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BdV-Blickpunkt n eldunge m s d n a b r ellen Ve mit aktu

Ausgabe August 2015

Bund der Vertriebenen · Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern · Am Lilienberg 5 · 81669 München

Große Vertriebenenempfänge von CSU und SPD BdV wählt in Oberpfalz und Oberbayern neu Allensbach ermittelt Stimmungen zu Vertriebenen


Grußwort

Liebe Landsleute, liebe Leserinnen und Leser! Das erste Halbjahr 2015 war für die Verbände der Heimatvertriebenen mehr als bemerkenswert. Zum ersten Mal gedachte die Bundesrepublik im Rahmen eines staatlichen Gedenkaktes in der Bundeshauptstadt der Opfer von Flucht und Vertreibung. Bundespräsident Joachim Gauck fand einfühlsame, aber klare Worte, auf die viele unserer Landsleute seit Jahrzehnten gewartet haben. Er erinnerte dabei an die Feststellung des britisch-jüdischen Verlegers Sir Victor Gollancz aus dem Jahr 1947 die lautete: „Sofern das Gewissen der Menschheit jemals wieder empfindlich werden sollte, wird diese Vertreibung als die unsterbliche Schande all derer im Gedächtnis bleiben, die sie veranlasst oder die sich damit abgefunden haben. Die Deutschen wurden vertrieben, aber nicht einfach mit einem Mangel an übertriebener Rücksichtnahme, sondern mit dem denkbar höchsten Maß an Brutalität.“ Der Präsident klagte auch über fehlendes Verständnis für das Leid der Anderen. „So wie in den Jahren zuvor die Betonung des Leids der Deutschen dazu gedient hatte, Deutsche zu entschulden, so verdrängte nun allerdings das Bewusstsein der Schuld der Deutschen jede Empathie für die deutschen Opfer. Heimatverlust wurde weit-

gehend akzeptiert als vermeintlich zwangsläufige Strafe für die Verbrechen der Deutschen.“ Erfreulich sei, dass ethnische „Säuberungen“ heute überall – zumindest in Europa – als Mittel der Politik diskreditiert und Vertreibungen in der Vergangenheit zunehmend als Unrecht anerkannt werden. Die von Bundespräsident Gauck eingeforderte Empathie mit den deutschen Heimatvertriebenen fand im Bayerischen Landtag erneut ihren Widerhall. Großartige Vertriebenenempfänge von CSU und SPD mit jeweils rund 400 geladenen Funktionsträgern und parlamentarische Gespräche mit den Fraktionen von Freien Wählern und Bündnis 90/Die Grünen zeigten erneut, dass es dem BdV gelungen ist, sich mit allen Parlamentariern überparteilich und ohne Scheuklappen oder Berührungsängste auszutauschen. Auch die Freigabe der ersten Finanzmittel für den Bau des Sudetendeutschen Museums in München durch den Haushaltsausschuss legt ein beredtes Zeugnis davon ab. In Berlin wird der neue Direktor der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, der bisherige Chef des GerhardHauptmann-Hauses in Düsseldorf, Prof. Dr. Winfried Halder, die Arbeit seines allseits geachteten Vorgängers, Prof. Dr. Manfred Kittel mit neuem Elan und Fingerspitzengefühl fortsetzen. Halder hatte nach Ansicht der überwiegenden Zahl der Stiftungsräte unter den rund 40 Bewerbern den besten wissenschaftlichen Background. Hatte sich der bisherige Vorsitzende des wissenschaftlichen Beraterkreises, Prof. Dr. Stefan Troebst, schon mehr als unkollegial beim Hinausdrängen von Prof. Kittel aus der Direktorenposition hervorgetan, zeigte er nach der Berufung von Prof. Dr. Halder sein wahres Gesicht. Nachdem es ihm nicht gelang, seinen Beraterkreiskollegen, den renommierten Historiker Michael Schwartz, mit aller Gewalt als Nachfolger Kittels durchzusetzen, versucht er nunmehr durch seinen Angriff auf Halder und insbesondere auf den BdV seine eigene Reputation retten zu wollen. Seine Kommunikations-, Koordinierungs- und Informationsdefizite waren wohl mit ausschlaggebend dafür, dass sich bereits während seines Sturmlaufs gegen Prof. Kittel drei seiner ehemaligen Kollegen von ihm abgewandt und „das Handtuch gewor-

fen“ hatten. Bei vielen Stiftungsratsmitgliedern hat er nunmehr jede Chance verspielt, bei der anstehenden Neubesetzung erneut nominiert zu werden. Sein Rücktritt unmittelbar vor Ende der Amtszeit ist der plumpe Versuch, hiervon abzulenken. Absurd klingen Troebst Vorhaltungen, im Stiftungsrat hätte der BdV mit sechs von 21 Mitgliedern „das Sagen“. Wider besseren Wissens verschweigt er, dass dort nahezu alle Entscheidungen einstimmig gefallen sind. Die Überparteilichkeit des Stiftungsrates ist nicht nur durch seine gesellschaftliche Zusammensetzung, sondern auch durch die Vertreter des BdV gewährleistet. Sie sind sowohl parteilos als auch Mitglieder von CDU, CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Bewegung scheint auch in ein altes Anliegen des BdV, die Entschädigung der deutschen Zwangsarbeiter zu kommen. Nachdem sich die Regierungskoalition vor wenigen Wochen auf eine Entschädigung der sowjetischen Kriegsgefangenen verständigte, hat die BdV-Bundesversammlung in einer Resolution erneut die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für diese Opfergruppe gefordert. Die Schicksale der heute noch rund 10.000 bis 20.000 lebenden Zwangsarbeiter bedürfen endlich deutlicher Gesten der Anerkennung und Würdigung durch unser Land. Schön, dass auch in dieser Richtung der Bayerische Landtag zwischenzeitlich durch Anträge von CSU und Freien Wählern aktiv geworden ist. An den Heimatvertriebenen, vor allem an deren Nachgeborenen liegt es, das gute Klima für unsere Themen zu nutzen. Selten zuvor war es möglich, vorurteilsfrei und offen über die furchtbaren Ereignisse im Zusammenhang mit den Verbrechen des Nationalsozialismus, des Stalinismus und von Flucht und Vertreibung zu sprechen. Der Dialog, den so viele Menschen sich in der Vergangenheit wünschten, ist Wirklichkeit geworden. Eine schöne Sommerzeit wünscht Ihnen Ihr

Christian Knauer BdV-Landesvorsitzender

Impressum Herausgeber: Bund der Vertriebenen, Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern e. V. Am Lilienberg 5, 81669 München, Telefon (0 89) 48 14 47, Fax (0 89) 48 26 21 E-Mail: info@bdv-bayern.de, Internet: www.bdv-bayern.de Redaktion: Christian Knauer (verantwortlich), Susanne Marb, Alexander Korisansky Texte: Christa Berndt, Hans-Jörg Froese, Marc-Pawel Halatsch, Paul Hansel, Georg Hodolitsch, Manfred Kees, Christian Knauer, Alexander Korisansky, Andreas Landau, Hans-Joachim Lodermeier, Ulrich Meyer, Simon Schmausser, Ernst Schoeder, Hermann Schuster, Johann Slawik, Gisela Thiel, Dr. Christian Weber, Dr. Friedrich Weckerlein, Josef Zellmeier, Karl Nestl Fotos: Leo Daniel, Paul Hansel, Sabine Hermsdorf, Peter Herrmann, Georg Hodolitsch, Manfred Kees, Alexander Korisansky, R. Kratzer, Hans-Joachim Lodermeier, Susanne Marb, Karl Nestl, Simon Schmausser, Hermann Schuster, Dr. Friedrich Weckerlein Gesamtherstellung: fm Dienstleistung, Schrobenhausener Straße 29, 86551 Aichach, Telefon (0 82 51) 5 1100, Fax (0 82 51) 5 17 06

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BdV-Landesverband

Wieder in Bewegung:

Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter – eine Hauptforderung des Bundes der Vertriebenen Einen deutlichen Schub in Richtung Entschädigung der deutschen Zwangsarbeiter während und am Ende des Zweiten Weltkriegs erhofft sich BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer. Der BdV-Landesverband sei in den vergangenen Jahren unentwegt für einen zumindest symbolhaften Ausgleich eingetreten. In zahlreichen Reden und Gesprächen mit Parlamentariern hatte er das Ausbleiben einer Lösung „als Schande“ bezeichnet. In der durch CDU/CSU und SPD nunmehr vereinbarten Entschädigung sowjetischer Kriegsgefangener der NS-Zeit sei ein wichtiges Zeichen in Richtung dieser doppelt bestraften Menschen und ein gerechter Akt der Rehabilitierung eingeleitet worden. Sie werde dazu beitragen, dieses Schicksal aus dem „Erinnerungsschatten“ zu holen. Ein solcher „Erinnerungsschatten“ liegt nach Ansicht des BdV-Präsidenten Dr. Bernd Fabritius, MdB, auch über dem Schicksal der vielen Deutschen, die während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Opfer von Gewalt und Willkür sowie Zwangs- und Sklavenarbeit wurden. Es seien überwiegend Zivilpersonen, die allein wegen ihrer deutschen Staats- oder Volkszugehörigkeit als „lebende Reparationen“ deutsche Kriegsschuld abarbeiten mussten und dabei bis heute nachwirkende Traumata erlitten. Diese Schicksale, die weit über das allgemeine Kriegsfolgenschicksal hinausgehen, sind Teil vieler deutscher Familiengeschichten. Die Betroffenen bedürfen endlich deutlicher Gesten der Anerken-

nung und Würdigung durch Deutschland, für das sie stellvertretend in Haftung genommen wurden. Der Bund der Vertriebenen fordert daher auch auf Bundesebene die Errichtung eines Entschädigungsfonds für deutsche Zwangsarbeiter. Es sei an der Zeit, dass auch diese Opfergruppe, von der nur noch wenige Menschen leben, aus einem solchen Entschädigungsfonds eine gerechte Entschädigung erfährt. Daran könnten sich auch jene Staaten und Unternehmen beteiligen, die diese Zwangsarbeit angeordnet oder aus ihr Nutzen gezogen hätten. Bereits am 27. März hatte sich die Landtagsfraktion der Freien Wähler in einem Antrag für eine unverzügliche Entschädigungszahlung an deutsche Zwangsarbeiter eingesetzt. Darin forderte sie die Bayerische Staatsregierung auf, sich auf Bundesebene für entsprechende Zuwendungen an Menschen starkzumachen, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeit unterworfen waren. Der vertriebenenpolitische Sprecher der Freien Wähler-Fraktion, Dr. Hans-Jürgen Fahn, forderte die CSU auf, sich endlich wieder auf ihre Bemühungen zur Jahrtausendwende zurückzubesinnen und auf Bundesebene dieses seit langem vernachlässigte Thema erneut aufzugreifen. Konkret wird die Staatsregierung aufgefordert, sich im Bund für eine Umsetzung der Inhalte eines Antrags der CDU/CSUBundestagsfraktion aus dem Jahr 2003 stark zu machen, um so schnell wie möglich den ohnehin wenigen noch Leben-

den in Form einer Einmalzahlung einen gerechten Ausgleich als humanitäre Geste zukommen zu lassen. Anfang Juni hat nun die CSU-Landtagsfraktion nachgezogen und ebenfalls einen Antrag eingereicht. Darin dankt sie zunächst der Staatsregierung für den geleisteten Einsatz für Deutsche, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg als Zwangsarbeiter Opfer großen Unrechts wurden. Die bisherigen Bemühungen, eine Entschädigung für sie zu erreichen, verdienen die volle Zustimmung des Landtags. Nach der Absicht des Bundestags, 70 Jahre nach Kriegsende überlebenden sowjetischen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkriegs eine Entschädigung zu zahlen, sollte auch für deutsche Zwangsarbeiter ein neuer Anlauf zur Kompensation erlittenen Unrechts unternommen werden. Die Staatsregierung wird deshalb aufgefordert, sich auf Bundesebene mit Nachdruck dafür einzusetzen, dass deutsche Zwangsarbeiter für das ihnen zugefügte Leid während und nach dem Zweiten Weltkrieg gebührende Anerkennung erfahren und auch eine angemessene Entschädigung erhalten. Angesichts des 70. Jahrestags des Kriegsendes sei eine solche Geste der Würdigung umso wichtiger. Beide Anträge befinden sich derzeit in der parlamentarischen Beratung. Der Ausschuss für Soziales, Jugend, Familie und Integration hat den Anliegen beider Fraktionen in seiner Sitzung vom 25. Juni entsprochen.

BdV-Bundesversammlung verabschiedet Resolution Die Delegierten der BdV-Bundesversammlung haben einstimmig den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung aufgefordert, endlich eine Grundlage für eine humanitäre Geste zum Beispiel in Form eines Entschädigungsfonds für deutsche Zwangsarbeiter zu schaffen. Es sei an der Zeit, dass auch diese Opfergruppe, von der nur noch wenige Vertreter lebten, eine gerechte Entschädigung erfahre. An einem Fonds könnten sich auch die Staaten beteiligen, die Zwangsarbeit angeordnet und Unternehmen, die aus der Zwangsarbeit Nutzen gezogen hätten.

Deutsche Zwangsarbeiter waren vor allem Frauen, alte Menschen und Kinder, die verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden. Tod, Kälte, Hunger, Krankheit und Entkräftung hätten vielen das Leben, allen aber Lebenszeit und Lebensqualität gekostet. Heute seien nur noch zwischen 10.000 und 20.000 der zur Zwangsarbeit Herangezogenen über 80-Jährigen am Leben und könnten von den unmenschlichen und brutalen Haft-, Lager- und Lebensbedingungen und ihren bis heute nicht überwundenen Traumata berichten. Diese Schicksale, die weit über das all-

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gemeine Kriegsfolgenschicksal hinausgingen, seien Teil vieler deutscher Familiengeschichten. Die Betroffenen bedürften endlich deutlicher Gesten der Anerkennung und Würdigung durch Deutschland, für das sie stellvertretend in Haftung genommen wurden. Die Höhe einer Entschädigung dürfe nicht hinter vergleichbare Regelungen zurückfallen. Deshalb widerspricht der BdV der Auffassung, die von Drittstaaten erzwungene Zwangsarbeit Deutscher sei innerstaatlich nicht zu entschädigen, weil es sich dabei um ein allgemeines Kriegsfolgenschicksal handele.


Aus dem Freistaat

Fraktionsvorsitzender Kreuzer:

CSU-Landtagsfraktion bleibt verlässlicher Ansprechpartner der Heimatvertriebenen

Rund 400 Gäste waren Anfang Mai der Einladung der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag zu einem Empfang unter dem Leitwort „70 Jahre Flucht und Vertreibung“ gefolgt. Neben politischer Prominenz hatten sich vor allen Vertreter der Landsmannschaften und Vertriebenenverbände aus Bayern eingefunden und das Gespräch gesucht. „In diesem Jahr

für Bayern eine große Bereicherung“, hob Sozialministerin Emilia Müller in ihrem Grußwort hervor. Sie hätten die Erfolgsgeschichte Bayerns wesentlich mitgeprägt. „Die Leistungen, die Sie beim Wiederaufbau unseres Landes nach dem Zweiten Weltkrieg erbracht haben, sind beeindruckend.“ Für sie sei die Zusammenarbeit mit dem BdV wichtig.

Von links: SL-Specher Bernd Posselt, Vertriebenenpolitischer Sprecher Josef Zellmeier, MdL, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, MdB, Landtagspräsident a. D. Johann Böhm. Bilder: S. M./Text: J. Z.

begehen wir das siebzigste Jahr des Kriegsendes und gleichzeitig gedenken wir damit auch der schrecklichen Ereignisse sowie der großen Opfer, die Flucht und Vertreibung mit sich brachten“, betonte der Fraktionsvorsitzende Thomas Kreuzer einleitend und bedankte sich für das rege Engagement vor Ort. Er versicherte, dass die CSU-Fraktion auch in Zukunft „ein kompetenter und verlässlicher Ansprechpartner für Anliegen der Heimatvertriebenen und Aussiedler in Bayern“ sein werde. „Die Heimatvertriebenen waren und sind

Zu Beginn einer Diskussionsrunde zum einschlägigen Thema hob der Vorsitzende der Fraktions-Arbeitsgemeinschaft „Vertriebene, Aussiedler und Partnerschaftsbeziehungen“, Josef Zellmeier, hervor, dass es wichtig sei, die Ereignisse von damals auch der jungen Generation zu vermitteln und dafür zu sorgen, dass diese nicht in Vergessenheit gerieten. Gemeinsam mit BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, dem Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, und dem SL-Altsprecher und früheren Landtagspräsidenten Johann Böhm, ließ

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er die relevanten Entwicklungen für die Heimatvertriebenen der vergangenen 70 Jahre Revue passieren. Eine weitere Gesprächsrunde diskutierte unter Leitung der Münchener CSU-Landtagsabgeordneten Mechthilde Wittmann, den Stellenwert der kulturellen Erinnerungsarbeit. Silvia Jäger, Geschäftsführerin des pommerschen Tanz- und Folkloreensembles „Ihna“, berichtet dabei, dass sich ihre Jugendlichen neben der Brauchtumspflege mit Tanz, Musik und Trachten hauptsächlich durch Reisen und persönliche Kontakte in den Vertreibungsgebieten mit den historischen Geschehnissen auseinandersetzten. Bisher hätten über 30 Begegnungen zwischen polnischen und deutschen Jugendlichen stattgefunden. Das Haus des Deutschen Ostens in München will, so dessen Direktor Prof. Dr. Andreas Weber, Jugendlichen vor allem die vielen vorhandenen Zeitzeugenberichte nahe bringen. Die entsprechenden Materialien sollen deshalb digital aufbereitet und vernetzt werden. Roland Spranger, Autor des Theaterstücks „Die Hungerleider“ am Theater Hof, ergänzte mit spannenden Einblicken in die unterschiedlichen Möglichkeiten, die Themen Flucht und Vertreibung kulturell aufzuarbeiten. Einen weiteren Höhepunkt stellte der Auftritt der Erlangener Tanzgruppe Ihna im ehemaligen Senatssaal dar. Mit musikalischer Begleitung der „Banater Dorfmusikanten“ und einem Imbiss, der heimattypische Akzente hatte, fand der Empfang schließlich einen gemütlichen Ausklang.


