2010.06 - BdV-Blickpunkt

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BdV-Blickpunkt

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Ausgabe Juni 2010

Bund der Vertriebenen · Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern · Am Lilienberg 5 · 81669 München

Gut besuchte Pfingsttreffen in Augsburg und Dinkelsbühl Ministerpräsident Horst Seehofer besuchte Rumänien Bundestagsfraktionen beraten neues Stiftungsgesetz


Grußwort

Liebe Landsleute, liebe Leserinnen und Leser! Die Heimatvertriebenen und ihre Landsmannschaften durchlaufen in diesen Wochen ein Wechselbad der Gefühle. Wie seit Jahren nicht mehr werden sie von den politischen Parteien umworben und als Gesprächspartner gesucht. Bereits zum dritten Mal in Folge hat die SPD-Landtagsfraktion die Funktionsträger der Landsmannschaften zu einem großen Empfang in den Bayerischen Landtag eingeladen. Der Direktor der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, Prof. Dr. Manfred Kittel, durfte seine Konzeption für die Gedenk- und

Dokumentationsstätte im Deutschlandhaus in Berlin vorstellen und wurde stürmisch gefeiert. Verständnis wurde den Gästen für ihr Unverständnis gegenüber der Weigerung, BdV-Präsidentin Erika Steinbach eine Mitarbeit im Stiftungsrat zu ermöglichen, entgegengebracht. So groß die Freude über die neue Haltung der Bayerischen SPD war, so enttäuscht müssen die Vertriebenen von der Haltung der SPD-Genossen in Berlin sein. Die Ausführungen ihrer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Angelica Schwall-Düren zur Novelle des Stiftungsratsgesetzes muss den Heimatvertriebenen wie Hohn in den Ohren klingen. So bleibt den Bayerischen Sozialdemokraten, allen voran deren vertriebenenpolitischen Sprecherin Christa Naaß und ihrem Mitstreiter im BdV-Präsidium Albrecht Schläger, zu wünschen, dass sie auch Einfluss auf die außerbayerischen Landesverbände nehmen können. Wie schön wäre es, wenn es in Ländern mit SPD-Regierungsbeteiligung wieder zur Aufnahme der institutionellen Förderung des BdV und seiner Landsmanschaften kommen würde. Auch die CDU würde in vielen Bundesländern an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn sie die vor Landtagswahlen in den Raum gestellten Versprechungen nach Wiederaufnahme der aktiven Unterstützung unserer Verbände einlösen würde. Vielfach wartet man nach den erfolgten Regierungswechseln in den vergangenen Jahren vergebens. Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der sich aus

der Politik im Laufe des Jahres verabschiedet, war hier eine rühmliche Ausnahme. Ein bisschen Wehmut klingt bei den bevorstehenden Gedenkfeiern anlässlich der 60. Wiederkehr der Verabschiedung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen mit. So begrüßenswert es ist, dass unser Bayerischer Ministerpräsident als Festredner beim zentralen Tag der Heimat in Berlin sprechen und den geschäftsführenden BdV-Landesvorstand sowie die Vorsitzenden der Landsmannschaften aus diesem Anlass ins PrinzCarl-Palais zu einem festlichen Abendessen einladen wird, es bleibt doch zu fragen, ob nicht offizielles staatliches Erinnern geboten gewesen wäre. Dass die CSU-Landtagsfraktion in diesem Zusammenhang zu einer Dialogveranstaltung mit unserer Präsidentin Erika Steinbach eingeladen hat, ist erfreulich, kann aber nicht ein im ganzen Freistaat wahrnehmbares, sichtbares staatliches Zeichen ersetzen. Dankbar sind wir unseren bayerischen Politikern jedoch, dass sie bei ihren Auslandsbesuchen immer stärker den Kontakt zu den in den Heimatgebieten verbliebenen Deutschen suchen. Weiter so! Ihr

Christian Knauer BdV-Landesvorsitzender

Einladung zum „Zentralen Tag der Heimat“ in Bayern BdV-Landesausschusssitzung 2010 „Durch Wahrheit zum Miteinander“ Sonntag, 12. September, 14.00 Uhr Landshut, Prunksaal des Rathauses mit Staatsministerin Christine Haderthauer, MdL Liebe Landsleute, die zentrale Gedenkveranstaltung in München soll ein unübersehbarer Beweis unserer Verbundenheit zur alten Heimat sein. Deshalb bitten wir, dass sich möglichst viele Landsleute daran beteiligen. Alle Landsmannschaften sind auch mit ihren Orts-, Kreis- und Bezirksgruppen, ihren Heimatortsgemeinschaften und Arbeitskreisen dazu aufgerufen. Besonders erfreulich wäre es, wenn möglichst viele Trachtenträger und Fahnenabordnungen vertreten wären, damit wir in der Öffentlichkeit wieder ein eindrucksvolles Bild vermitteln könnten.

Impressum Herausgeber:

Bund der Vertriebenen, Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern e. V., Am Lilienberg 5, 81669 München, Telefon (0 89) 48 14 47, Fax (0 89) 48 26 21 E-mail: info@bdv-bayern.de, Internet: www.bdv-bayern.de

Redaktion:

Christian Knauer (verantwortlich), Susanne Marb, Walter Föllmer

Texte:

Christian Knauer, Siegbert Bruss, Walter Föllmer, Pressestelle CSU-Landtagsfraktion, Eike Haenel, Ernst Wollrab

Fotos:

W. Föllmer, Pressestelle SPD-Landtagsfraktion, Pressestelle CSU-Landtagsfraktion, Eike Haenel, Ernst Wollrab, ADZ

Gesamtherstellung: H.P. Werbeverlag + Medienvorlagen, Botengasse 6, 86551 Aichach, Telefon (0 82 51) 5 1100, Fax (0 82 51) 5 17 06

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Pfingsttreffen

Impressionen vom Heimattag der Siebenbürger Sachsen Rund 18 000 Siebenbürger Sachsen feierten vom 21. bis 24. Mai ihren 60. Heimattag in Dinkelsbühl. Damit wurde die Rekordzahl des letzten Jahres nochmals überboten. 2200 Trachtenträger nahmen am farbenprächtigen Festumzug durch die mittelalterliche Altstadt teil. Unter dem Motto „Gemeinsam unterwegs“ wurden der 25-jährigen Partnerschaft zwischen Dinkelsbühl und dem Verband, des 60-jährigen Bestehens der Siebenbürgischen Zeitung und der zehnjährigen Internetpräsenz gedacht. Siegbert Bruss, Fotos: W.F.

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Pfingsttreffen

Impressionen vom 61. Sudetendeutschen Tag Die Sudetendeutsche Landsmannschaft hat beim 61. Sudetendeutschen Tag in Augsburg BdV-Präsidentin Erika Steinbach mit dem Europäischen Karlspreis 2010 ausgezeichnet. Steinbach habe durch ihr gleichermaßen umsichtiges wie nachhaltiges Wirken erreicht, dass das Unrecht der Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg nicht der Vergessenheit anheim gefallen sei. Vielmehr sei es ihr, durch die Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ als auch durch die Errichtung der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gelungen, dass dieses aufgearbeitet und öffentlich gemacht werde.

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Aus dem Verband

Bund der Vertriebenen Mitglied beim Wertebündnis Bayern Im September 2008 kündigte der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer in seiner Regierungserklärung „ein Wertebündnis zwischen Erziehern, Lehrern und Partnern aus den Kirchen und der Wirtschaft bis hin zu Sport und Kultur“ an. Nach vielen Gesprächen wurde im Januar dieses durch den Beitritt von 62 Organisationen gegründet. Hierzu gehören unter anderem die Bayerische Staatsregierung, das Bayerische Rote Kreuz, der Bayerische Rundfunk, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Caritas, der Bayerische Gemeindetag, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, der Bayerische Landessportverband, der Deutsche Kinderschutzbund

und die Philipp-Lahm-Stiftung. Der Bund der Vertriebenen hat sich von Anfang an in diese Aktion eingebracht. Sein Vertreter ist Ernst Schroeder, Vorsitzender der Landsmannschaft Pommern in Bayern. Bei der Auftaktveranstaltung am 1. März in der Allerheiligen-Hofkirche in München erklärte der Ministerpräsident Horst Seehofer: „Das Wertebündnis Bayern ist die bunteste Koalition, die ich kenne, aber gleichzeitig auch die stärkste, weil alle Beteiligten – trotz aller Unterschiede – gemeinsam mit der Staatsregierung die zukunftsorientierte Wertearbeit mit jungen Menschen in den Mittelpunkt stellen“. W. F.

Homepage neu gestaltet Seit einigen Monaten wird die überarbeitete Homepage des BdV-Landesverbandes: www.bdv-bayern.de verstärkt aufgerufen. Wir bemühen uns, die Informationen möglichst aktuell zu halten. Sie finden auf unserer Homepage nicht nur einen genauen Überblick über die Struktur des BdV Bayern und seiner Landsmannschaften, sondern finden die Namen der Verantwortlichen und ihre Ansprechmöglichkeit. Es gibt aktuelle Presseberichte, Hintergrundberichte über die große und die kleine Politik und viele Fakten zu interessanten Themen. Unter den Rubriken „Termine“ finden Sie Veranstaltungen und Ereignisse aller Art in Bayern.

Bayerns Landsmannschaft Schlesien feiert 60-jähriges Bestehen in München

Geburtstagsfest im Sudetendeutschen Haus bis auf den letzten Platz gefüllt.

Unter Teilnahme großer politischer Prominenz feierten mehrere hundert Schlesier am 8. Mai das 60-jährige Bestehen des Landesverbandes Bayern ihrer Landsmannschaft. Mit dabei Bundesvorsitzender Rudi Pawelka, BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer und zahlreiche Bundes- und Landtagsabgeordnete, unter die sich auch der frühere Landtagsvizepräsident Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD) gemischt hatte. Festredner Staatssekretär Markus Sack-

mann überbrachte die Grüße der Bayerischen Staatsregierung. „Unsere Schlesier sind wichtige Brückenbauer im geeinten Europa! Lebensschicksal und Lebensleistung der Heimatvertriebenen müssen wir in höchstem Maße bewundern”. Gerade in diesem Jahr sei an die Charta der Heimatvertriebenen, die vor 60 Jahren unterzeichnet wurde, zu denken. Schon damals, kurz nach der Flucht und Vertreibung, hätten die Vertriebenen nicht Unrecht mit Unrecht aufgerech-

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Landesvorsitzender Christian Kuznik.

net, sondern mit großem Weitblick erkannt, dass es nur ein Ziel geben könne, die Schaffung eines geeinten Europas, in dem Völker ohne Furcht und Zwang leben. Heute sei diese Vision zur Realität geworden. BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer würdigte die Landsmannschaft als wichtigen Pfeiler in der Arbeit des Bundes der Vertriebenen. Als Nachkomme schlesischer Eltern sei er stolz, Mitglied der Kreisgruppe Augsburg zu sein.


Aus dem Verband

Personalien aus dem Landesverband Nach 18-jähriger Tätigkeit hat Alice Hess ihr Amt als Landesfrauenreferentin zum Jahreswechsel niedergelegt. Seit 1992 hatte sie 137 Zusammenkünfte und zahlreiche Fahrten, Besichtigungen und Führungen organisiert. Auf Grund ihrer ehrenamtlichen Leistungen wurde sie im September 2003 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. In einer kleinen Laudatio würdigte BdVLandesvorsitzender Christian Knauer Hess als Person, die er „sehr geschätzt und bewundert“ habe. Obwohl er in einer aktiven Frauengruppe auch heute noch eine wertvolle Flankierung der BdVArbeit sehe, werde es immer schwieriger, Frauen für eine geschlechtsspezifische Frauengruppe zu gewinnen. Gemeinsam mit BdV-Bundesfrauenrefe-

rentin Sibylle Dreher werde man im Landesvorstand die Möglichkeiten einer Fortführung der Arbeit ausloten. 쏒 Neuer Bezirksvorsitzender des BdV Unterfranken ist Albert Krohn. Der ehemalige Richter löst das Quartett der vier gleichberechtigten stellvertretenden Vorsitzenden Edmund Liepold, Alfred Kipplinger, Karl-Heinz Schübert und Albert Krohn ab, die in den letzten Jahren den Bezirksverband arbeitsteilig geführt hatten. 쏒 Als Nachfolger von Rudolf Reinhold wurde Christian Joachim zum neuen BdV-Kreisvorsitzenden in Hof/Oberfranken gewählt. Damit kann die erfolgreiche Arbeit fortgesetzt werden.

Einen Stabwechsel gab es am 6. März bei der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen, Kreisgruppe München Nord-Süd. Hier löste Astrid von Menges Kreisvorsitzenden Hans Jürgen Kudczinski ab. 쏒 Am 18. April wurde Alma Bitz zur neuen Kreisvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland in München gewählt. Sie tritt die Nachfolge von Valentina Ruppert an. 쏒 Einen Wechsel an ihrer Spitze meldet auch die Landesgruppe Bayern der Landsmannschaft der Sathmarer Schwaben. Thomas Erös heißt der neue Landesvorsitzende der Franz Bertusch ablöste.

Studie über etwaige nationalsozialistische Belastungen in Arbeit Die kritischen Betrachtungen verschiedener Medien bezüglich der Machbarkeitsstudie des Instituts für Zeitgeschichte (IFZ) zur Frage der NS-Belastung früherer Repräsentanten des BdV ignorieren die Funktion und den Stellenwert dieses Arbeitspapieres, erklärte BdV-Präsidentin Erika Steinbach. Das 2008 ausschließlich für den BdV vorgelegte Material war von Anbeginn niemals zur Veröffentlichung bestimmt, sondern war Entscheidungshilfe für den BdV, ob es sinnvoll sei, eine umfangreiche Studie über diesen Themenkreis erstellen zu lassen. Die seinerzeitigen Presseveröf-

fentlichungen allein waren dem BdV als Grundlage dafür nicht ausreichend. Aufgrund dieser Machbarkeitsstudie erfolgte die Entscheidung, das IFZ mit den Untersuchungen und einer gründlichen wissenschaftlichen Aufarbeitung zu betrauen. Das IFZ gehört zu den renommiertesten Adressen Deutschlands für solche historisch-wissenschaftlichen Arbeiten. Seither hat das Münchener Institut intensiv geforscht und eine auf Archivalien beruhende umfangreiche Materialsammlung zusammengestellt. Erst auf dieser Grundlage kann nach gründlicher Be-

wertung im Laufe dieses Jahres das Ergebnis der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Dem Bundesministerium des Innern sei es zu verdanken, dass dafür Mittel, die dem BdV für andere Zwecke zur Verfügung gestanden hätten, für diese wichtige Studie genutzt werden konnten und können. Es sei wenig sinnvoll und ergiebig, eine interne Machbarkeitsstudie aus dem Jahre 2008 und seine Autoren einer Bewertung zu unterziehen, wie jetzt geschehen. Unter keinem Aspekt konnte und sollte diese Vorlage abschließend belastbar sein.

Lob für Alexander Dobrindt Der Kreisverband Weilheim-Schongau der Sudetendeutschen Landsmannschaft hat sich bei CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt für das mutige Eintreten um Aufklärung des Völkermords an den Armeniern gegenüber der Türkei bedankt. Dobrindt hatte sich im April gegenüber den Schongauer Nachrichten dafür ausgesprochen, dass sich das Land am Bosporus „diesem Kapitel endlich offen und ehrlich stellen müsse.“ Dass heute in der Türkei immer noch keine freie Diskussion über diese Verbre-

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chen möglich sei, sage viel darüber aus, wie es dort um die Meinungsfreiheit bestellt sei. Nachdem sich immer mehr Länder den dunklen Punkten ihrer Vergangenheit stellten, dürfe sich auch die Türkei nicht mehr länger um diese Thematik drücken, meinte SL-Kreisobmann Gustav Stifter. Die Europäische Union dürfe kein Land als Mitglied aufnehmen, das sich nicht den schwarzen Kapiteln seiner Geschichte stelle. Das offene Wort Dobrindts sei mutig und nur zu begrüßen.


