Tax CMS zur Beschleunigung von steuerlichen Betriebsprüfungen

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POSITION | STEUERPOLITIK | BETRIEBSPRÜFUNG

Tax CMS zur Beschleunigung von steuerlichen Betriebsprüfungen Vorgaben zur Standardisierung von steuerlichen innerbetrieblichen Kontrollsystemen (Tax Compliance Management System, Tax CMS)

November 2023 Tax CMS für effiziente steuerliche Betriebsprüfungen nutzen Der Gesetzgeber nimmt mit dem „DAC7-Umsetzungsgesetz“ wichtige Weichenstellungen vor, um die steuerliche Betriebsprüfung effizienter, zeitnäher und digitaler auszugestalten. Dazu gehört auch, innerbetriebliche Steuerkontrollsysteme der Unternehmen (sog. Tax CMS) zur Beschleunigung von Betriebsprüfungen zu nutzen. Dies wird im Rahmen einer Erprobungsregelung bis zum Jahr 2029 umgesetzt und evaluiert werden. Der BDI begrüßt die Einführung dieser Erprobungsregelung, um zu kooperativen und prozessorientierten Betriebsprüfungen zu gelangen. Voraussetzung ist jedoch, dass Tax CMS von Unternehmen auf freiwilliger Basis und ohne formale Testatspflicht eines Wirtschaftsprüfers implementiert werden können. Auf diese Weise können steuerliche Sachverhalte mit niedrigem Risiko identifiziert werden, bei denen das Prüfungsbedürfnis nicht ausgeprägt ist. Die Prüfungen können so ressourcenschonend erfolgen.

Dauerhafte Regelung praxistauglich ausgestalten Eine dauerhafte Regelung muss praxistauglich sein – ohne hohen zusätzlichen Aufwand der Unternehmen – und zwingend zu einer Beschleunigung der Betriebsprüfung führen. Das heißt: liegt ein wirksames Steuerkontrollsystem vor, so muss zwingend eine beschleunigte und prozessorientierte Prüfung mit der Bildung von Prüfungsschwerpunkten und dem Aussparen von Sachverhalten mit niedrigem steuerlichem Risiko erfolgen. Ein Ermessensspielraum der Finanzverwaltung, wie in der Erprobungsregelung, ist für eine dauerhafte Regelung nicht geeignet.

Flexibilität der Unternehmen erhalten Im Rahmen einer dauerhaften Regelung sind auch inhaltliche Rahmenvorgaben zur Standardisierung eines Tax CMS sowie einheitliche Definitionen der grundlegenden Begrifflichkeiten unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll. Ein gewisser Grad an Standardisierung kann die Rechtssicherheit in Bezug auf die Anerkennung eines Tax CMS durch die Finanzverwaltung stärken und so den Prüfungsprozess beschleunigen. Vorgaben dürfen aber weder für kleine und mittlere Unternehmen noch für Großunternehmen unerfüllbare Hürden darstellen. Daher muss – unabhängig von der Unternehmensgröße – gelten: „So viel Standardisierung wie nötig – so viel Flexibilität wie möglich“.

Benjamin Koller | Steuern und Finanzpolitik | T: +49 30 2028-1584 | b.koller@bdi.eu | www.bdi.eu