Aus dem Freistaat

SL-Ehrenbrief für Christa Stewens Christa Stewens, von 2001–2008 Bayerische Sozialministerin und in dieser Funktion auch Schirmherrschaftsministerin über die Sudetendeutsche Volksgruppe, wurde von der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit der Verleihung des Ehrenbriefes in besonderer Weise geehrt. Deren Sprecher Bernd Posselt würdigte dabei ihre Leistungen für die Sudetendeutschen, ihren besonderen Einsatz für den deutsch-tschechischen Dialog, die sudetendeutsche Museumslandschaft in Bayern, den Heiligenhof, die Sudeten-

deutsche Stiftung und die Sudetendeut- der Feierstunde teil. Unser Bild zeigt Christa Stewens mit dem Ehrenbrief. Neben ihr sche Landsmannschaft. (von links) Thomas Huber, MdL, Angelika Niebler, MdEP, Steffen Hörtler, Landesvorsitzender der SL, Albert Hingerl, Bürgermeister von Poing, der Heimatgemeinde von Christa Stewens, Dr. Andrea Lenz, MdB, SL-Sprecher und BundesvorsitzenderBernd Posselt, Magdalena Föstl, stellvertretende Landrätin des Landkreises Für den Bund der Vertriebenen nahm de- Ebersberg und SL-Kreisobmann Franz ren Landesschatzmeister Paul Hansel an Kühnel.

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Aus dem Freistaat

Empfang im Maximilianeum:

SPD-Fraktion verknüpft Gedenken an Vertreibung und Engagement für heutige Flüchtlinge

Die SPD-Landtagsfraktion verknüpft die Erinnerung an die Vertreibung von Millionen Menschen aus ehemals deutschen Gebieten in Osteuropa mit der Mahnung, den heutigen Kriegs- und Terrorflüchtlingen beizustehen. Ihr vertriebenenpolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer, Volkmar Halbleib, sagte beim jährlichen Vertriebenenempfang der Fraktion, der Ende Juni im Bayerischen Landtag stattfand: „Flucht und Vertreibung sind kein historisch abgeschlossenes Phänomen, von dem man nur in

Von links: Der Bundesvorsitzende der Banater Schwaben, Dietmar Leber, und BdVVizepräsident Christian Knauer.

Geschichtsbüchern lesen kann. Sie gehören zu den drängendsten und bedrückendsten Herausforderungen unserer Zeit. Wohl niemand kann besser nachvollziehen, was Kriegsflüchtlinge aus Syrien oder dem Irak heute durchmachen, als Menschen die selbst vertrieben wur-

den und in Bayern eine neue Heimat gefunden haben.“ Er sei dankbar, dass die Heimatvertriebenen mithelfen, den heutigen Flüchtlingen und Asylbewerbern eine menschenwürdige Aufnahme in Deutschland zu bereiten. Die SPD-Fraktion zeichnete dabei den früheren Landesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Eduard Neuberger, den Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Jugend, Peter Paul Polierer, und die Banater Jugendund Trachtengruppen unter der Leitung Harald Schlapansky als „Brückenbauer“ aus. Eduard Neuberger wurde 1961 in Russland geboren und war Traktorist und Bauarbeiter in der Kolchose Moskwa. Nach 1980 ließ er sich an der Theater-Hochschule Tschepkin am Akademietheater in Moskau zum Schauspieler ausbilden. Im Anschluss daran arbeitete er in der späten „Gorbatschow-Ära“ als Schauspieler am Deutschen Theater in Alma-Ata. Nach seiner Übersiedlung nach Deutschland 1991 fand er in Straubing eine neue Heimat. Er war Leiter des Projekts „Integration junger Spätaussiedler in Straubing-Bogen“, hat in der Erwachsenenbildung gearbeitet und war Quartiermanager in Straubing. Heute arbeitet er als Streetworker. Alle seine Ehrenämter zu nennen, so Halbleib, würde den Rahmen sprengen. Sie reichen von vielen Funktionen in der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, über den Ausländer- und Migrationsbeirat der Stadt Straubing und

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dem Beirat für Vertriebenen- und Spätaussiedlerfragen beim Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung bis zum Runden Tisch zur Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund beim Kultusministerium. 2013 erhielt Neuberger das Ehrenzeichen des Bayerischen Ministerpräsidenten für im Ehrenamt Tätige. Peter Paul Polierer, ist Gymnasiallehrer in Landshut, auch für das Fach Geschichte. Daraus speise sich, so der Fraktionsvize, „sein politisches Engagement

Von links: Bundesvorsitzender der Seliger-Gemeinde Dr. Helmut Eikam und BdV-Vizepräsident Albrecht Schläger.

und Selbstverständnis als Europäer niederbayerischer Heimat und böhmisch-mährischer Abkunft“. Mit ihm als Bundesvorsitzenden der Sudetendeutschen Jugend verbinde sich nicht nur eine Strukturreform des Jugendverbands, sondern auch eine programmatische Namenser-


Aus dem Freistaat gänzung in „Sudetendeutsche Jugend – Jugend für Mitteleuropa“ sowie eine Öffnung seiner Jugendorganisation über die sudetendeutsche Volksgruppe und den sudetendeutschen Kontext hinaus. Mittelfrankens stellvertretende Bezirks-

meinde, Olga Sippl, Peter Barton vom Sudetendeutschen Büro in Prag, Dr. Peter Becher vom Adalbert Stifter Verein und Ernst Schroeder von der Pommerschen Landsmannschaft geehrt. 2014 waren es die Lehrerarbeitsgemeinschaft für den landes-

tagspräsidentin Christa Naaß würdigte die kulturellen Leistungen der Banater Jugend- und Trachtengruppen. Sie übernähmen wichtige Aufgaben beim Erhalt und der Pflege der Banater Traditionen und ihres Brauchtums. Durch Hilfsaktionen hätten die Jugendlichen auch ihren Beitrag zur Völkerverständigung geleistet. Bereits in den Vorjahren hatte die SPDLandtagsfraktion Organisationen, Initiativen und Einzelpersönlichkeiten für be-

weiten bayerischen Schülerwettbewerb „Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn – wir in Europa“ sowie die Riesengebirgs-Trachtengruppe München. Im Rahmen der Veranstaltung würdigte die Seliger-Gemeinde zudem die Sudetendeutsche Landsmannschaft für ihren Reformkurs. Dessen Bundesvorsitzender Bernd Posselt nahm die Ehrung entgegen. In seiner Laudatio unterstrich der Ko-Vorsitzende der Seliger-Gemeinde und Vizepräsident des Bundes der Ver-

plik der sozialdemokratischen SeligerGemeinde für die Ehrung und appellierte an die Politik, weiter über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Er warb für eine gute und friedliche Nachbarschaft und betonte in Anwesenheit des tschechischen Generalkonsuls, Milan Coupek, Forderungen nach einer kollektiven Rückkehr der Vertriebenen oder gleichwertigen Entschädigungen seien völlig absurd und unrealistisch. Den Wenzel-Jaksch-Gedächtnispreis der Seliger-Gemeinde erhielt in diesem Jahr Hanna Zakhari, die Vorsitzende des Deutschen Kulturverbands Region Brünn. Laudator Dr. Helmut Eikam, lobte den persönlichen Einsatz Zakharis für die deutsche Minderheit in Tschechien. Diese zeigte sich tief bewegt und nahm den Preis im Namen der deutschen Minderheit entgegen. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius, dankte der SPDLandtagsfraktion für ihr jahrelanges und nachhaltiges Engagement für die Heimatvertriebenen. Er wünschte sich, dass sich die Sozialdemokraten in anderen Bundesländer ein Beispiel daran nähmen. Namens des neu gewählten BdV-Präsidiums bot er der SPD eine konstruktive Zusammenarbeit an. Das Schlusswort war traditionell dem bayerischen BdV-Landesvorsitzenden Christian Knauer vorbehalten. In launiger Art dankte er unter starkem Beifall des Publikums der Fraktionsführung für den fortwährenden Dialog mit seinem

Als „Brückenbauer“ ausgezeichnet: Zweiter von links Eduard Neuberger, daneben Peter Paul Polierer, eingerahmt von Christa Naaß, Generalsekretärin des Sudetendeutschen Rates und Christian Knauer, BdV-Landesvorsitzender. Rechtes Bild: SLSprecher Bernd Posselt freut sich über die Ehrung. Bilder: S. M.

sonders vorbildliches Engagement bei der Bewahrung des kulturellen Erbes und der Verständigung mit den Herkunftsländern der Vertriebenen, Aussiedler und Deportierten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa als „Brückenbauer“ geehrt. So wurden 2013 die Ehrenvorsitzende der Seliger-Ge-

triebenen, Albrecht Schläger, dass unter Posselts Führung von der Sudetendeutschen Landsmannschaft viele Forderungen der Seliger-Gemeinde zum Ausgleich zwischen Deutschen und Tschechen übernommen worden seien. Der CSU-Politiker dankte in seiner Re-

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Verband. Mit Blick auf die Fußball-Weltmeisterschaft der Damen stellte er im Vergleich mit den Vertriebenenempfängen im Bayerischen Landtag fest: „Im Vertriebenencup des Landtages steht es zwischen größter Oppositionsfraktion und Regierungspartei im Moment 7 zu 2.


Aus dem Freistaat

Vertriebenenarbeitsgruppe der CSU-Fraktion besuchte Repräsentanz in Prag Die Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler und Partnerschaftsbeziehungen der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag besuchte mit zehn Abgeordneten die Tschechische Republik. Begleitet wurde sie von Steffen Hörtler, dem Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Bayern. Als erste Besuchergruppe nach der Eröffnung konnte die Delegation unter Führung des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Josef Zellmeier die Räume der neuen Repräsentanz Bayerns in Prag besichtigen. Intensiv besprachen die Abgeordneten dabei mit dem verantwortlichen Leiter, Dr. Hannes Lachmann, die künftigen Aufgaben und Ziele. Dieser zeigte sich offen für den Wunsch, die Themen Flucht, Vertreibung und Versöhnung in den Veranstaltungskalender aufzunehmen. Besonders wichtig war der Arbeitsgruppe der persönliche Kontakt zu den Vertretern der deutschen Minderheit. Dazu gehörten Irena Novakova vom Kulturverband der Bürger deutscher Nationalität und Martin Dzingel, Vorsitzender der Landesversammlung der Deutschen, sowie Pater Dr. Martin Leitgöb und Geschäftsführer Dr. Jan Heinzl von der Ackermanngemeinde. „In ausführlichen Gesprächen konnten wir uns intensiv über die Situation der deutschen Minderheit in Tschechien austauschen und beraten, wie Bayern deren Anliegen auch in Zukunft bestmöglich unterstützen kann“, be-

Dr. Hannes Lachmann (Sechster von rechts), Leiter der Bayerischen Repräsentanz in Prag, begrüßt die Delegation um Josef Zellmeier (Fünfter von rechts), den Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler und Partnerschaftsbeziehungen der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Mit auf dem Bild sind Steffen Hörtler (Fünfter von links), der stellvertretende Bundesvorsitzende und Landesobmann (Bayern) der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Christopher Vickers (Zweiter von rechts), der stellvertretende Leiter der Bayerischen Repräsentanz. S. S.

tonte Zellmeier. Beim Besuch des Sudetendeutschen Büros unter Leitung von Peter Barton kam es zum Austausch mit Pavel Hořava, dem Generalsekretär der tschechischen Christdemokraten. Die CSU-Abgeordneten freuten sich, dass diese Partei, ihr enger Partner, 2013 die Rückkehr ins Abgeordnetenhaus schaffen und gleich Regierungsverantwortung übernehmen konnte. Auf parlamentarischer Ebene konnte die

Arbeitsgruppe länderübergreifende Fragen mit einer Delegation der deutschtschechischen Parlamentariergruppe unter Leitung des Abgeordneten Jaroslav Fürst von Lobkowicz diskutieren. „In freundschaftlicher Atmosphäre haben wir die bayerisch-tschechische Zusammenarbeit erörtert. Unser Ziel ist nach wie vor eine eigene Parlamentariergruppe der beiden Volksvertretungen zu installieren“, fasste Zellmeier zusammen.

Erste Rate für Sudetendeutsches Museum bewilligt Bis 2018 soll in der Landeshauptstadt ein Sudetendeutsches Museum entstehen – „ein Ort, der Geschichte, Kultur und Schicksal der Sudetendeutschen präsentiert, gleichermaßen aber auch den Dialog mit den tschechischen Nachbarn stärkt und fördert“, wie Dr. Michael Höhenberger, Amtschef im Sozialministerium, im vergangenen Jahr im Haushaltsausschuss ausführte. Abgeordnete von CSU, SPD und Freien Wähler erteilten damals dem Projekt „grünes Licht“, wodurch die Ausschreibung gestartet wurde. Vor wenigen Tagen stimmte nunmehr derselbe Ausschuss einstimmig einer ersten Teilbaumaßnahme in Höhe von 800.000 Euro zu. Volkmar Halbleib, Vertriebenenpolitischer Sprecher der Landtags-SPD, begrüßte die

Entscheidung mit den Worten „Wir haben heute endlich Nägel mit Köpfen gemacht“. Die politische Zielsetzung des Museums ist es, nicht nur die Heimatvertriebenen und deren Nachfahren anzusprechen, sondern alle Bürgerinnen und Bürger. Dies sei ein wichtiger Beitrag, um einerseits Geschichte, Kultur, Leistung und Schicksal der Deutschen in den böhmischen Ländern nachhaltig im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern, andererseits aber auch einen breiten Dialog mit unseren tschechischen Nachbarn zu fördern. Dass das Schicksal der Sudetendeutschen im Bewusstsein der Öffentlichkeit erhalten bleibt, ist auch für die CSU-Haushaltspolitiker Wolfgang Fackler und Karl Freller wichtig. Sie sehen den Bau des

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Museums vornehmlich als bayerische Aufgabe an, schließlich sei der Freistaat das Schirmland der Sudetendeutschen. Bernhard Pohl, Vertriebenenpolitischer Sprecher der Freien Wähler, bezeichnete die einstimmige Beschlussfassung im Ausschuss als „bemerkenswert“. Während in der Vergangenheit bei den Belangen der Heimatvertriebenen hitzige und kontroverse Debatten an der Tagesordnung waren, sei es nun gelungen, ein einheitliches und klares Bekenntnis aller Fraktionen zu erreichen. Das Museum wird als staatliche Baumaßnahme in der Hochstraße, am Münchner Isarhochufer in der Nähe des Gasteigs und des Deutschen Museums, realisiert. Es grenzt unmittelbar an das Haus des Deutschen Ostens.


Aus dem Freistaat

Bündnis 90/Die Grünen begrüßen Wahl von Milan Horácek ins Präsidium des BdV

Gelungener Dialog: Von links Alfred Kipplinger, stellvertretender BdV-Landesvorsitzender, Fraktionsvorsitzende Margarete Bause, Christine Kamm, MdL, BdV-Vorsitzender Christian Knauer, die Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft Brunhilde Reitmeier-Zwick, der Landesvorsitzende der Landsmannschaft Pommern, Ernst Schroeder, und BdVLandesvorstandsmitglied Alma Bitz. Bilder S. M.

