2010_2011 - BdV-Blickpunkt

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BdV-Blickpunkt

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Ausgabe Dezember 2010/Januar 2011

Bund der Vertriebenen · Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern · Am Lilienberg 5 · 81669 München

BdV-Präsidentin Erika Steinbach achtbar wiedergewählt 40 Jahre „Haus des Deutschen Ostens“ in München Bundestag würdigt Charta der Heimatvertriebenen


Grußwort

Liebe Landsleute, liebe Leserinnen und Leser! Für die Heimatvertriebenen und Spätaussiedler sowie deren Nachfolgegenerationen beginnt nunmehr eine neue Epoche. Die Zahl der Menschen, welche die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, den Naziterror und Flucht, Vertreibung oder Zwangsarbeit erlebt haben, wird naturgemäß immer geringer. Vielfach nur fragmentarisch ist das historische Wissen über die Geschichte der Deutschen im Osten in unserer Gesellschaft verankert. Die Fragen des Heimatrechts, nach dauerhafter Sicherung des Kulturgutes und nach einer Regelung des entschädigungslos enteigneten Eigentums eines Teils der deutschen Bevölkerung, sind nicht vordringliche Punkte auf der politischen Agenda. Um so positiver ist es zu bewerten, dass Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel das BdV-Präsidium Anfang März zur Fort-

setzung des ständigen Dialogs ins Kanzleramt eingeladen hat, die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP die Charta der Heimatvertriebenen im Deutschen Bundestag würdigen und alle Fraktionen des Bayerischen Landtages die Notwendigkeit des Baues eines Sudetendeutschen Museums bekräftigt haben. Zu dem hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer in punkto Benesch-Dekrete bei seinem Besuch in Prag Klartext gesprochen. Trotz all dieser positiven Signale, die Landsmannschaften und der Bund der Vertriebenen stehen vor einem Wendepunkt. Wollen sie auch in den nächsten Jahrzehnten noch eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle spielen und ein politisch einflussreicher Faktor auch im Hinblick auf Wahlentscheidungen bleiben, müssen sie ihre Aufgaben neu definieren, die Schwerpunktsetzung überprüfen, vor allem aber weit mehr historische Breitenarbeit leisten, als sie dies bislang vermochten. Die monatliche Kontaktpflege der Mitglieder im Rahmen von Kaffeekränzchen, Wanderungen und Versammlungen sind sicher wichtig für ein intaktes und lebendiges „Innenleben“. Wichtig ist aber mehr denn je, die Öffnung nach außen. Dabei dürfen unsere Verbände nicht warten, bis bei ihnen angeklopft wird. Nein, sie müssen die Initiative ergreifen und den Parteien und Wählergruppen auf örtlicher Ebene, den Jugendverbänden, Schulen und gesell- schaftlichen Gruppierungen Angebote unterbreiten. Solange es noch Zeitzeugen gibt, müssen wir diese „Juwele“ erzählen lassen. Nur so können Wissen über uns und Mitgefühl und Verständnis für unsere Volksgruppen entstehen. In unseren Reihen gibt es genügend Persönlichkeiten, z. B. Wissenschaftler, Geistliche, Lehrkräfte

oder Frauen und Männer, die sich mit der Geschichte der Heimatgebiete, den dortigen Entwicklungen sowie dem Aufeinanderzugehen der ehemaligen und jetzigen Bewohner auseinandergesetzt haben, und die Zuhörer mit ihren Schilderungen fesseln können. Daher: Laden wir die anderen zu uns ein! Gehen wir auf die anderen zu! Positive Beispiele gibt es vielfach. Beschäftigen wir uns intensiver damit, wie wir uns attraktiver zeigen können und pflegen wir hierzu den regelmäßigen Austausch. Die politischen Parteien, besonders in den Länderparlamenten, müssen sich die Frage stellen lassen, ob die Erinnerung an unseren Teil des gesamtdeutschen Kulturgutes auch in Zukunft wirklich wach gehalten werden soll. Wenn ja, dann muss auch die finanzielle Unterstützung sichergestellt werden. Hier können sich BdV und Landsmannschaften in Bayern nicht beklagen. Änderungen bei den parlamentarischen Mehrheiten haben in anderen Bundesländern vielfach zur Einstellung der institutionellen Förderung für unsere Verbände geführt. Gerade im „Superwahljahr“ sollten die Vertriebenen in den entsprechenden Bundesländern hierzu frühzeitig klare Aussagen einfordern, um ihren Mitgliedern die Wahlentscheidung leichter zu machen. Allen, die im letzten Jahr aktiv in unseren Verbänden mitgewirkt oder uns unterstützt haben, danke ich von Herzen. Ich zähle fest auf Sie in 2011. Ihr

Christian Knauer BdV-Landesvorsitzender

Allen unseren Leserinnen und Lesern wünschen wir ein glückliches und erfolgreiches neues Jahr. Wir bedanken uns bei unseren Freunden für die gewährte Unterstützung und gute Zusammenarbeit. Impressum Herausgeber:

Bund der Vertriebenen, Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern e. V., Am Lilienberg 5, 81669 München, Telefon (0 89) 48 14 47, Fax (0 89) 48 26 21 E-mail: info@bdv-bayern.de, Internet: www.bdv-bayern.de Redaktion: Christian Knauer (verantwortlich), Susanne Marb, Walter Föllmer Texte: Christian Knauer, Walter Föllmer, Erika Steinbach, Herta Daniel, Ernst Schroeder, Dr. Philipp Riccabona Fotos: W. Föllmer, Götz B. Pfeiffer, Ernst Schroeder, Herta Daniel, Johannes Behrendt Gesamtherstellung: H.P. Werbeverlag + Medienvorlagen, Botengasse 6, 86551 Aichach, Telefon (0 82 51) 5 1100, Fax (0 82 51) 5 17 06

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Bundesversammlung

Erika Steinbach wieder gewählt Bayern auch künftig stark vertreten Rückenstärkung erhielt BdV-Präsidentin Erika Steinbach, MdB, bei den turnusmäßigen Neuwahlen des BdV-Präsidiums auf der Bundesversammlung in Berlin, die am 23. Oktober tagte. Sie erhielt 95,2 Prozent der abgegebenen Delegiertenstimmen und überraschte damit Unterstützer und Gegner ihres Kurses in Zusammenhang mit der Errichtung der Dokumentations- und Gedächtnisstätte für die Opfer der deutschen Heimatvertriebenen. Der BdV-Landesverband Bayern konnte seine Position im Präsidium nochmals verstärken. Mit Landesvorsitzenden Christian Knauer (137 Stimmen), Aichach, sowie Albrecht Schläger (103), Hohenberg a. d. Eger, und Dr. Bernd Fabritius (95), München, stellt er wieder drei von sechs Vizepräsidenten. Bei den Wahlen der sechs weiteren Mitglieder setzten sich mit Adolf Fetsch (111) und Stephan Mayer, MdB (89), zwei weitere weiß-blaue Vertreter durch. Dem neuen Präsidium gehören außerdem

die Vizepräsidenten Wilhelm von Gott- BdV-Blickpunkts mitgebracht. Die Broberg (114), Schnega, Helmut Sauer (95), schüre stieß auch dieses Mal auf großes Salzgitter und Alfred Herold (94), Hain- Interesse. burg sowie Oliver Dix (123), Arnold Tölg (104), die Vizepräsidentin des Landtages von Sachsen-Anhalt, Renate Holznagel, MdL, (90) und Hartmut Saenger (87) an. Im Amt der Rechnungsprüfer wurden Armin Fenske und Michael Weigand sowie ihre Stellvertreter Karheiding und Wendt einstimmig wieder gewählt. Von den rund 170 Stimmanteilen hält der BdV Bayern derzeit 17. Die bayerische Delegation hatte auch ein größeres Paket der gerade neu erschienenen Ausgabe des

Aufmerksame bayerische Vertreter: Ernst Schroeder, Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Pommern und Ulrike Schmid, Landesschatzmeisterin und ehemalige Leiterin der BdV-Landesgeschäftsstelle in München.

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Bundesversammlung

Klare Positionen der BdV-Bundesversammlung Leitanträge erhalten eindeutige Zustimmung

Großer Medienandrang herrschte bei der BdV-Bundesversammlung. Bild rechts: Präsidentin Erika Steinbach beim Rechenschaftsbericht. Fotos: W. Föllmer

Schicksal deutscher Zwangsarbeiter anerkennen Das schwere Schicksal deutscher Zwangsarbeiter, die als Zivilpersonen aufgrund ihrer Staats- und Volkszugehörigkeit durch fremde Staatsgewalt während des Zweiten Weltkriegs und danach zur Zwangsarbeit herangezogen wurden, hat bis zum heutigen Tag in der Kriegsfolgengesetzgebung keine Berücksichtigung gefunden. Es fällt weder unter das Kriegsgefangenenentschädigungsgesetz noch unter das Häftlingshilfegesetz noch unter das Heimkehrergesetz. Es waren vor allem Frauen, alte Menschen und Kinder, die verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden. Dabei wurden sie nicht nach vermuteter Schuld oder Unschuld ausgewählt sondern nur, weil sie Deutsche waren. Diejenigen, die die Einmalzahlungen gefordert unmenschlichen und brutalen Haft- und Lagerbedingungen überlebten, haben unter dauerhaft seelischen und körperlichen Folgeschäden zu leiden. Wir fordern daher von der Bundesregierung die gesetzliche Grundlage für eine humanitäre Geste in Form einer Einmalzahlung für alle diejenigen Personen zu schaffen, die als Opfer von Gewalt und Willkür zur Zwangsarbeit herangezogen wurden. Dabei dürfen die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland noch lebenden betroffenen Deutschen nicht ausgeschlossen werden. Die Einmalzahlung sollte vergleichbar den deutscherseits geschaffenen Regelungen für ausländische Zwangsarbeiter ausgestaltet werden. Die Verwaltung und

Auszahlung der dafür vorgesehenen Finanzmittel einschließlich der Durchführung der Verfahren zur Antragstellung sollte durch eine Einrichtung erfolgen, die nahe an den Menschen ist. Unsere Forderung richtet sich an die Bundesrepublik Deutschland, weil alle bisherigen Bundesregierungen es nicht für angezeigt gehalten haben, mit denjenigen Staaten, die nach dem Ende des

Albert Block feierte 90. Geburtstag

Forderungen an Bundesrepublik Zweiten Weltkrieges Deutsche verschleppt und unter unmenschlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen haben, oder mit deren Nachfolgestaaten Verhandlungen dahin aufzunehmen, dass die noch lebenden deutschen Opfer durch diese Staaten mit einer humanitären Geste zur Würdigung des erlittenen Schicksals bedacht werden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bereits im Jahre 2003 mit den Stimmen der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf zur Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter eingebracht. Die FDP hatte seinerzeit dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit folgender Begründung zugestimmt: „Es ist auf jeden Fall keine unzulässige Vermischung von Täter- und Opferrolle, wenn man feststellt, dass aus menschenrechtlicher Sicht Zwangsarbeit fur jeden einzelnen Betroffenen ein Sonderopfer darstellt.“ Die damalige rot-grüne Mehrheit hat ein solches Gesetz abgelehnt. Aufgrund des hohen Lebensalters der Betroffenen ist die Schließung dieser Gesetzeslücke unbedingt erforderlich.

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Sichtlich erfreut zeigte sich der Ehrenvorsitzende der Pommerschen Landsmannschaft, Kreisgruppe Augsburg, Albert Block, am 26. Oktober, über den Besuch des BdV-Landesvorsitzenden Christian Knauer und des bayerischen Pommern-Chefs Ernst Schroeder anlässlich seines 90. Geburtstags. Schroeder nannte den Jubilar einen „Fels in der Brandung“ wenn es um die Anliegen seiner Landsleute gehe. Körperlich fit und geistig ausgesprochen rege, beteiligt sich Block nach wie vor an den Aktivitäten seiner Kreisgruppe und verfolgt die politische Diskussion im Hinblick auf die Vertriebenen- und Aussiedlerfragen mit größtem Interesse. Unser Bild zeigt den Jubilar mit BdVLandesvorsitzenden Christian Knauer bei der Entgegennahme eines kleinen Präsents. Die Blickpunkt-Redaktion gratuliert ebenso sehr herzlich. Foto: E. Schroeder


Bundesversammlung

Potential der Spätaussiedler stärker nutzen Integrationsleistungen für Spätaussiedler sind eine gute Investition in die Zukunft 1. Spätaussiedler sind nach den hochqualifizierten Wirtschaftsmigranten diejenige Gruppe, die die besten Integrationswerte zeigt. Spätaussiedler kommen mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand nach Deutschland und bemühen sich hier um weitere Bildung und Ausbildung. In der zweiten Generation gleichen ihre Werte bezogen auf die Bildung und Berufstätigkeit denen der Einheimischen, bezogen auf die Inanspruchnahme von staatlichen Transferleistungen liegen sie sogar darunter. Sie sind ein Gewinn für unser Land. 2. Das kollektive Kriegsfolgeschicksal der Deutschen aus Russland muss weiterhin anerkannt und ihre Aussiedlung in die Härtefallregelung überfällig Bundesrepublik Deutschland gewährleistet bleiben. Eine Härtefallregelung für die Familienzusammenführung über die Kernfamilie hinaus im Rahmen einer nachträglichen Einbeziehung in den Aufnahmebescheid ist längst überfällig. Sie würde nicht nur Eltern, Kinder und Enkel zusammenführen, sondern sich auch positiv auf die Situation vieler Russland-

deutscher auswirken, die im Familienverbund der durch Rentenkürzungen drohenden Altersarmut begegnen könnten. 3. Obwohl ein Rechtsanspruch auf Anerkennung von Prüfungs- und Befähigungsnachweisen für Spätaussiedler, ihre Ehegatten und Abkömmlinge im Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetz Berufserfahrung gewichten (BVFG) verankert ist, zeigt die Praxis nur eine geringe Quote tatsächlicher Anerkennungen. Es besteht deshalb politischer Handlungsbedarf, die mitgebrachten beruflichen Kompetenzen von Spätaussiedlern im Rahmen eines Bundesgesetzes verbindlich anzuerkennen. Dabei sollen nicht nur formale Aspekte, sondern auch die Berufserfahrung berücksichtigt werden. Neben einem Anspruch auf ein Anerkennungsverfahren sollte bei Nicht- oder Teilanerkennung ein weiterer Anspruch auf eine Anpassungs-, Weiterbildungsoder Ergänzungsmaßnahme bestehen, damit die mitgebrachten Potentiale dem deutschen Arbeitsmarkt nicht verloren gehen und den Betroffenen eine gesicherte Lebensführung ermöglichen. 4. Das Beratungsnetz unseres Verban-

