl du ein Jude bist – die Freiheit, dich über die jüdische Lebensweise hinwegzusetzen und wie ein Nichtjude zu leben. Wieso zwingst du dann die Nichtjuden, sich der jüdischen Lebensweise anzupassen?“ 14

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IMPULS Das Evangelium hilft uns, fair zu kämpfen Der alltägliche Konflikt Wir haben gesehen, dass das Evangelium uns innerlich verändert und dann unsere Beziehungen erneuert. Und nichts ist alltäglicher in Beziehungen als Konflikte. Wenn das Evangelium nicht die Art und Weise beeinflusst, wie wir mit Konflikten umgehen, dann hat es uns nicht wirklich tief berührt. In diesem Abschnitt wollen wir überlegen, wie das Evangelium uns dabei hilft, fair zu kämpfen. Denk an den letzten Streit, den du hattest. Vielleicht war es eine Auseinandersetzung mit deinem Partner, jemandem aus deiner Familie oder einem Arbeitskollegen. Lassen wir mal die Umstände außer Acht (was das Problem war, wie du dich gefühlt hast oder wer im Recht war) und lass uns über unser Verhalten während des Streits nachdenken. Wahrscheinlich gehörtest du in eine von den zwei Kategorien. Manche Menschen sind Angreifer. Sie gehen gerne in die Offensive. Sie schätzen den Wert der Gerechtigkeit, sind also sehr darauf bedacht, wer Recht oder Unrecht hat. Folgende Merkmale sind typisch für einen Angreifer. • Du verarbeitest deinen Ärger und deinen Frust, indem du ihnen „Luft machst“. • Du argumentierst mit viel Leidenschaft. • Du stellst Fragen wie „Woher willst du das wissen?“ und „Kannst du das beweisen?“. • Du willst kämpfen, bis der Kampf vorbei ist. • Wie ein Anwalt nimmst du andere ins Kreuzverhör, um „zum eigentlichen Problem“ vorzudringen. • Die Auseinandersetzung zu gewinnen ist wichtiger, als dein Gegenüber zu lieben. • Du wendest den Fokus des Streites hin zur anderen Person, auch wenn das Problem eigentlich mit dir begonnen hat. Auf der anderen Seite gibt es die Defensiven. Dies sind Menschen, die sich schnell zurückziehen. Sie tendieren dazu, Konflikte zu meiden oder sie zu ignorieren. Wenn sie doch zu einer Auseinandersetzung gezwungen sind, reagieren sie mit mürrischem Schweigen oder teilnahmsloser Passivität. Wenn du zu den Defensiven gehörst, könnten dir folgende Merkmale bekannt vorkommen. • Du verarbeitest deinen Ärger und deine Frustration, indem du sie unterdrückst. • Du hast zwar eine Meinung, aber behältst sie für dich, um den „Frieden zu wahren“. • Du stellst Fragen wie: „Müssen wir jetzt darüber reden?“ oder „Ist das wirklich wichtig?“. • Du meidest einen Streit lieber, als ihn zu gewinnen. • Du verlässt manchmal den Raum, um ein bisschen „Freiraum“ zu haben.

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Das sind typische Wege, wie wir mit unterschiedlichen Meinungen, Frust und Ärger, persönlichen Angriffen oder Verletzungen umgehen. Die Tatsache, dass wir diese Verhaltensweisen als normal (also „natürlich“) betrachten, zeigt uns, dass sie möglicherweise nicht biblisch sind. Wie aber können wir lernen, Konflikte auf biblische Weise zu lösen? Lasst uns von der Auseinandersetzung zwischen Paulus und Petrus in Galater 2 lernen. Dieser Streit entstand, als die frühe Gemeinde über die Grenzen von Jerusalem hinauswuchs und viele Nichtjuden zum Glauben an Jesus kamen. Die jüdischen Christen übertrugen einige ihrer jüdischen Traditionen in den christlichen Gottesdienst. Viele der Nichtjuden fühlten sich allerdings den jüdischen Sitten (wie Beschneidung und Speisevorschriften) gegenüber nicht verpflichtet, was einige Judenchristen dazu verleitete, auf die Heidenchristen herabzusehen. Petrus, ein Jude, hatte das Evangelium ausreichend verstanden. Er wusste, dass er den Nichtjuden keine besonderen Vorschriften auferlegen brauchte (vgl. Apostelgeschichte 10,9-48). Aber diese Anwendung des Evangeliums wurde auf die Probe gestellt, als er sich in einer gemischten Gruppe befand. Einige gesetzliche jüdische Lehrer aus Jerusalem hatten begonnen, den nichtjüdischen Christen jüdische Vorschriften und Gesetze aufzuerlegen. Als diese Lehrer nach Antiochien kamen, wo Petrus mit einigen Nichtjuden Gemeinschaft genoss und mit ihnen aß, distanzierte sich Petrus plötzlich von den nichtjüdischen Christen. Die Zugeständnisse, die Petrus gegenüber den gesetzlichen Lehrern machte, führten zu einem großen Problem, denn er zeigte damit, dass er mit ihren Überzeugungen übereinstimmte. Schließlich folgte sogar Barnabas, ebenfalls ein gestandener Christ, seinem schlechten Beispiel. Die beiden Männer waren zu Heuchlern geworden. Sie behaupteten durch Jesus mit den nichtjüdischen Christen eine Einheit zu bilden, aber mit ihrem Verhalten zerstörten sie diese Einheit. Als Paulus dieses Verhalten beobachtete, konnte er es nicht einfach ignorieren. Es stand zu viel auf dem Spiel. Allerdings musste er es auf eine angemessene Weise zur Sprache bringen. Mit einem Wutanfall hätte Paulus die gewünschte Versöhnung sicherlich nicht bewirken können. Auch wenn der Abschnitt nicht die Details beschreibt, finden wir hier dennoch ein gutes Beispiel dafür, wie das Verständnis vom Evangelium sich auf den Umgang mit Konflikten auswirkt: Doch als Petrus dann nach Antiochia kam, sah ich mich gezwungen, ihn vor der ganzen Gemeinde zur Rede zu stellen; denn so, wie er sich dort verhielt, sprach er sich selbst das Urteil. 12 Zunächst hatte er zusammen mit den nichtjüdischen ´Geschwistern` an den gemeinsamen Mahlzeiten teilgenommen. Als dann aber einige Leute aus dem Kreis um Jakobus kamen, zog sich Petrus aus Angst vor den Verfechtern der Beschneidung zurück und sonderte sich ´von den Nichtjuden` ab. 13 Und genauso unaufrichtig verhielten sich in der Folge die anderen jüdischen ´Geschwister`. Sogar Bar11