Was in einigen Bundesländern noch undenkbar erscheint, ist in Bayern mittlerweile zur guten Tradition geworden: der regelmäßige Meinungsaustausch zwischen der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und dem Bund der Vertriebenen. Ende April hatte sich der geschäftsführende Landesvorstand mit der Fraktionsspitze im Maximilianeum getroffen, um über Themen wie die Ausgestaltung des landesweiten Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung, einer symbolhaften Entschädigung für die deutschen Zwangsarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg oder der Entwicklung der Institutionellen Förderung nach Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes im Freistaat zu diskutieren. Als wichtigen Meilenstein im bilateralen Verhältnis bezeichnete BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer die Wahl des Grünenpolitikers Milan Horácek ins BdVPräsidium. Dort seien erstmals seit langem wieder vier Bundestagsparteien vertreten. Auch Gastgeberin und Fraktionsvorsitzende Margarete Bause begrüßte die Entwicklung im BdV. Sie könne sich noch gut an Sudetendeutsche Tage erinnern, bei denen Vertreter ihrer Partei ausgepfiffen worden seien. Dass inzwischen ein grüner Europapolitiker Karlspreisträger der SL sei, wertete sie als „bemerkenswert und durchwegs positiv“. Rasche Einigkeit wurde bei der Gestaltung des landesweiten Gedenktages am zweiten Septemberwochenende erzielt.

Wie der BdV spricht sich auch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen dafür aus, künftig den bayerischen Staatsakt in die direkte Nähe zum bundesweiten Gedenktag zu legen. In diesem Jahr wolle man noch einmal am Herbsttermin festhalten, um das Geschehen im Umfeld des nationalen Gedenktages zu beobachten. Zwei getrennte Gedenktage solle es mit Rücksicht auf anderweitige historische Ereignisse nicht geben.

Noch einmal befassen will sich die Landtagsfraktion mit der BdV-Bitte, deutsche Zwangsarbeiter symbolhaft zu entschädigen. Margarete Bause bezeichnete es als „beschämend“, wie Deutschland mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern,

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auch während der NS-Zeit, umgehe. Es sei eine berechtigte Forderung der Menschen, die Zwangsarbeit geleistet hätten, dafür entschädigt werden zu wollen. Ihre Kollegin Christine Kamm wies darauf hin, dass es neben den deutschen Zwangsarbeitern noch weitere Gruppen von unter Zwang Verschleppten gebe, die bislang bei Entschädigungen nicht berücksichtigt wurden. Als Bespiel führte sie die russischen Kriegsgefangenen an, die entgegen dem Genfer Abkommen Zwangsarbeit leisten mussten. Kamm vertrat, wie die BdV-Delegation, die Ansicht, dass eine Lösung für alle Betroffenen wünschenswert wäre. Wegen der oft langwierigen politischen Entscheidungsprozesse könnte dies aber noch Jahre bis zum Durchbruch dauern. Eine gerechte Lösung für alle sei wohl in naher Zeit nicht möglich. Dennoch sollte man schnellstmöglich damit beginnen, zumindest in Teilschritten den Anliegen der betroffenen Menschen gerecht zu werden. Mit Blick auf die Verdoppelung der Projektmittel für die Kulturarbeit der Heimatvertriebenen durch die rot-grüne Koalition in Niedersachsen, baten die BdVVertreter die Fraktion, bei der Institutionellen Förderung durch den Freistaat darauf zu achten, dass die Mittel zumindestens jährlich so angepasst würden, um Preis- und Lohnsteigerungen aufzufangen. Außerdem warben sie um weitere Unterstützung bei der Realisierung des Sudetendeutschen Museums.


Aus dem Freistaat

Spitzenbegegnung in Berlin:

SPD-Vertriebenenpolitiker treffen Fabritius

Spitzengespräch im Deutschen Bundestag: von links Volkmar Halbleib, MdL, Petra Ernstberger, MdB, Hiltrud Lotze, MdB, Rita Hagl-Kehl, MdB, Dr. Bernd Fabritius, MdB, und Albrecht Schläger, MdL a. D. Bild und Text: Dr. Friedrich Weckerlein

Zu einem ersten Meinungsaustausch über aktuelle Fragen der Vertriebenenpolitik trafen sich auf Initiative des vertriebenenpolitischen Sprechers der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, Volkmar Halbleib, und seiner Sprecherkollegin aus der SPD-Bundestagsfraktion, Hiltrud Lotze, mit dem neuen BdV-Präsidenten Dr.

Bernd Fabritius in Berlin. Weitere Teilnehmer waren die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzende der DeutschTschechischen Parlamentariergruppe, Petra Ernstberger, Hof, ihre Bundestagskollegin Rita Hagl-Kehl aus Deggendorf/Freyung-Grafenau, sowie BdV-Vize-

präsident und Ko-Vorsitzender der Seliger-Gemeinde Albrecht Schläger. Bei dem Gespräch im Bundestag sollten vor allem die Vorstellungen der neuen BdV-Spitze über die künftige Ausrichtung des Bundes der Vertriebenen eruiert werden. Weitere Themen waren die sowohl von BdV wie von der SPD begrüßte jüngste Änderung der Satzung der Sudetendeutschen Landsmannschaft und die Frage einer möglichen Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter. SPD-Sprecher Volkmar Halbleib zeigte sich dabei für eine Entschädigungsregelung aufgeschlossen, bat allerdings um ein konkretes Konzept, das zur Realisierung der BdV-Forderung führen könnte. Daraus, so der SPD-Politiker, müsse hervorgehen, wie hoch nach Meinung des BdV die Entschädigung sein und wer zum Kreis der Empfänger gehören sollte. Auf einer solchen Grundlage sei es möglich, „über die Ebene des bloßen Schlagworts hinauszukommen“ und das Vorhaben politisch tatsächlich voranzubringen. Voraussetzung sei freilich die grundsätzliche Bereitschaft von Finanzminister Wolfgang Schäuble und Innenminister de Maizière hier mitzumachen. Sowohl Schäuble wie auch der frühere Innenminister Friedrich (CSU) hatten in der Vergangenheit eine Zwangsarbeiterentschädigung strikt abgelehnt.

Mehr Geld für Einrichtungen Auf Initiative der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag sind die Zuschüsse für die Sanierung und Modernisierung an Einrichtungen der Vertriebenen und Flüchtlinge in diesem Jahr erhöht worden. „Wir wollen die Erinnerung an Flucht und Vertreibung bewahren“, verdeutlichte Josef Zellmeier, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, nach der Entscheidung im Haushaltsausschuss. „Daher ist es uns wichtig, dass die Einrichtungen, die dieses Gedenken lebendig halten, durch den Freistaat Bayern so gut wie möglich unterstützt werden.“ Eine der Einrichtungen, die von den zusätzlichen Mitteln in Höhe von einer Million Euro profitiert, ist die Ostdeutsche Galerie in Regensburg. Der dortige Stimmkreisabgeordnete Dr. Franz Rieger erklärte: „Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie ist eine einzigartige und interna-

tional höchst renommierte Kunstgalerie. Allerdings nagt der Zahn der Zeit an der Substanz des Gebäudes. Mit dem Zuschuss sorgen wir dafür, dass die Kunstwerke auch in Zukunft gut untergebracht Beratungsstelle sind und an Flucht und Vertreibung aus Bund der Vertriebenen den ehemals deutschen Ostgebieten erVereinigte Landsmannschaften innert wird.“ Der Freistaat Bayern gehört Landesverband Bayern e. V. neben dem Bund und der Stadt RegensAm Lilienberg 5 · 81669 München burg der Trägerstiftung des Kunstforums Ansprechpartner: an. Dietmar Kräch Ebenfalls von den zusätzlichen Mitteln Telefon (0 89) 44 14 03 79 profitiert das Egerlandkulturhaus in MarktTelefon (0 89) 48 14 47 redwitz. Der dortige Abgeordnete MarFax (0 89) 48 26 21 tin Schöffel wies auf die unbedingt notE-mail: kraech@bdv-bayern.de wendige energetische Sanierung des Internet: www.bdv-bayern.de Gebäudes hin. Das Egerlandkulturhaus Gefördert durch: Bundesministerium des Innern aufgrund eines umfasst das Egerland-Museum und die Beschlusses des Deutschen Bundestages Egerländer-Kunstgalerie. Es ist darüber hinaus Sitz der Egerland-Kulturhaus-Stif- und der bayerischen Arbeitsgemeinschaft tung, des Bundes der Eghalanda Gmoin. Euregio Egrensis.

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BdV-Bundesverband

Hauptredner beim Tag der Heimat:

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil Am 29. August werden sich Heimatvertriebene und Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler, Angehörige der Erlebnisgeneration, aber auch viele Vertreter der Bekenntnisgeneration erneut im Humboldtsaal der Berliner Urania einfinden, um unter dem diesjährigen Leitwort „Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute“ gemeinsam die Auftaktveranstaltung zum Tag der Heimat des Bundes der Vertriebenen zu begehen. Die Festrede wird dabei der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil halten, dessen Landesregierung ihre Patenschaft über Schlesien und die Landsmannschaft Schlesien ernst nimmt und die Anliegen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler konsequent in ihre Arbeit einbezieht. Mit der Ehrenplakette des Bundes der Vertriebenen werden die Ministerpräsidenten Horst Seehofer, Bayern, Volker Bouffier, Hessen, und Stanislaw Tillich, Sachsen, stellvertretend für ihre jeweili-

Engere Zusammenarbeit von BdV und Volksbund BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius hat sich vor kurzem mit dem Präsidenten des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V., Markus Meckel, zu einem Arbeitsgespräch getroffen. Beide Präsidenten nutzten das Gespräch, um über mögliche Anknüpfungspunkte in der gemeinsamen Arbeit zu sprechen und sich über die aktuellen Entwicklungen in ihren jeweiligen Verbänden auszutauschen. Themen waren unter anderem die Herausforderungen beim öffentlichen Gedenken an die Opfer von Krieg, Flucht und Vertreibung sowie wichtige politische Fragestellungen wie beispielsweise die aktuelle Flüchtlingsproblematik. Konkrete Zusammenarbeitsmöglichkeiten sahen Fabritius und Meckel im Bereich der Jugend- und Bildungsarbeit sowie bei Projekten zum Thema Flucht und Vertreibung, da dieser Themenbereich im kommenden Jahr auch einen Schwerpunkt im Volksbund bilden wird. Die Präsidenten verabredeten abschließend, weiterhin in Kontakt zu bleiben. Meckel war der letzte Außenminister der ehemaligen DDR und von 1990 bis 2009 als SPD-Abgeordneter im Deutschen Bundestag. M. Halatsch

gen Bundesländer ausgezeichnet. Noch vor der Bundesregierung haben sie mit landeseigenen Gedenktagen dokumentiert, dass in ihren Ländern die Bewahrung und Aufarbeitung der Geschichte der deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Ministerpräsident Seehofer wird bei der Festveranstaltung anwesend sein, die Ehrenplakette auch im Namen der beiden anderen Geehrten annehmen und Dankesworte sprechen. Nach seiner Amtsübernahme im vergangenen November wird BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius zum ersten Mal beim zentralen Tag der Heimat zu den Anwesenden sprechen und die bundesweite Veranstaltungsreihe eröffnen. Ein geistliches Wort wird der Beauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Fragen der Spätaussiedler und der Heimatvertriebenen, Kirchenpräsident i. R. Helge Klassohn, sprechen. Musikalisch umrahmt wird die Veranstaltung

von den Potsdamer Turmbläsern. Nach der Veranstaltung sind die Teilnehmer eingeladen, an der Kranzniederlegung auf dem Berliner Theodor-Heuss-Platz an der „Ewigen Flamme“ teilzunehmen. Der Tag der Heimat besteht als zentrale Verbandsveranstaltung bereits seit 1950. Seit nunmehr 65 Jahren erinnert der BdV öffentlichkeitswirksam nach außen wie nach innen an das Leid und die Opfer, an die materiellen und die ideellen Verluste der deutschen Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler. Für Interessenten besteht noch die Möglichkeit, eine Einladung zu dieser Veranstaltung bei der BdV-Bundesgeschäftsstelle in Bonn zu erhalten. Ihr Ansprechpartner dort ist Heribert Lintermann. Bund der Vertriebenen Godesberger Allee 72–74, 53175 Bonn Telefon 02 28/8 10 07-32 Fax 02 28/8 10 07-52 E-Mail: heribert.lintermann@bdvbund.de

Vertriebenengedenkstätte in Traunreut geht seiner Vollendung entgegen

Schon heute dürfen sich die Delegierten der BdV-Landesversammlung und die Besucher der Zentralveranstaltung zum Tag der Heimat in Traunreut auf die Fertigstellung und Segnung der neuen Gedenkstätte für die Opfer von Flucht, Vertreibung und Deportation am Heimatkreuz freuen. Die Umsetzungs- und Ergänzungsarbeiten waren Anfang Juli bereits weit fortgeschritten. Am Samstag, 19. September, wird die Anlage im 13.30 Uhr im Beisein der Bayerischen Sozialministerin Emilia Müller eingeweiht. R. Kratzer

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Aus den Verbänden

Neustart im Bezirksverband Oberpfalz:

Christoph Schikora neuer BdV-Bezirksvorsitzender

Der neue BdV-Bezirksvorstand. Von links: Wahlleiter Josef Zellmeier, MdL, Anton Enderle, Alma Raile, Helga Pawelke, Christoph Schikora, Dr. Arthur Bechert, Franz Weschta, Nobert Uschald. Bild: A. K.

Zum letzten Mal lud der bisherige BdVBezirksvorsitzende der Oberpfalz, Dr. Arthur Bechert, zur Bezirksversammlung mit Neuwahlen am 24. April in das Antoniushaus in Regensburg ein. In seinem Tätigkeitsbericht als Vorsitzender ließ er

die vielen Termine und Sitzungen seit der letzten Wahl im März 2011 Revue passieren. Als besonderes Arbeitsgebiet bezeichnete er die Unterstützung der Kreisverbände. Als persönlichen Schwerpunkt nannte er sein vergebliches Bemühen um

die Errichtung eines Hauses der Heimat in Regensburg. „Ich hätte so etwas gerne in jedem Regierungsbezirk gesehen.“ Zum Schluss seiner Ausführungen bedankte er sich bei seinen Kollegen für die Unterstützung in den letzten Jahren. Die Leitung der Neuwahlen übernahm routiniert der stellv. BdV-Landesvorsitzende Josef Zellmeier, MdL. In einer Kampfabstimmung setzte sich Christoph Schikora, Landsmannschaft Schlesien, gegen seinen Landsmann Christian Paterok durch. Zu Stellvertretern wurden Alma Raile, Dr. Arthur Bechert und Helga Pawelke gewählt. Als Schriftführer fungiert künftig Rudolf Schmitzer, als Kassenverwalter weiterhin Anton Enderle. Komplettiert wird die Vorstandschaft durch die Beisitzer Dr. Sigrid UllwerPaul, Johann Singer, Franz Weschta, Norbert Uschald und Dr. Wolfgang Strebin. Zu Kassenprüfern wurden Ludwig Weissgerber und Anna-Christina Rakosi gewählt.

Neuwahlen im Landesverband:

Landsmannschaft der Oberschlesier hat gewählt gruppe München), als dessen Stellvertreter Franz Gnacy (Kreisgruppe München) gewählt. Schriftführerin ist Gabriele Kupke (Kreisgruppe Landshut). Beisitzer sind Elisabeth Rinke und Peter Wardenga (Kreisgruppe Schweinfurt). Inventarverwalter ist Peter Czernek (Kreisgruppe Nürnberg). C. B.

Slawik löst Slezak ab

Von links: P. Czernek, J. Wodok, W. Hagl, E. Rinke, G. Rinke, G. Kupke, D. Schwider, C. Berndt, F. Gnacy, A. Lubojanski, G. Masnitza (bisheriger Vorsitzender). Foto: Leo Daniel

Am 25. April fand im „Haus der Heimat“ in Nürnberg die Jahreshauptversammlung der Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft der Oberschlesier statt. Neuer Landesvorsitzender und Kulturreferent ist Damian Schwider (Kreisgruppe Mün-

chen). Des Weiteren wurden folgende Ämter neu vergeben: Stellvertretende Landesvorsitzende sind Christa Berndt (Kreisgruppe München) und Günter Rinke (Kreisgruppe Würzburg). Zum Schatzmeister wurde Joachim Wodok (Kreis-

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Einen Stabwechsel gab es bei den Neuwahlen der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Kreisgruppe München – Stadt und Land, Ende März. Johann Slawik löste Hans Slezak, der den Verband über viele Jahre erfolgreich führte, als Kreisobmann ab. Ihm zur Seite stehen als Stellvertreter Dr. Dieter Hüttner, Gerhard Schlegel, Thomas Schwed und Horst Wiedemann. Als Finanzverwalter wurden Jeannie McIntyre und Renate Slawik bestätigt. Neue Schriftführerin ist die ehemalige Landesvorsitzende der djo-Deutsche Jugend in Europa, Birgit Unfug.