5. August muss nationaler Gedenktag werden Der 5. August 1950 ist für Deutschland und Europa von unschätzbarer Bedeutung. An diesem Tag haben sich die deutschen Heimatvertriebenen in einem beeindruckenden Akt der Selbstüberwindung in ihrer Charta für den Weg des Friedens und des Miteinanders entschieden. Schon damals haben sie ein einziges Europa nicht nur als Vision gesehen, die sich irgendwann durch irgendjemand erfüllt, sondern sie haben deutlich gemacht, dass sie selbst am Wiederaufbau Deutschlands und Europas aktiv „durch harte unermüdliche Arbeit“ mitwirken wollen. Die Botschaft von damals hat getragen bis Charta für Weg des Friedens heute. Aus keinem einzigen Satz, aus keiner Silbe dieser ersten gemeinsamen Deklaration der Heimatvertriebenen sprach Hass gegenüber den Nachbarvölkern. Im Gegenteil: „Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem Völker ohne Furcht und Zwang leben können.“ Wegweisend war auch der Hinweis „dass

das Recht auf die Heimat als eines der von Gott geschenkten Grundrechte der Menschheit anerkannt und verwirklicht werden solle“. Die Charta war, ist und bleibt eine politische Willensbekundung der deutschen Heimatvertriebenen zum friedlichen MitBundesrat ist Vorreiter einander in Deutschland und Europa. Bislang haben alle Bundesregierungen den Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zum Aufbau Deutschlands und Europas gelobt. Es ist an der Zeit, diese zukunftsweisende Willensbekundung durch Schaffung eines Nationalen Gedenktages zu würdigen. Der Bundesrat hat in einer würdigenden Entschließung vom 11. Juli 2003 die Forderung des BdV aufgenommen und die damals noch rot/grüne Bundesregierung aufgefordert, den 5. August eines jeden Jahres zum „Nationalen Gedenktag für die Opfer von Vertreibung“ zu bestimmen. Im Beschlusstext ist dazu aufgeführt: „Die Tragödie von Deportation, Flucht

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des, das in Jahrzehnten der Beratung von Vertriebenen, Aussiedlern und Spätaussiedlern gewachsen ist, und in dem sich unzählige ehrenamtliche und viele hauptamtliche Betreuer engagieren, hat sich bewährt, wie die Akzeptanz bei Spätaussiedlern und Migranten zeigt. Gute Beratung verhindert Integrationsprobleme. Deshalb müssen die Mittel für die Migrationsberatung aufgestockt, die Dauer der Inanspruchnahme verlängert werden. und Vertreibung von rd. 15 Millionen Deutschen aus ihrer Heimat in der Folge des Zweiten Weltkriegs zählt zu den folgenschwersten Einschnitten in der Geschichte unseres Volkes überhaupt. Das Vertreibungsgeschehen hat die historisch gewachsene Einheit des ostmitteleuropäischen Raumes beendet, unsägliches Leid über die Menschen gebracht und kulturelle Entwicklungslinien zerstört. Unrecht und Tragödie dieses Ausmaßes werden auch dadurch nicht geringer, dass vorher schweres Unrecht von deutscher Seite geschehen ist. Jedes Unrecht ist für sich allein zu bewerten. Die deutschen Vertriebenen zeichneten sich durch Überlebenswillen, durch die Beschluss umsetzen Bewältigung schwerster Lebenslagen und durch ihren umfassenden Beitrag zum wirtschaftlichen und politischen Neubeginn unseres ganzen Landes aus. Am 5. August 1950, noch unter dem unmittelbaren Eindruck der Vertreibungen, wurde die Charta der deutschen Heimatvertriebenen unterzeichnet, die zu den großen Manifestationen Europas zählt. Mit der Absage an jegliche Gewalt, mit der kraft-


Bundesversammlung vollen Vision eines geeinten Europas, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können, mit dem Bekenntnis zum Wiederaufbau und zum Recht auf die Heimat ist die Charta ein Dokument sämtlicher deutscher Vertriebener. Noch leben die unmittelbar Betroffenen unter uns. Auch sie warten auf ein besonderes Zeichen der Verbundenheit durch alle Deutschen. Vertreibungen gehören nicht der Vergangenheit an. Sie geschehen auch heute in nahen und fernen Regionen dieser Welt. Das Leid, das den Menschen in der Mitte des letzten Jahrhunderts widerfuhr, trifft jetzt andere Menschen. „Die Völker müssen erkennen“, heißt es in der Charta aus dem Jahr 1950, „dass das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen wie aller Flüchtlinge, ein Weltproblem ist …“ Auch in diesem Sinne fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, den 5. August, den Tag der Unterzeichnung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, zum „Nationalen Gedenktag für die Opfer von Vertreibung“ zu bestimmen.“ Dieser Bundesratsbeschluss ist bis zum heutigen Tage nicht umgesetzt. Wir fordern alle politisch Verantwortlichen auf, auf die Umsetzung dieses Beschlusses hinzuwirken.

CDU-Generalsekretär Gröhe für „Nationalen Gedenktag“

Mit seinen Aussagen zum „Nationalen Gedenktag für die Opfer der Vertreibung“ am 3. Dezember vor der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU in Berlin hat CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nach Ansicht des BdV-Landesvorsitzenden Christian Knauer neue Hoffnungen geweckt. Gröhe habe sich offenkundig von den Aussagen seines Parteifreundes und Bundesinnenministers Dr. Thomas de Maizière beim Festakt zur 60-jährigen Wiederkehr der Ver-

UN-Flüchtlingshilfswerk wird 60 Jahre Unter dem Eindruck der Millionen von Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg in allen Teilen der Erde wurde das UNFlüchtlingshilfswerk (UNHCR) 1950 ins Leben gerufen und begann seinen Dienst am 1. Januar 1951. Der Schutz von Flüchtlingen ist seither die Kernaufgabe der Organisation. Aus kleinen Anfängen heraus hat sich das Hilfswerk zu einer geachteten Institution entwickelt, die als fester Bestandteil der Vereinten Nationen weltweit tätig ist. Das UNHCR ist heute das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen und setzt sich auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 weltweit dafür ein, dass Menschen, die von Verfolgung bedroht sind, in anderen Staaten Asyl erhalten. Ebenso befasst es sich mit Fragen der Staatenlosigkeit. Zu seinen Aufgaben gehört die Anbahnung dauerhafter Lösungen für die Flüchtlinge. Hierzu zählen die Schaffung von Möglichkeiten für die freiwillige Rückkehr der Betroffenen, die Unterstützung der Integration im Aufnahmeland sowie die Ermöglichung einer Neuansiedlung in einem Drittland. Hervorzuheben ist

ebenso die Vielzahl humanitärer Hilfsprogramme. Trotz aller hervorragender Leistungen bleibt als Wermutstropfen festzuhalten, dass sich weder das UNHCR noch seine unmittelbaren Vorgänger UNRRA (UN Relief and Rehabilitation Administration, 1945 bis 1947) oder IRO (International Refugee Organization, 1947 bis 1951) je für die deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen zuständig gefühlt haben.

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kündung der „Charta der Heimatvertriebenen“ in Stuttgart abgesetzt. Damals hatte sich das Regierungsmitglied ablehnend zur Forderung, den 5. August zum Gedenktag zu erheben, gezeigt. Für viele Teilnehmer der Feierstunde war diese Aussage als „Schlag ins Kontor der Heimatvertriebenen“ empfunden worden, zumal die Union eine entsprechende Entschließung bereits 2003 im Bundesrat eingebracht hatte. „Der BdV und die Mitglieder seiner Landsmannschaften erwarten nun eine eindeutige Haltung der Bundesregierung in dieser Frage“, betonte Christian Knauer auf der jüngsten Sitzung des Landesvorstandes in München. Es könne nicht angehen, von Forderungen, die man als Oppositionspartei erhoben hatte, mir nichts dir nichts abzuweichen. Von daher sei auch der jüngste Vorstoß der Regierungskoalition zur Würdigung der Leistungen der Heimatvertriebenen zu begrüßen.

Hessen stiftet Vertriebenenpreis Die Hessische Landesregierung hat im November beschlossen, zur Erinnerung an Flucht, Vertreibung und Eingliederung der Heimatvertriebenen einen Preis zu stiften. Die Landsmannschaften des Nachbarlandes werten diesen Schritt als weiteres sichtbares Zeichen dafür, dass ihr Teil der deutschen Geschichte nicht in Vergessenheit geraten soll. Er werde insbesondere für die junge Generation Ansporn sein, sich mit dem Thema Vertreibung zu beschäftigen. Hessen ist das erste Land, das in dieser Form seine Bürger aufruft, sich mit dem Schicksal der 14 Millionen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge auseinanderzusetzen. Gewürdigt werden kulturelle, literarische oder wissenschaftliche Arbeiten im thematischen Zusammenhang mit der Vertreibung, Aussiedlung und Eingliederung von Deutschen als Folge des Zweiten Weltkriegs sowie der deutschen Kultur der Vertreibungsgebiete. Der Preis, der mit 7500 Euro dotiert ist, soll alle zwei Jahre verliehen werden. BdV-Präsidentin Erika Steinbach würdigte diesen Schritt als „vorbildlich“.


Aus dem Bundestag

Regierungskoalition würdigt „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ im Bundestag „Mit dem nachstehenden gemeinsamen Antrag der CDU/CSU- und FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag setzt die Koalition ein Zeichen der Solidarität mit dem Schicksal der deutschen Flüchtlinge und Heimatvertriebenen“, erklärte BdV-Präsidentin Erika Steinbach Mitte Dezember in Berlin. Die Initiative würdige ihren Anteil am friedlichen Wiederaufbau Deutschlands und Europas. In seiner Zielsetzung begleite und ergänze er den Aufbau der Dokumentationsstätte der

Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ und sei hervorragend geeignet, ein Zeichen der Verbundenheit aller Deutschen mit dem Schicksal und der Leistung der Vertriebenen zu setzen. Für die von Flucht, Vertreibung, Deportation und Lagerhaft Betroffenen sei es tröstlich zu wissen, dass in dem Antrag angesichts der 60-jährigen Wiederkehr der Verkündung der „Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ gefordert werde, dass die gesamte Nation Flucht und

Vertreibung als Teil seiner Geschichte begreifen und anerkennen müsse, dass die Vertriebenen die Last der Kriegsschuld in besonderer Weise zu tragen hatten. Als besonders erfreulich bezeichnete es die BdV-Präsidentin, dass in dem Antrag die Bundesregierung aufgefordert werde zu prüfen, wie der BdV-Forderung, den 5. August zum bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Vertreibung zu erheben, Rechnung getragen werden kann. Hier der Antrag im Wortlaut:

den Ereignissen am Ende des Zweiten Weltkrieges sowie unmittelbar danach. Für Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger ist dies eine Schicksalserfahrung, die bis in die Gegenwart nachwirkt. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Generation der Kriegskinder noch heute weit stärker als bislang angenommen unter den damaligen Erlebnissen leidet und diese erst mit Ablauf des Berufslebens aufarbeitet. Unverarbeitete Traumata werden sogar, das belegen wissenschaftliche Untersuchungen, an die nächste Generation weitergegeben. Um die Geschichte der eigenen Familie besser verstehen zu können, begeben sich auch die Enkel von Vertriebenen verstärkt auf Spurensuche. Alle Bundesregierungen haben das Schicksal der Vertriebenen und ihre positive Funktion bei der Normalisierung des Verhältnisses zu den östlichen Nachbarländern anerkannt. Seit der deutschen Wiedervereinigung ist zudem die Ausgrenzungspolitik der SED gegenüber den Vertriebenen, die in der DDR 40 Jahre lang als „Umsiedler“ tabuisiert wurden, vollständig überwunden. Der Deutsche Bundestag bekräftigt vor diesem Hintergrund den Entschließungsantrag zum fünfzigsten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges (Drucksache 13/1566), in dem der Beitrag der deutschen Heimatvertriebenen zum Wiederaufbau in Deutschland und zum Frieden in Europa ausdrücklich gewürdigt wird. Wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur Integration und Aussöhnung ist die Charta der deutschen Heimatvertriebenen vom 5. August 1950, welche die Vertreter der deutschen Vertriebenen in Stuttgart zu ihrem „Grundgesetz“ erklärten. Obgleich die Kategorien Rache und Vergeltung bei aktuellen Konflikten noch immer eine verhängnisvolle Rolle spielen, schlossen die Vertriebenen diese in der Charta bereits fünf Jahre nach Kriegsende explizit aus. Sie verpflichteten sich darin zur Schaffung eines geeinten Europas – in einer Zeit, als die „Vision Europa“ bei den Parteien noch nicht einmal als Ziel ausgegeben wurde – sowie zum Wiederaufbau Deutschlands. Das Bestreben der Vertriebenen auf das Recht auf die Heimat hielt später Einzug in internationalen Regelungen der Friedenssicherung wie die Entschließung der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vom 17. April 1998. Hinter dem Postulat der gerechten Ver-

Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Stephan Mayer (Altötting), Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Erika Steinbach, Thomas Strobl (Heilbronn), Peter Altmaier, Dorothee Bär, Gitta Connemann, Dr. Reinhard Brandl, Ingrid Fischbach, Michael Frieser, Reinhard Grindel, Hermann Gröhe, Monika Grutters, Ansgar Heveling, Michael Kretschmer, Dr. Gunter Krings, Maria Michalk, Stefan Muller (Erlangen), Beatrix Philipp, Christoph Poland, Anita Schäfer (Saalstadt), Johannes Selle, Marco Wanderwitz, Dagmar Wöhrl, Volker Kauder, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Patrick Kurth, Lars Lindemann, Reiner Deutschmann, Michael Link, Dr. Rainer Stinner, Serkan Tören, Birgit Homburger und der Fraktion der FDP

60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen – Aussöhnung vollenden Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Bundestag stellt fest: Flucht und Vertreibung bestimmten ebenso wie Krieg und Gewaltherrschaft das 20. Jahrhundert. Obwohl Vertreibungen durch internationales Recht geächtet sind, finden sie selbst in jüngster Zeit statt, wie die Kriege und Konflikte beispielsweise im ehemaligen Jugoslawien Ende der 90er Jahre oder in der sudanesischen Region Darfur seit 2003 zeigen. Vertreibungen geschahen und geschehen weltweit an zahlreichen Orten, von denen jede einzelne zu verurteilen ist. Die Deutschen nehmen Vertreibungen auch deshalb mit besonderer Sensibilität wahr, weil sie selbst in ihrer jüngeren Geschichte massiv davon betroffen waren. Daher hat für die Bundesrepublik Deutschland die Erinnerung an die Vertreibung nicht nur gedenkenden Charakter, sondern ist auch Mahnung für Schuld und Leid, für Verantwortung und Versöhnung gegenüber allen Generationen und Menschen, insbesondere über Grenzen hinweg. Deutschland erlebt nicht zuletzt unter dem Eindruck der vertriebenen Kosovo-Albaner seit Anfang 2000 eine veränderte Sensibilität sowie ein neues gesellschaftliches Interesse an dem Thema Vertreibung und

