Auf zum Leben! - Auszug

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Das Buch ist geschrieben für Menschen, die frisch zum christlichen Glauben gekommen sind und für diejenigen, die einfach neue Orientierung im Glauben suchen. Auch ohne Vorkenntnisse werden die Leser in die wichtigen Begriffe und Zusammenhänge der Hauptbotschaft der Bibel eingeführt. Für Gruppen wie auch für Einzelleser geeignet, enthält jedes Kapitel auch vertiefende Fragen.

AUF ZUM LEBEN!

Was steht überhaupt alles so in der Bibel? Was ist der Glaube? Wer ist Jesus Christus? Grundlegende Fragen werden verständlich erörtert und Appetit auf mehr angeregt.

Geoffrey Holder

In der Überzeugung, dass es für alle etwas Gutes und Lebenswichtiges in der Bibel zu entdecken gibt, erläutert AUF ZUM LEBEN! die biblische Botschaft auf packende, lebhafte und herausfordernde Weise. Dabei wird ein passender Bibeltext entfaltet: Epheser 2, 1-10, wo das Evangelium in Kompaktform auf den Punkt gebracht ist. Hier wird ein Aufwärtskurs von der düsteren Ausgangslage des Menschen, über seine Kehrtwende, die von Gott selber ausgelöst wird, bis zum neuen Leben nachgezeichnet.

Geoffrey Holder

Eine kompakte Bibelkunde für Entdeckungswillige



Geoffrey Holder

Eine kompakte Bibelkunde f端r Entdeckungswillige


Dr. med. Geoffrey Holder, geboren 1968, wuchs in England und in der Schweiz auf. Er studierte Medizin und hat verschiedentlich als Arzt im Krankenhaus und in der klinischen Forschung gearbeitet. Neben seiner Arbeit studiert Geoff Theologie, ist in einer christlichen Gemeinde aktiv und predigt regelmäßig auf Deutsch und Englisch. Er ist verheiratet mit Ruth. Sie haben drei Kinder und wohnen in der Region Basel.

1. Auflage 2016 © 2016 Geoffrey Holder Erschienen bei edition baruch Vertrieb: Betanien Verlag Postfach 1457 · 33807 Oerlinghausen info@betanien.de · www.cbuch.de Cover: Sara Pieper, Betanien Verlag Satz: Betanien Verlag Druck: Scandinavianbook, Arhus, DK ISBN 978-3-945717-04-2


Inhalt Einführung 7 1 Vom Grab bis in den Himmel 11 2 Schlechte Ausgangslage 27 3 Auf dem Weg 39 4 Der Zorn Gottes 51 5 Aber Gott … 63 6 Gottes Gnade 75 7 Jesus 89 8 Zukunft und Reichtum 103 9 Glaube 117 10 Sein Werk 131 11 Mit Hand und Fuß 143 12 Weitergehen! 157 Übersicht über die Bücher der Bibel 171 Weiterführende Literatur 175 Danksagung 181



Einführung Achtung: Neues Leben!

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iele Menschen haben durch die Bibel Veränderung erfahren. Die Bibel kann uns nämlich auf verschiedene Weise packen. Sie kann ermutigen, erfreuen, trösten und überzeugen. Und sie kann betroffen machen, verblüffen, herausfordern, erschüttern, erschrecken und überwältigen. Die Bibel kann beim Leser eine neue Ausrichtung bewirken, die auch schlicht als neues Leben bezeichnet wird. In diesem Buch lade ich Sie ein, die Bibel besser kennen zu lernen. Ich tue es, weil sich die Bibel als das Wort Gottes versteht, und als solches wird sie natürlich Leben verändern. Hier sind nämlich nicht nur Worte, alte Schriften, weise Sprüche und Moralgeschichten zu finden, sondern vor allem eine Person: Jesus Christus. Von frommen bis schrillen Leuten, vom angesehenen Staatsmann über die gehetzte Mutter bis zum unscheinbaren Kind, vom gelehrten Kirchenvater über himmelwärts zeigende Fußballstars bis zu verfolgten Glaubensgeschwistern – die Botschaft von Jesus Christus kann die unterschiedlichsten Menschen in allen Zeitaltern und Erdteilen berühren, stärken und befähigen. Hier ist zweifellos etwas Lebendiges und Kraftvolles, ja sogar Explosives am Werk. Dieses Buch ist in erster Linie an diejenigen gerichtet, die noch neu im christlichen Glauben sind. Sie sind vielleicht kürzlich erst richtig mit der Bibel in ernsten Kontakt gekommen, und Sie merken oder erahnen zumindest, dass dort etwas Wichtiges steht. Vielleicht nennen Sie sich schon Christ? Aber was bedeutet das? Was ist so anziehend an dieser Botschaft des neuen Lebens? Auch wenn Sie sich nicht so verpflichtet fühlen und nur neugierig sind, lade ich 7


Auf zum Leben!

auch Sie ein weiterzulesen. Aber passen Sie auf: Es geht um Explosives. Die Folgen sind unvorhersehbar. In diesem Buch will ich mit Ihnen darüber ins Gespräch kommen. Wir wollen die Botschaft des neuen Lebens entfalten, verständlich machen und ihre Herrlichkeit betrachten. Wir wollen begreifen, dass es nicht nur momentan aktuell und praktisch ist, sondern auch dynamisch die Zukunft betrifft – wie eine Reise. Der Titel »Auf zum Leben!« veranschaulicht diese Dynamik: Es geht um Leben, und das beginnt erst richtig. Entdeckung Um richtig auf die Spur zu kommen, werden wir uns direkt mit Zeilen aus dem Herzen der Bibel befassen. Dieser Text aus dem sogenannten Epheserbrief im Neuen Testament ist der Startpunkt unserer Entdeckung und auch ständiger Begleiter auf dem Weg. Die Kapitel dieses Buches richten sich nach den Versen dieses Bibelabschnittes. Deshalb ist es sowohl eine kompakte Anleitung für Entdeckungswillige als auch ein richtiges Bibelstudium. Dabei setzt das Buch keine besonderen Vorkenntnisse voraus, nur Interesse. Schritt für Schritt entfalten wir wichtige Begriffe des biblischen Glaubens und nehmen ständig Bezug auf viele andere Bibelstellen. Auch wenn Sie bis jetzt nur wenig mit der Sprache der Kirchenkanzel vertraut sind, kommen Sie hier weiter. Die zehn Verse aus dem Epheserbrief erzählen eine erstaunliche Geschichte von Gott, von Mächten und von Menschen. Dabei werden wir sehen: Auch die Bibel als Ganzes handelt von dieser enormen Geschichte, obwohl sie über Jahrtausende von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Stilen niedergeschrieben wurde. Im Zentrum steht eine Aufwärtsbewegung vom Grab bis in den Himmel, von Unterwerfung bis zur Thronbesteigung, vom sklavischen Kriechen als Gefangener bis zur beflügelten Freiheit dessen, der zu Höherem bestimmt ist. Hin zum Leben. Auf zum Leben! Ein Wort noch zur Glaubwürdigkeit der Bibel. Viele Autoren, Denker und Redner haben sich dazu geäußert, zur Existenz Got8


Einführung

tes schlechthin und zum Leben und Wirken von Jesus Christus. Das mag wertvolle Lektüre sein, aber es ist nicht die primäre Aufgabe dieses Buches, die Glaubwürdigkeit der Bibel zu begründen (siehe dazu eine Auswahl anderer Bücher als Literaturempfehlung im Anhang). Die Feststellung, dass die geschichtlichen Grundlagen der Bibel, die Sorgfältigkeit ihrer Überlieferung und inhaltliche Treffsicherheit hinreichend erwiesen sind, sollte hier genügen. Wir überspringen das alles und steigen direkt ein. Wir schlagen die Bibel auf, lesen was darinsteht und schauen dabei die Welt und uns selbst ehrlich an. Wie Sie dieses Buch gebrauchen Die Kapitel in diesem Buch präsentieren und entfalten Schritt für Schritt den Inhalt der zehn ersten Verse vom zweiten Kapitel des Briefes an die Epheser (kurz: Epheser 2,1-10). Kapitel 1 gibt zuerst einen Überblick und enthält dabei auch Hintergrundinformationen, die für Bibelkenner schon bekannt sein dürften. Die darauffolgenden Kapitel behandeln dann die Themen, die in den Versen in dichter Folge angesprochen werden. Alle Kapitel sind ähnlich aufgebaut. Sie finden dort einen erklärenden Kommentar mit Anregungen zum Thema, und weil bei diesen Betrachtungen die ganze Bibel einbezogen werden soll, werden in den Abschnitten namens »Was die Bibel sagt« Stellen aus andern Büchern der Bibel präsentiert, die unsere jeweiligen Verse aus Epheser 2 noch weiter aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten. Am Ende jeden Kapitels finden sich einige anregende »vertiefende Fragen«. Sie profitieren noch mehr vom Lesen, wenn Sie sich mit Hilfe dieser Fragen Zeit zur Reflexion nehmen, sei es alleine oder in einer kleinen Gruppe. Es gibt dabei persönliche Fragen oder auch Vorschläge für Gruppengespräche, Anregungen zur Vertiefung einer Bibelpassage und Zitate aus anderen alten oder zeitgenössischen Quellen, über die man debattieren kann. Dieses Buch kann somit auch als Arbeitsbuch gebraucht werden, das sich für das Eigenstudium oder für Diskussionen in Gruppen eignet. Sicher kann man es auch einfach zügig durchlesen, aber 9


Auf zum Leben!

es möchte eigentlich Ihre ganze Aufmerksamkeit beanspruchen und Sie in Ruhe zur Bibel selbst hinlenken. Das Wichtigste ist nämlich, dass Sie die Bibel selbst lesen. Ich glaube, dass Gott durch sein Wort spricht. Meine Zeilen sind nur da, um Sie beim Zuhören zu unterstützen. Gottes Wort ist voller Leben und Kraft. Es ist schärfer als die Klinge eines beidseitig geschliffenen Schwertes; dringt es doch bis in unser Innerstes, bis in unsere Seele und unseren Geist, und trifft uns tief in Mark und Bein. Dieses Wort ist ein unbestechlicher Richter über die Gedanken und geheimsten Wünsche unseres Herzens. Hebräer 4,12 Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz. Psalm 119,18

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Vom Grab bis in den Himmel Überblick über Epheser 2,1-10

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ür eine Reise ist das Ziel von entscheidender Bedeutung. Eine Reise ohne Ziel werden wir schnell abbrechen und bei einer schwierigen Tour suchen wir nach Umwegen oder sogar nach anderweitigen Zielen. Konfuzius meinte zwar »der Weg ist das Ziel«, aber dieses süße Sprichwort schmeckt schnell bitter, wenn der Weg einmal weniger schön und weniger erfüllend wird. Gerne sehen wir unser eigenes Leben als Reise an. Wäre tatsächlich der Weg selbst das Ziel, sollten wir ein möglichst schönes, gesundes, reiches und langes Leben voller Liebe und Glück haben. Auch wenn wir eines Tages sterben und vor dem Nichts stehen, wäre das Ziel erreicht. Die zunehmende Forderung in unserer Gesellschaft nach viel Freizeit, Wellness, finanzieller Unabhängigkeit, Mobilität, Scheidungsfreiheit, Sterbehilfe und Loslösung von autoritärer und religiöser Bevormundung verdeutlicht, dass sehr viele Menschen exakt so denken. Doch alle diese Freiheiten und Privilegien fordern auch Opfer und schüren unrealistische Erwartungen. Gilt mein Leben als gescheitert, wenn ich chronisch krank oder behindert oder an einen boshaften Ehemann gebunden bin, wenn ich arbeitslos werde oder wenn ich ein Verbrechen verübe und ins Gefängnis muss? Das sind berechtigte existentielle Fragen und unzählige Menschen stecken in solchen Situationen. Der Erwartungsdruck einer schönen Lebensreise provoziert bei den Privilegierten auch feinsinnigere, aber womöglich folgenschwere Fragen: Soll ich eine neue Lebensversicherung abschließen? Wie kann ich einen noch besseren Job bekommen, der mir noch mehr Geld einbringt? Und wenn ich dafür umziehen muss – werde ich meinen Partner überzeugen können und freie Kita-Plätze finden? 11


Auf zum Leben! · Kapitel 1

Kann ich mir eine Risiko-Schwangerschaft leisten oder sollte ich sie nicht lieber »abbrechen«? Werde ich benachteiligt, wenn ich vor anderen für meine politischen, wissenschaftlichen oder religiösen Ansichten eintrete? An all diesen Fragen verdienen Berater und Coaches viel Geld und Bücher über Selbsthilfe verkaufen sich wie warme Semmeln. Klinische Psycho-Diagnosen haben Hochkonjunktur. Noch nie gab es so viele Depressionen und seelische Störungen wie heute, heißt es. Die psychiatrischen Warteräume quellen über. Vielleicht gibt es aber ein anderes Ziel als nur ein schönes Leben. Verstehen Sie mich nicht falsch: Das Leben darf schön sein! Aber was das Ziel anbelangt, gibt es andere Maßstäbe, als Sie bisher vielleicht meinten. In diesem Buch werden wir uns mit der Bibel befassen. Die Bibel liefert uns ein breiteres Bild als nur das des eigenen Lebens, ja sogar mehr als nur das unserer eigenen Welt, aber sie gründet auf dem Boden der Wirklichkeit und ist von Menschen für Menschen geschrieben. Dieses Buch heißt »Auf zum Leben!«, weil die Bibel zielgerichtet ist und weil sie ihre Leser zu dem Ziel hinführen will, das höher liegt als dort, wo wir uns gerade befinden. Ein gewisses Aufwärtsstreben der Menschen ist echt. Ich glaube, dass dies auch zulässig ist – wir dürfen aufwärts wollen. Wir dürfen hoffen. Die Bibel bestätigt es und bringt einen festen Grund für diese Hoffnung, den wir in den folgenden Kapiteln untersuchen werden. Wir sind oft versucht, unsere Hoffnung auf Dinge wie Karriere, Familie, Religion, Klimarettung, Evolution, Technik, Fortschritt oder gesellschaftlichen Wandel zu setzen. Einige dieser Dinge sind selbstbezogen, andere eher gemeinnützig. Aber schlussendlich können diese Dinge dem Druck unserer Hoffnung nicht standhalten und eignen sich nicht als Lebensziele. Stützen wir uns zu sehr darauf, ist die Gefahr groß, enttäuscht oder gekränkt zu werden oder Rückschläge zu erleiden. Dementgegen bringt uns die Bibel mehr, sie bringt uns etwas, das (oder besser: jemanden, der) von Zeit und Menschen unabhängig ist. Sie bringt uns die Nähe zu Gott. Die Bibel versteht sich selbst als Gottes Wort. Eben das schreckt viele davon ab, die Bibel zu lesen: Sie vermuten dort ein autoritäres Auftreten, das nicht mehr zeitgemäß ist, und altertümliche 12