Aus den Verbänden

Jahreshauptversammlung in Rosenheim:

Paul Hansel führt BdV-Bezirksverband Oberbayern

Die BdV-Bezirksversammlung stand nicht unter den besten Vorzeichen. Die Anreise nach Rosenheim wurde durch den Lokführer-Streik erschwert und das regnerische Wetter war auch nicht allzu einladend. Dennoch hatten sich im Saal des neu eröffneten „Mail-Kellers“ 40 Sitzungsteilnehmer eingefunden. Darunter waren auch Rosenheims 3. Bürgermeisterin, Dr. Beate Burkel, sowie der CSULandtagsabgeordnete Klaus Stöttner. Beide brachten ihre Freude zum Ausdruck, der Versammlung beiwohnen zu können und hoben die besondere Bedeutung und

Angeregtes Gespräch: BdV-Bezirksvorsitzender Paul Hansel mit dem Landesvorsitzenden Christian Knauer.

das Engagement der Heimatvertriebenen für Rosenheim hervor. BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer würdigte in seinem Grußwort die Arbeit der zehn Landsmannschaften und der BdV-Kreisgruppen in Oberbayern. Gegenüber der Gründerzeit der Vertriebenen-

verbände hätten sich die Schwerpunkte der BdV-Arbeit in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich verändert. Stand einst die Rückkehr in die alte Heimat im Mittelpunkt der Bemühungen, gelte es heute, die Siedlungs- und Kulturarbeit der Deutschen im Osten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Es sei erschreckend, wie wenig Kenntnisse über die ehemaligen Ostprovinzen oder die deutschen Siedlungsgebiete in der bundesdeutschen Bevölkerung anzutreffen seien. Gestern wie heute bleibe aber ein gemeinsames Hauptziel unangetastet, Vertreibung zu ächten und aus der Politik zu verbannen. Stellvertretend für alle aktiven Mitglieder im BdV-Kreisverband Rosenheim zeichnete der Landesvorsitzende im Auftrag von BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius den langjährigen BdV-Kreisvorsitzenden Alexander Bock für dessen großen ehrenamtlichen Einsatz mit der goldenen Ehrennadel des Bundes der Vertriebenen aus. Nach den Rechenschaftsberichten des BdV-Bezirksvorsitzenden Rudolf Maywald, seines Schatzmeisters und der Kassenrevisoren bildeten die Neuwahlen der Vorstandschaft den Höhepunkt der Veranstaltung. Unter der souveränen Wahlleitung durch BdV-Landesvorsitzenden Christian Knauer wurde in einer Kampfabstimmung der frühere Abteilungsleiter für Vertriebenenfragen im Sozialministerium, Paul Hansel (Landsmannschaft Schlesien), zum neuen Bezirksvorsitzenden gewählt. Er konnte 19 Delegiertenstimmen auf sich vereinigen. Auf seine Gegenkandidatin Alma Bitz (Landsmannschaft der Deutschen aus Russland) entfielen acht Stimmen. Schon bei seiner Vorstellung betonte der neue Vorsitzende, dass der BdV „sich als

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eine Schicksalsgemeinschaft fühlen muss“. Der Transfer des Wissens und der eigenen Geschichte müsse auch zur Jugend hin erfolgen. Dafür wolle er zuallererst die verschiedenen Gruppen miteinander vernetzen und Kooperationen ausbauen. Bei diesem aufwendigen Vorhaben wird Paul Hansel von seinen Stellvertretern Alma Bitz, Ernst Schroeder (Landsmannschaft Pommern), Herta Daniel (Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen) und Andreas Schmalcz (Sudetendeutsche Landsmannschaft) unterstützt.

Letzter Rechenschaftsbericht: BdV-Bezirksvorsitzender Rudolf Maywald zog Bilanz. Bilder: S. M.

Weiter gehören dem neuen Vorstand Ingeborg Milenovic als Schriftführerin, Harry Lutsch als Kassenverwalter sowie Franz Alscher, Barbara Köhnlein, Dr. Manuela Olhausen und Georg Hodolitsch als Beisitzer an. Zu Kassenprüfern wurden Dieter Eder und Ingrid Schendel gewählt.


Aus den Verbänden

Projekt „70 Jahre danach. Vertrieben-Angekommen-Aufgenommen“:

Sudetendeutsche bedanken sich in Bayreuth für Aufnahme und gelungene Integration

Mit einem großen Festnachmittag beendete die Sudetendeutsche Landsmannschaft ihr Projekt „70 Jahre danach. Vertrieben-Angekommen-Aufgenommen“. Zahlreiche Ehrengäste unterstrichen die gegenseitige Wertschätzung der Alt- und Neubürger in der fränkischen Universitätsstadt. So hatten sich Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe, Landrat Hermann Hübner, Landtagsabgeordnete Gudrun Brendl-Fischer, Bezirksrat und CSU-Stadtratsfraktionsvorsitzender Dr. Stefan Specht, die Stadträte Christine Düreth-Trat, Heinz Hofmann und Peter Wild, CSU-Ortsvorsitzender Claus Müller, Bürgermeister Stephan Unglaub (SPD) von Bischofsgrün sowie Kreisrat Günter Pöllmann im Evangelischen Gemeindehaus in Bayreuth eingefunden. Zur großen Freude der Veranstalter konnten auch tschechische Gäste begrüßt werden. So waren Dr. Jan Hloušek, früherer Konsul im tschechischen Generalkonsulat in München aus Prag und Olin Moravec mit einer Delegation des dortigen Kulturverbands aus Komotau angereist. Der Bund der Vertriebenen war durch Kreisvorsitzenden Helmut Hempel, die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland durch Dr. Emma Derr, und die Schlesische Landsmannschaft durch Irmgard Schulz vertreten. Einen Willkommensgruß gab es schließlich für den Kreisobmann der SL-Kreisgruppe Hof, Adalbert Schiller, und den SL-Ortsobmann aus Fichtelberg, Rudi Kiesewetter. Gemeinsam mit den zahlreichen Besu-

chern zeigten sie sich begeistert über das dargebotene Programm der Trachtenkapelle Pegnitz, des Sängerkranzes Aichig und des Heimat- und Volkstrachtenvereins Alt-Bayreuth. Die Mundartinterpreten Christa Sieber (Sudetenschlesien) Erna Sucker (Böhmerwald), Hildegard Schilling (Egerland) und Rudi Kiesewetter (Isergebirge) erfreuten mit heimatlichen Tönen. Sowohl Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe als auch Landrat Hermann Hübner erinnerten eindrucksvoll an die Aufnahmeproblematik in den Jahren 1945/1946 und den zu lösenden Wohnraum-, Versorgungs- und Eingliederungsproblemen. Trotz Anfangsschwierigkeiten und Auseinandersetzungen konnte die Integration der Neuankömmlinge aber in relativ überschaubarer Zeit gemeistert werden. Dies war auch den Heimatvertriebenen und Flüchtlingen mitzuverdanken. Sie verweigerten sich nicht, sondern brachten ihre Fähigkeiten, ihr Wissen und Können sofort in die Gemeinschaft ein. Zahlreiche Firmen wurden so in der Region gegründet, Arbeitsplätze geschaffen, Wohnraum errichtet und das öffentliche Leben mitgestaltet. Viele Lehrer, Ärzte, Beamte, Priester, Pflegekräfte und Handwerker aus ihren Reihen wirkten am wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung mit. In der Folgezeit stellten sie Stadtund Kreisräte, Bürgermeister, Landtagsund Bundestagsabgeordnete sowie viele Vereinsvorstände. Margaretha Michel hatte in ihrer Begrü-

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ßung an das katastrophale Kriegsende mit Flucht und Vertreibung, an das jahrelange Leiden der Betroffenen aber auch an die gelungene Eingliederung erinnert. Sie erinnerte daran, dass im Mai 1945 die Times in New York schrieb: „Der schrecklichste Krieg der Geschichte geht in den fürchterlichsten Frieden über“. 70 Jahre danach sterbe die Erlebnisgeneration langsam aus. Ihre Nachkommen beginnen ihre Wurzeln zu suchen. Die Medien beschäftigen sich mit den Geschehnissen. Erneute Flüchtlingsströme und die Asylantenproblematik schockierten auch die Sudetendeutschen. Deshalb schloss Margaretha Michel ihre Begrüßung mit der Forderung nach Menschenrechten ohne Grenzen, dem Motto des Sudetendeutschen Tages. Mit der Abschlussveranstaltung des Projektes „70 Jahre danach. Vertrieben-Angekommen-Aufgenommen“ wollten die SL Orts- und Kreisgruppe Bayreuth gemeinsam mit „einheimischen Vereinen“ zeigen, dass auch die Sudetendeutschen längst in Bayreuth „heimisch“ geworden seien und sich für die Aufnahme nach dem Zweiten Weltkrieg bedanken. Ein besonderes Vergelts Gott sollte aber auch für die „zuständigen Behörden“ nicht fehlen. Ohne die engagierte Arbeit im Einwohner- und Ausgleichsamt, bei der Regierung von Oberfranken, die übrigen Verwaltungen in den Gemeinden und Städten oder im Landratsamt hätte die Eingliederung nicht so gut funktionieren können. Mit dem Projekt wollte die Sudetendeutsche Landsmannschaft verdeutlichen, dass es ihr Ziel sei, mit allen Völkern in Frieden zu leben. Dies treffe auch auf die Tschechen zu. Gerade die Sudetendeutschen und ihre Nachkommen dürften mit den Nachbarn nicht in Sprachlosigkeit verfallen. Gott sei Dank laufe der Dialog schon seit Jahren mit gutem Erfolg. Menschenrechte ohne Grenzen und der von der Bundesversammlung beschlossene Richtungswechsel unterstützten diese Forderungen. Das Projekt und die Ausstellung „Erzwungene Wege“ der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ wurden sehr gut angenommen. Der Nordbayerische Kurier hat fast 2.000 Besucher und Teilnehmer gezählt. Manfred Kees


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Vortrag im Alten Schloss:

Nachhaltige Förderung der deutschen Minderheit Hartmut Koschyk zu Besuch in Bayreuth Mehr als 125 Besucher waren in die Ausstellungsräume des Alten Schlosses in Bayreuth gekommen, um den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, MdB, als Festredner zu erleben. Im Rahmen des Projektes „70 Jahre danach – Vertrieben-Angekommen-Aufgenommen“ der Sudetendeutschen Landsmannschaft referierte er über die Geschichte der Nachbarprovinz Schlesien. Sichtlich erfreut über den guten Besuch zeigte sich SL-Kreisobmann Manfred Kees in seiner Begrüßung. Als ehemaliger Vorsitzenden der Schlesischen Jugend und früheren BdV-Generalsekretär habe man mit Koschyk einen echten Fachmann für die Thematik gewinnen können. Reich bebildert und damit anschaulich ließ der Referent die 1.000-jährige schlesische Geschichte bis 1945 Revue passieren. Infolge des Zweiten Weltkrieges wurden nach Kriegsende 4,5 Millionen Schlesier vertrieben. Etwa 630.000 Landsleute kamen dabei in den Lagern, auf der Flucht oder bei der Zwangsarbeit ums Leben. Trotz aller Not hätten die Schlesier sich aber stets für ein freies und friedliches Europa eingesetzt. Nach Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-

Margaretha Michel, Hartmut Koschyk, Manfred Kees.

Vertrages 1990 wurde der östlich der Neiße gelegene Teil des früher preußischen Schlesiens völkerrechtlich endgültig zur Republik Polen geschlagen. Bei der Neugliederung der polnischen Woiwodschaften 1999 wurden die historischen Grenzen Schlesiens teilweise wieder berücksichtigt. So gebe es heute die Bezirke Niederschlesien, Oppeln und Schlesien. Derzeit leben dort noch mehrere hunderttausend Einwohner mit deutschen Wurzeln. 25 Gemeinden gelten als zwei-

sprachig, 19 hätten einen Deutschen als Bürgermeister. Die Minderheitenpolitik der Bundesregierung ziele auf eine nachhaltige Förderung der deutschen Minderheit ab. So konnte Hartmut Koschyk von der Errichtung deutscher Kindergärten, deutschsprachiger Klassen, der Fußballschule Miro, dem ständigen Runden Tisch der Minderheiten und dem Vertreter der Deutschen im polnischen Parlament berichten. Manfred Kees

Internationale Konferenz „Monumenta Viva“ SL Ortsgruppe Bayreuth in Komotau Am 11./12. Mai fand eine Internationale Konferenz mit dem Titel „Monumenta Viva“ im Stadttheater von Komotau (Chomutov) in der Tschechischen Republik statt. Auch Bayreuther Sudetendeutsche nahmen daran teil. Hauptthema war die „Pflege des Kulturerbes in den Sudetengebieten“. Die Schirmherrschaft über die Konferenz hatten Prof. Rostislav Svacha und der stellvertretende Ministerpräsident Pavel Belobradek übernommen. Die sudetendeutsche Heimatpflegerin Dr. Zusanna Finger und der inzwischen auch in Bayreuth bekannte Museumsdirektor Stanislav Dĕd und dessen Sohn Jakub Dĕd hatten die qualitativ sehr hochwertige Konferenz organisiert. Diese führte zu einer intensiven Begegnung von tsche-

chischen und deutschen Bürgervereinigungen, von Sudetendeutschen, Denkmalpflegern, Architekten, Historikern, Vertretern der staatlichen Verwaltung und der Öffentlichkeit. Man spürte, dass den mehr als 60 Teilnehmern das Kulturerbe in den Sudetengebieten nicht gleichgültig ist. Den enormen Reichtum an unterschiedlichen Landschaften, an Sakralund Profanbauten von europäischem Rang gilt es zu retten und zu erhalten. Wie dies organisiert und finanziert wird, zeigten zahlreiche Beispiele auf. Daraus seien beispielhaft die zahlreichen Kleindenkmäler in Nordböhmen, die mehr als 60 Denkmäler für den Bauernbefreier Hans Kudlich, das Vertreibungs- und Versöhnungsmuseum in Odrau, die Renovierung des Benediktinerklosters in Brau-

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nau, jene der Villa Mattoni in Bad Gießhübl, in der Friedländer Region, im Rakonitzer Sudetenland, in Katscher im Adlergebirge, in der Karlsbader Region, in Königsmühle im Erzgebirge, an der Lorettoanlage in Haid im Kreis Tachau und an mehr als 200 jüdischen Denkmälern aufgeführt. Noch etwas fiel deutlich auf. Es gab keine Berührungsängste zwischen Deutschen und Tschechen. Man achtete sich, es gab keine Schuldzuweisungen und man bearbeitete gemeinsam und sehr ausgewogen die umfangreiche und schwierige Materie, bei der man bereits auf viele erfolgreiche Objekte verweisen kann. Also ein weiterer erfolgreicher Beginn einer gutnachbarschaftlichen Zusammenarbeit. Manfred Kees


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Landshuter Schlesier erkundeten das Stiftland

Mitglieder, Freunde und Interessierte der Landsmannschaft Schlesien aus Landshut erkundeten im Rahmen eines Tagesausflugs wichtige Kulturstätten in der Oberpfalz. Nach dem Worten ihres Vorsitzenden Hans J. Kupke bemühe sich seine Kreisgruppe nicht nur um Bewahrung und Wissensvermittlung schlesischer Zeugnisse, sondern auch um die Kennt-

nis der in Bayern vorhandenen Kulturdenkmäler. Dabei könnten immer wieder historische Verbindungen zwischen dem Freistaat und Schlesien festgesellt werden. Die Klosterstadt Waldsassen, mit seinen rund 7.000 Einwohnern, war der erste Anlaufpunkt für die Landshuter Reisegruppe. Ein „Muss“ war dabei der Be-

such der berühmten Stiftsbibliothek der Abtei. Einen weiteren Höhepunkt stellte die Führung durch die Basilika, einen der prächtigsten Barockbauten Süddeutschlands, dar. Nach dem Dreißigjährigen Krieg war die Kirche eine der anspruchsvollsten Neubauten und der größte Sakralbau Bayerns. In der Klostergaststätte nahmen die Schlesier ihr Mittagessen ein, bevor die Besichtigung des Naturgartens der Klosteranlage anstand. Dabei wurde man fachkundig über die gesundheitsfördernde Wirkung verschiedener Kräuter aufgeklärt. Zum Abschluss ging es zur KapplWallfahrtskirche zur „Heiligsten Dreifaltigkeit“. Das Gotteshaus mit seiner dreischiffigen Bauweise ist eines der bekanntesten Bauwerke Georg Dientzenhofers. Der Rosenkranzweg mit seinen fünfzehn Stationen stellt dabei eine Besonderheit für Kunstkenner und Pilger dar. Kulinarisches Lob gab es für die Wallfahrtsgaststätte. Text und Foto: H. J. L.