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Aus dem Bundestag teilung der Kriegslasten stand das Ziel, diese innerhalb der deutschen Bevölkerung gleichmäßiger zu verteilen, da die Menschen von den Folgen des Krieges unterschiedlich betroffen waren. Urheber des Dokuments waren die Vorläuferorganisationen des Bundes der Vertriebenen, der Zentralverband vertriebener Deutscher (ZvD) und die Vereinigten Ostdeutschen Landsmannschaften (VOL), welche sich bereits 1949 auf die Ausarbeitung einer „Magna Charta“ der Vertriebenen verständigt hatten. Anlässlich des 60. Jahrestages der Charta macht sich der Deutsche Bundestag die Worte des Bundestagspräsidenten Prof. Dr. Norbert Lammert zu eigen: „Die Charta der Heimatvertriebenen aus dem Jahr 1950 gehört zu den Gründungsdokumenten der Bundesrepublik Deutschland, sie ist eine wesentliche Voraussetzung ihrer vielgerühmten Erfolgsgeschichte. Die Charta ist deshalb von historischer Bedeutung, weil sie innenpolitisch radikalen Versuchungen den Boden entzog, außenpolitisch einen Kurs der europäischen Einigung und Versöhnung unter Einbeziehung der mittel- und osteuropäischen Nachbarn vorbereitete und wirtschafts- und gesellschaftspolitisch nicht nur die Integration von Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen, sondern über sie hinaus einen beispiellosen Wirtschaftsaufbau ermöglichte, der weltweit als ,deutsches Wirtschaftswunder‘ Anerkennung gefunden hat.“ Prof. Dr. Norbert Lammert erklärte darüber hinaus, dass sich die wirkliche Bedeutung, die Größe dieser Charta, erst und nur aus der Kenntnis der Umstände ihrer Entstehung ergebe. Auch 65 Jahre nach Kriegsende zeigt sich bei der Bewertung der Charta – wie bei der Debatte um das angemessene Gedenken an Flucht und Vertreibung insgesamt – noch immer ein grundlegendes Dilemma, das der Historiker Karl Schlögel in dem Eröffnungsvortrag der Konferenz „Im Jahrhundert der Flüchtlinge“ an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt 1999 charakterisierte: „Bis heute liegt im Verhältnis zwischen Flüchtlingen und deutscher Normal-Gesellschaft eine Spannung. Wie sollte es anders sein! Bis heute bestehen unaufgeklärte Ressentiments, eine Kultur des Verdachts auf beiden Seiten und nach beiden Seiten. Der Kern dieses Ressentiments ist das Unvermögen, dem Vertreibungsvorgang gerecht zu werden, oder anders ausgedrückt: Wie spricht man über ein Großverbrechen im Schatten eines anderen, noch größeren Großverbrechens?“ Schlögel plädierte bereits damals für eine neue Sicht auf die „kulturelle Katastrophe“ der Vertreibung Deutscher und meinte, es müsse möglich sein, über beides – Vertreibung und Holocaust – sprechen zu können, ohne dass der Revisionismus-Vorwurf ertöne und ohne die Dimension des anderen Verbrechens verharmlosen zu wollen. Daneben ist es längst überfällig, die Stigmatisierung der Opfer von Flucht und Vertreibung sowie deren Nachkommen zu beenden. So hat Bundesinnenminister Otto Schily ebenfalls 1999 auf dem Tag der Heimat eingeräumt, dass die politische Linke zeitweise über die Vertreibungsverbrechen und das Leid der Vertriebenen hinweggesehen habe: „Sei es aus Des-

interesse, sei es aus Ängstlichkeit vor dem Vorwurf, als Revanchist gescholten zu werden, oder sei es in dem Irrglauben, durch Verschweigen und Verdrängen eher den Weg zu einem Ausgleich mit unseren Nachbarn im Osten zu erreichen. Inzwischen wissen wir, dass wir nur dann, wenn wir den Mut zu einer klaren Sprache aufbringen und der Wahrheit ins Gesicht sehen, die Grundlage für ein gutes und friedliches Zusammenleben finden können.“ Die Erinnerung an die damaligen Ereignisse verstellt nicht den Blick auf die historischen Fakten. Die Vertreibung der Deutschen steht in einem unauflösbaren Zusammenhang mit der außer Frage stehenden deutschen Kriegsschuld. Aufbauend auf dieser Tatsache muss gelten: Jede Vertreibung ist Unrecht. Sie darf weder moralisch noch rechtlich gegen eine vorangegangene Schuld anderer aufgerechnet werden. Der Deutsche Bundestag unterstreicht daher erneut den mit großer Mehrheit gefassten Beschluss des 16. Deutschen Bundestages 2008 zur Errichtung der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ in Berlin, um im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen wachzuhalten. Dabei werden Flucht und Vertreibung der Deutschen einen Hauptakzent der Dauerausstellung bilden: Der Heimatverlust von circa 14 Millionen Deutschen ist auch Mahnmal für alle Vertreibungen der Gegenwart. Gerade für die jüngere Generation, die bisher mit dem Thema nicht in Berührung kam, ist dies von Bedeutung, um urteilsfähig bleiben oder werden zu können. Ferner muss das Gedenkvorhaben des Bundes die Aufgabe haben, den Austausch der jungen Menschen über die Grenzen hinweg zu fördern. Wird die Jugend nicht an dieses Erbe herangeführt, geht das lebendige Gedächtnis verloren. So gilt es ebenfalls, an die Vertreibung von über einer Million Polen aus den damaligen polnischen Ostgebieten und hunderttausender Ukrainer im Zuge der von der Sowjetunion erzwungenen „Westverschiebung“ Polens zu erinnern. Auch der Vertreibung anderer Völker wie der Balten, Italiener, Finnen oder Krimtataren am Ende des Zweiten Weltkrieges muss in diesem Zusammenhang Rechnung getragen werden. Für den Transfer der Erinnerung über die Erlebnisgeneration hinaus, bildet außerdem die wissenschaftliche und archivalische Verankerung der Thematik eine wichtige Grundlage und ist ebenso für eine grenzüberschreitende Verständigung über die Vergangenheit elementar. Zudem verstehen sich die deutschen Heimatvertriebenen als Mittler und Brückenbauer zwischen Deutschen, Polen, Tschechen und allen anderen östlichen Nachbarn, was sich in zahlreichen Versöhnungsprojekten niederschlägt. Die Vertreibung der Deutschen und die Stuttgarter Charta sind insbesondere ein Beitrag dazu, das Bewusstsein und die Urteilsfähigkeit der Menschen gegenüber den Vertreibungen in der gesamten Welt zu schärfen. Der Deutsche Bundestag würdigt gleichermaßen die wichtigen Zeichen der Versöhnung aus den Ländern, in denen die Vertreibung damals stattgefunden hat und welche die ersten Opfer der deutschen Aggres-

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Aus dem Bundestag – die akademische Förderung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa auf eine Basis zu stellen und ein Konzept für die Nachwuchsförderung vorzulegen, wie etwa mit den in Deutschland ausgelaufenen Stiftungsprofessuren zu verfahren ist; – darüber zu berichten, ob und in welchem Maße sich die Geschichte der ehemaligen deutschen Ostgebiete aus bundesdeutschen Archiven erschließen lässt und zu prüfen, ob entsprechende Archivalia in das dem Kulturgutschutz dienenden Programm des Bundesamtes fur Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zur Sicherungsverfilmung einbezogen werden bzw. werden können; – die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zügig voranzubringen, um in einem überschaubaren Zeitraum die vorgesehene Dauerausstellung präsentieren zu können und darüber hinaus einen Beitrag zur Vermittlung von Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu leisten; – zu prüfen, inwiefern für die Besucher der Dokumentationsstätte des Bundes eine Gedenkmöglichkeit eingerichtet werden kann, deren Angehörige bei Flucht und Vertreibung an namenlosem Ort verstarben; – zu prüfen, wie dem Anliegen der Initiative des Bundesrates (Drucksache 460/03) Rechnung getragen werden kann, den 5. August zum bundesweiten Gedenktag für die Opfer von Vertreibung zu erheben.

sion waren. Dazu gehört der Brief der polnischen Bischöfe an die deutschen katholischen Bischöfe von 1965 mit den mutigen und wegweisenden Worten: „Wir vergeben und bitten um Vergebung“. Diese Geste hat sowohl die Vertriebenen als auch die deutsche Politik bestärkt, Erinnerung und Versöhnung nicht im Gegensatz zu sehen, sondern das Gedenken an die tragische Vergangenheit als einzig gangbare Brücke für eine gemeinsame Zukunft zu begreifen. Der Deutsche Bundestag erkennt eingedenk der Tatsache, dass die Vertriebenen die Last der Kriegsschuld in besonderer Weise zu tragen hatten und angesichts des 60. Jubiläums der Stuttgarter Charta die Verpflichtung an, dass Flucht und Vertreibung von der gesamten Gesellschaft als Teil der deutschen Geschichte begriffen wird. Ein Zeichen der Verbundenheit mit den Vertriebenen ist notwendig, um die Versöhnung zu vollenden und die Völkerverständigung zu stärken. II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, – die Aussöhnung der Deutschen mit sich selbst beim Kapitel Vertreibung zu unterstützen, die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn voranzubringen und sich im Geiste der Charta weiter für ein geeintes Europa einzusetzen; – im Hinblick auf die immer weniger zur Verfügung stehenden Zeitzeugen nicht nur deren Berichte systematisch zu erfassen, wie es gegenwärtig in einem Projekt am Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa geschieht, sondern auch vorhandene Forschungslücken durch Interviews zeitnah zu schließen;

Berlin, den 15. Dezember 2010

Bundestagsdebatte im Wortlaut Das sollten Sie unbedingt lesen! Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegen Thomas Strobl für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

ropa zu leisten. Dieser dann tatsächlich und in beispielhafter Weise geleistete Beitrag wurde vom Deutschen Bundestag in einem Entschließungsantrag vor dem Hintergrund des 50. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs gewürdigt. Ziel des nunmehr eingebrachten Antrags ist es, die Leistung der Heimatvertriebenen erneut zu unterstreichen und dafür Sorge zu tragen, dass der Heimatverlust von 14 Millionen Deutschen zum Mahnmal fur alle Vertreibungen der Gegenwart gemacht wird. Revisionismusabsichten sind damit freilich ebenso wenig verbunden wie Versuche, die Einzigartigkeit des Holocaust und anderer Verbrechen rund um den Zweiten Weltkrieg zu leugnen. Sieben Forderungen werden nun von uns erhoben, die allesamt dem Ziel der Vollendung der Versöhnung dienen. Einige Forderungen sind wissenschaftlicher Natur wie die systematische Erfassung von Zeitzeugenberichten oder die Nachwuchsförderung im akademischen Bereich angesichts auslaufender Stiftungsprofessuren im Bereich Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. Andere unserer Vorschläge haben einen wertvollen kollektivpädagogischen Charakter wie etwa der interessante Vorschlag der Deklarierung des 5. August zum bundesweiten Gedenktag für die Opfer der Vertreibung oder der Appell zur Unterstützung der Arbeit der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“.

Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 5. August 1950 gaben sich in Stuttgart Vertreter der Vertriebenen die Charta der deutschen Heimatvertriebenen. Sie gilt seither als Grundgesetz der deutschen Heimatvertriebenen. Sie gehört zu den Gründungsdokumenten unseres Landes, und sie ist untrennbar mit der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland verbunden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dieses Grundgesetz der Vertriebenen, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf als schriftlicher Ausdruck der Entschlossenheit der damaligen Heimatvertriebenen gelten, ihren Beitrag zum Wiederaufbau in Deutschland und zum Frieden in Eu-

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Aus dem Bundestag Am Wichtigsten erscheint mir indes die ganz am Anfang gestellte Forderung nach pragmatischer Zukunftsorientierung und nationaler Selbstversöhnung. Tatsächlich sind es ja weniger die Vertreiber von damals, die einer Aussöhnung im Wege stehen; teilweise sind wir es eher selbst. Ich denke hierbei beispielsweise an die Kolleginnen und Kollegen, die ganz links in diesem Hohen Hause sitzen und aus ideologischen Grunden den deutschen Vertriebenen die berechtigte Aufmerksamkeit bis heute vorenthalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie setzen damit das böse Werk der DDR fort, die Gleiches tat. In Zeiten der deutschen Teilung galten die Vertriebenen im Osten als unliebsam. Ihr Schicksal wurde vom SED-Staat verharmlost und ihrem Schmerz des Heimatverlustes noch die Demütigung des Leid Ignorierens hinzugefügt. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Unglaublich!) Diese beschämende Vernachlässigung hat zwar 1990 mit dem Ende der DDR-Diktatur nachgelassen. Was aber immer noch fehlt, ist die endgültige Aussöhnung der Deutschen mit sich selbst. Diese wollen wir mit dem vorliegenden Antrag voranbringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wie schon Abraham Lincoln unter Berufung auf ein JesusWort sagte: „Ein Haus, das mit sich selbst uneins ist, mag nicht bestehen.“ Wir wollen die Vertriebenen in ihrem Bemühen unterstützen, unser Volk durch Erinnerung zu dieser Selbstversöhnung zu führen und damit jene Einigkeit in dem von Lincoln beschworenen Haus der Nation herzustellen, die zu dessen dauerhafter Stabilität notwendig ist. Wir wollen die Vertriebenen aber auch als wertvolle Mittler und Brückenbauer zwischen den Völkern anerkennen, als welche sie schon der frühere Bundesinnenminister Otto Schily zu Recht betrachtet hat. Tatsächlich prädestiniert die Vertriebenen ihr Schicksal des Heimatverlustes mehr als andere Gruppen zur grenzübergreifenden humanitären Mahnung und Warnung vor künftigen Vertreibungen. Die deutschen Heimatvertriebenen können aufgrund ihrer leidvollen eigenen Erfahrungen glaubwürdiger als andere Vertreibung als jene Menschheitsgeißel bezeugen, die sie tatsächlich ist, und damit einen unschätzbaren Beitrag dazu leisten, dass Vertreibung generell geächtet wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Für diese Rolle, meine Damen und Herren, schulden wir den Vertriebenen nicht nur Anerkennung, sondern auch unseren ausdrücklichen Dank, den ich in aller Form zum Ausdruck bringe. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Seiner Heimat beraubt zu sein, wie es 14 Millionen deutschen Landsleuten nach 1945 widerfuhr, und dennoch nicht auf Rache zu sinnen, sondern aus Überzeugung am friedlichen Bau des gemeinsamen Hauses Europa mitzuwirken, (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Große Leistung!) ist ein Akt christlicher Demut und staatsbürgerlicher Verantwortung, der aller Ehren wert ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dass die Vertriebenen sich 1950 bereits eine Charta mit eu-

ropäischer Dimension gaben, zeugt von ihrem Weitblick. Diesen Akt sollten wir Nichtvertriebenen nach Kräften unterstützen und jene Solidarität mit ihnen beweisen, die ein Werk der Versöhnung verdient hat. In diesem Sinne kann die Antwort des Hauses nur eine klare und deutliche Mehrheit fürden vorgelegten Antrag sein. Danke fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Leider kann ich dem nächsten Redner nicht das Wort erteilen, da ich noch immer nicht in der Lage bin, sowohl hier oben zu sitzen als auch unten zu reden. Ich gebe also meine Rede zu Protokoll 1). Sie müssen darauf verzichten, meine wohl abgewogenen Worte zu hören. Ich erteile das Wort dem Kollegen Patrick Kurth für die FDPFraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute erneut über ein Thema, das mehr ist als eine Geschichtsstunde, ein Erinnerungsfestakt oder ein Folkloreseminar, obwohl das manche gerne so sehen möchten. Wir reden mehr als über den Austausch von gleichen oder unterschiedlichen Anschauungen. Nein, wir reden heute über Vertreibung und ihre Ausmaße bis heute und in Zukunft. Das ist ein sehr komplexes Thema, zu dem jede Partei und jede Generation den eigenen Standpunkt beständig überprüfen muss. Bis heute, bis in die Gegenwart ist dieses traurige Thema aktuell. Auch in der Gegenwart gibt es in der Welt Vertreibung und Entrechtung. Für die Zukunft ist das Gleiche zu erwarten. Das ist traurige Realität. Vertreibung ist durch internationales Recht geächtet. Sie findet dennoch selbst in jüngster Zeit statt. Die Beispiele in Ruanda, Jugoslawien oder Darfur kennen Sie. Schätzungsweise 70 Millionen Menschen wurden in den letzten 100 Jahren im Sinne der Vertreibung, über die wir heute sprechen, vertrieben. Die bis heute aktuellen Vertreibungen betrachten wir Deutsche mit ganz besonderer Sensibilität, nicht nur weil wir eine große Verantwortung haben, sondern auch weil wir selbst als Deutsche betroffen sind. In diesem Zusammenhang sind der Antrag und die BdV-Charta zu sehen. Nach dem von Deutschland ausgehenden Krieg entstand im Nachgang der zweifelsohne größten Vertreibung diese Charta. Sie entstand von und durch die Betroffenen, und sie entstand auch mit Blick auf die künftige Zeit. Versuchen Sie sich nur einen Moment in die Nachkriegszeit und die Menschen hineinzuversetzen, die den von Deutschland verursachten Krieg überlebt haben und ihre Heimat verlassen mussten. Sie mussten Strapazen der Flucht, die Trauer um den Verlust von Verwandten, Nachbarn und Eigentum sowie die Schwierigkeit der Integration in die neuen Gebiete auf sich nehmen. Vor kurzem hat eine Tageszeitung kommentiert: Man stelle sich die Menschen vor, die quasi noch mit der Kleidung, die sie auf der Flucht trugen, einen Beschluss fassten und auf ihre Heimat verzichteten. Wenn Sie