Tax CMS zur Beschleunigung von steuerlichen Betriebsprüfungen

Zusammenfassung der zentralen Aspekte Die deutsche Industrie steht inhaltlichen Vorgaben zur Standardisierung eines Tax CMS für ein gemeinsames Verständnis zu dessen Aufbau und Wirkung unter bestimmten Voraussetzungen aufgeschlossen gegenüber. Ein gewisser Grad an Standardisierung kann zu größerer Rechtssicherheit in Bezug auf die Anerkennung eines Tax CMS durch die Finanzverwaltung führen und so zu effizienteren steuerlichen Betriebsprüfungen beitragen. Eine Standardisierung von Tax CMS darf jedoch nicht zu weiteren Dokumentationspflichten der Unternehmen führen, ohne im Gegenzug Erleichterungen im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung zu garantieren (z. B. in Form von prozessorientierten Prüfungen). Freiwilligkeit garantieren Entscheidend aus Sicht der Industrie ist Freiwilligkeit. Die Entscheidung, in welchem Umfang und für welche Steuerarten steuerliche Compliance-Maßnahmen im Unternehmen implementiert werden, muss stets eine freie Entscheidung der Unternehmensführung bleiben. Dieser unverzichtbare Grundsatz muss unabhängig von Unternehmensgrößen und Branchen gelten. Flexibilität erhalten, Aufwand begrenzen Weder für kleine und mittlere Unternehmen noch für Großunternehmen dürfen die Vorgaben unerfüllbare Hürden darstellen. Kleine und mittlere Unternehmen verfügen im Regelfall nicht über eine entsprechende Ressourcenausstattung. Neue Vorgaben verursachen daher hohen zusätzlichen Beratungsaufwand. Bei Großunternehmen liegen sehr komplexe betriebliche Strukturen vor und es entsteht hoher Aufwand, diese Komplexität in einem standardisierten Tax CMS abzubilden. Daher muss – unabhängig von der Unternehmensgröße – gelten: „So viel Standardisierung wie nötig – so viel Flexibilität wie möglich“. Anforderungen festlegen, aber keine zwingenden Vorgaben Der Schwerpunkt von Vorgaben sollte darauf gerichtet sein, lediglich die Grundsätze eines Tax CMS festzulegen, nach denen diese Systeme ausgestaltet werden sollen. Jede Standardisierung eines Tax CMS sollte sich auf die Vereinheitlichung qualitativer Anforderungen der in den Unternehmen bestehenden Compliance-Prozesse beschränken. Zwingende Vorgaben hinsichtlich der einzelnen Compliance-Prozesse in den Unternehmen sollten auf jeden Fall vermieden werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass zahlreiche Unternehmen bereits ein Tax CMS (z. B. nach IDW PS 980) implementiert haben. Auch wegen der rechtlichen Anerkennung in anderen Compliance-Bereichen ist der IDW PS 980 als Grundlage für eine weitere Standardisierung grundsätzlich gut geeignet. Risikoorientierte und zeitnahe Prüfungen ermöglichen Als Gegenleistung für ein standardisiertes Tax CMS muss explizit vorgesehen sein, dass die von einem Tax CMS erfassten steuerlichen Bereiche von der Finanzverwaltung ausschließlich risikoorientiert geprüft werden. Dabei gilt es zu beachten, dass Tax CMS skalierbar und somit an die individuellen Verhältnisse im jeweiligen Unternehmen anpassbar sein müssen. Insoweit kann es für ein Tax CMS auch keinen Branchenstandard oder gar einen „one-fits-all“-Ansatz geben. Die Vorgaben sollten sich an dem Risikoprofil des jeweiligen Unternehmens orientieren. Bei dieser risikoorientierten Prüfung sollte somit der steuerliche Prozess im Vordergrund stehen und nicht Einzelsachverhalte. Die Entscheidung der Betriebsprüfung hinsichtlich systematischer Fehler, die einer vertieften Bewertung

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bedürfen, wird damit deutlich erleichtert sowie eine größere Zeitnähe der Betriebsprüfung erreicht. Auf eine detaillierte Belegprüfung sollte bei Vorliegen eines entsprechenden Tax CMS verzichtet werden.