Vom Grab bis in den Himmel

Wertvorstellungen, die heute jede Relevanz verloren haben. Aber die Bibel genießt auch heute noch in allen Erdteilen und in allen Gesellschaftsschichten große Beachtung und Gefolgschaft. Sie bleibt ein Bestseller. Gerade in diesem einmaligen Werk, das den Menschen schon immer Orientierung und Richtung verliehen hat, finden auch wir heute Sinn, Kraft und Dynamik. In der Bibel, wo auch Sanftmut und Selbstverleugnung propagiert wird, wird ein persönliches Vorankommen gefördert. Ob Sie Bibelkenner sind oder ob die Bibel für Sie Neuland ist, ich lade Sie ein, mit mir auf Entdeckung zu gehen. Vielleicht werden Sie auch überrascht. Ich hoffe, Sie werden von den Funden motiviert und bereichert. Unser Ausgangspunkt wird auch während der Entdeckungstour unser Orientierungspunkt bleiben: Ein Text im Neuen Testament in der Mitte eines Briefs an die Gemeinde von Ephesus. Der Brief Den außerordentlichen Aufwärtskurs zum Leben, den die Bibel beschreibt, finden wir in wenigen Sätzen anschaulich zusammengefasst – im Brief an die Gemeinde von Ephesus. Nehmen wir einen ersten Anlauf und lesen diese Verse durch. Sie stehen im Textkasten auf der folgenden Seite. Wenn Sie nicht mit der Bibel vertraut sind, ist der Text auf der rechten Seite leichter zu verstehen. Können Sie die Richtung, die hier beschrieben wird, bereits erkennen? »Aber wie sah euer Leben früher aus?«, lesen wir in Vers 1. Hier sehen wir schon im ersten Satz, dass die ursprünglichen Leser in der Gemeinde von Ephesus etwas Lebensveränderndes erfahren haben. Dass es hier nicht um technische oder wirtschaftliche Verbesserung geht, erkennen wir im nächsten Satz, wo vom Willen, Wissen und Gehorsam die Rede ist. Es geht also um die innere Haltung des Menschen. Offenbar waren die damaligen Leser früher anders als zu der Zeit, als sie den Brief bekamen und lasen. Sie befinden sich immer noch auf ihrer Lebensreise. Am Wortlaut dieses Satzes erkennen wir, dass wir mitten im Gedankengang einer Diskussion stehen. Die Leser werden vom Verfasser direkt angesprochen. Der Verfasser die13


Auf zum Leben! · Kapitel 1

ses Schreibens heißt Paulus.1 Er war nach Jesus selbst eine der ganz großen und wichtigen Personen des frühen Christentums und prägte und verbreitete im 1. Jahrhundert die christliche Glaubenslehre auf sehr engagierte Art und Weise vor allem durch seine Missionsreisen in Gebiete wie die heutige Türkei, Mazedonien, Griechenland und Italien. Er hat viele Briefe an neu entstandene, christliche Gemeinden geschrieben und einige dieser Briefe bilden einen wesentlichen Teil des Neuen Testaments, des zweiten Teils der Bibel nach dem Alten Testament. Einer dieser Briefe ist der Epheserbrief. Er ist ein Lehrbrief an gläubige Christen in der Stadt Ephesus in Kleinasien, der heutigen Türkei. Möglicherweise richtete er sich an noch weitere Gemeinden, die um Ephesus herum entstanden waren, denn solche Rundschreiben waren damals sehr üblich. Die Stadt Ephesus werden wir uns gleich noch näher anschauen. Wie alle Bücher der Bibel ist der Epheserbrief zwecks einfacher Orientierung nachträglich in Kapitel und Verse eingeteilt worden. Unseren Abschnitt bilden die ersten zehn Verse des zweiten Kapitels. Bei der Betrachtung dieser Verse werden wir natürlich auch den Rest des Briefes einbeziehen. Und überhaupt: Es ist unser Ziel, auch auf die Bibel als Ganzes einzugehen und sie an diesem Abschnitt zu reflektieren. Unsere Textpassage ist nur ein möglicher Zugang von vielen zur Botschaft der Bibel, allerdings ein besonders kostbarer und facettenreicher Zugang. Paulus wusste, dass die Epheser genau diese Belehrung zu genau diesem Zeitpunkt brauchten, und er wählte seine Worte mit großer Sorgfalt. Wie auch der Rest des Neuen Testaments wurde dieser Brief auf Griechisch verfasst. Altgriechisch war damals im Mittelmeerraum die übliche Amtssprache. Martin Luther übersetzte Anfang des 16. Jahrhunderts zum ersten Mal vollständig die Bibel ins Deutsche 1 Wer den Epheserbrief geschrieben hat, ist unter manchen Theologen umstritten. Die erste und herkömmliche Ansicht dazu ist, dass der Apostel Paulus selbst diesen Brief geschrieben hat. Das sagt der Verfasser ja auch von sich selbst in Kapitel 1,1. Paulus war mit dieser Gemeinde zweifellos eng vertraut. Der Inhalt harmoniert mit dem Rest der Bibel, insbesondere mit den anderen Paulusschriften. Als Beispiel für ein Gelehrter unserer Zeit untersucht Erich Mauerhofer (Einleitung in die Schriften des Neuen Testamentes, Band 2, VTR/RVB, 2004, S. 127ff) die wesentlichen Pro- und Kontra-Argumente und bestätigt die herkömmliche Ansicht, dass der Epheserbrief wirklich von Paulus geschrieben wurde.

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und auch heute ist seine Übersetzung breit akzeptiert und beliebt.2 Sie folgt eng den Begriffen und Satzstrukturen des griechischen Grundtextes. Um dem Original das Beste zu entnehmen, werden wir uns also meistens auf die Übersetzung von Luther beziehen. Lesen Sie nun die Verse nach Luther in der linken Spalte der Tabelle.

Epheser 2 1-10

Luther (1984) Eine traditionelle Übersetzung, nahe am Wortlaut des Originals

Hoffnung für Alle Moderne freie Übertragung, geeignet für Einsteiger ins Bibellesen

1 Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden,

1 Aber wie sah euer Leben früher aus? Ihr wart Gott ungehorsam und wolltet von ihm nichts wissen. In seinen Augen wart ihr tot. 2 Ihr habt gelebt, wie es in dieser Welt üblich ist, und wart dem Satan verfallen, der seine Macht ausübt zwischen Himmel und Erde. Sein böser Geist beherrscht auch heute noch das Leben aller Menschen, die Gott nicht gehorchen. 3 Zu ihnen haben wir früher auch gehört, damals, als wir eigensüchtig unser Leben selbst bestimmen wollten. Wir haben den Leidenschaften und Verlockungen der Sünde nachgegeben, und wie alle anderen Menschen waren wir dem Zorn Gottes ausgeliefert.

2 in denen ihr früher gelebt habt nach der Art dieser Welt, unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams. 3 Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den Begierden unsres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Sinne und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern.

2 Es gibt eine Fülle von deutschen Bibelübersetzungen. Die Lutherbibel gehört zu denen der »traditionellen Sprache«, wie u.a. die Zürcher Bibel (im gleichen Zeitraum der Reformation verfasst), die Schlachter-Bibel von Franz Eugen Schlachter oder die ökumenische Einheitsübersetzung. Weitere Kategorien von Bibelübersetzungen sind die »Strukturtreuen« (z. B. die Elberfelder Bibel, die Menge-Bibel von Hermann Menge) und die »kommunikativen Übersetzungen« (z. B. Hoffnung für Alle, Gute Nachricht, Neue Genfer Übersetzung). http://www.amenonline.de/bibel/profile-uebersetzungen

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Auf zum Leben! · Kapitel 1

Luther (1984)

Hoffnung für Alle

4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, 5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden –; 6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,

4-5 Aber Gottes Barmherzigkeit ist groß. Wegen unserer Sünden waren wir in Gottes Augen tot. Doch er hat uns so sehr geliebt, dass er uns mit Christus neues Leben schenkte. Denkt immer daran: Alles verdankt ihr allein der Gnade Gottes.

7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus. 8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es, 9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme. 10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, dass wir darin wandeln sollen. Quelle: http://www.bibleserver.com/text/LUT/Epheser2

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6 Durch den Glauben an Christus sind wir mit ihm auferstanden und haben einen Platz in Gottes neuer Welt. 7 So will Gott in seiner Liebe zu uns, die in Jesus Christus sichtbar wurde, für alle Zeiten die Größe seiner Gnade zeigen. 8 Denn nur durch seine unverdiente Güte seid ihr vom Tod errettet worden. Ihr habt sie erfahren, weil ihr an Jesus Christus glaubt. Dies alles ist ein Geschenk Gottes und nicht euer eigenes Werk. 9 Durch eigene Leistungen kann man bei Gott nichts erreichen. Deshalb kann sich niemand etwas auf seine guten Taten einbilden. 10 Gott hat etwas aus uns gemacht: Wir sind sein Werk, durch Jesus Christus neu geschaffen, um Gutes zu tun. Damit erfüllen wir nur, was Gott schon im Voraus für uns vorbereitet hat. Quelle: http://www.bibleserver.com/ text/HFA/Epheser2


Vom Grab bis in den Himmel

Diese Verse stecken voller Begriffe, die einerseits ein einfaches Durchlesen etwas erschweren, aber andererseits zu einer verheißungsvollen Vertiefung geradezu einladen. Wir finden hier Worte aus der Welt der Kirche und der Religion wie: Gott, Jesus Christus, Sünde, Gnade, Himmel, geschaffen, selig, errettet, böser Geist, Satan, Glaube, Ungehorsam, Auferweckung, gute Werke. Auch sehen wir Begriffe, die wir aus unserem Alltag kennen und zentrale Bestandteile unserer Interessen, Ambitionen und Probleme beschreiben: Liebe, Barmherzigkeit, Zukunft, Welt, Natur, Reichtum, Gabe, Güte, Wille, Selbstbestimmung, Leidenschaft, Sinn, Zorn, Tod, Leben. Wie interessant, dass alle diese so verschiedenen Begriffe zusammen vorkommen und ineinandergreifen. Einige von uns stehen diesen Ausdrücken vielleicht skeptisch und distanziert gegenüber, weil sie einen allzu religiösen Beigeschmack haben, aber hier stehen sie in unverhohlenem Zusammenspiel mit den Themen populärer heutiger Autoren. Wir lesen »Gott« in Verbindung mit »Liebe« und »Barmherzigkeit«. Wir sind von »Reichtum« angezogen und hören »Jesus« im gleichen Atemzug. Der Text handelt von »Willen«, »Sinn« und »Leidenschaft«, und das in eindeutigem Zusammenhang mit der geistlichen Welt. Es wird uns eine Sicht der Realität vorgestellt, die ich als »integriert« bezeichnen möchte: Sowohl Geistliches als auch Alltägliches sind zu einer Einheit integriert. Die Epheser und wir Die Christen von damals, in unserem Beispiel die Gläubigen aus der Gemeinde von Ephesus (kurz: »die Epheser«), waren auch wie wir voll mit dem Leben beschäftigt. Die Stadt Ephesus war eine der größten der damaligen Welt, die Hauptstadt der wichtigsten Provinz von Asien und lag nahe der Mittelmeerküste. Die Bevölkerung im Jahr 100 n. Chr. wird auf ein Viertel bis eine halbe Million geschätzt, vor allem Griechen und Römer. Die Großstadt war ein wichtiger und angesehener Finanzplatz. Das Theater war beliebt und bot Platz für rund 25.000 Zuschauer. Eine Vielzahl der Medi17


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ziner der Antike erlernte hier ihren Beruf. Das alles erinnert sehr an eine moderne, weltoffene Stadt mit Banken, Stadien und einer Universität. Religion gehörte zum Leben und der Artemis-Tempel von Ephesus war weltbekannt und eines der sieben Weltwunder. Noch heute gibt es archäologische Reste dieses Bauwerks und seiner Anbetungsobjekte. Diese religiöse Stätte war auch wichtig für die Wirtschaft, denn sie zog viele Besucher und Pilger an, die dort ihr Geld ausgaben. Wir erinnern uns: Die Römer und Griechen hatten viele Götter und Göttinnen. Die einzelnen Gottheiten waren sozusagen Spezialisten: Sie hatten ihre Zuständigkeiten und konnten auch untereinander konkurrieren. Die Geschäftsleute machten daraus den bestmöglichen Profit. Der Tempel von Ephesus war der griechischen Göttin Artemis geweiht, die in der römischen Mythologie der Diana entspricht. Artemis bzw. Diana war die jungfräuliche Göttin der Jagd und der Fruchtbarkeit. Ihre »Macht« lag also in ihrer lebenserhaltenden Fürsorge. Ephesus war eine wichtige Station für Paulus auf seiner dritten Missionsreise, von der wir in Apostelgeschichte Kapitel 19 und 20 lesen. Drei Jahre lang wohnte er in dieser Stadt. So lernte er die Menschen, ihre Lebensweise und ihre Anliegen gut kennen. Er vertrat bewusst den Glauben an Jesus Christus, baute die christliche Gemeinde mit auf und wurde als Autorität in diesen Fragen anerkannt. Er erntete auch Widerstand, denn er war mutig und nahm kein Blatt vor den Mund, weswegen er nicht selten mit dem Establishment in Konflikt geriet. Auf seinen Missionsreisen wurde er in manchen Städten ins Gefängnis geworfen, einmal sogar gesteinigt, für tot gehalten und liegen gelassen. Wir müssen bedenken, dass die Einwohner von Ephesus Heiden waren, d. h. aus Sicht der jüdischen Religion und ihrer Schriften des Alten Testaments lebten sie in dunkler Gottesferne. Der einzig wahre Gott hatte sich über Jahrtausende nur dem jüdischen Volk offenbart und nur dieses Volk als sein Volk bezeichnet. Durch Jesus Christus läutete Gott ein neues Zeitalter ein, in dem Menschen aus allen Völkern der Erde Gott erkennen und in eine Beziehung zu ihm eintreten können. Die Apostel, zu denen auch Paulus gehörte, erfüllten den Auftrag, den Jesus ihnen erteilt hatte, und verkündig18


