Erneuerbare Energien - Heft 01

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UNTERRICHTSMATERIALIEN FÜR LEHRKRÄFTE

ENERGIE MACHT

SCHULE

01

THEMA

Erneuerbare Energien



Vorwort

Sehr geehrte Lehrkräfte, die Erziehung und die Ausbildung junger Menschen sind zwei wesentliche Herausforderungen einer jeden Gesellschaft. Ein Großteil der in diesem Bereich erforderlichen Arbeit wird in der Schule geleistet. Um Lehrerinnen und Lehrer bei dieser wichtigen Aufgabe zu unterstützen, hat der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft die Reihe „Energie macht Schule“ erarbeitet. Mit diesen Materialien für die Sekundarstufe 1 möchte der BDEW einen Beitrag zu Ihrer Unterrichtsvorbereitung leisten. Ziel unseres Angebotes ist es, Verständnis für den Wert der natürlichen Ressourcen zu schaffen, den bewussten Umgang mit Strom, Erdgas und Wasser im Alltag zu üben und die Urteilsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler zu stärken. Die Erneuerbaren Energien haben sich innerhalb weniger Jahre von einer technologischen Nische hin zu einem wichtigen Element unserer Stromversorgung entwickelt und sind damit auch ein wichtiges Thema für den Unterricht in der Schule geworden. Windenergie, Photovoltaik, Wasserkraft, Biomasse und Geothermie sollen in Zukunft die Basis zu einer klimafreundlichen Stromerzeugung sein. Das vorliegende Heft 1 von „Energie macht Schule“ zeichnet die Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren nach.

Aus dem wachsenden Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung ergibt sich für die Netzinfrastruktur eine Vielzahl von Fragestellungen, die wir beleuchten und erörtern. Anschließend werden, ausgehend vom Ursprung der jeweiligen Sparte, die historische Nutzung und die Potenziale der Erneuerbaren herausgearbeitet. In der Folge gehen wir ausführlich auf die einzelnen Sparten ein, erläutern die technischen Voraussetzungen, Möglichkeiten und Einsatzchancen. So vermittelt dieses Heft einen qualifizierten Überblick zum Thema Erneuerbare Energien. Wir hoffen, Ihnen und Ihren Schülern mit diesem und den weiteren Heften unserer Reihe einen differenzierten Einblick in das komplexe Thema Energie geben zu können.

Dipl.-Ing. Johannes Kempmann BDEW-Präsident

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Inhaltsverzeichnis 2

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Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung............................................. 6 1 Klimaschutz braucht den weltweiten Ausbau der Erneuerbaren Energien 1.1 1.2 1.3

3 Erneuerbare Energien im Netzverbund 3.1 3.2 3.3

Begrenzung der Erderwärmung durch CO2-Vermeidung .................................................. 11 Klimakonferenzen geben CO2-Vermeidung vor .........................................................12 Handel mit Emissionszertifikaten ........................12

3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7

2 Strom aus Erneuerbaren Energien in Deutschland, Europa und der Welt 2.1 2.2 2.3 2.4

Geografische Voraussetzungen................................ 15 Die Bedeutung der Erneuerbaren Energien in Deutschland............................................... 15 Das deutsche Fördersystem ........................................ 16 Internationale Entwicklung der Erneuerbaren............................................................... 17

Die Versorgungsstruktur im Wandel ...................20 Größe und Lage der Anlagen: zentral oder dezentral? ...................................................22 Fluktuierende Einspeisung und Speicherung ..................................................................23 Pumpspeicherkraftwerke Wasserstoffspeicherung Power-to-Heat Druckluftspeicherung Batteriespeicherkraftwerke Elektroautos Erneuerbare Energien und Erdgas

4 Windenergie 4.1 4.2 4.3

Funktionsweise ....................................................................26 Bedeutung und Standorte .............................................26 Potenzial ....................................................................................27

5 Biomasse 5.1 5.2 5.3 5.4

Funktionsweise ....................................................................28 Bedeutung und Standorte .............................................28 Potenzial ....................................................................................29 Traditionelle Biomassenutzung ..............................29

6 Biogas 6.1 6.2

Nutzung und Standorte ..................................................30 Grundlagen der Energiegewinnung ..................... 31

7 Sonne Materialien für den Unterricht finden Sie unter www.energie-machtschule.de

7.1 7.2

Solarthermische Wärmenutzung ........................... 33 Photovoltaik ............................................................................34 7.2.1 Funktionsweise 7.2.2 Bedeutung

7.3

Solarthermische Kraftwerke......................................36 7.3.1 Funktionsweise 7.3.2 Solarturmkraftwerke

7.4

Nutzung und Potenzial ...................................................37

8 Wasserkraft 8.1 8.2 8.3

Funktionsweise ....................................................................39 Bedeutung und Standorte ............................................. 41 Potenzial .................................................................................... 41

9 Geothermie 9.1 9.2 9.3

Funktionsweise ....................................................................42 Bedeutung und Standorte .............................................42 Potenzial .................................................................................... 43

10 Meeresenergie

10

10.1 10.2 10.3 10.4 10.5

Bedeutung und Standorte .............................................44 Gezeitenanlagen ..................................................................44 Wellenkraftwerke ...............................................................44 Osmosekraftwerke ............................................................. 45 Potenzial .................................................................................... 45

Ausblick ...............................................................46 Impressum .......................................................... 47

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Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Energieversorgung

Bio-Erdgas-Anlage mit Silo, Fermenter und Gasaufbereitungsanlage.

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9%

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland schreitet voran. Rund 32 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms wurde 2015 aus Erneuerbaren Energien erzeugt. Für die übrigen 68 Prozent sorgten fossile Energieträger wie Kohle, Öl und Gas sowie die Kernenergie. Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung ist von 2004 mit circa neun Prozent bis 2015 mit circa 32 Prozent schnell angestiegen. Damit sind die Erneuerbaren zum Hoffnungsträger einer neuen Generation der Energieversorgung geworden.

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32

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Warum eigentlich Bruttostromverbrauch?

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Der Bruttostromverbrauch bezeichnet die gesamte Strommenge, die hierzulande verbraucht wird. „Brut-

Zu den Erneuerbaren Energien zählen Sonnenenergie, Wasserkraft, Biomasse, Wind, Geothermie sowie je nach Abgrenzung auch die Verbrennung von organischen Müllbestandteilen und Klärgasen, außerdem Biogas. Bei der Nutzung geht es in erster Linie um die Umwandlung von thermischer und mechanischer Energie über einen Generator in elektrische Energie oder um die direkte Gewinnung von elektrischem Strom durch Photovoltaikzellen. Als BioErdgas bezeichnet man Biogas, das nach entsprechender Aufbereitung in das bestehende Gasnetz eingespeist werden und mit Erdgas vermischt genutzt werden kann.

to“ ist deshalb wichtig, weil es auch die Strommengen enthält, die gar nicht an der Steckdose beim Endverbraucher ankommen, sondern unter anderem beim Transport verloren gehen. Stromverluste in den Leitungen – sogenannte „Netzverluste“ – entstehen beispielsweise deswegen, weil der durchfließende Strom die Leitungen erwärmt und dabei Energie auf der Strecke bleibt. Kraftwerke verbrauchen auch selbst Strom für den Betrieb des Kraftwerks, Pumpspeicherkraftwerke benötigen Strom zum Hochpumpen des Wassers als Zwischenspeicher. Zieht man den Kraftwerkseigenverbrauch, die Stromverluste

Eine weitere Anwendung finden die Erneuerbaren Energien beim Heizen. Mit einer Solarthermieanlage, einer Holzpelletheizung oder einer Erdwärmepumpe können Ein- und Mehrfamilienhäuser unabhängig von fossilen Brennstoffen direkt mit Wärme versorgt werden. Noch sind die Anlagen in der Anschaffung teurer als eine Öl- oder Gasheizung. Steigende Energiepreise sorgen jedoch dafür, dass Erneuerbare Wärme über die Laufzeit der Heizung weniger kostet.

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beim Transport, den Verbrauch von Pumpspeicherkraftwerken sowie den Stromaustauschsaldo mit dem Ausland vom Bruttostromverbrauch ab, spricht man vom „Nettostromverbrauch“ oder „Endenergieverbrauch Strom“, also das, was an der Steckdose der Verbraucher ankommt.

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Bei der Nutzung der Erneuerbaren Energien wird kein weiteres klimarelevantes CO2 freigesetzt. Daher kommt ihnen eine Schlüsselrolle bei der künftigen Energieversorgung zu. Das von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag von 2013 formulierte Ziel zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor erfolgt in einem gesetzlich festgelegten Ausbaukorridor: 40 bis 45 Prozent Anteil Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch im Jahre 2025, 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035. Bis 2050 wird in Deutschland eine CO2-neutrale Stromproduktion seitens der Elektrizitätswirtschaft angestrebt. Diese hohen Erwartungen basieren auf der Annahme, dass Biomasse und Wind- sowie Solarenergie zunehmend genutzt, aber auch Wasserkraft und Geothermie weiter erschlossen werden. Erneuerbare stoßen in der Bevölkerung auf eine hohe Akzeptanz: 90 Prozent der Bevölkerung halten

die Energiewende für sehr wichtig oder wichtig, knapp die Hälfte der Bevölkerung ist aber derzeit auch der Ansicht, ihr Kostenbeitrag zur Energiewende sei zu hoch, beurteilt das Bundeswirtschaftministerium die aktuelle Entwicklung. Im liberalisierten Energiemarkt kann der Verbraucher seinen persönlichen Bedarf über die Wahl eines entsprechenden Energieanbieters oder eine eigene Investition in eine Erzeugungsanlage gestalten. Zudem steht es jedem frei, sich selbst im Energiemarkt zu engagieren, sei es als privater Anbieter mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach oder durch die Gründung eines Versorgungsunternehmens. Seit Beginn der 1990er Jahre erlangen Erneuerbare durch gesetzliche Förderung zunehmend energiewirtschaftliche Relevanz. Dabei geht es heute vor allem um die Klimaneutralität. Um den CO2-Ausstoß und damit die Erderwärmung zu beschränken,

Brutto-Stromerzeugung 2015 in Deutschland 9,1 %

4,8 %

Erdgas

Heizöl, Pumpspeicher und Sonstige

18,1 % 13,5 %

Steinkohle

Wind

652 Mrd.

6,8 %

Kilowattstunden*

Biomasse

3,0 %

23,8 %

Wasser

Braunkohle

5,9 % Photovoltaik

muss ein Großteil der heute bekannten Vorkommen fossiler Brennstoffe im Boden bleiben. Erneuerbare sollen bei weltweit steigendem Energiebedarf künftig einen noch stärkeren Beitrag zur Versorgung leisten. Mit der zunehmenden Verbreitung und technischen Weiterentwicklung der Erneuerbaren ist die Branche nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums zu einem Wirtschaftszweig mit rund 350.000 Beschäftigten in Deutschland geworden. Auch die klassischen Energieversorger und Stadtwerke haben ihre Produktionsanlagen auf die neuen Technologien umgestellt. Der alte Gegensatz von Ökonomie und Ökologie wird im Bereich der Erneuerbaren Energien zunehmend überwunden. Durch technische Weiterentwicklung werden Wind- und Solaranlagen zunehmend größer und effizienter und die Notwendigkeit einer gesetzlichen Unterstützung damit geringer. 2012 wurde in Deutschland die sogenannte Netzparität erreicht, d. h., aus Sicht der Endverbraucher verursacht selbst produzierter Strom dieselben Kosten je Kilowattstunde wie der Kauf von einem Stromanbieter, also der Strombezug über das Netz. Möglich ist diese Netzparität auch durch eine weitestgehende Befreiung des sogenannten Eigenverbrauchs von Abgaben und Umlagen, die für Stromkunden in ihrem Strompreis enthalten sind. Diese Privilegierung des Eigenverbrauchs führt jedoch gegenwärtig zu einer intensiven Diskussion über eine gerechte Verteilung der Kosten der Energiewende.

0,9 % Siedlungsabfälle

14,1 %

30,1 %

Kernenergie Erneuerbare

Bis zum Jahr 2030 soll nach dem Energiekonzept der Bundesregierung die Bruttostromversorgung in Deutschland zu 50 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen. Für die Energiebranche bedeutet dies einen grundlegenden Wechsel des bestehenden Systems. Quellen: BDEW, AG Energiebilanzen, Stand: 01 / 2016

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* vorläufig

Wind- und Solaranlagen sind auf entsprechende Wetterlagen angewiesen, um Strom produzieren zu können. Sie bieten aus Sicht der Energieverbraucher ein fluktuierendes Energieangebot und können deshalb nicht einfach im Sinne eines Generationenwechsels gegen nachfrageorientiert produzierende Kraftwerke ausgetauscht werden. Das fluktuierende

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Energieangebot ist zwar gut prognostizierbar, aber nur eingeschränkt steuerbar. Konventionelle Kraftwerke sorgen für den Ausgleich. Allerdings stößt dieses Zusammenspiel mit zunehmendem Ausbau der Erneuerbaren an seine Grenzen. Betrachtet man die Tagesmittelwerte der realen Windstromeinspeisung eines Jahres, stellt man fest, dass nicht nur extreme Schwankungen zwischen minimaler und maximaler Leistung auftreten, sondern sich diese zudem sehr dynamisch verhalten. Eine Möglichkeit, Netzengpässe aufgrund z. B. hoher Windenergieeinspeisung zu vermeiden, besteht in erster Linie im Ausbau der Netze, ausreichender Regelenergiekapazität, zusätzlicher Regeltechnik und Speichermöglichkeiten. Intelligente Netze und Energiespeicher sollen dafür sorgen, dass auch in großem Maßstab eine sichere Stromversorgung mit Erneuerbaren möglich ist.

Photovoltaik-Anlage Berlin-Mariendorf.

Anteil des Strom aus regenerativen Energiequellen*

100 %

– IST – Ziele aus dem Energiekonzept der Bundesregierung 2011 – Ausbaukorridor gemäß Koalitionsvertrag 2013

90 %

2050: 80 %

80 %

2035: 60 %

70 % 60 % 50 % 40 %

2014**: 27,8 %

30 %

2020: 35 %

2025: 45 %

2030: 50 %

2040: 65 %

55 %

40 %

20 % 10 % 2052

2048

2044

2040

2036

2032

2028

2024

2020

2016

2012

2008

2004

2000

1996

0%

Mit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes am 1. April 2000 stieg der Anteil der Erneuerbaren Energien am Brutto-Inlandsstromverbrauch in den vergangenen zehn Jahren um knapp 18 Prozentpunkte von gut 10 Prozent auf knapp 28 Prozent (2014). Die von der neuen Bundesregierung im Koalitionsvertrag formulierten Ziele für die weitere Entwicklung der Erneuerbaren sind weiterhin ambitioniert, das dort vereinbarte Zwischenziel von 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 jedoch durchaus erreichbar. Quelle: BDEW, Stand: 02 / 2016

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* bezogen auf den Brutto-Inlandsstromverbrauch Deutschlands, ** vorläufig

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Klimaschutz braucht den weltweiten Ausbau der Erneuerbaren Energien

Von 2003 bis 2012 wurde das neue Wasserkraftwerk Rheinfelden erbaut. Mit einer Wehrlänge von 200 Metern und sieben WehrÜffnungen ist es eines der modernsten Flusskraftwerke Europas.