Ehrenmitgliedschaft zum 100. Geburtstag Für die Schlesische Landsmannschaft in Landshut war es eine besondere Freude und Ehre ihrem ältesten Mitglied Elisabeth Kurek zum 100. Geburtstag zu gratulieren. Kreisvorsitzender Hans J. Kupke gehörte gemeinsam mit dem Schlesischen Singkreis zu den ersten Gratulanten und meinte freudig: „Einen hundertjährigen Geburtstag konnte die Landsmannschaft bisher noch nie feiern.“ Die Jubilarin gehört zu den treuesten Mitgliedern der „schlesischen Familie“ ihrer Stadt und kann auf eine 64-jährige Verbandszugehörigkeit verweisen. „Unsere Recherchen im Vereinsarchiv haben ergeben, dass ihre Mitgliedskarte vom 1. Juni 1951 datiert und ein Mitgliedsbei-

Ehrungen Eine besondere Ehrung wurde Jürgen Schulzki bei der Jahreshauptversammlung der Landsmannschaft Ostund Westpreußen in Augsburg zuteil. Aus der Hand des Bezirksvorsitzenden Johannes Georg Behrendt wurde er mit der silbernen Ehrennadel der Landsmannschaft Ostpreußen ausgezeichnet. Damit wurde seine aktive Mitarbeit in der Kreisvorstandschaft seit August 1978 gewürdigt. Schulz-

trag von 30 Pfennigen angegeben ist“, so Vorsitzender Kupke. Das hohe Maß an Anerkennung und Wertschätzung, das sich die Jubilarin durch ihr jahrzehntelanges Wirken im Vereinsleben der Landsmannschaft, besonders im Singkreis und der Frauengruppe erworben hat, wurde am Festtag durch die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Orts- und Kreisgruppe sowie der Ehrennadel der Landsmannschaft in Gold zum Ausdruck gebracht. Elisabeth Kurek war im Januar 1945 als Kriegerwitwe mit ihren beiden Kindern aus Breslau geflüchtet und fand in der niederbayerischen Bezirkshauptstadt ihre neue Heimat. Bild und Text: H. J. L. ki gilt als Allround-Genie. Ob bei der Organisation von Geburtstagen, Ehrungen oder Trauerfeiern, überall zeigt er großen Einsatz. 앲 Aus der Hand des Landesvorsitzenden der Donauschwäbischen Landsmannschaft, Hermann Schuster, wurde im Juni Prof. Dr. Georg Wildmann im Haus der Donauschwaben mit der Verdienstmedaille in Gold ausgezeichnet. Der ehemalige Lehrstuhlinhaber für Philosophie an der Uni-

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versität Linz widmete sich besonders der donauschwäbischen Geschichtsschreibung. So war er Mitverfasser der achtbändigen Reihe „Filipowa – Bild einer donauschwäbischen Gemeinde“ und ist seit 1980 Mitarbeiter der Donauschwäbischen Kulturstiftung in München. Schuster eindrucksvoll: „Es gibt wohl keinen Landsmann, der sich in so qualifizierter und sorgfältiger Weise der Geschichte seines Heimatortes und der Donauschwaben angenommen hat“.


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Haus der Donauschwaben:

Vierter Band zur Donauschwäbischen Geschichte Am 13. Juni wurde im Haus der Donauschwaben in Haar bei München in Anwesenheit zahlreicher Mitglieder der Donauschwäbischen Kulturstiftung und einer großen Anzahl geschichtlich interessierter Landsleute der 4. Band der Donauschwäbischen Geschichte vorgestellt. Die Neuerscheinung ist bei der Geschäftsstelle der Landsmannschaft der Donauschwaben – Landesverband Bayern e. V., Leibstraße 33, 85540 Haar, Telefon 089/4569919-0 zum Preis von 20,00 Euro zzgl. 4,00 Euro Versandkosten zu erwerben. Die Geschichte der Donauschwaben begann damit, dass nach den Schlachten von Kahlenberg bei Wien (1683) und Mohacs in Südungarn (1687) und der Rückeroberung von Budapest, die Türken endgültig aus dem Herrschaftsgebiet der Donaumonarchie vertrieben wurden und mit dem ersten Impopulationspatent von Kaiser Leopold I. (1689) in mehreren Etappen eine planmäßige Wiederbesiedlung der größtenteils verwüsteten und entvölkerten Pannonischen Tiefebene stattfand. Mit Flucht, Vertreibung und Völkermord nahm ab dem Jahr 1944 die erfolgreiche Aufbauarbeit der Donauschwaben in ihren Siedlungsgebieten nach über 250 Jahren ein jähes Ende. Die Geschichte der Donauschwaben ist damit jedoch nicht zu Ende. Heute leben die Donauschwaben und ihre Nachkommen überwiegend im binnendeutschen Sprachraum, also in Deutschland und Österreich, aber auch in Übersee und in vielen Orten verstreut nahezu auf der ganzen Welt.

Nach vielen Aufzeichnungen verschiedener räumlich begrenzter Entwicklungen war es der große Verdienst des Historikers Josef Volkmar Senz, eine zusammenfassende „volkstümliche Darstellung“ der Geschichte der gemeinsamen donauschwäbischen Stammesgemeinschaft erarbeitet zu haben. Ihm war jedoch bewusst, dass seiner Arbeit eine mit wissenschaftlicher Methodik abgefasste Gesamtdarstellung der Geschichte der Donauschwaben folgen müsste. Dies ist inzwischen auch weitgehend geschehen. Der erste Band der „Donauschwäbischen Geschichte“, der die Zeit der Ansiedlung von 1689 bis 1805 umfasst, ist im Jahr 2006 im Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung München e. V. erschienen. Der zweite, der die Zeit von 1806 ist 1918 beschreibt, wurde vor mehreren Jahren im Universitäts-Verlag München herausgebracht. Der dritte Band erschien im Jahr 2010 erneut im Verlag der Donauschwäbischen Kulturstiftung und behandelt die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen und die Jahre des Zweiten Weltkrieges. Dieser Band vereint unter dem Oberbegriff „Donauschwaben“ die drei Volksgruppen „Ungarndeutsche“, „BanaterDeutsche Rumäniens“ und die „Jugoslawien-Deutschen“, die bekanntermaßen nach dem Ersten Weltkrieg jeweils eine getrennte Entwicklung genommen haben. Der nun vorliegende vierte Band umfasst den dunkelsten Abschnitt der Geschichte der Donauschwaben in ihren Sied-

Dass die Donauschwaben sich durch nichts abhalten lassen in geselliger Runde den Gemeinschaftsgeist und den Zusammenhalt zu pflegen, davon legten sie jüngst ein beredtes Zeugnis ab. Trotz Dauerregens ließen es sich gut 150 Besucher nicht nehmen, zum traditionellen Sommerfest der Donauschwaben auf dem Vorplatz des Hauses der Donauschwaben in Haar bei München zu kommen. Wie jedes Jahr hatten deren Organisatoren donauschwäbische Spezialitäten, frische Getränke sowie Kaffee und Kuchen aufgeboten. Zur Unterhaltung spielte die donauschwäbische Formation „Franz und Franz und Sepp“. Obwohl der Regen der ständige Begleiter des Festes war, hielten die Gäste bis zum frühen Abend aus. Landesvorsitzender Hermann Schuster war begeistert, dass sich auch viele Haarer Bürger und Gäste aus anderen Landsmannschaften zum Mitfeiern eingefunden hatten. H.S.

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lungsgebieten. Unter Leitung von Hauptautor Prof. Dr. Georg Wildmann und versehen mit Beiträgen von Stefan Barth, Hans Fink, Magdalena Kopp-Krumes, Georg Krix, Herbert Prokle, Rosa Speidel, Wilhelm Weber und Maria Werthan sowie dem Schriftleiter der Donauschwäbischen Kulturstiftung in München, Hans Sonnleitner, wurde ein Werk geschaffen, das mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und großer Aufrichtigkeit den Leidensweg der Donauschwaben – Flucht, Vertreibung, Verfolgung und Genozid – äußerst fundiert untersucht und dokumentiert. Als Ergebnis der gründlich vorgenommenen Bewertung der seinerzeitigen Vorgänge stellte Prof. Dr. Georg Wildmann bei der Vorstellung des neuen Werkes zusammenfassend fest: „Die in ihren Siedlungsgebieten verbliebenen Donauschwaben waren ab Herbst 1944 zunächst rechtlos, zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert, von Ungarn nach Deutschland zwangsumgesiedelt, in Jugoslawien ausgesetzt und in Arbeitsund Todeslagern zu einem Drittel vernichtet. Das Schicksal der Donauschwaben in Rumänien und Ungarn muss als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, jenes im kommunistischen Jugoslawien als Völkermord bewertet werden.“ Für den fünften Band haben bereits Dr. Ingomar Senz und Prof. Dr. Georg Wildmann die Federführung übernommen. Er behandelt das Weiterbestehen der Donauschwaben nach dem Zweiten Weltkrieg und ihre vielfachen Bemühungen, als Brückenbauer zu agieren. H. S.


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Neues aus den Verbänden – Personalien Der BdV-Kreisverband Augsburg Stadt hat einen neuen Vorsitzenden gewählt. In einer geheimen Abstimmung setzte sich Stadtrat Juri Heiser gegen Amtsinhaber Patrik Faustin mit klarer Mehrheit durch. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden Johannes Georg Behrendt und Gottfried Schwarz gewählt. Als Beisitzer gehören der Vorstandschaft Dietmar Kirschenheuter, Götz B. Pfeiffer, Heinrich Bachmann und Monika Hermannstädter an. Geschäftsführerin bleibt wie bisher Gisela Thiel. Zu ihrer Stellvertreterin wurde Rosemarie Schwarz berufen. 앲 Die kommissarische Leitung der Bezirksgruppe Niederbayern/Oberpfalz der Sudetendeutschen Landsmannschaft hat SL-Landeskulturreferent Dr. Christian F. Weber übernommen. Er trat die Nachfolge des am 8. April 2014 überraschend verstorbenen SL-Bezirksobmanns Max Strecker an. Weber leitet zugleich erfolgreich die SLKreisgruppe Regen-Viechtach und ist Ortsobmann in Zwiesel.

앲 Unter der Wahlleitung ihres Landesvorsitzenden Friedrich Wilhelm Böld hat die Kreisgruppe Augsburg der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen einen Generationswechsel eingeleitet. Auf der Jahreshauptversammlung im März warb der langjährige Kreisvorsitzende Johannes Georg Behrendt erfolgreich bei seinen Mitgliedern um Vertrauen für seinen Nachfolgekandidaten Thomas Hürländer (47). Dieser wurde daraufhin einstimmig in das Amt berufen, Behrendt bleibt als Stellvertreter weiterhin im Vorstand. Diesem gehören Pia Lingner-Böld als Schriftführerin, Ulrike Meßmer als Schatzmeisterin und Ruth Bauer, Jürgen Schulzki und Marc Zander als Beisitzer an. Marlis Raukuttis ist Frauengruppenleiterin, Linda Marek und Erwin Vollerthun Kassenprüfer. 앲 Zum Ehrenvorsitzenden der Ortsstelle München des Bundes der Danziger e. V. wurde deren langjähriger Vorsitzender Christian Krause ernannt.

Aus gesundheitlichen Gründen war dieser von allen Funktionen, einschließlich der des Landesvorsitzenden zurückgetreten. Dieses Amt hat Dr. Alfred G. Lange übernommen, der in Finanzangelegenheiten nunmehr von Burkhard Musolff unterstützt wird. 앲 Bei den Neuwahlen des Sudetendeutschen Volkstanzkreises LaufEckental und der Sudetendeutschen Jugend Nürnberger Land (SdJ) wurde die Vorstandschaft nahezu vollständig im Amt bestätigt. Alter und neuer SdJ-Vorsitzender ist Peter Eichenseer, zu seinen Stellvertretern wurden Julia Gerstner und Tobias Bienert gewählt, die zugleich gemeinsam mit Iris Gerstner das Tanzleitungsteam des Volkstanzkreises bilden. Die Kasse führt weiterhin Günther Gerstner. Als Beisitzer unterstützen Antonia Engelhardt, Erika Koch, Christin Meier und Sebastian Günther den Vorstand. Brigitte Köhler und Caroline Greifenstein wurden zu Kassenprüfern bestimmt.

Landesvorsitzender Alfred Baron gestorben

Alfred Baron mit der CSU-Europaabgeordneten Monika Hohlmeier bei der BdVKlausurtagung 2013 in Kloster Banz.

Ganz unerwartet verstarb am 10. Juni der langjährige Landesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Litauen, Dr. Dipl.-Ing. Alfred Baron. Der Verstorbene fungierte auch als stellvertre-

tender Bundesvorsitzender seiner Landsmannschaft. Als Zeitzeuge erlebte er die Umsiedlung der Deutschen aus Litauen. Mit seinem Heimatland blieb er immer verbunden. Nach der Wiedergewinnung der Unabhängigkeit 1991 engagierte er sich sofort mit seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz und erheblichen finanziellen Mitteln beim wirtschaftlichen Wiederaufbau Litauens. Für seine Landsleute und seine alte Heimat engagierte er sich auch im Bund der Vertriebenen, in der Union der Vertriebenen (UdV) und im Haus des Deutschen Ostens in München. Er war stets ein gern gesuchter Ratgeber. Seine Landsmannschaft verlieh ihm für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement die silberne Ehrennadel. Alfred Baron wurde am 4. September 1936 in Kaunas/Litauen geboren und starb in München. Die Amtsgeschäfte als Landesvorsitzender hat zwischenzeitlich dankenswerterweise Barons Stellvertreter Karl Nestl übernommen. In einer kurzen Laudatio würdigte BdV-

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Landesvorsitzender Christian Knauer den Verstorbenen als „entschlossenen Kämpfer für das Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Baron sei ein zuverlässiger Streiter für die Interessen der deutschen Heimatvertriebenen gewesen, dem die Freiheit Litauens und der osteuropäischen Völker stets am Herzen lag. Ein Hauptaugenmerk seiner Arbeit lag im Bestreben nach einem aufrichtigen Ausgleich und einer nachhaltigen Freundschaft zwischen dem heutigen litauischen Staat und seinen ehemaligen deutschen Mitbewohnern. Letzte Meldung:

Erika Steinbach jetzt BdV-Ehrenpräsidentin Auf der letzten BdV-Bundesversammlung wurde die langjährige BdV-Präsidentin Erika Steinbach einstimmig zur Ehrenpräsidentin berufen. Damit würdigten die Delegierten die herausragenden Leistungen der CDU-Bundestagsabgeordneten für die Heimatvertriebenen und Aussiedler.


Aus den Verbänden

Tag der Heimat 2015 Leitwort: „Vertreibungen sind Unrecht – gestern wie heute“ – Bis Ende Juli gemeldete Termine –

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Aus den Verbänden

Flucht aus Pusztavàm:

„In Ungarn geboarn – in Bayern dahoam“ Gemeinsame Gedenkveranstaltung in Geretsried

Von links: Gitarrenvirtuose Gulaab mit Frau Brigitta; LDU-Landesvorsitzender Hans Schmuck und Georg Hodolitsch.

Flucht aus Pusztavàm vor 70 Jahren – an dieses traurige Ereignis erinnerte die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn in Bayern (LDU) gemeinsam mit der Südostdeutschen Landsmannschaft Geretsried (SOD) und dem Arbeitskreis „Historisches Geretsried“. In einer ausgezeichnet besuchten Gedenkveranstaltung mit weit über 100 Teilnehmern, unter die sich auch Altbürgermeister Michael Bromberger aus Eurasburg gemischt hatte, wurden die schrecklichen Abläufe der Geschehens am Ende des Zweiten Weltkriegs in Erinnerung gerufen. „Die Russen kommen!“ Diese Worte hat die damals neunjährige Theresia Harting, geb. Farkasch, noch sehr gut in Erinnerung. Im November und Dezember 1944 waren diese „als Warnung“ in aller Munde. In Pusztavám wurden deshalb mit ersten Eisenbahntransporten die schwangeren Frauen, Kindern und Alten von Mór aus nach Österreich, Tschechien und Schlesien in Sicherheit gebracht. Hans Schmuck, Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Ungarndeutschen, und Reinhold Mayer, Vorsitzender der Südostdeutschen Landsmannschaft, gingen zunächst auf die historischen Hintergründe ein. Mayer zeigte eine Karte mit dem Fluchtweg der 31 Pferdegespanne aus Pusztavám – 80 Kilometer westlich von Budapest – nach Bayern. Der Weg führte über Kocs, Ödenburg (heute Sopron) nach Zillingdorf und Neunkirchen/Niederösterreich. Hier wurde der Flüchtlingszug am 6. Januar 1945 auf die Eisenbahn verladen und kam am 7. Januar in München an. Die Waggons kamen auf ein Abstellgleis, da der Weiter-