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ten seine gute Nachricht des wahren Lebens in aller Welt, angefangen in Jerusalem, Israel und dem Mittelmeerraum. Paulus verbreitete die gute Botschaft von Jesus zwar mutig und hartnäckig, doch waren ihm auch die Menschen und ihr Wohlergehen wichtig. Am Anfang seines Briefes an die Epheser, im Begrüßungsteil, spricht er diese Christen als »Heilige« an (Kapitel 1, Vers 1) und wünscht ihnen Frieden: Paulus, ein Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes, an die Heiligen in Ephesus, die Gläubigen in Christus Jesus: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Sie sind etwas Besonderes – das ist die eigentliche Bedeutung von »heilig«: andersartig und für einen bestimmten Zweck ausgesondert. Das Besondere an ihnen ist, dass Gott sie erwählt hat und dass sie an Jesus Christus glauben. Es ist der Zweck dieses Buches, die Bedeutung dieser Dinge zu entfalten, deshalb schrecken Sie nicht zu sehr vor diesen Begriffen zurück und haben Sie noch etwas Geduld. Ich möchte hier kurz versuchen, das erste Kapitel des Epheserbriefes zusammenzufassen, bevor wir weiterfahren. Paulus wünscht den Lesern zunächst Frieden von Gott. Er schreibt ihnen, wie sehr er sich über sie freut und in seinen Gebeten Gott für sie dankt. Diese Freude und Dankbarkeit kommen stark zum Ausdruck, denn sie sind nicht nur an die Menschen in dieser Gemeinde gerichtet, sondern vor allem auch an Gott selbst. Es ist dem Wohlgefallen Gottes zu verdanken, dass den Ephesern eine ganze Reihe von Vorrechten zuteilgeworden sind, zum Beispiel: • Sie sind von Ewigkeit her von Gott gekannt und dazu bestimmt, seine Kinder zu sein (Vers 3-5). • Sie genießen Gottes Liebe und Vergebung (Vers 4 und 7). • Sie werden Söhne und Töchter Gottes genannt (Vers 5). • Ihnen wurde der Wille Gottes zu erkennen gegeben (Vers 9). • Sie werden ein herrliches Erbe erhalten (Vers 11). Doch gleichzeitig scheint Paulus zu bezweifeln, ob sie das Aus19


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maß dieses Segens richtig begriffen haben. Er betet dafür, dass ihre Augen noch mehr für diesen Segen geöffnet werden (Vers 18). Sie haben in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, eine neue Identität, die sie erst noch richtig erkennen und auskosten müssen. Das Kapitel ist ein Lobpreis auf Jesus. Praktisch jeder Vers erwähnt ihn oder handelt von ihm. »In ihm«, das heißt in Jesus, sind alle diese Vorrechte. Durch Jesus erfahren die Gläubigen all das Gute von Gott und alle Fäden laufen in Jesus wieder zusammen. Diese enge Verbindung mit der Person Jesus verleiht Leben und Hoffnung. Jesus wurde zwar getötet, ist aber in Herrlichkeit wieder zum Leben auferstanden. Die Epheser sollen die überwältigende Macht Gottes und die wundervolle Bedeutung dessen für die Zukunft begreifen! Gott hat Jesus die Herrschaft über alles gegeben. Alle konkurrierenden Mächte fallen unter seine Füße (Vers 20-22), ob gegenwärtig oder künftig. Diese Herrschaft ist keine unpersönliche, starre, autoritäre, sondern ein frohes, familiäres und ewig stabiles Königtum. Seine Herrschaft kommt gegenwärtig in seiner Gemeinde zum Ausdruck, die aus den auserwählten, begnadigten, verherrlichten und zu einer Gemeinschaft vereinten Gläubigen besteht und mit der sich Jesus selber als sein »Leib« identifiziert. Müssen auch unsere Augen geöffnet werden? Müssen auch wir wie die Epheser über die Herrlichkeit Jesu und über seine Bedeutung für unser Leben und für die Welt aufgeklärt werden? Wären oder blieben wir blind dafür, dann wäre unsere Reise durch das Leben im Grunde orientierungslos und immer hoffnungsloser. Eine Reise Unseren Abschnitt am Anfang von Epheser 2 kann man mit der Überschrift »Neues Leben« betiteln. Paulus hat seinen Brief zwar nicht selbst ausdrücklich gegliedert und mit Zwischenüberschriften versehen, aber wir können beim Lesen dieser Verse unschwer erkennen, dass der Titel »Neues Leben« durchaus passt. Zuerst ist vom Tod die Rede, dann von der Auferstehung bzw. von einem Lebendig-gemacht-Werden und schließlich vom aktiven Leben. Das 20


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ist bemerkenswert: Hier verlaufen die Dinge umgekehrt – vom Grab ins Leben und bis zum Himmel. Wir werden in diesem Buch nun erkunden, was das bedeutet. In meiner Tätigkeit als Arzt und Mediziner geht es mir darum, Krankheiten zu bekämpfen und Menschen bei der Heilung ihrer körperlichen und auch geistigen Gebrechen zu helfen. Ärzte lernen, wie der Körper funktioniert und welche Maßnahmen getroffen werden können, um Fehlfunktionen zu verhindern oder ihnen entgegenzuwirken: operative Eingriffe, die Anwendung von Arzneimitteln, Physiotherapie, therapeutische Gespräche und so weiter. Es geht darum, Menschen gesünder zu machen und ihre Lebensqualität zu verbessern. Aber auch ohne Arzt zu sein, kann man leicht erkennen: Mit zunehmendem Alter wird der menschliche Körper immer gebrechlicher. Rein medizinisch betrachtet heißt altern krank werden. Der Tod trifft letztendlich nicht nur einige Unglückliche, sondern uns alle. Wir fangen sprudelnd mit dem Leben an und enden nach einigen Jahrzehnten im Grab – das ist der Normalfall. Das ist Fakt. Von Epheser 2 her betrachtet ist das neue Leben aber etwas Anderes. Die Reise, die unser Text beschreibt, ist anders als der natürliche Lebensverlauf. Das Bild der Lebensreise ist passend, denn in unserem Bibelabschnitt geht es um eine dynamische Entwicklung. Es geht um Menschen wie Sie und mich, die an irgendeinem Punkt beginnen und gezielt weitergeführt werden. Die zweite Hälfte unserer Passage (Epheser 2,4-10) schäumt über vor lauter Bestimmung und Erfüllung. Die Ausgangslage war schlecht, aber der Bestimmungsort ist gut. Das ist attraktiv, oder? Wir müssen verstehen: Im Mittelpunkt von Epheser 2 steht Gott selbst als derjenige, der aktiv ist. Trotzdem geht es in diesen Versen um uns Menschen: »Auch ihr …« beginnt Vers 1. Schon die ersten Worte sind direkt an die Epheser gerichtet und in jedem weiteren Vers geht es um sie (»ihr seid«, »ihr habt«, »wir sind«, »zu uns«, »für uns«). Es ist genial. Persönlicher kann es nicht werden, und trotzdem ist Gott immer da. Ohne Gott kann es diese Reise gar nicht geben, und trotzdem ist sie unsere Reise. Die Ausgangslage, mit der wir uns zuerst befassen werden, ist eine recht gruselige Szene vom Tod und von einer finsteren Welt, 21


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durchtränkt mit Verrat, Anarchie und Rebellion. Dort fängt die Reise an. »So waren wir« sagt Paulus seinen Lesern – bis etwas geschah. Gott selber griff ein. Das ist die Wende. Gott gibt eine neue Bestimmung, so radikal wie eine neue Identität, die eng mit Jesus verbunden ist. Die Begriffe, die den Text jetzt prägen, sind hell, reich, lebensspendend und nach vorne gerichtet. Von Gott selbst getragen und angetrieben führen diese Menschen jetzt ein neuartiges Leben. Gestärkt von der Gewissheit ihrer neuen Heimat und voller Vorfreude darauf schreiten sie zuversichtlich vorwärts und nehmen in der Welt ihre Verantwortung wahr, die Gott ihnen individuell gegeben hat. Es ist eine bemerkenswerte Reise. Aus diesem Blickwinkel kommt uns die Beschreibung fast märchenhaft vor. Kann das denn stimmen? Es lohnt sich jedenfalls, das alles noch näher zu untersuchen. Wenn diese Beschreibung der menschlichen Ausgangslage der Wirklichkeit entspricht und diese Beziehung zu Gott tatsächlich möglich ist, dann ist das eine gewaltige Sache mit enormen Konsequenzen für unser Leben. Begreifen Sie nun, was auf dem Spiel steht und was das Ziel der Lebensreise ist? Sind Sie selbst schon auf dieser Reise? Sind Sie offen dafür, dass Gott Sie weiterbringt? Was die Bibel sagt An dieser Stelle – am Ende jeden Kapitels – wollen wir uns einige Bibelverse ansehen, die unser jeweiliges Thema weiter erhellen. Es geht hier darum, dass die Aussagen unseres Abschnitts aus dem Epheserbrief nicht alleine und isoliert dastehen, sondern Teil einer breit abgestützten, biblischen Botschaft sind, die facettenreich ist und gleichzeitig erhebliche Konsequenzen für unser Leben hat. Wer noch wenig mit der Struktur und den Büchern der Bibel vertraut ist, findet im Anhang eine kurze »Übersicht über die Bücher der Bibel«. Es lohnt sich, sich dort zuerst zu orientieren, denn ich zitiere hier nun Verse aus den verschiedenen Teilen der Bibel, ohne sie besonders zu kommentieren. Die Verse stammen sowohl aus dem Alten als auch dem Neuen Testament. Die Bücher der Bibel, in denen diese Verse stehen, haben unterschiedliche Literatur22


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gattungen und Verfasser, dienen unterschiedlichen Zwecken und stammen auch aus ganz verschiedenen Epochen der Geschichte. Nehmen Sie sich deshalb Zeit für diese Verse. Sie kommen direkt aus Gottes Wort. Denken Sie darüber nach. Nehmen Sie eine Bibel und schlagen Sie ruhig selbst in dem Bibelbuch nach, aus dem der jeweilige Vers zitiert wird. Recherchieren Sie Verfasser, Zweck, Art und Empfänger dieser Botschaft und den Zusammenhang des Verses. Diese Bibelzitate sind aus der Luther-Übersetzung von 1984, wenn nicht anders vermerkt. Zuerst zitieren wir Jesus selbst. Er sagt hier etwas über wahres Leben: Johannes 10,10 (Jesus sagte:) Ein Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und umzubringen. Ich bin gekommen, damit sie das Leben und volle Genüge haben sollen. Johannes 14,6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben … Die folgenden Verse aus prophetischen Büchern des Alten Testaments verdeutlichen, wie Gott der Vater das Leben und den Tod der Menschen sieht. Auch hier ist das Leben etwas Zukünftiges und kann erst nach einer Richtungsänderung erfahren werden. Hesekiel 18,32 Denn ich habe keinen Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der Herr. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben. Jesaja 25,8 Er wird den Tod verschlingen auf ewig. Und Gott der Herr wird die Tränen von allen Angesichtern abwischen und wird aufheben die Schmach seines Volkes in allen Landen; denn der Herr hat’s gesagt.

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Auf zum Leben! · Kapitel 1

Hosea 13,14 Aber ich will sie aus dem Totenreich erlösen und vom Tode erretten. Die Psalmen gehören zu den sogenannten Weisheitsbüchern. Psalmen sind Lieder oder Gebete – die Verfasser sprechen darin oft Gott direkt an. Hier zitieren wir einige Verse aus den Psalmen. Im ersten Vers spricht der Verfasser zunächst vom wörtlichen, körperlichen Tod. Aber in den späteren Versen wird deutlich, dass er auch noch eine höhere Dimension im Sinn hat. Er weiß, dass er eines Tages sterben wird. Doch in diesen poetischen Versen erkennen wir schon seine Hoffnung auf das ewige Leben. Psalm 49,16 Aber Gott wird mich erlösen aus des Todes Gewalt; denn er nimmt mich auf. Psalm 16,11 Du tust mir kund den Weg zum Leben: Vor dir ist Freude die Fülle und Wonne zu deiner Rechten ewiglich. Psalm 73,24 Du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an. Psalm 119,25 Meine Seele liegt im Staub; erquicke mich nach deinem Wort. Manchmal ruft Gott zu einer buchstäblichen Reise auf bzw. dazu, sich auf einen bestimmten Weg zu machen. Menschen sollen ihm folgen. Hier das Beispiel von Abraham, dem Stammvater des Volkes Israel (der zu dieser Zeit noch »Abram« hieß) aus 1. Mose, dem ersten Buch der Bibel. In den weiteren Versen sehen wir, wie Jesus seine Jünger (die zukünftigen Apostel) aufruft, ihm nachzufolgen. 24


Vom Grab bis in den Himmel

1. Mose 12,1ff. Und der Herr sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden … Da zog Abram aus, wie der Herr zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm. Abram aber war 75 Jahre alt, als er aus Haran zog. So nahm Abram Sarai, seine Frau, und Lot, seines Bruders Sohn, mit aller ihrer Habe, … Markus 1,19-20 Und als er (Jesus) ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, wie sie im Boot die Netze flickten. Und sogleich rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus im Boot mit den Tagelöhnern und folgten ihm nach. Matthäus 9,9 Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. Vertiefende Fragen 1.1 Lesen Sie Epheser 2,1-10 in einer der erwähnten Übersetzungen nochmals durch. Markieren Sie die Begriffe, die Sie besonders interessieren. Warum gerade diese? Nehmen Sie einen oder zwei Begriffe und versuchen Sie in Worten zu fassen, warum sie für Sie bedeutungsvoll sind. Beinhalten sie zum Beispiel Ängste, Hoffnungen, Überzeugungen, Zweifel, etwas Rätselhaftes oder Verheißungsvolles …? 1.2 Inwiefern könnte Ihr Leben mit einer Reise verglichen werden? Wie ist diese Reise – langwierig, schön, anstrengend, ungewiss, 25


Auf zum Leben! · Kapitel 1

zu kurz? Wo befinden Sie sich auf dieser Reise – am Anfang, nahe am Ziel, auf Abwegen? 1.3 Die Gideons sind eine internationale christliche Vereinigung, vorwiegend von Geschäftsleuten, deren Hauptanliegen es ist, die Bibel unter Menschen zu bringen. Vielleicht haben Sie schon einmal in einem Hotelzimmer eine Bibel gefunden, die von den Gideons dort hinterlegt wurde. Auf der Webseite des Gideonbundes steht über die Bibel:3 Lies diese Schrift, um weise zu sein, glaube ihr um sicher zu sein und lebe nach ihr, um heilig zu sein. Sie enthält das Licht, dich zu leiten, Nahrung um dich zu versorgen und Trost, um dich aufzumuntern. Das Wort Gottes ist die Karte des Reisenden, der Stab des Pilgers, der Kompass des Piloten, das Schwert des Kämpfers und des Christen Gnadenbrief … Ihr Hauptthema ist Christus, unser Bestes ist der Heilsplan und ihr Ende die Ehre Gottes … Sie sollte unser Gedächtnis ausfüllen, das Herz regieren und unsern Fuß leiten. Lies sie langsam, öfters und mit Gebet. Sie ist eine Fundgrube an Reichtum, ein Paradies der Herrlichkeit und ein Strom von Freude. Wann haben Sie zuletzt einige Minuten in Ruhe in der Bibel gelesen? Wie kam es dazu und warum lesen Sie nicht öfter in der Bibel? 1.4 Blättern Sie in Ihrer Bibel zum Buch des Propheten Jesaja im Alten Testament. Lesen Sie die 13 Verse von Jesaja 55. Der Prophet bringt hier den Menschen, die Gott brauchen, Gottes eigene Worte nahe. Was fällt Ihnen an dieser Einladung auf? Wie ist Gott demnach? Fühlen Sie sich davon angesprochen?