Aus dem Verband

Hoffnungsvolles Auftaktgespräch zwischen FDP und BDV In überaus offener und herzlicher Atmosphäre verlief am 14. April ein Meinungsaustausch mit dem geschäftsführenden BdV-Landesvorstand, zu dem Landtagsvizepräsident Jörg Rohde, MdL, in seiner Funktion als Vertriebenenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion ins Maximilianeum nach München eingeladen hatte. Rohde betonte dabei seine Bereitschaft, mit den Repräsentanten der Heimatvertriebenen in einen ständigen Dialog zu treten, um gemeinsame Anliegen auch auf parlamentarischer Ebene voranzutreiben. Verständnis zeigte der FDP-Politiker für die Kritik der BdV-Vertreter an der Haltung von Bundesaußenminister Guido Westerwelle, im Zusammenhang mit dem Besetzungsrecht des Bundes der Vertriebenen, bei der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer hatte sein Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich der Außenminister bei seinem ersten Besuch in Polen klar gegen BdV-Präsidentin Erika Steinbach als Stiftungsratsmitglied ausgesprochen hatte. Viele Wählerinnen und Wähler aus dem Vertriebenenbereich, die bei der letzten Bundestagswahl auf eine bürgerliche Bundesregierung gesetzt und die FDP unterstützt hätten, fühlten sich getäuscht. Der nunmehr gefundene Kompromiss zwischen Bundesregierung und BdV in dieser Frage, sei zwar ein gangbarer aber doch schmerzhafter Ausweg. Großes Interesse brachte der Landtagsvizepräsident den Schilderungen über die erfolgreiche Eingliederung der Spätaussiedler, die Minderheitenarbeit der Deutschen in den Siedlungsgebieten und die

Aktivitäten der 17 Landsmannschaften in Bayern entgegen. Auf offene Ohren stießen die BdV-Vertreter auch mit ihrer Bitte, bei Besuchen in den osteuropäischen Ländern mit den Vertretern der deutschen Minderheit den Kontakt zu suchen.

aufnahme bzw. Fortsetzung dieser Förderung einzusetzen. Um seine Sympathie für die Arbeit der Landsmannschaften zu unterstreichen, erklärte sich Rohde spontan bereit, auf Grund seiner pommerschen Wurzeln, der

Meinungsaustausch im Maximilianeum: Von links BdV-Geschäftsführer Walter Föllmer, BdV-Schriftführer Wolfgang Hartmann, stv. Landesvorsitzender Josef Zellmeier, MdL, Landtagsvizepräsident Jörg Rohde, MdL, Landesvorsitzender Christian Knauer und dessen Stellvertreter Friedrich Wilhelm Böld. Foto: W.F.

Festhalten will die FDP auch an der institutionellen Förderung des Bundes der Vertriebenen und der Vertriebeneneinrichtungen im Freistaat. Der Landesvorsitzende der Ost- und Westpreußen, Friedrich Wilhelm Böld, bat Rohde, sich bei seinen FDP-Kollegen in den norddeutschen Bundesländern für eine Wieder-

Pommerschen Landesgruppe beizutreten. An dem Meinungsaustausch hatten auch BdV-Landesgeschäftsführer Walter Föllmer, Schriftführer Wolfgang Hartmann und der stellvertretende Landesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft in Bayern, Josef Zellmeier, MdL, teilgenommen. C.K.

Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch greift BdV-Anregung auf

Universitäten sollen sich mit BdV verlinken Der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Dr. Wolfgang Heubisch, hat an die staatlichen und kirchlichen Universitäten in Bayern appelliert, gemeinsam mit dem Bund der Vertriebenen für die Präsentation aller Forschungsvorhaben zur Geschichte und Kultur im östlichen Europa ein Internetportal einzurichten. Er reagierte damit auf ein Angebot des BdV-Landesvorstandes vom 8. März, eine Verlinkung der For-

schungseinrichtungen mit der Homepage des Verbandes anzustreben. Wie in der letzten Blickpunktausgabe berichtet, hatte Heubisch vor allem auf die Forschungsprojekte und -ergebnisse an den Universitäten Passau, Regensburg, Augsburg und das Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt hingewiesen. Der BdV-Landesvorstand teilte auf seiner Dezembersitzung die Auf-

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fassung des Ministers, dass es für eine weitere Beförderung der Befassung mit der Geschichte und Kultur der Deutschen im Osten Europas verdienstvoll wäre, die Informationen über diese verschiedenen, hoch interessanten Ansätze zu intensivieren. Es bleibt abzuwarten, wie viele Lehrstuhlinhaber nun der Bitte des Ministers folgen werden. Landesvorsitzender Knauer: „Es ist erfreulich, wie schnell der Minister uns unterstützt hat!“


Aus dem Verband

Fünf Jahre Migrationsberatung beim BdV Bayern Am 1. Januar hatte das aktuelle Zuwanderungsgesetz in Deutschland fünf Jahre Bestand. Das für die Durchführung zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte nach dessen Inkrafttreten Beratungsstellen eingerichtet. Eine davon befindet sich im Haus des Deutschen Ostens unter dem Dach des Bundes der Vertriebenen in Bayern. Ansprechpartner für die Hilfesuchenden ist seit der ersten Stunde Dietmar Kräch. In den fünf Jahren seiner Tätigkeit hat er mehr als 1500 Bürgerinnen und Bürger, in der Regel erwachsene Zuwanderer, betreut. Die bundesgeförderte Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) initiiert, steuert und begleitet den Integrationsprozess. Sie ist neben den Integrationskursen fester Bestandteil des Regelungsrahmens des Zuwanderungsgesetzes. Die MBE ergänzt den Integrationskurs. Erwachsene Zuwanderer können ihr Beratungsangebot vor, während und nach dem Kurs nutzen. Für erwachsene Zuwanderer bietet sie ihre Dienstleistungen zeitlich befristet an. Sie befähigt Zuwanderer zeitnah zu selbstständigem Handeln in allen Bereichen des täglichen Lebens und führt sie an das Beratungsangebot der so genannten Regeldienste heran.

Zu ihren Aufgaben zählen im Einzelnen die bedarfsorientierte Einzelfallbegleitung (sog. Case-Management), die Durchführung der sozialpädagogischen Betreuung während der Integrationskurse bei individuellem Bedarf und eine aktive Mitarbeit in kommunalen Netzwerken sowie die Mitwirkung bei der interkulturellen Öffnung/Vernetzung der Regeldienste und der Verwaltungsbehörden. Die Zielgruppen der Einrichtung sind grundsätzlich Spätaussiedler, deren Ehegatten und Abkömmlinge i.S. des BVFG über 27 Jahre, bis zu drei Jahre nach Einreise. Hinzukommen Ausländer über 27 Jahre, die sich dauerhaft im Bundesgebiet aufhalten, i. S. § 44 AufenthG, bis zu drei Jahre nach Einreise bzw. Erlangung des auf Dauer angelegten Aufenthaltsstatus. Auch bereits länger im Bundesgebiet lebende Zuwanderer (Ausländer und Spätaussiedler) über 27 Jahre können sich in konkreten Krisensituationen an die MBE wenden. Hierbei ist zu beachten, dass eine Beratung ausschließlich im Rahmen freier Beratungskapazitäten erfolgt. In diesem Zusammenhang ist vorrangig der Beratungsbedarf von Ausländern zu decken, die gem. § 44 a Abs.1 Ziffer 2 AufenthG zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet sind. Die Migrationsberatung für erwachsene

Beratungsstelle Bund der Vertriebenen Vereinigte Landsmannschaften Landesverband Bayern e. V. Am Lilienberg 5 · 81669 München Ansprechpartner: Dietmar Kräch Telefon (0 89) 44 14 03 79 Telefon (0 89) 48 14 47 Fax (0 89) 48 26 21 E-mail: kraech@bdv-bayern.de Internet: www.bdv-bayern.de Montag – Donnerstag 8.00 – 12.30 u. 13.30 – 16.30 Uhr Freitag, 8.00 – 15.00 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung

Zuwanderer steht auch den unter 27-jährigen Zuwanderern offen, wenn diese typische Probleme erwachsener Zuwanderer haben, die besser von den Erwachsenenmigrationsdiensten bearbeitet werden können.

Unsere Vorsitzenden im Regierungsbezirk Niederbayern Die Bezirksvorsitzenden der Landsmannschaften: Josef Zellmeier Karpatendeutsche LM Slowakei Ingrid

Leinhäupl

Max

Strecker

Kurt-Peter Nawroth

LM der Ost- und Westpreußen Sudetendeutsche LM LM Schlesien

Bahnhofstraße 2, 84082 Laberweinting, Telefon 08772/784 Fax 0 87 72/8 05 99 59, josef.zellmeier@t-online.de Schulstraße 7, 84186 Vilsheim Telefon 0 87 06/3 73 oder 08 71/6 94 36 32, Fax 0 87 06/9 49 98 75 Fleischmannstraße 10 92637 Weiden Telefon/Fax 09 61/2 57 60, max-strecker@t-online.de Ludwig-Thoma-Straße 36, 84036 Landshut, Tel./Fax 08 71/4 23 33

Die BdV-Kreisvorsitzenden: Franz Günzl Dingolfing-Landau Hans Heinrich Kelheim Rosemarie Schwenkert Hermann Folberth

Fritz Margit

Pfaffl Reincke

Theodor

Seethaler

Hochstraße 29, 94405 Landau, Telefon 0 99 51/52 41 Abensberger Straße 20, 93342 Saal/Donau, Telefon 0 94 41/8 18 66 Fax 0 94 41/8 09 76, heinrich.saal@t-online.de Landshut Hummelweg 16, 84034 Landshut, Telefon 08 71/6 23 21 Passau Stadt und Land Meier-Helmbrecht-Straße 11,94474 Vilshofen Telefon 0 85 41/9193 56, Fax 0 85 41/91 93 56 h-folberth@t-online.de Regen-Viechtach Pfarrer-Fürst-Straße 10, 94227 Zwiesel, Telefon 09922/1390 Rottal-Inn Münchner Straße 108, 84359 Simbach, Telefon 08571/8587 Fax 08571/5003, margit.maria@t-online.de Straubing-Bogen Kranichweg 10, 94315 Straubing, Telefon 0 94 21/68 42 Fax 0 94 21/96 87 87, seetha@gmx.de

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Jugendarbeit

Folkloreensemble „Ihna“ genießt russische Gastfreundschaft „Der unermüdliche Motor für beide Seiten ist in allen Fällen Nina Peschkowskaja. Droht einmal auf einer Seite der Elan zu erlahmen, so ist sie da!“ steht in der Urkunde, mit der das Tanz- und Folkloreensemble „Ihna“, die russische Choreographin und Gründerin der Tanzgruppe „Wladimirez“ zu ihrem Ehrenmitglied

deel „Ihna“ aus Erlangen als Ehrengast mit. Sie zeigte Ausschnitte aus ihrem Programm „Lieder und Tänze aus Deutschland“. Besonderen Anklang fand dabei wieder einmal mehr der „Schwertertanz“. Begeistert gefeiert und bejubelt wurde jedoch der Pommersche Krakowiak, der von „Wladimirez“ und „Ihna“ gemein-

Stürmisch gefeierter Auftritt des Folkloreensembles „Ihna“ in Russland.

Haus, das Kloster, das Goldene Tor, die Maria-Himmelfahrts-Kathedrale und das Museum besichtigt, in Suzdal standen das Freilichtmuseum, das Kloster und die Kathedrale auf dem Programm. Den touristischen Höhepunkt der Reise bildete ein Tag in Moskau mit einer Stadtrundfahrt, dem Besuch des Roten Platzes, des Kaufhauses GUM und des Kremls. Über die liebevolle Aufnahme in den Wladimirer Familien waren die jungen deutschen Gäste überwältigt. Jeder Wunsch wurde ihnen von den Augen abgelesen und soweit möglich erfüllt. Die russische Gastfreundschaft sei sprichwörtlich, aber in Wladimir werde sie noch einmal übertroffen. Und so war es nicht verwunderlich, dass die Ihna-Leute eine private Unterkunft einem Hotelaufenthalt vorgezogen haben.

31. Bundestreffen der Landsmannschaft der Oberschlesier 04./05. September Rheinberg Wir gedenken unserer Verstorbenen

Ihre kaiserliche und königliche Hoheit Erzherzogin

Regina von Österreich Prinzessin von Sachsen-Meiningen * 06. 01. 1925

† 03. 02. 2010

Rudolf Urbanek * 04. 03. 1925

Erinnerungsfoto auf dem Roten Platz.

ernannte. Anlass war die 25-jährige Partnerschaft, die das Ensemble „Wladimirez“ aus Wladimir und die Erlanger Tanzund Speeldeel „Ihna“ verbindet. Vorausgegangen war ein fulminanter Folkloreabend in der ausverkauften Philharmonie von Wladimir, mit der das 50-jährige Jubiläum von „Wladimirez“ gefeiert wurde. Neben verschiedenen eigenen Tanzgruppierungen des Ensembles wirkte nur die Partnergruppe Tanz- und Speel-

sam aufgeführt wurde. Ein anschließendes Bankett bis zum frühen Morgen rundete die Jubiläumsfeierlichkeiten ab. Sieben Tage weilte das Tanz- und Folkloreensemble „Ihna“ in Wladimir und Umgebung. Neben einem Auftritt im städtischen Kulturhaus von Wladimir, gastierte es noch in Mjud und Worscha. Neben den Auftritten kam aber auch das touristische Programm nicht zu kurz. In Wladimir selbst wurden das Erlangen-

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† 06. 05. 2010

Ehemaliger Bezirks- und Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Träger des Bayerischen Verdienstordens und des Verdienstkreuzes am Bande der Bundesrepublik Deutschland

Irmgard Hoffmann * 16. 07. 1924

† 07. 02. 2010

Ehrenvorsitzende der Landsmannschaft Ost- und Westpreußen in Kempten


Landespolitik

Arbeitsgruppe der CSU-Landtagsfraktion in Prag

Notwendigkeit des offenen Dialogs unterstrichen Gespräche auch mit deutschem Kulturverband Bei ihrem Besuch anfangs März in Prag erhielt die Delegation der Arbeitsgruppe „Vertriebenenpolitik“ der CSU-Landtagsfraktion einen tiefen Einblick in die politische Situation der Tschechischen Republik, zwei Monate vor den Nationalratswahlen. Die Arbeitsgruppenvorsitzende Christa Matschl, Ministerpräsident a. D. Dr. Günther Beckstein sowie die Abgeordneten Konrad Kobler und Reinhard Pachner trafen eine Reihe hochkarätiger Gesprächspartner. Trotz des beginnenden Wahlkampfs nahmen sich sogar drei Parteivorsitzende Zeit für die bayerischen Vertriebenenpolitiker. „Uns kam es darauf an, unseren Gesprächspartnern deutlich zu machen, dass wir insbesondere bei den Beneš-Dekreten und dem Straffreistellungsgesetz unverändert Handlungsbedarf sehen“, erläuterte Christa Matschl ihre Zielsetzung der Gespräche. Auch die Notwendigkeit eines offenen Dialogs des tschechischen Staates mit den Vertretern ihrer vertriebenen ehemaligen Landsleute sprachen die Politiker deutlich an. Angesichts der bevorstehenden Nationalratswahlen wollte die Delegation aber auch Informationen und Stimmungen aufnehmen, die für die weitere Entwicklung unseres Nachbarlandes und der Beziehungen von Bedeutung sind. Ex-Außenminister Fürst Karl Schwarzenberg begründete gegenüber den Besuchern, warum er eine Koalition seiner Partei TOP 09 mit den nach den Mei-

nungsumfragen führenden Sozialisten unter Jiři Paroubek ausschließt. „Man heiratet keine Frau, die schon vor der Hochzeit kundtut, dass sie fremd gehen wird“, so dessen Einschätzung zur Verlässlichkeit des sozialistischen Parteichefs. Auf die sudetendeutsche Frage angesprochen betonte er, die Aufarbeitung der Vertreibung in Tschechien sei bereits viel weiter fortgeschritten als viele Sudetendeutsche das wahrnehmen. Die Geschehen in Brünn, Aussig, Postelberg und andere Grausamkeiten seien der Bevölkerung inzwischen bewusst und als Unrecht erkannt. Beneš-Dekrete bleiben gültig Deshalb würden deutschfeindliche Kampagnen heute überwiegend abgelehnt und hätten keine große Breitenwirkung mehr. Dennoch sei Tschechien zu einer Aufhebung der Beneš-Dekrete nicht bereit, da sie als Grundlage der Rechts- und Eigentumsordnung betrachtet würden, die nicht in Frage gestellt werden soll. Auch was das „Amnestie-Gesetz“ angeht, machte Schwarzenberg seinen Gesprächspartnern wenig Hoffnung. Ähnliche Gesetze habe es damals in vielen europäischen Staaten gegeben. Es sei der Fehler gemacht worden, die Straffreiheit für Taten im Zeitraum bis zum 28. Oktober 1945 auszudehnen. Eine Gesetzesinitiative mit dem Ziel, diesen Zeitraum rückwirkend zu verkürzen, würde angesichts der drängenden aktuellen Proble-

Bischof Ladislav Hučko (links) schilderte den Vertriebenenpolitikern die schwierige Situation der Kirche in Tschechien.

me im Land nicht auf großes Verständnis stoßen. Der noch amtierende ODS-Vorsitzende Mirek Topolánek vertrat eine ähnliche Auffassung zu den Beneš-Dekreten. Auch schlechte Gesetze wie die Dekrete könnten Grundlage einer gesamten Rechtsordnung sein und deshalb nicht mehr geändert werden, so distanzierte sich der Ex-Ministerpräsident von ihrem Inhalt, bestand aber auf ihrer Beibehaltung. Seiner Meinung nach sei es ein Fehler gewesen, nach der „Samtenen Revolution“ 1989 nicht eine komplett neue Rechtsordnung zu konstituieren. Damit hätte sich auch das Problem der BenešDekrete erledigt. Die Vertreibung sei für ihn nichts, worauf die Tschechen stolz sein könnten. Die Aufarbeitung des Unrechts sei Pflicht aller Politiker, schon um Wiederholungen zu verhindern. Ein zentrales Anliegen war Topolánek die Situation der Kontrollen tschechischer Bürger im Grenzgebiet zu Bayern. Er sprach besonders den früheren Innenminister und Ministerpräsidenten Günther Beckstein an und forderte in scharfer Form eine Änderung der Kontrollpraxis. Andernfalls fürchtet der ODS-Chef das Aufbrechen deutschfeindlicher Ressentiments in breiten Bevölkerungskreisen und warnt vor dauerhaften negativen Folgen. Obwohl der damals noch amtierende ODSSpitzenkandidat Topolánek die Frage Becksteins eindeutig verneinte, ob das denn ein Wahlkampfthema sei, hatte er schon Presse und Fernsehen an den Ta-

Peter Barton (links) berichtete den Abgeordneten über seine Arbeit als Leiter des Sudetendeutschen Büros in Prag.