Eckpunkte für Standardisierungsvorgaben Die oftmals bereits vorhandenen innerbetrieblichen Kontrollsysteme der Unternehmen bilden bereits eine wichtige Grundlage, um Transparenz über steuerliche Prozesse zu schaffen und dem Prinzip der Steuerehrlichkeit Rechnung zu tragen. Diese Systeme basieren auf einer fundierten Risikoanalyse und wurden in den vergangenen Jahren bereits in vielen Unternehmen unter Einsatz signifikanter personeller wie finanzieller Ressourcen aufgebaut. Sie sind zumeist passgenau auf das Risikoprofil und die Prozesse in den Unternehmen zugeschnitten. Sie sind daher sehr unternehmensindividuell ausgestaltet und zwangsweise auch auf die jeweilige IT-Infrastruktur abgestimmt. Vor dem Hintergrund der Vielfältigkeit der Unternehmensstrukturen, -branchen und -größen wäre es nicht sachgerecht, wenn allgemeingültige Vorgaben z. B. zur dezidierten Ausgestaltung von steuerlichen Prozessen oder Maßnahmen in diesen Prozessen vorgegeben würden. Wenn Vorgaben für ein Tax CMS durch das Bundesministerium der Finanzen oder den Gesetzgeber gemacht werden, sollte sich eine Standardisierung auf die Vereinheitlichung qualitativer Anforderungen an der in den Unternehmen bereits bestehenden steuerlichen Prozesse oder Maßnahmen beschränken. Hingegen sollte keine Vorgabe darüber gemacht werden, welche einzelnen steuerlichen Prozesse oder Maßnahmen in Unternehmen zur Anwendung kommen. 1. Standardisierungsvorgaben erfordern klare Zielsetzung Die Zielsetzung eines standardisierten Tax CMS sollte auf die Einhaltung einer ordnungsgemäßen und gewissenhaften steuerlichen Pflichterfüllung – im Sinne des Sorgfaltsmaßstabs eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns – begrenzt sein. Eine Einhaltung aller steuerlichen Vorschriften im Sinne eines Null-Fehlertoleranz-Ansatzes ist vor dem Hintergrund der Machbarkeit in komplexen Organisationen und vor dem Hintergrund, dass nahezu in allen Prozessen eines Unternehmens steuerrelevante Entscheidungen getroffen werden (und die Steuerabteilung daher in hohem Maße von einer zutreffenden Anlieferung der Daten aus Vorsystemen abhängig ist) nicht möglich. Da jedoch keine Verpflichtung zur Einhaltung der Vorgaben bestehen sollte, dürfen den Unternehmen keine Nachteile im Vergleich zum heutigen Status quo erwachsen, wenn deren Tax CMS den Vorgaben nicht oder nicht vollständig entspricht. 2. Betriebliche Flexibilität ermöglichen Die Vorgaben müssen eine ausreichende Flexibilität bei der Ausgestaltung eines Tax CMS zulassen, so dass unternehmensinterne und steuerartenspezifische Besonderheiten Berücksichtigung finden können. Ausgangspunkt und Grundlage für das Tax CMS sollte dabei immer die spezifische steuerliche Risikoanalyse des jeweiligen Unternehmens sein. Denn nur auf Basis einer solchen Risikoanalyse kann das Management sinnvoll entscheiden, welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Compliance ergriffen werden. Es sollten daher keine starren Vorgaben geschaffen werden, die spezifische Tax Compliance-Maßnahmen für einzelne Steuerarten – losgelöst vom konkreten steuerlichen Risikoprofil eines Unternehmens – vorsehen.