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transport über Holzkirchen nicht durchgeführt werden konnte. Es kostete Schinken und Tabak, um einen Lokführer für die Weiterfahrt über Starnberg und Bichl nach Beuerberg zu finden. Diese Aktion rettete den Flüchtlingen das Leben, da in der darauffolgenden Nacht der Bahnhof in München von den Alliierten bombardiert wurde. Der Empfang in Beuerberg war freundlich und die Flüchtlinge wurden mit warmen Getränken, Brot und Marmelade versorgt. Daran erinnerte sich Katharina Weiler, geb. Hodolitsch, genau. Dieser Flüchtlingstransport war am schnellsten in Sicherheit. Die anderen, in alle Richtungen ver-

lungen. So berichtete Katharina Weiler, dass ihr Vater schon Monate vorher, in Briefen von der Front, zum Flüchten geraten hatte. Ihre Familie hatte sich damals jedoch nicht betroffen gefühlt, obwohl schon die ersten Flüchtlingstrecks aus dem Banat und Jugoslawien durch Pusztavám kamen. Anton Wagner schlief während der Einquartierung in Zillingdorf mit seinen Eltern im Stall und durfte in der Weihnachtszeit mit dem Bauer als junger Bursch zur Rehjagd mit. Anna Malatides, geb. Stettner, ereilte nach der Flucht über Tschechien – wegen einer Verwechslung bei Namensgleichheit – Nachricht vom irrtüm-

streuten Flüchtlinge aus Pusztavám, wurden später von Franz Stammler nach Beuerberg geholt. Georg Hodolitsch, der die Zeitzeugengespräche geführt hatte, gelang eine sehr gute Auswahl. Seine ungekürzten und unbearbeiteten Tonbandaufzeichnungen vermittelten den Eindruck von Liveerzäh-

lichen Tod ihres Vaters. Später konnten ihre Mutter und sie ihn aber im Quartier in Gmund am Tegernsee wieder in die Arme nehmen. Ihr Bruder Matthias, auf der Flucht im Februar 1945 geboren, sah zum ersten Mal seinen Vater. Ludwig Malatides, Annas späterer Mann, freute sich als Kind zunächst über die

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Aus den Verbänden Bahnfahrt auf der Flucht, durften sie doch abwechselnd aus dem Fenster schauen. Seine Reise ging zunächst bis in den Pongau und nach Kriegsende wieder zurück nach Pusztavám. Die endgültige Vertreibung 1948 ließ aber nicht lange auf sich warten. Katharina Fuhrmann, geb. Stettner, hatte auf der Flucht über die Tschechoslowakei zunächst Angst vor den schwarzen Amerikanern. „Die reißen euch die Ohrringe raus“, sagten die Leute unterwegs. Tatsächlich waren die Amerikaner aber sehr freundlich und schenkten ihnen Kekse und Schokolade. Ein Soldat begleitete die Flüchtlinge im Zug sogar bis Niederbayern. Maria Wagner, die zunächst bis Radstatt/Österreich geflüchtet war, erzählte von dem Wunsch der alten Pusztavámer, trotz Warnungen durch die Österreicher, in die Heimat zurückzukehren. Bereits auf dem Weg dorthin bekamen sie die Deutschfeindlichkeit schon zu spüren. Ein russischer Soldat wollte ihrem Großvater die Stiefel abnehmen. Dies konnte dank des Einschreitens eines Offiziers verhindert werden. In Pusztavám durften sie nicht mehr in ihre eigenen Häuser einziehen. Ihre Familie wurde im Februar 1948 endgültig in die damalige Ostzone vertrieben. Bereits im Herbst 1945 war der Vater von Anton Wagner als Schmied ein willkommener Handwerker beim Gutsbesitzer Fuchs in Schwaigwall. Die Wagners zogen am 10. September 1945 als erste Flüchtlingsfamilie von Beuerberg nach Schwaigwall, damals Gemeinde Gelting. Die Familien Wenus, Gaal, Stumpf, Unger und Maratzi folgten kurz darauf nach. Der Bauer Bromberger wurde von seinen Beuerberger Mitbürgern mehrmals wegen seiner schön bearbeiteten Felder gelobt. „Das machen meine Ungarn“, war damals seine lobende Antwort nach den Erzählungen von Therese Harting. Die befragten Flüchtlinge und Vertriebene haben es nicht bereut, dass sie in Geretsried eine neue Heimat aufbauen konnten. Trotz der Vertreibung aus Ungarn entstanden sehr bald wieder versöhnliche, persönliche Kontakte in die alte Heimat. Vertieft wurden die Begegnungen durch das Engagement von Andreas Netzkar mit der Ungarndeutschen Trachtengruppe. Die Kontakte wuchsen besonders durch das Zusammenwirken mit der dortigen Tanzgruppe. Die sogenannte „Ungarnsiedlung“ im Geretsrieder Norden mit den angesiedelten Pusztavámer Landsleuten heißt seit Jahrzehnten offiziell „Dr. Bleyer-Siedlung“. In Pusztavám gibt es seit September 2014

einen „Geretsriedpark“ im Ortszentrum. Spontan steht die „Einheimische“ Anni Schmid am Schluss des Abends auf und erwähnt lobend, welch große Bereicherung die Ungarndeutschen aus Pusztavám für Geretsried waren. Selbst ihr Ehemann, Anton Schmid, bekam als Bäckermeister neue Anregungen. Verwundert war sie, dass es die Flüchtlinge schafften, auf den steinigen Böden Paprika und andere bis dahin unbekannte Gemüsesorten zu ernten. Ein ostpreußischer Besucher zeigte sich beim Gespräch mit den Organisatoren

überrascht, dass die erzählenden Flüchtlinge bayerisch und keinen „ungarischen oder fremdländischen Dialekt“ sprachen. Dies war aufgrund der „bayerischen“ Mundart in Pusztavám normal und blieb natürlich in Bayern erhalten. Das Bayerische Staatsministerium unterstützte die Veranstaltung über das Haus des Deutschen Ostens in München. Musikalisch bereichert wurde die Veranstaltung durch den Gitarrenvirtuosen Gulaab und seiner Frau Brigitta mit einfühlsamen bayerischen und ungarischen Liedern. G. H./Fotos (2): S. H.

Banater Kultur- und Heimattage

Vor kurzem fanden in München die Banater Kultur- und Heimattage statt. Ihren Auftakt hatten diese mit einem Empfang im Bayerischen Landtag, zu dem Landtagspräsidentin Barbara Stamm geladen hatte. Der Banater Chor aus Landshut präsentierte sich mit einem wunderbaren

Konzert, die Original Banater Dorfmusikanten spielten auf. Prof. Dr. Anton Sterbling sprach über die erfolgreiche Integration der Banater Schwaben. Münchens Bürgermeister Josef Schmid (CSU), hatte für die Banater die Tore des Rathauses geöffnet und dabei einen „besten Eindruck“ gewonnen. Auch Prof. Dr. Weber, Direktor des Hauses des Deutschen Ostens, sowie Landtagsabgeordneter Andreas Lorenz (CSU) und Stadträtin Dr. Manuela Olhausen zeigten sich beeindruckt. Mit ihren Präsentationen auf dem Marienplatz und anderen prominenten Stätten fanden sie viel Zustimmung und Beifall. Bild: Fackelmann

Landrat Thomas Eichinger freute sich kürzlich über eine Spende in Höhe von 260 Euro, aus dem Erlös eines Wohltätigkeitskonzertes anlässlich des Tages der Heimat, den der Bund der Vertriebenen (BdV) im Sitzungssaal des Landratsamtes veranstaltete. Unter der Schirmherrschaft von Ministerin Emilia Müller präsentierten der Mehrgenerationenchor der AWO und der Chor der Siebenbürger Sachsen Heimatlieder und Gedichte. Der Betrag ist für jugendliche Flüchtlinge gedacht, die im Landkreis untergebracht sind. Auf dem Foto von links: Rudolf Maywald (ehemaliger Bezirksvorsitzender BdV Oberbayern), Landrat Thomas Eichinger, Grete Botzenhard (Chor der Siebenbürger Sachsen), Wido Fleischer (Chorleiter), Ernst Schroeder (Landesvorsitzender Pommersche Landsmannschaft). E. S.

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Aus der Stiftung

Prof. Dr. Winfrid Halder neuer Stiftungsdirektor

Ende Juni hat der Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ Prof. Dr. Winfrid Halder in der Nachfolge von Prof. Dr. Manfred Kittel zum Stiftungsdirektor gewählt. Halder war seit 2006 Direktor der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus in Düsseldorf und Lehrbeauftragter am Historischen Seminar der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Zudem ist er Beiratsmitglied der GörresGesellschaft, Mitglied des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands, der Werner-Bergengruen-Gesellschaft, der Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte und der Preußischen Historischen Kommission. Der neue Direktor wuchs in Oberbayern auf. Nach dem Abitur am Staatlichen Landschulheim Marquartstein war er von 1982 bis 1984 Reserveoffizieranwärter beim Gebirgsjägerbataillon 234 in Mittenwald. Von 1984 bis 1992 studierte er Geschichte und Politikwissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Nach dem Magister Artium (1989) wurde er 1992 als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung bei Hugo Ott mit der Dissertation „Katholische Vereine in Baden und Württemberg, 1848– 1914. Ein Beitrag zur Organisationsge-

schichte des südwestdeutschen Katholizismus im Rahmen der Entstehung der modernen Industriegesellschaft“ zum Dr. phil. promoviert. Von 1993 bis 2003 war er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeschichte (Ulrich Kluge) der Technischen Universität Dresden. 1999 habilitierte er sich mit der Arbeit „Modell für Deutschland. Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsverwaltung in Sachsen 1945–1948. Ein Beitrag zur Geschichte der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland.“ Von 2003 bis 2007 war er Vertretungsprofessor und Lehrbeauftragter an der TU Dresden und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Halder ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Die Wahl Halders begrüßte BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer ausdrücklich. „Mit der deutlichen Entscheidung des Stiftungsrates, findet die Suche nach einem Nachfolger für Gründungsdirektor Prof. Dr. Manfred Kittel einen guten Abschluss.“ Die Entwicklung der Bundesstiftung bleibe damit auf einem guten Weg. Professor Halders vorrangige Aufgabe sei es nun, das geltende Stiftungskonzept umzusetzen. Darüber hinaus müssten die Bauarbeiten am Berliner Deutschlandhaus fristgemäß fertiggestellt und die geplante Dauerausstellung möglichst bald eröffnet werden. 70 Jahre nach Flucht und Vertreibung erwarten die deutschen Heimatvertriebenen, dass die historische Aufarbeitung ihres schweren Schicksals endlich sichtbar wird. Der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen (LO), Stephan Grigat zeigte wenig Verständnis für das Verhalten des bis-

herigen Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beraterkreises der Stiftung, Prof. Dr. Stefan Troebst. Die von diesem maßgeblich befeuerte Kampagne war 2014 Auslöser der Demission des „allseits geschätzten Stiftungsdirektors“ Prof. Dr. Manfred Kittel gewesen. Troebst erneute öffentliche Äußerungen zur Wahl Prof. Halders, lägen formell und inhaltlich neben der Sache. Die nach der Wahl öffentlich vorgetragenen unzutreffenden Vorwürfe über die Nichtberücksichtigung anderer Kandidaten habe Troebst in der Sitzung des Stiftungsrates nicht artikuliert. Gesetzliche Aufgabe des Wissenschaftlichen Beraterkreises sei es, Stiftungsdirektor und Stiftungsrat zu beraten, nicht aber eigene Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Nach dem erneuten Verstoß gegen diese Grundsätze sei der Rücktritt von Troebst nicht nur überfällig, sondern auch folgerichtig. Letztlich habe er nur eine Entwicklung vorweggenommen, die im Herbst ohnehin unvermeidlich gewesen wäre. „Ein Wiedereinzug Troebsts in den Wissenschaftlichen Beraterkreis bei der anstehenden Neuwahl wäre unwahrscheinlich gewesen“, so der Sprecher. Im Bewerbungsverfahren waren am Ende zwei Kandidaten von gleichermaßen hoher wissenschaftlicher Reputation in die engere Auswahl gekommen. Überzeugen konnte letztlich Professor Halder aufgrund seiner langjährigen Praxis als Leiter einer Einrichtung, die sich der Pflege und der Weiterentwicklung des Kulturerbes der Deutschen aus den historischen deutschen Ostgebieten und den deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa verschrieben hat.

Kulturarbeit der Vertriebenen im Fokus Um sich über aktuelle Fragen sowie zukünftige Zielrichtungen der Kulturarbeit im Vertriebenenbereich informieren zu lassen, noch besser mit den entsprechenden Institutionen ins Gespräch zu kommen und den Dialog untereinander zu stärken, hatte BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius, MdB, Vertreter verschiedener Organisationen im Mai zu einem Arbeitsgespräch ins Haus der Bundespressekonferenz in Berlin gebeten. Gekommen waren der Direktor des Bundesinstitutes für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) in Oldenburg, Prof. Dr. Mathi-

as Weber, der Direktor des Deutschen Kulturforums östliches Europa e. V. in Potsdam, Dr. Harald Roth, der Vorstandsvorsitzende der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in Bonn, Hans-Günther Parplies und sein Geschäftsführer Dr. Ernst Gierlich, der Präsident der Stiftung Deutsche Kultur im östlichen Europa (OKR) in Königswinter, Klaus Weigelt, der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg, Dr. Dietrich Meyer, sowie der Direktor der Stiftung Martin-Opitz-Bibliothek in Herne, Dr. Hans-Jakob Tebarth. Besonders erfreulich war, dass mit Dr. Nicole Zeddies,

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der Leiterin des Referates für Grundsatzfragen und Wissenschaftsförderung für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, auch eine Vertreterin aus dem Bereich der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) anwesend war. Die Motivation zu dem Treffen erklärte Dr. Fabritius zu Beginn als Resultat vieler Gespräche mit den im Kulturbereich tätigen Institutionen, aus denen sich klar die Notwendigkeit einer noch stärkeren Vernetzung ergeben habe. Dies wiederspiegelte dann auch die Gesprächsrunde und der konstruktive Dialog.


Aus der Stiftung

Deutscher Bundestag hat gewählt:

Eisenbraun und Dix neue Mitglieder im Stiftungsrat Staatsministerin Grütters dankt für Engagement Am 2. Juli hat der Deutsche Bundestag die Mitglieder des Stiftungsrates der „Stiftung, Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ für die Amtszeit von fünf Jahren neu gewählt. Der Stiftungsrat bestimmt die Grundzüge der Bundesstiftung und entscheidet über alle grundsätzlichen Angelegenheiten. Zweck der Einrichtung ist es, im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihren Folgen wachzuhalten. Die Flucht und Vertreibung der Deutschen bilden einen Hauptakzent der Stiftungsarbeit und werden im Zusammenhang europäischer Vertreibungen im 20. Jahrhundert dargestellt. 21 Mitglieder im Stiftungsrat

Der Stiftungsrat besteht aus 21 Mitgliedern, von denen 19 vom Bundestag gewählt werden. Der Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum (derzeit: Prof. Dr. Alexander Koch) und der Präsident der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (derzeit: Prof. Dr. Hans Walter Hütter) sind kraft Amtes Mitglieder. Der Gesamtvorschlag wurde mit den Stimmen der CDU/CSUFraktion und der SPD-Fraktion gegen die

Voten der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Demnach sind folgende Mitglieder und Stellvertreter gewählt: Auswärtiges Amt: Michael Roth (Heringen), MdB, (Stellvertreter: Andreas Meitzner); Bundesministerium des Innern: Norbert Seitz (Dr. Jörg Bentmann); Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters, MdB, (Dr. Michael Roik); Bund der Vertriebenen e. V.: Dr. Bernd Fabritius, MdB, (Reinfried Vogler), Stephan Grigat (Stephan Rauhut), Christian Knauer (Renate Holznagel), Waldemar Eisenbraun (Milan Horàcek), Oliver Dix (Klaus Schuck), Albrecht Schläger (Egon Primas, MdL); Evangelische Kirche in Deutschland: Martin Herche (Dr. Johann Schneider), Katholische Kirche in Deutschland: Weihbischof Dr. Hans-Jochen Jaschke (Weihbischof Dr. Reinhard Hauke), Dr. Jörg Lüer (Herwig Steinitz); Zentralrat der Juden in Deutschland: Prof. Dr. Salomon Korn (Marc Dainow), Heinz-Joachim Aris (Barbara Traub). Ein Vertreter und dessen Stellvertreter der Evangelischen Kirche werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgewählt. Turnusgemäß endete am 7. Juli auch die Amtszeit des Wissenschaftlichen Beraterkreises. Auf einer der ersten Sitzungen des Stiftungsrates werden dessen neue

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Mitglieder berufen. Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters dankte allen Persönlichkeiten, die sich in der vergangenen Amtszeit des Stiftungsrates und des Wissenschaftlichen Beraterkreises konstruktiv in den Aufbau der Stiftung eingebracht hatten, für deren Engagement. Sie hätten mit ihrem Wirken einen bedeutenden Beitrag auf dem sensiblen Gebiet der Erinnerungskultur geleistet und dazu beigetragen, dass die Stiftung Flucht, Fetsch und Herold ausgeschieden

Vertreibung, Versöhnung auch im internationalen Rahmen Vertrauen gewonnen habe. Dieses Vertrauen gelte es von den bisherigen Gremienmitgliedern auf die zukünftigen, zum Teil neuen Mitglieder des Stiftungsrates bzw. des Wissenschaftlichen Beraterkreises zu übertragen. Die Wahl von Prof. Halder zum neuen Stiftungsdirektor biete dafür eine hervorragende Grundlage. Aus den Reihen des Bundes der Vertriebenen sind der frühere Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Adolf Fetsch, und der langjährige hessische Landesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Alfred Herold, aus dem Stiftungsrat ausgeschieden. Ihnen hatte auch das BdV-Präsidium während seiner letzten Sitzung Dank und Anerkennung gezollt.