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Landespolitk gungsort bestellt, um seinen Kontakt mit Beckstein zu diesem Punkt publikumswirksam zu vermarkten. Der Kampf gegen die Korruption steht nach den Worten ihres Parteichefs Cyril Svoboda im Zentrum des Wahlkampfs der KDU-ČSL. Der Christdemokrat und persönliche Freund des sudetendeutschen Sprechers Bernd Posselt schilderte drastische Beispiele für offensichtliche Vorteilsnahme in Regierung und Verwaltung. Mit seiner Anti-Korruptions-Kampagne sah Svoboda gute Chancen, das letzte Wahlergebnis zu halten oder zu verbessern, obwohl seine Partei nach den damaligen Umfragen eher um den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde bangen musste. Die befürchteten negativen Auswirkungen der als scharf und entwürdigend empfundenen Grenzkontrollen treiben auch den Leiter der Europa-Abteilung im tschechischen Außenministerium Jiři Čistecky um. Ein weiteres Anliegen war dem Vertreter des Außenministeriums der rasche Beginn von Verhandlungen um eine einvernehmliche Lösung für den Egerer Stadtwald. Čistecky dringt auf zügiges Handeln, weil sich die ungelöste Frage negativ auf die Kommunalwahl im Herbst in der Stadt Eger auswirken könnte. Konsulat in Nürnberg Interessiert zeigte sich vor allem Günther Beckstein am Stand der Vorbereitungen für das geplante tschechische Honorarkonsulat in seiner Heimatstadt Nürnberg. Hier schieben sich das deutsche und das tschechische Außenministerium derzeit offensichtlich gegenseitig den Schwarzen Peter für das stockende Genehmigungsverfahren zu. Die bayerischen Landtagsabgeordneten waren sich mit Besuch der Arbeitsgruppe „Vertriebenenpolitik“ in Prag am 7./8. März 2010 Čistecky in dem Ziel einig, dieses Vorhaben nach Möglichkeit zu beschleunigen. Selbstverständlich stand für die Vertriebenenpolitiker ein Besuch des Sudetendeutschen Büros ganz oben auf dem Programm. Peter Barton berichtete den Abgeordneten, dass seine Arbeit immer mehr Anerkennung im Lande finde. Die Anfeindungen lassen nach, und immer mehr Tschechen nehmen die Dienste des Büros in Anspruch, um Kontakte zu knüpfen und Fragen zu klären. Bischof Ladislav Hučko, Generalsekretär der tschechischen Bischofskonferenz, erläuterte den CSU-Politikern die Situa-

tion der katholischen Kirche im Lande. Als zentrales Problem bezeichnete der griechisch-katholische Bischof die weiterhin offene Frage der Rückgabe des im Kommunismus konfiszierten Kircheneigentums und damit der Finanzierung der Kirche insgesamt. Das fertig ausgehandelte Kirchengesetz sei wegen eines Überläufers im Nationalrat und des Widerstandes von Sozialisten und Kommunisten nicht verabschiedet worden. Deshalb hänge die Frage weiter in der Luft. Katholiken nehmen ab Die Anzahl der bekennenden Katholiken sei von 1990 bis 2000 von 4 Mio. auf 2,7 Mio. gesunken. Rund 400.000 praktizierende Gläubige würden in 3.000 Pfarreien von etwa 1.500 Priestern betreut, von denen viele aus dem Ausland, vor allem aus Polen kämen. Der Priesternachwuchs sei insbesondere in Böhmen sehr dürftig, in Mähren aber auch kaum zahlreicher. Auch die Situation des Religionsunterrichts an den Schulen sei problematisch. Für die Einrichtung eines solchen Unterrichts sind mindestens sieben Schüler erforderlich. Da der Religionsunterricht aber ein zusätzliches Angebot zum normalen Schulbetrieb darstelle, sei das Interesse der Schüler begrenzt. Ein weiteres Hindernis sei die Tatsache, dass die Teilnahme bei den Klassenkameraden nicht gut angesehen werde. Damit sei die Motivation für den Religionsunterricht so schlecht, dass auch in großen Städten wie Pilsen oder Karlsbad keine sieben Schüler dafür zusammen kommen. Irene Novak, seit 2006 Vorsitzende des Kulturverbands der Bürger deutscher Nationalität in der Tschechischen Republik, berichtete den bayerischen Vertriebenenpolitikern über die Situation ihrer Landsleute. Ihre Zahl sei inzwischen deutlich unter 40.000 gesunken. Es handele sich überwiegend um alte Leute, da sich die Jüngeren weitgehend assimiliert hätten. Diese Altersstruktur spiegelt sich auch in der Mitgliederstruktur der deutschen Verbände wieder. Haus der Minderheiten Inzwischen habe der Kulturverband im Haus der Minderheiten in Prag eine neue Heimat gefunden, die sie sich aber mit elf weiteren Minderheiten teilen müsse. Novak verwies auf eine inzwischen sehr gute Zusammenarbeit, auch mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft und dem Sudetendeutschen Büro. Gerade die Kooperation mit anderen Institutionen er-

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Zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung (OMV) wurde in Berlin die vertriebenenpolitische Sprecherin der CSULandtagsfraktion, Christa Matschl, wiedergewählt. Die Bundesdelegiertenkonferenz der Arbeitsgemeinschaft der Heimatvertriebenen und Aussiedler in CDU und CSU bestätigte Matschl damit als eine der bundesweit führenden Vertriebenenpolitikerinnen. Zu den Gratulanten zählten BdV-Präsidiumsmitglied Stephan Mayer, MdB, und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. Foto: Frank Ossenbrink

mögliche die Organisation von zahlreichen und interessanten Veranstaltungen im ganzen Land. Erfreut nahmen die Abgeordneten die Hoffnung der Kulturverbandsvorsitzenden zur Kenntnis, die Aufteilung der Volksgruppenvertretung in LandesverMinisterpräsident nach Prag sammlung und Kulturverband könne in absehbarer Zeit mit einem neuen Dachverband überwunden werden. „Eine ganze Menge neuer Eindrücke“ habe ihr und ihren Landtagskollegen die Reise in die tschechische Hauptstadt gebracht, stellte Christa Matschl vor der Heimreise fest. Die wieder neu geknüpften Kontakte würden den Vertriebenenpolitikern auch nach der bevorstehenden Wahl helfen, konkret weiter an ihren Zielen zu arbeiten. Auch dem Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer werde sie im Hinblick auf seinen bevorstehenden Besuch in der Tschechischen Republik von ihren Erkenntnissen und Eindrücken berichten. Bilder/Text: CSU-Landtagsfraktion


Landespolitik

Landtag für Verständigung mit Tschechien im Geiste der Marienbader Erklärung Auf Antrag der Abgeordneten Franz Maget, Christa Naaß, Dr. Linus Förster, Inge Aures, Reinhold Perlak, Maria Noichl, Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Helga Schmitt-Bussinger, Reinhold Strobl, Johanna Werner-Muggendorfer alle SPD hat der Bayerische Landtag folgenden Beschluss gefasst. Der Landtag begrüßt die in der vergangenen Woche vom Sudetendeutschen Rat publizierte „Marienbader Erklärung“ des „Forums Versöhnung 2008“ zwischen Sudetendeutschen und Tschechen. In dieser vom 22. Mai datierenden Resolution bekräftigen namhafte Sudetendeutsche und Tschechen ihre Überzeugung, dass

es nur auf dem Weg gegenseitigen Entgegenkommens zu Verständigung und Versöhnung kommen kann. Der Landtag macht sich das in der Erklärung zum Ausdruck gebrachte Anliegen dieser „letzten Zeitzeugen der Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat nach dem Kriegsende wie auch der UnSeehofer soll nach Prag reisen taten des Nationalsozialismus in den Jahren davor“ zu eigen: „Wir schließen uns all denen an, die aufgehört haben mit dem gegenseitigen Aufrechnen der Untaten. Wir wollen alle ermuntern, aufeinander zu hören, miteinander zu reden und zwar

in einem Dialog aus christlichem Ursprung.“ Und weiter: „Aus solcher Versöhnung folgt dann die Pflicht, auf die Beseitigung von Belastungen der jeweils anderen Seite hinzuwirken, mit dem Ziel, auch dauerhaften Rechtsfrieden zu erreichen.“ Der Landtag fordert die Staatsregierung auf, im Geiste dieser Erklärung baldmöglichst zur weiteren Verbesserung der nachbarschaftlichen Beziehungen zu sorgen: So sollte der Ministerpräsident seine geplante Reise in die tschechische Hauptstadt möglichst bald durchführen oder eine Einladung an den tschechischen Ministerpräsidenten aussprechen.

Bayern-SPD: Wir wollen Brücke sein! Am 21. April lud die SPD-Landtagsfraktion wieder zu einem Empfang für Heimatvertriebene Flüchtlinge und Aussiedler ins Maximilianeum ein. Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher würdigte die Verdienste der Vertriebenen und Aussiedler als Brückenbauer. Als Hauptredner des schon traditionellen Jahresempfangs referierte Prof. Dr. Manfred Kittel, Gründungsdirektor der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung. Kittel wies darauf hin, dass nach den mo-

natelangen, heftigen Kontroversen um die Besetzung des Stiftungsbeirats konfrontative parteipolitische Auseinandersetzungen beendet sein sollten. Die Stiftung werde besonders darauf achten „ die historischen Ereignisse und Kontexte“ ausgewogen darzustellen. Landrat Christian Knauer, Vizepräsident des BdV und Landesvorsitzender in Bayern dankte der SPD-Fraktion und ihrer vertriebenenpolitischen Sprecherin Christa Naaß, MdL, für die in den letzten Mo-

naten gewährte Unterstützung der Vertriebenenanliegen. Es sei wohltuend, dass sich die SPD in Bayern in wichtigen Fragen wie die der Stiftung von vielen Bundespolitikern ihrer Partei absetze. Die SPD-Landespolitiker bat Knauer sich bei ihren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern für eine Wiederaufnahme der Förderung der Vertriebenenarbeit der Landsmannschaften und des BdV einzusetzen. Weitere Berichte auf Seiten 24 bis 27.

Seehofer greift Anregungen des Vertriebenenbeirats auf Einen weiteren Erfolg kann der Beirat für Vertriebenen- und Spätaussiedlerfragen beim Bayerischen Sozialministerium verbuchen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat zwei Anregungen des 13köpfigen Gremiums „gerne aufgegriffen“ und damit die Bedeutung des im November 2007 neu gegründeten Forums unterstrichen. Ans Herz hatten die Räte Ministerpräsident Seehofer in besonderer Weise Kontakte von Regierungsmitgliedern zu Vertretern der deutschen Volksgruppen in den ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten gelegt. „Wenn die deutsche Politik nicht den Kontakt zu unseren Landsleuten sucht, wer sollte dann für deren Interessen eintreten“, hieß es in einem Schreiben des Gremiums, das deren Vorsitzender, BdV-Landesvorsitzender Christian

Knauer, verfasst hatte. „Weiter bitte ich zu prüfen, ob es nicht sinnvoll ist, durch die Teilnahme von Vertretern der einzelnen Landsmannschaften oder des Bundes der Vertriebenen bei solchen Besuchen ein sichtbares Zeichen für die besondere Fürsorge um die Belange der Heimatvertriebenen und -verbliebenen zu setzen“. Deutsche Volksgruppen besuchen In seiner Antwort vom 11. März führt Seehofer aus, dass er dieser Anregung zustimme und bei seiner Reise nach Hermannstadt/Siebenbürgen bereits den Bundesvorsitzenden der Siebenbürger Sachsen, Dr. Bernd Fabritius, als Begleiter eingeladen habe. Dort sei auch eine Zusammenkunft mit der deutschen Minderheit vorgesehen. Bei seiner geplanten

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Reise nach Tschechien wolle er ebenfalls gewählte Repräsentanten der Sudetendeutschen in seine Delegation aufnehmen. Auch die Anregung, auf staatlicher Ebene in Bayern an die 60. Wiederkehr der Unterzeichnung und Verkündung der Charta der deutschen Heimatvertriebenen würdig zu erinnern, fiel beim bayerischen Regierungschef auf fruchtbaren Boden. Nachdem er Anfang August, bei der Eröffnung der bundesweiten Veranstaltungsreihe zum Tag der Heimat, in Berlin die Festansprache halten wird, lädt er für Donnerstag, 29. Juli, den geschäftsführenden BdV-Landesvorstand und die Vorsitzenden der Landesverbände der Landsmannschaften zu einem festlichen Abendessen ins Prinz-Carl-Palais nach München ein.


Landespolitik

Siebenbürger gehören zur Delegation

Ministerpräsident Horst Seehofer besucht deutsche Minderheit in Rumänien Der weiteren Verbesserung der Bezie- hen einen aktuellen Bericht über dessen Theologie der Lucian-Blaga-Universität hungen zwischen Bayern und Rumänien Gespräche in Bukarest und Hermann- wurde Seehofer die Ehrendoktorwürde verliehen. Die Laudatio hielt Metropolit diente eine Reise des Bayerischen Mi- stadt. nisterpräsidenten Horst Seehofer vom 26. Eingeladen zu dem zweitägigen Besuch Serafim. bis 27. Mai. Mit dem Bundesvorsitzen- hatte Premierminister Emil Boc. Bei Ge- Während des Besuches wurden auch mehden des Verbandes der Siebenbürger Sach- sprächen mit diesem, Präsident Traian rere für den Verband der Siebenbürger Sachsen wichtige Themen besen in Deutschland, Dr. Bernd sprochen. Der rumänische InFabritius, gehörte erstmals ein nenminister Vasile Blaga beranghoher Vertreter der Heikräftigte im Gespräch mit matvertriebenen zur offiziellen Seehofer seine beim HeimatDelegation des Regierungstag der Siebenbürger in Dinchefs. Damit kam Seehofer eikelsbühl zugesagte Absicht, nem Wunsch des Vertriebe„die vom Verband bemängelnenbeirats beim Bayerischen ten Unzulänglichkeiten in ResSozialministerium nach, das titutionsverfahren genau zu die Beteiligung von gewählten analysieren und kritisierte Repräsentanten der einschläPunkte durch eine Gesetzesgigen Landsmannschaften bei änderung zu verbessern“. Reisen in die ehemaligen deutBdV-Präsidentin Erika Steinschen Siedlungsgebiete vorgebach meinte, „es sei erfreulich schlagen hatte. BdV-Vorsitzender Christian Horst Seehofer (2. von links) mit Dr. Bernd Fabritius, zu sehen, dass immer mehr euKnauer hob die Begegnung Klaus Johannis, Bischof Christoph Klein (v. l.) vor dem Sitz ropäische Nachbarländer ihre Seehofers mit Vertretern der des Forums der Siebenbürger Sachsen in Hermannstadt. eigene Vergangenheit hinterdeutschen Volksgruppe in Rumänien her- Băsescu und dem Vorsitzenden des Se- fragen und Unrecht selbstkritisch beim vor. Damit werde nicht nur die langjäh- nats Mircea Geoană ging es um die Mög- Namen nennen. Das bewiesen vor allem rige und enge Verbundenheit Bayerns mit lichkeiten einer engeren Zusammenarbeit auch die Worte von Vasile Blaga auf dem den Siebenbürger Sachsen und Banater bei Strukturpolitik, Energie, Bildung und Heimattag der Siebenbürger Sachsen: Schwaben unterstrichen sondern auch ein Tourismus. Im Hermannstädter Rathaus „Wir wissen, dass wir die Zeit nicht zustarkes Zeichen der Solidarität mit den wurde Horst Seehofer von Bürgermeis- rückdrehen können, um das während der noch heute in Rumänien lebenden rund ter Klaus Johannis empfangen. „Die Stadt Diktatur begangene Unrecht wiedergutist sehr dynamisch, sehr ansprechend und zumachen. Wir wissen aber auch, dass 60 000 Deutschen gesetzt. Dass der Ministerpräsident die deutsche sie ist die Hauptstadt der deutschen Min- unter der neuen Konstellation gute VorMinderheit besucht, ist ein wichtiges Zei- derheit“, fasste Seehofer seine Eindrücke aussetzungen bestehen, damit Sie erneut chen auch gegenüber der rumänischen zusammen. Hermannstadt sei in Bayern kulturelle, soziale, wirtschaftliche oder politische Beziehungen in Rumänien Politik, erklärte Dr. Bernd Fabritius. „Horst ein großer Begriff. Seehofer setzt auf Siebenbürger Sach- Auf Vorschlag der orthodoxen Fakultät knüpfen können. Ich möchte Ihnen sasen“, titelte auch das Bayerische Fernse- und des Departements für evangelische gen, dass Rumänien Sie vermisst“.