3 Webseite der Gideons, von der hier zitiert wird: http://www.gideons.ch/index. php?id=102

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Schlechte Ausgangslage Auch ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden, in denen

ihr früher gelebt habt …

D

Epheser 2,1-2

er Anfang unseres Bibelabschnitts mutet düster an. Dieser Vers beinhaltet Begriffe, die für uns ziemlich »out« sind. In unserer heutigen Gesellschaft wird der Tod verdrängt, auch in unserer Sprache. »Sünden« und »Übertretungen« gelten sowieso als überholte Überreste einer früheren Generation. Aber wenn wir wirklich erforschen wollen, was die Bibel über Gott, die Welt und uns zu sagen hat, dürfen wir nicht zu schnell aufgeben. Der Verfasser dieses Briefes, Paulus, weiß, dass diese Zeilen unangenehme Kost sind. Aber er hat seine Gründe, warum er sie uns verabreichen muss. Dieser Vers steht wohlgemerkt gleich am Anfang von Epheser 2 und wer Epheser 1 gelesen hat, weiß, dass dort der Ton ganz anders war: voller Herrlichkeit, Lob und vielen anderen positiven Begriffen. Jetzt aber spult Paulus zurück zum Anfang der Reise. Der Tod Die Reise beginnt bei einer schlechten Ausgangslage: Mit dem Tod. Das ist verblüffend, wissen wir doch, dass der Tod gewöhnlich am Ende aller Dinge steht und nicht zu Beginn. Starten wir diese ultimative Lebensreise wirklich als Tote? Ist das möglich? Ist das vielleicht bloß eine übertriebene Provokation aus der spitzen Feder eines phantasierenden Apostels? Er gibt uns jedenfalls zu denken. Hier und auch an anderen Stellen seiner Schriften sagt er: Wer 27


Auf zum Leben! · Kapitel 2

nicht durch Jesus Christus zu neuem Leben gekommen ist, der ist tot. »Was soll das?«, wenden sicher einige Leser empört ein, »auch ohne Jesus bin ich lebendig. Ich genieße es sogar, frei von solchen religiösen Fesseln zu leben.« Nun, ich will nicht behaupten, dass nur gläubige Christen das jetzige Leben genießen können, denn so etwas behauptet auch die Bibel nicht. »Lasst uns essen und trinken, wir sterben doch morgen!«, sagten die gleichgültigen Bewohner Jerusalems (Jesaja 22,13). Jesus erzählte in einem seiner Gleichnisse von einem reichen Mann. »Ich

habe für lange Zeit ausgesorgt. Jetzt lasse ich es mir gut gehen«, sagte er zufrieden. »Ich will gut essen und trinken und mein Leben genießen!« (Lukas 12,19). Tatsächlich kann man viel Spaß und viele fantastische

Möglichkeiten aus dem Leben schöpfen. Allerdings: Dieser Genuss ist ein anderer als der, der an dieser Stelle mit Leben gemeint ist. Es gibt nämlich einen Genuss der Erfahrung Gottes. Der erste Artikel des Westminster Katechismus4 definiert den Sinn bzw. das höchste Ziel des Lebens: »Gott zu verherrlichen und sich für immer an ihm zu erfreuen.« Sich zu erfreuen. Für immer. Viele Lebenskünstler würden sagen: Echter und dauerhafter Genuss ist unerreichbar. Man bekommt nie genug von all den Genussmitteln und auf Dauer sind sie nur ungesund und machen süchtig. Doch Gott will für uns eine bleibende Freude – das sagt die Bibel – und der Weg dorthin führt über das, was die Bibel »Furcht des Herrn« (z. B. Hiob 28,28; Psalm 33,18) und ein »zerbrochenes Herz« (Psalm 34,19 und 51,19) nennt. Paulus spricht in unserem Vers nicht etwa deswegen vom Tod, weil er ein morbider Typ wäre, sondern weil er ein eindrückliches Bild der Wirklichkeit vermittelt. Lesen Sie zum Beispiel wie glorreich und übersprudelnd er etwas weiter in Epheser 3 vom Leben und von der Kraft in Christus spricht. 4 Ein Katechismus ist ein Handbuch der Unterweisung in den Grundfragen des christlichen Glaubens. Katechismen wurden schon im Mittelalter verfasst und erlebten in der Reformation einen wahren Aufschwung. In der Form von Fragen und Antworten sollten sie Täuflingen, Paten, Konfirmanden und anderen Interessenten den Inhalt der Glaubensbekenntnisse zugänglich und lernbar präsentieren. Der Westminster Katechismus (ein Kleiner sowie ein Großer) wurde 1643-1652 von einer Vielzahl Theologen und Kirchenführern im Londoner Parlamentsstadtteil Westminster erarbeitet. http://www.bucer.ch/uploads/tx_org/ mbstexte061.pdf

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Schlechte Ausgangslage

Unter der Vorsehung Gottes hat Paulus seine Worte wie ein weiser Berater sorgfältig abgewogen. Hier spricht er in allem Ernst vom Tod, aber pflanzt gleichzeitig auch schon den Keim der Hoffnung und der Auferbauung. Er schreibt nämlich in der Vergangenheitsform: »ihr wart tot«. Bei den Christen von Ephesus hatte sich offenbar etwas zum Guten gewendet. Und die Tatsache, dass er überhaupt von diesen Dingen spricht, bedeutet, dass er lebendige Zuhörer hat. Aus der Wortwahl lernen wir noch mehr: Paulus sagt nicht einfach, dass seine Leser Sünder gewesen sind, sondern dass sie sogar tot waren. Das Wort »Sünde« (in anderen Übersetzungen: »Vergehungen«) hat er in Kapitel 1,7 schon einmal gebraucht. Wir nehmen diesen Begriff für den Augenblick erst einmal hin und werden ihn im Verlauf der folgenden Seiten noch näher beleuchten. Was bezweckt Paulus mit dieser verblüffenden Gleichung: Sünde ist gleich Tod? Ist es nicht genug zu sagen, dass sie Sünder waren? Die Leser haben beim Thema Sünde gute Vorkenntnisse. Sie gehören der christlichen Gemeinde an und haben die Predigten von Paulus und von anderen schon gehört. Sie wissen, dass sie Sünder sind, die von ihrem Sünderdasein errettet wurden (z. B. Epheser 1,7). Paulus will an dieser Stelle aber erklären, was das eigentlich bedeutet, und das ist äußerst lehrreich für uns heute, denn wir müssen ebenfalls die Bedeutung der Sünde für unser Leben, Handeln und Sterben verstehen. Darüber werden wir uns nun Gedanken machen. Eine Lagebeurteilung Es ist, als ob Paulus die Kontrast-Einstellung auf dem Monitor unseres Lebens richtig einstellt. Unser Verständnis, wie es wirklich um uns bestellt ist, ist normalerweise recht verschwommen und ohne klare Konturen. Paulus will das korrigieren und dreht dafür sozusagen am Kontrastknopf, damit wir die Landschaft unserer Existenz und unserer eigenen Lage erkennen und richtig beurteilen können. Einerseits zeichnet er glorreiche Farben in seinem Brief, aber dadurch kommen auch die finsteren Schatten zur Geltung (das ist oft so in der Bibel, siehe z. B. Psalm 50,2-3). Der Tod 29


Auf zum Leben! · Kapitel 2

in Epheser 2,1 gehört zur Schattenseite. Wir möchten lieber nicht hinschauen, aber wir müssen einsehen, dass er Realität ist. Diesen Vergleich zwischen Sünde und Tod zieht Paulus oft, aber er steht damit nicht alleine da. Er bringt diese Sache zwar prägnant auf den Punkt, sagt damit aber nichts Anderes als das, was die Bibel durchgängig lehrt. Als ich als Arzt im Krankenhaus tätig war, wurde ich mit dem Tod konfrontiert. Ich musste Totenscheine unterschreiben. Da gab es zum Beispiel die alte Dame, die ruhig in ihrem Krankenzimmer auf schöner Bettwäsche erwartungsgemäß friedlich dahinschied. Da gab es aber auch den jungen Mann, der nach turbulenten psychiatrischen Aufenthalten eines Nachts vom Dach des hohen Bettenhauses sprang. Seine Leiche wurde am nächsten Morgen schlimm entstellt neben einer Mülltonne gefunden. Das waren zwei vollkommen unterschiedliche Menschen. Trotzdem wurden sie beide eines Tages für tot erklärt. Ihre Leichen lagen kalt und verlassen vor mir. Ich hatte sie persönlich kaum gekannt. Trotzdem hatte ich das Gefühl der Traurigkeit, weil ihre von der Seele verlassenen Leiber vom endgültigen Aus zeugten. Kurz zuvor waren sie noch Menschen voller Energie, Willen und Pläne und jetzt sah ich nur noch sterbliche Überreste. Hier stimmt etwas nicht. Der Tod ist grundsätzlich fehl am Platz. Dass es den Tod gibt, stört mich grundlegend – und nicht nur mich, sondern wohl alle Menschen. Das sehe ich dadurch bestätigt, dass die Menschen zu allen Zeiten versucht haben, dem Tod zu entrinnen: durch Einbalsamierung, Fitnessprogramme, »Anti-Aging«-Mittel, kosmetische Chirurgie, Einfrierung des Körpers. In der Hoffnung, dass man in ferner Zukunft wieder zum Leben erweckt werden könne, wird der Tod gesellschaftlich tabuisiert. Vielleicht wenden Sie ein, dass das ewige Leben, in der Bibel so angedeutet, auch nichts anderes als ein Märchen ist, um die harte Tatsache des Todes erträglicher zu machen, oder ein listiger Köder, um der Kirche ihre Gefolgschaft zu garantieren. Aber schauen Sie die Bibel ehrlich an: Der Tod und die Sünde wurden von keiner Kirche, Gemeinde oder Sekte erfunden. Sie sind uralte Phänomene, mit denen die Menschheit aufgewachsen ist und die von Anfang an mit der Beziehung zu Gott zu tun hatten. Wer von Gott nichts 30


Schlechte Ausgangslage

wissen will, hat schon in diesem Leben ein Problem damit, die alltäglichen Grundsätze von Leben und Tod und von Gut und Böse zu akzeptieren. Die Bibel klärt auf. Um Durchblick zu bekommen, müssen wir zu Gott zurück – und nicht zu einer bestimmten religiösen Institution. Nicht, dass wir Menschen das Handeln Gottes ergründen könnten, aber Gott ist die höchste Instanz für alle Lebensfragen. Und, wie wir noch sehen werden, ist seine Autorität wohlwollend und stellt ewiges Leben in Aussicht. Die Bibel verspricht aber nicht jedem leichtfertig ein ewiges Leben im Paradies. Sie geht wirklich auf den Grund und beschreibt den Tod als eine Katastrophe mit langfristigen Konsequenzen. In diesem Zustand wurde die Welt nämlich ursprünglich nicht geschaffen. Diese frühere, vollkommene Welt können wir uns sicherlich kaum vorstellen – eine Welt ohne Tod. Sie war tatsächlich von kurzer Dauer. Schon im dritten Kapitel der Bibel (1. Mose 3) lesen wir, dass ein erschütterndes Phänomen aufkam, das die Schöpfung auf den Kopf stellte: die Sünde. Paulus sagt in unserem Vers, dass die Sünde unser Leben nicht nur enorm schwergemacht, sondern sogar ausgelöscht hat. Und mit dieser düsteren Feststellung beginnt unsere Reise. Der Begriff des Todes ist hart. Denken wir einmal über die Bedeutung des Todes nach. Eine Leiche hat keine Energie mehr. Sie ist kalt, jegliche elektrische Aktivität der Nerven- und Muskelzellen ist eingestellt, alle produktiven biochemischen Abläufe und Mechanismen sind erloschen. Das Gehirn ist inaktiv, gedankenleer und steuert keine Körperfunktionen. Herz und Kreislauf liegen still, die Lunge füllt sich nicht mit Atem. Die Leiche nimmt nichts wahr und gibt keine Antwort. Sie leistet nichts. Sie ist rein passiv der Verwesung ausgesetzt. Schaut man sie an, sieht man zwar noch den Menschen, den man gekannt und geliebt hat, aber sie ist eine zurückgelassene Spur dieser Person. Die Leiche ist eine bloße Hülle ohne Seele.5 Die Seele ist nicht mehr da. Das ist traurig und trifft uns tief ins Herz. 5 Oft will man mit dem Wort »Seele« das eigentliche, lebende »Ich« beschreiben, das über das rein Körperliche hinausgeht. Es ist ein Begriff, den man verschiedentlich in alten und neuen Sprachen, Philosophien und Religionen finden kann. Obwohl es kein Eigenwort der Bibel ist, ist die Seele dort wichtig. Sie wird manchmal als Geist bezeichnet.