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1.1 Begrenzung der Erderwärmung durch CO2-Vermeidung Die Experten auf dem Klimagipfel in Kopenhagen Ende 2009 waren sich einig: Die globale Temperatur darf im Mittel nicht mehr als zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigen. Nur so lassen sich schwerwiegende Folgen des globalen Klimawandels für Menschen und Ökosysteme verhindern. Das Paris-Abkommen, das im Dezember 2015 von der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, hebt diesen Wert noch an und setzt das Ziel, dass die Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden soll. Ein Anstieg der globalen Mitteltemperatur um drei bis fünf Grad Celsius hätte weitreichende Konsequenzen wie die fortschreitende Versauerung der Ozeane, das Austrocknen der tropischen Regenwälder, die Veränderung der Monsundynamik in China und Indien oder das Schmelzen der Gletscher im tibetischen Hochland. Verursacht wird der Temperaturanstieg durch Treibhausgase in der Erdatmosphäre. Emissionen aus Verbrennungsprozessen sammeln sich seit Beginn der Industria-

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lisierung in der Lufthülle der Erde an. Von 2005 bis 2007 beobachtete der Weltklimarat (IPCC) sogar die höchsten Wachstumsraten bei den vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen seit 1970. Obwohl die Weltwirtschaft in diesem Zeitraum effizienter geworden ist und Energieintensität sowie Kohlenstoffintensität gesunken sind, zeigt sich dies nicht in niedrigeren Emissionen: Die emissionsmindernden Effekte wurden durch Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung bei Weitem aufgehoben. Der Klimaschutz gehört vor diesem Hintergrund zu den zentralen politischen Aufgaben. Die Nutzung von Erneuerbaren Energien trägt dazu bei, dass das klimaschädliche CO2 vermieden wird. Deutschland hat sich mit seiner „Roadmap Energiepolitik 2020“ von Januar 2009 ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2020 soll der Anteil der Erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch mindestens 18 Prozent betragen und an der Strombereitstellung mindestens 30 Prozent. Bis 2050 soll dann mindestens die Hälfte des deutschen Primärenergieverbrauchs aus regenerativen Quellen stammen.

Anthropogener Treibhauseffekt

CH4 CO2

CH4 Organische Abfälle

Brandrodung, Waldbrände

Landwirtschaft (z. B. Reisanbau, Rinderhaltung)

CO2

CO2

Verbrennung von Erdgas, Erdöl, Kohle, (z. B. Kraftwerke, Heizungen)

Industrie

FCKW

Kühlanlagen

CO2

Verkehr

Seit Beginn der Industrialisierung vor etwa 150 Jahren trägt der Mensch zum Klimawandel bei; rund 40 Gase sind beteiligt, bedeutsam sind vor allem: CO2, CH4 und FCKW. Quelle: BDEW

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Auch auf europäischer Ebene haben sich die 28 Mitgliedstaaten der EU darauf verständigt, ihre CO2-Emissionen bis 2020 um rund 20 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Darüber hinaus hat die EU ihre Bereitschaft bekräftigt, unter bestimmten Voraussetzungen ihre Emissionen sogar um 30 Prozent zu senken, sofern andere Industrieländer vergleichbare Anstrengungen unternehmen und die Entwicklungsländer einen angemessenen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Bis 2050 sollen die Emissionen um 60 bis 80 Prozent niedriger sein als 1990. Durch einen effizienteren Umgang mit Energie sollen 20 Prozent des Energieverbrauchs eingespart werden – gemessen an den Prognosen für 2020. Auf die einzelnen Länder entfallen dabei sehr unterschiedliche Ziele, je nachdem welche Reduktionen die Wirtschaftsstruktur erlaubt. Frankreich mit seiner weitgehend CO2freien Stromerzeugung aus überwiegend Kernenergie hat ein Reduktionsziel von null Prozent. Deutschland leistet hingegen einen großen Beitrag zum Gesamtziel. Gegenwärtig liegen die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 23,8 Prozent unter dem Emissionsniveau von 1990, dies entspricht bereits 60 Prozent der von den 28 Staaten der EU angestrebten Reduzierung. Deutschland hat damit das vereinbarte Kyoto-Ziel fristgerecht erreicht.

1.2 Klimakonferenzen geben CO2Vermeidung vor Die Begrenzung der Erderwärmung ist eine weltweite Aufgabe. Um gemeinsame Wege zur CO2-Reduktion zu entwickeln, trifft die internationale Staatengemeinschaft jährlich im Rahmen der Klimakonferenz zusammen. Noch nie zuvor gab es ein Projekt, in das alle Staaten der Erde gleicherma-

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UN-Klimakonferenz in Paris 2015.

ßen einbezogen waren. Die einzelnen nationalen Interessen sind dennoch sehr unterschiedlich und die Thematik ist komplex. Dies führt dazu, dass sich allgemein anerkannte Regelungen nur in einem Prozess über viele Jahre entwickeln lassen. Nicht jeder der seit 1995 jährlich stattfindenden Konferenzen ist es bisher gelungen, sichtbare Ergebnisse zu präsentieren. Ein erster Durchbruch war die Einigung 1997 auf das KyotoProtokoll mit verbindlichen Regelungen für den Zeitraum 2008 bis 2015. Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Paris-Abkommen. Es überwindet die Zweiteilung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Alle Staaten haben die Notwendigkeit erkannt, dass die Erderwärmung begrenzt werden muss, und sich im Dezember 2015 zum gemeinsamen Handeln verpflichtet.

der Handel am 1. Januar 2005. Unternehmen sind seitdem verpflichtet, für freiwerdendes CO2 aus Verbrennungsprozessen entsprechende Zertifikate vorzuweisen. In Deutschland können sie diese an der Strombörse in Leipzig kaufen oder verkaufen. Da das Gesamt-Kontingent der Emissionsberechtigungen begrenzt ist, lassen sich die Emissionen mit diesem

1.3 Handel mit Emissionszertifikaten Seit 2005 ist auch verschmutzte Luft eine handelbare Ware. Über den CO2-Emissionszertifikatehandel werden quasi Rechte verkauft, um Treibhausgase ausstoßen zu dürfen. In der Europäischen Union begann

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System kontrollieren, begrenzen und die Umweltauswirkungen von Verbrennungsprozessen besser kalkulieren. Die Belastung der Atmosphäre erhält einen Preis, der sich in der Kostenrechnung eines Unternehmens niederschlägt. Europaweit werden die Emissionen von rund 12.000 Anlagen der Energiewirtschaft und der energieintensiven Industrie erfasst. Zusammen verursachen diese Anlagen fast die Hälfte aller Kohlendioxidemissionen in Europa, was rund 8 Prozent der globalen KohlendioxidEmissionen entspricht. Darüber hinaus nehmen seit 2012 über 2.500 Luftverkehrsbetreiber aus aller Welt am Emissionshandel teil. Für die privaten Haushalte oder den Individualverkehr gelten die Regelungen nicht. Das EU-ETS hat seine erhofften Wirkungen in den letzten Jahren allerdings nicht entfalten können. Vielmehr kam es zu einem Preisverfall. Von knapp 30 Euro pro Tonne im Jahr 2008 war der Preis 2012 unter drei Euro abgesackt. Inzwischen hat er sich bei

knapp unter fünf Euro eingependelt. Für diesen Preisverfall gibt es mehrere Gründe. Während der Weltwirtschaftskrise 2008 und den Folgejahren produzierten viele Unternehmen deutlich weniger als ursprünglich geplant. Sie verkaufen ihre überschüssigen Verschmutzungsrechte oder kaufen keine neuen. Das Überangebot drückt den Preis.

mehr emittieren. Sobald Investitionen in solche Projekte günstiger sind als Zertifikate zu Hause, liegt es für ein Unternehmen nahe, sich für den Solarpark zu entscheiden. Auch dadurch fragen Unternehmen weniger Zertifikate nach und der Preis fällt.

EMISSIONSZERTIFIKAT

Ein zweiter Grund ist der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien. Steigt der Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung, sinken die Emissionen aus der Stromversorgung schneller als im EU-ETS eingeplant. Drittens gibt es ein Wechselspiel zwischen EU-ETS und Klimaschutzprojekten in anderen Ländern der Welt. Produzenten in Deutschland können bis zu 22 Prozent ihrer EU-Zertifikate durch solche aus dem Clean Development Mechanism ersetzen. Das funktioniert beispielsweise so: Baut ein deutscher Konzern in Südamerika einen Solarpark, darf er zu Hause

Derzeit sind also zu viele Zertifikate auf dem Markt, sodass deren Preise niedrig und damit der Antrieb zu mehr Klimaschutz gering ist. Laut Bundesumweltministerium gibt es über zwei Milliarden überschüssige Zertifikate. In einem sogenannten Backloading werden deshalb in Deutschland von 2014 bis 2016 die vorgesehenen 900 Millionen Zertifikate zurückgehalten. Ab 2018 wird der Emissionshandel in der Europäischen Union reformiert.

Handelsraum für Emissionszertifikate an der Strombörse in Leipzig.

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1


2

Strom aus Erneuerbaren Energien in Deutschland, Europa und der Welt

Windkraftanlage aus einem Betonmast und einer Gondel, an dem die Rotorblätter über die Rotorwelle mit einem Generator verbunden sind. Am Fusse des Masten ist hier ein Transformatorenhäuschen, das die Anlage direkt ans Stromnetz anschließt.

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2.1 Geografische Voraussetzungen

2.2 Die Bedeutung der Erneuerbaren Energien in Deutschland

Erneuerbare Energien stehen nicht überall auf der Welt gleichermaßen zur Verfügung, sondern sind in besonderem Maße von den geografischen Gegebenheiten abhängig. Wasserkraftwerke benötigen Gebirge mit natürlichen Zuflüssen. Wind steht insbesondere an den Küsten oder auf dem Meer zur Verfügung. Sonnenenergie ist im sogenannten Sonnengürtel der Erde reichlich vorhanden. Für die Erdwärmenutzung ist geothermische Energie Voraussetzung, die besonders in Gebieten mit Vulkanaktivitäten zur Verfügung steht. Biomassekraftwerke sind auf die Verfügbarkeit von Biomasse angewiesen.

Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien hat sich in den letzten Jahren sehr dynamisch entwickelt und kam 2015 mit ihren 196 Mrd. kWh in Deutschland auf einen Anteil von 30,1 Prozent an der Bruttostromerzeugung. Den größten Anteil hatte dabei die Windenergie an Land mit 12,2 Prozent, gefolgt von Biomasse mit 6,8 Prozent, Wasserkraft mit drei Prozent und Offshore-Windenergie mit 1,3 Prozent. Photovoltaik erreichte einen Anteil von 5,9 Prozent an der Bruttostromerzeugung. Aus diesen Zahlen wird deutlich, dass die Erneuerbaren derzeit einen wachsenden Teil der Stromerzeugung übernehmen, der überwiegende Teil wird durch Kohle, Gas und Kernenergie bereitgestellt. In Zukunft soll sich das Verhältnis jedoch weiter zugunsten der Erneuerbaren verschieben. Allerdings setzt dies weitreichende Investitionen und einen grundlegenden Umbau der Stromnetze voraus. Bereits mit dem heutigen Anteil von 30,1 Prozent fordern die Erneuerbaren das Gesamtsystem bis an die Belastungsgrenze.

2

Geografische Voraussetzungen Biomasse – Verteilung weltweit

Savanne, Wüste, Steppe etc. Ackerbau Wald Tundra, polare Kältewüste Geothermische Aktivitäten weltweit

Windstärke – Verteilung weltweit

V < 3,6 m /s nicht nutzbar 3,6 < V < 4,6 m /s nutzbar 4,5 < V < 5,6 m /s gut nutzbar 5,6 < V < 8,0 m /s sehr gut nutzbar Globale Sonneneinstrahlung im Jahresdurchschnitt

800 1100 1400 2200 1700 1700 1400 1100 800 aktive Vulkane bestehende geothermische Kraftwerke Gebiete mit der Möglichkeit zur Nutzung geothermischer Energie

1950 1950

1950 2200 2200

2200

2200 1950

1950 2200

1950

Angaben in kWh/m2

Quelle: BMUB

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Jede neue Technologie muss sich erst einmal etablieren, um wirtschaftlich genutzt werden zu können. In der Stromerzeugung hat das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen großen Anteil an der rasanten Entwicklung der regenerativen Energien und gilt daher in seiner Grundidee international als vorbildlicher Fördermechanismus. Es wurde bereits von über 60 Staaten adaptiert. Durch Förderung werden seit 1991 Investitionen in Regenerativkraftwerke erleichtert. Mit der gesetzlich vorgeschriebenen Vergütung der Einspeisung wurde das Investitionsrisiko für Anlagenbetreiber verringert. Beginnend mit dem Stromeinspeisungsgesetz gab es in der ersten Phase ab 1991 eine Abnahme- und Vergütungspflicht für Strom aus Erneuerbaren, wobei die Höhe der Vergütung an die Strompreise gekoppelt war. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schrieb ab dem Jahr 2000 je nach Technologie unterschiedliche Vergütungssätze vor. Diese waren für 20 Jahre garantiert. Um zum einen dem technischen Fortschritt Rechnung zu tragen (je besser die Anlagen werden, umso günstiger erzeugen sie Strom) und zum anderen Kostenbelastungen für die Verbraucher zu berücksichtigen, forderte die EUKommission, dass die Einstiegsförderung von Jahr zu Jahr angepasst wird. Der angepasste Vergütungssatz ist dann jeweils wieder für 20 Jahre festgeschrieben.

Über das im EEG festgelegte, transparente Umlageverfahren werden die Kosten zur Förderung regenerativer Energien auf die Stromkunden in Deutschland umgelegt. Der massive Anstieg der EEG-Umlage in den vergangenen Jahren auf über 6 Cent / kWh sorgte zu Recht für Diskussionen um die weitere Entwicklung der Förderung der Erneuerbaren Energien. Mit der Novellierung des EEG im Jahr 2014 wurde daher ein stärkerer Fokus auf die Kosteneffizienz der Energiewende gelegt. Es geht darum, einerseits den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben und die Energieziele Deutschlands zu verwirklichen und andererseits die Belastungen aus dem EEG für die Verbraucher im Rahmen zu halten. Auch die Systemstabilität ist ein wichtiges Anliegen. Die heutigen Energieversorgungsstrukturen müssen mittelbis langfristig grundlegend umgebaut werden. Deutschland soll bis 2050 bei wettbewerbsfähigen Energiepreisen und hohem Wohlstandsniveau eine der energieeffizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt werden. Ein zentraler Schwerpunkt liegt bei der Sanierung des Gebäudebestands. Hier muss es gelingen, die derzeitige Sanierungsrate in etwa zu verdoppeln. Ferner wird davon ausgegangen, dass die Windenergie im Jahr 2050 eine entscheidende Rolle bei der Stromerzeugung spielen wird. Dies erfordert einen massiven Ausbau der Windkraftkapazitäten on- und offshore.