Wissenswertes

Ostpreußische Archäologie unter der Lupe:

Berliner Forscher suchen ehrenamtliche Helfer zum Lesen alter Briefe und Tagebücher Zwölf Jahre ist es her, dass die Kunde von der Wiederentdeckung und Rekonstruktion der legendären Königsberger Prussia-Sammlung durch die Medien ging. Nach einer bizarren Odyssee durch das Deutschland der Kriegs- und Nachkriegszeit waren 2002 wesentliche Teile dieser größten und reichhaltigsten Museumssammlung zur Archäologie Ostpreußens am Berliner Museum für Vorund Frühgeschichte buchstäblich auferstanden. Bis zum Mauerfall hatten selbst Fachleute von ihrer Existenz nichts gewusst, denn ihr letzter Besitzer, die Ostberliner Akademie der Wissenschaften hielt sie seit 1949 als geheime Verschlusssache verborgen, zuletzt in den Kellerlabyrinthen unter dem jetzigen Bundesratsgebäude. Vorherige Stationen ihres abenteuerlichen Weges waren das Gutsschloss Broock bei Demmin in Vorpommern und Rastenburg-Carlshof (Kętrzyn-Carolewo) bei Allenstein (Olsztyn). Bis 1943 hatte sich die archäologische Sammlung des Prussia-Museums im Königsberger Schloss befunden, die Aufzeichnungen nur wenige Schritte entfernt im Gebäude Hintertragheim 31. Der Berliner Archivar Horst Junker kennt die Artefakte und Archivalien seit ihrer Wiederauffindung 1990. Zusammen mit der Archäologin Heidemarie Eilbracht widmet er aktuell besonders Letzteren einen Großteil seiner Arbeitskraft. „Von den einst wahrscheinlich mehr als 250.000 archäologischen Bodenfunden Ostpreußens existieren heute gerade noch 45.000 in Berlin und 25.000 in Kaliningrad“, weiß er zu berichten. Dies sei immer noch ein beträchtlicher Fundus, um zu forschen, doch gerade die Pretiosen und die wissenschaftlichen Leitfunde seien in den Wirren der Nachkriegsjahre illegal in Privatbesitz gelangt oder wurden sogar mutwillig zerstört. „Mit diesen kulturgeschichtlichen Sachzeugen sind nicht nur beträchtliche materielle Werte verloren gegangen“, konstatiert Heidemarie Eilbracht, „sondern auch unzählige für heutige Archäologen essentielle Informationen“. Beide wollen die geretteten Königsberger Archivalien als lebendiges Kulturgut erhalten, denn zunehmend interessieren sich nicht nur Archäologen in Deutschland, Polen und Litauen für dieses histo-

rische Quellenmaterial, sondern auch Forscher anderer Disziplinen, die sich auf die Kulturlandschaft „Ostpreußen“ und ihre besondere Geschichte spezialisiert haben. Sie haben darum jüngst eine Auswahl von 35.000 Dokumenten digitalisieren lassen. „Um 125 Jahre archäologischer Forschung in Ostpreußen digital zu konservieren, bedarf es heute nur noch einiger Zentimeter freien Platzes in einer Schreibtischschublade oder einem Bücherregal“, bemerkt der Archivar mit Hinweis auf die Festplatte auf seinem Computer und fährt fort: „Die Verfügbarkeit der Archivalien als digitale Ressource macht uns flexibler bei ihrer weiteren Erschließung. Man muss nicht mehr zwangsläufig nach Berlin reisen, um mit den Dokumenten arbeiten zu können.“ Dass in den Königsberger Papieren noch unzählige Entdeckungen zu machen sind, ist er überzeugt. Als Beleg verweist er auf die Zeichnung einer etwa 30 Zentimeter langen Lanzenspitze aus Rentierknochen, aufgefunden bei Gumbinnen (Gussew). In den 1930er Jahren galt sie als das älteste prähistorische Artefakt Ostpreußens. Seit 1945 jedoch fehlte von ihr jede Spur. Die Aufzeichnungen der sie damals untersuchenden Fachleute indes liegen im Archiv in Berlin vor. Dank ihrer lässt sich der spektakuläre Fund auf dem Wissensstand des 21. Jahrhunderts neu analysieren und bewerten. Mit der digitalen Reproduktion der alten Briefe, Berichte und Tagebücher sei das Ziel noch nicht erreicht, erläutert Heidemarie Eilbracht. Um die Archivalien der modernen Forschung dienstbar zu machen, ist es nötig, sie inhaltlich zu erschließen, am besten mittels einer Online-Datenbank. „Um umfassende und korrekte Orts- und Personennamen, Angaben zu den Fundumständen und andere nützliche Sachschlagworte in einer solchen Datenbank hinterlegen zu können, ist es unvermeidlich, jedes aussagekräftige Dokument zuvor zu lesen“, weiß Eilbracht aus langjähriger Berufspraxis. Wurde es handschriftlich erstellt, was oft genug der Fall ist, bedarf es meist einer Transkription, also einer Umschrift Wort für Wort. Für diese Arbeiten, für die das Museum für Vor- und Frühgeschichte auf absehbare Zeit kein Budget hat, suchen Eilbracht und Junker ständig nach freiwilli-

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gen Helfern. Seit einigen Jahren arbeiten sie mit interessierten Ruheständlern und Pensionären zusammen, für die mit der freiwilligen und eigenverantwortlichen Arbeit im Museumsarchiv nicht selten ein Jugendtraum in Erfüllung geht. Doch die Reihen derer, die Sütterlin & Co. noch in der Schule erlernten, haben sich mittlerweile gelichtet und es bereitet den beiden zunehmend Mühe, „Nachwuchs“ zu finden. „Früher hatte in Ostpreußen jeder Kreis seinen ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger, welcher sich in Kooperation mit dem Königsberger Prussia-Museum vor Ort um die Belange der Archäologie kümmerte“, schildert Junker die Voraussetzungen, unter denen viele der sorgfältig gezeichneten Grabungspläne und akribisch geführten Arbeitstagebücher aus den Jahren 1850 bis 1944 entstanden. „Wenn es uns gelänge, in Berlin etwas Ähnliches für das Transkribieren der Königsberger Archivalien aufzubauen, dann sollte sich unser Vorhaben tatsächlich in den veranschlagten zehn Jahren verwirklichen lassen“. Die digitale „Ausgabe“ der Königsberger Archivalien bietet den Berlinern für die Einbindung externer Helfer tatsächlich ganz neue Möglichkeiten. Denn je nach Bedarf können sie die Dokumente jetzt duplizieren, ausdrucken sowie beliebig vergrößern oder verkleinern. „Eine Mitarbeit in unserem Team“, zeigt sich Heidemarie Eilbracht optimistisch, „lässt sich ab sofort sogar aus der Ferne organisieren“. Und wem die Kenntnisse der deutschen Kurrentschrift – so die korrekte Bezeichnung der alten Schreibschriften – fehlt? „Der erhält von uns eine Buchstabentabelle, eine Lupe und ein paar Übungsdokumente für den autodidaktischen Einstieg“. Bisher habe das noch jeder geschafft, der sich ein paar Tage Zeit dafür nahm. „Aber natürlich helfen wir auch beim Einstieg, dann ist die erste Hürde nicht so hoch.“ Das Museum für Vor- und Frühgeschichte befindet sich im Archäologischen Zentrum in Berlin-Mitte. Interessenten für eine ehrenamtliche Mitarbeit bei der Transkription der Archivalien des Prussia-Museums erhalten Kontakt zum Projekt über Tel. 0 30/2 66 42 53 20 oder über E-Mail: h.eilbracht@smb.spk-berlin.de und prussia.gesellschaft@googlemail.com


Wissenswertes

25 Jahre Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth

Zu einem Festakt unter dem Motto „Angekommen und Bewahrt“ hatte das Bundesarchiv, Außenstelle Lastenausgleichsarchiv, in Bayreuth eingeladen. Auch die Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Orts- und Kreisgruppe Bayreuth, nahmen an der sehr gut besuchten Veranstaltung teil. Mit dem Festakt wurden auch „25 Jahre Lastenausgleichsarchiv“ begangen, auf den Abschluss der Ausgleichsverwaltung hingewiesen und die Ausstellung „Angekommen“ eröffnet. In seinem Eröffnungsvortrag „Warum brauchen wir ein Lastenausgleichsarchiv?“ erläuterte der Präsident des Bundesarchivs, Dr. Michael Hollmann den Aufbau, den Aufgabenbereich und die dringende Notwendigkeit desselben. Das Lastenausgleichsarchiv nahm 1989 seine Arbeit in Bayreuth auf. Die Archivunterlagen von mehr als 30.000 laufen-

den Metern stehen Wissenschaftlern, Forschern und interessierten Privatpersonen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten offen. Eine beinahe unerschöpfliche Fundgrube von Fakten über Flucht, Vertreibung und Lastenausgleich. Zurückzuführen ist die Errichtung des Lastenausgleichsarchivs auf das „Gesetz über die zentrale Archivierung von Unterlagen aus dem Bereich des Kriegsfolgenrechts (KrArchG) vom 6. Januar 1988 (BGBl. I S. 65).“ Nach § 1 dieses Gesetzes übernimmt das beim Bundesarchiv eingerichtete Zentralarchiv für den Lastenausgleich „als Archivgut für die wissenschaftliche Forschung bedeutsame Unterlagen aus dem Bereich des Lastenausgleichs“. Die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die über solche Unterlagen verfügen, haben diese im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Durchführung des Lastenausgleichs auszuson-

dern und jeweils zusammen mit einem Übergabeverzeichnis dem Archiv zu übergeben. Diese übernimmt nach § 2 des genannten Gesetzes auch die „Unterlagen der Heimatortskarteien des Kirchlichen Suchdienstes“. Über die Geschichte des Lastenausgleichs in der Bundesrepublik Deutschland referierte sehr gekonnt und aufschlussreich der Vizepräsident des Bundesausgleichsamtes, Henning Bartels. Schadensausgleich, Hauptentschädigung, Eingliederungsdarlehen, Kriegsschadenrente, Hausratentschädigung, Wohnraumhilfe und „einzigartiges solidarisches Entschädigungswerk“ waren die wesentlichsten Kernbereiche seiner Ausführungen. Etwa 75 Milliarden Euro seien inzwischen ausgezahlt worden. Die mehr als fünf Jahrzehnte umspannende Tätigkeit der Ausgleichsverwaltung wurde zum Jahresende 2014 abgeschlossen. In einem weiteren Vortrag berichtete der damalige Direktor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung, Prof. Dr. Manfred Kittel, über die gemeinsamen Aufgaben und die Perspektiven der Zusammenarbeit. Gemeinsamer Bezugspunkt der Arbeit von Ausgleichsverwaltung und Lastenausgleichsarchiv sind Flucht und Vertreibung der deutschen Bevölkerung am Ende des Zweiten Weltkrieges. Für rund zwei Millionen Menschen wurden sie zum Weg in den Tod. Viele Millionen Menschen aber sind „Angekommen“. So lautet der Titel einer Wanderausstellung des Zentrums gegen Vertreibungen, die bis Mitte Januar 2015 im Lastenausgleichsarchiv zu sehen war. Die Ausstellung beleuchtete die erfolgreiche Integration der Vertriebenen in Deutschland, die mit dem „Ankommen“ erst begann. Manfred Kees

Bundeskanzlerin erneut beim Jahresempfang des BdV „Die Bundesregierung steht auch künftig an der Seite der Vertriebenen – in guten Stunden, aber auch, wenn es einmal ein Problem zu lösen gilt.“ So beendete Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB, ihre äußerst zugewandte und mit starkem Applaus bedachte Rede beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen am 5. Mai im Atrium des Hauses der Bundespressekonferenz in Berlin. Wie wichtig ihr gerade dieses Schlusswort gewesen sein mag, zeigte sich, als

sie danach spontan auf einige der anwesenden Verbandsmitglieder zuging, diese persönlich begrüßte und sich nach deren Herkunft erkundigte. Die Erinnerung an das Schicksal der von Flucht und Vertreibung Betroffenen bleibe auch weiterhin „Mahnung und Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass uns und künftigen Generationen ein solches Leid erspart bleibt“, hatte Merkel vorher deutlich gemacht. Auch vor dem Hintergrund heutiger Flüchtlingsströme sei es daher gut, dass

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mit dem bundesweiten Gedenken an die deutschen Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, die öffentliche und politische Wahrnehmung der Themen Flucht und Vertreibung gestärkt werde. Genauso wichtig seien die Kulturarbeit, aber auch die vielen Brücken, die Vertriebene und Aussiedler in ihre Heimatgebiete bauten. Für dieses „breite und unermüdliche Engagement“ des BdV und seiner Mitglieder dankte die Bundeskanzlerin ausdrücklich.


Wissenswertes

Flucht, Vertreibung, Versöhnung – Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in Deutschland, Polen und Tschechien – Auf Beschluss der Bundesregierung soll künftig jährlich und erstmals am 20. Juni 2015 mit einem Gedenktag der Opfer von Flucht und Vertreibung gedacht werden. Das Datum knüpft an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen an und erweitert zudem das Flüchtlingsgedenken um das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen. Vor diesem Hintergrund hat die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung das Institut für Demoskopie Allensbach mit einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage in Deutschland, Polen und Tschechien beauftragt. Hierfür wurden im April und Mai dieses Jahres in Deutschland 1.453, in Polen 514 und in Tschechien 1.053 Personen mündlich-persönlich (face-to-face) befragt, repräsentativ für die jeweilige Bevölkerung ab 16 Jahren. Die Studie knüpft an frühere Untersuchungen aus den Jahren 2002 bzw. 2004 und 2006 an, bei denen im Auftrag der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in den drei Ländern ebenfalls vom Institut für Demoskopie Allensbach bevölkerungsrepräsentative Befragungen mit teilweise identischen Themen durchgeführt wurden, die zur Vorbereitung der Wechselausstellung „Flucht, Vertreibung und Integration“ dienten.

mittelbaren Folgen hat, misst der Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg dabei eine deutlich größere Bedeutung bei als die jüngere und auch die mittlere Generation (Schaubild 2).

Stellenwert des Themas Flucht und Vertreibung ist gestiegen Das Thema Flucht und Vertreibung beschäftigt die deutsche Bevölkerung heute mehr als noch vor zehn Jahren. Damals sagten 44 Prozent, dass sie das Thema sehr oder etwas beschäftigt, heute sind es 54 Prozent. Auf seiner Skala von 0 („Beschäftigt mich gar nicht“) bis 10 („Beschäftigt mich sehr stark“) hat sich die durchschnittlich angegebene Stufe von 4,1 bzw. 4,0 in den Jahren 2002 bzw. 2006 auf derzeit 4,8 erhöht (Schaubild 1).

Viele Deutsche haben einen persönlichen Bezug zu Heimatvertriebenen, ihren Familien sowie anderen Flüchtlingen und Vertriebenen. 26 Prozent der deutschen Bevölkerung zählen sich oder jemanden aus ihrer Familie zu den Heimatvertriebenen. 39 Prozent haben in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis jemanden, der selbst oder aus dessen Familie jemand nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurde. 27 Prozent zählen andere Flüchtlinge und Vertriebene, beispielsweise aus dem ehemaligen Jugoslawien oder dem Nahen Osten, zu ihrem Freundes- und Bekanntenkreis. Insgesamt haben 49 Prozent der deutschen Bevölkerung, also fast jeder zweite, einen persönlichen Zugang zu Heimatvertriebenen: sei es, indem man selbst Heimatvertriebener ist, jemand aus der Familie zu den Heimatvertriebenen zählt oder man Freunde oder Bekannte hat, die selbst oder deren Familie zu den Heimatvertriebenen zählen. Zählt man noch diejenigen dazu, die persönlichen Kontakt zu anderen Flüchtlingen und Vertriebenen im Freundesund Bekanntenkreis haben, sind es sogar 55 Prozent.

Das gestiegene Interesse an dem Thema ist maßgeblich auf die derzeitigen Fälle von Flucht und Vertreibung zurückzuführen. Das Schicksal der Menschen, die derzeit auf der Flucht sind oder vertriebenen wurden, beschäftigt 80 Prozent der Bevölkerung. Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigen 43 Prozent der Bevölkerung (Schaubild 2). Die ältere Generation, die als Betroffene oder Zeitzeugen einen persönlichen Bezug zum Zweiten Weltkrieg und den un-

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Wissenswertes Für die Mehrheit (56 Prozent) der Deutschen, die damals selbst geflüchtet sind oder vertrieben wurden, spielt das Thema persönlich oder in der Familie nach wie vor eine wichtige Rolle. Diejenigen, die nicht selbst geflohen sind oder vertrieben wurden, gleichwohl aber Heimatvertriebene in der Familie haben, haben dagegen mit 61 Prozent überwiegend mit der damaligen Vertreibung abgeschlossen (Schaubild 3).

ßen Stellenwert wie die deutsche Bevölkerung; in Tschechien beschäftigt das Thema – wie auch schon vor rund zehn Jahren – deutlich weniger Menschen. Im Vergleich zu Mitte der 2000er Jahre hat sich der Stellenwert in Polen damit kaum verändert, in Tschechien ist er dagegen von einer durchschnittlichen Stufe von 3,2 bzw. 3,1 auf derzeit 2,6 gesunken (Schaubild 5).