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Auf zum Leben! · Kapitel 2

Die Botschaft hier ist, dass unsere persönliche Beziehung zu Gott »tot« ist, solange nicht Gott selbst Leben in diese Beziehung einhaucht. Wir Menschen sind zwar von Gott nach seinem Ebenbild geschaffen, aber der natürliche Zustand ist so weit degeneriert, dass der Mensch im Ausgangszustand nur noch kleine Spuren dieses Bildes aufweist. Gott sieht den Menschen wohl so, wie wir einen geliebten Verstorbenen betrachten würden: Wir erkennen ihn zwar eindeutig wieder, doch ist er leblos und von unserer Gemeinschaft abgeschnitten. Die Beziehung zwischen Gott und dem erschaffenen Menschen war ursprünglich eng und vertraut (siehe 1. Mose 2 und 3). Doch diese Beziehung wurde von Grund auf zerstört und der Mensch folglich vom Ort der Gemeinschaft verbannt (siehe den Bericht des Sündenfalls in 1. Mose 3,23-24). Seitdem gehen die Menschen ihren eigenen Weg und suchen verzweifelt nach Sinn, Erfüllung und dem höchsten Lebensziel. Es ist für sie, als gäbe es Gott nicht. Wenn Paulus nun in Epheser 2,1 diesen natürlichen Lebensweg des gefallenen Menschen mit dem Zustand des Todes gleichsetzt, beschreibt er damit unsere seit Auftritt der Sünde naturgegebene Unempfänglichkeit gegenüber Gott. Wir sehen Gott nicht. Wir hören nicht auf ihn. Wir erkennen bei all seinem Wirken und seinen Werken nicht, dass er es ist, der dahintersteht. Mehr noch: Wir bestreiten seine Existenz und machen ihn zur Märchenfigur. Wir tun, was wir wollen und missachten alles, was Gott uns als Wegweisung gegeben hat. Wir lehnen seine Offenbarung ab und lachen andere aus, die uns von ihm etwas sagen möchten. Wir suchen keinen Kontakt mit ihm und sehen auch keine Notwendigkeit dafür. Aus der Sicht Gottes ist dieser Zustand der eines Toten. Was ist Sünde? Bevor wir dieses Kapitel beenden, müssen wir uns noch näher mit dem Begriff der Sünde befassen. Dieses Wort gilt heute beinahe als Fremdwort, verstößt gegen den guten Ton der politischen wie religiösen Korrektheit und wird eher persönlich verletzend oder humoristisch verstanden. Paulus zufolge sind unsere »Übertretungen 32


Schlechte Ausgangslage

und Sünden« schuld an dem elendigen Zustand, der in den ersten drei Versen von Epheser 2 beschrieben wird. Ursache ist also dieses Phänomen der Sünde, das uns wie ein schwerer Nebel aus Rebellion, Bosheit und Schuld erstickt. Diese Aussage im Vers 1 trifft uns klar und prägnant wie ein kleiner Giftpfeil und vermittelt die unbequeme, aber biblische Botschaft, dass Sünde viel schlimmer ist, als wir es gerne hätten. In unserer aufgeklärten Gesellschaft wird Sünde eher belächelt und als altmodischer religiöser Begriff ohne Relevanz abgetan. Man spricht bestenfalls noch von Steuer- oder Verkehrssündern, auf die wir verärgert oder sogar neidisch schielen, weil sie mit cleveren Tricks dem Staat ein Schnippchen schlagen. In ihrer ursprünglichen Bedeutung ist Sünde tatsächlich ein sehr altes Wort, aber das Phänomen selber ist so aktuell wie eh und je. Jeder, der auch nur eine flüchtige Ahnung von der Bibel hat, kennt die Liste all der verlockend bunten Dinge, von denen es dort heißt, man dürfe sie nicht tun. Sind diese verbotenen Taten die »Sünden«, von denen hier in Epheser 2 die Rede ist? Gewissermaßen ja. Sie sind aber – medizinisch ausgedrückt – nur die Symptome eines Zustandes. Der Arzt untersucht die Zeichen und Symptome seines Patienten, um zu ermitteln, was ihm eigentlich fehlt. Der Husten und der Nachtschweiß deuten auf die Erkrankung hin, die der gute Arzt erkennen und behandeln will. Entweder kann der Arzt bloß Symptome bekämpfen oder – wenn er weiß, was dem Patienten grundsätzlich fehlt – an die Wurzel des Problems gehen und auf eine echte Heilung abzielen. Ganz ähnlich ist es mit der Sünde: Wenn ich ermahnt werde, meinen Zorn in Schach zu halten, ist das sicher positiv für meine Mitmenschen. Aber das ist Symptombekämpfung und kratzt nur an der Oberfläche meines grundlegenden Problems. Die Wut, die Gier, die Habsucht, die sexuelle Ausschweifung, die Untreue, der Mord – sie deuten alle auf ein großes Problem hin. Sie sorgen gut für Spannung und Unterhaltung im Fernsehen, aber sie sind (womöglich nach einem kurzen Rausch) letztendlich schlecht für das reelle Leben. Diese Grunderkrankung ist so schwer, dass sie nicht behandelbar ist. Angesichts einer unheilbaren Diagnose verleugnet ein Patient nicht selten seine Situation. Die existenzielle Bedrohung durch einen unsichtbaren, heimtückischen Feind überfordert ihn. Als Be33


Auf zum Leben! · Kapitel 2

wältigungsstrategie redet er sich ein: »Das stimmt nicht. Die Diagnose ist falsch.« Die ernste Grunderkrankung, von der die Bibel spricht, heißt Sünde. Sie ist dermaßen ernst, dass Paulus sogar die Todesdiagnose stellt. Das klingt wahrlich unheilbar! Und normalerweise ist Sünde auch unheilbar. Doch Paulus geht das Problem an. Es gibt einen Heiler: Gott selbst. Darauf werden wir noch zu sprechen kommen. Viele gefürchtete Erkrankungen sind ansteckend und können als Epidemie auf ganze Bevölkerungen übergreifen. Denken wir zum Beispiel an die Pest, an AIDS oder neuerdings wieder an gefährliche Grippeviren. Andere gefürchtete Erkrankungen sind genetisch bedingt, sodass der Betroffene von vornherein dazu verdammt ist und diesen gar nicht entgehen kann. Der Ausbruch einer solchen Erkrankung scheint vorausbestimmt. Wir kennen diese allgegenwärtigen Phänomene, und daher fällt es uns nicht schwer, die biblische Aussage zu verstehen, dass die ganze Welt von der »Mutter aller Krankheiten« betroffen ist: Die Sünde ist überall. Sie ist nicht nur schwerwiegend, sie ist allgegenwärtig: Im Innern des Menschen, in den Beziehungen untereinander, in der belebten wie der unbelebten Natur. Wir alle könnten die Zeichen und Symptome der Sünde an uns erkennen. Aber hier kommt ein Dilemma ins Spiel: Eine Leiche erkennt nicht, dass sie tot ist. Eine Leiche erkennt und weiß gar nichts. Tot zu sein bedeutet, nichts wahrzunehmen, auch sich selbst nicht, und nichts zu wissen. Und tot heißt vor allem: Man kann sich nicht selbst helfen. Diese Betrachtungen verdeutlichen: die Lage ist absolut katastrophal. Das alles ist in der kurzen und niederschmetternden Zusammenfassung gesagt: »Sünde ist der Tod« (so z. B. in Römer 5,12; 1. Korinther 15,56; Jakobus 1,15). Die Sünde, so lernen wir in der Bibel, ist das Getrennt-Sein von Gott: ein allumfassender Zustand, der sich bis in alle Einzelheiten unseres Alltags auswirkt. Deshalb sprechen wir auch von »Sünden« im Plural. Wir begehen sehr wohl einzelne und mehrere Sünden. Die Wurzel des Problems kann ich vielleicht verdrängen und abstreiten, aber die Taten, die aus dieser grundsätzlichen Wurzel, meiner sündigen Natur, hervorkommen, sind unbestreitbar real und greifbar. Mein Verfehlen von Gottes 34


Schlechte Ausgangslage

makellosem, absolut vollkommen Maßstab ist meine Sünde und meine Schuld ihm gegenüber. Mein Zu-Weit-Gehen (in manchen Bibelübersetzungen »Übertretung« genannt) verurteilt mich. Es gibt kein Zurück mehr und deswegen bin ich so gut wie tot. Nun aber die Frage: Warum lebe ich jetzt? Was ist so ungemein gewaltig, dass es mich vom Tod ins Leben geholt hat? Was die Bibel sagt Bereits bei den ersten Begegnungen zwischen Gott und den Menschen macht Gott klar: Er gibt ihnen viel Freiheit, aber die Folge des Ungehorsams ist der Tod. In 1. Mose 3,16-19 lesen wir, was Gott den Menschen als Folge ihres Ungehorsams zu sagen hatte. 1. Mose 2,16-17 Und Gott der Herr gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen, denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben. 1. Mose 3,19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. Der Mensch hat ein tiefgreifendes, ernstes Problem, und das trennt ihn von Gott. Hier zwei kurze, anschauliche Verse aus dem Alten Testament und zwei Verse aus anderen Briefen des Apostels Paulus. Jeremia 17,9 Trügerisch ist das Herz, mehr als alles, und unheilbar ist es. Wer kennt sich mit ihm aus? (Elberfelder) Sprüche 14,12 Manchem scheint ein Weg recht; aber zuletzt bringt er ihn zum Tode. 35


Auf zum Leben! · Kapitel 2

Römer 3,23 Denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes. (Elberfelder) Galater 5,19-21 Offenkundig sind aber die Werke des Fleisches, als da sind: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, Götzendienst, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Spaltungen, Neid, Saufen, Fressen und dergleichen. Davon habe ich euch vorausgesagt und sage noch einmal voraus: Die solches tun, werden das Reich Gottes nicht erben. Wir lasen von Übertretungen und von Sünden. Es gibt tatsächlich viele Begriffe für dieses vielseitige, todbringende Phänomen. Bemerken Sie die Begriffe in den folgenden Psalmen und gleichzeitig die große Erleichterung der Vergebung? Psalm 32,1-2

Wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind, dem die Sünde bedeckt ist! Wohl dem Menschen, dem der Herr die Schuld nicht zurechnet, in dessen Geist kein Trug ist! Psalm 119,36-37 Neige mein Herz zu deinen Mahnungen und nicht zur Habsucht. Wende meine Augen ab, dass sie nicht sehen nach unnützer Lehre, und erquicke mich auf deinem Wege. Das Neue Testament spricht auch von der Sünde als Zustand der Finsternis. Als Antwort darauf kam das Licht. Hier Verse über Jesus aus dem Johannesevangelium und ein Vers aus dem Epheserbrief. Johannes 1,4.5.10 In ihm (das Wort, Jesus) war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen. … Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. 36


Schlechte Ausgangslage

Epheser 5,8-9 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Vertiefende Fragen 2.1 Nach den Überlegungen, die wir in diesem Kapitel über die Sünde gemacht haben, benennen Sie einige Zeichen und Symptome der Sünde, die Sie in der Welt erkennen? Und in Ihrer eigenen Person? Es geht hier nicht darum, Schuldige zu identifizieren, sondern einfach darum, nach den Spuren zu suchen. 2.2 Sind einige Zeichen der Sünde in Ihrem eigenen Leben notiert, überlegen Sie, was die Folgen für Sie und Ihre Mitmenschen sind. 2.3 In diesem Vers heißt es: »Auch ihr wart tot«. Wer war sonst tot? Und warum? Lesen Sie das erste Kapitel des Epheserbriefs durch. Er gibt den Zusammenhang, in den unsere Verse eingebettet sind. Worum geht es Paulus im ersten Teil dieses Briefes? Sehen Sie im Kapitel 1 ein zentrales Thema, welches die Grundlage für unsere Verse im Kapitel 2 bildet? 2.4 »Mein Äußerstes für Sein Höchstes« ist eines der meist gelesenen christlichen Andachtsbücher weltweit (s. Bibliographie). Das Buch enthält Aufzeichnungen von Vorträgen und Predigten des Schotten Oswald Chambers (1874 – 1917). Der Beitrag für den 24. Juni macht folgende Aussage: »Alles Unglück im Leben entsteht daraus, dass man sich nicht mit der Tatsache der Sünde abfindet, sie nicht erkennt und sich weigert, mit ihr zu rechnen.« Wie kann eine Verkennung der Sünde zum Unglück führen? Umgekehrt: Wenn Sie mit der Sünde in sich und in anderen rechnen, führt dies zu einem sicheren und erfolgreicheren Leben?