Linkes Bild: Im Hermannstädter Rathaus wurde Ministerpräsident Horst Seehofer von Bürgermeister Klaus Johannis (Mitte) empfangen, auf dem Bild mit Dr. Bernd Fabritius und Generalkonsul Thomas Gerlach (von rechts). Rechtes Bild: Der Stadtrundgang in Hermannstadt endete in der orthodoxen Kathedrale, wo Horst Seehofer von Mitropolit Serafin und Mitropolit Laurenţiu (1. und 2. von links) begrüßt wurde. Fotos: ADZ

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Politik

Aufarbeitung im Nachbarland geht voran

Tschechisches Fernsehen strahlt Dokumentarfilm über Vertreibung der Sudetendeutschen aus Nach Jahrzehnten des Schweigens und teilweiser Geschichtsfälschung hat das tschechische Fernsehen im Vorfeld des Sudetendeutschen Tages zur besten Sendezeit den erschütternden Film des tschechischen Regisseurs David Vondráček über Massaker an Deutschen bei und nach Kriegsende gezeigt. Viele Heimatvertriebene und deren Nachkommen sehen darin ein überwältigendes Zeichen der Anteilnahme und der Suche nach Wahrheit. Der Film „Abschlachten auf tschechisch“ zeigt mit seinen schockierenden Aufnahmen sehr plastisch, warum Vertriebene auf die schlichte Reduzierung des 8. Mai 1945 zum „Tag der Befreiung“ mit Entsetzen und Empörung reagieren. Sie tragen eine andere Erfahrung mit sich. Tschechische Historiker bestätigten die Echtheit

der Amateur-Aufnahmen, welche etwa Massenerschießungen von Deutschen dokumentieren. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, verband das Ereignis in unserem Nachbarland mit der Hoffnung, „dass in der Tschechischen Republik jetzt das Nachdenken darüber einsetzt, dass es der eigenen Würde widerspricht, nach wie vor mit menschenrechtsfeindlichen Gesetzen, die diese Massenmorde ausdrücklich von jeder Strafe freistellen, zu leben“. Es sei ermutigend, dass in unserem Nachbarland das Eis der Mitleidslosigkeit breche, das über Jahrzehnte die Erinnerung an die gewalttätige tschechoslowakische Nachkriegsgeschichte bedeckt hielt. Das Bedürfnis der Menschen nach Wahrheit, sollte als Signal von den tschechischen

Sudetendeutscher Rat stärkt Vertriebenenzentrum Der Sudetendeutsche Rat, ein gemeinsames Gremium der im Bundestag vertretenen Parteien und der Sudetendeutschen Landsmannschaft, hat einstimmig am 8. Mai in München, mit Abgeordneten aus CDU/CSU, SPD und FDP dem Bund der Vertriebenen (BdV) seine Rückendeckung für die baldige Errichtung eines Vertriebenen-Zentrums in Berlin signalisiert. In der Resolution wird „die gefundene Einigung zwischen dem BdV und der Bundesregierung zur geplanten Bundesstiftung ,Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘ nachdrücklich unterstützt“. Der Rat „bekräftigt seinen Rückhalt für den BdV bei der Umsetzung des Vorhabens im Sinne des ursprünglichen Konzepts“. Das BdVPräsidium wird sich am Dienstag mit diesem Thema befassen. An der Spitze des Sudetendeutschen Rates stehen derzeit der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe und CSUEuropaabgeordnete Bernd Posselt, der dem Gremium kraft Amtes angehört, sowie der Generalsekretär und langjährige SPD-Abgeordnete im Bayerischen Landtag Albrecht Schläger, der einstimmig in seiner Funktion bestätigt wurde. Ebenfalls einstimmig ins Präsidium des Sudetendeutschen Rates gewählt wurden die

früheren Sprecher der Sudetendeutschen, Staatsminister a. D. Franz Neubauer und Landtagspräsident a. D. Johann Böhm, sowie der Verleger Herbert Fleißner. Der Sudetendeutsche Rat besteht aus 15 Repräsentanten der Bundestagsfraktionen und 15 Delegierten der Sudetendeutschen und ist eines der höchsten politischen Gremien der Volksgruppe.

Stiftungslogo von Doren Köster

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Politikern begriffen werden. Es sei ihre Aufgabe, die menschenrechtsfeindlichen Gesetze, die dieses Morden ausdrücklich von Strafe freistellen, zu beseitigen. Den Intellektuellen in Tschechien, die sich bereits in den vergangenen Jahren der vollständigen Geschichte ihres Landes gestellt haben, sei sehr zu danken. Infolge der durch die schrecklichen Bilder ausgelösten Kontroverse im Nachbarland thematisierte die konservative Tageszeitung „Lidové noviny“, ob diese Gewalttaten bis heute straffrei sein dürften. Nach 65 Jahren sei nicht allein die Brutalität aus dem Mai 1945 problematisch, sondern auch die Tatsache, dass Tschechien immer noch die Beneš-Dekrete und das Amnestiegesetz von 1946 verteidige, welche diese Verbrechen im Nachhinein abgesegnet hätten. So interpretiert die Künstlerin das vom Stiftungsrat gewählte Logo: „Das Logo besteht aus mehreren Quadraten, einem Rechteck und einem linksbündig stehenden Schriftblock. Die Quadrate haben zwei Farben und sind zum einen Teil außerhalb eines beigefarbenen Rechtecks, zum anderen Teil innerhalb desselben angeordnet. Mehrere Überlegungen führten zur Visualisierung des Themas »Flucht, Vertreibung, Versöhnung«. Zum einen gilt es die komplexe Thematik darzustellen, dass sich die Stiftung mit der Flucht und Vertreibung unterschiedlicher Volksgruppen in unterschiedlichen Staaten befasst. Stellvertretend hierfür stehen Quadrate, die sich außerhalb des mittig stehenden Rechtecks befinden. Zum anderen gilt es den Gedanken der Versöhnung zu veranschaulichen. Dies geschieht in diesem Entwurf durch die Quadrate, die innerhalb des Rechtecks liegen und eine andere Farbe haben als die außen liegenden. Das mittig stehende Rechteck ist quasi ein Raum, in dem sich »Flucht« und »Vertreibung« sammeln und in dem eine »Versöhnung« stattfindet. Das Moment der Bewegung, das den Worten »Flucht« und »Vertreibung« immanent ist, wird stellvertretend durch einzelne, frei liegende oder nur an den Ecken sich berührende Quadrate visualisiert. Das Moment der Ruhe, das in dem Wort »Versöhnung« zum Ausdruck kommt, wird durch das mittig liegende Rechteck, die sich dort sammelnden Quadrate und den im Zentrum des Logos positionierten Schriftblock verdeutlicht. Des Weiteren knüpft das Rechteck formal an die Fensterfront des Deutschlandhauses an.“


Bundespolitik

Verbesserungen für das Ehrenamt

Bundesrat billigt Vereinsreformen Haftung für ehrenamtliche Vorstände begrenzt Der Bundesrat hat den Weg für Verbesserungen im Vereinsrecht freigemacht. Demnach gibt es eine Haftungsbegrenzung für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände und elektronische Anmeldungen zum Vereinsregister werden möglich. Mit den Neuregelungen wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Ehrenamt verbessert. Dabei wurde für eine angemessene Begrenzung der zivilrechtlichen Haftung für ehrenamtliche Vereins- und Stiftungsvorstände gesorgt. Sie werden künftig nur noch für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einstehen müssen. Zudem wurde die Möglichkeit, Anmeldungen zum Vereinsregister auf elektronischem Weg zu erledigen geschaffen. In den über 550 000 eingetragenen Vereinen in Deutschland werde, so das Bundesministerium für Justiz, unschätzbar wichtige Arbeit für Sport, Kultur und Soziales geleistet. Das Ziel des neuen Gesetzes sei es, das Engagement dieser Menschen, die sich selbstlos für das Gemeinwesen einsetzen, zu unterstützen und zu fördern. Das bürgerschaftliche Engagement sei eine tragende Säule unserer Gesellschaft. Zu den Vorhaben im Einzelnen: a) Haftungsbegrenzung für Vereins- und Stiftungsvorstände Das Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen beinhaltet angemessene Haftungserleichterungen für Vereins- und Stiftungsvorstände, die unentgeltlich tätig sind oder für ihre Tätigkeit ein geringfügiges Honorar von maximal 500 Euro im Jahr erhalten. Diese Wertgrenze orientiert sich an dem Steuerfreibetrag für Vereinsvorstände. So wird gewährleistet, dass Vereine und Vorstandsmitglieder die nunmehr steuerrechtlichen Vergünstigungen ohne negative haftungsrechtliche Folgen ausschöpfen können. Wer sich ehrenamtlich in Verein oder Stiftungen engagiert, dürfe nicht dem vollen Haftungsrisiko ausgesetzt sein. BdV-Landesvorsitzender Christian Kna‚uer hat die Einführung einer zivilrechtlichen Haftungsbegrenzung für ehrenamtlich tätige Vereinsvorstände be-

grüßt. „Es freut mich, dass Bundestag und Bundesrat auch die Vorschläge aufgegriffen haben, diese Haftungsbegrenzung auf Vorstandsmitglieder auszuweiten, die als Anerkennung für ihre Tätigkeit eine geringe steuerfreie Vergütung erhalten, und sie zudem auch auf die Vorstände von Stiftungen zu erstrecken.“ Die Reform sieht vor, dass Vorstandsmitglieder, die unentgeltlich tätig sind oder lediglich eine Vergütung von höchstens 500 Euro im Jahr erhalten, für ihre Vorstandstätigkeit nur noch bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haften. Beispiel 1: Um die Vereinskasse zu entlasten, organisiert der Vorstand eines Tennisvereins für den Vereinsparkplatz einen Winterdienst durch Vereinsmitglieder. Das für die Diensteinteilung zuständige Vorstandsmitglied übersieht versehentlich eine E-mail, mit der sich ein für den Winterdienst vorgesehenes Vereinsmitglied krank meldet. Nach ergiebigen Schneefällen in der Nacht fährt am Folgetag vormittags ein Vereinsmitglied auf dem nicht geräumten Vereinsparkplatz glättebedingt mit dem Auto gegen einen Zaunpfeiler. Da dem zuständigen Vorstandsmitglied nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist, haftet es weder gegenüber dem Mitglied für den Schaden am Auto noch gegenüber dem Verein für den Schaden am Zaun. Schädigt das Vorstandsmitglied nicht den Verein oder dessen Mitglieder, sondern Dritte, wird die Haftung gegenüber dem Dritten nicht beschränkt. Allerdings hat der Verein das Vorstandsmitglied von der Haftung gegenüber dem Dritten freizustellen, sofern das Vorstandsmitglied nicht grob fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat. Beispiel 2: Der Unfall auf dem Vereinsparkplatz betrifft nicht das Auto eines Vereinsmitglieds, sondern den Lieferwagen eines vom Verein beauftragten Handwerkers. Der Handwerker kann vom Vorstandsmitglied den vollen Ersatz des ihm entstandenen Schadens fordern. Das Vorstandsmitglied kann jedoch intern vom Verein verlangen, das dieser dem Handwerker den Schadenersatz leistet.

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b) Elektronische Anmeldungen zum Vereinsregister Mit dem Gesetz zur Erleichterung elektronischer Anmeldungen zum Vereinsregister und anderer vereinsrechtlicher Änderungen werden die noch notwendigen Voraussetzungen zur Zulassung elektronischer Anmeldungen zu den Vereinsregistern geschaffen. Viele Vereinsregister werden in den Ländern bereits elektronisch geführt. Jetzt sind die Voraussetzungen geschaffen, dass auch alle Anmeldungen zum Vereinsregister elektronisch erfolgen können. Dabei ist wichtig, dass die elektronische Anmeldung keine Pflicht, sondern eine zusätzliche Möglichkeit ist. So kann jeder Verein selbst entscheiden, welche Form für ihn die einfachste ist. Das Gesetz schafft zusammen mit der am 1. September 2009 in Kraft getretenen FGG-Reform die bundesrechtlichen Voraussetzungen, damit die Länder alle Anmeldungen zum Vereinsregister – von der Erstanmeldung bis Anmeldung der Beendigung eines Vereins – auch durch elektronische Erklärungen zulassen können. Anders als bei den Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregistern bleiben beim Vereinsregister aber weiterhin alle Anmeldungen auch in Papierform möglich. Denn die Länder können die elektronische Anmeldung nur neben der Anmeldung in Papierform vorsehen. Neben den Vorschriften zur elektronischen Anmeldung enthält das Gesetz weitere registerrechtliche Änderungen, die Anmeldungen und Eintragungen erleichtern und den Informationswert des Vereinsregisters erhöhen. Zudem werden einige überholte Vorschriften aus dem Vereinsrecht aufgehoben, andere an die Rechtsentwicklung angepasst.

60 Jahre Deutsch-Baltische Gesellschaft Bundestreffen 03. – 05. September Travemünde


Aus der Stiftung

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP

Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ A. Problem und Ziel In dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ (DHMG) vom 21. Dezember 2008 wird in Artikel 1 Abschnitt 2 die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ als unselbständige Stiftung des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums (DHM) errichtet. Stiftungszweck ist ein Ausstellungs-, Dokumentationsund Informationszentrum in Berlin zu unterhalten, um im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wachzuhalten. Um der Komplexität der Aufgabenstellung und des Meinungsspektrums noch besser Rechnung zu tragen, sollen sowohl der Stiftungsrat als auch der wissenschaftliche Beraterkreis vergrößert und das Berufungsverfahren für den Stiftungsrat modifiziert werden. B. Lösung Es wird das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ geändert. Folgende wesentliche Neuerungen sind vorgesehen: Erhöhung der Zahl der Mitglieder im Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ von 13 auf 21, Wahl der Mitglieder durch den Deutschen Bundestag statt Bestellung durch die Bundesregierung, Erhöhung der Zahl der Mitglieder im wissenschaftlichen Beraterkreis der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ von bis zu neun auf bis zu 15. C. Alternativen Keine D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte Keine zusätzlichen Haushaltsausgaben des Bundes. Mehrkosten aufgrund der Ausweitung der Gremien werden im Wirtschaftsplan der Stiftung aufgefangen. E. Sonstige Kosten Auswirkungen auf die Wirtschaft, die Einzelpreise und auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau sowie auf die sozialen Sicherungssysteme sind durch das Gesetz nicht zu erwarten. F. Bürokratiekosten Mit dem Gesetzentwurf werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Verwaltung sowie Bürgerinnen und Bürger eingeführt, geändert oder aufgehoben. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“. Vom … Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ Das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2891) wird wie folgt geändert:

1. § 19 wird wie folgt gefasst: § 19 Stiftungsrat (1) Der Stiftungsrat besteht aus 21 Mitgliedern. (2) Es werden vorgeschlagen 1. vier Mitglieder durch den Deutschen Bundestag, 2. je ein Mitglied durch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium des Innern und die Beauftragte oder den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, 3. sechs Mitglieder durch den BdV e. V., 4. je zwei Mitglieder durch die Evangelische Kirche in Deutschland, die Katholische Kirche in Deutschland und den Zentralrat der Juden in Deutschland. Für jedes Mitglied ist für den Fall der Verhinderung ein stellvertretendes Mitglied vorzuschlagen. Die vom Deutschen Bundestag vorgeschlagenen Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder müssen Abgeordnete des Deutschen Bundestages sein. (3) Die oder der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien leitet die Vorschläge nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 bis 4 und Satz 2 mit einem entsprechenden Antrag zur Wahl der Präsidentin oder dem Präsidenten des Deutschen Bundestages zu. Der Deutsche Bundestag wählt auf Grund der Vorschläge nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 und Satz 2 die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder. Der Wahl liegt ein Gesamtvorschlag zugrunde, der nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden kann. Die Präsidentin oder der Präsident des Deutschen Bundestages teilt das Ergebnis der Wahl der oder dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien mit. (4) Die Mitglieder und deren Stellvertreter werden für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Das Mandat endet schon vor Ablauf der fünf Jahre, wenn ein Mitglied oder stellvertretendes Mitglied als Funktionsträger bei der vorschlagsberechtigten Stelle aus seiner dortigen Funktion ausscheidet. In diesem Fall erfolgt für die bis zum Ablauf der fünf Jahre verbleibende Zeit eine Nachbesetzung. Die Absätze 2 und 3 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Hat mehr als eine Nachbesetzung zu erfolgen, ist Absatz 3 Satz 3 entsprechend anwendbar. (5) Mitglieder kraft Amtes sind die Präsidentin oder der Präsident (§ 7) und die Präsidentin oder der Präsident der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Die stellvertretenden Mitglieder für diese Mitglieder sind ihre satzungsmäßigen Vertreter. (6) Sind ein Mitglied und sein stellvertretendes Mitglied verhindert, kann das Stimmrecht durch ein anderes Mitglied oder stellvertretendes Mitglied ausgeübt werden. (7) Beschlüsse bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Den Vorsitz hat das auf Vorschlag der oder des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gewählte Mitglied. Die Direktorin oder der Direktor und die oder der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beraterkreises nehmen mit Rederecht teil.