Investitionen in Erneuerbare Energien

Investitionen in Mrd. EURO

2

2.3 Das deutsche Fördersystem

25

Photovoltaik

23,4

Biomasse 20

20,3

Wind

18,6

Wasserkraft 15

16,5

Gesamt

13,0

12,5 10

9,4

9,9

2006

2007

5

0 2008

2009

2010

2011

2012

2013

Im Jahr 2014 ist der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung weiter gewachsen und beträgt nach vorläufigen Berechnungen 26,2 Prozent.

Quelle: AGEE Stat

16

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Die wichtigsten Rahmenbedingungen, Änderungen und Neuregelungen sind im Folgenden kurz erläutert. AUSSCHREIBUNGSVERFAHREN AB 2017

WESENTLICHE FÖRDERÄNDERUNGEN

Nach den neuen Umweltschutz- und Energiebeihilfe-

FÜR NEUE WIND- UND BIOMASSEANLAGEN

leitlinien werden ab 2017 Ausschreibungen zur Regel.

Bei der Windenergie an Land wird ein sogenannter

Das EEG 2014 sieht Ausschreibungen vorerst nur für

„atmender Deckel“ eingeführt. Bei einer Überschreitung

PV-Freiflächenanlagen vor.

des vorgesehenen Ausbaukorridors, der zwischen 2.400 und 2.600 Megawatt pro Jahr liegt, wird die Degression bei der Vergütung erhöht. Wird der Korridor unter-

EEG

schritten, wird die Degression abgesenkt. Gleichzeitig entfällt der Bonus für das Ersetzen alter Windkraftanlagen durch neue leistungsstärkere, der sogenannte Repowering-Bonus. Außerdem wird die Förderung von Biomasseanlagen für Neuanlagen auf Rest- oder Abfallstoffe beschränkt.

VERPFLICHTENDE DIREKTVERMARKTUNG FÜR NEUANLAGEN

Das EEG 2014 führt für alle ab dem 1. August 2014 neu in Betrieb genommene Anlagen oberhalb einer Leistung von 500 kW eine verpflichtende Direktvermarktung ein. Diese Anlagen können nur noch in Ausnahmefällen und dann zu reduzierten Vergütungssätzen die klassische Einspeisevergütung in Anspruch neh-

EEG-UMLAGEPFLICHT IN DER EIGENVERSORGUNG

men. Für alle ab dem 1. Januar 2016 in Betrieb genom-

Neue Eigenstromerzeuger sollen an der EEG-Umlage

mene Anlagen sinkt dieser Schwellenwert dann auf

beteiligt werden, wobei für kleine Anlagen eine Baga-

100 kW.

tellgrenze gilt.

FÖRDERUNG VON BESTANDSANLAGEN

„HÄRTEFALLREGELUNG“ FÜR

Das EEG 2014 ändert die Fördergrundlagen für Be-

STROMINTENSIVE UNTERNEHMEN

standsanlagen grundsätzlich nicht. Allerdings wird

Die „Besondere Ausgleichsregelung“, nach der die EEG-

der „Landschaftspflege-Bonus“ für Bestands-Biogasan-

Umlage in der Vergangenheit für stromintensive Letzt-

lagen auf bestimmte Einsatzstoffe beschränkt, um spe-

verbraucher begrenzt werden konnte, ist gegenüber

ziell „Landschaftspflege-Mais“ auszuschließen.

den Regelungen im EEG 2012 verschärft worden.

Für eine erfolgreiche Integration des wachsenden Anteils Erneuerbarer Energien ist der zeitnahe Ausbau der Stromnetze in Deutschland und Europa von zentraler Bedeutung. Die in diesem Konzept enthaltenen Weichenstellungen für die erforderlichen Klimaschutzmaßnahmen sollen Schritt für Schritt in konkrete Gesetze umgesetzt werden.

2.4 Internationale Entwicklung der Erneuerbaren Weltweit nimmt die Akzeptanz der Erneuerbaren zu. Die Internationale Energieagentur (IEA) ermittelte für 2014 einen Anteil von 22,8 Prozent Erneuerbarer Energien an der weltweiten Stromproduktion. In China ist der absolute Zuwachs der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien am größten. Von 2000 bis 2013 erhöhte sich der Anteil der Erneuerbaren Energien am (infolge des hohen Wirtschaftswachstums stark gestiegenen) Energieverbrauch von 5,6 auf 9,6 Prozent. Zugleich übertrafen die Investitionen in Erneuerbare Energien erstmals die Investitionen in konventionelle Kraftwerke.

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

17

2


GW

Renewable Power Capacities* in World, EU-28, BRICS and Top Seven Countries, 2014 GW

2

657

CSP and Ocean power Geothermal power

153

Bio-power

150

600

Solar PV Wind power 125

500

105 100

400

86 75

300

255 206

200

50

32

32

31

31

Italy

Spain

Japan

India

25

100

0

0 World Total

EU-28

BRICS

China

United Germany States

Die Investitionssummen in Erneuerbare Energien haben sich von 2006 bis 2010 vor allem aufgrund der Investitionen in Photovoltaik-Anlagen mehr als verdoppelt und sind dann bis 2012 wieder zurückgegangen, während die Investitionen in Onshore-Windenergie und Biomasse in etwa gleich geblieben sind. Erst 2013 haben sich die Photovoltaik-Investitionen auch aufgrund der Vergütungsdegression verringert, dafür sind die Investitionen in Windenergie angestiegen.

Quelle: REN21 Renewables 2015 Global Status Report

Bis 2017 soll die installierte Leistung von Ökostromanlagen um 48 Prozent auf dann 550 GW ansteigen. Ende 2014 waren Windkraftanlagen mit zusammen 114,8 GW installiert, womit China klar vor den USA mit 65,9 GW und Deutschland mit 39,2 GW lag. Im Jahr 2013 betrug der Anteil der Erneuerbaren an der Nettostromerzeugung in den USA 12,9 Prozent. Gleichzeitig waren die USA der größte Investor im Bereich Erneuerbare Energien unter den Industriestaaten. In den USA gibt es sowohl staatliche als auch bundesstaatliche Förderprogramme für Erneuerbare Energien. Die USA verfügt damit nach China über den bedeutendsten Windenergiemarkt der Welt.

18

* not including hydropower

Vor der Atomkatastrophe in Fukushima deckte Japan ein Drittel seines Energiebedarfs aus der Kernenergie und wollte den Anteil sogar auf 50 Prozent steigern. Der neue Energieplan sieht vor, dass die Nuklearenergie bis 2030 rund 22 Prozent der Gesamtenergie liefert. Erneuerbare Energien sollen dann einen Anteil von 24 Prozent am Energiemix haben, importiertes Erdgas und Kohle werden mit 27 bzw. 26 Prozent veranschlagt. Japan hat ein hohes natürliches Potenzial an regenerativen Energiequellen, vor allem an Wind-, Solar-, Wellenenergie und Geothermie. Die Geothermie spielt mit einer installierten Kapazität von über 27 GW bereits eine bedeutende Rolle in Japan. Seit der Einführung der Einspeisevergütung im Juli 2012 ist vor allem die Photovoltaik mit einem Zubau von mehr als 7 GW rasant angestiegen.

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


2

Olkaria liegt nordwestlich von Nairobi, der Hauptstadt von Kenia. Hier befindet sich das erste Geothermiekraftwerk auf afrikanischem Boden.

Im November 2014 gab Indiens Regierung bekannt, dass auf dem Subkontinent bis 2022 die installierte Photovoltaik-Leistung von 3 GW auf insgesamt 100 GW ansteigen soll. Auch in anderen Bereichen der Erneuerbaren Energien sind in Indien neue Entwicklungen zu verzeichnen. So soll Indien bis 2022 Windkapazitäten von insgesamt 60 GW on- und offshore aufweisen. Ende 2014 standen Leistungen von ca. 22,5 GW zur Verfügung. Im Bereich Kleinwasserkraft sollen in den nächsten fünf Jahren insgesamt 5 GW durch vor allem kleine Anlagen mit einer Leistung bis 25 MW aufgebaut werden. Zudem ist geplant, die Geothermie zu erschließen und Leistungen von 10 GW bis 2022 zu installieren. Dadurch könne vor allem in ländlichen Gegenden

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

Indiens Abhilfe bei der knappen Energieversorgung geschaffen werden. All diese Entwicklungen sollen dazu beitragen, in den nächsten zehn bis zwölf Jahren den Anteil Erneuerbarer Energien in Indien von 6 Prozent auf 15 Prozent zu erhöhen. Seit 2013 in Russland das erste Ökoenergie-Fördergesetz in Kraft trat, hat vor allem der Solarsektor stark zugelegt. Dennoch bleiben die Erneuerbaren im größten Flächenland der Welt ein exotisches Randthema und dürften bis 2020 höchstens vier Prozent im Strommix erreichen. Die Kapazität der Windkraftanlagen in Russland beträgt nach unterschiedlichen Schätzungen 13 bis 15 Megawatt.

Im weltweiten Vergleich sind das weniger als 0,005 Prozent der Kapazität vergleichbarer Anlagen. Trotz seiner reichen Vorkommen an fossilen Brennstoffen bietet Russland eigentlich beste Voraussetzungen für eine dezentrale Nutzung Erneuerbarer Energien. So leben im Land rund 25 Millionen Einwohner ohne Anschluss an die zentrale Stromversorgung. Zehn Millionen Menschen versorgen sich über Diesel- oder Benzinaggregate mit Strom. Bei einer Anhörung über Erneuerbare Energien in der Duma wurden die entlegenen Gebiete des hohen Nordens daher explizit als potenzielles Einsatzgebiet für Windräder oder Biomasseanlagen genannt.

19


3

Erneuerbare Energien im Netzverbund

3.1 Die Versorgungsstruktur im Wandel Stromerzeugung in Deutschland: Anteile der einzelnen Erneuerbaren Energieträger 2013 und 2014* 3 % biogener Anteil des Abfalls 0,07 % Geothermie

1 % Klärgas 0,3 % Deponiegas

1 % Klärgas 0,2 % Deponiegas

4 % biogener Anteil

Wasserkraft

des Abfalls 0,06 % Geothermie

Windenergie onshore

Photovoltaik

18 %

18 % 2013

0,2 %

Windenergie offshore

13 %

15 %

74,6 %

biogene Festbrennstoffe

2014* 0,2 %

25,4 %

72,2 %

biogene flüssige Brennstoffe

27,8 %**

7%

8% 152,4 Mrd. kWh

Biogas

160,6 Mrd. kWh

33 %

20 %

0,8 %

Quellen: BMWi auf Basis AGEE-Stat, BDEW, Stand: 12 / 2015

Die bestehende Versorgungsrichtung vom Kraftwerk zum Verbraucher ist das Ergebnis einer hundertjährigen Entwicklung und aus Sicht der Technikgeschichte ein stetiger Optimierungsprozess. In der gegenwärtigen Struktur lautet die Faustregel, dass die durchschnittliche Entfernung zwischen Erzeugung und Verbrauchszentren etwa 50 km beträgt. Grundlast bezeichnet die Netzbelastung, die während eines Tages in einem Stromnetz nicht unterschritten wird. Kraftwerke im Grundlastbereich laufen rund um die Uhr, um den Mindestverbrauch zu decken.

Klärgas Deponiegas biogener Anteil des Abfalls

22 % 0,6 %

34 %

in den Morgen- und Abendstunden auf. Zur Deckung dieser Bedarfsspitzen werden Pumpspeicher- sowie Gasturbinenkraftwerke eingesetzt, da sie innerhalb sehr kurzer Zeit reagieren können.

Geothermie * vorläufig ** EE bezogen auf Bruttostromverbrauch

Das Bemühen um eine CO2-arme Stromerzeugung, der Ausbau der Erneuerbaren Energien sowie verbesserte Effizienz der Nachfrager bringen neue Anforderungen an die Struktur und den Betrieb der Stromnetze.

Grundlast, Mittellast, Spitzenlast Den rund um die Uhr gleichbleibenden Stromverbrauch nennt man Grundlast. Für diese Grundlast sind Kernkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und Laufwasserkraftwerke 24 Stunden am Tag in Betrieb. Da der niedrigste Stromverbrauch meist nachts auftritt, wird die Höhe der Grundlast bestimmt von nachts produzierenden Industrieanlagen, von der Straßenbeleuchtung sowie von Dauerverbrauchern in Haushalt und Gewerbe. Darüber hinaus kann die Grundlast von Pumpspeicherkraftwerken erhöht

Steigender Strombedarf im Tagesverlauf wird als Mittellast oder Spitzenlast bezeichnet. Dieser tritt insbesondere

20

werden, indem diese zu Schwachlastzeiten ihre Speicherbecken füllen.

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


Zum einen hat sich die Zahl der kleinen Anlagen im System deutlich erhöht, was zu Netzengpässen auf der Mittelspannungs- und Niederspannungsebene führt. Zum anderen stehen Erneuerbare Energien nicht überall gleichermaßen und jederzeit zur Verfügung. Sie konzentrieren sich an günstigen Standorten wie z. B. Windkraftwerke in Norddeutschland, d. h., die Erzeugung findet fernab der Lastzentren statt. Der Strom muss über weite Strecken zum Verbraucher transportiert werden. Besonders im Offshore-Bereich ist dies mit der herkömmlichen Technik, die auf Wechselstrom beruht, nicht zu leisten. Beim Transport von Wechselstrom sind Verluste durch Wärmeabstrahlung unvermeidlich. Daher werden neue Hochspannungsleitungen, die mit Gleichstrom arbeiten (HGÜ), geplant. Im Verteilnetz kann durch eine bessere Abstimmung zwischen Verbrauchern und Erzeugern das System gleichmäßiger und damit effizienter genutzt werden. „Intelligente Netze“ und neue Steuerungskonzepte, die auch einen flexibleren Verbrauch und innovative Speichertechnologien umfassen, bieten hierfür neue Möglichkeiten. Der Informationstechnologie kommt die Aufgabe zu, die vie-

len kleinen Anlagen zur Energieerzeugung mit den großen zentralen Anlagen leistungsstark zu verknüpfen. Über ein „Internet der Energie“ soll das Versorgungsnetz stabilisiert und energieeffizient gesteuert werden können. Zentrale und dezentrale Ansätze werden mit Informations- und Kommunikationstechnik, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik und modernen Methoden des Netzbetriebs kombiniert. Künftig sollen Kühlhäuser oder Elektrofahrzeuge Ausgleichs- und Speicherfunktionen übernehmen. Solar- und Windkraftanlagen, Brennstoffzellen, motorgetriebene Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, Kraftwerke, Energiespeicher und Leitungsnetze stimmen sich dann automatisch über den aktuellen Energiebedarf ab – und berücksichtigen auch schon den Bedarf des nächsten Tages. Ein intelligentes Netz ist ohne elektronische Verbrauchszähler nicht denkbar. In Deutschland sind elektronische Zähler seit 2010 in Neubauten und bei vollständigen Sanierungen gesetzlich vorgeschrieben. Das Bundeswirtschaftministerium plant, dass bis 2032 alle Zählstellen mit elektronischen Geräten ausgerüstet werden müssen.