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Auf dem Weg … in welchen ihr einst gewandelt seid nach dem Zeitlauf dieser Welt, nach dem Fürsten, der in der Luft herrscht, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit wirksam ist in den Kindern des Ungehorsams, unter welchen auch wir alle einst unsern Wandel geführt haben in den Lüsten unseres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Gedanken … Epheser 2,2-3

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un wird es lebhaft und pikant. Haben wir wie in einem Grabgesang soeben im Vers 1 vom Tod, von Leichen und von Sünde gesprochen, treten wir jetzt in ein Getümmel von Bewegung und Lebenslust ein. Das klingt schon besser! Das kennen wir. Wir wollen leben und leben lassen. Wir wollen das tun, was Spaß macht und Freude bereitet. Unser kreatives Denken soll sich entfalten und unsere Phantasie freien Lauf bekommen. Allerdings stimmt in diesem Vers 2 etwas nicht, denn neben den lebensfrohen stehen ebenso klar die vernichtenden Begriffe. Der Apostel ist noch mitten in seinem ersten Satz. Was wir hier lesen, ist die Beschreibung der »Übertretungen und Sünden«. Wir haben es hier mit der Anatomie des Todes zu tun. Die Anatomie des Todes Mit dem französischen Komponisten Saint-Saëns bin ich schon in frühen Schuljahren bekannt gemacht worden. Sie vielleicht auch, denn von seiner Suite Karneval der Tiere lernen wir die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten der Musik kennen. Das Stück Danse Macabre erzählt musikalisch von tanzenden Skeletten. Wir hören 39


Auf zum Leben! · Kapitel 3

die hüpfenden, klirrenden Knochen und wissen das Grausige zu schätzen: Knochen alleine sind leblos und sollten nicht tanzen können. Es ist wie eine paradoxe Feier des Todes. Die Realität, die Paulus in diesen Versen beschreibt, erinnert mich an Danse Macabre. Es ist wie ein Trugbild: Es sollte eigentlich nicht wahr sein. Dem ersten Anschein nach haben wir es mit Lebensfülle zu tun: Das emsige Geschäfte-Machen der Welt, gefühlvolle Lebensgestaltung, Ausleben der eigenen Ideen. Beim zweiten Blick erkennen wir aber, dass die tanzenden Figuren nur Skelette sind. Es ist marionettenhaftes Treiben. Das, was wir tun, ist bloß ein Ausdruck finsterer Machenschaften, das Klirren der Knochen. Das Gefühl des Lebens ist trügerisch, denn eigentlich herrschen Sinnlosigkeit und Leere. Paulus kommt hier zum Punkt: Im Zustand des geistlichen Todes ist noch viel los. Viel Lärm. Im Hinblick darauf ist dieser Zustand dem Leben täuschend ähnlich. Doch die Vorgänge dieses Scheinlebens sind von der Quelle des wahren Lebens abgekoppelt. Die Vorgänge des vermeintlichen Lebens werden von einer anderen Macht in Beschlag genommen: Vom »Fürsten, der in der Luft herrscht, … dem Geist, der zu dieser Zeit wirksam ist in den Kindern des Ungehorsams«. Unsere Motive werden von der gefallenen, sündigen Natur beherrscht, sodass wir in diesem Zustand grundsätzlich selbstbezogen und kurzsichtig sind, von Kurzfristigkeit beherrscht. Die Fremdführung kommt deutlich aus diesen Zeilen zum Ausdruck. Ebenso das Chaos, das entsteht, wenn jeder tut, was er will, angefeuert vom Meister des Ungehorsams. Der geistliche Tod ist nicht physische Regungslosigkeit. In der Sphäre, in der wir uns tagtäglich bewegen, ist der geistliche Tod laut und deutlich, allanwesend und trügerisch. Kosmische Beziehungen Es sind hier drei Hauptdarsteller im Geschehen involviert: • Gott • Ich (wenn ich von meinem Leben rede) oder Sie (von Ihrem) 40


Auf dem Weg

• Der Teufel = der Fürst (oder der Mächtige), der in der Luft herrscht Sofort bekommt mein Leben eine enorme Bedeutung. Ich bin nicht niemand, nicht anonym und unbemerkt. Ich handle nicht in einem Vakuum ohne Ursache und ohne Folgen, sondern ich bin in einem Beziehungsnetz eingespannt. Hier rede ich noch nicht einmal von meinen Mitmenschen, sondern von den höheren Mächten. Gott ist Schöpfer und Lebensquelle. Wir kommen in den großartigen, späteren Versen mehr darauf zu sprechen. Hier sehen wir schon mal, dass Gott kein Gefallen an uns im Zustand des geistlichen Todes hat (Vers 3). Deshalb handelt er. Wir sind Ihm nicht gleichgültig. Vers 2 spricht vom »Ungehorsam«, in dem wir leben. Ungehorsam gegen wen denn? Hier ist in erster Linie Gott gemeint. Der Teufel ist ebenfalls eine höhere Macht als wir. Hier macht er zum ersten Mal in diesem Brief seinen unheilvollen Auftritt. Unser Vers spricht davon, dass er »in der Luft herrscht«. Er hat Macht an sich gerissen und verfügt über ein Herrschaftsgebiet, das allerdings weder als Himmel noch Erde beschrieben wird, sondern als Luft. Er ist der Fürst der Luft: Er wird an anderer Stelle als »Gott dieser Welt« (2. Korinther 4,4) bezeichnet und sein Reich als die »Macht der Finsternis« (Kolosser 1,13). Die Bibel lässt keinen Zweifel darüber, dass er eine Persönlichkeit ist. Er heißt Satan. Das Böse ist nicht bloß eine Macht, sondern es ist eine Person, ein Machtinhaber. Er handelt aktiv und intelligent, ist schlau und gierig. Er ist Finsternis in Person, aber verstellt sich als »Engel des Lichts« (2. Korinther 11,14). Er will Sie und mich. Nicht weil er uns schätzt, sondern weil er an Boden gewinnen will, um seine Gier zu befriedigen, und weil er verbissen gegen Gott kämpft. Für ihn sind wir Spielfiguren. Er ist viel höher und mächtiger als Sie und ich. Theologe und Bibellehrer R.C. Sproul bemerkt: »Wenn wir hören, wie die Bibel den Teufel und seinen Umgang mit Menschen beschreibt, möchten wir eigentlich um unser Leben rennen.« Es ist tatsächlich eine bemerkenswerte und furchterregende Wirklichkeit, in deren Mitte wir leben. Sind wir wirklich bloß Spielfiguren in diesem kosmischen Krieg? Nein! Denn wir sind Personen und verfügen über einen Willen, über Vorlieben, Lust, 41


Auf zum Leben! · Kapitel 3

Denkvermögen und Intelligenz. Genau so realistisch beschreiben uns diese Verse. Nehmen wir den Schlüsselbegriff »Ungehorsam«: Ungehorsam kann nur jemand sein, der einen Willen hat und der seine Entscheidungen in die Tat umzusetzen vermag. Das kann ich und das können Sie. Sie haben konkrete und physisch greifbare Empfindungen und Wünsche (die Ihres »Fleisches« und Ihrer »Gedanken«, um die Worte dieses Verses zu gebrauchen), nach denen Sie Ihr Leben gestalten (Ihr »Wandel«). Mit diesen persönlichen, menschlichen Erlebnissen sind wir gut vertraut, aber es sind die engen Verbindungen dieser Erlebnisse mit den geistlichen Akteuren, die uns vielleicht neuartig und seltsam vorkommen. Daraus entsteht das Bedenkliche in diesen Versen. Wir sind nicht so frei und unbefangen, wie wir gerne meinen. Autorität Jeder Mensch lebt in einem Beziehungsnetz und steht damit unter der Autorität anderer Personen. Autorität können wir auch mit den Worten Macht, Vollmacht, Herrschaft oder Amtsgewalt umschreiben, je nach Situation. Im Berufsleben zum Beispiel stehe ich unter der Autorität meines Arbeitgebers, wenn ich auf der Arbeit bin. Ich muss Vorgaben und Prozesse befolgen und ihm die Ergebnisse meiner Arbeit abliefern. Der Firmenchef seinerseits bewegt sich auch innerhalb des Gesetzes des Landes und haftet gegenüber dem Staat für Verstöße, die seine Firma begeht. Ein Staatspräsident oder ein Premierminister steht auch unterhalb der Macht des Gesetzes, muss sich der Justiz wie auch seinem Volk verantworten. Man wird – und soll – nie der Autorität entkommen. Wir können nur dann gut funktionieren, wenn wir uns in einem bestimmten gegebenen Rahmen bewegen. Menschen, die keine Macht anerkennen, verlieren ihren Job, ihr Zuhause, wichtige Beziehungen, ihre Orientierung schlechtweg und sie verlieren ihren Platz in der Gesellschaft. Auf der anderen Seite sollten wir keine Roboter sein, die gedanken- und verantwortungslos Befehle ausführen, sondern wir sollen aktiv und selbstbewusst am Leben teilnehmen. Diesen Weg zu finden, gleicht manchmal einer Gratwanderung und ist nicht 42


Auf dem Weg

immer leicht. In der Erziehung von Kindern ist es beispielsweise eine der Hauptaufgaben, ihnen eben diesen Umgang mit der Autorität beizubringen. Eltern sollen aber nicht von oben herab herrschen, sondern ihre Kinder als junge, zarte Individuen lieben und fördern. Diese zwei Aspekte sind durchaus vereinbar. Wir befinden uns in einem geistlichen Machtkampf. Das zeigt dieser Vers. Wir haben keine Wahl, weil wir so geschaffen sind. Wir sind zwar Menschen, aber doch nur Menschen. Die höheren Mächte sind die Autoritätsinhaber. Die Realität ist diese: Entweder stehe ich unter der Macht Gottes oder unter der Macht des Teufels. Zu glauben, ich sei unabhängig und eine eigene Macht, ist verglichen mit diesen gewaltigen geistlichen Dimensionen lächerlich. Es sind beide, Gott und der Teufel, die die Herrschaft beanspruchen. Satans Methode der Machtergreifung ist schlicht und brutal: der Totschlag, wenn auch sehr geschickt durchgeführt. Das ist eben der unglückselige Anfang unserer Reise: der geistliche Tod, Unempfänglichkeit. Die Sünde ist, auf diese Weise betrachtet, das Machtzeichen des Satans in unserem Leben. Er hat sie eingeführt, weil er weiß, dass Gott und Sünde gegenseitig unverträglich sind. Satan züchtet den Ungehorsam und das macht er unermüdlich, er, »der zu dieser Zeit wirksam ist in den Kindern des Ungehorsams«. Es ist seine große Gabe, seine große Liebe (wohl die einzige »Liebe«, die er besitzt, neben der Liebe zu sich selbst) und seine Hoffnung auf den Sieg. Und wir Menschen? Das Dumme: Eigentlich sind wir mit der Fähigkeit zum Guten geschaffen, aber, in die falschen Hände Satans geraten, sind wir gefährlich geworden. Unsere Kraft und unser Potenzial können nach hinten losgehen und großen Schaden verursachen. Vergleichen wir uns mit einer gesunden Körperzelle, die mit einem Virus infiziert wird. Das Virus baut seine eigene Substanz ins Programm der Zelle ein und übernimmt die Kontrolle. Aus einem Helden wird ein Bösewicht. Die Zelle arbeitet mit voller Kraft und vollem Elan weiter und ist sich nicht bewusst, dass sie, anstatt eine sinnvolle, lebensspendende Aufgabe zu erfüllen, nur noch Virusklone und damit Chaos, Fehlfunktion und Krankheit produziert. Und wir: Unsere Gedanken, unsere Fantasie und unsere Geschicklichkeit drehen sich zum Selbstzweck in kleinen Krei43


Auf zum Leben! · Kapitel 3

sen. Und das machen wir noch gerne! Auf diesem blinden Lebensweg gehen wir, erklärt uns Paulus, solange wir uns im Zustand des geistlichen Todes befinden. Auf diesem Weg leben wir selbstbezogen. Je nach Situation, Charakter und Lust hinterlassen wir eine Spur von Verletzung, Krankheit, Frust, Ärger, Unerledigtem und Verschmutzung in der Familie, in der Firma, in der Politik, in der Kirche, in der Umgebung und im eigenen Ich. Wie haben Sie die Frage 2.1 am Ende des letzten Kapitels beantwortet, in der es darum ging, die Sünde in sich zu erkennen? In mir sehe ich, um nur ein Beispiel zu bekennen, eigennützigen Ehrgeiz. Dieser kann sich in Hochmut und im Sexualleben äußern oder in politisch-strategischen Schachzügen bei der Arbeit, in der Gemeinde und sogar in der Familie. Meine Sünde trifft andere Menschen. Umgekehrt werde ich immer wieder mit den Fehlern und Intrigen anderer konfrontiert, die ihrerseits eine gemeine Reaktion in mir auslösen. Die Sünde betrifft nicht nur Menschen. Auch die Natur leidet darunter (Römer 8, 20-22). Male ich vielleicht ein zu schwarzes Bild? Was ist mit den vielen guten Menschen, mit meinen treuen Freunden und denjenigen, die selbstlos in Beruf und Familie aufgehen? Ich möchte kein Zyniker sein, aber das, was die Bibel über das Böse erklärt, sehe ich tatsächlich. Allerdings ist es nicht einfach schwarz-weiß. Es ist, Gott sei Dank, nicht so, dass Menschen, die gottlos leben, zum maximal erdenklichen Grad schlecht sind. Ich meine, Atheisten können ganz sympathische Leute sein. Oder ein übler Krimineller könnte auf irgendeine Weise noch böser werden, als er es schon ist. Das Prinzip ist aber, dass durch die Sünde jeder Mensch grundsätzlich schlecht ist, im tiefsten Inneren ungehorsam und dem Teufel untertan. Der Satan hat unser Leben und unseren Lebensraum für sich beansprucht und das zeigt sich unweigerlich in der Frucht dieses Lebens. Andererseits sind Menschen, die Gott und seine Wege lieben, nicht immer und absolut gut. Sie fallen manchmal gewaltig. Wir sind alle komplizierte Wesen und der Kampf der höheren Mächte um uns ist ein reger und noch nicht abgeklungener. Was macht Gott denn die ganze Zeit? Nun, das ist das Thema der weiteren Verse, so gewaltig ist sein Eingreifen. Halten wir an dieser Stelle einfach fest: Gott will mehr aus uns machen. Ihm 44


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geht es nicht darum, Menschen für seinen Zweck zu missbrauchen, sondern Menschen, die er ja geschaffen hat, zu lieben und zu fördern. Das ist eigentlich eine erstaunliche Behauptung, aber das ist die unmissverständliche Botschaft der Bibel. Die Autorität, die er ausübt, ist nicht eine fesselnde wie die des Satans, sondern eine gnädige und befreiende. Die Bibel macht auch klar, dass die Macht Gottes die Größere ist. Satan wird sich eines Tages der Macht Gottes jedoch endgültig beugen müssen. Unterwegs Wir führen unser Leben auf eine gewisse Art. Jede und jeder von uns hat einen Lebensstil, einen Lebenswandel. Mein Wandel ist durch das beeinflusst, was in mir steckt, und grundsätzlich durch den gestaltet, der über mir die Autorität hat. Die Frage an jeden Einzelnen von uns lautet nun: Auf welchem Wege sind Sie? Was steckt in Ihnen? Und welche Autorität kann man an Ihnen ablesen? Das ist nicht immer klar, denn alle Menschen haben von Natur aus die Freiheit, etwas Gutes zu tun. Doch nicht alle guten Taten zeugen von einem Lebenswandel, der unter die Autorität Gottes gestellt und auf Gott ausgerichtet ist. Trotzdem verraten unsere Handlungen einiges. Wenn ich jemanden sehe, der andere übergeht, um seine eigenen Ziele rücksichtslos zu verfolgen, dann sehe ich gottlose Selbstliebe, im Grunde ein Hören auf den Teufel. Wenn ich hingegen jemanden sehe, der einen Toppjob aufgibt, um sich zu Hause um seine armen, kranken Eltern zu kümmern, dann erahne ich praktische Nächstenliebe und ein Hören auf Gott. Gewisse Situationen auf dem Lebensweg können uns alle treffen. Vielleicht sind Sie heute verliebt. Oder nicht, aber möchten es gerne sein. Sie arbeiten ständig Überstunden für Ihre Firma und sind übermüdet. Oder Sie sind arbeitslos. Sie sind krank. Sie sind knapp bei Kasse. Sie lernen für Prüfungen. Sie bauen ein Haus. Diese Erfahrungen machen Gottesfürchtige wie auch Gottlose gleichermaßen. Wie Sie mit diesen gegebenen Situationen umgehen, sagt viel über Ihre Zugehörigkeit aus. Machen Sie mit eigenen Beispielen weiter! 45