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Aus dem Bundestag an diese Umstände, an die Verhältnisse der Zeit, die Ungewissheit der Zukunft, den aufziehenden Kalten Krieg denken, dann stellen Sie fest, dass diese Charta wirklich erstaunlich und zukunftsweisend ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dazu gehören mehrere Punkte, zum Beispiel der Impuls der Aussöhnung. Das 20. Jahrhundert war bestimmt durch Krieg, Gewaltherrschaft, Flucht und Vertreibung, aber auch durch den Willen, sich auszusöhnen. Die Charta der Heimatvertriebenen zeigte dies schon kurz nach dem Krieg. Leider fehlt gerade das Element der Aussöhnung bei so vielen Vertreibungen bis in die jüngste Zeit. Dazu gehört auch: Die Worte Rache und Vergeltung spielten damals eine große Rolle. Sie spielen auch in der Gegenwart oft eine große Rolle. In der Charta werden sie explizit nicht erwähnt. Natürlich kann man nicht auf etwas verzichten, das einem ohnehin nicht zusteht. Aber das Vermächtnis bleibt deswegen stark, weil gerade Rache und Vergeltung bis in die heutige Zeit eine große Rolle spielen. Mehr noch: Die Vertriebenen verpflichteten sich schon damals vor allen Parteien zur Schaffung eines geeinten Europas. Die Heimatvertriebenen wussten, dass nur ein versöhntes und geeintes Europa dauerhaft den Frieden sichern kann. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Charta ist aber auch deshalb bis in die heutige Zeit von großer Bedeutung, weil sie innenpolitisch radikalen Versuchungen den Boden entzog. Auch das ist gerade wenn wir an Jugoslawien denken ein ganz starkes Element. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Sie hat eine große Bedeutung, weil sie wirtschafts- und gesellschaftspolitisch die Integration von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen ermöglichte. Denken Sie nur an das Wirtschaftswunder. Gerade die gesellschaftliche und wirtschaftspolitische Integration von Vertriebenen in ihren jeweiligen neuen Ländern fehlt aber bis heute an vielen Stellen. Übrigens ist die Vertriebenenfrage bis in die Gegenwart auch bei einer ganz anderen Diskussion von Bedeutung, nämlich bei der deutschen Integrationsdebatte. Viele Deutsche haben Zuwanderungs- und Integrationserfahrungen, und zwar im eigenen Land. Erinnern Sie sich, wie Deutsche ihre eigenen Landsleute nach dem Krieg aufgenommen haben? Oftmals alles andere als herzlich. Auch diesbezüglich mussten viele dazulernen. Viele von denen, die heute über Integration reden, haben in ihrer eigenen Familie Integration erlebt. (Beifall bei der FDP) Am Ende aber gilt: Wir wissen um die deutsche Schuld. Wir wissen, dass das deutsche Reich einen fürchterlichen Krieg begonnen hat, dass Verbrechen in bis dahin unbekanntem Ausmaß stattfanden und furchtbares Leid über Europa gebracht wurde. Wir wissen aber auch von den schrecklichen Folgen, die eine Flucht mit sich bringt. Das ist vielleicht eines der stärksten Leitbilder im internationalen Vergleich: Verbrechen dürfen nicht gegeneinander aufgewogen werden. Sonst legitimieren sie ein Stück weit zahlreiche weitere Vertreibungen, in diesem Fall diejenigen seit 1945. Schuld und Leid sind immer individuell, wobei der Holocaust und die Taten der Naziherrschaft einen herausragenden Stellenwert besitzen. Es ist gut, dass die Koalition noch einmal klarstellt, wie sie

zu Flucht und Vertreibung steht. Ich möchte mich ganz herzlich bei Klaus Brähmig und bei der Koalition für die gute Zusammenarbeit bedanken. Es war ein hartes Ringen, zum Teil um jedes einzelne Wort. Am Ende ist ein sehr guter Antrag herausgekommen, der nicht nur an die Vorgänge erinnern soll, die geschehen sind, sondern der auch in die Zukunft weist, damit wir in Sachen Vertreibung und Unrecht urteilsfähig bleiben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Lukrezia Jochimsen fur die Fraktion Die Linke. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Eins vorweg: Ich spreche heute hier als Kriegskind. In Ihrem Antrag wird die Generation der Kriegskinder besonders erwähnt als eine Bevölkerungsgruppe, der man bisher zu wenig Zuwendung und wissenschaftliche Aufmerksamkeit gewidmet hat. Außerdem spreche ich hier als jemand, der zu keiner Zeit in der DDR ideologisiert worden ist. Es ist schon sonderbar, welch unterschiedliche Auffassung von Geschichte man als Zeitzeuge haben kann. Denn so viel Geschichtsklitterung, so viel Ausblendung von historischen Tatsachen und so viel Verdrehung wie in diesem Antrag zur Charta der Heimatvertriebenen kommt aus meiner Sicht selten zusammen. (Beifall bei der LINKEN, Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist doch nicht Ihr Ernst! Das kann doch niemals Ihr Ernst sein! Dann müssen Sie den Antrag einmal lesen! Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die ist doch unverbesserlich!) Jetzt gehen wir das einmal Schritt für Schritt durch. In dem Antrag heißt es: Die Deutschen nehmen Vertreibungen auch deshalb mit besonderer Sensibilität wahr, weil sie selbst in ihrer jüngeren Geschichte massiv davon betroffen waren. Es findet sich kein Wort darüber, dass die Deutschen die brutalsten Vertreiber waren, und zwar lange bevor sie von Vertreibungen betroffen waren. (Beifall bei der LINKEN, Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das steht alles drin!) Ausgeblendet werden die Massenvertreibungen ganzer Völkerschaften unter deutscher Herrschaft. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist nicht Ihr Ernst!) Verschwiegen wird die Vertreibung und Ermordung der Juden, Roma und Sinti. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was reden Sie denn da? Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie reden von einem anderen Thema!) Es wird die Charta von 1950 gefeiert, die, genau wie der Antrag von 2010, die Vorgeschichte der Vertreibung vollständig ausklammert. Da wird folgender Satz dieser Charta gefeiert: Wir Heimatvertriebenen verzichten auf Rache und Vergeltung.

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Aus dem Bundestag Verzichten? Verzichten kann man doch nur auf etwas, von dem man glaubt, dass es einem zusteht. (Beifall bei der LINKEN) Der Satz war 1950 ein Unding. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ich habe doch gerade etwas dazu gesagt!) Ihn 2010 zu feiern, ist eine politische Zumutung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie sind eine Zumutung! Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das geht doch nicht, was Sie hier machen! Das ist doch völlig am Thema vorbei!) Und rächen? An wem sollten sich Heimatvertriebene 1950 eigentlich rächen können? An den Alliierten vielleicht? Was hier zum Ausdruck kommt und laut Antrag 65 Jahre später immer noch Gültigkeit haben soll, ist aus meiner Sicht moralische Hybris. (Beifall bei der LINKEN, Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist nicht Ihr Ernst! Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Irgendwo müssen Sie aber Ihre ideologische Verbohrtheit herhaben!) Ralph Giordano hat vor einem Jahr geschrieben: Mit dem stets im Brustton großmütigen Verzeihens vorgetragenen Kernsatz macht die Charta Deutschland zum Gläubiger der Geschichte, die einst okkupierten Länder Mittel- und Osteuropas aber zu deren Schuldnern. Darin liegt der eigentliche Skandal der Charta. Skandal! Nein, diese Charta ist kein Meilenstein zu Integration und Aussöhnung, wie es im Antrag heißt. Im Gegenteil: Sie verkehrt die Dimensionen von Opfererfahrungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf nicht hinnehmbare Weise. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das sagen Sie?) Jawohl, das sage ich. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das ist ja interessant! Das gibt es doch überhaupt nicht! Seit 1990 redet Ihre Partei Unglaubliches! Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dann müssen Sie die SED auch noch aufführen! Dann wäre es richtig!) Auf nicht hinnehmbare Weise wird in dem Antrag verschwiegen, wer eigentlich diese Charta geschrieben und unterschrieben hat, zum Beispiel, dass zahlreiche Unterzeichner Funktionsträger des NS-Regimes waren, zum Beispiel, dass die frühe Verbandsgeschichte des Bundes der Vertriebenen eng mit den Nazis verbunden war, und zum Beispiel, dass der Bund der Vertriebenen diese Geschichte bis heute nicht aufgearbeitet hat. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Zuruf von der LINKEN: Das ist ein Skandal! Gegenruf des Abg. Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Unerhört!) Pure Geschichtsverfälschung betreiben die Autoren des Antrags auch damit, dass sie behaupten, die Vertriebenen und ihre Verbände hätten eine positive Funktion bei der Normalisierung des Verhältnisses zu den östlichen Nachbarländern gehabt. (Michael Link [Heilbronn] [FDP]: Eben! Ganz genau! Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Was denn sonst?) Auch da ist das Gegenteil der Fall. Die Nichtanerkennung der Oder-Neiße-Grenze war ihr Dogma, und die Entspannungspolitik gegenüber dem Osten konnte nur gegen sie durchgesetzt werden.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ausgesprochen gefühllose Rede!) Sie nannten das Verrat, und Willy Brandt nannten sie Verräter. Vertreibungen in der Gegenwart, ja, das ist ein Thema, in der Tat. (Zuruf von der FDP: Sie diffamieren die Opfer der Vertreibung!) Aber kein Satz zur Lage der Roma und Sinti in Europa! Hat man irgendwann vom Bund der Vertriebenen etwas zu den Abschiebungen der Roma in den Kosovo gehört? Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, ein angesehenes CDUMitglied, hat diese Abschiebungen heute in Berlin angeprangert. Gerade an diesem Beispiel könnten Sie deutlich machen, wie wichtig Ihnen die Lehren aus der Geschichte wirklich sind. Stattdessen wollen Sie eine Gedenkmöglichkeit bei der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ einrichten, wahrscheinlich ein Denkmal. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Gott sei Dank! Das wird höchste Zeit!) Zu allem Überfluss wollen Sie einen nationalen Gedenktag für die Opfer von Vertreibungen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie ist schon die ganze Zeit am Ende!) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Das ist alles falsches, die Geschichte verdrehendes Pathos. Wir sagen dazu Nein. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das hätte mich auch gewundert, bei der Rede!) Ich meine, die Antragsteller spielen ein gefährliches Spiel mit der Geschichte. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Ihre Rede ist ein Schlag ins Gesicht der Heimatvertriebenen!) Ich kann nur hoffen, dass die Mehrheit dieses Hohen Hauses das erkennt und dabei nicht mitmacht. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: DasWort erteile ich nun Kollegen Volker Beck für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn all die salbungsvollen Worte, die zum Thema Vertreibung und Flucht von der Koalition kamen, ernst gemeint sind, dann müssen Sie beim Thema Roma aus dem Kosovo flüchtlingspolitisch tatsächlich die Konsequenzen ziehen; ansonsten ist das alles weiße Salbe und bestenfalls Heuchelei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Dass die Charta der Heimatvertriebenen 60 Jahre alt wird,

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Aus dem Bundestag ist für mich als Kind von Vertriebenen kein Grund zum Feiern. Der 5. August 1950 ist gewiss kein geeigneter Gedenktag, um an das Vertreibungsschicksal zu erinnern. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]:Was denn sonst, Herr Beck!) Lassen Sie mich ausreden, dann erzähle ich es Ihnen. Oder stellen Sie eine Zwischenfrage. Ich möchte keinen Zweifel aufkommen lassen: Mein Vater ist selbst vertriebener Sudetendeutscher. Meine Großeltern wurden in beiden Weltkriegen vertrieben. Mit den Vertreibungen aus den Ostgebieten und aus Tschechien in den letzten Wochen und Monaten des Zweiten Weltkrieges mit schweigendem Einverständnis der westlichen Alliierten; das gehört auch zur Wahrheit, ist den Vertriebenen großes Unrecht widerfahren. Trotz alledem: Weder diese Charta noch die dahinterstehenden Organisationen tragen zur Versöhnung mit unseren osteuropäischen Nachbarn bei. Sie schreiben in dem vorliegenden Antrag zwar von einem Geist der Charta fur ein geeintes Europa, doch auch nach mehrfacher Lektüre dieser Charta habe ich diesen Geist nicht finden können; ganz im Gegenteil. Der von uns allen hier geschätzte Professor Micha Brumlik (Erika Steinbach [CDU/CSU]: Es stimmt nicht, dass der überall geschätzt ist!) schrieb dazu im August in der taz treffend: Sogar wenn man von der völkischen Schöpfungstheologie absieht, die den Text durchweht, und den Umstand übergeht, dass viele der Erstunterzeichner in der NSDAP oder der SS waren (Erika Steinbach [CDU/CSU]: Wie beim Spiegel und beim Stern auch!) bzw. Männer, die sich lange vor 1933 in Ostmitteleuropa als Volkstumskämpfer betätigten, zeigt sich in der Sache, wie falsch die Grundaussage der Charta ist: Weder entspricht es der historischen Wahrheit, dass das Schicksal der Vertriebenen an Leid vom Schicksal keiner anderen Gruppe in den Jahren 1939 bis 1945 übertroffen wurde, (Erika Steinbach [CDU/CSU]: 1950!) wie es in der Charta heißt noch ist einsichtig, wie man auf Rache und Vergeltung verzichten kann. Verzichten feierlich dazu kann man nämlich nur auf etwas, was einem legitimerweise zusteht. Das hat die Kollegin richtigerweise ausgeführt. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Wie ich bereits ausgeführt habe!) Meine Damen und Herren, die Charta ist ein einseitiges Dokument. Sie klammert die historische Kriegsschuld Nazideutschlands aus, (Beifall bei der LINKEN) und sie erwähnt mit keinem Wort die Verbrechen der Deutschen, die im Holocaust und in der Ermordung von 6 Millionen Jüdinnen und Juden gipfelten. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Dann müssen Sie die Charta mal lesen, Herr Beck!) Diese Verbrechen gingen der Vertreibung voraus. Sie rechtfertigen sie nicht, aber sie stehen im Kontext miteinander. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, eine angemessene Erinnerungskultur im Land der Täterinnen und Täter muss anders aussehen. Ihr Antrag stellt an einem Punkt etwas zu Recht fest.