Smart Grid

OffshoreWindparks Intelligente Gebäude

Solarfarmen Übertragungsund Verteilnetze

Rechenzentrum

Fossile Kraftwerke Intelligente Knoten

Datennetz Energienetz

Smart Homes Kraft-Wärme-Kopplung

Offshore-Windparks und Solarkraftwerke liefern den größten Teil des Stroms. Fossile Kraftwerke sichern die volatilen Erneuerbaren ab. Übertragungs- und Verteilnetze stellen gemeinsam mit einer weit verzweigten Steuerungslogistk die Balance aus Stromeinspeisung und –entnahme sicher. Energiemanagement und intelligente Geräte binden Industrie und Privathaushalte aktiv ein. Der zum Erzeuger gewordene Verbraucher erhält dafür eine Vergütung.

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

21

3


3

3.2 Größe und Lage der Anlagen: zentral oder dezentral? Dimensionierung ist die Festlegung bzw. Auslegung eines technischen Entwurfs bezüglich seiner Größe. Dieser kann z. B. eine Maschine, ein Programm, ein Transformator oder ein Netzwerk sein. Nach dem ökonomischen Prinzip der Skaleneffekte sinken mit steigendem Output die variablen Kosten pro Stück. Für die Stromerzeugung lag in der Vergangenheit die mindestoptimale Betriebsgröße bei etwa 400 Megawatt (MW) pro Einheit für fossile Kraftwerke. Beim historischen Aufbau wurde die Netzstruktur in Europa so angelegt, dass die Stromerzeugung durch Kraftwerke nahe den Verbrauchszentren erfolgte. Trotzdem gibt es beim Transport elektrischer Energie einen gewissen Verlust. Der Grund dafür ist der elektrische Widerstand der Leitungen. Er hängt vom Material, der Länge und der Querschnittsfläche des Leiters ab. Um die Verluste der Energieübertragung gering zu halten, muss man die Stromstärke reduzieren und die Spannung um den gleichen Faktor anheben. Dies geschieht durch Transformatoren, mit denen die Spannung auf ein Vielfaches des Anfangswertes, meist 380.000 Volt, hochgespannt wird. Die Stromstärke wird dabei auf den entsprechenden Bruch-

teil reduziert. Die Verluste bei der Energieübertragung verringern sich hierdurch sogar um den quadratischen Faktor. Als Faustregel gilt, dass elektrische Energie wirtschaftlich optimal über so viele Kilometer transportiert werden kann, wie ihre Nennspannung, gerechnet in Kilovolt (kV), beträgt. So ergibt sich beispielsweise bei einer Nennspannung von 380 Kilovolt eine Entfernung von etwa 380 Kilometern. Die Leitungsverluste konnten in den letzten Jahrzehnten drastisch gesenkt werden. Sie betragen heute bei den großen Überlandleitungen (220.000 und 380.000 Volt) etwa ein Prozent, bei den regionalen Mittelspannungsleitungen (30.000 bis 110.000 Volt) rund zwei Prozent und bei den örtlichen Verteilungsleitungen knapp fünf Prozent pro einhundert Kilometer. Alle Leitungsverluste zusammen addieren sich auf 4,3 Prozent. Beim historischen Kraftwerkbau in seiner großtechnischen Projektierung spricht man von zentraler Stromerzeugung. Von einer dezentralen Stromerzeugung wird gesprochen, wenn elektrische Energie innerhalb oder in der Nähe von Wohngebieten und Industrieanlagen mittels Kleinkraftwerken erzeugt wird. Die Leistungsfähigkeit der Strom-

Der Unterschied von installierter Leistung und Stromerzeugung

Anteile an der installierten Leistung und an der Stromerzeugung 2014

Neben Faktoren wie Verfügbarkeiten oder Kosten

Photovoltaik

sind in der Diskussion um die Entwicklung der Er-

Geothermie

neuerbaren Energien sowohl die Anlagenzahl und installierte Leistung als auch die Stromerzeugung die maßgeblichen Kenngrößen. Allerdings werden

Wind offshore

die Begriffe elektrische Leistung und Stromerzeu-

Wasserkraft

gung (elektrische Arbeit) gern miteinander ver-

Biomasse (fest, flüssig, gasförmig)

mischt. Dabei ist aber zu unterscheiden, dass die installierte Leistung nur das mögliche Potenzial einer Anlage beschreibt (in Analogie zum Auto: die PS-Zahl des Motors). Dahingegen beschreibt die

23,6 %

Wind onshore

42,6 %

0,04 %

0,06 %

36,6 %

Deponie und Klärgas

0,9 %

Stromerzeugung (elektrische Arbeit) den Output der

43,0 %

Anlage, der für die Stromversorgung eingespeist

12,6 %

wird (in Analogie zum Auto: die gefahrenen Kilometer). Eine hohe installierte Leistung bedeutet daher noch nicht zwangsläufig eine große Strom-

5,1 %

erzeugung. Eine kleine Anlage, die dauerhaft nahe ihrer installierten Leistung betrieben wird, kann in-

0,4 %

nerhalb eines Jahres mehr Strom erzeugen als eine

1,1 % 7,7 %

Anteil an der installierten Leistung

große Anlage, die nur phasenweise ihre maximale Leistung erreicht oder vorübergehend gar keinen

25,7 % 0,5 % Anteil an der Stromerzeugung

Strom erzeugt. Quelle: BDEW

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01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


ren sorgen für einen Ausgleich, wenn diese in einem so genannten virtuellen Kraftwerk zusammengeschlossen werden. Als virtuelles Kraftwerk bezeichnet man die Vernetzung vieler kleiner Anlagen, die der dezentralen Stromerzeugung dienen und über ein zentrales Leitsystem gesteuert werden. So kann beispielsweise die fluktuierende Erzeugung von Sonne und Wind mit der stetigen Erzeugung einer Biomasseanlage kombiniert werden. Zum anderen können Ausgleichseffekte der regional unterschiedlichen Charakteristika im Sinne einer gesamtdeutschen Versorgungssicherheit durch ein großräumiges Stromtransportnetz geschaffen werden.

SmartRegion Pellworm, Schleswig-Holstein

erzeugungsanlagen ist in der Regel nur auf die Deckung des Energiebedarfs der unmittelbar angeschlossenen Stromverbraucher ausgelegt. Auch Inselnetze, d. h. die Zusammenschaltung kleiner, weniger Stromerzeuger und -verbraucher an abgelegenen Orten, die nicht an das öffentliche Stromnetz angeschlossen sind, zählt man zur dezentralen Stromerzeugung. Ebenso werden Windparks und Solarparks gemeinhin zur dezentralen Stromversorgung hinzugezählt, allerdings ist hier der Übergang zur zentralen Stromerzeugung, gerade bei größeren Anlagen, fließend. Im Gegensatz zur zentralen Stromerzeugung wird die elektrische Energie bei der dezentralen Stromversorgung nicht ins Hochspannungsnetz eingespeist, sondern ins Mittel- und Niederspannungsnetz. Ein wichtiger Vorteil der dezentralen Stromerzeugung

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

ist daher die weitestgehende Vermeidung der Verluste bei Transformation auf andere Spannungsebenen. Häufig wird die dezentrale Stromerzeugung als Teilaspekt der Energiewende aufgefasst und mit der Umstellung von fossil-nuklearer Energieerzeugung auf Erneuerbare Energien in Verbindung gebracht. Beides ist jedoch nicht zwingend miteinander verknüpft. So können z. B. Blockheizkraftwerke sowohl mit erneuerbarem Biogas als auch mit fossilem Erdgas betrieben werden, zugleich gibt es auch zentrale Ansätze bei der Energiegewinnung aus regenerativen Quellen. Die größte Herausforderung der zukünftigen Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien ist ihre Volatilität. Die Gegebenheiten der Erneuerba-

Auch bei den Erneuerbaren Energien kommt es darauf an, die Anlagen so zu dimensionieren, dass sie möglichst wirtschaftlich produzieren können. Bestimmte Standorte in Süd- und Westeuropa bieten besonders kostengünstige Bedingungen. Um den Strom zu den Verbrauchern zu bringen, sind größere Entfernungen zu überwinden. Es werden Konzepte diskutiert, zusätzlich zum vorhandenen Stromnetz ein Hochspannungsgleichstromübertragungsnetz (HGÜ) aufzubauen.

3.3 Fluktuierende Einspeisung und Speicherung Aufgrund der fluktuierenden Einspeisung der Windkraftwerke oder Solaranlagen ist die erzeugte Strommenge nicht exakt vorhersehbar. Im Rahmen des bestehenden Energiemixes gleichen zusätzlich Gaskraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke diese Schwankungen aus. Künftig sollen zusätzlich neue Techniken wie z. B. die Wasserstoff- und die Druckluftspeicherung zum Einsatz kommen. Mit der Weiterentwicklung der Batterietechnik sollen auch Elektroautos Speicherkapazitäten zur Verfügung stellen.

23

3


3

Welche Funktionen erfüllen Speicher im Stromversorgungsnetz? ↘ Ermöglichen zeitliche Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch

Die Schritte im Einzelnen: ↘ Eine KWK-Anlage erzeugt Strom und Wärme aus einem Brennstoff und speist diese in das jeweilige Netz ein. Bei einem Überschuss kann die Wärme im Gegensatz zu Strom gespeichert werden.

↘ Erhöhen die Flexibilität der Stromerzeugung und -nachfrage ↘ Unterstützen eine effiziente Netzauslastung ↘ Stellen Systemdienstleistungen bereit (z. B. Frequenzhaltung, Minutenreserve-

↘ Ein Power-to-Heat-Modul nutzt überschüssige elektrische Energie (z. B. aus Windkraftanlagen) zur zusätzlichen Erzeugung von Wärme, die ebenfalls im Wärmespeicher gesammelt wird.

leistung etc.) ↘ Ermöglichen eine wirtschaftliche Optimierung der Strombereitstellung

↘ Der Wärmespeicher wird also durch die KWK-Anlage und das Power-to-Heat-Modul beladen und gibt die Wärme sukzessive über das Fernwärmenetz an die Kunden ab. Der nicht speicherbare Strom wird so nutzbar gemacht. 3.3.4 DRUCKLUFTSPEICHERUNG

3.3.1 PUMPSPEICHERKRAFTWERKE

Pumpspeicherkraftwerke werden traditionell zur Energiespeicherung genutzt. Sie sind bis heute die einzige effiziente und großtechnisch verfügbare Form der Stromspeicherung. Dabei wird zu Zeiten mit geringem Stromverbrauch oder Energieüberschuss Wasser in ein höher gelegenes Speicherbecken gepumpt. Bei Verbrauchsspitzen oder beispielsweise einer Windflaute kann dieses Wasser wieder zur Stromerzeugung genutzt werden. 3.3.2 WASSERSTOFFSPEICHERUNG

Die Wasserstoffspeicherung setzt auf die elektrolytische Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Dabei wird Strom durch Wasser geleitet, das mit Hilfe von Säure oder Lauge leitend gemacht wurde. Hierdurch werden Wassermoleküle (H2O) in je zwei Wasserstoff- und ein Sauerstoffatom aufgespalten. Der so gewonnene Wasserstoff lässt sich in Tanks speichern und auf unterschiedliche Weise energetisch nutzen. Der entstehende Sauerstoff kann ebenfalls genutzt oder an die Umgebung abgegeben werden. Mit Hilfe von Brennstoffzellen kann Wasserstoff wieder in Strom umgewandelt werden. 3.3.3 POWER-TO-HEAT

Als Power-to-Heat wird die Umwandlung von Strom in Wärme verstanden. D. h., dass in Systemen, in denen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) und Wärmenetze kombinierbar sind, die Möglichkeit besteht, dem Stromnetz aktiv Strom zu entnehmen und in Form von Wärme nutzbar zu machen. Hierdurch wird das Stromnetz entlastet und das Abregeln von Erneuerbaren-Energien-Anlagen vermieden.

24

Ein Druckluftspeicher ist eine Anlage zur kurzfristigen Speicherung elektrischer Energie. Sie nutzt zum Beispiel an windreichen Tagen überschüssigen Strom zur Erzeugung von Druckluft und lagert diese in einer Kaverne ein. Wenn die Energie wieder gebraucht wird, strömt die Druckluft in eine Turbine, treibt damit einen Generator an und erzeugt Strom. Ein Druckluftspeicher ist also im Prinzip ein großer Akku. 3.3.5 BATTERIESPEICHERKRAFTWERKE

Hier werden Akkumulatoren auf elektrochemischer Basis zur Energiespeicherung verwendet. Im Gegensatz zu üblichen Speicherkraftwerken, wie den Pumpspeicherkraftwerken mit Leistungen bis über 1.000 MW, bewegen sich die Leistungen von Batterie-Speicherkraftwerken meist im ein- bis zweistelligen MW-Bereich. Kleine Batteriespeicher, sogenannte Solarbatterien mit wenigen kWh Speicherkapazität, werden zumeist im privaten Bereich im Zusammenspiel mit ähnlich dimensionierten Photovoltaikanlagen betrieben. Ein grosses Batterie-Speicherkraftwerk steht in Schwerin. Hier betreibt der Stromversorger WEMAG einen Lithium-Ionen-Batteriespeicher zum Ausgleich kurzfristiger Netzschwankungen. Der Speicher mit einer Kapazität von 5 MWh und einer Leistung von 5 MW ging im September 2014 in Betrieb. Der Lithium-Ionen-Batteriespeicher besteht aus 25.600 Lithium-Manganoxid-Zellen und ist über fünf Mittelspannungs-Transformatoren sowohl mit dem regionalen Verteilnetz als auch mit dem nahegelegenen 380-kV-Höchstspannungsnetz verbunden. 3.3.6 ELEKTROAUTOS

Mit der technischen Verbesserung der Elektrofahrzeuge ergeben sich mögliche Synergien zwischen dem Verkehrssektor und der Energieversorgung: Autos werden

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


im Mittel nur etwa zwei Stunden am Tag gefahren. Mit seiner Batterie ist jedes Elektrofahrzeug während seiner Parkzeiten, wenn es mit dem Netz verbunden ist, ein potenzieller Stromspeicher. Die Batterie kann in dieser Zeit automatisch geladen werden. Diese Energie kann dann vom Auto selbst genutzt oder bei Bedarf ins Netz zurückgespeist werden. Da die Batterien der Elektroautos zeitlich variabel geladen werden können, lassen sich die tages- und jahreszeitlich schwankenden Anteile Erneuerbarer Energien im Netz besser nutzen. Elektroautos können darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur CO2Vermeidung leisten. Schon mit dem aktuellen Strommix in Deutschland sind Elektroautos klimaschonender als Benzin- oder Dieselfahrzeuge. Die Batteriefahrzeuge haben derzeit aber noch eine geringere Reichweite, als es die Autofahrer gewohnt sind. Hier können Hybridfahrzeuge einen Ausgleich schaffen, die zusätzlich über einen Verbrennungsmotor und einen Kraftstofftank verfügen.