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3. Prüfungsverhalten anpassen Ein standardisiertes Tax CMS muss im Gegenzug zu einer zeitnäheren Betriebsprüfung führen. Werden die Vorgaben für ein Tax CMS durch ein Unternehmen erfüllt, ist es gerechtfertigt, die Prüfungsintensität im Rahmen von Betriebsprüfungen entsprechend zu reduzieren und sich auf eine risikoorientierte Betriebsprüfung zu beschränken. Bezüglich derjenigen Steuerarten, die durch das Tax CMS erfasst sind, ist daher eine deutliche Veränderung des Prüfverhaltens erforderlich (z. B. signifikante Eingrenzung der Prüfungsfelder, stärkere Fokussierung auf branchenspezifische Risikobereiche, Abkehr von einer Vollprüfung hin zu einer System-, Prozess- und Stichprobenprüfung). Dies sollte z. B. im Rahmen der BpO sowie der ergänzenden Verwaltungsanweisungen kodifiziert werden. So könnte z. B. der Grundsatz, dass unbedeutende Gewinnverlagerungen nicht geprüft werden sollen (§ 7 BpO), dahingehend konkretisiert werden, wie bei Vorliegen eines Tax CMS der Begriff „unbedeutend“ auszulegen ist. „Unbedeutende Gewinnverlagerungen“ sollten dabei nicht nur in quantitativer Hinsicht, sondern auch bei temporären Sachverhalten (z. B. Gewährleistungsrückstellungen) vorliegen. Eine solche Konkretisierung gibt den Prüferinnen und Prüfern praktische Hilfestellungen zur Durchführung risikoorientierter Prüfungen. Ziel muss es sein, eine größere Zeitnähe der Betriebsprüfung zu erreichen und die Zusammenarbeit zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung im Sinne des cooperative compliance zu stärken. Dies kann durch eine Anpassung der Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährung nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO erfolgen, die mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22. März 2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts neu geregelt wurde. Die Neuregelung sieht vor, dass die Hemmung der Festsetzungsfrist grundsätzlich spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung endet. Dies bleibt aber hinter den Erwartungen der Praxis hinsichtlich der Beschleunigung von Außenprüfungen zurück. Eine spürbare Verbesserung unter Einbeziehung von Tax CMS wird erreicht, indem die Ablaufhemmung bei Nachweis eines geeigneten Tax CMS von fünf Jahren auf höchstens drei Jahre reduziert wird. Dies erfordert eine Anpassung des Prüfungsverhaltens sowohl von Prüfenden als auch von Steuerpflichtigen in Richtung eines kooperativen Prüfungsprozesses. Zu einem kooperativen Prüfungsprozess gehört auch, dass bei Vorliegen eines Tax CMS die Festsetzung eines Mitwirkungsverzögerungsgeldes gem. § 200a AO grundsätzlich nicht in Betracht kommt, da durch das Tax CMS in der Regel eine qualifizierte Mitwirkung des Steuerpflichtigen an der Prüfung erfolgt. Zudem muss ein sachgerechter Umgang mit aufgedeckten Fehlern erfolgen (vgl. ausführlich unter 7.). Ein weiteres kooperatives Prüfungselement kann darin bestehen, dass ein Tax CMS in einem kontinuierlichen Prozess zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung aufgrund von Einflüssen wie Rechtsänderungen, Organisationsänderungen, o. ä. verbessert wird. Im Rahmen eines solchen kontinuierlichen Prozesses sollte eine stichtagsbezogene Überprüfung des Tax CMS zeitlich vor dem Beginn der nächsten Betriebsprüfung erfolgen, um festzustellen, ob Prüfungserleichterungen und eine mögliche Verkürzung der Betriebsprüfung realisierbar sind. Es sollte auch klargestellt werden, dass die Finanzverwaltung zukünftige Änderungen an einem Tax CMS nicht als Indiz für ein unangemessenes Tax CMS in der Vergangenheit werten darf.