Da heißt es: So gilt es ebenfalls, an die Vertreibung von über einer Million Polen aus den damaligen polnischen Ostgebieten und hunderttausender Ukrainer im Zuge der von der Sowjetunion erzwungenen Westverschiebung Polens zu erinnern. Richtig, aber auch dazu findet sich in der Charta der Vertriebenen kein Sterbenswörtchen. Der Deutsche Bundestag kann sich doch nicht positiv auf ein Dokument beziehen, in dem behauptet wird, dass das Schicksal der Vertriebenen an Leid in dieser Zeit dem Schicksal keiner anderen Gruppe vergleichbar ist, sondern das Vertreibungsschicksal diese übertroffen hat. Meine Damen und Herren von der Union und von der FDP, Sie alle waren doch schon einmal in einem Konzentrationslager. Sie alle haben sich in Ihrer Heimatstadt doch schon einmal gefragt: Wo sind eigentlich die Jüdinnen und Juden hin, die früher in unserer Stadt gelebt haben? Die gibt es nicht mehr; die Familien sind nicht mehr da, die Straßenzüge sind nicht mehr da. Die Synagogen sind weg. Sie können doch nicht so tun, als ob das Vertreibungsschicksal in dieser Art und Weise singulär war. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Was Sie hier unterstellen! Was Sie für einen Kontext herstellen!) Meine Damen und Herren, die Rache- und Verzichtshaltung des Vertriebenenverbandes, die Haltung von Frau Steinbach zur Oder-Neiße-Grenze, diese Art von Politik hat mir als Enkel und Kind von Vertriebenen zum zweiten Mal die Heimat genommen. Ich war in Tschechien, ich war in der Slowakei, aber als Kind von Sudetendeutschen war ich niemals im Sudetenland, weil ich mich mit Ihren Verbandsfunktionären und Ihrer Ideologie nicht gemein machen wollte. Das war für mich persönlich vielleicht ein Fehler, aber das zeigt, wie schwierig es ist, zu einer Heimat ein Verhältnis zu finden, wenn das Heimatgefühl und Rückbesinnungsgefühl mit dieser Art von revanchistischer Ideologie und der Politik Ihres Verbandes konnotiert ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN, Erika Steinbach [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!) Wenn Sie das unglaublich finden, dann nenne ich Ihnen gerne einige Erstunterzeichner der Erklärung von Stuttgart 1950: (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Ein Schauspieler sind Sie! Sie führen eine Komödie auf! Und das bei einem solchen Thema! Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Unfassbar, was Sie hier erzählen! Sie wissen überhaupt nicht, was los ist! Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP) Lassen Sie mich noch drei Sätze sagen. Rudolf Wagner, Sprecher der Landsmannschaft der Deutschen Umsiedler aus der Bukowina SS-Obersturmbandführer, Erik von Witzleben, Sprecher der Landsmannschaft Westpreußen SS-Offizier, Walter von Keudell, Sprecher der Landsmannschaft Berlin-Mark Brandenburg (Zuruf von der CDU/CSU: Herr Beck, Sie haben doch keine Ahnung!) erst in der DNVP, dann in der NSDAP, Josef Walter, Vorsitzender des Landesverbands der Heimatvertriebenen in Hessen (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das bringt doch nichts! Keine neuen Erkenntnisse! Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Unwürdig!)

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Aus dem Bundestag Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen trotzdem zum Ende kommen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er war stellvertretender Hauptgeschäftsführer der sudetendeutschen Wirtschaftskammer und zuständig für die Verteilung des jüdischen Vermögens im Reichsprotektorat Böhmen/Mähren. Meine Damen und Herren, das ist nur ein Auszug aus der langen Liste von Komplizen und Tätern des NS-Regimes, die diese Charta unterzeichnet haben. Im Geiste Europas brauchen wir eine andere Grundlage für die Versöhnung. Nur dann werden wir einig sein, Herr Strobl, in diesem Haus Deutschland. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Unverschämtheit von Herrn Beck! So kann man das nicht machen! Gegenruf von der LINKEN: Das ist eine Tatsache!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Stephan Mayer fur die CDU/CSUFraktion. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Frau Kollegin Jochimsen, Herr Kollege Beck, ich halte es für unwürdig und beschämend, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP Zuruf von der CDU/ CSU: So ist es! Jawohl!) wie Sie mit Ihren Reden auf dem Schicksal von 15 Millionen Vertriebenen und deren Nachkommen herumtrampeln und einen Gründungsakt der Bundesrepublik Deutschlands diskreditieren, (Widerspruch bei der LINKEN, Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich trample auf niemandem herum! Zuruf von der CDU/CSU: Unwürdig!) der an Größe aus meiner Sicht kaum zu übertreffen ist. Davor sollte man Respekt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Um mit den Worten unseres Bundestagspräsidenten, Professor Lammert, zu sprechen: Es handelt sich bei der Charta der Heimatvertriebenen um das Gründungsdokument der Bundesrepublik Deutschland und (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP, Widerspruch bei der SPD und der LINKEN, Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Ihr habt doch überhaupt nichts begriffen!) um ihn weiter zu zitieren um ein bleibendes Vermächtnis für die Zukunft des wiedervereinigten Deutschlands. Ich möchte hinzufügen: auf das wir Deutsche alle stolz sein können, egal, ob wir einen Vertriebenenhintergrund haben oder nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP, Widerspruch bei der SPD und der LINKEN, Gegenruf des Abg. Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Die haben nichts begriffen!) Meine sehr verehrten Kollegen Jochimsen und Beck, ich wundere mich schon, mit welchem Hochmut, mit welcher Arroganz

(Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Arroganz! Überheblichkeit!) Sie hier ein Dokument diffamieren, das vor 60 Jahren proklamiert wurde. Das halte ich für abscheulich und für in jeder Hinsicht traurig und beschämend. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Für unwürdig! Zuruf von der LINKEN: Ihre Rede ist traurig und beschämend! Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen das zur Grundlage Europas machen?) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, man muss sich wirklich in die Zeit zurückversetzen. (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Junger Mann, das kann ich ganz gut!) Es ist leicht, jetzt, 60 Jahre später, über ein Dokument zu urteilen und zu sagen: Da hätte noch der eine Satz hineingehört, und der andere Satz hätte noch etwas ausführlicher dargelegt werden müssen. Sie müssen sich der Ehrlichkeit halber einmal in die Zeit um 1950 zurückversetzen: 15 Millionen Deutsche sind am Ende und nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben worden. (Zurufe von der LINKEN) 3 Millionen davon kamen auf schreckliche und barbarische Art und Weise ums Leben. Viele sind gedemütigt und vergewaltigt worden. (Zurufe von der LINKEN) Fast alle waren traumatisiert. Man hat im Jahr 1950 durchaus andere Dinge angesichts von 8 Millionen Heimatvertriebenen in Westdeutschland erwartet. Die 4 Millionen Heimatvertriebenen in Ostdeutschland durften sich ja gar nicht äußern. Deren Schicksal ist in jeglicher Weise verniedlicht und in keiner Weise gewürdigt worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP, Widerspruch bei der LINKEN, Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Durch die Kommunisten!) Man hatte durchaus befürchtet, dass sich diese 8 Millionen Deutsche radikalisieren wurden. Aber das ist nicht eingetreten. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die haben über die Bodenreform Land bekommen! Gegenruf des Abg. Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Raub und Totschlag war das!) Sie haben auf jegliche Rache, auf jeglichen Revanchismus, auf jeglichen Hass verzichtet. (Zurufe von der LINKEN) Ich halte das im Nachhinein für höchst bemerkenswert. Alle Deutsche können auf diese heroische Leistung stolz sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, Zurufe von der LINKEN, Hilde Mattheis [SPD]: Heroische Leistung?) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Jochimsen? Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr gerne. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Herr Kollege, ich kann mich sehr gut in die Jahre 1950 und folgende versetzen. Ich war damals ein junges Mädchen und nachher eine junge Frau. Ich frage Sie: Ist Ihnen eigentlich bekannt, wie viele Millionen Ausgebombte, wie viele Menschen, die alles Hab und Gut verloren haben, wie viele Schwer-

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Aus dem Bundestag verletzte 1950 in Deutschland gelebt haben, und dass nicht nur die Vertriebenen das Schuldschicksal dieses schrecklichen Krieges zu tragen hatten, sondern auch Millionen von Menschen im Lande selbst? Es ging mir persönlich nie um eine Aufrechnung. Aber ich verwahre mich dagegen, dass man sagt, (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Frage!) eine Gruppe sei die vom Schicksal am schlimmsten betroffene gewesen, und so tut, als hätte es 1950 eine Normalgesellschaft von solchen gegeben, die im Gegensatz zu den Heimatvertriebenen kein Leid erfahren hätten. Ich kann Ihnen sagen: Ich kann mich sehr gut in die Zeit von 1950 versetzen. Ich möchte einmal wissen, ob Sie eine Vorstellung davon haben, wie viele Millionen Erwachsene und Kinder in beiden Teilen Deutschlands 1950 unter diesem Kriegsleid gelitten haben. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Frau Kollegin Jochimsen, mir ist nicht nur bekannt, welch großes Unheil der Zweite Weltkrieg über Deutschland gebracht hat, (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Deutschland über die Welt!) sondern auch dies möchte ich ganz deutlich betonen, welch schreckliches Unheil der Zweite Weltkrieg, der unbestreitbar von deutscher Hand ausgegangen ist, über die gesamte Welt gebracht hat. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: So ist das! Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Genau!) Das wird von niemandem, insbesondere auch nicht vom Bund der Vertriebenen bestritten, ganz im Gegenteil. Sie werden doch nicht negieren können, dass am Ende des Zweiten Weltkriegs Menschen nur aufgrund der Tatsache, dass sie an einem bestimmten Ort wohnten, vertrieben wurden, unabhängig davon, ob ihnen persönliche Schuld zuteil wurde oder nicht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird doch nicht bestritten! Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Es sind Menschen ausgebombt worden! Was ist mit den Ermordeten?) Ich möchte schon betonen: Das Schlimmste und, wie ich glaube, auch das Schwerwiegendste, was man einem Menschen antun kann, ist, dass man ihm seine Heimat nimmt. Ich persönlich habe noch sehr gut die Schilderung meiner Großeltern, die aus dem Sudetenland stammen, in den Ohren, wie schlimm es ist, wenn man aufgefordert wird, innerhalb von zwölf Stunden das eigene Haus, das man sich mühsam aufgebaut hat, zu verlassen, (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Fragen Sie mal KZÜberlebende! Unglaublich!) maximal 30 Kilogramm Gepäck mitnehmen darf und die Heimat nie mehr wiedersieht. Frau Kollegin Jochimsen, ich möchte auch noch einmal betonen, dass Sie aus meiner Sicht den großen Fehler begehen, Unrecht gegen Unrecht aufzuwiegen. Unrecht ist etwas Singuläres. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP, Widerspruch bei der LINKEN) Es bestreitet doch keiner, dass von deutscher Hand katastrophales Unrecht über den ganzen Globus verbreitet worden ist. Aber das rechtfertigt in keiner Weise das Unrecht, das 12

Millionen Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs und danach zuteil wurde. (Beifall bei der CDU/CSU, Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Es geht um keine Rechtfertigung!) Das ist der historische Fehler, den Sie begehen: Sie wiegen das eine gegen das andere auf. Diesen Fehler machen wir nicht, und diesen Fehler dürfen wir nicht machen. (Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Eine Frage zum Schluss: Wenn es den Krieg nicht gegeben hätte, hätte es dann Vertreibungen gegeben? Was ist der Kontext? Was war zuerst: der Krieg oder die Vertreibungen?) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie haben jetzt nicht das Wort, sondern Herr Mayer hat das Wort. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Frau Kollegin Jochimsen, es war ein herausragender Akt der Versöhnung und Verständigung, dass die Heimatvertriebenen am 5. August in Stuttgart-Bad Cannstatt diese Erklärung proklamiert haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diese Erklärung sollte heute nicht nur der Erinnerung dienen, sondern sie sollte in progressiver Hinsicht auch dafür dienen, dass sich das Leid, das 15 Millionen Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg wiederfahren ist, nie mehr wiederholt. Deswegen ist es umso wichtiger, dass der 5. August den Status eines nationalen Gedenktags bekommt. Ich sage ganz offen: Wir werden hier leisten müssen, was der Bundesrat im Jahr 2003 beschlossen hat, nämlich dass der 5. August nationaler Gedenktag wird. Hier sind wir auch das sage ich ganz offen als gesamter Deutscher Bundestag in der Bringschuld. Ich hoffe, dass uns dies alsbald gelingt. Gerade für die jungen Leute müssen wir uns dafür einsetzen, dass sich das nicht wiederholt, was sich im letzten Jahrhundert viel zu oft ereignet hat, nämlich massenhafte Vertreibungen. Vertreibung hat an Aktualität leider Gottes nicht verloren. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit den Roma?) Just an diesem Tag sind 44 Millionen Menschen auf diesem Globus auf der Flucht oder vertrieben worden. Das zeigt ganz deutlich, dass es leider Gottes noch immer ein viel zu aktuelles Thema ist. Gerade deshalb ist es wichtig, dass der 5. August ein nationaler Gedenktag wird. Ich bin insbesondere sehr dankbar, dass es uns in dem gemeinsamen Entschließungsantrag der christlich-liberalen Koalition gelungen ist, aufzunehmen, dass wir die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ noch weiter vorantreiben wollen. Wir sind hier auf einem guten Weg. Es waren schwierige Monate. Das Jahr 2010 war kein einfaches Jahr. Insbesondere der Hintanstellung jeglicher persönlicher Interessen der Präsidentin des BdV, dies sage ich hier in aller Deutlichkeit, ist es zu verdanken, dass sich die Stiftung so erfolgreich weiterentwickeln konnte. Der Kollegin Erika Steinbach gilt in diesem Zusammenhang großer Dank und hohe Anerkennung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP, Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Große Leistung von Erika Steinbach!) Es ist die historische Wahrheit, dass es die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ nicht gäbe, wenn Erika Steinbach als BdV-Präsidentin im Jahr 2000 nicht die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ gegründet hätte, damals mit Pe-

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Aus dem Bundestag ter Glotz an ihrer Seite, der leider Gottes viel zu früh verstorben ist. Erika Steinbach hat die Charta der Heimatvertriebenen als Akt der Selbstüberwindung bezeichnet. Ich glaube, genau das ist es auch. Es ist bemerkenswert, dass in der Präambel der Charta der Gottesbezug mit aufgenommen wurde. Ich darf deutlich machen, dass der progressive Charakter der Charta sehr entscheidend ist, um mit den Worten von George Santayana, einem amerikanischen Philosophen und Schriftsteller, zu sprechen: Wer sich der Geschichte nicht erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen. (Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]) Ich glaube, das sollten wir uns ins Stammbuch schreiben. Ich darf mit dem Schlusssatz der Charta enden, meines Erach-

tens ein herausragendes Dokument: Wir rufen Völker und Menschen auf, die guten Willens sind, Hand anzulegen ans Werk, damit aus Schuld, Unglück, Leid, Armut und Elend für uns alle der Weg in eine bessere Zukunft gefunden wird. Den Sinn dieses Satzes sollten wir uns immer vor Augen halten. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/4193 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Lesermeinung:

Propaganda bei „REPORT MAINZ“ Kritik an ARD-Sendung vom 23. November 2010 über eine „russlanddeutsche“ Mafia in deutschen Gefängnissen. Während der Moderator noch von der „russischen Mafia“ spricht und keiner der im Fernsehbeitrag zu Wort kommenden Personen den Begriff „Russlanddeutsche“ gebraucht, sprechen die Autoren im Hintergrund dauernd nur noch von der „Russlanddeutschen Mafia“. Dabei gibt es diesen Begriff nicht einmal. Die Kenner der Materie wissen, dass es eine solche Mafia im Grunde gar nicht geben kann. Möglicherweise verstehen die Autoren des Beitrags unter der „Russlanddeutschen Mafia“ – wie schon so oft in der Vergangenheit – die sog. „russische Mafia in Deutschland“, sprich die organisierte Kriminalität, die von den Staatsangehörigen der ehemaligen UdSSR bzw. deren Nachfolgestaaten beherrscht wird.