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Aus der Stiftung (8) Der Stiftungsrat bestimmt die Grundzüge des Stiftungsprogramms und beschließt über alle grundsätzlichen Angelegenheiten der unselbständigen Stiftung, soweit dadurch nicht grundsätzliche Verwaltungsangelegenheiten des Trägers betroffen werden. Der Stiftungsrat entscheidet insbesondere über die Verwendung der Mittel ab einer in der Geschäftsordnung näher bestimmten Ausgabenhöhe, die Berufung der Mitglieder des wissenschaftlichen Beraterkreises sowie über die Ernennung oder Einstellung und die Entlassung oder Kündigung der Direktorin oder des Direktors und kontrolliert ihre oder seine Tätigkeit. Der Stiftungsrat gibt sich eine Geschäftsordnung. (9) Gegen Entscheidungen des Stiftungsrates steht der Präsidentin oder dem Präsidenten (§ 7) ein Vetorecht zu, wenn sie gegen Rechtsvorschriften, insbesondere gegen die Satzung des Trägers oder gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, verstoßen. (10) In Haushalts- und Personalangelegenheiten können Beschlüsse nur mit Zustimmung des auf Vorschlag der oder des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gewählten Stiftungsratsmitgliedes gefasst werden.“ 2. § 20 Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst: „(1) Der Stiftungsrat richtet einen wissenschaftlichen Beraterkreis mit bis zu 15 Mitgliedern ein.“ 3. Folgender § 22 wird angefügt: § 22 Übergangsregelung Bis zur erstmaligen Konstituierung des Stiftungsrates und des wissenschaftlichen Beraterkreises nach diesem Gesetz in der Fassung des Gesetzes vom … [einsetzen: Datum und Fundstelle dieses Gesetzes] bleiben die zuvor bestehenden Gremien im Amt.“ Artikel 2 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Begründung A. Allgemeiner Teil Mit dem nun zu ändernden Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ vom 21. Dezember 2008 wurde in Artikel 1 Abschnitt 2 auch die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ geschaffen. Dabei handelt es sich um eine unselbständige Stiftung des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des DHM. Angestrebt werden die Errichtung und Unterhaltung eines Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrums in Berlin. Um der Komplexität der Aufgabenstellung und des Meinungsspektrums noch besser Rechnung zu tragen, sollen eine Vergrößerung des Stiftungsrates und eine Modifizierung des Berufungsverfahrens für den Stiftungsrat vorgenommen werden. Des Weiteren soll der wissenschaftliche Beraterkreis erweitert werden. Folgende Änderungen sind daher vorgesehen: Erhöhung der Zahl der Mitglieder im Stiftungsrat von 13 auf 21, Wahl der Mitglieder durch den Deutschen Bundestag statt Bestellung durch die Bundesregierung, Erhöhung der Zahl der Mitglieder im wissenschaftlichen Beraterkreis von bis zu neun auf bis zu 15. B. Zu den einzelnen Vorschriften Zu Artikel 1 Zu Nummer 1 (§ 19) Die Vorschrift regelt die Zusammensetzung, das Ver-

fahren zur Erlangung der Mitgliedschaft und die Arbeitsweise des Stiftungsrates. Die Anzahl der Mitglieder im Stiftungsrat, geregelt in Absatz 1, wird von 13 auf 21 erhöht. In Absatz 2 wird die Zusammensetzung des Stiftungsrates festgelegt. Hier sind nun für den Deutschen Bundestag vier statt bisher zwei Sitze, für den Bund der Vertriebenen e. V. (BdV) sechs statt bisher drei, für die Evangelische Kirche in Deutschland, die Katholische Kirche in Deutschland und den Zentralrat der Juden in Deutschland je zwei Sitze statt bisher ein Sitz vorgesehen. Die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages wird damit repräsentativer abgebildet. Die Erhöhung erfolgt wegen der besonderen geschichtspolitischen Komplexität des Projekts. In Bezug auf den bisher verwendeten Begriff „Benennung“ bzw. „benennen“ hat sich bei der Rechtsauslegung eine Unklarheit angedeutet. Daher wird nun eindeutig geregelt, dass die entsendeberechtigten Stellen ein Vorschlagsrecht haben. Diese terminologische Änderung betrifft die Absätze 2, 3 Satz 1 (alt), Absatz 6 Satz 2 (alt) und Absatz 9 (alt). Gemäß Absatz 3 wählt der Deutsche Bundestag die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder aufgrund der in Absatz 2 geregelten Vorschläge. Die vorschlagsberechtigten Stellen mit Ausnahme des Deutschen Bundestages leiten ihre Vorschläge der oder dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) als der für die Stiftung zuständigen Stelle zu. BKM sammelt die Vorschläge und legt sie mit einem entsprechenden Antrag zur Wahl der Präsidentin oder dem Präsidenten des Deutschen Bundestages vor, der oder die diesen Antrag um die Vorschläge des Deutschen Bundestages ergänzt. Die Wahl erfolgt dann aufgrund eines in einer Drucksache zusammengeführten Gesamtvorschlags, der nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden kann. Wird ein Gesamtvorschlag abgelehnt, gilt er als gescheitert. In diesem Fall ist das Verfahren erneut zu beginnen, indem die vorschlagsberechtigten Stellen erneut ihre Vorschläge abgeben. Die Entscheidung durch den Deutschen Bundestag gewährleistet, dass übergeordnete politische Belange beachtet werden. Die Wahl wirkt unmittelbar konstitutiv. Die Mitteilung des Wahlergebnisses an die oder den BKM dient lediglich dazu, dass die Information der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder erleichtert wird. Absatz 4 (neu) enthält materiell keine neue Regelung. Hier wurde der strukturellen Klarheit halber ein neuer Absatz eingefügt. Zu Nummer 2 (§ 20) Die Vorschrift regelt in Absatz 1 Satz 1 die Anzahl der Mitglieder im wissenschaftlichen Beraterkreis, die von dem Stiftungsrat berufen werden. Wegen der besonderen geschichtspolitischen Komplexität soll das Projekt auf eine breitere wissenschaftliche Basis gestellt werden. Die Anzahl der Mitglieder wird daher von bis zu neun auf bis zu 15 erhöht. Zu Nummer 3 (§ 22) Die Übergangsvorschrift regelt den Status der Mitglieder des Stiftungsrates und wissenschaftlichen Beraterkreises zwischen Inkrafttreten des Gesetzes und Neukonstituierung der Gremien. Gleichzeitig wird damit die Arbeitsfähigkeit der Gremien in der Übergangszeit gewährleistet. Zu Artikel 2 Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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Aus dem Bundestag

Erste Lesung zum Stiftungsgesetz

Parteien sprechen Klartext zur Stiftung Heimatvertriebene können Stellenwert erkennen Zentralrat der Juden, bürgt für Offenheit und Pluralität der gesamten Stiftungsarbeit. Einseitigkeiten, Geschichtslegenden, ja, gewollte Mythologisierungen sind dadurch ausgeschlossen. Und genau das ist die Absicht der von uns erarbeiteten Neuzusammensetzung des Stiftungsrates „Flucht, Vertreibung, Versöhnung.“ Dagegen übrigens zu polemisieren, wie es etwa die Linke tut, ist entlarvend und bestätigt die Probleme, die man in ihren Reihen mit dem Objektivitätsgebot und Wahrhaftigkeitspostulat offensichtlich hat. Vorwürfe bizarr

Thomas Strobl (CDU): In dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“, DHMG, vom 21. Dezember 2006 wurde die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ als unselbstständige Stiftung des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft des Deutschen Historischen Museums, DHM, errichtet. Stiftungszweck war und ist die Unterhaltung eines Ausstellungs-, Dokumentations und Informationszentrums in Berlin, um im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wachzuhalten. Verbreiterte Entscheidungsbasis Die bisherige Stiftungsarbeit hat gezeigt, dass die Komplexität der Aufgabenstellung und des Meinungsspektrums eine Vergrößerung des Stiftungsrates und eine Modifizierung des Berufungsverfahrens für den Stiftungsrat angezeigt erscheinen lassen. Die zentrale Neuerung des Gesetzentwurfs ist, die Berufung der Mitglieder in den Stiftungsrat fortan dem Bundestag zu übertragen, also der Legislative, statt sie wie bisher der Exekutive anheimzustellen. Dies verbreitert die Entscheidungsbasis erheblich und objektiviert den Berufungsprozess. Auch die Einbeziehung verschiedener Gruppen, wie etwa die Kirchen und den

Geradezu unverschämt aber ist die Behauptung, diese Probleme lägen im Gegenteil bei uns, und wir wollten Geschichtsverfälschungen vornehmen, indem wir mehr Sitze für den Vertriebenenverband forderten, nämlich sechs von den insgesamt 21 Plätzen. Dass aus linker Sicht offensichtlich in einem Stiftungsrat für Vertreibung ausgerechnet die Betroffenen nicht angemessen, also mit wenigstens einem knappen Drittel, vertreten sein sollen, ist schon bizarr. Es ist typischer Ausdruck ideologischen Scheuklappendenkens. Die Linke verdreht mit ihrer Kritik am DHM-Konzept bewusst Ursache und Wirkung; denn eher die bisherige Unterrepräsentanz der Vertriebenen stand einer objektiven Geschichtsbetrachtung im Weg, keinesfalls deren nun angestrebte Korrektur. Mit ihrer Fundamentalkritik beweist die Linke einmal mehr, dass ihr im politischen Tageskampf jede Faktenverbiegung recht ist, wenn sie davon zu profitieren glaubt. Das aber lassen wir ihr nicht durchgehen. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist ausgewogen, die verschiedensten Gruppierungen und Belange werden berücksichtigt, und alle Chancen sind gegeben, von der Vergangenheit ein im höchsten Maße objektives Bild für die Nachwelt zu entwerfen. Und nur dann können wir aus der Geschichte lernen, wenn bei ihrer Darstellung Objektivität waltet. Historiker, so heißt es, sind mächtiger als Götter. Sie können sogar die Vergangenheit verändern. Mit diesem hintersinnigironischen Urteil, das von Geschichtsprofessoren stammt, wird auf das Problem

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der Ausdeutbarkeit vergangener Ereignisse verwiesen. Dass dabei unter Umständen historische Wahrhaftigkeit zu kurz kommt und „erkenntnisleitende Interessen“ des Betrachters eine verfälschende Rolle bei der Darstellung geschichtlicher Zusammenhänge spielen können, erlebt man leider allzu oft. Und angesichts des Eifers, mit dem sich momentan die extremistische Linke anschickt, in der Debatte um die Novelle des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ die Wortführerschaft an sich zu reißen, liegt der Verdacht nahe, dass hier „erkenntnisleitende Links-Interessen“ im Spiel sind. Hier soll offenbar eine Deutungshoheit über eine wichtige Frage deutscher Geschichte angestrebt werden, die den Linken einfach nicht zukommt, deren historische „Wahrhaftigkeit“ nachgewiesenermaßen selbst in eigener Sache mehr als fragwürdig ist. Denn man braucht ja kaum daran zu erinnern, dass die Linke oft genug Fakten beliebig verändert, geschichtliche Dokumente manipuliert hat, wann immer es ihr in den Kram passte. Wer kennt nicht die berühmten historischen Fotografien von kommunistischen Parteitagen, auf denen unliebsam gewordene Parteigenossen, die Kommunisten verfälschen ursprünglich abgebildet waren, nachträglich fürs Geschichtsbuch wegretuschiert wurden, weil sie plötzlich unerwünscht waren und aus der Erinnerung getilgt werden sollten? Wahrheit ist für Kommunisten stets veränderlich, situationsbezogen und nur in einer Hinsicht „fest“: als beliebte Worthülse für Propagandazwecke. Nicht zuletzt deshalb hieß ja auch die Staatszeitung der Sowjetunion Prawda, also „Wahrheit“, obwohl sie selten Wahres enthielt, das Volk in politischen Dingen systematisch belog und sogar den Wetterbericht fälschte. Man kann so weit gehen und sagen: Je mehr die Kommunisten von Wahrheit sprechen, desto sicherer kann man sein, dass nun garantiert eine Lüge folgt. Wie etwa bei Ulbrichts berüchtigtem „Versprechen“ vom Juni 1961: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.“ Und ausgerechnet die Nachfolger der so gestrickten DDR-Kom-


Aus der Stiftung haben: die Politiker. Im aktuellen Fall ist die Entscheidung, wer in den wissenschaftlichen Beraterkreis berufen wird, aber nicht Sache des Kulturstaatsministers gewesen, sondern Sache des Stiftungsrates. Nun müssen wir jedoch sicherstellen, dass die Stiftung ihre bedeutende Arbeit auf einem sicheren Fundament fortführen kann und daher bitte ich Sie heute um konstruktive Zusammenarbeit zur Novellierung des DHM-Gesetzes. Diese Novellierung ist rein organisatorischer und nicht inhaltlicher Natur. Um die Qualität der Arbeit der Stiftung zu garantieren, wird eine Erhöhung der Zahl der Mitglieder des StifFairer Meinungswettbewerb tungsrates und des wissenschaftlichen nungen darstellbar ist und keine einzel- Beirates vorgeschlagen. ne Partei sich anmaßen darf, zu glauben, Auch wenn wir als Deutsche beim Thedie Wahrheit von vornherein zu kennen, ma Vertreibung ganz besondere Verantwortung tragen, ist es trotzdem kein rein ja, sie für sich gepachtet zu haben. deutsches Thema. Die Stiftung trägt das Wort im Titel: Versöhnung. Und so muss unser gemeinsames Ziel lauten. Um es zu erreichen, ist gerade die Einbindung der Betroffenen von ganz besonderer Bedeutung.

munisten wollen nun beurteilen, was historische Wahrheit in der Vertriebenenproblematik ist? Das erscheint fast als Witz, und man könnte darüber lachen, wenn die Sache nicht so ernst wäre. Deshalb stelle ich hier in aller Ernsthaftigkeit klar: Für mich und für alle Demokraten ist die historische Wahrheit etwas Absolutes und nicht verhandelbar. Auch auf dem Gebiet der Geschichte fühlt sich die CDU/CSU-Fraktion dem strikten Objektivitätsgebot liberal-pluralistischer Provenienz verpflichtet. Mit Karl Popper sind wir der Meinung, dass die Wahrheit nur bei einem fairen Wettbewerb der Mei-

Konstruktiver Neustart

Dorothee Bär (CSU): Die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ stand in den letzten Monaten medial oftmals in der Kritik. Inhaltlich wurde vor allem die mangelnde Ausgewogenheit bei der Zusammensetzung des wissenschaftlichen Beirats kritisiert. Nachdem wir deshalb im März drei bedauerliche Austritte aus dem wissenschaftlichen Beirat zu vermelden hatten, nehmen wir diese Kritik dankbar auf und beraten heute eine Novellierung des DHM-Gesetzes. Vorab möchte ich jedoch nicht versäumen, Folgendes anzumerken: Etwas zu voreilig, aber doch stets mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, erfolgt in Momenten, in denen Stiftungen oder ähnliche Einrichtungen, die aufgrund politischer Entscheidungen eingesetzt wurden, ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, der Fingerzeig auf diejenigen, die es – auf gut Deutsch – verbockt

Daher halte ich es für richtig, die Stiftung personell möglichst breit aufzustellen und mit Experten zu besetzen, die aus möglichst unterschiedlichen Ländern und Kontexten kommen, so dass die gesamte Vielfalt des Betrachtungsgegenstandes aufgegriffen und bearbeitet werden kann. Darüber hinaus muss es uns ein Anliegen sein, dass sich möglichst viele Gruppen und Länder eingebunden und zur Mitarbeit aufgerufen fühlen. Die Ausgestaltung der weiteren Arbeit der Stiftung ist eine große Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es heute, die Gestaltung der Formalien auf den Weg zu bringen, sodass diese Arbeit mit neuer Motivation aufgenommen werden kann. Ein Mitglied des Stiftungsbeirates hat vor kurzem den Wunsch nach einem Neustart der Stiftungsarbeit in einem konstruktiven Klima geäußert. Diesem Wunsch schließe ich mich gerne an und bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass auch wir in einem ergebnisorientierten Geiste unseren Teil dazu beitragen.