Auf zum Leben! · Kapitel 3

Auch wenn ich willens bin, Gott zu gehorchen, wird sich die Macht der Sünde in mir noch zeigen und mich frustrieren. Selbst Paulus muss von sich feststellen: »denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das tue ich. … Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern … Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.« (Römer 7,15.22-23). Sie können auch als gläubiger Christ unmöglich ein perfektes und fehlerfreies Leben führen. Aber Sie können immer wieder angeleitet werden und Hilfe erfahren, um das Richtige zu tun. Deswegen enthält die Bibel Anweisungen, Gebote und auch Warnungen, die an Christen gerichtet sind. Deswegen soll eine christliche Gemeinschaft, die von liebevollen, bibel­ treuen und gottesfürchtigen Menschen geleitet wird, eine wertvolle Begleitung für Sie sein und die Gelegenheit bieten, Rechenschaft zu üben. Deswegen sollen Sie Gott im Gebet immer wieder darum bitten, Ihnen die nötige Kraft und Einsicht zu geben. Zum Leben hin unterwegs zu sein bedeutet, gegen den Strom der äußeren und auch (entgegen der populären Meinung) der inneren Kräfte zu fahren. Wir dürfen aber nicht aufgeben. Auf dem Weg irgendwohin sind alle Menschen und wir wollen auf dem richtigen Weg sein. Das, was wir auf dem Weg tun, ist wichtig, denn Gott misst dem Tun große Bedeutung bei. Das werden wir auch später zum Beispiel im Kapitel 11 sehen, wenn wir Vers 10 betrachten. Gott will uns hin zum Leben bringen – machen wir mit. Was die Bibel sagt Der Apostel Paulus schreibt im weiteren Verlauf des Epheserbriefs: Epheser 6,12-13 Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. 46


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Auch andere Apostel haben einiges über den Teufel, seine Methoden und die Gefahren zu sagen. Jakobus 4,4.7 Ihr Abtrünnigen, wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein. … So seid nun Gott untertan. Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch. 1. Petrus 5,8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. 1. Johannes 3,10 Daran wird offenbar, welche die Kinder Gottes und welche die Kinder des Teufels sind: Wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott, und wer nicht seinen Bruder liebhat. Nachdem Satan zu Beginn den Menschen mittels Lügen und Ungehorsam zum Fall gebracht hatte (1. Mose 3,1-7), sprach Gott sein Urteil. Merken wir, wie es von Verantwortung und von Ungehorsam handelte? Das war vor Urzeiten geschehen, aber die Beschreibung des gefallenen Lebenswandels kennen wir noch heute allzu gut! 1. Mose 3,1.4 Aber die Schlange war listiger als alle anderen Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte, … »sollte Gott gesagt haben …?« … »Ihr werdet keineswegs des Todes sterben« 1. Mose 3,16-19 Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein. Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei 47


Auf zum Leben! · Kapitel 3

der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden. 1. Mose 6,5-6 Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen Was die alttestamentlichen Propheten sahen und was Gott durch sie darüber sagte, sehen wir in den nächsten Beispielen. Auch das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, spricht ähnliche Töne. Jesaja 1,2-6 Höret, ihr Himmel, und Erde, nimm zu Ohren, denn der Herr redet: Ich habe Kinder großgezogen und hochgebracht, und sie sind von mir abgefallen. Ein Ochse kennt seinen Herrn und ein Esel die Krippe seines Herrn; aber Israel kennt‘s nicht, und mein Volk versteht‘s nicht. … Das ganze Haupt ist krank, das ganze Herz ist matt. Von der Fußsohle bis aufs Haupt ist nichts Gesundes an ihm, sondern Beulen und Striemen und frische Wunden, die nicht gereinigt noch verbunden noch mit Öl gelindert sind. Jeremia 2,13 Denn mein Volk tut eine zwiefache Sünde: Mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen sich Zisternen, die doch rissig sind und kein Wasser geben. Offenbarung 3,17 Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 48


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Weisheiten aus dem Alten Testament, die auf einen besseren Weg hinweisen: Sprüche 3,5-7 Verlass dich auf den Herrn von ganzem Herzen, und verlass dich nicht auf deinen Verstand, sondern gedenke an ihn in allen deinen Wegen, so wird er dich recht führen. Dünke dich nicht weise zu sein, sondern fürchte den Herrn und weiche vom Bösen. Psalm 119,1 Wohl denen, die ohne Tadel leben, die im Gesetz des Herrn wandeln! Die Apostel Paulus und Johannes sowie der unbenannte Verfasser des Hebräerbriefes ermutigen zum gesunden Wandel. Hier begegnen wir einigen Begriffen, die wir später in diesem Buch aufgreifen wollen. Römer 12,1-2 Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Hebräer 12,1-2 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist, und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens … 1. Johannes 1,7-10 Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er (Gott) im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, 49


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seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns. Vertiefende Fragen 3.1 Gehorsam. Wem gehorchen Sie? Versuchen Sie schrittweise an verschiedenen Beispielen immer tiefer zu analysieren, bis Sie auf Ihre grundlegendste Autorität kommen. 3.2 Der Teufel, der einflussreiche, gefallene Engel, heißt auch Luzifer (Jesaja 14,12 in einigen Übersetzungen). Doch er wird meistens Satan genannt. Satan ist das hebräische, alttestamentliche Wort für »Ankläger«. Im griechischen Neuen Testament, wie auch in unserer Sprache, wurde die Bezeichnung Satan als Eigenname beibehalten. Inwiefern ist Satan ein Ankläger? Erkennen Sie ihn in dieser Rolle in Ihrem Leben? 3.3 Lesen Sie Jesu Gleichnis vom verlorenen Sohn im Lukas 15,1132. Was führte den jüngeren Sohn dazu, seine Familie und sein Zuhause zu verlassen? Was waren die Folgen? 3.4 Journalist, TV-Moderator und Christ Peter Hahne schrieb sein vielbeachtetes Buch »Schluss mit Lustig! Das Ende der Spaßgesellschaft« nach den Terrorattacken vom 11. September 2001. Ein Abschnitt seines Buches hat die Überschrift »Lebenslüge Spaßgesellschaft« (S. 130-133). Wenn sich unsere Gesellschaft vor allem dem Spaß und dem Vergnügen widmet, geht sie am wirklichen Leben vorbei? Sind gottesfürchtige Menschen Spaß-Killer?

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Der Zorn Gottes … und waren Kinder des Zorns von Natur wie auch die andern. Epheser 2,3

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nter den Leidenschaften und Emotionen, die aus diesem dritten Vers bersten, lesen wir als letztes vom Zorn. Und hier ist der Stachel. Der Zorn ist zwar ein Ausdruck der Leidenschaft und ist voller Emotionen, aber nicht so, wie wir sie gerne hätten. Wenn ich wütend bin, ist etwas schiefgelaufen. Wenn die Fetzen fliegen, die Anschuldigungen grassieren und sich der Hass entzündet, ist es wie ein defektes Feuerwerk, das am Boden in der Menge explodiert. Die leidenschaftliche Energie erschrickt, verbrennt und zerstört. Niemand kommt unversehrt davon. Und der »Mächtige, der in der Luft herrscht«, der Satan, reibt sich vergnügt die Hände. Aber das Stechende dieses Stachels kommt nicht nur daher, dass der Zorn eine unerwünschte, wenn auch vorhersehbare Nebenwirkung der menschlichen Genusssucht ist. Wie ein zweischneidiges Schwert ist dieser Stachel »zweistachelig«, denn wir haben es hier nicht nur mit den Menschen zu tun, sondern auch mit Gott selbst: mit seinem Zorn. Der Ungehorsam ist ihm nicht gleichgültig. Dass Satan Menschen ins Verderben zieht, will er nicht dulden. Gegen den Sündenfall in der Natur will er auch entschieden agieren. Merken wir den Bezug unseres Textes auf die Natur. Wie oft wollen wir auf die Natur rekurrieren, oder in ihr etwas erlösend finden? Aber nein. Die Schönheit der Natur und das Bewundernswerte in ihr sind wie das Schöne und Liebenswerte im Menschen: mal erstaunlich gut, mal erschütternd schlecht. Jede Bergkette, jeder Baum, jede Schneeflocke, jedes Menschengeschlecht, jede Person, alle sind 51


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vom Konflikt der Autoritäten tief vernarbt und auseinandergerissen. Wie aneinander geratene Erdplatten Erdbeben und Tsunamis und wie aneinander geratene Menschen Krieg und Eifersucht erzeugen, so treffen die kosmischen Mächte aufeinander. Wir merken es überall. Gottes Zorn Dieser Vers will uns nicht nur mitteilen, dass wir zu einer zornigen Natur neigen. Das hat der Apostel Paulus eigentlich schon vorher in diesem Vers abgehandelt, als er von Begierde, Leidenschaft und Willen sprach. Paulus benutzt wieder diesen Begriff »Kinder des …«, der auf eine enge Beziehung zu etwas Höheren deutet. Hier mitten in der Beschreibung des Sünders geht es zuerst im Vers 2 darum, dass wir »Kinder des Ungehorsams« sind, das heißt, wir stehen zwar unter der Autorität des mächtigen, ungehorsamen Satans, aber unser Ungehorsam bezieht sich auf Gott. Nun im Vers 3 heißt »Kinder des Zorns«, dass wir in einer Beziehung mit einem höheren Zorn stehen – eben mit dem Zorn Gottes. Die Beziehung des Allmächtigen mit dem Sünder ist charakterisiert durch den Zorn. Als Sünder sind wir Gottes Zorn ausgeliefert. Das ist die dramatische Offenbarung dieses ersten Teils der Reise. Vielleicht sind Sie überrascht, dass Gott zornig ist. Ist die Rede nicht immer vom lieben Gott? Aber vielleicht sind Sie nicht überrascht und sagen: »Ja, das habe ich schon immer gewusst. Schau mal, wie viel Böses in der Welt um uns geschieht. Wenn es einen Gott gibt, dann ist er zornig. Basta! An einen lieben Gott glaube ich nicht.« Was sagt uns die Bibel über Gott? Ist er ein Gott der Liebe oder des Zorns? Beides. Man kann argumentieren, dass es unmöglich wäre, einen liebenden Charakter zu haben ohne ein echtes Potenzial des Zornes. Wenn jemand mich echt liebt, soll ich erwarten, sein Missfallen und seinen Zorn zu sehen, sei es als Erziehungsmaßnahme oder als Schutz gegen eine akute Bedrohung von außen. Wenn wir von Gott reden, reden wir erst recht nicht von ungerechter, unkontrollierter Wut, die für den Menschen so ty52


Der Zorn Gottes

pisch ist, sondern von gerechtem, gezieltem und läuterndem Zorn. Wenn Sie an Zorn denken, kommen wahrscheinlich zuerst Bilder und Erinnerungen von einem wütenden Vater, einer schreienden Mutter, einem tobenden Mitarbeiter, Chef oder Lehrer hoch. Und wir kennen alle sicher die eigene Selbsterfahrung des Außer-sichvor-Wut-Geratens. Das sind unschöne und schmerzhafte Erinnerungen, weil Ungerechtigkeit und Hilflosigkeit Oberhand gewonnen haben. Der Angeschriene oder Verprügelte hat, auch wenn einer Sache schuldig, kaum diese übertriebene Reaktion verdient. Es könnte schließlich auch anders gehen. Ich denke an das Schreiben von der Polizei, nachdem ich auf der Autobahn geblitzt worden war: Eine Buße, die ich bezahlen muss. Ich habe die Straßenverkehrsordnung übertreten und werde deswegen bestraft, aber es kommt kein Beamter, der mit rotem Kopf an meiner Haustür poltert. Trotzdem spüre ich gleichwohl irgendwie den Zorn des Polizei-Departementes. In guten Büchern über Kindererziehung und Disziplin lese ich, wie ich am besten mit meinem ungehorsamen Kind umgehen kann: Ich hüte mich vor unkontrolliertem Schlagen in der Hitze des Gefechts, aber ein kurzer, kleiner Klaps am Hintern nach einer ruhigen, erklärenden Zurechtweisung ist wirksam, konsequent und unschädlich. Das Kind spürt sozusagen meinen Zorn, nicht meine Wut. Diese letzten Beispiele helfen uns etwas, den göttlichen Zorn zu begreifen. Er ist anders als die menschliche Wut, weil Gott Gott ist und nicht Mensch. Logisch eigentlich. Trotzdem ist Gott ein fühlendes Wesen – wir könnten sagen emotional – und spürt Enttäuschung, Freude, Zorn und Liebe. Nur: Von den Emotionen, die wir aus erster Hand kennen, müssen wir immer die Sünde abziehen, um Gottes Emotionen zu bekommen, und dass können wir naturgemäß nicht. Festhalten müssen wir einfach: Nichts irritiert Gott mehr wie die Ungerechtigkeit der Sünde. Hier müssen wir an die Heiligkeit Gottes denken, an seine Herrlichkeit und Reinheit. Ich stelle sie mir als die unglaubliche Stärke und Intensität seines bloßen Seins vor. Die Sünde trifft auf die Glut seines majestätischen Missfallens und kann folglich jederzeit verglühen und aufgehen. Die Sünde ist die Auflehnung gegen ihn und letztendlich der Versuch, sich selbst als Gott aufzustellen. Er wäre nicht der heilige, 53