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4. Vorgaben praxisgerecht konkretisieren Starre und zu detaillierte Definitionen und Vorgaben zu Compliance-Maßnahmen sind in jedem Fall zu vermeiden. Dies würde den betrieblichen Voraussetzungen sowohl in kleinen und mittleren als auch großen Unternehmen nicht gerecht. Daher ist auf technische Beschreibungen in einer gesetzlichen Regelung zu verzichten. Stattdessen sollte mit einem unbestimmten Rechtsbegriff, wie z. B. „risiko-mitigierenden/risikoreduzierenden Maßnahmen“ gearbeitet werden. Dieser Begriff wäre dann anschließend im Zuge einer Verwaltungsanweisung zu konkretisieren. Dabei könnte z. B. auf den Ansatz des IDW PS 980, den entsprechenden Standard DIN ISO 19600 (kommend 37301) verwiesen werden. Ebenfalls denkbar wäre, sich an der Ausgestaltung der österreichischen SKS-Prüfungsverordnung zu orientieren. Dieses Vorgehen im untergesetzlichen Wege würde es zudem ermöglichen, kleinen Unternehmen eine gewisse Flexibilität bei der Umsetzung interner Kontrollmaßnahmen zu gewähren und diesen hierdurch den Zugang zur Thematik zu erleichtern. Eine signifikante Anzahl von Unternehmen orientiert sich am etablierten IDW PS 980 für die Ausgestaltung und Prüfung eines Tax CMS. Wichtig ist daher, dass Vorgaben nicht losgelöst von bestehenden Ansätzen (insbesondere IDW PS 980) entwickelt werden, sondern diese ausdrücklich anerkannt werden und die betriebliche Praxis bei Weiterentwicklungen explizit eingebunden wird. 5. An bestehenden Ansätzen und Vorgaben orientieren Die Regelungstechnik der österreichischen Vorgaben zum Aufbau eines Tax CMS können Vorbild für eine Umsetzung in Deutschland sein, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. Vergleichbar mit dem Ansatz des IDW PS 980 enthalten die österreichischen Vorgaben sieben Grundelemente, (Kontrollumfeld, SKS-Ziele, Beurteilung der steuerlichen Risiken, Steuerungs- und Kontrollmaßnahmen, Informations- und Kommunikationsmaßnahmen, Sanktions- und Präventionsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Überwachung und Verbesserung), für die folgende Aspekte Berücksichtigung finden sollten: ▪

Hinsichtlich des geforderten Bekenntnisses zur Steuerehrlichkeit durch den Unternehmer bzw. die Organe eines Unternehmens müssen realistische und bürokratiearme Nachweismöglichkeiten eröffnet werden (z. B. in Form eines veröffentlichten code of conduct).

Bei der Beurteilung steuerrelevanter Risiken müssen praxistaugliche Anforderungen an die Unternehmen gestellt werden. Eine detaillierte Regelung zur Durchführung einer betragsmäßig quantifizierten Risikobewertung würde einen nicht zu bewerkstelligenden Aufwand darstellen und wird in der Regel auch bei anderen Compliance-Risikoanalysen nicht verlangt. Eine gesetzliche Regelung sollte daher über die reine Verpflichtung, dass Risiken zu beurteilen, qualitativ einzuschätzen und zu dokumentieren sind, nicht hinausgehen. Denkbar wäre zudem, dass eine Regelung zur regelmäßigen Aktualisierung der Risikoidentifikation und -bewertung vorgesehen wird.

Ein wirksam eingerichtetes Tax CMS ist ein Nachweis, dass bei Fehlern kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten im Sinne eines Organisationsverschuldens vorliegt. Durch ein wirksames Tax CMS werden Arbeitsfehler in Prozessen systemisch reduziert. Insofern dürfen schlichte Arbeitsfehler sowie nicht-prozessuale Auslegungsdifferenzen keine steuerstrafrechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Unbestritten ist selbstverständlich, dass Verstöße nicht reaktionslos hingenommen werden dürfen und dafür Sorge getragen werden muss, dass diese sich in Zukunft nicht wiederholen. Bei individuellem Fehlverhalten sollten die Reaktionsmaßnahmen in erster Linie auf die zukünftige Fehlervermeidung (z. B. durch Schulungen der jeweiligen Mitarbeiter) gerichtet sein. Insoweit sollte gelten: Prävention statt Sanktion. Erst wenn dieser Grundsatz –

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wie bei gravierenden oder wiederholten Verstößen − nicht ausreicht, sollten weitergehende Sanktionen – unter Berücksichtigung arbeitsrechtlicher Grundsätze – erwogen werden müssen. ▪