Unser Spendenkonto:

BdV-Landesverband Bayern HypoVereinsbank München Konto 803 (BLZ 700 202 70)

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Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD): Bei dem vorliegenden Entwurf zur Gesetzesänderung ist vor allem das Vorspiel der Skandal. Erika Steinbach hat es geschafft, die Regierungskoalition zu erpressen. Sie ist nur bereit, auf einen Sitz im Stiftungsrat zu verzichten, wenn bestimmte Bedingungen ihres Verbandes erfüllt werden. Union und FDP haben mit Erika Steinbach als Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen verhandelt, als sei der BdV eine Bundestagsfraktion. Dabei geht es hier doch um eine öffentlich-rechtliche Stiftung und nicht um eine Institution des BdV. Hinzu kommt noch, dass der BdV bereits in den Gremien der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gut vertreten ist. Die bisherige Präsenz von Wegbegleitern Erika Steinbachs über das Zentrum gegen Vertreibungen im wissenschaftlichen Beirat hat unter Wissenschaftlern bereits zu erheblichen Irritationen geführt. So haben sich der polnische Historiker Tomasz Szarota und die tschechische Historikerin Kristina Kaiserová bereits zurückgezogen. Der Zentralrat der Juden ist ebenfalls höchst alarmiert. Keine Stiftung des BdV Selbstverständlich müssen Vertriebenenvertreter in den Gremien der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ vertreten sein. Wir brauchen sie und ihre Erfahrungen, ihre Fragen, ihre Anregungen. Der BdV aber sollte dazu beitragen, dass das ihm entgegengebrachte Misstrauen abgebaut wird. Dies entstand aus verschiedenen Gründen. Ich nenne hier nur die unklaren Mitgliederzahlen sowie die NS-Verstrickung von früheren BdV-Funktionären.


Aus dem Bundestag In der Machbarkeitsstudie zur Aufarbeitung dieses Kapitels wird offensichtlich der Versuch einer Bagatellisierung der NS-Verstrickung von BdV-Funktionären unternommen. Pikant ist diese Geschichte zudem, da der Direktor der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, Professor Kittel, beim IfZ diese Studie koordiniert hat. Die Geschichte des BdV muss aufgeklärt werden; sonst verlieren nicht nur seine Funktionäre, sondern auch die Stiftung noch mehr an Glaubwürdigkeit. Wenn schon jetzt eine Dominanz des BdV zu Irritationen führt, wie soll dann mit dem neuen Gesetzentwurf die Versöhnung – diesen Auftrag hat die Stiftung ja ebenfalls – mit Polen, Tschechen und anderen Opfern des Zweiten Weltkriegs funktionieren? Ich möchte kurz auf die einzelnen Änderungsvorschläge der Gesetzesvorlage eingehen: Erstens. Mir ist schleierhaft, warum zukünftig sechs Vertreter des BdV im Stiftungsrat sitzen sollen. Ich bekomme viel Post von Vertriebenen, die sich eben nicht Nicht durch BdV vertreten vom BdV vertreten fühlen. Diese Menschen haben keine Stimme in der Stiftung. Vertriebene müssen im Stiftungsrat vertreten sein; aber angesichts vieler ungeklärter Fragen beim BdV frage ich mich, warum nicht auch andere Vertriebenenverbände einbezogen werden. Das Adalbertus-Werk, das sich seit der Nachkriegszeit für Versöhnung einsetzt, bzw. deren Dachverband, die Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Vertriebenenorganisationen, AKVO, wären an einer Mitarbeit interessiert. Es gibt genügend deutsche Vertriebenenorganisationen, die mit ihrem Engagement für die Versöhnung einen Sitz im Rat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ verdient hätten. Man könnte, wenn man nun neu über den Stiftungsrat Keine muslimischen Vertreter nachdenkt, auch überlegen, ob nicht auch alternative Projekte, die sich mit dem Thema befassen, eingebunden werden, zum Beispiel die Partnerstädte Görlitz/Zgorzelec, die ein gemeinsames Projekt zum Thema Vertreibungen vorgestellt hatten, oder auch einen Vertreter des „Zentrums gegen Krieg“ des Willy-Brandt-Kreises. Ich habe in letzter Zeit viel mit Wissenschaftlern gesprochen, die mir wichtige Denkanstöße gegeben haben. Eine Idee möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben. Die Kirchen und der Zen-

tralrat der Juden sind im Stiftungsrat vertreten. Es gibt allerdings keinen muslimischen Vertreter. Dabei könnte gerade dieser eine Brücke von der Integration der Vertriebenen in die deutsche Gesellschaft zu aktuellen integrationspolitischen Debatten bauen. Es wäre eine Chance, auch Schulklassen mit multiethnischer Zusammensetzung stärker für die Ausstellung zu interessieren und einen Bogen zur eigenen Wirklichkeit zu spannen. Es ließen sich am Beispiel der Integration der Ostdeutschen dann hervorragend Gefahr durch Gesamtpaket Probleme thematisieren und diskutieren, die der – jugendliche – Besucher von Dauer- und Wechselausstellungen der Stiftung in seiner eigenen Lebenswelt entdecken und aus denen er für seinen gegenwärtigen und zukünftigen Alltag lernen kann. Zweitens. Eine Wahl der Mitglieder des Stiftungsrates durch den Deutschen Bundestag statt einer Bestellung durch die Bundesregierung kann ich als Abgeordnete eigentlich nur begrüßen. Aber hier lauert leider eine Gefahr: Durch die Abstimmung im Gesamtpaket wird man im Zweifel die eigenen Vertreter ablehnen müssen, wenn eine andere vorgeschlagene Person nicht zustimmungsfähig ist. Dies ist für die SPD-Fraktion nicht akzeptabel. Drittens. Die Erweiterung des wissenschaftlichen Beirats begrüße ich. Jetzt geht es darum, hochrangige und kompetente Wissenschaftler für die Mitarbeit zu gewinnen.

seit Jahren intensiv insbesondere im Bereich der deutsch-polnischen und der deutsch-tschechisch-slowakischen Historikerkommissionen an der Thematik der Vertreibungen. Es wäre engstirnig und provinziell, auf diese Ressourcen zu verzichten. Es muss deutlich werden, dass es sich bei der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ um eine öffentlichrechtliche Einrichtung handelt, die unabhängig und auf der Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse arbeitet und nicht als verlängerter Arm der Präsidentin des BdV. Die Stiftung muss endlich in einen ernsthaften Dialog mit unseren europäischen Nachbarn eintreten. Wir brauchen dringend mehr Transparenz. Wir brauchen einen offenen Diskurs über die Ausrichtung der Stiftung und deren Ausstellung, und wir brauchen eine ernst gemeinte Auseinandersetzung über die offenen und kritischen Fragen. Wir müssen uns fragen, wie das Verhältnis von Holocaust und Vertreibungen im Umfeld des Zweiten Weltkrieges darzustellen ist. Wir müssen klären, wie Versöhnung im Zusammenhang mit dem Thema Vertreibungen steht. Wir müssen aufhören, vom Jahrhundert der Vertreibungen zu reden, sonst relativieren wir den Holocaust! Dies darf aus Respekt gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus nicht geschehen; das sind wir außerdem auch unserer historischen Verantwortung schuldig.

Stiftung in der Krise Dabei müssen ausgewiesene Experten für die Vertreibungsgeschichte sowie Historiker mit dem Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg und Holocaust, außerdem Museumspädagogen und neue ausländische Vertreter gefunden werden. Grundsätzlich muss die Koalition einsehen, dass mit dem sogenannten Kompromiss, der mit Frau Steinbach erzielt wurde, kein Vertrauen gewonnen wurde. Vielmehr stecken wir mitten in einer Krise. Dies habe ich auch bei der letzten Stiftungsratssitzung deutlich zu machen versucht. Nur ein Neuanfang der Stiftungsarbeit, bei der auch kritische Fragen gestellt werden, kann das Projekt positiv voranbringen. Das ist nicht nur meine Meinung, sondern die vieler Wissenschaftler, die das Projekt beobachten. Deren Stimmen wurden bisher nicht gehört. Internationale Expertengremien arbeiten

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Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): In den letzten Monaten bestimmten leider hauptsächlich Personaldebatten die Diskussion über das Gesetz zur Stiftung „Deutsches Historisches Museum“. Da diese nun ausgeräumt sind, hat die christlich-liberale Koalition mit dem nun vorgelegten Änderungsgesetz den wichtigen


Aus der Stiftung Schritt zur sachlichen Debatte über die Stiftung „Flucht, Vertreibung und Versöhnung“ getan. Damit haben wir jetzt die Möglichkeit, die Inhalte und die Ziele der Stiftung in dieser Frage noch einmal deutlich zu machen. Deshalb gilt: Wir wissen um die deutsche Schuld. Wir wissen, dass das Deutsche Reich einen fürchterlichen Krieg begonnen hatte, in bis dahin unbekanntem Ausmaß Verbrechen stattfanden und das Deutsche Reich furchtbares Leid über Europa gebracht hatte. Schuld nicht verharmlosen Wir wissen aber auch um die Schrecken der Vertreibung aus der Heimat, um die schrecklichen Folgen, die eine Flucht mit sich bringt. Gerade deswegen ist es wichtig, ein Symbol, einen Anlaufpunkt als Mahnung und Zeichen zu haben, als Aufzeig für die Jugend stellvertretend für alle Vertreibungen in der Welt; denn nicht nur die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg wird thematisiert, sondern auch die Schicksale von Vertriebenen anderer Nationen sollen mit einbezogen werden. Die Stiftung ist eben nicht rein national ausgerichtet, was die Opposition völlig zu Unrecht moniert hatte. Aber: Es darf in der gesamten Diskussion über Krieg und Kriegsfolgen nicht um Aufrechnung gehen. Das verbietet sich. Die Verbrechen der Deutschen werden nicht kleiner durch Verbrechen an Deutschen. Und: Die Verbrechen der Deutschen rechtfertigen nicht die Verbrechen an Deutschen. Wir dürfen Verbrechen nicht gegeneinander aufwiegen. Leid und Schuld sind immer individuell, wobei der Holocaust und die Taten der Naziherrschaft einen herausragenden Stellenwert besitzen und auch weiterhin besitzen müssen. Aber auch die Vertreibung ganzer Bevölkerungsschichten aus den ursprünglichen Heimatregionen war eine Erinnern und versöhnen Schuld, die nicht vergessen oder verharmlost werden soll. Man muss auch dieser Taten gedenken, dafür sensibilisieren und dafür dient diese Stiftung. Sie hat aus meiner Sicht die große Aufgabe, die Urteilsfähigkeit vor allem junger Menschen aufrechtzuerhalten. Wir gedenken ja nicht nur, um zu erinnern, sondern auch, um urteilsfähig zu bleiben. Mit dem Änderungsgesetz wird nichts an dem Ziel der Stiftung geändert. An dem Stiftungszweck, im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken

an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wach zu halten, wird nicht gerüttelt. Es werden lediglich einige verwaltungstechnische Änderungen eingeführt, die allerdings einen entscheidenden Beitrag zu einer sinnvollen Ausgestaltung der Stiftung und zur Optimierung der Funktions- und Arbeitsweise leisten. Durch die Erhöhung der Mitgliederzahl des Stiftungsrates von 13 auf 21 Mitglieder schaffen wir die Möglichkeit, vor allem den wissenschaftlichen Beraterkreis zu verstärken. Bis zu 15 Mitglieder, statt bisher 9, aus diesem wichtigen Umfeld tragen in Zukunft wertvolle Arbeit und Beiträge in die Arbeit des Rates hinein. Diese Aufstockung trägt der enormen Komplexität und geschichtspolitischen Bedeutung der Aufgabenstellung und des Meinungsspektrums Rechnung. Die Mitglieder des Stiftungsrates sollen in Zukunft nicht mehr durch die Bundesregie-

senschaftliche Fundament wird sichergestellt, dass im Ergebnis eine tiefgründige, neutrale und vollständige Aufarbeitung geleistet wird, die frei von Vorurteilen und Einseitigkeit ist. Damit wird die Akzeptanz bei allen Beteiligten gestärkt. Es handelt sich um ein sehr sensibles historisches Thema. Dieser Sensibilität tragen die jetzt vorgelegten Rahmenbedingungen in angemessener Weise Rechnung. Es ist ein kluges und weitsichtiges Konzept erarbeitet worden, das die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt. Insbesondere die Sorgen unserer polnischen Freunde, die Aufarbeitung könnte allzu revisionistische Aspekte beinhalten, räumt das vorgelegte Konzept wirksam aus. Jetzt gilt es, dass die Stiftungsorgane so schnell wie möglich gebildet werden und die Stiftung ihre Arbeit aufnimmt, damit 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Kapitel „Flucht und Vertreibung“ eine angemessene Aufarbeitung und Erinnerungsarbeit erfährt.

Akzeptanz wird gestärkt rung, sondern durch den Deutschen Bundestag gewählt werden. Auf diese Weise können übergeordnete politische Belange berücksichtigt werden. Außerdem ist die demokratische Legitimation und Akzeptanz der gewählten Mitglieder erheblich erhöht, wenn die gewählten Volksvertreter, über die Zusammensetzung im Zuge einer transparenten Debatte entscheiden. Auch die Tatsache, dass die Stiftung unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums verbleibt, ist ein außerordentlich wichtiges Zeichen. Auf diese Weise bleibt auch in Zukunft die staatliche Verantwortung für das Projekt gewährleistet. Außerdem wird so jeglichen Vorwürfen, einzelne Gruppen hätten einen dominierenden Einfluss, frühzeitig der Wind aus den Segeln genommen. Der vorliegende Gesetzentwurf kann sich sehen lassen. Wir haben damit eine sehr gute Grundlage für eine erfolgreiche Arbeit der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ geschaffen. Dies gilt insbesondere für das Ziel der Versöhnung. Durch das breite und internationale wis-

Bundestreffen der Banater Chöre 17. Oktober Gersthofen

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Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Spät am Abend dieses langen Plenartages, mit zu Protokoll gegebenen Reden, haben wir über einen Gesetzentwurf zu beschließen, der für die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, die in ihrer bisherigen Struktur gescheitert ist, einen Neuanfang ermöglicht. „Der Komplexität der Aufgabenstellung und des Meinungsspektrums“ soll noch besser Rechnung getragen werden als bisher. Und wie soll dies geschehen? Indem Stiftungsrat und wissenschaftlicher Beraterkreis vergrößert und „das Berufungsverfahren für den Stiftungsrat modifiziert werden“ soll. Modifiziert – was heißt das? Sie erinnern sich: Bisher gab es ein zweistufiges Berufungsverfahren für die Mitglieder des


Aus dem Bundestag Stiftungsrates. Die beteiligten Institutionen – Bundestag, Glaubensgemeinschaften, der BdV usw. – schlugen ihre Mitglieder nur vor. Die Regierung – sprich: das Bundeskabinett – ernannten. Es wurde also über jedes einzelne Mitglied des Stiftungsrates abgestimmt. Nur, wer einstimmig von der Regierung berufen wurde, konnte im Gremium seine Arbeit aufnehmen. An dieser Bestimmung ist die Personalie Erika Steinbach gescheitert. Damit so etwas in Zukunft nicht wieder passiert, bestimmt das neue Gesetz, dass nunmehr der Bundestag die Stiftungsratsmitglieder wählt. Das soll folgendermaßen vor sich gehen: Der Wahl liegt ein Gesamtvorschlag zugrunde, der nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden kann. Nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt – diese „Paketlösung“ ist ein übler Mehrheitstrick der Koalition. Diese „Paketlösung“ verhöhnt das Parlament, seine Mitbestimmung und seine Kontrollaufgabe bei einer Bundesstiftung. Die Linksfraktion war von Anfang an gegen die Errichtung dieser Stiftung, und zwar aus drei Gründen: Erstens war sie wegen ihrer Konzeption dagegen. Wir haben immer gefragt, wer sich – nach der Definition der Stiftung – Stiftung immer abgelehnt mit wem versöhnen soll. Nun haben wir vom Gründungsdirektor der Stiftung erfahren, dass es vor allem um eine „Versöhnung der Deutschen miteinander“ gehen soll. Das ist nicht hinnehmbar für eine Institution der Erinnerung an einen Weltkrieg und seine Folgen. Zweitens. Wir haben nie verstanden, dass der Sitz der Stiftung ausgerechnet Berlin sein soll, der Ort, von dem all die mörderischen Verbrechen ausgegangen sind, die schließlich auch zu dem Elend von Flucht und Vertreibung geführt haben. Drittens. Wir haben nie verstanden, wieso in einer Bundesstiftung, einer Stiftung des Bundes wohlgemerkt, nicht einer Verbandsstiftung, dem Bund der Vertriebenen als weitaus größte Gruppe eine derart dominierende Rolle eingeräumt wird. Das haben wir schon nicht verstanden, als im alten Stiftungsrat 3 von 13 Sitzen dem BdV zugesprochen wurden. Nun bekommt er 6 von 21 Sitzen; das heißt, an der Gewichtung hat sich durch das neue Gesetz überhaupt nichts verändert. Fazit: Das neue Gesetz trägt der Komplexität der Aufgabenstellung dieser Stiftung in keiner Weise „besser Rechnung“.