3

3.3.7 ERNEUERBARE ENERGIEN UND ERDGAS

Nach dem Erneuerbare-EnergienWärmegesetz (EEWärmeG) dürfen in Neubauten Gasheizungen nur noch in Verbindung mit Erneuerbaren Energien genutzt werden. So werden Erdgas und Solarthermie vielfach kombiniert: Solarthermische Anlagen brauchen einen weiteren Energieträger, der sich zuschaltet, wenn die Sonne nicht ausreichend Energie liefert. In den Sommermonaten kann die Sonne den Energiebedarf eines Einfamilienhauses fast vollständig decken, im Winter hingegen reicht ihre Einstrahlung nur für etwa ein Fünftel des Energiebedarfs und damit nicht für den gesamten Warmwasser- und Heizungsbedarf eines Haushaltes. Dann kann Erdgas die fehlenden Energiemengen ausgleichen. Pumpspeicherkraftwerk Hohenwarte II

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

25


4

Windenergie

4.1 Funktionsweise Wind ist eine indirekte Form der Sonnenenergie: Die Sonnenstrahlung erwärmt die Luft über Boden und Wasser. Dabei entstehen in der Atmosphäre ein Temperatur- und ein Druckgefälle. Die daraus resultierenden Luftströmungen vom Hochdruck- zum Tiefdruckgebiet bezeichnet man als Wind. Bei einer Windenergieanlage drückt der Wind gegen die Flügelflächen und das Rad kommt in Drehung. Zusätzlich sind die Rotorblätter nach aerodynamischen Gesichtspunkten gestaltet, um das Auftriebsprinzip zu nutzen. In den meisten Fällen kommen heute Horizontalachsenkonverter zum Einsatz. Sie müssen nach der Windrichtung ausgerichtet werden, wobei eine Windrichtungsnachführung die Rotorblätter in die jeweils günstigste Position bringt. Schnell laufende Horizontalachsenanlagen mit Zwei- oder Dreiblatt-Rotoren haben einen Wirkungsgrad von bis zu 45 Prozent. Höhe und Größe der Anlagen müssen dem Standort entsprechend angepasst werden.

Windkraftanlage – Schema

Gondel Rotorblatt

Gondelverstellung Getriebe Bremse Generator Windmessung

Nabe

4.2 Bedeutung und Standorte Wind ist in Deutschland der mengenmäßig bedeutsamste regenerative Energieträger. Im Jahr 2015 wurde bei den Onshore-Anlagen der Netto-Zubau einer Leistung von 3.536 MW bzw. 1.115 Windkraftanlagen erreicht. Der NettoZubau setzt sich aus dem Brutto-Zubau von 1.368 Windkraftanlagen mit 3.731 MW und dem Abbau von 253 Windkraftanlagen mit 195 MW zusammen. Im Jahr 2015 wurde damit der zweithöchste Bruttozubau seit 1992 in Deutschland erreicht. Ende 2015 waren in Deutschland insgesamt 25.982 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 41.652 MW installiert. (Quelle: Deutsche Windguard) Seit dem Bau der ersten Onshore-Windkraftanlagen Anfang der 90er Jahre hat die Stromerzeugung aus Windenergie aufgrund der staatlichen Förderprogramme ein besonders dynamisches Wachstum erfahren. Da die günstigen Standorte für Windanlagen in Norddeutschland und in der Nord- und Ostsee liegen, der Strom aber vor allem in den Ballungszentren und Industriestandorten in Süddeutschland benötigt wird, entsteht bei der Erzeugung ein NordSüd-Gefälle. Aufgrund der langen Genehmigungszeiten hat

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Turm

Eingang

Netzanschluss

Fundament

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das Stromnetz mit dem Zubau neuer Anlagen nicht Schritt halten können. Kann das Netz den erzeugten Windstrom nicht aufnehmen, müssen einzelne Anlagen zeitweise abgeschaltet werden. 2014 waren weltweit Anlagen mit einer Gesamtleistung von ca. 370.000 MW installiert. Davon entfallen auf China rund 30 Prozent und 18 Prozent auf die USA. In Deutschland stehen etwa 10 Prozent und in Spanien 6 Prozent der weltweiten Windanlagen.

4.3 Potenzial Innerhalb der Erneuerbaren Energien soll die Windenergie künftig den Hauptanteil leisten. Etwa zwei Tausendstel der von der Sonne eingestrahlten Energie, nämlich 350 Terawatt (TW), werden jährlich in Windenergie umgesetzt. Mit diesem theoretischen Potenzial an Windenergie ließe sich der gesamte Welt-Strombedarf decken. Die reale Windenergienutzung ist aber bislang nur an Standorten mit einer

jährlichen durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von vier bis fünf Metern pro Sekunde (Windstärke 3) wirtschaftlich und technisch sinnvoll. In Deutschland gibt es sowohl an Land wie auch in der Nord- und Ostsee günstige Standorte, die ausgebaut werden können. Der gesetzlich festgelegte Ausbau bei der OffshoreWindenergie bis 2020 liegt bei etwa 27 Mrd. kWh. An Land könnten bei günstigen Bedingungen dann 112 Mrd. kWh erzeugt werden. Bestehende Anlagen lassen sich durch einen Austausch der Technik, das so genannte Repowering, erweitern. Als Faustregel gilt, dass eine ein Meter höhere Nabe ein Prozent mehr Ertrag liefert. Durch technische Verbesserungen werden immer größere Anlagen möglich. Ihr Einsatz ist jedoch durch Vorgaben der Länder und Gemeinden zur maximal zulässigen Höhe begrenzt. Neue Anlagen werden auch auf dem Meer, also offshore, entstehen. Hier weht der Wind stetiger und die Windausbeute ist etwa 40 Prozent

höher als an Land. Die Herausforderung liegt aber darin, die Anlagen in 30 bis 100 km Entfernung von der Küste und bei Wassertiefen von 20 bis 40 m zu installieren. Die Bundesregierung befürwortet den Bau von zahlreichen Windparks in der Nord- und Ostsee. 2015 speisten 546 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von 2.282,4 MW erstmalig Strom in das Netz ein. Damit hat sich der Bestand von Offshore-Windenergieanlagen seit 2008 auf 792 mit einer Gesamtleistung von 3.294,9 MW erhöht. Dies entspricht gemessen am Vorjahrsstand einer Steigerung von 225 Prozent. Die sich im Betrieb befindenden Anlagen gehören zu folgenden OffshoreWindparks (OWP): alpha ventus (12), Amrumbank West (80) BARD Offshore 1 (80), Borkum Riffgrund (78), Butendiek (80), DanTysk (80), Global Tech I (80), Meerwind Süd / Ost (80), Nordsee Ost (48) und Riffgat (30) und Trianel Windpark Borkum (40) in der Nordsee sowie EnBW Baltic 1 (21) und Baltic 2 (80) in der Ostsee. (Quelle: Deutsche Windguard)

in Mio. Kilowattstunden

Stromerzeugung aus Windkraftanlagen

10.000

brutto, On- und Offshore-Anlagen Jahresproduktion 2012: 50.670 GWh, 2013: 51.708 GWh, 2014*: 56.000 GWh

8.000

2013

2014

Durchschnitt 2004 – 2013

6.000

4.000

2.000

0 Jan

Feb

Mrz

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Ø

Das Winddargebot war im Jahr 2013 eher unterdurchschnittlich. Durch den fortschreitenden Ausbau der Windenergie, das starke erste Quartal und eine überdurchschnittliche Winderzeugung im Dezember wurden trotzdem rund 56 Mrd. kWh Strom erzeugt – so viel Strom aus Windkraftwerken wie nie zuvor. Quelle: ZSW, BDEW, Stand 01 / 2015

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* vorläufig

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4


5

Biomasse

5.1 Funktionsweise

5.2 Bedeutung und Standorte

Energiegewinnung aus Biomasse erfolgt meist durch Verbrennung in Feuerungsanlagen. Im Grunde ist die dabei frei werdende Wärme organisch gespeicherte Sonnenenergie. Bei der Energiegewinnung verhält sich der Brennstoff CO2-neutral, denn die Pflanzen geben bei ihrer Verbrennung nur genau die Menge CO2 ab, die sie zuvor bei ihrem natürlichen Wachstum eingelagert haben.

Biomasse gehört zu den wichtigsten erneuerbaren Energieträgern in Deutschland. Der Anteil der Biomasse an der Bruttostromerzeugung betrug im Jahr 2015 6,8 Prozent. Fast ein Viertel der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien entfiel damit auf Biomasse. Der überwiegende Anteil davon wird über das EEG als Strom aus Biomasse, Klärgas oder Deponiegas gefördert. Stromerzeugung aus Biomasse erfolgt aber auch außerhalb des EEG, zum Beispiel als Stromerzeugung aus den biogenen Anteilen des Abfalls, aus der Verbrennung von Schwarzlauge oder Klärschlamm.

FOLGENDE VERFAHREN ZUR ENERGETISCHEN NUTZUNG DER BIOMASSE STEHEN ZUR VERFÜGUNG:

↘ Verbrennung: Sie erfolgt in der Regel in vier Schritten: Erwärmung und Trocknung, Vergasung und thermische Zersetzung, Verbrennung der festen Brennstoffbestandteile, Nachverbrennung der brennbaren Gase. ↘ Pyrolyse (Vergasung): thermische Spaltung chemischer Verbindungen. Durch hohe Temperaturen werden Moleküle „zerbrochen“ und so in einen gasförmigen Aggregatzustand überführt. Dies geschieht meistens unter Sauerstoffausschluss, um die Verbrennung zu verhindern. Man spricht auch von Verschwelung.

Nach Angaben des Verbandes Bioenergie hat sich die Stromerzeugung aus Biomasse seit dem Jahr 2000 von 4.731 GWh auf 47.290 GWh in 2014 rund verzehnfacht. Die installierte elektrische Leistung ist in diesem Zeitraum von 1.288 Megawatt auf 8.153 Megawatt gestiegen. Damit lag der durchschnittliche jährliche Zubau an installierter Leistung bei 528 Megawatt. Damit sind in Deutschland 13.589 Biomasseanlagen im Einsatz.

↘ Fermentation (Gärungsprozess): Durch Ausfaulen pflanzlicher oder tierischer Rückstände unter Sauerstoffabschluss lässt sich unter Mitwirkung von Bakterien Biogas gewinnen. Durch die Vergärung zuckerhaltiger pflanzlicher Stoffe mit Hilfe von Hefepilzen lässt sich Alkohol produzieren. ↘ Mahlen und Raffination: Durch die Verarbeitung von Ölpflanzen lassen sich Öle gewinnen. Wie bei anderen Energieumwandlungsprozessen entstehen auch hier Schadstoffe und Abfallprodukte, wie giftige Abwässer und Kohlenwasserstoffe, aber auch Stickstoffoxide, Schwefeldioxid sowie Ruß und Staub. Gravierende Vorbehalte werden ebenfalls dem Anbau von Energieplantagen entgegengebracht, die als schädlingsanfällige Monokulturen einen hohen Einsatz von chemischen Dünge- und Pflanzenschutzmitteln erfordern.

28

Bio-Erdgas-Anlage

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


Biomasse kann auf sehr unterschiedliche Art und Weise energetisch genutzt werden. Die jeweils eingesetzte Option hängt u. a. von den Eigenschaften des Rohstoffes ab. Holzige Biomasse beispielsweise ist für eine Verbrennung und damit zur Wärmebereitstellung gut geeignet. Aus sehr wasserhaltiger Biomasse (z. B. Gülle) kann durch anaerobe Gärung Biogas erzeugt werden, das im Allgemeinen wie Erdgas genutzt werden kann. Zucker- und stärkehaltige Biomasse (wie Zuckerrüben oder Getreide) kann zu Alkohol vergoren werden, der dann als Kraftstoff einsetzbar ist. Ölhaltige Pflanzen liefern Pflanzenöl, welches sich als Dieselersatz eignet. Biomasse ist also in flüssiger, gasförmiger und fester Form verfügbar und kann gut

gelagert werden. Damit ist sie vielen anderen erneuerbaren Energieträgern überlegen, denn sie steht jederzeit bedarfsgerecht für z. B. Biomasse-Heizkraftwerke zur Verfügung.

5.3 Potenzial Landwirtschaftliche Nutzpflanzen zur Energiegewinnung und für die industrielle Verarbeitung nehmen einen wachsenden Anteil der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland ein. 2014 waren dies fast 20 Prozent oder 2,12 Mio. Hektar. Bis 2020 könnten es 3,7 Mio. Hektar werden. Die Stromerzeugung ließe sich dann auf 54 Mrd. kWh steigern. Zusätzlich könnten 150 Mrd. kWh Wärme und

Teller oder Tank – umstrittener Anbau von Biomasse Energie aus Biomasse wird sowohl auf politischer, wissenschaftlicher wie auch gesamtgesellschaftlicher Ebene kontrovers diskutiert. Sind Bioenergietechnologien die ersehnte Antwort auf die drängenden Fragen der Energieproblematik? PRO

↗ Energie aus nachwachsenden Rohstoffen ist potenziell unendlich verfügbar ↗ Bei der Verbrennung biogener Kraftstoffe entstehen nur so viele CO2-Emissionen, wie die Pflanzen zuvor der Atmosphäre entnommen haben ↗ Wirtschaftszweig schafft und sichert Arbeitsplätze in Deutschland ↗ Verringert Abhängigkeit von Importen fossiler Energieträger ↗ Wirtschaftliche Chance für Entwicklungsländer durch das Exportgut Biomasse KONTRA

↗ Bedroht Ernährungssicherheit ↗ Steigende Lebensmittelpreise ↗ Nicht CO2-neutral, wenn Düngemittel und Pestizide oder Holz

111 Mrd. kWh Kraftstoff erzeugt werden. (Quelle: Verband Bioenergie)

20 %

Fast der landwirtschaftlichen Nutzfläche wurden zur Energiegewinnung und für die industrielle Verarbeitung 2014 genutzt.

5.4 Traditionelle Biomassenutzung Weltweit deckt die Biomasse etwa zehn Prozent der Energienachfrage. Das Verbrennen von Holz, Holzkohle oder Dung auf Drei-Steine-Öfen ist für über 2,5 Mrd. Menschen die wichtigste Energiequelle zum Kochen und zum Erhitzen von Wasser. Sie ist auch eine der gefährlichsten Formen der Energienutzung: Die Schadstoffbelastung durch offene Biomasse-Feuer in Innenräumen tötet jedes Jahr nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation über 1,3 Mio. Menschen. Luftverschmutzung in Innenräumen gehört zu den größten Umweltproblemen der Welt. Durch einfache Herde kann der Brennstoffverbrauch auf die Hälfte oder – je nach Bauart des Ofens – ein Viertel reduziert werden. Dies ist eine einfache, kostengünstige Art, Klima und Umwelt zu schützen: So wird der Ausstoß von Treibhausgasen und die Entwaldung reduziert. Noch wirksamer ist das Kochen mit Biogas: Der Ausstoß an Treibhausgasen wird um 95 Prozent reduziert und die Innenraumluft verbessert. Klein-Biogasanlagen werden etwa in Nepal, Vietnam und Indien eingesetzt.

aus nicht nachhaltiger Waldwirtschaft eingesetzt werden ↗ Bewirtschaftung, Verarbeitung und Transport müssen in die Öko-Bilanz mit einbezogen werden ↗ Verdrängt Kleinbauern in Entwicklungsländern ↗ Fördert die Entstehung von Monokulturen ↗ Verstärkter Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen zur Ertragssteigerung ↗ Gefahr der großflächigen Regenwaldrodung

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

Energie aus Biomasse besitzt aus der Sicht von Experten das Potenzial, einen substanziellen Beitrag zur künftigen Energieversorgung zu leisten. Um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern, sind allerdings international verbindliche Nachhaltigkeitskriterien erforderlich. Eine zentrale Rolle haben hierbei ethische Prinzipien, Umwelt- und Klimaschutz.