Die Erfahrungen und kritischen Diskussionen im Rahmen des gegenwärtigen „IDW-Praxishinweis: Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management-Systems gemäß IDW PS 980 (IDW-Praxishinweis 1/2016)“ sollten unbedingt berücksichtigt und strittige Punkte eindeutig geregelt werden, so z. B. bei Outsourcing steuerlicher Kernprozesse oder Aufgaben auf Dritte. In der Praxis werden hier von Beratern und Zertifizierern an die Schnittstellendefinition unterschiedliche und teilweise überzogene Anforderungen gestellt, wie z. B. die Prüfung und Zertifizierung des Schnittstellenpartners (externe Steuerberater). Dafür besteht aufgrund des geltenden Berufsrechts kein Bedarf und dies ist insbesondere für den Mittelstand in der Praxis auch nicht durchsetzbar.

6. Kein verpflichtendes Testat vorsehen Im Rahmen der Überprüfung eines Tax CMS sollte – wie auch bereits in der Erprobungsregelung – kein verpflichtendes Testat durch einen Wirtschaftsprüfer vorgesehen werden. Dies ist auch nicht erforderlich: Bestehen Vorgaben bzw. objektive Kriterien, die geeignet sind, die Wirksamkeit eines Tax CMS einfach und effizient prüfbar zu machen, können sowohl Steuerpflichtige als auch die Finanzverwaltung die Überprüfung mit adäquatem Aufwand selbst durchführen. Eine zusammenfassende Tax CMS-Beschreibung (welche den jeweiligen Status dem Soll-Konzept gegenüberstellt) könnte insoweit als taugliche Nachweisdokumentation für die angemessene Ausgestaltung des Tax CMS in den Verwaltungsauffassungen verankert werden. In Kombination mit einem Überwachungskonzept – anhand dessen sich die Durchführung der eingerichteten Maßnahmen auf Basis von Stichproben nachweisen lässt – sollte der Nachweis geführt werden können, dass ein Unternehmen sowie alle an dem jeweiligen Steuerprozess Beteiligten alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um im Regelprozessverlauf vom richtigen Steuerergebnis ausgehen zu können und eine falsche (unvollständige oder unrichtige) Steuerschuld zu vermeiden. Selbstverständlich kann ein solches Überwachungskonzept keine Vollprüfung voraussetzen. Vielmehr müssen Stichproben als ausreichend erachtet werden. Auch dies sollte ausdrücklich (unter-)gesetzlich verankert werden. Wenn ein Unternehmen auf freiwilliger Basis ein Testat eines qualifizierten Dritten nach üblichen Standards (z. B. IDW PS 980) vorlegt, sollte die Finanzverwaltung diese Beurteilung des Tax CMS übernehmen und entsprechende Verfahrens- und Prüfungserleichterungen ermöglichen. Allerdings darf dies auch mittelbar nicht zu einer Testatspflicht führen. 7. Erprobungsregel als Praxistest bis 2029 für langfristige Lösung nutzen Die bis zum Jahr 2029 geltende Erprobungsregel zur Einführung eines Tax CMS in die steuerliche Betriebsprüfung sollte für eine intensive Diskussion und einen Praxistest unter Einbeziehung der Unternehmen genutzt werden. Ziel sollte eine anschließende langfristige Lösung sein, die praxistauglich ist und sowohl für die Unternehmen als auch für die Finanzverwaltung Effizienzgewinne bringt. Folgende Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden: ▪

Zu einer dauerhaften und rechtssicheren Regelung gehört eine eindeutige und konkrete Rechtsfolge: Liegt ein wirksames innerbetriebliches Kontrollsystem vor, so muss dies zu einer beschleunigten und prozessorientierten Prüfung führen, ohne dass dies – wie in der Erprobungsregelung – als Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung ausgestaltet ist. Das Prüfungsverhalten muss signifikant verändert werden. Für Steuerarten oder Sachverhalte, für die ein wirksames Tax CMS festgestellt wurde, sollten die Prüfungen über Stichproben in angemessenem quantitativem