Im Gegenteil, es vermehrt nur die Zahl der Ämter und Sitze in der Stiftung und degradiert das Parlament zu einem Zustimmungsapparat für eine völlig undemokratische „Paketlösung“. Schlimmer hätte es eigentlich nicht kommen können – unverfrorener nach all der öffentlichen Diskussion im In- und Ausland auch nicht. Wie gesagt: Wir haben bisher der Errichtung der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ nicht zugestimmt und für die neue gesetzliche Regelung gilt dies erst recht.

ziehungen zu unseren östlichen Nachbarländern unerträglich belastet hätte. Um dem Konflikt aus dem Weg zu gehen, beschloss die Regierungskoalition einen faulen Kompromiss, der uns in Form des Gesetzentwurfs nun vorliegt. Damit Frau Steinbach von ihrem Anspruch ablässt, musste die Zahl der Stiftungsratsmitglieder aus den Reihen des Bundes der Vertriebenen verdoppelt werden. Um das Einknicken vor den Ansprüchen von Frau Steinbach zu kaschieren, musste die Regierung dann eine noch weitergehende Vergrößerung des Stiftungsrats vornehmen, von 13 auf die jetzt vorgeschlagenen 21 Mitglieder. Die Erfahrung zeigt, dass mit einer solchen Erweiterung die Handlungsfähigkeit eines solchen Gremiums sich nicht verbessert, sondern die Abläufe dadurch komplizierter werden. Die Unfähigkeit der Bundesregierung, die Probleme mit dem Stiftungsrat zu lösen, brachte sie zu einer Flucht aus der Verantwortung. Wie Sauerbier ging sie mit der Verantwortung für die Stiftungsratsbenennung hausieren. „Friss, Vogel, oder stirb“

Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Gesetzentwurf zur Vertriebenenstiftung ist faktisch eine Bankrotterklärung der Regierungskoalition. Monatelang ließ die Kanzlerin den Konflikt mit dem Bund der Vertriebenen und Frau Steinbach treiben, ohne sich zu den erpresserischen und undemokratischen Ansprüchen von Frau Steinbach auch nur zu äußern, geschweige denn hier politisch zu entscheiden. Statt Verantwortung zu übernehmen, duckte die Kanzlerin sich weg und riskierte damit eine Verschlechterung der Beziehungen zu unseren östlichen Nachbarländern. Der nun vorliegende Gesetzentwurf, der den Konflikt vorgeblich lösen will, ist tatsächlich ein Fauler Kompromiss Ausdruck der Schwäche und Handlungsunfähigkeit der Regierung Merkel. Der Konflikt drehte sich im Kern um Frau Steinbachs Anspruch, Mitglieder des Stiftungsrats in der mit Steuermitteln finanzierten Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ benennen zu können, ohne weitere demokratische Legitimation durch die politisch Verantwortlichen. Natürlich dachte Frau Steinbach bei der Benennung von Stiftungsratsmitgliedern an erster Stelle an sich selbst, was die Be-

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Auch das BKM und Kulturstaatsminister Neumann waren zeitweise in der Diskussion. Nun soll der Bundestag entscheiden. Was auf den ersten Blick wie eine Demokratisierung des Verfahrens aussieht, erweist sich beim Blick in die Details als eine ziemlich fragwürdige Operation. Ja, der Bundestag soll entscheiden – weil die Bundesregierung sich damit ein Problem vom Hals schaffen will. Und in einem Entscheidungsverfahren, das dem zweifelhaften Motto „Friss, Vogel, oder stirb“ folgt. Der Bundestag soll nur über einen Gesamtvorschlag für eine Liste der Stiftungsratsmitglieder abstimmen können. Wenn zum Beispiel vom Bund der Vertriebenen wiederum ein inakzeptabler Kandidat vorgeschlagen wird, dann kann der Bundestag nur die Gesamtliste ablehnen. Ich kenne dieses Verfahren noch sehr gut aus dem Europaparlament, aus Zeiten einer sehr mangelhaften demokratischen Legitimation. Damals wurden so unliebsame Kandidaten auf kaltem Wege durchgedrückt. Und genau das versucht man nun auch in diesem Gesetzentwurf. Was das Projekt der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ jetzt braucht, ist kein in Gesetzesform gegossener fauler Kompromiss. Stattdessen ist die inhaltliche Ausrichtung der Stiftung neu zu überdenken. Dabei ist insbesondere die Frage zu stellen, ob und wie die Stiftung


Aus der Stiftung nach dem von Frau Steinbach provozierten Konflikt ihrem Zweck der Versöhnung mit den Nachbarländern überhaupt noch gerecht werden kann. Sehr besorgt macht mich auch, dass sich inzwischen die ausländischen Vertreter im wissenschaftlichen Beirat der Stiftung zurückgezogen haben. Ohne eine angemessene Beteiligung von renommierten

Wissenschaftlern und Fachleuten aus den Nachbarländern kann die Stiftung nicht im Sinne der Zielsetzung funktionieren. Die Stiftung braucht – wie gesagt – keinen faulen Kompromiss, sondern ein ernsthaftes Nachdenken im Bundestag und seinen Ausschüssen über einen grundlegenden Neustart des Projekts. – Vielen Dank!

Letzte Meldung Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung vom 20. Mai 2010 den Gesetzentwurf in dritter Lesung mehrheitlich verabschiedet. Er muss nun vom Bundespräsidenten unterschrieben und im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

Dieses Buch verdient Aufmerksamkeit

Polnische Historiker thematisieren Vertreibung der Deutschen Unter dem Titel „Zwangsumsiedlung, Flucht und Vertreibung 1939–1959 – Atlas zur Geschichte Ostmitteleuropas“ hat die Bundeszentrale für politische Bildung die deutsche Übersetzung des in Polen erschienen Werkes des Dermart-Verlages herausgegeben. Der Atlas ist ein aktueller Beitrag zur Debatte um die Geschichte der Vertreibungen in Ostmitteleuropa und präsentiert eine neue Sicht der polnischen Historiographie. Er ist ein Gemeinschaftswerk von vier jüngeren polnischen Historikerinnen und Historikern, das in Kooperation mit einem kartographisch erfahrenen Warschauer Verlag realisiert sowie umgehend in Deutsch übersetzt wurde.

Es behandelt die zwei dramatischen Dekaden vom deutschen Einmarsch in Polen samt sowjetischer Beteiligung im Jahr 1939 bis zum Ende der Repatriierung der in die UdSSR deportierten Polen 1959, mit Rückblenden auf die 1930er Jahre. Im Vordergrund stehen dabei die einerseits unterschiedlichen, indes sämtlich von Zwangsmigration geprägten Schicksale von Polen im Dritten Reich und in der Sowjetunion, von Juden im Zweiten Weltkrieg und im kommunistischen Nachkriegspolen, von Deutschen im Mitteleuropa der Jahre 1944 bis 1948 sowie von Ukrainern unter deutscher Besatzung und im Volkspolen. Auch wenn dieses Buch sich nicht in al-

len Teilen mit der deutschen Geschichtsschreibung und den Erinnerungen der deutschen Landsleute aus dem Osten deckt, verdient dieses Werk Beachtung und Aufmerksamkeit. Selten zuvor wurden in unserem Nachbarland in dieser Offenheit die Themen von Flucht und Vertreibung der Deutschen aufgegriffen und publiziert. Das Buch ist erschienen mit dem Titel: „Illustrierte Geschichte der Flucht und Vertreibung – Mittel- und Osteuropa 1939 bis 1959“ – ISBN 978-3-82890903-8, Sonderausgabe der Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg (2009).

BdV-Präsidentin Erika Steinbach bei Kareliern Am 20. April hat BdV-Präsidentin Erika Steinbach, MdB, als menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag in Helsinki an einer Festveranstaltung zum 70. Jahrestag der Gründung des Karelischen Bundes teilgenommen. Neben der Festrede der finnischen Staatspräsidentin Tarja Halonen hielt sie einen Vortrag zum Thema „Durch Wahrheit zum Miteinander“. Der Karelische Bund wurde am 20. April 1940 im Anschluss an den Winterkrieg gegründet. In ihm haben sich Opfer von Flucht und Vertreibung aus dem ehemals finnischen Karelien zusammengefunden. Am 30.11.1939 überfielen sowjetische Truppen Finnland. Die Sowjets betrachteten Finnland wie die baltischen Staaten als ihren Interessenbereich, wie es im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes vom August 1939 fixiert worden war. Nach dem Ende des so genannten „Winterkrieges“ im März 1940

fielen große Teile im Osten, darunter Finnisch-Karelien, und im Norden Finnlands an die UdSSR. Bereits mit Ausbruch des Krieges hatten Evakuierungen begonnen. Insgesamt wurden etwa 420.000 Menschen aus den umkämpften Gebieten in die westlicheren Landesteile evakuiert, davon 407.000 Karelier. Die Mehrheit von ihnen kehrte zurück,

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als die finnische Armee 1941 die verlorenen Gebiete zurückgewinnen konnte. Ein Großangriff der Roten Armee im Sommer 1944 leitete den Rückzug der finnischen Armee aus den wiedereroberten Gebieten ein. Die Menschen verloren erneut ihre Heimat. Finnland schloss mit der Sowjetunion einen Waffenstillstand. Am 10.02.1947 unterzeichnete Finnland den Pariser Friedensvertrag, in dem der Grenzverlauf zwischen Finnland und der Sowjetunion bestätigt wurde. Annähernd die gesamte finnisch-karelische Bevölkerung hatte ihre Heimat verloren. Ansiedlung und Entschädigung der so genannten „Umsiedlerkarelier“ stellten die finnische Gesellschaft vor eine große Herausforderung, die jedoch in kurzer Zeit gemeistert wurde. Das finnische Modell einer Lastenverteilung auf Einheimische und Flüchtlinge diente auch als Vorbild für die Lastenausgleichsgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland


Aus der Stiftung

Festvortrag beim Empfang der SPD-Landtagsfraktion

Prof. Dr. Manfred Kittel: Passt manchen einfach „die janze Richtung“ nicht? „Die Quadratur des Kreises, nicht mehr und nicht weniger verlange die Politik von der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“. Mit diesem Tenor haben Journalisten den Rücktritt von Beiratsmitgliedern der Stiftung im vergangenen März kommentiert. Die Gründe für die Schwierigkeiten der Stiftung lägen bereits in den Genen der Einrichtung. Sie sei sowohl ein ,Kind des Bestrebens, eine nationale Erinnerungsstätte an die Vertreibung zu schaffen, wie auch des Versuchs, eine solche zu verhindern‘ (B. Kohler). Der Stiftungszweck sei vom Bundestag im Gesetz nicht klar genug definiert worden. Gehe es nun darum, die Erfahrung der Vertreibung als Teil der kollektiven Erinnerung in der Bundesrepublik anzunehmen oder vor allem „um ein weiteres Instrument zur Versöhnung insbesondere mit Polen?“ Die Frage sei offen geblieben. An dieser Analyse ist manches richtig, die Alternativen sind aber doch sehr scharf konturiert. Versöhnung nach innen und Versöhnung nach außen, nationales und europäisches Erinnern, das schließt sich keineswegs prinzipiell aus. Wichtig ist nur, dass der Auftrag klar ist, dass klar Klarheit über Auftrag ist, was ist der Gegenstand der Stiftung und was sind ihre Methoden. Dabei ist ein Blick auf die lange Vorgeschichte des ganzen Projekts hilfreich. Einer seiner geistigen Paten, der sudetendeutsch-bayerische SPD-Politiker Peter Glotz, hat auf den Punkt gebracht, worum es geht: Darum, die „Deutschen dazu [zu] bringen, über Vertreibungen nachzudenken, gegen neuerliche Vertreibungen zu kämpfen und die Opfer der Vertreibungen zu betrauern“. Und das könne man nun einmal nicht von Freilassing oder Buxtehude aus erreichen, sondern nur von der Hauptstadt, von Berlin aus. Dass es dabei gleichwohl nie darum ging, die deutschen Wunden als singulär darzustellen, signalisierte schon der Plural im „Zentrum gegen Vertreibungen“, jener Initiative der Christdemokratin Erika Steinbach und des Sozialdemokraten Peter Glotz, ohne die es die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ kaum geben würde – auch wenn

Gelöste Gespräche am Rande des SPDEmpfangs. Von links: Landtagsvizepräsident Franz Maget, Stiftungsdirektor Prof. Dr. Manfred Kittel, BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer.

das heutige staatliche Projekt etwas anderes ist als das zivilgesellschaftliche „Zentrum“ von vorher. Der Stiftung geht es wesentlich auch um die Versöhnung der Deutschen mit sich selbst: Es geht ihr um die Versöhnung der vertriebenen Minderheit der deutschen Gesellschaft mit der nicht vertriebenen Mehrheit – in einem Land, das von den Vertriebenen oft genug als eine „kalte Heimat“ empfunden wurde. Es geht um innere Versöhnung auch insoweit, als ein Unrecht, das sich nicht wieder gutmachen lässt, wenigstens nach Anerkennung verlangt. Nichts verletzt – mit Gustav Seibt zu reden – die Opfer mehr, „als wenn ihnen noch nachträglich die Anerkennung ihrer Schmerzen verweigert wird, so als seien diese gar nicht gewesen“. Wir dürfen also, bei aller Sensibilität für die europäische Dimension des Themas vor Vor Trauerarbeit nicht fliehen unserer eigenen Trauerarbeit als Deutsche hier nicht fliehen. Trauern kann man im Übrigen auch um etwas, „dessen Verlust man selber verschuldet hat und viel spricht dafür, dass solche Trauer am Ende eher eine heilende Wirkung hat als das Vergessen und Verleugnen des Unglücks“. Der Stiftung geht es um einen Beitrag zur Versöhnung zwischen alten politischen

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Lagern, zwischen Lagern, die bei dem Thema vor allem wegen des Streits um die Ostverträge in den 1970er Jahren so weit auseinander gerückt waren wie bei wenigen anderen Feldern der Politik. Wie nötig diese innere Versöhnung ist und wie weit wir davon entfernt sind, haben uns gerade auch die Debatten um die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung bis in die jüngste Gegenwart hinein schmerzlich zu Bewusstsein gebracht. Manchmal konnte man in der Hitze des Gefechts fast den Eindruck gewinnen, als ginge es noch einmal um die Unterzeichnung des Moskauer, des Warschauer oder des Prager Vertrags – und nicht nur um einen Sitz im Stiftungsrat oder um die Konzeption eines Ausstellungszentrums. Also noch einmal: Gegenstand der Stiftungsarbeit ist das Erinnern an die Geschichte der Vertreibungen im 20. Jahrhundert, wobei die Methoden dieser Arbeit – und das ist nun auch ganz zentral – dergestalt beschaffen sein müssen, dass sie zur Versöhnung zwischen den Völkern beitragen, dass sie keine neuen Wunden aufreißen. Deshalb wird die Stiftung besonders darauf achten müssen, die historischen Ereignisse und Kontexte ausgewogen darzustellen. Darum geht es der Ereignisse ausgewogen darstellen Stiftung, wenn sie ihren Versöhnungsauftrag selbstverständlich auch nach außen, international, im Hinblick auf die Völkerverständigung versteht. Und damit ist auch klar, dass sie nicht auf nachgeholte Schuldbekenntnisse der Täter aus ist, dass mit Versöhnung eben nicht gemeint sein kann, dass hier deutsche Vertreibungsopfer von 1945 einseitig den Vertreibern zu verzeihen hätten. Dazu hatte es unter den Deutschen in den dunklen Jahren bis 1945 zu viele, viel zu viele eigene Täter gegeben – und eben nicht nur Täter im Kontext von Vertreibungen, sondern auch im Kontext der nationalsozialistischen Besatzungs- und Vernichtungspolitik. Gerade auch wegen dieser Kontexte ist es so wichtig, dass in dem geplanten Ausstellungs- und Dokumentationszentrum in Berlin nicht nur an das eigene Schicksal, nicht nur an die Schicksale deutscher Vertriebener erinnert wird, sondern dass auch andere Opfer von Flucht, Vertrei-