Die Mehrheit der Bevölkerung begrüßt die Einführung eines Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung. An diesem, zeitgleich mit dem Weltflüchtlingstag stattfindenden Gedenktag wird jährlich der weltweiten Opfer von Flucht und Vertreibung und insbesondere der deutschen Vertriebenen gedacht. 53 Prozent der Deutschen finden die Einführung eines solchen Gedenktages gut, nur 31 Prozent halten den Gedenktag für unnötig. Der Gedenktag findet in allen Altersgruppen eine ähnlich ausgeprägte Zustimmung. Besonders diejenigen Bürger, die einen persönlichen Bezug zu Flucht und Vertreibung haben, befürworten den Gedenktag. So halten 73 Prozent derjenigen, die selbst zu den Heimatvertriebenen zählen, den Gedenktag für eine gute Idee. Von denjenigen, deren Familie zu den Heimatvertriebenen zählt, sind es 61 Prozent. Auch bei Menschen, die Heimatvertriebene oder andere Flüchtlinge und Vertriebene in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis haben, stößt der Gedenktag auf eine überdurchschnittliche positive Resonanz (Schaubild 4).

Ausgesprochen gute bilaterale Beziehungen Die ganz überwiegende Mehrheit der Bürger in allen Ländern bewertet die jeweiligen bilateralen Beziehungen als gut oder sehr gut. Die deutsch-polnischen Beziehungen werden von 73 Prozent der deutschen Bevölkerung und 71 Prozent der polnischen Bevölkerung als gut oder sehr gut eingestuft. Die deutsch-tschechischen Beziehungen betrachten 61 Prozent der deutschen und 82 Prozent der tschechischen Bevölkerung als gut oder sehr gut. Auch deutsche Heimatvertriebene, die polnische Bevölkerung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie die tschechische Bevölkerung im Sudetenland ziehen eine überwiegend positive Bilanz der bilateralen Beziehungen (Schaubild 6).

Die polnische Bevölkerung räumt der Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg einen ähnlich gro-

Das positive Gesamturteil über die bilateralen Beziehungen wird bemerkenswerterweise auch dadurch nicht getrübt, dass die polnische Bevölkerung das deutsch-polnische Verhältnis mehrheitlich durch das Thema Flucht und Vertreibung als belastet ansieht. Die deutsche Bevölkerung sieht hingegen weder das deutsch-polnische noch das deutsch-tschechische Verhältnis dadurch als nennenswert belastet an. Auch aus Sicht

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Wissenswertes der tschechischen Bevölkerung ist das deutsch-tschechische Verhältnis durch das Thema Flucht und Vertreibung kaum belastet. Nur 23 Prozent sehen es als (sehr) stark, 65 Prozent hingegen als weniger stark oder gar nicht belastet an (Schaubild 7). Die positive Einschätzung der bilateralen Beziehungen basiert nicht zuletzt auch auf persönlichen Erfahrungen durch den Kontakt zu Menschen aus dem jeweiligen Nachbarland bzw. einem beruflich bedingten oder privaten Besuch des Nachbarlandes. Insgesamt hatten 58 Prozent der Tschechen und 35 Prozent der Polen auf diese Weise in den letzten fünf, sechs Jahren Kontakt zu Deutschen, umgekehrt hatten 59 Prozent der Deutschen Kontakt zu Polen, häufig auch in Deutschland, oder waren zu Besuch in Polen. 31 Prozent der Deutschen haben in den letzten fünf, sechs Jahren Tschechien besucht oder hatten Kontakt zu Tschechen. Soweit man persönlichen Kontakt zu Menschen aus dem Nachbarland hatte, hat man sich ganz überwiegend gut verstanden. Dies gilt auch für potentiell kritische Bevölkerungsgruppen wie deutsche Heimatvertriebene, die polnische Bevölkerung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie die tschechische Bevölkerung im Sudetenland. So haben sich beispielsweise 88 Prozent der Deutschen, die in den letzten fünf, sechs Jahren persönlich Kontakt mit Polen hatten, sich mit diesen gut verstanden; von denjenigen Deutschen, die selbst oder deren Familien zu den Heimatvertriebenen gehören, waren es 87 Prozent. Umgekehrt haben sich 80 Prozent der Polen, die Kontakt zu Deutschen hatten, mit diesen gut verstanden. Von den Polen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten, waren es sogar 90 Prozent (Schaubild 8).

Die Verständigung zwischen den Nachbarn hat sich damit in den letzten zehn Jahren weiter verbessert. 2006 hatten sich 70 Prozent der Deutschen, die Kontakt zu Polen hatten, mit diesen gut verstanden, nun sind es 88 Prozent. Auch die tschechischen Bürger, die mit Deutschen zusammengekommen sind, haben diese Begegnungen in besserer Erinnerung behalten. Waren es 2006 nur 49 Prozent, die sich mit den Deutschen, mit denen sie Kontakt hatten, gut verstanden haben, sind es nun 62 Prozent (Schaubild 9). Das Ausstellungs- und Dokumentationszentrum zu Flucht und Vertreibung Auf Beschluss des Bundestages wird in Berlin derzeit ein Ausstellungs- und Dokumentationszentrum zu Flucht und Vertreibung errichtet, das von der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung getragen wird. Der Zweck der Stiftung ist laut Ge-

setzgeber, „im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihren Folgen wachzuhalten.“ Dazu dient unter anderem eine Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert, den historischen Hintergründen und Zusammenhängen sowie europäischen Dimensionen und Folgen. Die Flucht und Vertreibung der Deutschen bildet zwar einen Hauptakzent der Stiftungsarbeit, wird aber im Zusammenhang europäischer Vertreibungen im 20. Jahrhundert dargestellt. Gut ein Drittel (36 Prozent) der deutschen Bevölkerung hat von dem geplanten Ausstellungs- und Dokumentationszentrum zu Flucht und Vertreibung bereits gehört. Die deutliche Mehrheit der Bürger (58 Prozent) hält die Errichtung für eine gute Idee, nur eine Minderheit steht dem Projekt dezidiert kritisch gegenüber. Überdurchschnittlich großen Zuspruch findet das Ausstellungs- und Dokumentationszentrum bei Menschen, die einen persönlichen Bezug zu Flucht und Vertreibung haben. Von ihnen befürworten über 70 Prozent das Vorhaben (Schaubild 10).

Bei den Themenschwerpunkten gibt es kein eindeutig dominierendes Einzelthema. Auf die Frage „Wie sehen Sie das: Welche Themen sollte ein solches Ausstellungs- und Dokumentationszentrum zu Flucht und Vertreibung Ihrer Meinung nach aufgreifen, worüber sollte dort informiert werden?“, für die den Befragten eine Liste mit 14 möglichen Themenschwerpunkten vorgelegt wurde, werden zwar besonders häufig die verschiedenen Dimensionen von Flucht und Vertrei-

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Wissenwertes bung der Deutschen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg einschließlich der Geschichte der deutschen Besiedlung in Osteuropa genannt. So benennen 61 Prozent der Bevölkerung die Geschichte der ehemaligen deutschen Ostgebiete und 59 Prozent die Flucht und Vertreibung der deutschen Zivilbevölkerung vor der Roten Armee im Winter/Frühjahr 1945 als gewünschte Themen. Für praktisch genauso viele, 58 Prozent, sollte das Ausstellungs- und Dokumentationszentrum aber auch über die Verbrechen der Nationalsozialisten in den besetzten Gebieten Osteuropas informieren. Fast jeder zweite sieht zudem aktuelle Beispiele von Flucht, Vertreibung und ethnischen Säuberungen als Gegenstand des Zentrums. Etwas weniger häufig, aber immer noch mit einem bemerkenswerten Anteil von 46 Prozent bzw. 44 Prozent ist die Bevölkerung auch der Auffassung, dass die Ausstellung auch über die Deportationen während der Stalin-Zeit und die Vertreibung der polnischen Bevölkerung aus Ostpolen informieren sollte (Schaubild 11).

In Polen und Tschechien trifft das nun geplante Ausstellungsund Dokumentationszentrum auf deutlich höhere Akzeptanz als das bei der letzten Befragung 2006 noch diskutierte „Zentrum gegen Vertreibungen.“ 39 Prozent der Polen und 42 Prozent der Tschechen finden das nun geplante Zentrum eine gute Idee. Das Zentrum gegen Vertreibungen fand nur bei 32 Prozent der Polen und sogar nur 16 Prozent der Tschechen Zustimmung (Schaubild 12).

Allensbach am Bodensee, am 4. Juni 2015 INSTITUT FÜR DEMOSKOPIE ALLENSBACH auf die aktuellen Schwerpunkte „genau die richtigen Akzente erfasst“. „Wir sind geborene Brückenbauer“, wird Fabritius dort zitiert. Zur Verantwortung der Vertriebenen und deren Nachkommen gehöre auch, stets daran zu erinnern, dass „Vertreibung niemals und aus keinem Grund gerechtfertigt ist“, heißt es weiter. Fabritius bezeichnete den Artikel als „tollen Journalismus“, in dem auch kritische Meinungen zu Gehör gebracht würden, wie beispielsweise die des polnischen Historikers Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz von der Universität Breslau. Mit diesem habe er zusammen mit dem bayerischen BdV-Landesvorsitzenden Christian Knauer unlängst einen interessanten Austausch beginnen können, in dem es auch darum gehe, sich einiger Aspekte deutscher und polnischer Geschichte unvoreingenommen anzunähern. „Ich freue mich schon auf die Fortsetzung des Dialogs mit weiteren polnischen Geschichtswissenschaftlern und Politikern“, so Fabritius wörtlich.

BdV im „Wall Street Journal“ Anfang März hat „The Wall Street Journal“ den Bund der Vertriebenen in einem umfangreichen englischsprachigen Artikel in den Fokus genommen und unter anderem dessen Wahrnehmung als moderne Menschenrechtsorganisation, sowie – etwas verspätet – die Verbandssituation mit dem Wechsel von Erika Steinbach, MdB, auf Dr. Bernd Fabritius, MdB, im Präsidentenamt thematisiert. BdV-Präsident Dr. Fabritius freute sich über die internationale Aufmerksamkeit und erklärte, der Artikel habe im Hinblick

Dr. Bernd Fabritius, Erika Steinbach.

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Ausstellung im Schloss Ellingen

„Backsteinarchitektur im Ostseeraum“

„Backsteinarchitektur im Ostseeraum“ lautet der Titel einer Ausstellung der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, die bis zum 31. August im Kulturzentrum Ostpreußen im Schloss Ellingen zu sehen ist. Sie vermittelt einen Einblick in die aktuellen Forschungsergebnisse aus den Bereichen der Archäologie und Architekturgeschichte. Dabei erhält der Besucher einen Überblick zu neuen Erkenntnissen über den mittelalterlichen Backsteinbau in der gesamten Breite – sowohl geographisch als auch von den Baugattungen und den Forschungsansätzen her gesehen. Präsentiert werden Dome, Klosteranlagen, Stadt- und Dorfkirchen, aber auch Burgen und Bürgerhäuser von Dänemark über Deutschland, Polen bis nach Lettland. Die Ausstellung ist täglich, außer Montag, von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 13.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Bei der feierlichen Eröffnung unterstrich der Vorsitzende der Kulturstiftung, Hans-

Günther Parplies, dass die Regionen an der südlichen Ostsee in besonderem Maße von der mittelalterlichen Backsteinarchitektur geprägt seien. Diese sei ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Identität seiner Bewohner und touristischer Anziehungspunkt für Besucher aus aller Welt. Es sei erfreulich, dass die Kultur der Deutschen in den ehemaligen Ostprovinzen von der heute dort lebenden Bevölkerung zunehmend als gemeinsame europäische Kultur verstanden werde. Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen leiste für den Prozess des gegenseitigen Verstehens unverzichtbare Beiträge. Trotzdem sei eine nachhaltige Fortsetzung ihrer Arbeit derzeit gefährdet. An der öffentlichen Hand liege es, ob die Stiftung als überregionale Kultureinrichtung aller Vertriebenen langfristig erhalten bleibe. Bund und Länder seien gefordert, im Sinne des Paragraphen 96 des Bundesvertriebenengesetzes durch Wiederaufnahme der Institutionellen För-

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derung das seit 1974 lebendige kulturelle Schaffen der Einrichtung nachhaltig zu sichern. In seinem Grußwort dankte BdV-Vizepräsident Christian Knauer den vorwiegend ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Stiftung für deren herausragendes Engagement. Er werde sich sowohl im BdVPräsidium wie bei der Bayerischen Staatsregierung dafür verwenden, eine solide Basis für ein Fortbestehen der Stiftung zu erreichen. Die Kultureinrichtung sei ein wichtiger Verbündeter im „Kampf gegen das Vergessen“ der mehrhundertjährigen Geschichte der Deutschen im Osten. Er dankte insbesondere Prof. Dr. Matthias Müller von der Universität Mainz, der zusammen mit seinem Danziger Kollegen Dr. Christofer Herrmann, die wissenschaftliche Leitung der Ausstellung übernommen hat, für dessen herausragendes Wirken. Müller hatte auch den Einführungsvortrag bei der Eröffnungsfeier gehalten.


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Ausstellung im Haus des Deutschen Ostens:

„Mitgenommen – Heimat in Dingen“

Noch bis zum 9. Oktober ist eine beeindruckende Ausstellung im Haus des Deutschen Ostens zu sehen. Aus Anlass des Beginns von Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den Osten vor 70 Jahren hatte das HdO Exponate erbeten, die eine jeweils persönliche Geschichte von Flucht und Vertreibung erzählen. Die Resonanz war überwältigend, so dessen Direktor Prof. Dr. Andreas Otto Weber. „Notgedrungen musste aus der Vielzahl der angebotenen Objekte eine Auswahl getroffen werden.“ Die überaus große Resonanz

zeige, dass ein tiefes Bedürfnis bei der Erlebnisgeneration wie bei deren Kindern vorhanden ist, dieses er- und durchlebte furchtbare Schicksal der Öffentlichkeit mitzuteilen. Obwohl es die erste eigene Ausstellung der Münchener Einrichtung ist, ermöglicht sie einen sehr persönlichen Zugang zum erlebten traumatischen Schicksal von Flucht und Vertreibung sowie von Heimat- und Eigentumsverlust. Jedes Objekt erzählt eine persönliche Geschichte. Sei es der Teddybär, der auf der Vorderseite

des Ausstellungskatalogs zu sehen ist, seien es Schlüssel, Ausweisdokumente, ein Gebetbuch, eine Kleiderbürste oder ein Füller, um nur einige Beispiele zu nennen. Der schön gestaltete Katalog mit hervorragenden Bildern der Objekte und den dazu gehörenden Erzählungen lädt zur Vertiefung der gewonnenen Eindrücke ein. Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Donnerstag von 10.00 bis 20.00 Uhr, am Freitag und in den Ferien jeweils von 10.00 bis 15.00 Uhr. Paul Hansel

Bundesverwaltungsgericht:

Neues Urteil zur „Höherstufung“ von Spätaussiedlern Das Bundesverwaltungsgericht hat am 16. Juli mit einem Grundsatzurteil über eine Rechtsfrage entschieden, die sich seit dem Inkrafttreten des 10. Änderungsgesetzes zum Bundesvertriebenengesetz im September 2013 gestellt hatte. Das Gesetz sieht zahlreiche Lockerungen für die Anerkennung als Spätaussiedler vor. Daraus haben Personen, die teils auch schon vor vielen Jahren seit 1993 nach Deutschland gekommen waren, den Schluss gezogen, dass auch auf sie nachträglich das neue Recht Anwendung finden müsse. 11.000 Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlern haben daher beim Bun-

desverwaltungsamt beantragt, sie nachträglich ebenfalls als Spätaussiedler anzuerkennen. Ziel dieser Anträge ist meist die Anrechnung der im Herkunftsgebiet zurückgelegten Arbeitszeiten in der deutschen Rentenversicherung, die nur den Spätaussiedlern, nicht aber ihren Familienmitgliedern gewährt wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat nun entschieden, dass sich die Rechtsstellung der Spätaussiedler immer nach dem Recht im Zeitpunkt der Übersiedlung richtet und hat damit die vom Bundesministerium des Innern und Bundesverwaltungsamt stets vertretene Rechtsansicht gebilligt.

Das neue Recht findet daher nur auf Neufälle, auf Einreisen nach dem 13.09.2013, Anwendung. Den sogenannten Anträgen auf „Höherstufung“ von § 7 auf § 4 des Bundesvertriebenengesetzes von früher eingereisten Personen ist damit die Basis entzogen. Das Bundesverwaltungsamt wird diese Anträge insgesamt ablehnen. Unser Spendenkonto:

BdV-Landesverband Bayern Stadtsparkasse Augsburg IBAN: DE02 7205 0000 0251 0149 08 BIC: AUGSDE77XXX

Unsere Arbeit und die Herausgabe dieses Magazins werden unterstützt durch das

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