lation oder vielleicht sogar bewusste Propaganda! Nicht einmal bei den im Bericht genannten Personen „Peter Fau“ (?), „Gregor“ (Grigorij?), „Dunja“ (?) hat man es für nötig gehalten darauf hinzuweisen, wann und auf welchem (legalen/illegalen) Wege sie nach Deutschland gekommen

Unseriöse Behauptungen Überhaupt nicht aussagekräftig bis völlig irreführend ist auch die Behauptung in der oben genannten Sendung, dass in der JVA Diez knapp 20 Prozent der Gefangenen „Russlanddeutsche“ seien. Trotz mehrfacher Widerlegung (allgemein und konkret) durch seriöse wissenschaftliche Studien, gibt es solche Behauptungen immer wieder, und zwar OHNE JEDEN NACHWEIS. Einen seriösen Nachweis kann es aber auch nur noch dann geben, wenn man bei allen Personen, die nun zu den „Russlanddeutschen“ gezählt werden sollen (wollen), eine Kopie der Spätaussiedlerbescheinigung (oder auch eines Vertriebenenausweises für diejenigen, die vor 1993 eingereist sind), in den Akten vorliegt bzw. nachträglich eingeholt wird. Alles andere ist eine reine Speku-

In der Bundesrepublik leben inzwischen sehr viele so genannte „russischsprachige“ Menschen, die nichts mit den „Russlanddeutschen“ zu tun haben. Früher hat man sie vielfach alle – auch die Deutschen aus Russland – als „Russen“ bezeichnet. Nun versucht man jeden, der scheinbar russisch spricht als „Russlanddeutschen“ zu bezeichnen. Obwohl sich gerade diese Menschen nachweislich am besten integriert haben, versucht man immer wieder, den Begriff „Russlanddeutsche“ zu diskreditieren: Sogar die viel beschworene „russische Mafia“ wird nun zu einer „russlanddeutschen Mafia“ umdeklariert. Das besonders Tragische dabei: Es stört offensichtlich niemand in unserer Demokratie, dass dadurch Gefühle der Überlebenden oder der Opfer des Kommunismus bzw. deren Nachfahren mit Füßen getreten werden!? An dem Propaganda-Vorwurf würde sich auch dann nichts ändern, sollten die Zahlen für die JVA Diez sogar ausnahmsweise stimmen. Denn angesichts der wissenschaftlich mehrfach belegten Tatsache (Forschungsstudien der LKA Bayern, NRW, Hamburg …), dass die Kriminalitätsrate der Russlanddeutschen unter dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt, würde sich dann die Frage stellen, aus welchem Grund denn die Häftlinge nach „ethnischer Herkunft“ gehäuft untergebracht werden?!

sind. Wenn sie als Aussiedler bzw. Spätaussiedler eingereist sind, dann hätte man den jeweiligen behördlich anerkannten Status (nach dem Bundesvertriebenengesetz, das die Einreise der deutschen Aussiedler als Kriegs- und Genozid-Opfer aus den vom Zweiten Weltkrieg betroffenen Gebieten Osteuropas regelt, angeben können. Dr. Arthur Bechert, Aus den Ländern der ehemaligen UdSSR Bay. Landesvorsitzender des führten und führen weiterhin sehr viele Integrationsvereins russlanddeutscher Wege nach Deutschland. Im Vergleich zu Wissenschaftler und Akademiker e. V. diversen Migranten kann der Zuzug russlanddeutscher Spätaussiedler inzwischen sogar komplett vernachlässigt werden, so Anmerkung: Leserbriefe geben die Meiminimal sind die tatsächlichen Aufnah- nung des Verfassers und nicht in jedem Fall die der Redaktion wieder. mezahlen geworden!

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Kulturhinweise

Film „HABERMANN“ – jetzt bundesweit im Kino Der junge Unternehmer August Habermann (MARK WASCHKE) lebt Anfang der Dreißigerjahre als angesehener Bürger in einem kleinen Dorf im Sudetenland. Seit vier Generationen betreibt seine Familie dort das größte Sägewerk im Umkreis. Als er seine bildhübsche Frau Jana (HANNAH HERZSPRUNG), eine

Das mit hochkarätigen und preisgekrönten Darstellern wie Mark Waschke, Hannah Herzsprung, Franziska Weisz und Ben Becker exzellent besetzte Drama HABERMANN wurde im Januar 2010 bereits mit zwei Bayerischen Filmpreisen ausgezeichnet: Juraj Herz erhielt die Auszeichnung für die beste Regie, Mark Waschke wurde als bester Darsteller geehrt. HABERMANN ist der erste Spielfilm, den Deutschland und Tschechien gemeinsam über das dunkle Kapitel der Sudetenvertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg gedreht haben. Bis zu drei Millionen Menschen wurden nach 1945 gewaltsam aus ihrer früheren Heimat ausgewiesen. Das Thema Sudetendeutsche belastet bis heute die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Die Produktion von Juraj Herz ist daher ohne Übertreibung von einer wahrhaft historischen Bedeutung.

Terminhinweise

Halbjüdin, heiratet, freut sich jeder mit dem Paar. Aber die friedlichen Zeiten enden jäh: Die Deutschen holen das Sudetenland „heim ins Reich“. Anfangs zeigt sich nur Augusts jüngerer Bruder Hans (WILSON GONZALEZ OCHSENKNECHT) vom Nationalsozialismus infiziert. Doch schon bald geht ein tiefer Riss durch die gesamte Gemeinde. Der intrigante Sturmbannführer Koslowski (BEN BECKER) herrscht im Dorf mit einer perfiden Mischung aus Willkür und Gewalt, und Habermanns Gattin Jana bedrängt er massiv. Der unpolitische Habermann gerät unversehens zwischen alle Fronten – den Nazis gilt er als Tschechenfreund, für die Tschechen ist er plötzlich kein Mitbürger mehr, sondern ein verhasster Besatzer … Die deutsch-tschechisch-österreichische Co-Produktion von Juraj Herz beruht auf wahren Begebenheiten. In opulenten Bildern erzählt der beeindruckende Spielfilm die ergreifende Geschichte von einer moralisch anständigen Familie, die in den finsteren Zeiten des Zweiten Weltkrieges tief hinein gerissen wird in einen verhängnisvollen Strudel aus Neid, Verrat, Hass und Gewalt.

PHOENIX 28. Januar 2011, 20.15 Uhr „Die Gustloff. Hafen der Hoffnung“ 앲 Landesversammlung des BdV Bayern mit Neuwahlen Samstag, 28. Mai, 10.00 Uhr Sudetendeutsches Haus München 앲 Tag der Heimat Eröffnung in Berlin Samstag, 27 August ICC-Kongresszentrum „Wahrheit und Dialog – Schüssel zur Verständigung“

Unser Spendenkonto:

BdV-Landesverband Bayern HypoVereinsbank München Konto 803 (BLZ 700 202 70)

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Vondracek erhält Franz-WerfelMenschenrechtspreis Nach einer einstimmig getroffenen Entscheidung der zuständigen Jury wurde der tschechische Filmemacher David Vondracek mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis 2010 der Stiftung „ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN“ ausgezeichnet. Die Stiftung würdigt damit das mutige Eintreten Vondraceks für Wahrheit und Anteilnahme an der deutsch-tschechischen Nachkriegsgeschichte. In seinem Dokumentarfilm mit dem Titel „Töten auf Tschechisch“ behandelt der Regisseur die Ermordung deutscher Zivilisten in der Tschechoslowakei kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Darin zeigt er auch Amateuraufnahmen eines Massakers an deutschen Zivilisten, mutmaßlich durch tschechische Milizionäre und Soldaten der Roten Armee. Der Film sei „eine mutige Tat“, sowohl des Regisseurs, als auch des tschechischen Fernsehens. Dieses hatte den Film im Mai zur besten Sendezeit gezeigt. Für das Zeichen der Anteilnahme gebühre, so die Jury, allen Beteiligten Dank. Die Aufnahmen seien erschütternd. Die Tatsache, dass die tschechischdeutsche-österreichische Co-Produktion in Tschechien produziert und gezeigt werde, belege, dass im Nachbarland ein Aufarbeitungsprozess in Gang gekommen sei, der auch die bitteren Seiten der eigenen Geschichte nicht ausspare. Die Preisverleihung die am 28. November in der Frankfurter Paulskirche stattfand stand unter der Schirmherrschaft des Staatsministers und Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bernd Neumann. Die Laudatio hielt der tschechische Publizist Petr Uhl. Er gehörte als Dissident zu den ersten Unterzeichnern der „Charta 77“. Mit der Verleihung des Franz-WerfelMenschenrechtspreises setzt die Stiftung „ZENTRUM GEGEN VERTREIBUNGEN“ einen Auftrag ihrer Satzung um. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis ist benannt nach dem jüdischen Schriftsteller Franz Werfel (1890–1945), der mit seinem Roman „Die 40 Tage des Musa Dagh“ die Vertreibung der Armenier aus der Türkei und den Genozid eindringlich, wirkungsvoll und mit großer künstlerischer Gestaltungskraft dargestellt hat. Er wird alle zwei Jahre vergeben.


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Podiumsdiskussion in Augsburg

Viele fühlen sich nicht willkommen Staatssekretär Bergner diskutiert über Lebenslage der Russlanddeutschen

Der Bezirksverband der CSU Augsburg hatte den Parlamentarischen Staatssekretär und Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationaler Minderheiten, Christoph Bergner, in den Saal der Pfarrei „Zum Guten Hirten“ zu einer Podiumsdiskussion geladen. Gemeinsam mit dem städtischen Integrationsbeauftragten Robert Vogl und dem Bundestagsabgeordneten Dr. Christian Ruck (CSU), diskutierte er mit Vertretern von Aussiedlerverbänden die Fortschritte und Probleme bei der Integration der Deutschen aus Russland. In seinem Vortrag erinnerte Bergner an die Stalin-Dekrete und die damit verbundene Unterdrückung, Verfolgung und Deportation der Russlanddeutschen. „Wir sind zu besonderer Solidarität mit diesem Teil unseres Volkes verpflichtet“, beton-

zubauen, um Verbesserungen für die Betroffenen zu erzielen, versprach Christoph Bergner. Er appellierte an die Spätaussiedler, sich politisch stärker auf allen politischen Ebenen zu engagieren. Es seien bislang über 2,3 Millionen Deutsche aus Russland in die Bundesrepublik gekommen. Die Tatsache, dass kein Vertreter von ihnen eiPolitisch stärker engagieren nen Sitz im Bundestag habe, sei „ein UnIn einem neuen Anerkennungsgesetz, das ding“. Auch in den Landtagen und kom2011 verabschiedet werden soll, sei vor- munalen Gremien fehlten sie weitgehend. Text und Fotos: W. Föllmer gesehen, Hürden in diesem Bereich ab-

dass Aussiedler zwar das Recht auf ein Anerkennungsverfahren hätten, in der Praxis aber selten wieder in ihrem alten Beruf Fuß fassen könnten. „Wir haben nicht erwartet mit Blumen empfangen zu werden, sind aber gerade bei der beruflichen Qualifikation auf große Hürden gestoßen.“

Russlanddeutsche sind Deutsche te er. Hitler habe in einem verbrecherischen Akt die Sowjetunion überfallen und Stalin sich anschließend an den Deutschen in seinem Land gerächt. Auf die heutige Situation bezogen sei es problematisch, deutsche Aussiedler als „Menschen mit Migrationshintergrund“ zu bezeichnen. „Ich warne davor, statistische Begriffe zu weit auszulegen. Für mich ist es ganz wichtig, Deutsche aus Russland ‚als Deutsche‘ wahrzunehmen.“ Breiten Raum nahm die Diskussion über die Probleme bei der Anerkennung von ausländischen Studien- und Berufsabschlüssen ein. Juri Heiser, Sprecher der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in der Fuggerstadt, bestätigte,

Quer durch das ganze Land trafen sich in den vergangenen Wochen Erlebnis- und Bekenntnisgeneration der deutschen Heimatvertriebenen zu Advents- und Weihnachtsfeiern. Unser Bild zeigt die Zusammenkunft der Schlesier im Augsburger Kolpinghaus. Kreisvorsitzender Götz B. Pfeiffer hatte mit Else Eifler, Brigitte Häuser, Irmgard Kurt, J. Beck und dem evangelischen Pfarrer Pawelke ein abwechslungsreiches Programm aufgestellt, mit dem an die Weihnachtszeit in der alten Heimat zum Teil auch mit Mundartbeiträgen lebendig erinnert wurde. Auch BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer gab traditionell „seiner Kreisgruppe“ wieder die Ehre. Foto: Götz B. Pfeiffer

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Siebenbürgisch-Sächsische Jugend

Große Begeisterung beim Volkstanzwettbewerb Hunderte junger Menschen bekennen sich zur Tradition Der diesjährige Volkstanzwettbewerb der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) fand am 30. Oktober unter dem Motto „Ich gehör’ dazu! Du auch?“ statt. 13 Tanzgruppen aus ganz Deutschland hatten sich in der Aula der Reischleschen Wirtschaftsschule in Augsburg eingefunden. Die Teilnehmer am Wettbewerb kamen aus Augsburg, Aschaffenburg, Biberach, Geretsried, Heilbronn, Herzogenaurach, Ingolstadt, München, Nürnberg, Stuttgart und Traunreut. Mit dem Einmarsch der Tänzerinnen und Tänzer und der Vorstellungsrunde durch die Vertreter der einzelnen Gruppen wurde das kulturelle Zahlreiche Ehrengäste Highlight eröffnet. Die Kindertanzgruppe Augsburg führte nach den Grußworten des scheidenden Bundesjugendleiters und stellvertretenden Bundesvorsitzenden, Rainer Lehni, und weiterer Redner zwei Tänze vor. Als Ehrengäste konnte die SJD BdV-Vizepräsidenten Landrat Christian Knauer, die Landesvorsitzende

des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Bayern, Herta Daniel, sowie den Vorsitzenden der Kreisgruppe Augsburg, Gottfried Schwarz, begrüßen. Auch die stellvertretende Bundesvorsitzende Doris Hutter und die siebenbürgischen Kulturreferenten aus Bayern gaben sich ein Stelldichein. Erfahrene Juroren Als Juroren fungierten Ingeborg Pfleger, Donald Graalherr und Erich Utz, die sich im Bereich des bayerischen Volkstanzes einen Namen gemacht haben. Für die Trachtenbewertung konnte mit Maria Schenker eine ausgewiesene Expertin gewonnen werden. Die aus vier Paaren bestehenden Tanzgruppen hatten als Pflichttanz die „Walzquadrille“ aufzuführen. Hier und mit ihren Kürtänzen lösten sie bei den über 600 Gästen erste Beifallsstürme aus. Ein gigantisches und farbenprächtiges Bild zeigte sich beim gemeinschaftlichen Aufmarsch der Teilnehmer vor Verkündung der Wettbewerbsergebnisse. Dabei war

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ein starkes Gemeinschafts- und Zugehörigkeitsgefühl deutlich zu spüren. Ganz offen wurde der Wunsch laut, diese einmalige Gemeinschaft erhalten zu wollen. In den aktiven Jugendlichen sieht man eine wichtige Stütze für eine erfolgreiche Zukunftsarbeit. Begeisterungsstürme gab es dann für die Sieger: Die Tanzgruppe aus Biberach hatte sich vor ihren Konkurrenten aus München und Geretsried durchgesetzt. Dass auch in diesem Jahr der Volkstanzwettbewerb der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend von sehr hohem Niveau geprägt war und die tänzerischen Fähigkeiten sich durchwegs sehen lassen konnten, beKulturelles Highlight stätigten später auch die Schiedsrichter. BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer: „Das war ein kulturelles ,Highlight‘ für die ganze Region.“ Bis in die Morgenstunden wurde dann beim Herbstball der SJD gefeiert. Für gute Stimmung sorgte hier die „IndexBand“. H. D.