Aus der Stiftung bung und ethnischer Säuberung im Europa des 20. Jahrhunderts in den Blick kommen: Von den Balkankriegen vor dem Ersten Weltkrieg über z. B. Karelien 1945 bis nach Ex-Jugoslawien in den 1990er Jahren. Gegen diesen Ansatz gibt es leider Bedenken – darunter auch solche, die eigentlich schon ausgeräumt schienen. Eine Journalistin hat jüngst gar den Verdacht geäußert: Wer die Vertreibung der Deutschen in die Geschichte der Vertreibungen in Europa im 20. Jahrhundert einbette, der wolle doch nur, dass die 12 Millionen deutschen Vertriebenen als Opfer, schon rein zahlenmäßig, „zu vorzüglicher Geltung“ kämen. Hört, hört! Merkwürdig nur, dass der Bund der Vertriebenen, vor seiner durch Erika Steinbach forcierten Öffnung, diese europäische Einbettung des Vertreibungsgeschehens lange selbst gar nicht gewollt hat. Bessere Einsichten beim BdV Erinnern wir uns doch: Anfang der 1960er Jahre war es, da plante der renommierte Historiker Theodor Schieder eine mehrbändige Dokumentation der Vertreibung mit einem Voraussetzungsband abzuschließen: Die Vertreibung der Deutschen sollte im historischen Kontext ethnischer Säuberungen seit dem 19. Jahrhundert verortet werden. Und wie hieß es damals aus den Vertriebenenverbänden: So nicht. Das würde doch aussehen wie ein „Entschuldigungszettel“ für die Vertreibung der Deutschen. Zum Glück ist man hier im Bund der Vertriebenen zwischenzeit-

lich zu besseren Einsichten gelangt. Dagegen arbeiten sich andere, die nicht im Ruf einer besonderen Nähe zum BdV stehen, heute überraschenderweise an dem Thema ab. Deshalb die kurzschlüssige Unterstellung, ich unterstreiche, eine bloße, aber leider immer wiederholte Unterstellung: Dass eine europäische Betrachtungsweise der Vertreibungen zwangsläufig über die NS-Vernichtungspolitik hinweg gehe. Das Gegenteil ist aber doch der Fall. Der historische Kontext wird keineswegs entsorgt, wenn ich die Vertreibung der Deutschen mit der „Katastrophe“ der Armenier oder dem Schicksal der KosovoAlbaner vergleiche. Eine Entsorgung fände nur dann statt, wenn man die Vorgänge gleichsetzen würde, statt sie zu vergleichen. Vergleichen und gleichsetzen – das sind zwei Paar Stiefel. Die Ausstellung der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ wird eben nicht gleichsetzen, sie wird vergleichen auf dem Wege sachlicher Dokumentation, sie wird keineswegs nur Gemeinsamkeiten, sondern auch die Unterschiede, teilweise zentrale Unterschiede zwischen einzelnen Vertreibungsvorgängen und ihren Ursachen herausarbeiten. Ich sage ganz klar: Mir wäre es entschieden zu wenig, wenn die Besucher die Ausstellung verlassen würden mit der banalen Einsicht, dass es in der Geschichte der Menschheit seit der Vertreibung aus dem Paradies nun einmal grausam zugehe. Erst recht nicht darf beim Besucher der Eindruck aufkommen, dass, weil die Deutschen bei den Vertreibungen quan-

titativ die größte Opfergruppe gewesen seien, die Alliierten des Zweiten Weltkriegs somit gleichsam als die „Haupttäter des Jahrhunderts“ gelten müssten. So ein Geschichtsbild wäre in der Tat abwegig. Schließlich haben weder die USA noch Großbritannien 1939 jenen Krieg entfesselt, ohne den es mit Sicherheit nicht zur Vertreibung von 1945 gekommen wäre. Und auch den Holocaust haben bekanntlich nicht die Alliierten organisiert. Nur: Ich kenne niemanden in der Stiftung und in ihren Gremien, der das alles in Frage stellen würde. Ungeheuerer Zivilisationsbruch Alle sind sich vielmehr im Grundsatz darin einig, bei der Vertreibung der Deutschen den unmittelbaren historischen Kontext in seinem ganzen schrecklichen Umfang zu berücksichtigen: Das Menschheitsverbrechen des Holocaust. Den rassenideologischen Vernichtungskrieg, mit dem die NS-Diktatur die Völker Ost- und Ostmitteleuropas überzog. Nur vor diesem Hintergrund konnte sich von Warschau bis Belgrad auf breiter Front die Überzeugung durchsetzen, nicht länger mit Deutschen in einem Staat zusammenleben zu wollen. Auch die Bereitschaft der demokratischen Westmächte, einer derart gigantischen Vertreibung von Deutschen zuzustimmen, hatte nicht nur mit älteren Überzeugungen von ethnischer Entflechtung als Konfliktlösungsmodell (seit dem Vertrag von Lausanne 1923 zum griechisch-türkischen „Bevölkerungsaustausch“) zu tun; sie hatte auch

Bis auf den letzten Platz gefüllt: Der Steinerne Saal im Maximilianeum in München.

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Fotos: Föllmer


Aus der Stiftung mit dem ungeheuren Zivilisationsbruch zu tun, dessen sich das nationalsozialistische Deutschland schuldig gemacht hatte. Dass es vor allem im deutsch-polnischen Fall ohne Stalins Plan einer Westverschiebung Polens 1945 nicht so gekommen wäre, wie es tatsächlich kam, darf freilich auch nicht verschwiegen werden. Niederschlesien etwa stand jedenfalls nicht auf dem Wunschzettel der Westalliierten als Kompensation für die polnische Westverschiebung, auch nicht auf dem Wunschzettel der polnischen Exilregierung in London, sondern zunächst einmal nur auf der Agenda Stalins.

Herbst 1941 von ‚Judenaussiedlung, -umsiedlung und -evakuierung‘ – gesprochen wurde und – jetzt – Mord gemeint war, so ist das nicht allein als Tarnung zu verstehen, sondern als Hinweis auf die Genesis des Holocaust“. (G. Aly) Auch diese Kontexte müssen in der Dauerausstellung der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ dokumentiert und sorgfältig differenziert werden – in einer Weise, die keinen Zweifel aufkommen lässt, worin die Unterschiede zwischen Vertreibung und Vernichtung bestehen. Am besten schon in einem didaktisch überzeugend gestalteten Eingangsraum müssen die Begriffe geklärt werden, muss Holocaust gehört zur Ausstellung klar gemacht werden, dass es bei Vertreibung vom Ansatz her um die EntferNicht nur aus den bereits erwähnten Grün- nung einer bestimmten Bevölkerungsden gehört der Holocaust thematisch in gruppe von einem bestimmten Gebiet die Ausstellung hinein. Er gehört es auch wegen früherer Verbindungslinien zwischen Holocaust und Vertreibungen, auf die Götz Aly und andere schon vor Jahren hingewiesen haben. Erwähnt sei hier nur die Reichstagsrede vom 6. Oktober 1939, in der sich Adolf Hitler mit den aktuellen Heim-ins-Reich-Projekten von mehreren hunderttausend Deutschbalten und Südtirolern auseinandersetzte. Hitler entwarf hier eine „neue Ordnung der ethnographischen Verhältnisse“, um „auf diese Weise wenigstens einen Teil der europäischen Konfliktstoffe zu beseitigen“. „In diesem Zusammenhang“, so kündigte er an, sei auch „der Versuch einer Ordnung und Regelung des jüdischen Problems“ zu unternehmen. Die folgende Ermordung der europäischen Juden in ihrer kaltblütigen, minutiös geplanten, industrialisierten Form war Erste freundliche Begegnung: SPD-Frakein singulärer Vorgang – und ist es bis tionsvorsitzender Markus Rinderspacher heute geblieben. In den Vernichtungsla- und BdV-Landesvorsitzender Christian gern verwirklichten Deutsche „die äu- Knauer. Bildmitte: BdV-Vizepräsident Alßerste Form einer europäischen Politik brecht Schläger. geht, nicht aber um die Vernichtung mögBegriffe klar unterscheiden lichst jedes Einzelnen dieser Gruppe. Dass der Dissimilierung, der ethnisch, also ras- auch Vertreibungen genozidale Folgen sisch begründeten Diskriminierung, haben können – und dass sie auch dann Zwangsenteignung und Deportation“. bereits Unrecht darstellen, wenn sie dieTrotz dieser Singularität gehört der Ho- se genozidalen Folgen nicht haben – das locaust aber mitten hinein in die „histo- wird allerdings ebenfalls deutlich zu marische Konstellation ethnokratischer Po- chen sein. litik“. Zunächst dachten Hitlers Helfer Vor diesem Hintergrund sagt die Grundnoch „an ein gewissermaßen konventio- konzeption der Stiftung, die von der Renell mörderisches Judenreservat“ bei Lu- gierung der Großen Koalition im März blin, dann an die Deportation nach Ma- 2008 beschlossen wurde, ganz klar: Das dagaskar. Adolf Eichmann ließ seine Doku-Zentrum im Deutschlandhaus soll Beamten sogar schon auf Tropentaug- die Erinnerung an das „tiefe menschliche lichkeit prüfen und impfen. Erst nach dem Leid“ wach halten, das mit Vertreibunall diese Pläne gescheitert waren, kam es gen verbunden ist ... Wichtiger Bestandzum Bau der Vernichtungslager. „Wenn teil dabei ist die Einbeziehung der Erin der deutschen Verwaltung seit dem lebnisgeneration durch die Darstellung

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von Einzelschicksalen und die Darlegung biographischer Erzählstränge vor dem allgemeinen historischen Hintergrund“. Denn, so wird in dem Papier weiter erläutert: „Die Berücksichtigung individueller Schicksale schafft die Möglichkeit zur empathischen Auseinandersetzung und … erlaubt auch einen emotionalen Zugang zum Thema“. Kritiker des Stiftungsprojekts haben an diesen Passagen der vorliegenden Grobkonzeption Anstoß genommen: „Nicht um historisches Verständnis“ werde es demnach also in der Ausstellung gehen, „sondern um Gefühle“. Aber ist es nicht ein ganz künstlicher Gegensatz, zwischen individuellem Schicksal und historischem Zusammenhang so kategorisch zu unterscheiden? Es gibt doch unzählige Beispiele von Museen, die beweisen, dass Rationalität und Emotionalität, Wissenschaftlichkeit und Empathie sich keineswegs kategorisch ausschließen. Gerade einige der besten Ausstellungen verdanken ihren Erfolg nicht zuletzt auch biographischen Zugängen. Und deshalb kann es im Doku-Zentrum Deutschlandhaus nicht nur um die Vertreibung gehen, es muss schon auch um die Vertriebenen selbst gehen, um Menschen muss es geErleben der Betroffenen hen. Das Erleben der Betroffenen, ihre subjektive Opferperspektive, das ist ebenso zu dokumentieren wie die große Politik, wie die übergeordneten Pläne und die historischen Hintergründe. Das Problem der Stiftung ist es nicht, dass ihre Aufgabe unlösbar wäre. Es beschreibt keineswegs die Quadratur des Kreises, auf der Basis der vorliegenden Regierungskonzeption ein stringentes Ausstellungsprogramm zu entwickeln. Das Problem ist vielmehr, dass manche kurzerhand die Geschäftsgrundlage von 2008 infrage stellen; und sie können es nur, indem sie sich mitunter „eines geradezu absurden Ausmaßes an Unterstellungen“ (P. Becher) bedienen. Wenn es in der Grobkonzeption heißt, die Vertreibung der Deutschen bilde „einen Hauptakzent“ der Ausstellung, lautet der Vorwurf: Das sei ein deutsch-national verengter Blickwinkel. Verweist man demgegenüber darauf, dass der deutsche Fall in den europäischen Kontext gerückt werden solle, kommt die Replik: Damit würden die deutschen Verbrechen durch Gleichsetzung aller Opfer relativiert. Ja, was gilt denn nun? Passt manchen einfach „die janze Richtung“ nicht? Ist manchen vielleicht nach


Aus der Stiftung wie vor die Vorstellung unerträglich, dass überhaupt in der deutschen Hauptstadt ein Erinnerungsort an Flucht und Vertreibung entsteht? Diesen Geschichtspolitikern kann leider nicht geholfen werden. Der Erinnerungsort im Deutschlandhaus wird entstehen als ein Ort historischer Aufklärung mit globaler Zielsetzung, als ein Ort, der im Sinne eines Plädoyers von Karl Schlögel das Nebeneinander von Nationalgeschichten hinter sich lässt, der Vertreibungen als ein gesamteuropäisches Thema betrachtet und dabei die Wechselwirkungen zwischen den nationalen Entwicklungen deutlich macht, schließlich aber auch als ein Erinnerungsort daran, dass mit der Vertreibung der Deut-

schen aus Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa eine lange und reiche kulturelle Tradition untergegangen ist. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass die bayerische SPD, dass Peter Glotz und Franz Maget, dass Albert Schläger, Peter Becher und Christa Naaß dieses wichtige Projekt so klar unterstützt haben, und dass die Landtagsfraktion es auch unter ihrem Vorsitzenden Markus Rinderspacher weiter unterstützt. Gewiss, kontroverse Diskussionen gehören zu einer demokratischen politischen Kultur. Aber manchmal muss man auch die Zeichen der Zeit erkennen und sehen, wann aus einem Thema die Luft zumindest insoweit „draußen“ ist, dass es sich nicht mehr zu einer konfrontativen par-

teipolitischen Auseinandersetzung eignet. Dafür gibt es heute weiß Gott genug andere wichtige Politikfelder. Peter Glotz hat es in den 1990er Jahren erkannt: Dass nach der Wiedervereinigung Deutschlands und Europas, dass nach dem Zweiplus-Vier-Vertrag und aufgrund der neuen Vertreibungstragödien im zerfallenden Jugoslawien die Zeit für eine konstruktive Aufarbeitung des Themas reif ist – ohne die ganzen alten Rechthabereien. Möge die Bayern-SPD in diesem Sinne weitermachen – vielleicht auch ein wenig eingedenk des großen Beitrags, den viele, viele Sudetendeutsche, aber auch Schlesier und andere Vertriebene nach 1945 am Wiederaufbau der Sozialdemokratie im Freistaat hatten.

SPD zeichnet Vertriebenengruppen aus Für ihr „vorbildliches Engagement für Verständigung, Versöhnung und Integration" wurden auf dem Empfang drei Initiativen ausgezeichnet: der Schlesische Kulturkreis München für die Erin-

nerung an Geschichte und Kultur Schlesiens als geschichtliches Erbe Europas, die Seliger-Gemeinde Waldkraiburg für ihr Geschichtsprojekt „Zeitzeugen“ der sudetendeutschen Vergangenheit und die

Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde für ihre Jugendbegegnungsarbeit und insbesondere die Initiative „Gesicht zeigen für eine gute deutsch-tschechische Nachbarschaft“.

Linkes Bild: Wolfgang Hartmann vom Schlesischen Kulturkreis München (2. von rechts) beim Empfang der Preisurkunde mit Christa Naaß, MdL, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und vertriebenenpolitische Sprecherin, Landtagsvizepräsident Franz Maget, MdL, und SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, MdL. Rechtes Bild: Die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde, vertreten durch Matthias Bellmann (Struppen, 2. von links), sehr aktiv beteiligt an der Erstellung des Projekts „Gesicht zeigen“, Kristýna Koprivová (Bayreuth/Brünn), Bundessprecherin der Jungen Aktion, und Katarína Jakubcová (München), Mitglied des Bundesvorstands der Jungen Aktion, beim Empfang der Preisurkunde mit Christa Naaß, MdL, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und vertriebenenpolitische Sprecherin und SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher, MdL. Fotos: SPD-Landtagsfraktion

Der Bund der Vertriebenen lädt ein zum Festakt

„60 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ Donnerstag, 5. August 2010, 15.00 Uhr Neues Schloss · Weißer Saal ·Schlossplatz 4 · 70173 Stuttgart

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Fotografischer Streifzug zur Geburtstagsfeier „60 Jahre Sudetendeutsche Landsmannschaft“ in Wehringen

Bilder: Wollrab


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