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vollkommene und gerechte Gott, wenn er dies einfach annehmen und tolerieren würde. Gott hat nicht nur Gefühle, er handelt auch konsequent danach. Gesetz Was ist es denn, das unseren Gehorsam verlangt? Gott, ja. Aber an was werden wir gemessen? Es ist Gottes Gesetz. So wie Ihr Verhalten in unserer Gesellschaft gegen das geltende Gesetz strafbar werden kann, so, können wir auch sagen, sind wir strafbar, wenn wir sein Gesetz brechen. Das Wort »Gesetz« kommt in der Bibel auch oft vor. Im Alten Testament hat es eine breitere Bedeutung und schließt auch das ein, was Gott von sich selbst offenbart: seine Fürsorge, Gedanken und Taten, aber auch seine Anforderungen an die Menschen. So kann König David in den Psalmen Gott für sein Gesetz loben und von seiner Liebe zum Gesetz singen. Im Neuen Testament benutzt vor allem Paulus den Begriff »Gesetz«, um Gottes Maßstab und seine strenge Anforderungen an uns zu bezeichnen. Die Bibel spricht von Menschen, die gesetzkonform und gottgefällig leben, dass sie »gerecht« sind. Vordergründig ist mit dem biblischen Begriff »Gerechtigkeit« nicht so sehr Fairness gemeint, wie wir es heutzutage im Deutschen gebrauchen, sondern ein positiver juristischer Status in Bezug auf das Gesetz. Gott selbst wird oft in der Bibel als gerecht angepriesen, weil er gut und vollkommen ist, Urheber des Gesetzes überhaupt und vertrauenswürdiger Richter über die Angelegenheiten des Volkes. Menschen werden vor allem im Alten Testament dann als gerecht beschrieben, wenn sie so leben, wie Gott es gerne hat, und wenn sie Gott »fürchten« in dem Sinne, dass sie dem heiligen Gott so ehrfürchtig Respekt entgegenbringen, dass es ihren ganzen Lebenswandel beeinflusst. Die Poesie- und Weisheitsbücher (die Psalmen und die Sprüche) sind beispielsweise voller Beschreibungen und Anpreisungen der Gerechten, oft in direktem Kontrast zu den Gottlosen, die Gottes Gesetz missachten und so leben, als ob es Gott nicht gäbe. Im Neuen Testament kommt insofern eine neue Dimension dazu, dass es klar wird: Eigentlich können wir nicht – kann nie54


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mand – Gottes Gesetz halten. Gott verlangt Vollkommenheit. Seit dem Sündenfall sind die Menschen nie und nimmer imstande, Gottes Gesetz zu erfüllen. Jesus machte das ganz klar in Gesprächen mit Leuten, die meinten gut zu sein, weil sie spezifische Punkte des Gesetzes von Mose eingehalten hatten. Aber es geht eben nicht nur um Äußeres, sondern auch um Wünsche und Beweggründe. Jesus sah ins Herz und urteilte krass, als er zum Beispiel erklärte, dass, wenn man einer Frau lustvoll nachsieht, man schon mit ihr Ehebruch begangen hat, oder wenn ich meinen Nachbarn hasse, ich ihn im Auge des Gesetzes eigentlich schon umgebracht habe. Die Sünde meldet sich unaufhaltsam. Gesetzerfüllung ist unerreichbar. Konsequenzen Je weiter man sich Gott annähert, desto strikter muss man das Gesetz einhalten. In der uralten Zeit vor Mose wurden die Menschen zwar als gerecht oder gottlos beurteilt, aber sie hatten noch nicht das Gesetz in allen Details, wie wir es in den späteren Büchern Moses ausgeführt bekommen. Als der heilige Gott bei seinem Volk sozusagen einzog und das Heiligtum im Zelt mitten im Lager der Israeliten als seine Wohnung erklärte, wurden die Angaben der Reinlichkeit, des Benehmens, des Zusammenlebens, der Opfer und der Strafen im Falle des Nichteinhaltens genauestens festgemacht. Gottes Heiligkeit bedeutete, dass die Israeliten nicht einfach lässig in seine Nähe kommen konnten, ohne den alltäglichen Schmutz und Putz des Lebens abzulegen. Sie mussten vorher durch reinigende Rituale »geheiligt« werden. Sie hatten ein kompliziertes Leben, aber dafür genossen sie das enorme Vorrecht, dass der allmächtige Gott sie als sein eigenes Volk ausgewählt hatte und neben ihm herging. Befolgten sie die Anweisungen und lebten sie gottesfürchtig, erlebten sie Erfolg und Segen. Vergaßen sie Gott und verachteten sie das Gesetz, erlebten sie Unglück. Der Preis der Missachtung des Gesetzes war der Zorn Gottes und nicht selten der gewaltsame Tod, ob als individuelles Schicksal oder als nationale Niederlage. Das Totenreich oder die 55


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Unterwelt des Alten Testamentes ist ein Fluch. Es ist der Ort, wo die Verfluchten endeten. Mit Jesus im Neuen Testament ist Gott jetzt nicht nur bei den Israeliten, sondern er ist zu allen Nationen gekommen. Die Einzelheiten des jüdischen Gesetzes gelten zwar nicht plötzlich für die ganze Welt, denn es gibt kein Heiligtum mehr, aber jetzt werden doch alle Menschen danach beurteilt, ob sie Gott gehorsam sind. Gottes Missfallen bedeutet immer noch den Tod, ob früher oder später. Der gerechte Gott muss richten. Er muss unterscheiden zwischen Sünde und Güte, zwischen Ungerechtigkeit und Gerechtigkeit. Jesus ist klar in seiner Lehre darüber. Gottes Zorn ist nicht generell aufgehoben. Es gibt ein ewiges Totenreich und das ist eine reelle Möglichkeit für jeden einzelnen von uns. Das ist die Hölle. Ausgeliefert. Errettung muss her! Wir sehen also: In Gott birgt sich ein Zorn gegen die Sünde und er handelt danach. Wenn wir im Zustand der Sünde verharren und darin steckengeblieben sind, dann werden wir den Zorn Gottes am eigenen Leibe erfahren. Die Sünde löst eine göttliche Reaktion aus, die furchtbar wie auch unvermeidbar ist. Gott wird die Sünde eines Tages aus der Welt schaffen. Das ist die positive wie gleichsam beängstigende Botschaft der Bibel. Wir sehen das läuternde Feuer kommen und riechen gleichzeitig an unserer Person entzündliches Benzin – der unverkennbare, penetrante Geruch der Schuld und Ungerechtigkeit. Unsere Kleider sind durchtränkt mit Brennbarem bis auf die Haut. Wir saugen die entflammbaren, berauschenden Gase mit jedem Atemzug in unsere Lunge ein. Wenn das Feuer vor uns steht und seine Glut unserem Gesicht entgegenbrennt, sind wir ausgeliefert. Das Benzin wird aufgehen und wir mit ihm. Das hastige Überstulpen eines frischen Mantels wird das tödliche Ende kaum hinausschieben. Errettung vor den Flammen muss her. Um das Bild des mit Benzin übergossenen Sünders fortzuführen, müssen wir aus den nassen, stinkenden Kleidern raus. Wir müssen gewaschen, getrocknet und entgiftet werden und neue frische Kleider bekom56


Der Zorn Gottes

men, denen das Feuer nichts anhaben kann. Mit anderen Worten: Um vor Gott zu bestehen, müssen wir grundlegend von der sündhaften Natur gereinigt werden. Das ist nicht banal und es ist nicht leicht. Wir verstehen also, was die Bibel meint, wenn sie von Errettung spricht. Der Begriff stammt nicht von übereifrigen Verkündern, die eine denkwürdige Predigt hinlegen oder irgendeine Abhängigkeit von ihrer Kirche erzeugen wollen. Es ist tatsächlich biblisch, dass eine Errettung im Sinne eines Auswegs aus dieser Notsituation erforderlich ist. Es ist biblisch, dass diese Aktion von außen geleistet werden muss, denn der betroffene Sünder ist zu weit verloren, um sich selbst aus der Lage zu befreien. Die gute Nachricht ist, dass Gott selbst diese Errettung bewirkt. Wir müssen zwar den Zorn Gottes in allem Ernst begreifen, aber davon nicht so geblendet bleiben, dass wir die liebende Seite seines Charakters vergessen. Und es ist übrigens nicht so, wie einige behaupten, dass der Gott des Alten Testamentes ein zorniger, liebloser ist, während erst der Gott des Neuen Testaments einer der Liebe ist. Das Fürsorgliche an Gott ist schon weit zurück im Alten Testament erfahrbar. Angesichts des Schreckens und der Scham der ersten gefallenen Menschen sorgte Gott für unmittelbare Entlastung, indem er selbst »Pelzröcke« zubereitete und sie ihnen anzog (1. Mose 3,21). Dass die Menschen sich zum Verderben verschuldet hatten und unter dieser Schuld litten, bewog ihn zum Bereitstellen einer langfristigen Lösung. Er sorgte sich zunächst um sein Volk und gab ihnen Gutes mitten in ihren Schwierigkeiten und Widerwärtigkeiten. Wenn Sie das Alte Testament lesen, werden Ihnen die Opfer auffallen, die Gott dem Volk Israel verordnete. Es ist vielleicht unverständlich für uns heute, aber an den Opfern sehen wir zugleich den Ernst der Sünde wie auch Gottes Hinwendung zu den Menschen seiner Fürsorge. Einige Opfer waren Dankgaben aus den Ernten. Andere Opfer, die bis ins Detail verordnet wurden, waren jedoch unappetitlicher: Blutopfer. Um die Sünden zu verdecken, mussten regelmäßig Tiere wie Widder, Lämmer oder Stiere geschlachtet, ihr Blut gesprengt und das Fleisch verbrannt werden. Die Sünden des reuigen Menschen wurden auf das Tier zeremoniell übertragen, das 57


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daraufhin umkommen musste. Priester zu sein in diesen Zeiten war wirklich nichts für schwache Nerven, denn es war eine blutige Berufung, die eines Metzgers. Der Altar zu der Zeit war nicht fein säuberlich geziert, wie die Altäre, die Sie vielleicht von den heutigen Kirchen kennen, sondern eine regelrechte Schlachtbank, um welche ausdrücklich das geopferte Blut gesprenkelt werden musste. Stellen Sie sich vor, wie der Altar mit der Zeit aussah. Neben allen Reinlichkeitsgeboten war diese Blutstätte mitten im Leben des Volkes eine ständige Erinnerung an die Folgen der Sünde, die immer wieder bedient und neu beschmutzt wurde. Aber er war nicht nur ein Denkmal des Schreckens, sondern auch der Erlösung. Nur weil diese armen Tiere gestorben waren, wurde der Zorn Gottes zurückgehalten und die Menschen blieben am Leben. Sünde bedeutet Tod. Die Belege des Todes mitten im Lager waren Zeichen dafür, dass Gott einen Weg des Lebens vorbereitet hatte. Die Lage ist tatsächlich todernst und es ist wichtig, dass wir uns in den ersten Kapiteln damit beschäftigt haben. Jetzt können wir weitergehen. Was die Bibel sagt Im zweiten der Zehn Gebote gibt sich Gott klar als Vergeltender aus – er zeigt Zorn wie auch Liebe: 2. Mose 20,5 Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Missetat der Väter heimsucht bis ins dritte und vierte Glied an den Kindern derer, die mich hassen; aber Barmherzigkeit erweist an vielen Tausenden, die mich liebhaben und meine Gebote halten. Weitere Verse des Alten Testaments bringen das strafende Verhalten Gottes gegenüber seinem eigenen Volk und auch gegenüber anderen zum Ausdruck. 58


Der Zorn Gottes

4. Mose 32,13 So entbrannte des Herrn Zorn über Israel, und er ließ sie hin und her in der Wüste ziehen vierzig Jahre, bis es zu Ende war mit dem ganzen Geschlecht, das Übel getan hatte vor dem Herrn. Nahum 1,2 (Hier geht es um Gottes Gericht über Ninive, eine große heidnische Stadt): Der Herr ist ein eifernder und vergeltender Gott und ein Rächer, ja, ein Vergelter ist der Herr und zornig. Psalm 119,119-120 Du schaffst alle Gottlosen auf Erden weg wie Schlacken, darum liebe ich deine Mahnungen. Ich fürchte mich vor dir, dass mir die Haut schaudert, und ich entsetze mich vor deinen Gerichten. Psalm 9,18 Die Gottlosen müssen ins Totenreich kehren, alle Nationen, die Gottes vergessen. (Schlachter) Der Zorn Gottes ist aber nicht nur eine Sache des Alten Testamentes. Hier sind einige Verse aus dem Neuen Testament, sowohl aus den Evangelien als auch aus den Briefen: Matthäus 25,46 (Jesus sagte:) Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben. Lukas 12,5 (Jesus sagte:) Ich will euch aber zeigen, vor wem ihr euch fürchten sollt: Fürchtet euch vor dem, der, nachdem er getötet hat, auch Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch, vor dem fürchtet euch. Römer 3,9-12 Denn wir haben soeben bewiesen, dass alle, Juden wie Griechen, unter der Sünde sind, wie geschrieben steht: »Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist; da 59


Das Buch ist geschrieben für Menschen, die frisch zum christlichen Glauben gekommen sind und für diejenigen, die einfach neue Orientierung im Glauben suchen. Auch ohne Vorkenntnisse werden die Leser in die wichtigen Begriffe und Zusammenhänge der Hauptbotschaft der Bibel eingeführt. Für Gruppen wie auch für Einzelleser geeignet, enthält jedes Kapitel auch vertiefende Fragen.

AUF ZUM LEBEN!

Was steht überhaupt alles so in der Bibel? Was ist der Glaube? Wer ist Jesus Christus? Grundlegende Fragen werden verständlich erörtert und Appetit auf mehr angeregt.

Geoffrey Holder

In der Überzeugung, dass es für alle etwas Gutes und Lebenswichtiges in der Bibel zu entdecken gibt, erläutert AUF ZUM LEBEN! die biblische Botschaft auf packende, lebhafte und herausfordernde Weise. Dabei wird ein passender Bibeltext entfaltet: Epheser 2, 1-10, wo das Evangelium in Kompaktform auf den Punkt gebracht ist. Hier wird ein Aufwärtskurs von der düsteren Ausgangslage des Menschen, über seine Kehrtwende, die von Gott selber ausgelöst wird, bis zum neuen Leben nachgezeichnet.

Geoffrey Holder

Eine kompakte Bibelkunde für Entdeckungswillige


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