29

5


6

Biogas

6.1 Nutzung und Standorte Mit Stand Dezember 2014 speisen 150 Einspeiseanlagen mit einer Kapazität von rund 100.000 Nm³/ h auf Erdgasqualität aufbereitetes Bio-Erdgas ins Erdgasnetz ein. Das entspricht mit einer jährlichen Kapazität von rund 9 TWh etwa 1 Prozent des deutschen Erdgasverbrauches. Von Bio-Erdgas spricht man, wenn (Roh-)Biogas nach der Aufbereitung die gleichen Eigenschaften wie Erdgas erhält und ins Erdgasnetz eingespeist werden kann. Es kann zu 100 Prozent oder in jedem Mischungsverhältnis mit Erdgas zur Verstromung, im Wärmemarkt oder als Kraftstoff ein-

gesetzt werden. Bio-Erdgas kann in der Stromerzeugung regelbar eingesetzt werden und steht aus Vergärungsanlagen ganzjährig zur Verfügung. Bio-Erdgas ist erneuerbar, hat eine sehr gute Ökobilanz und kann – analog zu Erdgas – in die bestehende, gut ausgebaute Erdgasinfrastruktur eingespeist, gespeichert und genutzt werden. Der Beitrag von (Roh-)Biogas aus ca. 7.780 Anlagen mit Direktverstromung vor Ort sowie aufbereitetem Bio-Erdgas an der Stromerzeugung stieg 2014 auf 29 TWh. Das

Gibt es Alternativen zu Mais?

Jährlicher Biogasertrag

Viele Biogaserzeuger setzen inzwischen neuartige Energiepflanzen ein, zum Beispiel die Durchwachsene Silphie, eine mehrjährige Pflanze, die eine hohe 1 ha Silomais

3.956–5.934

Biogasausbeute garantiert und dem Boden weniger Feuchtigkeit entzieht. Die Marktdurchdringung neuer Getreide- und Pflanzensorten benötigt allerdings

3.523–4.803

1 ha Zuckerrüben

häufig mehrere Jahre. Darüber hinaus werden in Feldversuchen verschiedene Pflanzenbausysteme gegenübergestellt und neue Energiepflanzen mit

1 ha Getreide 2.884–4.807 (Ganzpflanzensilage)

Schwerpunkt auf Wildpflanzenmischungen zu Forschungs- und Demonstrationszwecken angebaut.

1 ha Silphie

2.871–3.828

2.001–3.808

1 ha Grünland

1 ha Wildpflanzen

1.978–2.967

289

Gülle einer Milchkuh

0

2.000

4.000

6.000

Methan in m3 Quelle: BDEW

30

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


entspricht 5,0 Prozent am Bruttostromverbrauch und ist somit nahezu so hoch wie der Anteil der Photovoltaik. In der Wärmebereitstellung lieferten Biogas und Bio-Erdgas 2014 rd. 14 TWh. Die rund 100.000 Erdgasfahrzeuge in Deutschland können bereits an jeder dritten Erdgastankstelle Bio-Erdgas als Beimischung und an 168 der 921 Erdgastankstellen 100-prozentiges Bio-Erdgas tanken. 2014 wurden rund 0,55 TWh Bio-Erdgas als Kraftstoff eingesetzt. Biogas und Bio-Erdgas haben einen Anteil von rund 3 Prozent am deutschen Primärenergieverbrauch und 2014 über 16 Mio. Tonnen CO2 vermieden. Biogas auf dem Bauernhof Die Schwelle für eine rentable Biogasanlage liegt in landwirtschaftlichen Betrieben bei einer Größenordnung von etwa 70 bis 100 Großvieheinheiten. In Deutschland fällt die Nutzenergie aufgrund der klimatischen Bedingungen antizyklisch zum Bedarf an: Im Winter, bei hohem Heizwärmebedarf, ist auch der Eigenbedarf der Anlagen zum

Beheizen des Faulbehälters, der auf 35 °C gehalten werden muss, sehr hoch. Im Sommer, bei günstigen Bedingungen, überschreitet die erzeugte Biogasmenge den Eigenbedarf. Das Gas kann gespeichert oder für die Stromerzeugung genutzt werden.

6.2 Grundlagen der Energiegewinnung Durch Vergärung der Biomasse entsteht Biogas. Allerdings hat Biogas – unter anderem wegen seiner ganz unterschiedlichen Rohstoffquellen – eine stark schwankende Zusammensetzung. Es kann nicht einfach in jeder gängigen Heizung verbrannt oder beliebig mit Erdgas vermischt werden. Eine Aufbereitung in speziellen Anlagen ist nötig, damit das Biogas ein Qualitätsniveau erreicht, das eine Einspeisung ins Erdgasnetz erlaubt. Laut einer Studie könnten im Jahr 2030 etwa 10 Prozent des deutschen Erdgases durch solches „Bio-Erdgas“ ersetzt werden.

Anzahl der Anlagen / eingespeiste Menge (Mio. m3) / Einspeisekapazität (Mio. m3)

Bio-Erdgas: Erneuerbar, speicherbar, flexibel einsetzbar

900

Entwicklung der Einspeisekapazität und der eingespeisten Menge von Bio-Erdgas ins Erdgasnetz

800

2014 speisten ca. 150 Bio-Erdgas-Einspeiseanlagen mit einer Kapazität von rund 100.000 Nm3 / h Bio-Erdgas ins Erdgasnetz ein. Das entspricht mit einer jährlichen Kapazität von rund 9 TWh etwa 1 Prozent des deutschen Erdgasverbrauches. Von Bio-Erdgas spricht man, wenn (Roh-)Biogas nach der Aufbereitung die gleichen Eigenschaften wie Erdgas erhält. Es kann zu 100 Prozent oder in jedem Mischungsverhältnis mit Erdgas zur Verstromung, im Wärmemarkt oder als Kraftstoff eingesetzt werden.

700

600

820

665

630

580 520

500

449

Anzahl der Anlagen Eingespeiste Menge (Mio. m3) Einspeisekapazität (Mio. m3 / Jahr)

400

413

300

269 200

158

0

179 108

93

100

2

8

2006

5 11

13 38 10

2007

2008

30 2009

275

144

150

77 44 2010

2011

2012

2013

2014

Quelle: Deutsche Energieagentur, Bundesnetzagentur, BDEW (eigene Berechnung)

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

31

6


7

Sonne

Versuchskraftwerk Forschungszentrum Jülich: Das Sonnenlicht wird über Spiegel auf die Spitze des Solarturms reflektiert.

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01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


7

7.1 Solarthermische Wärmenutzung Solare Wärmeenergie kann zur Warmwasserbereitung, zur Raumheizung oder als Prozesswärme Verwendung finden sowie über eine Dampfturbine auch zur Stromerzeugung. Zum Einsatz kommen hierfür Flach- bzw. konzentrierende Kollektoren. Die Internationale Energieagentur (IEA) belegt den weltweiten Vormarsch der solarthermischen Wärmenutzung. Der Bericht der IEA aus dem Jahr 2013 basiert auf den Daten aus 56 Ländern, in denen zwei Drittel der Weltbevölkerung leben und die etwa 95 Prozent des solarthermischen Weltmarktes abdecken. Im Jahr 2011

Netzunabhängige Solarstromversorgung auf einem Segelboot.

Die netzgekoppelte Anlage

Solarmodule

Gleichstromleitung Wechselrichter zur Netzeinspeisung

Verbraucher

Verbraucher Wechselstromleitung VerbraucherStromkreis

Öffentliches Netz Stromverteiler und -zähler

Hausanschlusskasten zum öffentlichen Netz

Quelle: www.solarmeile-hildesheim.de

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

33


7

Aufbau einer Solarzelle

Sonne

Negative Elektrode

Negativ dotiertes Silizium Grenzschicht Verbraucher

Positiv dotiertes Silizium

Positive Elektrode

lag die Kapazität der installierten Kollektoren bei 234,6 GWth (th für thermisch) bei einer Kollektorfläche von 335,1 km², etwas mehr als die Fläche der Stadt München von 310 km², wobei China flächenmäßig Weltmeister in Solarthermie ist.

die bessere Isolation keine Wärme über das Medium Luft verloren gehen kann. Mit Vakuum-Röhren-Kollektoren sind bis zu 230 °C und unter Ausnutzung aller sonstigen technischen Möglichkeiten sogar 300 °C möglich.

Kollektoren Die einfallende Sonne trifft auf einen Kollektor, dessen Rückfläche geschwärzt ist. Die absorbierten Sonnenstrahlen werden in Wärme umgewandelt. Der Kollektor enthält einen Absorber, zum Beispiel ein Rohr oder eine Platte aus Metall oder Kunststoff, innerhalb eines wärmegedämmten Kastens. Dieser Kasten ist mit einer transparenten Abdeckung aus Glas oder Kunststoff versehen. Abgeleitet wird die gesammelte Wärme über ein Röhrensystem. Darin zirkuliert eine Flüssigkeit als Wärmeträger, angetrieben durch eine zentrale Pumpe. In Mitteleuropa kommt aufgrund des hohen diffusen Strahlungsanteils für die direkte Umwandlung der Sonnenenergie in Wärme in erster Linie der Flachkollektor in Frage, der Temperaturbereiche bis 150 °C abdeckt. Seine Einsatzgebiete sind die Warmwasserversorgung, die Erwärmung von Schwimmbädern und je nach Jahreszeit ganz oder zum Teil eine Beteiligung an der Raumheizung. In besonderen Fällen ist auch eine Nutzung als Prozesswärme möglich. Höhere Wirkungsgrade erreichen die kostenaufwendigeren Vakuum-Röhren-Kollektoren, bei denen sich der selektiv beschichtete Absorber in einer luftleeren Glasröhre befindet und durch

7.2 Photovoltaik

34

7.2.1 FUNKTIONSWEISE

Bei der Photovoltaik wird die Strahlungsenergie direkt in elektrische Energie umgewandelt. Das griechische „photo“ steht für Licht. „Voltaik“ ist vom Namen des italienischen Physikers Alessandro Volta abgeleitet. Eine Solarzelle besteht aus zwei unterschiedlichen Siliziumschichten: Eine negativ leitende Schicht ist z. B. mit Phosphor versetzt und besitzt ihre Leitfähigkeit überwiegend aufgrund frei beweglicher Elektronen. Die andere, positiv leitende Schicht ist z. B. mit Bor versetzt und besitzt ihre Leitfähigkeit überwiegend aufgrund frei beweglicher „Löcher“. Löcher sind Elektronenfehlstellen, die als positiv geladene Ladungsträger anzusehen sind. Aufgrund dieser Struktur besitzen Solarzellen an der Grenze beider Schichten ein elektrisches Feld. Bei Lichteinfall auf die Solarzelle werden die genannten Bindungselektronen freigesetzt. Das heißt, es werden Elektronen-Loch-Paare erzeugt, die durch das elektrische Feld zwischen n- und p-Schicht voneinander getrennt werden: Die Elektronen sammeln sich in

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


der negativ leitfähigen, die „Löcher“ in der positiv leitfähigen Schicht. An den Anschlusskontakten einer Solarzelle entsteht ein Mangel oder ein Überschuss an Elektronen, wodurch eine elektrische Gleichspannung entsteht. Die Solarzelle stellt damit sozusagen ein elektrisches Mini-Kraftwerk dar. Heute bestehen Solarzellen meist aus Silizium, dem mit rund 26 Prozent zweithäufigsten Element der Erdrinde. Silizium-Zellen werden aus mono-, aber auch multikristallinem und dünnschichtigem Silizium hergestellt. 7.2.2 BEDEUTUNG

Rund 38 TWh Strom wurden 2015 in Deutschland von 1,4 Millionen Photovoltaikanlagen erzeugt. Das waren 5,9 Prozent Anteil an der Stromerzeugung. Die Photovoltaik hat in den letzten Jahren ein besonders rasantes Wachstum entwickelt. Zum einen

aufgrund der staatlichen Förderung, zum anderen sind die Anlagen einfach in der Handhabung und können auch von Privatleuten betrieben werden. Die Technik hat massive Fortschritte gemacht, was eine immer kostengünstigere Produktion ermöglicht.

7

1,4 Mio. Anlagen

erzeugten 2015 in Deutschland

38 TWh Strom

Rund 120 Schafe sind in einem Solarkraftwerk der Stadtwerke Trier als „natürlicher Rasenmäher“ im Einsatz. Sie sorgen dafür, dass die Wiese unter den rund 112.000 Solarmodulen nicht zu hoch wächst.

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

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7

Das solarthermische Parabolrinnenkraftwerk „Andasol 1“ produziert in der Nähe der spanischen Stadt Granada Strom für 200.000 Menschen.

7.3 Solarthermische Kraftwerke

36

7.3.1 FUNKTIONSWEISE

7.3.2 SOLARTURMKRAFTWERKE

Solarkraftwerke bündeln über Parabolspiegel Sonnenstrahlen, um mit der dabei entstehenden Wärme aus Dampf Strom zu erzeugen. Bei Solaranlagen ist eine größere Anzahl von Rinnenkollektoren oder Brennspiegeln (Parabolspiegel) so zusammengestellt, dass der erhitzte Wärmeträger in einem zentralen Wärmetauscher Dampf zum Antrieb einer Turbine mit Generator oder Prozesswärme abgibt. Entsprechend der erzielbaren Strahlungskonzentration erreicht man mit Rinnenkollektoren eine Arbeitstemperatur von etwa 300 bis 400 °C, mit Parabolspiegeln über 1.000 °C. Durch Salzwasserspeicher lässt sich die am Tag erzeugte Wärme auch in der Nacht nutzen.