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nabas ließ sich dazu hinreißen, dieses heuchlerische Spiel mitzumachen. 14 Als ich nun sah, dass sie den richtigen Weg verlassen hatten, den Weg, der mit der Wahrheit des Evangeliums übereinstimmt, sagte ich in Gegenwart aller zu Petrus: „Du selbst nimmst dir – obwohl du ein Jude bist – die Freiheit, dich über die jüdische Lebensweise hinwegzusetzen und wie ein Nichtjude zu leben. Wieso zwingst du dann die Nichtjuden, sich der jüdischen Lebensweise anzupassen?“ (Galater 2,11-14 NGÜ)

Das Verhalten von Paulus ist in folgenden Punkten bemerkenswert: 1.) Paulus geht öffentlich auf Petrus zu. Er ist ihm nicht ausgewichen, hat nicht über Petrus gelästert und ihn auch nicht unfair behandelt. Paulus konfrontierte Petrus, indem er direkt zu der Person ging, mit der er Schwierigkeiten hatte. In diesem Fall war die Aussprache öffentlich. Das ist nicht immer der Fall. Aber da die Sünde öffentlich war und ihre Konsequenzen weitreichend waren, wählte Paulus eine Art und Weise, die der Situation angemessen war. 2.) Die Motivation von Paulus war nicht Selbstverteidigung oder Eigeninteresse, sondern die Verteidigung des Evangeliums. „Sie hatten den richtigen Weg verlassen, den Weg, der mit der Wahrheit des Evangeliums übereinstimmt“ (Galater 2,14a). Paulus’ Anliegen, das Evangelium und die Beziehungen der Gemeinde zu schützen, waren größer, als die Versuchung sich zurückzuziehen oder Petrus unangemessen anzugreifen. 3.) Paulus hat das Problem direkt angesprochen und Petrus die Möglichkeit gegeben, eine Antwort zu geben. „Du selbst nimmst dir – obwohl du ein Jude bist – die Freiheit, dich über die jüdische Lebensweise hinwegzusetzen und wie ein Nichtjude zu leben. Wieso zwingst du dann die Nichtjuden, sich der jüdischen Lebensweise anzupassen?“ (Galater 2,14b). Diese Art der Konfrontation entspricht völlig dem Evangelium und spiegelt Gottes Wesen wieder, wie er durch das Evangelium auf uns zukommt. Gott hat nicht einfach seinen Zorn über uns ausgegossen (wie ein Angreifer) und er hat sich nicht einfach zurückgezogen (wie ein Defensiver). Nein, er ist in Jesus aufopfernd auf uns zugekommen, voller Gnade und Wahrheit. Jesus hat Sünde konfrontiert, zur Beziehung eingeladen und eine Möglichkeit zur Versöhnung geschaffen. Auf diese Weise zeigt uns die Bibel einen Weg mit Konflikten umzugehen. Wir haben eine richtige Motivation (Liebe), Zuversicht (Glaube) und die Mittel, um Konflikte zu lösen (Gnade und Wahrheit). Das Evangelium ruft uns dazu auf, für unser falsches Verhalten als Angreifer oder Defensiver Buße zu tun. Das Evangelium macht es uns möglich im Glauben mit Konflikten umzugehen mit einer demütigen, zielgerichteten, Gott gefälligen Haltung.

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