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„Den Landsmannschaften bleiben die Jungen weg“ djo-Seminar erarbeitet viele Anregungen – BdV greift Ball auf

Die „Zukunft der kulturellen Breitenarbeit“ hatte die djo – Deutsche Jugend in Europa in den Mittelpunkt eines Seminars im Haus des Deutschen Ostens am 27. November gestellt. Unter Leitung von Landesvorsitzender Birgit Unfug und moderiert von Landesgeschäftsführers Peter Hillebrand diskutierten rund 20 Jugendliche und Erwachsene aus den verschiedensten landsmannschaftlichen Jugendverbänden über Möglichkeiten, junge Menschen auch künftig für die Anliegen der Vertriebenenverbände und die ost-

deutsche Kulturarbeit zu interessieren und zur Mitarbeit zu gewinnen. Nach ausführlichen Statements von Regierungsdirektor Dr. Wolfgang Freytag aus dem Bayerischen Sozialministerium und dem Geschäftsführer der Kommission für die Geschichte der Deutschen in Polen, Harald Schäfer, zuständig auch für die ostdeutsche Kulturarbeit in Hessen, schloss sich eine rege und intensive Diskussion und Gruppenarbeit an. Dabei war man sich einig, dass es keine Patentrezepte für eine erfolgreiche An-

sprache junger Menschen gäbe. Erfreulich war aber die Vielzahl von Anregungen hierfür, die nunmehr von der djo auf ihren praktischen Nutzen hin geprüft werden sollen. BdV-Landesvorsitzender Knauer begrüßte die Veranstaltung der Jugendorganisation. Auf der Sitzung des Landesvorstandes Anfang Dezember wurde angeregt, im Laufe des neuen Jahres eine gemeinsame Veranstaltung zum gleichen Thema zwischen Vertretern der Landsmannschaften und der djo ins Auge zu fassen.

Russlanddeutsche präsentierten ihre Kultur

Zu einem großen Kulturfestival mit Musik, Tanz, Gesang und Lesungen hatte die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland im Herbst nach München in den Arnulfpark eingeladen. Projektleiterin Olga Gusch hob hervor, dass die Vereinten Nationen das Jahr 2010 zum „Internationalen Jahr zur Erhaltung der Kulturen“ erklärt habe. In einem fast dreistündigen Programm begeisterten die Kulturgruppen die zahlreichen Gäste, die sich immer wieder zu Beifallstürmen hinreißen ließen. Text und Bilder: W. Föllmer

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Stadt Pfaffenhofen/Ilm tritt Stiftung bei Bürgermeister Thomas Herker (SPD) legt klares Bekenntnis ab Seit Dezember ist die oberbayerische Kreisstadt Pfaffenhofen/Ilm Mitglied der gemeinnützigen Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“. Bürgermeister Thomas Herker (SPD) freute sich über einen einstimmigen Beschluss des zuständigen Kulturausschusses. Die Mitgliedschaft seiner Heimatgemeinde bezeichnete er als „dringend nötig“, da die Heimatvertriebenen diese nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich mitgeprägt hätten. Motiv des Beitritts sei nicht die Bewältigung einer gemeinsamen tragischen Ver-

gangenheit, sondern die Würdigung von ergreifenden Einzelschicksalen. Bereits beim Tag der Heimat hatte Herker diese in eindrucksvoller Weise herausgestellt. Als „Zeichen der Solidarität zwischen Vertriebenen und Nichtvertriebenen“ wertete Stiftungsratvorsitzende Erika Steinbach, MdB, den Schritt der Stadt. Mit der Patenschaft würdige Pfaffenhofen auch den Einsatz der Stiftung gegen Vertreibung, Völkermord sowie für Verständigung und Aussöhnung. Seit der Gründung im Jahre 2000 sind

über 400 Gemeinden aus ganz Deutschland Paten der Stiftung geworden. Hierzu zählt auch Pfaffenhofens Nachbarmarktgemeinde Manching. Dank ihrer finanziellen Beiträge und der Zuwendungen der Patenländer Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachen und vieler Einzelspenden ist sie in der Lage, bei den Themen Vertreibung, Völkermord, Verständigung wichtige Akzente zu setzen. Derzeit wird an einer Ausstellung zur Integration der deutschen Heimatvertriebenen gearbeitet.

Zuversicht beim BdV-Kreisverband Landsberg/Lech Zur turnusmäßigen Kreisversammlung hatte BdV-Vorsitzender Gerhard Kuznik die Vorstände der landsmannschaftlichen Gruppierungen im oberbayerischen Landkreis Landsberg nach Kaufering eingeladen. Er berichtete über den erfolgreichen Verlauf der Veranstaltungen zum „Tag der Heimat“ in der Kreisstadt und ließ die vielfältigen weiteren Aktivitäten Revue passieren. Dabei appellierte er an die Mitgliedsverbände sich noch stärker als bisher im BdV-Kreisverband zu engagieren. Ziel sei es, künftige Veranstaltungen mit neuen Akzenten zu versehen und erfolgreich durchzuführen. Optimistisch in die Zukunft blicken die Verantwortlichen des BdV in Landsberg. Unser Bild zeigt Kreisvorsitzenden Gerhard Kuznik (Mitte sitzend) und BdV-Landesgeschäftsführer Walter Föllmer (stehend). Text/Fotos: W. Föllmer

BdV-Landesgeschäftsführer Walter Föllmer, der als Ehrengast die Veranstaltung aufwertete, erläuterte in einem Kurzreferat die aktuellen Themen im BdV-Landesverband und die Arbeit in der Geschäftsstelle. Die Nachwuchsgewinnung sei eines der Hauptthemen mit denen sich die Landsmannschaften auseinander zu setzen hätten. Hier wolle der Bund der Vertriebenen eng mit seiner Jugendorganisation, der djo – Deutsche Jugend in Europa zusammenarbeiten. Er appellierte an die Mitglieder sich gerade in der mittleren Generation um neue Mitstreiter umzusehen. Gemeinsam mit dem Kreisvorsitzenden Gerhard Kuznik freute er sich über die neue Gedenkstätte für die Heimatvertriebenen in Kaufering. Die Marktgemeinde hatte diese wenige Monate zuvor Neuer Gedenkstein für „Alle die ihre Hei- an exponierter Stelle in Kaufering ermat verloren haben“ in Kaufering. richtet.

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Beratungsstelle Bund der Vertriebenen Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern e. V. Am Lilienberg 5 · 81669 München Ansprechpartner: Dietmar Kräch Telefon (0 89) 44 14 03 79 Telefon (0 89) 48 14 47 Fax (0 89) 48 26 21 E-mail: kraech@bdv-bayern.de Internet: www.bdv-bayern.de


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Ostpreußen in Augsburg feiern ihr 60-Jähriges

Im festlichen Rahmen erinnerten am 14. November die Mitglieder der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen in Augsburg an ihre Gründung vor genau 60 Jahren. In den bis auf den letzten Platz besetzten Zirbelstuben des Hotels Augusta hatten sich auch zahlreiche Ehrengäste eingefunden. Es war Kreisvorsitzendem Johannes Behrendt gelungen, BdVLandesvorsitzenden Landrat Christian Knauer als Festredner zu gewinnen. Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl, der von

Stadtrat Erwin Gerblinger begleitet wurde, überbrachte die Grüße der Fuggerstadt. Dabei würdigte er die Aufbauleistungen der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dr. Christian Ruck, sicherte in seinem Grußwort den Landsleuten seine Verbundenheit und Unterstützung zu. Auch die befreundeten Landsmannschaften waren zahlreich vertreten. So gaben sich neben dem Landesvorsitzenden der

Landsmannschaft Pommern, Ernst Schroeder, der schwäbische Bezirksvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Armin Brand, und der Kreisvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Juri Heiser, ein Stelldichein. Die Grüße des Landesverbandes der Ostund Westpreußen überbrachte deren Landesvorsitzender Friedrich Wilhelm Böld. Musikalisch umrahmt wurde die Geburtstagsveranstaltung durch den Ostpreußischen Sängerkreis.

Neues aus dem Landesverband Kontinuität zeichneten die letzten Landesversammlungen der Landsmannschaften aus. Peter Dietmar Leber wurde am 13. November als Landesvorsitzender der Banater Schwaben wiedergewählt. Sein sudetendeutscher Kollege Franz Norbert Pany war im Oktober mit großer Mehrheit in seinem Amt bestätigt worden. Als Stellvertreter stehen ihm Eberhard Heiser, Forchheim, Sigrid Leneis, Altdorf, Johann Slezak, München, Christl Wagner, Unterschleißheim, und Felix VogtGruber, Gundelfingen, zur Seite. 앲 Keine Veränderungen gab es an der Spitze des BdV-Mittelfranken. Hier wurde Herbert Müller aus Weißenburg auf der Jahreshauptversammlung am 2. Oktober wiedergewählt. Im BdVKreisverband Weiden-Neustadt wurde am selben Tag Max Strecker als Kreisvorsitzender bestätigt. Eine Veränderung gab es im Kreisverband Rosenheim der LM der Deutschen aus

Russland. Hier wurde am 9. Oktober Olga Stuckert, Nachfolgerin des langjährigen Kreisvorsitzenden Alexander Bock. 앲 Bei den turnusmäßigen Neuwahlen der Pommerschen Landsmannschaft, Kreisgruppe München, wurde am 10. November Hans Georg Grams in seinem Amt als Vorsitzender bestätigt. 앲 Unter Leitung des BdV-Landesgeschäftsführers Walter Föllmer wurde für den Bereich Moosburg-Freising am 13. November ein neuer BdV-Kreisverband gegründet. An die Spitze der Gliederung wurde Rudolf Haberkorn berufen 앲 Heidemarie Weber steht auch weiterhin an der Spitze der Kreisgruppe München des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in München. Sie wurde am 21. November bei der Mitglie-

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derversammlung im Sudetendeutschen Haus in ihrem Amt bestätigt. Der 1200 Mitglieder zählende Verein feierte gleichzeitig sein 60-jährigen Gründungsjubiläum. Dabei ehrte die Landesvorsitzende des Verbandes, Herta Daniel, verdiente Mitglieder, darunter das Ehepaar Emmi und Hans Knall, das zu den Mitbegründern der Kreisguppe zählt. Mit dem Silbernen Ehrenwappen wurden die Leiterin der Kindertanzgruppe, Heidi Krempels und Andreas Roth, Betreuer der Jugendtanzgruppe, ausgezeichnet. Roth bekleidet zugleich das Amt des stellvertretenden Kreisgruppenvorsitzenden und engagiert sich in besonderer Weise für die Pflege des Kulturgutes.

Geschäftsstelle des Integrationsbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung Schellingstr. 155 · 80797 München Telefon 089/1261-1984 Fax 089/1261-1987


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Altkreisräte informieren sich über BdV-Arbeit Auf Einladung der Vereinigung ehemaliger Kreisräte und Bürgermeister des Landkreises Aichach-Friedberg referierte BdV-Landesgeschäftsführer Walter Föllmer am 28. Oktober 2010 in Dasing über die Tätigkeit des Bundes der Vertriebenen in Bayern. In einer ausführlichen Diskussion über die Zukunft der Vertriebenenverbände, wurden auch die Boykotthaltung von SPD und FDP zur Entsendung von BdV-Präsidentin Erika Steinbach in die Vertriebenenstiftung, das Verhältnis der politischen Parteien in Deutschland zum BdV und die Frage aktueller Kontakte insbesondere zu Polen und Tschechien erläutert. Erfreut waren die „Ruhestandspolitiker“ über die Tatsache, dass weiterhin alljährlich der „Tag der Heimat“ unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt werde.

Johann Böhm Festredner bei SL Gundelfingen Ihr 60-jähriges Vereinsjubiläum mit Weihe einer prächtigen neuen Fahne konnte die Sudetendeutsche Landsmannschaft in Gundelfingen feiern. Hierzu hatte Vorsitzender Felix Vogt-Gruber ein umfangreiches Festprogramm zusammengestellt. Besonders bemerkenswert ist, dass die Ortsgruppe in den letzten Jahren konstant an Mitgliedern zulegen konnte und einen großen Beitrag zur Sozial- und Jugendarbeit leistet. Im Mittelpunkt der Festveranstaltung stand die Rede des vormaligen Sprechers

der Sudetendeutschen Volksgruppe, Landtagspräsident a. D. Johann Böhm. Grußworte entboten Schirmherr Bürgermeister Franz Kukler, FDP-Landtagsabgeordneter Prof. Dr. Georg Barfuß und Landrat Leo Schrell. Engagement ist Herzenssache Die Feier wurde von einem abwechslungsreichen Kulturprogramm umrahmt. Die von den Zuhörern begeistert aufgenommenen Darbietungen reichten von denen der Jugendtanzgruppe „Brenzta-

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ler“ über einen Liedvortrag von Schubertwerken der jungen Künstlerin Katharina Brandel bis hin zu Beiträgen des Chores der Deutschen aus Russland. In seiner Replik stellte Obmann VogtGruber heraus, dass es ihm ein Herzensanliegen sei, die historischen Leistungen der Sudetendeutschen sowie aller deutscher Heimatvertriebener auch künftig in lebendiger Erinnerung zu halten. Er danke all jenen, die in der Vergangenheit mit dazu beigetragen hätten, die Landsmannschaft zum Blühen zu bringen.


Aus den Verbänden

Karpatendeutsche Landsmannschaft der Slowakei mit neuem Vorsitzenden Zur Landesversammlung mit Neuwahlen hatte die Karpatendeutsche Landsmannschaft am 20. Oktober ins Haus des Deutschen Ostens eingeladen. Der scheidende Landesvorsitzende Dr. Peter Kalus gab einen Rückblick auf zahlreiche Aktivitäten in den letzten Jahren. Er bat um Verständnis, dass er sein Amt nunmehr in jüngere Hände legen wolle. Bei den Neuwahlen wurde Kalus bisheriger Stellvertreter, der niederbayerische Landtagsabgeordnete Josef Zellmeier einstimmig zu dessen Nachfolger gewählt. Als Stellvertreter stehen ihm Hans Horvath und Dr. Peter Kalus zur Seite. Das Amt des Schriftführers liegt weiter in den Händen von August Hanula; Frauenvertreterin ist Brunhilde Reitmeir-Zwick. Beisitzer sind Arnold Eiben und Karl Rusch. Als Jugendvertreterin gehört Frau Paludjaj, die einer bekannten altungarischen Familie angehört, neu zum Führungskreis. Josef Zellmeier dankte seinem Vorgänger für seinen unermüdlichen Einsatz für die Belange seiner Landsleute. Respekt zollte er auch dem als Gast anwesenden Generalkonsul der Slowakei, Frantisek Zemanovic, für dessen großes Verständnis für die Belange der Landsmannschaft. BdV-Landesgeschäftsführer Walter Föllmer überbrachte die Glückwünsche des BdV-Landesverbandes. Er wies in seinem Grußwort besonders darauf hin, dass der BdV die guten Beziehungen zwischen der Landsmannschaft und der slowakischen Regierung sehr begrüße und schätze. Anschließend stellte sich der neue Visitator für die Karpatendeutschen, Geistlicher Rat Karl Wuchterl, vor und berichtete über seine Tätigkeiten und Ideen für die neue Aufgabe.