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Umfang nicht hinausgehen. Für die Bestimmung eines angemessenen quantitativen Prüfungsumfangs müssen alle wesentlichen individuellen Merkmale des Tax CMS (z. B. die ggf. vorliegenden Zertifizierungen, Vorhandensein eines Compliance Officers) Berücksichtigung finden. Auch ein vollständiger Verzicht auf Prüfungshandlungen hinsichtlich ausgewählter Steuerarten und Sachverhalte sollte möglich sein (vgl. ausführlich unter 3.). ▪

Die derzeitige Einschränkung auf „die in § 149 Absatz 3 der Abgabenordnung genannten Steuern und gesonderten Feststellungen“ ist zu restriktiv und nicht sachgerecht. Stattdessen sollte sich eine dauerhafte Regelung auf alle von einem innerbetrieblichen Steuerkontrollsystem „erfassten Steuern und gesonderten Feststellungen“ beziehen.

Trotz größter Sorgfalt der Unternehmen im Umgang mit steuerlichen Sachverhalten und des verstärkten Einsatzes von Tax CMS lassen sich Arbeitsfehler nicht vollständig vermeiden. Werden solche Fehler vorschnell an die Bußgeld- und Strafsachenstellen weitergegeben, belastet dies die Unternehmen und die Mitarbeitenden der Steuerabteilungen erheblich. Problematisch sind in diesem Zusammenhang insbesondere die gleich lautenden Ländererlasse vom 31. August 2009, wonach die Außenprüfer bereits zur Kontaktaufnahme mit den Bußgeld- und Strafsachenstellen verpflichtet sind, wenn Anhaltspunkte für eine auch nur mögliche Durchführung eines Strafverfahrens vorliegen. Vergleichbar hierzu sind die Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Satz 2 BpO und der Nr. 130 und 131 der Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV (St) 2020. Ein solches Vorgehen steht nicht nur einem kooperativen und sachorientierten Prüfungsprozess entgegen. Es widerspricht auch der Zielsetzung des Anwendungserlasses zu § 153 AO, in dem ausdrücklich dargelegt wird, dass „nicht jede objektive Unrichtigkeit den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit nahe (legt)“. Die BpO und die Verwaltungsanweisungen sollten daher angepasst werden, um eine nicht-sachorientierte Weitergabe an die Bußgeld- und Strafsachenstelle zu vermeiden. Dementsprechend sollte eine Regelung aufgenommen werden, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 BpO jedenfalls dann nicht zur Anwendung kommt, sofern ein wirksames Tax CMS vorliegt und kein Vorsatz erkennbar ist.

Bei Unternehmen mit laufender Betriebsprüfung bezüglich schon sehr viele Jahre zurückliegender Veranlagungszeiträume, kann die Inanspruchnahme der Erprobungsregelung daran scheitern, dass in der Regel zunächst die offenen Betriebsprüfungen abgeschlossen werden müssen. Um die Inanspruchnahme der Erprobungsregelung zu erleichtern, sollte eine Priorisierungsregelung eingeführt werden, damit die Finanzverwaltung Anträge auf Prüfungserleichterung unabhängig von bereits laufenden Prüfungen bearbeiten kann. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Bearbeitung solcher Anträge offene Betriebsprüfungen nicht verzögert.

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Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite Straße 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0 Lobbyregisternummer: R000534 Redaktion Dr. Monika Wünnemann Abteilungsleiterin Steuern und Finanzpolitik Telefon: +49 30 2028-1507 M.Wuennemann@bdi.eu Benjamin Koller stellv. Abteilungsleiter Steuern und Finanzpolitik Telefon: +49 30 2028-1584 B.Koller@bdi.eu BDI Dokumentennummer: D 1408

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