Solarturmkraftwerke sind technische Anlagen, die in industriellem Maßstab aus Solarenergie primäre Wärmeenergie erzeugen. Diese Wärmeenergie wird anschließend meist in elektrische Energie umgewandelt. Ein Solarturmkraftwerk nimmt die Direkteinstrahlung der Sonne über Reflektoren auf, die diese Strahlung dann in einem Brennpunkt, dem Receiver oder Absorber, fokussieren. Der Absorber wird entweder mit Wasser, flüssigem Natrium oder Luft gekühlt. So kann man Temperaturen von bis zu 1.200 °C erreichen. Damit die Heliostaten (selbstausrichtende Spiegel) das Sonnenlicht ungehindert zum Absorber reflektieren können, platziert man diesen auf einem Turm. Die Heliostaten müssen genau auf den Brennpunkt ausgerichtet bleiben. Sie sind in der Horizontal- und Vertikalachse

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


schwenkbar und können der Sonne nachgeführt werden. Demonstrationsanlagen wurden u. a. in Spanien, Japan, Frankreich, Italien, Russland, den USA und in Jülich in Deutschland errichtet. Die größte Anlage dieser Art bei Barstow in Kalifornien erbrachte über ein Jahrzehnt lang eine elektrische Leistung von bis zu zehn MW.

7.4 Nutzung und Potenzial Solarenergie ist nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich. Die gesamte Strahlungsleistung der Sonne,

die pro Quadratmeter auf die Erdatmosphäre trifft, wird durch die Solarkonstante (1.367 W / m²) beschrieben. Sie beträgt im Mittel am Äquator: E = 800 W / m². In Deutschland hat die eingestrahlte Sonnenenergie bei völlig wolkenlosem Himmel – je nach Standort – eine solare Leistung (P) von 700 bis 1.000 Watt (W) pro Quadratmeter (m²). In der Sahara kann diese Leistung bis zu 2.500 W / m² betragen. Obwohl die Erde nur einen winzigen Teil der Energiemenge der 150 Mio. km entfernten Sonne auffängt, würde allein die auf Deutschland auftreffende Sonnenenergie ausreichen, um den hiesigen Energiebedarf etwa 80-mal zu decken.

7

in Mio. Kilowattstunden, einschließlich Selbstverbrauch**

Stromerzeugung aus Photovoltaikanlagen

6.000 Jahresproduktion 2013: 31.010 kWh, 2014: 36.056 kWh 2015*: 38.432 kWh

5.000

2014 2015 Durchschnitt 2010 – 2014

4.000

3.000

2.000

1.000

0 Jan

Feb

Mrz

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Die Zuwächse bei der Stromerzeugung aus Photovoltaik wurden 2014 vor allem in den überdurchschnittlichen Monaten Februar bis Mai erzielt. Die Erzeugung in den Sommermonaten lag in etwa auf dem Vorjahresniveau.

Quelle: ZSW, BDEW; Stand 01 / 2016

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

* vorläufig ** vergüteter und nicht-vergüteter Selbstverbrauch

37


8

Wasserkraft

Hydraulische Absperrschaufel einer Wehrรถffnung im Wasserkraftwerk.

38

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


8.1 Funktionsweise Voraussetzungen für die Nutzung der Wasserkraft sind genügend Wasser und eine ausreichende Fallhöhe. Durch das Gefälle können dann mit der Fließgeschwindigkeit eine oder mehrere Wasserturbinen betrieben werden. Viele Kraftwerke sind auch dort entstanden, wo zum Hochwasserschutz, zur Schaffung ausreichender Wassertiefe für die Schifffahrt oder für die Trinkwasserversorgung Stauanlagen errichtet wurden. Der Wirkungsgrad liegt bei modernen Wasserkraftanlagen bei über 90 Prozent. Die Investitionskosten sind abhängig von geologischen und topografischen Gegebenheiten des Standortes, aber höher als bei fossil befeuerten Wärmekraftwerken. Dafür sind die Betriebs-, Wartungs- und Instandhaltungskosten gering. Laufwasserkraftwerke sind durch eine geringe Fallhöhe des Wassers und durch einen stetigen Wasserdurchsatz – entsprechend dem Abflussverhalten der Gewässer – gekennzeichnet. Bei diesem Kraftwerkstyp werden heutzutage in der Regel Kaplanturbinen eingesetzt. Aufgrund des relativ stetigen Wasserangebots eignen sich Laufwasserkraftwerke für den Betrieb rund um die Uhr.

8 Pumpspeicherkraftwerke nutzen Strom, um Wasser von einem niedrigeren Becken in das höher gelegene Speicherbecken zu pumpen. Dieser Wasservorrat ist geeignet, um sehr kurzfristig über eine Turbine Strom zu erzeugen. Auf diese Weise können kurzfristige Spitzen beim Stromverbrauch ausgeglichen werden. In Zeiten schwacher Stromnachfrage wird das Wasser aus dem Unterbecken wieder in das Oberbecken zurückgepumpt und steht erneut zur Verfügung. Das Kernstück von Speicherwasserkraftwerken sind Staubecken oder -mauern bzw. Talsperren, die ein Gewässer aufstauen und anschließend die so gebündelte Energie des Wassers nutzen. Bei steigendem Strombedarf wird dann mehr Wasser aus dem Speicherbecken entnommen, als momentan zufließt. Die Talsperren dienen darüber hinaus zum Teil der Hochwasserrückhaltung, der Regulierung des Abflusses, zur Sicherung der Schifffahrt und der Speicherung für Trinkwasser- und Bewässerungszwecke. Für die Errichtung dieser Kraftwerksart eignen sich hoch gelegene Seen mit einem natürlichen Wasserzulauf und Talsperren unter Einsatz der Francis- oder meistens Peltonturbine.

Laufwasserkraftwerk

Laufwasserkraftwerke nutzen den Höhenunterschied zwischen Oberwasser und Unterwasser zur Stromerzeugung. Um eine Kilowattstunde Strom zu erzeugen, müssen circa 400.000 l Wasser einen Meter in die Tiefe fallen.

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

39


8

Pumpspeicherkraftwerk

Speicher

Staumauer Wasserschloss

Schieberkammer

Schieberkammer

Druckschacht Kraftwerk

Generator

Wasserschloss

Erddamm

Speicher

Druckstollen

Turbine

Schieberkammer Pumpe

TURBINENARTEN

↘ Kaplanturbine: Das Laufrad einer Turbine gleicht einem Schiffspropeller. Der eintretende Wasserstrom wird von einem Leitwerk gelenkt, so dass er parallel zur senkrechten Welle auf drei bis sechs verdrehbare Schaufeln des Laufrades trifft. Die Flügel des Turbinenlaufrads sind verstellbar. Dadurch kann die Turbinenleistung an das Flusswasserangebot angepasst werden. Die Kaplanturbine wird bei einer Fallhöhe von drei bis achtzig Meter und relativ großen Wasserdurchflussmengen eingesetzt (Laufwasserkraftwerke). Für den Einsatz in Laufwasser-

kraftwerken entwickelte der Schweizer Arno Fischer die Rohrturbine, eine horizontale Anordnung der Kaplanturbine. Hier bilden Generator und Turbine, angeordnet in einem geschlossenen Stahlgehäuse, eine Platz sparende Einheit. Bei geringen Fallhöhen von zwei bis zehn Meter können Leistungen bis zu 80 MW erreicht werden. ↘ Francisturbine: Bei der Francisturbine wird das Wasser durch ein feststehendes „Leitrad“ mit verstellbaren Schaufeln auf die gegenläufig gekrümmten Schaufeln des Laufrads gelenkt. Da das Wasser vor dem Eintritt in die Turbine unter höherem Druck steht als nach dem

Turbinenarten

Kaplanturbine

40

Francisturbine

Peltonturbine

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


Austritt, spricht man auch von einer Überdruckturbine. Dieser Turbinentyp wird in Laufwasserkraftwerken, vor allem aber in Speicher- und Pumpspeicherwerken bei Fallhöhen bis 700 m eingesetzt. ↘ Peltonturbine: Bei dieser Turbine trifft das Wasser aus der Düse tangential auf das mit bis zu 40 Bechern bestückte Laufrad. Mit dieser Turbinenart können Fallhöhen zwischen 100 m und 2.000 m genutzt werden. Sie ist typisch für Speicherwasser-Kraftwerke im Hochgebirge.

8.2 Bedeutung und Standorte Die Nutzung der Wasserkraft zur elektrischen Energiegewinnung ist die älteste Form der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen. Diese Nutzung erfolgt in Deutschland weitestgehend in Laufwasserkraftwerken, die die Strömungsenergie der Flüsse in Strom umwandeln. In den gebirgsreichen Regionen Europas erfolgt die Wasserkraftnutzung durch Speicherkraftwerke. Im Jahr 2014 leistete die Wasserkraft den drittgrößten Beitrag unter den erneuerbaren Energieträgern von 20 TWh oder 3 Prozent der Stromerzeugung.

Anfang 2014 waren über 6.700 Anlagen mit einer Leistung von 4.000 MW in Betrieb. Weltweit erbringt die Wasserkraft rund 16 Prozent der Stromerzeugung. In Europa gibt es besonders günstige Bedingungen in Norwegen, wo 98 Prozent der landesweiten Erzeugung aus Wasserkraftwerken stammt.

8.3 Potenzial Das jährliche theoretische Potenzial der Wasserkraft, also die potenzielle Energie aller Gewässer, wird mit weltweit circa 44.000 TWh (5 TW · 8.760 h) pro Jahr angegeben. Das weltweite technische Potenzial für Wasserkraftwerke beträgt rund 15.000 TWh. Zum Vergleich: Alle Staaten der EU verbrauchen zusammen 3 TWh im Jahr. Für die Wasserkraft sind geografische Faktoren wie Höhendifferenz und Abflussmenge entscheidend. Die meisten Wasserkraftwerke in Deutschland nutzen daher die Seen und Flüsse der Gebirge in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Ein Großteil der günstigen Standorte ist bereits bebaut. Durch Modernisierung oder den Bau vereinzelter Anlagen könnten aber bis 2020 weitere rund drei Milliarden Kilowattstunden Wasserkraftstrom gewonnen werden.

Stromerzeugung aus Wasserkraftanlagen Jahresproduktion 2013: 22.998 Mio. kWh, 2014: 19.587 Mio. kWh 2015*: 19.320 Mio. kWh brutto, in Mio. Kilowattstunden

2014

2015*

Durchschnitt 2005– 2014

2.500

2.000

1.500

1.000

500

0 Jan

Feb

Mrz

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Ø

Aus der in Deutschland installierten Leistung von 4,7 Mio. kW und der in Deutschland erzeugten Energie von 21.600 Mio. kWh errechnen sich 4.600 Volllaststunden. Übers Jahr ergibt sich ein Nutzungsgrad von 52 Prozent. Quelle: BDEW, Stand 01 / 2016

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN

* vorläufig, teilweise geschätzt

41

8


9

Geothermie

Erdwärme ist die im Erdinneren gespeicherte Wärme. 99 Prozent des Erdballs sind heißer als 1.000 °C. Im Erdkern werden Temperaturen von bis über 5.000 °C angenommen. Nur gerade ein Tausendstel der Erdmasse, nämlich die obersten 3 Kilometer, sind kühler als 100 °C. In der Erdkruste, die unter Kontinenten durchschnittlich 30 Kilometer dick ist, nimmt die Temperatur von außen nach innen pro 100 Meter um etwa 3 Grad zu. Von der Oberfläche strahlt Erdwärme mit einem mittleren Wärmestrom von 0,065 Watt pro Quadratmeter in den Weltraum ab.

9.1 Funktionsweise Geothermieanlagen nutzen heißes Wasser oder Dampf als Wärmeträger. Thermalwasserfelder liefern warmes Wasser mit Temperaturen unter 100 °C, das in Form von warmen Quellen entweder an die Oberfläche tritt oder mittels spezieller Pumpen gefördert werden kann. Thermalwasserfelder lassen sich für Heilbäder, aber auch zum Heizen nutzen. Heißdampffelder liefern trockenen, häufig überhitzten Dampf, dessen Dampftemperaturen zwischen 125 und 245 °C liegen. Dampf mit einem Druck von mehr als 4 bar und einer Temperatur ab 170 °C eignet sich zur Stromerzeugung. Bei der Hot-Dry-Rock-Technik wird die Wärme von Gesteinsschichten genutzt. Sie ist also von unterirdischen Wasser- oder Dampfvorkommen unabhängig.

wird ebenfalls mit Wärmepumpen die Wärme entzogen und zum Heizen gebraucht. Das abgekühlte Wasser wird mit einer weiteren Bohrung in den Grundwasserleiter zurückgeführt. ↘ Petrothermale Geothermie: In einer Tiefe von 4 bis 6 Kilometern herrschen Temperaturen von 150 bis über 200 Grad Celsius. Mit Tiefbohrungen wird kaltes Wasser in das Gestein gepresst. Weitere Bohrungen nehmen das durch künstlich erweiterte Klüfte gepresste Wasser wieder auf und fördern es an die Oberfläche. Auf diesem Temperaturniveau kann über einen Wärmetauscher und einen Sekundärkreislauf Strom produziert werden. Das abgekühlte Wasser wird im geschlossenen Kreislauf wiederum ins heiße Reservoir eingepresst.

9.2 Bedeutung und Standorte In Deutschland wird an zehn Geothermiestandorten Strom erzeugt. Das theoretisch mögliche, technische Gesamtpotenzial zur geothermischen Stromerzeugung in Deutschland liegt bei etwa 300.000 TWh, was etwa dem 600-Fachen des

Gebiete für hydrothermale Nutzung in Deutschland

ES GIBT GRUNDSÄTZLICH DREI VERSCHIEDENE METHODEN, MIT DENEN ERDWÄRME GEWONNEN WERDEN KANN:

Hamburg 1

↘ Erdwärmesonden: Erdwärmesonden sind geschlossene Rohrsysteme, die in Pfählen von einigen Metern oder Bohrungen bis zu einigen hundert Metern Tiefe in den Boden eingebracht werden. Das zirkulierende Wasser entzieht dem umgebenden Boden Wärme. Mit einer Wärmepumpe wird die Wärme dem Sondenkreislauf entzogen, auf ein höheres Temperaturniveau gebracht und zur Beheizung von Gebäuden gebraucht.

Gebiete mit 60 °C Aquifertemperatur Gebiete mit 100 °C Aquifertemperatur

Berlin

Köln Frankfurt 2

1 Norddeutsches Becken 2 Oberrheingraben 3 Molassebecken

München 3

↘ Wärmeentzug aus Thermalwasser: Unter günstigen geologischen Situationen können warme Tiefengrundwässer mit Bohrungen angezapft werden. Dem Wasser

42

01 | ERNEUERBARE ENERGIEN


Die drei Möglichkeiten der geothermischen Energiegewinnung

0 km

Petrothermale Systeme

Erdwärmesonde

10 °C Hydrothermale Systeme

2 km

100 °C 4 km Wärmeträgermedium zirkuliert innerhalb einer Bohrung

vorhandene Thermalwasser zirkulieren zwischen Bohrungen über natürliche Grundwasserleiter

6 km

Dieser Wert ist an Stellen geothermischer Anomalien – wo die Erdkruste viel dünner ist – bis zum Vierfachen höher. Dort bietet sich Erdwärmenutzung an. Grundlegend ist zwischen der so genannten oberflächennahen (Bohrungen bis circa 200 m Tiefe) und der tiefen Geothermie (Bohrungen bis mehrere Kilometer Tiefe) zu unterscheiden. In Deutschland könnte durch Zubau neuer Anlagen die Geothemie im Jahr 2020 rund 3,8 Mrd. kWh Strom erzeugen. Je nach Verfahren und Tiefe der Bohrung sind die Potenziale unterschiedlich. Jedoch selbst das Potenzial der kleinsten Ressource der hydrothermalen Geothermie entspricht noch ungefähr dem Fünffachen des deutschen Jahresstrombedarfs.