Homepage neu gestaltet Seit einigen Monaten wird die BdV-Homepage www.bdv-bayern.de verstärkt aufgerufen. Wir bemühen uns, die Informationen möglichst aktuell zu halten. Sie finden auf unseren Seiten nicht nur einen genauen Überblick über die Struktur des BdV Bayern und seiner Landsmannschaften, sondern auch die Namen der Verantwortlichen und ihre Ansprechmöglichkeiten. Weiter präsentieren wir aktuelle Presseund Hintergrundberichte zu Fragen der

Vertriebenen- und Aussiedlerarbeit, historische Überblicke über die Heimatlandschaften sowie viele weitere interessante Fakten. Die Rubrik „Termine“ gibt Ihnen eine Übersicht über Veranstaltungen des BdV und der Landsmannschaften. Wir bitten uns Termine rechtzeitig zu melden und freuen uns über Fotos und Berichte. Anregungen, Verbesserungsvorschläge aber auch Kritik nehmen wir gerne entgegen.

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Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ Spendenkonto: Deutsche Bank Konto 311 2000 BLZ 380 700 24


Aus den Verbänden

Sudetendeutsche feiern in Wertingen Bürgermeister Lehmeier würdigt Leistungen Im vollbesetzten Saal des Landgasthofs Stark erinnerten sich die Mitglieder der Sudetendeutschen Volksgruppe in Wertingen an ihre Gründung vor 60 Jahren. Dazu konnte Obfrau Emmi Arbes eine große Anzahl von Gästen, an der Spitze SL-Bundesvorsitzenden Franz Pany, begrüßen. Die Feier wurde moderiert von einer der fünf Töchter der Obfrau, die alle bei der Ortsgruppe aktiv sind. Landratsstellvertreter Alfred Schneid und Bürgermeister Willy Lehmeier würdigten in ihren Grußworten die Aufbauleistung der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Sudetendeutschen hätten damals eine Reihe von neuen Unternehmen im Landkreis gegründet und damit bis zum heutigen Tage viele Arbeitsplätze geschaffen. Rudolf Schönauer, Ehrenbezirksobmann der SL Schwaben und einer der Gründer des Wertinger Verbandes, hob in einer kurzen Ansprache hervor, dass es der Ortsgruppe gelungen sei, Brücken zwischen alter und neuer Heimat, Einheimischen und Vertriebenen sowie Jung und Alt zu schlagen. Umrahmt wurde die Feier durch die Kapelle „UNS“, die Singgruppe der Egerländer Gmoi aus Herbertshofen, und Adolf Bier, der die Totenehrung mit einem Trompetenstück festlich umrahmte. Bild oben: Blick in die Festversammlung (v. l.) SL-Obfrau Emmi Arbes mit Tochter, Ehrenbezirksobmann Rudolf Schönauer, stv. Landrat Alfred Schneid, Kreisobmann Josef Endres. Bild unten: Engagierte Mitstreiterinnen in der Sudetendeutschen Landsmannschaft mit Vorbildcharakter. SL-Obfrau Arbes mit ihren fünf Töchtern. Bilder und Text: W. Föllmer

Rückenwind für das Sudetendeutsche Museum „Das Regierungsprogramm ,Aufbruch Bayern‘ bedeutet Rückenwind für das Sudetendeutsche Museum. Dieses Museum ist eine wichtige zukunftsorientierte Aufgabe. Nur wer sich der eigenen Geschichte bewusst ist, kann auch die Zukunft gut gestalten. Die Leistungen und das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen sind Teil unserer gemeinsamen Geschichte und Kultur. Das Bayerische Sozialministerium unterstützt daher die Sudetendeutschen bei der Pla-

nung dieses Museums bereits von Anfang an nachhaltig. Jetzt wird der Freistaat im Zukunftsprogramm ,Aufbruch Bayern‘ für die Vorbereitung dieses Museums zusätzlich 200.000 Euro bereit stellen“, so Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer. „Vor einigen Tagen wurde durch den Besuch des Bayerischen Ministerpräsidenten in Prag ein neues Kapitel zwischen Bayern und der Tschechischen Republik aufgeschlagen. Zum vereinbarten enge-

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ren Miteinander gehört es auch, dass die Sudetendeutschen mit der tschechischen Seite intensiv zusammenarbeiten, die derzeit in Aussig ein Museum zur Geschichte Böhmens errichtet. Mit den Mitteln aus dem Regierungsprogramm fördern wir diesen grenzüberschreitenden Meinungsaustausch. Das stärkt unseren 4. Stamm, das stärkt Bayern. Ich begrüße diese enge Zusammenarbeit und werde sie nachdrücklich unterstützen“, erklärte Haderthauer abschließend.


HDO-Jubiläum

40 Jahre Haus des Deutschen Ostens in München Eine einzigartige Erfolgsgeschichte

Mit einer Jubiläumswoche feierte das Haus des Deutschen Ostens im Oktober 2010 sein 40-jähriges Jubiläum. Höhepunkt dieser Feiern war ein Festakt im Senatssaal des Maximilianeums am 12. Oktober 2010. Nach der Begrüßung durch Landtagspräsidentin Barbara Stamm überbrachte Prof. Dr. Manfred Kittel, Vorsit-

zender des Beirats des Hauses des Deutschen Ostens, auch die Grüße der Stiftung „Flucht, Vertreibung und Versöhnung“ in Berlin, deren Direktor er ist. Staatsministerin Christine Haderthauer grüßte per Videobotschaft, bevor der Leiter des HDO, Dr. Ortfried Kotzian, einen ausführlichen Bericht über die Entwick-

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lung der Einrichtung in den letzten 40 Jahren gab. Landrat Christian Knauer überbrachte die Grüße des Bundes der Vertriebenen. Verbindende Worte zwischen den Reden und musikalischen Darbietungen sprach in charmanter Weise Brigitte Steinert, stellvertretende Direktorin des Hauses.


HDO-Jubiläum

Studienreise des Hauses des Deutschen Ostens nach Südungarn

Auf der Suche nach den Ursprüngen der deutschen Besiedelung in Südungarn besuchten die Teilnehmer der HDO-Studienreise 2010 die historischen Schlachtfelder zwischen Pecs (Fünfkirchen), Szigetvar und Mohacs. Im Jahr 1526 hatte in der Nähe von Mohacs eine türkische Streitmacht unter der Führung von Süleyman dem Prächtigen den entscheidenden Sieg über das kaiserliche österreichische Heer errungen. Damit begann die Herrschaft des Osmanischen Reiches, die über 150 Jahre dauerte und deutliche Spuren hinterließ. Erst

im Jahr 1687 kam es wiederum in der Nähe von Mohacs zur Entscheidungsschlacht und nach der Niederlage der osmanischen Armee nach und nach zum Rückzug aus den besetzten südosteuropäischen Ländern. Die Kriege hatten für die Bevölkerung schreckliche Folgen. Das flache Land war so gut wie menschenleer. Dies war die Zeit der deutschen Siedler, die von den dortigen Herrschern ins Land gerufen wurden und die Weiten Südungarns unter den Pflug nahmen, bis in den Jahren 1944/45 Hunderttausende vor der herannahenden Sowjetarmee flüchteten, vertrieben oder zu jahrelanger Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt wurden. Die Spuren der deutschen Besiedelung sind aber lebendig. In Pecs (Fünfkirchen), 2010 Kulturhauptstadt Europas, gibt es einen sehr aktiven „Nikolaus-Lenau-Kulturverein“. Das Lenauer-Haus wurde mit finanzieller Unterstützung Deutschlands und deutscher Organisationen 1989 in Betrieb genommen. Die Aufgabe des Vereins ist es, der deutschen Minderheit bei der Wiedergewinnung und Behauptung ihrer kulturellen Identität zu helfen und dabei Sitten, Bräuche und Liedgut der Ungarndeutschen zu bewahren. „Die Deutsche Minderheit muss eine lebendige Brücke zwischen unserem Herkunftsland Deutschland und Ungarn bilden“, betonte Dr. Janus Habel, der die

Gruppe nicht nur durch Fünfkirchen, sondern auch durch die deutschen Dörfer im Süden des Landes führte. Dort gab es Gelegenheit die Ortschaft Nagynyarad (Großnaarad), ein ungarndeutsches Dorf mit Barockkirche und deutschem Friedhof, zu besichtigen. Auf dem Friedhof, dessen Grabsteine überwiegend mit deutschen Namen und in deutscher Sprache beschriftet sind, trafen die Teilnehmer auf Frau Beck (siehe Foto), die als Zeitzeugin das Ende des Kriegs und die harten Jahre unter der kommunistischen Herrschaft erleben musste. W. F.

HDO besucht „Südmährische Galerie“ Lob von Ministerin Christine Haderthauer Die erste Station der Studienreise 2010 zen im Sinne eines gemeinsamen Euro„Bayern hat das Haus des Deutschen Ostens vor 40 Jahren als Geschenk an die vertriebenen Mitbürger errichtet. Seitdem unterstützt es mit großem Erfolg die Pflege der Kultur der Heimatvertriebenen. Zudem hat es sich in den letzten 40 Jahren zu einer zentralen Bildungsstätte entwickelt, die bis über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt ist. Das Haus des Deutschen Ostens sollte lebendiges Begegnungszentrum werden und das ist bestens gelungen! Diese großartige Erfolgsgeschichte verdanken wir allen, die dieses Haus seit 40 Jahren begleiten und stützen. Als Bayerische Sozialministerin bin ich stolz darauf, ein solches Fach- und Förderzentrum für die deutschen Vertriebenen, Flüchtlinge und Spätaussiedler zu haben.“

des Hauses des Deutschen Ostens in München führte in die österreichische Weinstadt Retz, an der Grenze zu Südmähren. Die Stadt betreibt seit rund 180 Jahren eine Heimatsammlung, der die „Südmährische Galerie“ angegliedert ist. Dr. Hellmut Bornemann, aus Südmähren vertrieben und inzwischen in der Landeshauptstadt lebend, sammelte sein ganzes Leben lang Kunstgegenstände und Bilder, die entweder von südmährischen oder dort wirkenden Künstlern geschaffen wurden. Seine zunächst private Sammlung brachte er in eine Stiftung ein, die nun die Galerie betreibt. In dieser wird in vorbildlicher Weise das Thema Südmähren behandelt und dadurch das Gedächtnis der Heimat lebendig erhalten sowie eine Brücke über die Gren-

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pas geschlagen. Dr. Ortfried Kotzian, Direktor des HDO und Leiter der Besuchergruppe, bekundete seinen besonderen Respekt gegenüber Dr. Bornemann, der die Gruppe auch persönlich durch die Galerie führte. Von besonderem Interesse für die Teilnehmer war, dass die Nachbarstädte Retz und das tschechische Znaim inzwischen eine Partnerschaft eingegangen sind. Mit einem gemeinsam herausgegebenen zweisprachigen Stadtprospekt „RetzZnojmo – Kultur & Genuss ohne Grenzen“ werben sie erfolgreich für die Region. Unter den rund 30 Teilnehmern hatte sich auch BdV-Landesgeschäftsführer Walter Föllmer interessiert gezeigt.


Wissenschaftlicher Beraterkreis der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ Der Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ hat auf seiner Sitzung vom 22. November in Berlin die Mitglieder für den Wissenschaftlichen Beraterkreis mit überwältigender Mehrheit berufen. Gegenüber der Vorschlagsliste vom 3. Juli 2009 sind erhebliche Abweichungen festzustellen. Da Professor Dr. Manfred Kittel zum Direktor der Stiftung gewählt wurde, rückte Dr. Peter Becher unmittelbar für ihn nach. Für Professorin Claudia Kraft, die ihre Wahl nicht annahm, kam Professor Dr. Matthias Stickler zum Zuge. Dr. Andreas Kossert wechselte als Mitarbeiter in die Stiftung und machte den Weg für Silvio Peritore frei. Da der Verband Deutscher Sinti und Roma wegen der Entsendung der stellvertretenden BdV-Stiftungsratsmitglieder Arnold Tölg und Hartmut Saenger die Mitarbeit einstellte, wurde die Po-

Dr. Peter Becher Prof. Dr. Marina Cattaruzza

sition neu besetzt. Aus unterschiedlichen Gründen legten in der Folgezeit auch die beiden ausländischen Professoren Dr. Tomasz Szarota, Warschau, und Dr. Kristine Kaiserova, Aussig, sowie Dr. Helga Hirsch, Berlin, ihre Ämter nieder. Im neuen Vorschlag fanden sich die verbliebenen bisherigen Mitglieder wieder: Professor Dr. Raphael Gross, Professor Dr. Hans Maier, Dr. Kristian Ungvary, Dr. Peter Becher und Dr. Matthias Stickler. Die BdV-Vertreter im Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ begrüßen die Bestellung der Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats als wichtigen Schritt in die richtige Richtung. BdV-Vizepräsident Christian Knauer wertete den unter Leitung von Stiftungsdirektor Prof. Dr. Manfred Kittel erarbeiteten Gesamtvorschlag als „ausgewogen und der Sache dienlich“. Seine Präsi-

dialkollegen Alfred Herold und Albrecht Schläger begrüßten die Bereitschaft zweier polnischer Wissenschaftler, in diesem Gremium mitzuwirken. Die sei aufgrund der Diskussionen in der Vergangenheit im Nachbarland „bemerkenswert und wird die Vorbehalte gegen die Gedenk- und Dokumentationsstätte zum Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen deutlich mindern“. Der Bundesvorsitzende des Verbandes der Siebenbürger Sachsen, Dr. Bernd Fabritius, betonte, dass mit der Berufung des Wissenschaftlichen Beirats nunmehr die inhaltliche Arbeit der Stiftung beginnen könne. Bis zum Sommer 2011 erhoffen sich die BdV-Stiftungsräte konkrete Aussagen zur Konzeption der Einrichtung. Nachstehend der Wissenschaftliche Beraterkreis der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung.

Prof. Dr. Norman Naimark

Geschäftsführer des Adalbert-Stifter-Vereins, München Professorin für Neueste Geschichte am Historischen Institut der Universität Bern Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Kultur und Geschichte der Deutschen in Nordosteuropa (IKGN), Lüneburg Direktor des Jüdischen Museums, des Fritz-Bauer-Instituts, jeweils Frankfurt/Main, und des Leo-Baeck-Instituts, London; Honorarprofessor am Historischen Seminar der Universität Frankfurt/Main Professor für Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Chemnitz Historiker und Politologe, Spezialist für deutsch-polnische Beziehungen, polnische Zeitgeschichte sowie Nationalitätenfragen im 20. Jahrhundert, Leiter der Arbeitsgruppe Deutschland am Institut für Politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, Professor an der Lazarski University Professor em. für christliche Weltanschauung, Religions- und Kulturtheorie an der Universität München; Bayerischer Staatsminister a. D. für Unterricht und Kultus Professor für Osteuropäische Studien an der Universität Stanford

Prof. Dr. Krzysztof Ruchniewicz

Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wrocław

Prof. Dr. Joachim Scholtyseck

Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn

Prof. Dr. Michael Schwartz

Apl. Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Münster

Prof. Dr. Matthias Stickler

Apl. Professor für Neueste Geschichte an der Universität Würzburg

Prof. Dr. Stefan Troebst Dr. Kristián Ungváry

Professor für Kulturstudien Ostmitteleuropas an der Universität Leipzig Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für die Erforschung der ungarischen Revolution 1956, Budapest Professor für Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts mit Schwerpunkt im Nationalsozialismus an der Humboldt-Universität Berlin

Dr. Alfred Eisfeld Prof. Dr. Raphael Gross

Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll Prof. Dr. Piotr Madajczyk

Prof. Dr. Hans Maier

Prof. Dr. Michael Wildt


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