200 °C Eingebrachter Wärmeträger zirkuliert über natürliche / erzeugte Risse / Klüfte im „trockenen” Untergrund

Erdbebengefahr durch Geothermie?

Bei tiefen Bohrungen besteht die Gefahr, dass Erdbeben ausgelöst werden. In der Geother-

deutschen Jahresstrombedarfs entspricht. Darüber hinaus nutzen etwa 19 Orte in Deutschland derzeit Erdwärme, vorwiegend für Heilbäder und als Brauchwasser, zunehmend auch für die Beheizung von Gebäuden und Gewächshäusern. Die gegenwärtig installierte elektrische Leistung beträgt rund 32,19 MW, die installierte Wärmeleistung ca. 270 MW. Circa 40 Anlagen sind im Bau oder in der Planung. Weltweit waren 2015 zur direkten Nutzung von Geothermie Anlagen mit einer Leistung von rund 70 GW installiert. Zusammen haben sie mehr als 121.000 GWh thermische Energie geliefert. Die wichtigsten Länder sind: China, USA, Schweden und die Türkei.

9.3 Potenzial Die Temperatur im Inneren der Erde liegt nach heutigen Schätzungen zwischen 3.000 und 5.000 °C. An-

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gegeben wird das geothermische Energie-Potenzial mit 10 bis 12 · 1.030 Joule. Anschaulich wird diese Zahl durch folgendes Beispiel: 1 km3 heißes Gestein mit einer Temperatur von 200 °C könnte bei einer Abkühlung um 100 °C rund 10 MW elektrische Leistung über die Dauer von 30 Jahren liefern. Zusätzlich entsteht in der Erdkruste Wärme durch den Zerfall natürlicher radioaktiver Isotope. Aus dem Temperaturgefälle zwischen Erdoberfläche und Kern resultiert ein permanenter Wärmefluss. Seine mittlere Intensität liegt aufgrund der relativ schlechten Wärmeleitfähigkeit von Gestein aber nur bei rund 0,06 bis 0,07 W / m3. Im Bereich der Erdkruste stammt dieser Wärmestrom zu rund 30 Prozent aus der Speicherwärme des Erdinneren und zu 70 Prozent aus der radioaktiven Zerfallswärme. Infolge des Wärmestroms steigt die Temperatur in der oberen Erdkruste um durchschnittlich circa 30 °C pro Kilometer Tiefe.

mie entstehen Bodenbewegungen in der Regel durch Erhöhung des Flüssigkeitsdrucks. Dieser verringert die Reibung in natürlichen Rissen – ähnlich einem Schmiermittel –, wodurch sich Spannungen im Untergrund lösen können. Die daraus resultierenden

seismischen

Ereig-

nisse liegen in der Regel in zwei bis fünf Kilometer Tiefe, haben meist eine sehr geringe Magnitude und lösen selten Schäden aus. In Ausnahmefällen, wie bei einem Geothermieprojekt in Basel, traten Erschütterungen oberhalb der menschlichen Spürbarkeitsgrenze auf. Schäden sind auch bei diesen stärkeren Erschütterungen eher selten und zeigen sich insbesondere unter ungünstigen Bedingungen (z. B. Bauzustand der Häuser) durch Putzrisse.

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Meeresenergie

10.1 Bedeutung und Standorte Drei Viertel unseres Planeten sind von Ozeanen und Meeren bedeckt. Folglich ist Meeresenergie eine der erneuerbaren Energiequellen, die ein grundsätzliches hohes Potenzial versprechen. Diese Energie kommt von Wellen, Gezeiten und Meeresströmungen sowie von den Unterschieden bei Salzgehalt und Temperatur. Die Nutzung der Meeresenergie befindet sich weltweit noch im Anfangsstadium. Einzelne Pilotanlagen sind in Betrieb.

10.2 Gezeitenanlagen Gezeitenanlagen nutzen den natürlichen Wechsel von Ebbe und Flut der Tidengewässer, um Strom zu erzeugen. Die Gezeiten können – in abgesperrten Buchten vor allem längs von Flussmündungen – bei ausreichend großem Unterschied des Wasserspiegels zwischen Ebbe und Flut (Tidenhub) genutzt werden. Die Energie des im Wechsel einund ausströmenden Wassers wird ähnlich wie bei einem Flusswasserkraftwerk über Turbine und Generator in Strom umgesetzt. Ebenso können Meeresströmungen direkt an aufgeständerte Turbinen mit angeschlossenem Generator ihre Bewegungsenergie abgeben. Die technische Umsetzung ist vergleichbar mit der von Windkraftanlagen.

Gezeitenkraftwerk – Schema Generator Ebbe Damm

Staubecken Turbine

Flut

Damm

Staubecken

10.3 Wellen kraftwerke Die Wellenbewegung vom Wasser in Ozeanen, Seen und Flussläufen, die Gezeitenströmungen, Sturmfluten und Flutwellen verdeutlichen die großen Energien bewegten Wassers. In Schottland ist an der Westküste der Insel Islay seit 2001 ein Wellenkraftwerk in Betrieb. Die Anlage besteht aus einer Kollektorkammer, die auf Meeresspiegelniveau in die Uferzone eingelassen wird, und einem Generator zur Stromerzeugung. Im Kollektor wird die Luft

Wellenkraftwerk – Schema

Windturbine

Generator

Strömungskraftwerke

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Wellenkraftwerk

durch das Auf und Ab der Wellen in einer Röhre hinaufgedrückt oder hinuntergesaugt. Dieser Luftstrom treibt die so genannte Wells-Turbine an, die sich aufgrund ihrer speziellen Konstruktion immer in die gleiche Richtung dreht. Dadurch entsteht im Auslass zum Generator ein schneller Luftstrom, der eine pneumatische Turbine antreibt.

10.4 Osmosekraftwerke Auch aus dem Salzwasser des Meeres lässt sich Energie gewinnen. Eine Pilotanlage eines Osmosekraftwerks wird in Norwegen betrieben. Dabei wird Salz- und Süßwasser genutzt, um mit osmotischem Druck Energie zu gewinnen. Die Anlage in Tofte am südwestlichen Ausgang des Oslofjordes lässt Süßwasser durch eine semipermeable Membran strömen, um Salzwasser auf der anderen Seite zu verdünnen. Dabei entsteht im Salzwasser ein Überdruck, der eine Turbine antreibt und so Strom erzeugt. Die größte Herausforderung liegt in der Konstruktion der Membran: Sie muss genügend Wasser passieren lassen und einen möglichst hohen

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Druck aufbauen. Die Trennschichten sollen 3,5 W pro Quadratmeter liefern. Das Versuchskraftwerk ist für eine Leistung von 2.000 bis 4.000 W ausgelegt. Damit lässt sich etwa eine Herdplatte heizen.

10.5 Potenzial Das globale Potenzial der Ozeane ist sehr hoch. Neben Tidenhub und dem Energiegehalt der Wellen können auch Meeresströmungen für die elektrische Energiegewinnung genutzt werden. Als beispielhaft für international angelegte Forschungsvorhaben gilt das britischdeutsche Projekt SEAFLOW. In diesem Vorhaben werden mit einer an die Meeresverhältnisse angepassten Windtechnologie die durch Gezeiten verursachten Meeresströmungen vor der Küste Cornwalls zur Stromerzeugung genutzt. Das Bundesumweltministerium fördert Forschung und Entwicklung dieser innovativen Technik seitens der deutschen Projektpartner. SEAFLOW funktioniert im Prinzip wie eine Windenergieanlage, nur bewegt sich der Rotor unter der Wasseroberfläche. An der Meeresoberfläche befindet sich eine kleine Plattform, auf der sich Wartungsarbeiter aufhalten können, und ein Computer, der Daten

über den Rotor sammelt. Auf der Höhe der Meeresströmung befindet sich ein 11 Meter durchmessender zweiflügliger Rotor, der sich mit circa 15 Umdrehungen pro Minute dreht – angetrieben von der Meeresströmung. Ein Generator wandelt wie bei einem Windrad die Strömungsenergie in Elektrizität um. Der Prototyp besitzt eine Nennleistung von 300 kW. Der Turm, an dem der Rotor angebracht ist, ist knapp 50 m hoch, bei einem Durchmesser von 2,5 m. Er wurde 15 m tief in den Meeresboden getrieben. Durch den Tidenhub beträgt die Höhe über dem Wasserspiegel etwa 5 bis 10 m. Die Rotorblätter sind um 180° verstellbar, um die entgegengesetzten Meeresströmungen von Ebbe und Flut nutzen zu können. Der Prototyp hat keinen Netzanschluss. Zur Wartung des Rotors kann dieser hydraulisch am Turm nach oben bis über den Wasserspiegel gefahren werden. MeyGen Im Dezember 2014 wurde der Baubeginn des Projektes MeyGen im Pentland Firth vor der schottischen Küste bekannt gegeben. Dort sollen insgesamt 269 Turbinen mit einer Gesamtleistung von knapp 400 MW installiert werden. Das Regelarbeitsvermögen soll dem Stromverbrauch von ca. 175.000 Haushalten entsprechen. Der erste Strom soll im Jahr 2016 geliefert werden. Nach Betreiberangaben handelt es sich um die größte geplante derartige Anlage. Allein in Europa gibt es über hundert mögliche Standorte. Es wurden bisher aber nur wenige Meeresströmungskraftwerke realisiert.

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Ausblick

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist in den vergangenen Jahren rasant fortgeschritten. Fast ein Drittel des deutschen Strombedarfs wird heute bereits durch Erneuerbare Energien gedeckt. Dennoch befinden wir uns insgesamt noch am Beginn der Energiewende. Mit steigendem Anteil Erneuerbarer Energien wachsen auch die Herausforderungen, die es dringend zu bewältigen gilt.

Nach einer ersten Phase der Energiewende, in der die Einführung neuer Technologien im Vordergrund stand, geht es jetzt vor allem darum, die System- und Marktintegration der Erneuerbaren Energien weiter voranzubringen. Die vorliegende Broschüre hat gezeigt, dass sowohl der Netzausbau als auch der Ausbau von Speichertechnologien einen wesentlichen Beitrag zur Integration der fluktuierenden Erneuerbaren Energien leisten können. Daher muss der Ausbau in diesen Bereichen zügig vorangetrieben werden. Auch wenn sich durch die Einführung der verpflichtenden Direktvermarktung im Bereich der Marktintegration der Erneuerbaren Energien in den Strommarkt bereits einiges getan hat, müssen auch hier weitere Modelle entwickelt werden, die dazu führen, dass das Preissignal an der Strombörse einen größeren Einfluss auf die Stromeinspeisung Erneuerbarer Energien hat. In diesen Kontext gehört auch die Frage, wie wir künftig mit dem wahrscheinlich immer häufiger auftretenden Phänomen der „negativen Strompreise“ umgehen. Denn immer dann, wenn es dazu kommt, dass witterungsbedingt so viel PV- und Windstrom produziert wird, dass es einen Überschuss beim Stromangebot gibt, sinkt der Strompreis an der Strombörse oder wird unter Umständen sogar negativ. Letzteres bedeutet, dass derjenige, der Strom an der Börse anbietet, für die Abnahme bezahlen muss.

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Eine weitere Herausforderung, die – nicht nur, aber vor allem – mit dem weiteren Ausbau der Windenergie an Land einhergeht, ist die steigende Bedeutung verfügbarer Flächen. In diesem Feld zeichnet sich seit einigen Jahren eine erhebliche Zunahme verschiedener Interessenkonflikte ab. Dabei spielen vor allem Naturschutzkonflikte und Konflikte mit den Anwohnern eine herausragende Rolle. In der Zukunft ist mit einer weiteren Zunahme der Konflikte zu rechnen, so dass innovative Lösungen, die zur Steigerung der Akzeptanz für die Windenergie beitragen können, eine wichtige Rolle spielen werden. Energiewende bedeutet jedoch nicht nur Stromwende. Wenn auch maßgebliche Erfolge beim Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Vergangenheit vor allem auf dem Stromsektor erzielt worden sind, gilt es jetzt verstärkt auch die anderen Sektoren, wie Wärme und Mobilität, in den Blick zu nehmen und vor allem das Zusammenspiel dieser Sektoren voranzutreiben.

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Autorin Birgit Henrichs, geboren 1960, ist Bildungsreferentin beim BDEW. Zu ihren Aufgaben gehört die redaktionelle Entwicklung der Lehrer- und Unterrichtsmaterialien. Die Kulturwissenschaftlerin und Pädagogin studierte in Tübingen. Weitere Stationen ihres Berufsweges waren das Deutsche Technikmuseum Berlin, das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg und der Cornelsen Verlag Berlin.

Fotonachweise Titel, Seiten 3, 4/5, 6, 10, 14, 28, 38: BDEW / Roland Horn; Seiten 4/5: Vattenfall (Hohenwarte II), DLR/Lannert (Versuchskraftwerk Forschungszentrum Jülich), Schaeffler (Strömungskraftwerke und Wellenkraftwerk); Seite 9: GASAG Berliner Gaswerke AG; Seite 12: Bundesregierung/Jesco Denzel; Seiten 12/13: EEX/Christian Hüller; Seite 19: depositephotos.com/ Oksana Byelikova; Seite 23: E.ON; Seite 25: Vattenfall; Seite 32: DLR/Lannert; Seite 33: www.wagner-solar.com; Seite 35: Stadtwerke Trier; Seite 36: Innogy SE; Seiten 44/45: Schaeffler

Impressum HERAUSGEBER

BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. Reinhardtstraße 32, 10117 Berlin VERLAG

wvgw Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH Josef-Wirmer-Straße 3, 53123 Bonn Tel. 0228 9191-40, Fax. 0228 9191-499 info@wvgw.de, www.wvgw.de REDAKTION

Birgit Henrichs, BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. DRUCK

Zimmermann Druck + Verlag GmbH, Balve 1. Auflage, August 2016 Artikelnummer 309551 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt vor allem für Vervielfältigungen in jedwe-

der Form. Weiterhin sind Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen verboten.

Onlineportal Berufswelten Energie & Wasser Die Energiewende ist eine der wichtigsten, aber auch eine der komplexesten Herausforderungen unserer Zeit. Für den Übergang zu den Erneuerbaren Energien und eine nachhaltige und sichere Energieversorgung von morgen benötigen die Unternehmen der Energiewirtschaft bereits heute motivierte und qualifizierte Nachwuchskräfte mit unterschiedlichen Stärken und Fähigkeiten. Das Onlineportal „Berufswelten Energie & Wasser“ gibt einen fundierten Überblick zu den Einstiegsmöglichkeiten in diese vielfältige und zukunftsorientierte Branche. Nutzen auch Sie die „Berufswelten“, um Ihre Schülerinnen und Schüler über die spannenden Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten im Bereich der Erneuerbaren Energien zu informieren!

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